Rot wie Blut von abgemeldet (Die Legende der Shichinintai) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Durch das vergitterte Rechteck, oben in der Tür ihres Verlieses eingelassen, drang eine Ahnung von Fackelschein. Bankotsu hatte vergessen, wie sich das warme Tageslicht anfühlte. Er hatte vergessen, wie lange er schon hier war. Hier unten verlor man jegliches Zeitgefühl. Das einzige, das er mit Gewissheit wusste, war, dass der Tag, an dem er das Sonnenlicht wieder erblicken sollte, der Tag seiner Hinrichtung sein würde. Ein leises Rasseln von Ketten war zu vernehmen, dann ein Körper, der sich zaghaft und tröstend an den seinen lehnte. Er war ausgemergelt und glühte von dem Fieber der Erschöpfung, dem letzten Aufbegehren vor dem Sterben. Die Ketten reichten gerade so. Er spürte, wie sich Jakotsus linke Hand mit seiner rechten verhakte. „Hast du Angst, Bankotsu?“, drang die androgyne Stimme zu ihm herüber. Wie hoffnungslos sie klang. Aber nicht verängstigt. Wo die anderen waren wusste er nicht.  Vielleicht waren sie hier im riesigen Dunkel dieses Verlieses, vielleicht waren sie längst tot. „Der Tod macht mir keine Angst“, antwortete er nach einer Weile. „Der Gedanke daran, dich sterben zu sehen, der macht mir Angst.“ Er würde der Letzte sein. Niemand hatte es ihm gesagt, aber er wusste es. Und er würde um sie weinen, stolz und mit erhobenem Haupt. Kein Flehen mehr, keine Unterwürfigkeit vor falschen Herren.  Sie fürchteten sie, weil sie sie nicht mehr kontrollieren konnten. Weil sie eine Übermacht geworden waren. Lächerliche sieben Mann gegen ein Imperium von Kriegsherren. Bankotsu hatte immer gewusst, dass nichts ewig war. Nicht der Schnee, der im Winter fiel. Nicht die Blätter an den Bäumen. Und auch nicht die Blumen des Frühlings. Nicht der Regen über dem Feld und nicht die Ähren der Frucht. Nicht der Kaiser von Japan und nicht das Weib, bei dem er das erste Mal gelegen hatte. Und auch nicht die Shichinintai. Die Sieben Krieger, die beinahe drei Jahre lang ganz Japan in Angst und Schrecken versetzt hatten. Bankotsu sog den Geruch von Jakotsus Haar ein. Selbst nach dieser langen Weile hier unten hatte es seine süße Eigennote nicht verloren. Dieser Duft würde ihm fehlen. Und Jakotsus Lachen. Sein schwingender Gang und das Rot seiner Lippen. Doch auch, wenn das Schicksal ihnen einen frühen Tod bescherte. Auch wenn sie niemals wieder zusammen kämpfen. Zusammen lachen. Zusammen trinken. Zusammen feiern. Zusammen weinen würden. Er bereute nichts. Denn sie hatten in Freiheit gelebt. Drei wundervolle erfüllte Jahre lang. Und als er schließlich nach Stunden der Dunkelheit die Schritte hörte, da wusste er, dass sie heute nicht kamen, um ihnen ihre karge Mahlzeit zu bringen. Heute kamen sie, um sie zum Richtplatz zu führen. Und Bankotsu schloss die Augen und ließ sich ein letztes Mal von jedem Moment seines Lebens durchpulsen. Kapitel 1: Es war einmal in Edo... ---------------------------------- Bankotsu war bei ganz grässlicher Laune. Sein Geldvorrat neigte sich dem Ende und der Sold, den die Leute bereit waren in diesen unruhigen Zeiten zu zahlen, war ernüchternd gering. Sicher. Er hätte sich dem Heer verpflichten können, nach den Jahren des Krieges, die ihre Opfer gefordert hatten, war man um jeden Mann dankbar. Aber dem stand eine entscheidende Sache im Wege, nämlich die, dass Bankotsu ein ernsthaftes Problem mit Autorität hatte. Er war jemand, der delegieren konnte, aber niemand, der Befehle annehmen wollte. Er hatte es versucht, wirklich ernsthaft versucht und es nach wenigen Wochen aufgegeben. Das lag ihm nicht. Er fühlte sich zu Höherem berufen. Als namenloser Soldat in einem Massengrab enden, das war etwas für Männer, die nichts vom Leben zu erwarten hatten. Nicht wie er, er hatte Pläne. Große Pläne. Aus diesem Grund war er auch hier nach Edo gekommen. Edo war neben Kyōtō die größte Stadt des Landes, die Wahrscheinlichkeit, hier auf einen gut betuchten Auftraggeber zu stoßen, dementsprechend hoch. Da er noch keinen allzu genauen Plan hatte, wollte sich erst einmal eine billige Bleibe für die nächsten zwei, drei Tage suchen. Er mochte es nur ungerne zugeben, aber er sehnte sich mal wieder nach einem richtigen Bett. Die letzten Tage war er beinahe durchmarschiert und hatte meist unter freiem Himmel genächtigt oder in der Scheune eines Bauern, wenn es sich ergeben hatte. Und der Marsch und das feuchtkalte Wetter der letzten Tage saßen ihm in den Knochen. Die Händler hatten, wie er wusste, strikte Auflagen, wie und wo sie ihre Stände aufzubauen hatten. Hier hatte alles seine Ordnung, seinen fest angestammten Platz. Im Vorbeigehen glitt Bankotsus Blick interessiert über die Stände. Reishändler waren hier wohl am zahlreichsten vertreten und versuchten gewohnheitsgemäß sich gegenseitig im Preis zu unterbieten, indem sie unentwegt Angebote in die Menge brüllten. Bei den Obst- und Gemüsehändlern war es nicht anders. An die Lautstärke würde er sich wohl erst wieder gewöhnen müssen. Sein Blick fiel auf ein paar tiefrote Äpfel, die ein Obsthändler hübsch auf seinem Tisch drapiert hatte und bei deren Anblick machte sich Bankotsus Magen bemerkbar – wann hatte er eigentlich das letzte Mal gegessen? Nach kurzem Zaudern, denn Bankotsu hielt sein Geld so gut es ging, zusammen, gab er der inneren Gier schließlich nach und kaufte dem Händler billig zwei Äpfel ab. Für eine richtige Mahlzeit musste er sich wohl gedulden bis er eine Herberge fand. Ein Unterfangen, das sich als gar nicht so einfach herausstellte, denn entweder waren alle Zimmer belegt oder unbezahlbar wie er nach einigen Stunden ernüchternd feststellte. „Verzeiht“, sprach er schließlich einen vorbeigehenden Mann an, welcher stehen blieb und ihn neugierig ansah. Dabei blieb der Blick an der ungewöhnlich großen Waffe hängen, „Könnt Ihr mir sagen, wo ich ein bezahlbares Zimmer finde für die Nacht? Bisher hatte ich kein Glück und ich kenne diese Stadt nicht.“ Der Mann blickte einen Moment nachdenklich drein und erwiderte dann: „Da habt Ihr Euch eine ungünstige Zeit gesucht. Sicherlich habt Ihr bereits bemerkt, dass Wochenmarkt ist, da wird alles von den Händlern belegt, die von weiter her kommen.“ Als Bankotsu daraufhin einen etwas unglücklichen Eindruck machte, schien der Mann wohl irgendwie Mitleid zu bekommen und fügte zögerlich hinzu: „Nun, allerdings könntet Ihr es noch im Hanamachi-Viertel versuchen. Die meisten Hurenwirte vermieten auch Zimmer. Bitte verzeiht, Herr, aber ich muss weiter. Etwa zehn Straßen weiter in dieser Richtung beginnt das Viertel, Ihr könnt es gar nicht verfehlen.“ Damit deutete er in eine bestimmte Richtung und ließ Bankotsu schließlich stehen. Das *Hanamachi Viertel. Bankotsu konnte sich wirklich angenehmere Orte vorstellen, allerdings waren die Zimmer, die in diesen Vierteln vermietet wurden, tatsächlich meist sehr billig. Man musste jedoch höllisch aufpassen, nicht bestohlen zu werden, da sich eben auch entsprechendes Klientel dort herumtrieb. Am besten war es eigentlich, wenn man unauffällig und wenig wohlhabend wirkte, dann ließen einen die Oiran meist in Ruhe.  Dummerweise nur fiel Bankotsu alleine schon wegen Banryu auf wie ein bunter Hund, sodass es auch nicht lange dauerte bis sich ihm eine der Damen näherte. „Seid gegrüßt, mein Herr“, gurrte sie und ihm schlug der erdrückende Geruch von viel zu schwerem Parfum entgegen, „darf ich Euch heute einladen? Ihr seht müde aus – ich werde Euch einige angenehme Stunden bescheren.“ Bankotsus Blick blieb einen Moment an ihrem billigen Kimono hängen, welcher so unanständig drapiert war, dass man die Ansätze der Brüste sehen konnte. Er wurde leicht rot um die Nasenspitze und schob die Frau dann grober als nötig zur Seite, „Kein Interesse.“ „Ihr wisst gar nicht, was Euch entgeht!“, versuchte sie es noch einmal. „Damit kann ich leben, danke“, knurrte der junge Mann. Die Hurenhäuser reihten sich immer enger aneinander, je näher er dem Zentrum des Hanamachi Viertels kam. Er blieb einen Moment stehen und sah sich etwas unschlüssig um. Wen konnte er jetzt fragen, ohne gleich wieder angemacht zu werden? Plötzlich drang von irgendwoher Musik an sein Ohr; Jemand spielte eine Shamisen und eine Frau sang dazu mit voller, klarer Stimme. Der junge Mann musste sich nicht lange umsehen, um die Quelle des Gesangs zu lokalisieren. „Liebe Herren, kommt in Oneesamas Haus, genießt die schönen Mädchen – und auch die Knaben, wenn Euch danach ist!“, erklang eine schöne, fröhliche Frauenstimme. Als Bankotsu ein paar Schritte näher trat, konnte er erkennen, dass die Stimme zu einer jungen Frau gehörte, mit einem Gesicht wie die aufgehende Sonne, immer ein Lächeln oder Lachen übrig für die Männer, die um sie herumstanden.  „Bei Oneesama gibt es Musik, Tanz und Sake – für jeden Geschmack ist etwas dabei, kommt Ihr Herren, lasst Euch verwöhnen, bei Oneesama geht es euch gut! Gleich dort vorne, das schönste Haus der Straße“, fügte sie kichernd hinzu, was ihr ein paar gefällige Lacher einbrachte. Das Mädchen zog mit ihrer vogelsgleichen, lieblichen Stimme die Aufmerksamkeit auf sich, während eine ihrer Gefährtinnen die Shamisen spielte,die Bankotsu gehört hatte, während zwei andere mit den Männern schäkerten, um sie in das Haus zu locken. Bankotsu musste wohl ziemlich gestarrt haben, denn er zuckte zusammen, als plötzlich eine der jungen Damen direkt vor ihm stand. „Junge, schöne Burschen wie Euch sehen wir am Liebsten bei Oneesama“, sagte das Mädchen mit einem verschmitzten Augenzwinkern, „Nur keine falsche Scheu“, dabei wagte sie sich sogar so keck vor, ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken – Bankotsu spürte, wie ihm die Röte in die Wangen stieg, während ein paar Männer in kumpelhaftem Spott über ihn lachten und Bankotsu sah zu, dass er Land gewann. Er musste sich hier doch nicht zum Affen machen lassen. Allerdings wirkte das Haus, auf das das Mädchen vorhin gedeutet hatte, wirklich mit am einladendsten hier in der Straße und er war müde und bekam langsam schlechte Laune, also beschloss er, es einfach mal zu versuchen.   ~*~ Als Makoto am frühen Nachmittag erwachte, fühlte er Schwermut. Er träumte seit einiger Zeit schlecht. Dieser Traum. Immer wieder dieser Traum. Der Traum aus einem anderen Leben. Ein Leben, das für Makoto vorüber war. Ein lautloses Seufzen drang über die Lippen, an denen noch Spuren von roter Lippenfarbe klebten. Die gestrige Nacht war sehr viel zu tun gewesen. Makoto hatte beinahe einen Freier nach dem anderen empfangen. Mittlerweile hatte sich der Ruf seiner legendären Künste zwischen den Laken schon in der ganzen Stadt herumgesprochen. Und er stand kurz davor, den Status zu erlangen, sich die Freier aussuchen zu dürfen. Sogar ein ehemaliger Samurai suchte ihn seit einiger Zeit sehr regelmäßig auf. Matsumoto hieß er. Die Träume hatten angefangen, seit Matsumoto zu ihm kam. Makoto räkelte sich träge und stemmte sich dann in die Höhe, um nach dem tönernen Wasserkrug zu greifen, woraus er sich Wasser in eine Trinkschale goss. Es schmeckte schal. Natsue und die einige der anderen Mädchen waren wohl inzwischen schon längst draußen wie jeden Sonnabend, um neue Freier anzulocken. Freitag und Sonnabend war immer am meisten los. Oneesamas Haus war ein mittelwertiges Freudenhaus mit einem sehr guten Ruf. Die Oneesama selbst war eine sehr strenge, harte Frau mit mehr Knochen und Beulen als Menschlichkeit am Körper, und wenn man nicht gehorsam war, griff sie schnell zur Peitsche. Allerdings konnte sich auch, wer einmal bei ihr aufgenommen war, sicher fühlen. Denn eine Sache duldete Oneesama in ihrem Haus ganz und gar nicht. Wenn ein Freier brutal zu einem ihrer Vögelchen war, so wurde er dezent des Hauses verwiesen. Und da konnte es sich um den Kaiser von Japan handeln. Der junge Mann streckte sich. In weniger als drei Stunden war sein Arbeitsbeginn. Genug Zeit, um noch einmal ausgiebig zu baden. Normalerweise verabscheute er nichts mehr, als verklebt von Lustsaft und Schweiß ins Bett zu gehen, doch die letzte Nacht hatte ihn mehr verausgabt, als er es für möglich gehalten hätte. Nachdem er einen der Hausdiener damit beauftragt hatte, einen Badezuber zu richten, stand er schließlich auf und ging langsam zum Fenster. Woher kam nur plötzlich dieses Fernweh? Das hatte er doch nie gehabt. Das einzige, was er sich immer gewünscht hatte, war ein Platz gewesen, an dem er zuhause sein konnte. An dem er nicht fror, nicht hungern musste und ein Bett hatte, in dem er schlafen konnte. Unten auf dem Vorplatz standen ein paar Männer und beobachteten unter Gelächter, wie einer ihrer Kameraden betrunken von einem der Hauswächter hinausgeworfen wurde. Makoto schüttelte mit einem schwachen Lächeln den Kopf, als einer der unten stehenden ihn bemerkte. Er schirmte die Augen kurz vor der Sonne ab und als er Makoto zu erkennen schien, pfiff er obszön mit Daumen- und Zeigefinger im Mund zu ihm hoch und winkte dann fröhlich. Makoto winkte kokett zurück und schickte dem Mann schließlich noch einen Luftkuss hinterher, was diesem anerkennende Pfiffe und ein paar Eifersüchteleien von seinen Kameraden einbrachte, ehe er sich schließlich vom Fenster abwandte. Das war das Leben, das er sich selbst ausgesucht hatte. Oder dem er sich gefügt hatte. Er war nun inzwischen schon fünf Jahre hier und nach nicht einmal einem halben Jahr war er der bestverdienendste Freudenknabe hier geworden. Denn er verkörperte all das, was ein Herr, der Knaben lieb hatte, mochte. Er war von schlanker, androgyn bis leicht fraulich wirkender Gestalt, hatte blasse, makellose Haut und so tiefschwarze große Augen, die irgendwie immer ein wenig schimmerten, dass man darin versinken mochte. Im Grunde liebte er es, mit Männern zu schäkern, er liebte es, wie sie auf ihn anbissen und ihm erlagen, wie sie sich hungrig über ihn hermachten und dennoch er es war, der sie während dieser ganzen Zeit kontrollierte. Er liebte es, wie sie ihm heimlich Geschenke mitbrachten und er liebte es auch, wenn es hin und wieder vorkam, dass es ein wenig laut wurde, weil man sich nicht einigen konnte, wer ihm nun zuerst beiwohnen durfte. Mit einem leisen, wohligen Seufzen ließ er sich später in das heiße Wasser gleiten, wobei er die Augen ein wenig schloss. Das Bad weckte seine Lebensgeister wieder. Aber trotz, dass er all das liebte, dass er sich an dieses Leben gewöhnt hatte und das Beste daraus machte. Trotz allem war es ihm manchmal, als fehlte ihm etwas. Denn da gab es auch Momente und es gab vor allem Männer wie Matsumoto, die ihn in die Realität holten. Matsumoto verehrte ihn, wie viele andere, ja. Aber er wollte ihn nicht erobern, er wollte ihn beherrschen. Das letzte Mal war er beinahe sogar brutal gewesen. Makoto hatte ihm dafür eins mit einer Geta über den Kopf gezogen. Der Mann hatte sich ihm daraufhin unter Tränen zu Füßen geworfen, hatte ihm die Füße geküsst und ihn angefleht, Sein zu werden, mit ihm zu kommen, nur ihm zu gehören. Makoto hatte gemerkt, dass er im Zweifelsfall gegen Matsumoto nicht ankam. Und plötzlich, da fiel ihm noch etwas anderes auf. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie es war, frei zu sein.   ~*~ Es war laut hier, laut und muffig und obszön, aber auf eine ganz eigene merkwürdige Weise war die Atmosphäre fast sogar gemütlich. Im Gastraum servierten die Oiran Sake und hatten die Aufgabe, die Männer zum Trinken zu animieren und während sie das taten, hatten die Männer genug Gelegenheit, sich eine Dame für die Nacht auszusuchen, mit der sie dann auf eines der Zimmer verschwanden. Bankotsu hatte sich einen Tisch in einer Ecke des Raumes genommen. Er mochte es nicht, nicht zu wissen, was sich hinter seinem Rücken abspielte. Bald erblickte er das Mädchen mit dem Sonnengesicht, um das sich gleich mehrere Männer geschart hatten. Sie war äußerst aufreizend. Nicht gerade nach Bankotsus Geschmack. Es war nicht so als zöge er die stille Sittsamkeit vor, zu der die Mädchen der heutigen Zeit herangezogen wurden, er dachte an seine Schwestern und wie wenig er als Knabe immer mit ihnen hatte anfangen können. Vermutlich musste die Frau, die Bankotsu gefiel erst noch geboren werden. Zwei Oiran spielten die Shamisen, eine sang mit einer klaren hellen Stimme dazu, während drei Mädchen aufreizend tanzten. Sein Blick ruhte einen Moment gedankenverloren auf den Tänzerinnen – und als er ihn später mehr zufällig wieder hob fiel er prompt auf eine Oiran, die soeben den Raum betreten hatte. Eine ausgesprochen schöne Oiran, wie er im Stillen zugeben musste und scheinbar war er nicht der einzige mit diesem Gedankengang, denn als sie durch den Schankraum schritt, blieb der ein oder andere Blick an ihr hängen. Sie trug einen Kimono, der auffallend kostbar wirkte für eine einfache Oiran in einem mittelständischen Freudenhaus, mit einer Schleppe, ähnlich derer der Geisha**. Mit dem einzigen Unterschied, dass die Schleppe bei dieser Oiran nachlässig auf dem Boden schleifte. Der Kimono selbst war von einem zarten Kirschblütenrosa, an Ärmeln und Saum war die Färbung etwas kräftiger und goldene Umrisse von Lotusblüten waren aufgemalt. Der Obi war, wie bei allen Oiran vorne gebunden und das linke Bein war bis zur Mitte des Oberschenkels nackt, da der Saum geschickt gerafft am Obi befestigt war. Die Haut hatte die Farbe von Porzellan und das Haar war mit einfachen Handgriffen hochgesteckt und mit einer silbernen Spange verziert worden. Ebenholz, dachte Bankotsu hingerissen. Es schimmerte wie feuchtes Ebenholz. Sie ging mit langsamen Schritten durch den Raum und hatte den Blick dabei nahezu keusch gesenkt, doch Bankotsu war sich ziemlich sicher, dass sie genau wusste, wie sehr die Blicke der Männer an ihr klebten. Er hätte so gerne ihre Augen gesehen. Doch dieser Wunsch wurde ihm nicht gewährt, da in diesem Moment eine kleine Gruppe Männer in sein Blickfeld trat und ihm somit die Sicht versperrte. Bankotsu stöhnte genervt auf und wäre beinahe zusammengezuckt, als ihn eines der Mädchen ansprach, ob sie ihm denn Sake nachschenken sollte. Bankotsu winkte ungeduldig ab, da er wenig Lust verspürte, dass sie das als Einladung sehen würde, sich zu ihm zu setzen. Als die Männer sich langsam wieder wegbewegt hatten, war die Oiran verschwunden. Suchend sah sich Bankotsu im Raum um. Warum gerade die sein Interesse geweckt hatte, wusste er nicht – er hatte sich nie übermäßig viel aus der Schönheit von Frauen gemacht, ihm war nur wichtig, dass sie sauber waren und dann feucht zwischen den Schenkeln wurden, wenn es darauf ankam. Allerdings sollte ihm das Glück diesen Abend noch hold sein, dann keine zehn Minuten später sah er sie, wie sie mit anmutigen Bewegungen einen Sakekrug trug. Bankotsu starrte sie so lange an, bis sie sich beobachtet fühlte und schließlich den Blick in seine Richtung wandte – aus dem lächerlichen Gedanken heraus, dass sie sonst jemand anders haben könnte, winkte er sie zu sich her. Aus irgendeinem Grund klopfte ihm das Herz bis zum Halse, als sie es tatsächlich tat und sich mit einer geschmeidigen Bewegung bei ihm nieder ließ, um ihm Sake einzuschenken. „Guten Abend, Herr“, sagte sie dabei und plötzlich fielen Bankotsu zweierlei Dinge auf. Erstens war sie erstaunlich groß für eine Frau. Und zweitens klang ihre Stimme zwar weich und hell aber nicht ganz und gar weiblich. „Seid gegrüßt“, erwiderte er etwas irritiert. War er etwa an einen Lustknaben geraten? Aber ein Mann konnte doch nie und nimmer so schön sein.Und warum zum Teufel hatte er sie überhaupt zu sich gewinkt? Er hatte weder vor, die Dienste einer Oiran in Anspruch zu nehmen, noch überhaupt irgendwelche Gesellschaft zu suchen. „Nennt Ihr mir Euren Namen, schöner Mann? Ich habe Euch noch nie hier gesehen.“ „Bankotsu.“ Dabei kniff er die Augen zusammen. Er konnte einfach nicht deuten, welchem Geschlecht diese Oiran angehörte. „Und der Eure?“ „Man nennt mich Makoto, Herr.“ Na fabelhaft. Das war ein Männer- und ein Frauenname. Raffiniert. War er bewusst so gewählt worden, oder war es der richtige Name? „Ihr wirkt so, als bedrücke Euch etwas.“ Sie schien eine gute Beobachterin zu sein. Bankotsu rümpfte die Nase und hob dann sein Sakeschälchen um es in einem Zug leer zu trinken. „Und wenn es so wäre?“ Sie legte ihre zarte Hand auf seinen Unterarm und er verlor sich einen Moment in den schwarzen Augen. „Ich könnte Euch vielleicht aus Eurer Schwermut erretten … in nur einer einzigen Stunde …“ Bankotsus Lippen kräuselten sich. Er spürte plötzlich ein leichtes Ziehen in den Lenden. „Wie viel willst du? Weißt du, ich bin kein reicher Mann und du wirkst nicht wie eines von den billigen Flittchen, die ich hier sehe.“ Sie musste plötzlich lachen und ein angenehmer Schauer rieselte Bankotsu über den Rücken bis in die Lenden herab. „Für jede Stunde 10 Ryō***. Und wenn Ihr ein besonders guter Liebhaber seid, dann dürft ihr es sogar ein bisschen länger auskosten.“ Sie schenkte ihm Sake nach und Bankotsus Blick fiel dabei auf ihr Dekolleté – das keines war. Keine Brust. Leichte Enttäuschung machte sich in ihm breit. Also doch ein Mann. Nicht, dass Bankotsu etwas gegen körperliche Liebe mit einem Mann gehabt hätte – viele einflussreiche Männer nahmen sich ganz offiziell einen männlichen Geliebten, weil das als höchst schick galt, aber er selbst konnte sich nicht vorstellen, dass es etwas Süßeres geben sollte, als die heiße, feuchte Enge einer Frau. „Ich fürchte, das übersteigt meinen Rahmen“, erwiderte Bankotsu und nippte an dem Sake „Außerdem bin ich an Knaben nicht interessiert.“ Das Lächeln blieb, doch Makotos Blick nahm einen deutlich kühleren, nein, fast schon eisigen Ausdruck an. „Wieso kommt Ihr dann hierher, wenn Ihr es Euch nicht leisten könnt?“ Es hatte herablassend geklungen. Glaubte dieser Kerl etwa, er war etwas Besseres? Bankotsu verengte die Augen und erwiderte gehässig: „Vielleicht, weil ich mich über lächerliche Männer in Frauenkleidern amüsieren möchte!“ „Wie könnt Ihr es wagen, so mit mir zu sprechen!“, zischte der Mann, der gerade so gar nicht mehr fraulich wirkte in seiner Art. „Und überhaupt, wer seid Ihr eigentlich, dass-“ Bankotsu sollte nie erfahren, was Makoto hatte sagen wollen, da dieser plötzlich erstarrte. Er folgte seinem Blick und erkannte einen stämmigen, großen Mann mit verbissen wirkendem Gesicht und einer dicken wulstigen Narbe über der rechten Wange. Er trug die Kleidung eines Mannes, der sich eigentlich mehr leisten konnte, als das hier. Makoto schien ihn zu kennen und auf gewisse Weise zu fürchten. Bankotsu spürte so etwas. „He, wer ist das, hm?“, begehrte er zu wissen. Zunächst bekam er keine Antwort, doch dann packte Makoto ihn am Arm und zog ihn in die Höhe und mit sich mit. „Kommt mit!“ „W-was-?“ „Ich hab es mir anders überlegt, Ihr bekommt heute einen Sonderpreis!“, entgegnete der andere energisch und zerrte ihn quer durch den Gastraum bis hinüber zu der Tür, die in den Gang führte, in welchem die Zimmer waren, in dem die Oiran ihre Dienste verrichteten. Sie wurde stets bewacht von zwei muskulösen Eunuchen und niemand, der nicht in Begleitung einer Dame oder eines Lustknaben war, wurde durchgelassen. Bankotsus Einwand, dass er auch für einen Sonderpreis absolut kein Interesse hatte, diesem Mann beizuwohnen, blieb ungehört. Als er über die Schulter zurücksah, bemerkte er, wie sich der Blick des Mannes, vor dem Makoto zu fliehen schien in seine Richtung bohrte. Es war ein grausamer Blick und Bankotsu hatte irgendwie das Gefühl, dass er sich ohne eigenes Zutun gerade einen Feind geschaffen hatte. Es brauchte nämlich keinen hellen Kopf um zu erkennen, dass es sich hier um einen eifersüchtigen Liebhaber handelte. Wenig später schob Makoto die Türe hinter sich zu und lehnte sich aufatmend dagegen. Als er den Blick wieder hob, funkelten ihm zwei wütende blaue Augen entgegen. Es waren wirklich schöne blaue Augen, das musste man schon… „Kannst du mir mal verraten, was das eben sollte!?“, ereiferte sich Bankotsu. Makoto grinste flüchtig. „Nunja, du wolltest mich, jetzt hast du mich, ich bin eben ein netter M-“ „Klappe!“ Makoto zuckte zusammen und war augenblicklich still. „Du sagst mir jetzt, wer das ist, ich habe nämlich keine Lust zwischen die Fugen eines Eifersuchtsdramas zu geraten! Außerdem hab ich nie gesagt, dass ich dich will!“, war ihm irgendwie noch wichtig, deutlich zu machen. Makoto schwieg eine ganze Weile. Und dann sagte er etwas, was sogar ihn selbst überraschte, doch es kam aus dem tiefsten seiner Seele: „Wenn dieser Mann heute Nacht bei mir gelegen hätte, hätte ich ihm die Kehle aufgeschlitzt.“ Bankotsu prallte einen Moment zurück. So hart und so verbittert, das krasse Gegenteil zu der verspielten, lieblichen Stimme von vorhin. Irgendwie hatte ihm das gerade den Wind aus den Segeln genommen. Makoto ging zu dem großzügigen Futon, der im Raum lag und einen heimeligen Eindruck erweckte mit den Kissen, die überall darauf verteilt waren, und ließ sich darauf sinken. Mit einer einladenden, jedoch müden Handbewegung bedeutete er Bankotsu, es ihm gleich zu tun. Der kam dieser Aufforderung nur zögerlich nach. „Sein Name ist Matsumoto Hanzo. Er … ich…“ Makoto fehlten plötzlich die Worte. Matsumoto war manchmal grob, ein wenig besitzergreifend, ja, aber im Grunde hatte er ihm nie ein ernsthaftes Leid zugefügt (das hätte die Oneesama auch niemals zugelassen). Warum nur widerte ihn die Vorstellung plötzlich so an, unter diesem Mann zu liegen? Bankotsu hob beschwichtigend die Hand. „Schon gut.“ Es war seltsam. Sie hatten bisher über nichts Persönliches gesprochen. Und kannten sich seit vielleicht 20 Minuten. Und doch, jetzt, wo sie hier waren, in diesem Haus, in diesem Zimmer, mit den gedämpften Lustschreien anderer Menschen im Hintergrund, da fühlte sich Bankotsu das erste Mal seit langer Zeit wieder jemandem verbunden. Er blinzelte. Fühlte er sich wirklich verbunden, oder war es nur das verdrängte Verlangen von vorhin? Verdammt. „Bankotsu ist ein ungewöhnlicher Name“, sagte Makoto in die Stille hinein und griff nach einem Sakekrug um Bankotsu einzuschenken – nach kurzem Zögern setzte er selbst den ganzen Krug an die Lippen und trank ihn zur Hälfte leer. Plötzlich musste Bankotsu lachen. „Sieht aus, wie ein Weib und säuft wie ein echter Kerl, das gefällt mir.“ Es rang Makoto ein schwaches Lächeln ab. Das Lachen dieses Mannes war irgendwie angenehm. Aber jung war er. Jünger als er selbst. Fünfzehn, sechzehn Sommer höchstens. Ob er wohl schon erfahren war in Liebesdingen? Makoto ließ bei Bankotsu den Alkohol ein wenig wirken, ehe er sich geschickt vorwagte. „Ich habe meinen richtigen Namen vor langer Zeit abgelegt. In Eurem eigenen Interesse fragt nicht weiter nach.“ Makoto schien weiterhin neugierig, gab sich aber offenbar vorerst mit dieser Antwort zufrieden. „Sagt, Bankotsu … ein stattlicher junger Herr wie Ihr hat sicher schon eine Menge schöner Frauen gehabt…“ „Die ein oder andere…“ „Habt Ihr es auch schon mit einem Knaben getan?“ „Wieso fragt Ihr mich das?“ Bankotsus helle Augen lagen auf der Gestalt des anderen. „Nun … ich dachte daran, Euch vielleicht ein bisschen für die Zeit hier zu entschädigen. Immerhin habt Ihr mir einen Gefallen getan. Ich würde auch Euch gerne einen tun. Dabei suchte sich eine geschickte Hand den Weg in Bankotsus Beinkleider – dieser keuchte überrascht auf, wobei ihm die Röte in die Wangen stieg. Sein erster Impuls war, die Hand zu ergreifen und sie von sich zu ziehen, doch er konnte nicht. Er war wie gebannt von den roten Lippen und den glänzenden Augen und von diesen seltsamen körperlichen Gefühlen, die ihn übermannten, sodass er nicht anders konnte, als überfordert aufzustöhnen. Es dauerte nicht lange. Makoto wischte die Hand in einem weißen Tuch ab und verwickelte ihn weiter in ein Gespräch als sei gar nichts passiert, doch Bankotsu hörte nur mit halbem Ohr zu. Es war wohl das erste Mal in seinem Vagabundenleben, dass er plötzlich die Einsamkeit so deutlich spürte. Und das war sonderbar, denn Bankotsu umgab sich schon lange nicht mehr mit Menschen, wenn die Umstände es nicht zwingend notwendig machten. Und Makoto schien einsam zu sein, genau wie er.   ~*~ Ein gequälter Schrei drang durch die oberen Räume des Hauses, begleitet von dem charakteristischen Zischen einer kurzen, festen Peitsche. Und alle, die es hörten, waren froh, dass sie nicht diejenigen waren, die von Oneesama bestraft wurden. Keine Häme, keine Schadenfreude, denn die Knute der Bordellmutter war eisern. Makoto krümmte sich zitternd unter den Hieben Oneesamas zusammen – ein Bild, das schon allein wegen des Größenunterschiedes grotesker nicht hätte anmuten können. Sein Rücken glänzte inzwischen von roten Striemen und sie würde wohl erst aufhören kurz bevor die Haut aufplatzte, denn sie wollte keine beschädigte Ware. Ein weiterer Hieb sauste hernieder und Makoto stieß abermals einen leisen Schmerzensschrei aus. „Was hast du dir eigentlich dabei gedacht!?“, erklang die schnarrende Stimme dabei, „Nicht nur, dass du diesen Hänfling weit über die Zeit ohne den entsprechenden Sold bei dir hast liegen lassen, nein, du hast auch noch den Zorn Matsumoto-samas auf dich – und somit auf mein Haus gezogen!“ Die Hiebe erfolgten in einem routinierten Rhythmus und Makoto versuchte, seine eigenen Schreie in seiner Kehle zu ersticken. Denn die Alte schlug hart zu. Härter, als man einer so dürren, klapprigen Hand auf den ersten Blick zugestehen mochte. „Ist dir eigentlich das Ausmaß deiner Dummheit bewusst!? Gerade von dir hätte ich so ein Verhalten nicht erwartet! Wenn sich herumspricht, dass eine meiner Huren sich lieber von einem mittellosen Hänfling verführen lässt, wird kein gut betuchter Herr mehr hierher kommen.“ Makoto musste sich auf die Unterlippe beißen, weil ihm die Tränen in den Augen standen. Es war erniedrigend. Schlimmer als der Schmerz, der Gedanke, sich einer alten Frau zu Füßen werfen zu müssen. Ein plötzlicher Hass auf alle Frauen wallte in ihm auf, ein Hass, den er vor langer Zeit vergraben geglaubt hatte. „Das werd ich dir dreifach vom Lohn abziehen, ich hoffe, das ist dir eine Lehre! Und wenn du nicht so gut Schwänze lutschen könntest, würde ich dich hochkant hier herauswerfen!“ Drei Schläge noch, dann hielt die Alte inne. Makoto zitterte und heulte lautlos, doch er wagte es nicht, sich umzudrehen. Damit diese schreckliche Frau nicht sah, dass er sie fürchtete. Dass er ihr nichts entgegen zu setzen hatte, weil sie seine Herrin war. Noch während er sich keuchend wieder versuchte, zu sammeln sagte sie mitleidlos: „Matsumoto-sama war sehr ungehalten. Ich konnte ihn besänftigen, indem ich ihm versprochen habe, dass du nächsten Sonnabend zu ihm nachhause kommst. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund scheint er eine gewaltige Obsession für dich entwickelt zu haben. Trotz deiner gestrigen Respektlosigkeit.“ Makotos Kopf ruckte herum und er starrte die alte Frau an. In dem runzligen Gesicht war keine Spur von Mitgefühl zu erahnen. Ihre Augen starrten wütend auf ihn herab. Am liebsten hätte er sie angesprungen und ihr den dürren Hals umgedreht. Und es stand außer Frage, dass er in der Lage dazu war. Doch alles was er hervor brachte, war ein ersticktes: „Aber, Herrin-“ „Ich habe mich klar ausgedrückt“, unterbrach sie ihn scharf. „Und jetzt raus mit dir, ich will dich nicht mehr sehen.“ Es war ihr letztes Wort. Makoto raffte seinen Yukata zusammen; Der Stoff scheuerte schmerzhaft auf der wundgeprügelten Haut des Rückens. Und er sah sie nicht an, als er aus dem Zimmer schlich. Denn für die Wut in seinen Augen hätte sie ihm nur ein paar Hiebe mehr verpasst. Auf dem Gang kam ihm Natsue entgegen. Sie hatte wohl gelauscht. „Oh, Makoto, hat sie sehr fest zugeschlagen?“ Mitgefühl schwang in der hellen Jungmädchenstimme mit. „Lass mich in Ruhe.“ „Jetzt warte doch!“ „Was denn noch?“, murmelte er, ohne den Kopf zu heben. Sie ergriff zögerlich seine Hand und drückte sie kurz. „Ich hab ihn gesehen... Er war es wert.“ Nun sah er doch auf. Und innerlich berichtigte er sich. Er hasste alle Frauen, bis auf Natsue. Mit einem schwachen Lächeln erwiderte er den Druck ihrer Hand und ging dann ohne ein weiteres Wort zu verlieren.   Kapitel 2: Jakotsu ------------------ „Wie ist das eigentlich so?“ „Wie ist was so?“ „Dieses Vagabundenleben… ich stelle mir das unglaublich romantisch vor“, fügte Makoto seufzend hinzu, „durch das Land zu reisen, keine Verpflichtungen haben, sein eigener Herr sein … und überall gebrochene Herzen zurücklassen“, fügte er kichernd hinzu. Bankotsu verzog das Gesicht. „Du hast ganz schön naive Vorstellungen von dem Leben da draußen. Ich habe es mir ausgesucht, aber ich kann nicht abstreiten, dass es hin- und wieder recht hart ist. Vor allem, wenn es Ende Herbst dann richtig kalt wird. Ich habe schon Männer gesehen, denen die Zehen und Finger abgefroren sind vor Kälte. Pechschwarz waren die, mussten dann mit einem Messer abgeschnitten werden“, fügte er grinsend hinzu. Täuschte er sich, oder hatte Bankotsu gerade ziemlichen Spaß daran, ihn zu ekeln? Makoto rümpfte die Nase. „Na, sowas passiert sicher nicht mit dem richtigen Schuhwerk.“ „Ganz zu schweigen von den wilden Yōkai, die überall lauern können. Wenn du dich da nicht selbst verteidigen kannst, wirst du schnell in tausend Stücke zerrissen.“ Makoto schnaubte nur. „Die Yōkai, die sich nah genug an den Menschen heranwagen, um ihm gefährlich zu werden, sind meist nicht sonderlich helle. Es braucht nur ein bisschen Geschick mit einem Dolch, um sich gegen die Viecher zu wehren. Also erzähl mir keinen Blödsinn, rein zufällig war mein Vater Dämonenjäger und hat mir eine Menge beigebracht.“ Die linke Augenbraue des Söldners wanderte interessiert in die Höhe. „Wenn du dich so gut mit Yōkai auskennst, warum fristest du dann dein Dasein in einem Freudenhaus und verdingst dich nicht ebenfalls als Dämonenjäger? Zumindest könntest du dir dann deine Würde bewahren.“ „Ach…“, erwiderte Makoto gedehnt, „ich hab schon drüber nachgedacht. Aber als Dämonenjäger agierst du besser in einer Gruppe. Dummerweise wurde meine Familie und das Dorf in dem wir lebten, hingemetzelt, bevor meine Ausbildung richtig begonnen hatte und ich war noch zu klein damals um irgendeine vernünftige Entscheidung über meine Zukunft treffen zu können.“ Makoto zuckte mit den Schultern und Bankotsu staunte über diese Offenherzigkeit, immerhin kannten sie sich seit nichtmal zwei Tagen. Bankotsu würde niemals etwas aus seiner Vergangenheit preisgeben, vor allem nicht so leichtfertig. „Die haben mich ins Waisenhaus gesteckt und als ich 15 war hab ich gemacht, dass ich da fort komme.“ Makoto zog an der Opiumpfeife, die bis zu diesem Zeitpunkt locker in seiner Hand geruht hatte, und pustete bedächtig kleine Wölkchen Qualm aus. Dabei sanken ihm die Lider auf Halbmast. Den Tag über hatte Makoto Bankotsu gegen ein kleines Entgelt die wichtigsten Orte der Stadt gezeigt, damit der sich später besser orientieren konnte. Wenn Bankotsu nämlich einmal einen Weg gegangen war, prägte er sich detailscharf in sein Gedächtnis ein. Eine Gabe, die sich schon des Öfteren als höchst nützlich erwiesen hatte. Nun saßen sie gemeinsam draußen in dem Innengarten an dem schön angelegten Brunnen mit den Kois, denn Bankotsu fand Makotos Gesellschaft doch ganz angenehm. Irgendwie gefiel ihm diese unverblümte Art, die Dinge so auszusprechen, wie sie waren. „Ich war schon immer etwas … wenn die Leute höflich sind, nennen sie es merkwürdig. Hab mich schon mit 13 von nem Kerl entjungfern lassen und bin auf den Geschmack gekommen. Ich dachte eben, warum nicht mit etwas sein Geld verdienen, das einem Spaß macht, anstatt sich jeden Tag zu Tode rackern zu müssen und am Ende kommt ja eh nichts dabei rum … aber ob dus glaubst oder nicht, ich kann sogar ein Schwert führen“, fügte er dann kichernd hinzu, woraufhin Bankotsu spöttisch erwiderte: „Das glaub ich erst, wenn ichs gesehen hab.“ Eine Weile schwiegen sie und Bankotsu stellte fest, wie angenehm es war, mit jemandem einfach gemeinsam schweigen zu können. Und das sagte ausgerechnet er, der sonst von sich aus nie die Gesellschaft suchte. Vielleicht lag es an Makotos offener Art, vielleicht war es einfach nur eine Laune. Bankotsu starrte auf das sanfte Glühen der Opiumpfeife und beobachtete dann, wie Makoto einen Rauchring blies. „Das Leben, das mir anfangs so gemütlich und wenig anstrengend vorgekommen ist, bekam mit den Jahren einen immer schaleren Beigeschmack“, nahm Makoto seinen vorherigen Monolog wieder auf, „ich fühl mich ekelhaft verbraucht. Und ich langweile mich. Und dann kommt da ein Prachtkerl wie du daher und haut mich völlig um.“ Bankotsu spürte aus irgendeinem lächerlichen Grund wie sein Gesicht heiß wurde. Makoto lachte. „Nein, so mein ich das nicht. Du hast etwas an dir, dass man dir folgen möchte. Sag, willst du mich nicht ein bisschen mit dir mitnehmen?“, fügte er dann mit schief gelegtem Kopf hinzu, woraufhin Bankotsu aus allen Wolken fiel. „Meinst du das jetzt ernst? Junge, ich bin Söldner und kein Alleinunterhalter“, lautete die spöttische Antwort. Bankotsu tätschelte ihm nachsichtig und wohlwollend die Schulter. „Bleib du mal lieber bei deinen hübschen Kimonos und deinen Puderdöschen. Das Leben da draußen ist nichts für-“ Bankotsu brach die abfällige Bemerkung über weiblich wirkende Männer vom anderen Ufer herunter, als ihm ein mörderischer Blick begegnete. „Hör auf mich so anzusehen, das ist ja gruselig!“ „Ich habe das nicht im Spaß gesagt. Die Frage war ernst gemeint.“ „Es tut mir leid, aber mit der Schminke im Gesicht fällt es mir wirklich schwer, dich ernst zu nehmen.“ Bankotsu wusste nicht, warum er den anderen triezte, aber irgendwie hatte er Gefallen daran gefunden. Dass er das besser nicht getan hätte, wurde ihm klar, als er sich einen Moment später im kühlen Wasser des Brunnens sitzend wiederfand. Makoto stand mit in die Hüften gestemmten Fäusten über ihm und funkelte so wütend auf ihn herab, dass Bankotsu ein wenig in sich zusammenschrumpfte. „Ich zeig dir gleich mal, wozu ein geschminkter Mann noch so alles in der Lage ist, du Hänfling!“ „Wie hast du mich gerade genannt?“, knurrte Bankotsu und sprang auf, wobei er leicht strauchelte. „Du hast schon richtig gehört.“ Im nächsten Moment sah sich Makoto am Kragen gepackt. Daraufhin zog er dem anderen schmerzhaft an dem langen Zopf, was ihm wiederum einen Hieb gegen die Schulter einbrachte – sie rangelten kurz miteinander, was schließlich und endlich dazu führte, dass sie beide mit einem lauten Platschen im Brunnen landeten. Makotos Frisur hatte sich gelöst und ein nasser Vorhang aus schwarzem Haar hing ihm im Gesicht. Sehr langsam kehrte er sie sich aus dem Gesicht, wobei sich ihre Blicke begegneten – und im nächsten Moment in schallendes Gelächter ausbrachen. „Nun gut, hör zu“, sagte Bankotsu wenig später, während er sich den Zopf auswrang, „Ich bringe dich hier raus und sicher zur nächsten Stadt, wenn du mich dafür entsprechend entschädigst. Und damit meine ich nicht in Naturalien.Sieh es als … einen Söldnerdienst.“ Makoto schwieg eine Weile. Es ging also um Geld. Wenn es nur das war. „Und…“, begann er dann zögerlich, „wenn ich dir so viel Geld verhelfe, dass du ein halbes Jahr oder mehr davon leben kannst, nimmst du mich weiter mit als bis zur nächsten Stadt?“ „Wie sollte eine Oiran zu so viel Geld kommen?“ Bankotsu war plötzlich misstrauisch. Auch eine gut verdienende Oiran konnte unmöglich eine solche Geldsumme angespart haben. Dazu war Makoto zu jung und dazu war Oneesamas Haus nicht hochklassig genug. Makoto antwortete nicht sofort. „Oneesama schickt mich nächsten Sonnabend zu Matsumoto-sama nachhause…“ Er ließ den Satz nur halb ausgesprochen und Bankotsu brauchte einen Moment, ehe er energisch erwiderte: „Einen Samurai bestehlen? Niemals! Ich bin Söldner und kein einfacher Dieb!“ „Diebstahl ist ein wenig hart ausgedrückt. Matsumoto ist in Ungnade gefallen und ohnehin nicht sonderlich beliebt bei den anderen Samurai. Und er ist reich. Sehr sehr reich aus Geschäften, die garantiert nicht unter dem Deckmantel des Gesetzes stehen.“ Bankotsu biss sich auf die Unterlippe und fühlte sich hin- und hergerissen. Es war verlockend. Sehr verlockend sogar und wenn er ehrlich war, war er es Leid, sich alle paar Tage aufs Neue darum sorgen zu müssen, wie er an Nahrung oder einen Schlafplatz kam. Aber dennoch. Ein Samurai war ein ehrbarer Krieger, dem man tiefsten Respekt zu zollen hatte. Ein Ideal, das er sich immer gesehnt hatte, zu erreichen. Bis ihm das Schicksal einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. „Nur mal so rein theoretisch, für den Fall, dass ich mich auf deine Idee einlasse: Hast du einen Plan?“ Makotos Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen. „Darauf kannst du deinen süßen Arsch verwetten.“ ~*~ Matsumoto hatte es noch nie gemocht, wenn man in seinem Gebiet wilderte. Er war hungrig. Hungrig auf den weißen Leib, hungrig auf die Illusion von Liebe, die Makoto ihm gab, denn Matsumoto hatte schon vor langer Zeit alles im Krieg verloren was ihm je etwas bedeutet hatte. Und nun war da Makoto. Immer und immer Makoto. Matsumoto trank seinen Sake direkt aus dem Krug. Wie immer, wenn er alleine trank. Und er trank meistens alleine. Die Vorstellung von anderen Freiern ließ ihm bereits ein jedes Mal die Galle die Kehle hinauf kriechen. Matsumoto knurrte leise und wandte die erkalteten Augen aus dem Fenster. Die untergehende Sonne warf einen unangenehmen Schatten auf das wettergegerbte Gesicht mit dem Dreitagebart. Es würde nicht mehr lange dauern. Er rief nach einem Diener, um sich rasieren zu lassen. ~*~ Makoto ging gemäßigten Schrittes und in Begleitung eines Wächters zum Hause Matsumotos. Er war angespannt. Aber er ließ es sich nicht anmerken. So viel stand auf dem Spiel. Seine Freiheit auf der einen Seite und, sollten sie scheitern, die Todesstrafe auf der anderen Seite. Er konnte Bankotsu nicht sehen, doch er wusste, dass er ihm folgte. Irgendwie gab ihm das Sicherheit. Auch, wenn er nach wie vor nicht wusste, ob er diesem Mann vertrauen konnte. Er hatte keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen. Er brauchte einen Beschützer da draußen,zumindest am Anfang. Makoto presste den Krug mit Sake, welchen er trug enger an seinen Körper, damit der Eunuch, der ihm Geleitschutz leistete, nicht bemerkte, wie sehr seine Hände zitterten. In dem Sake war ein Schlafmittel. Er hatte es von Oneesama gestohlen.Sollte sie das je herausfinden, waren seine Tage gezählt. Matsumotos Haus hatte noch nie besonders einladend gewirkt.Der kleine Brunnen im Garten sprudelte nicht, das Gras war nur unebenmäßig gepflegt und es wuchs Unkraut in rauen Mengen,das sogar schon über den Steinweg wucherte, der zum Haus führte. Makoto hatte schon vor Tagen damit begonnen, unauffällig und nach und nach ein paar seiner Sachen aus dem Haus zu bringen. Bankotsu hatte ihm eingeschärft, dass er wirklich nur das Allernötigste mitnehmen sollte und das war anfangs schwer gewesen, denn Makoto war es nicht gewohnt mit wenig auszukommen. Aber das war er bereit in Kauf zu nehmen. Nur ganz wenige Dinge für die Schönheit, Dinge die nicht viel Platz wegnahmen, Wäsche und einen einzigen Yukata zum Wechseln. Und sein Schwert, das er all die Jahre immer versteckt unter Verschluss gehalten hatte, damit man es ihm nicht stahl, damit man ihm keine unangenehmen Fragen stellte. Das Schwert, das er nicht beherrschte. Noch nicht. „Makoto-san, wir sind da“, raunte der Eunuch schließlich, was ihn aus seinen Gedanken riss.„Ich habe von Oneesama die Anweisung erhalten, Euch in den Morgenstunden wieder heim zu geleiten…“, sagte er dann jedoch gedämpft, sodass nur Makoto es hören konnte: „Wenn Ihr wünscht, dass ich in der Nähe bleibe, dann…“ Makoto schüttelte den Kopf. „Nein, nein das ist nicht nötig. Ich dachte Euch. Geht nun.“ ~*~ Matsumoto beschäftigte, wie Makoto wusste, genau zwei Hausangestellte. Einen alten Diener, der schwerhörig und auf einem Auge blind war und eine stets mürrisch dreinblickende Haushälterin. Die ließ ihn ein und sie sagte kein Wort, doch das brauchte sie auch gar nicht, denn Makoto konnte auch so ihre Abscheu vor einer Oiran in dem edlen Haus spüren. Eine Schande. Makotos Lippen kräuselten sich. Sie führte ihn durch einen weiten Gang bis hin zu einem Zimmer, wo sie niederkniete, um die Tür aufzuschieben. „Er wünscht, dass Ihr hier wartet.“ Makoto bedachte sie mit einem herablassenden Blick und unterdrückte einen unhöflichen Kommentar, während er in den Raum hinein schritt. Die Türe hinter ihm schob sich zu. Er war allein. Makoto kannte diesen Raum. Seit er das letzte Mal hier war, hatte sich nicht allzu viel verändert. Er wurde ausschließlich für die Lust genutzt. Makoto ließ den Blick schweifen, so lange er wartete. Einen luxuriösen Futon gab es hier, eigenartiges Mobiliar, von dem er genug Fantasie hatte, sich vorzustellen, was man damit tat, kostbare Kleidung und verschiedene Dinge, die als Lustspielzeuge dienten. Makoto erinnerte sich daran, dass er das alles hier beim ersten Mal irgendwie spannend und aufregend gefunden hatte. Dass es ihm gefallen hatte, dass ein kerniger Mann wie Matsumoto so einen Aufwand betrieb für ein aufregendes Liebesspiel. So lange war das noch gar nicht her, wie konnte es also sein, dass ihn all das hier plötzlich so anwiderte? Es war beinahe als hätte Bankotsu ihn unwillentlich aus irgendeinem Traum geholt mit seinem Auftauchen. Matsumoto ließ ihn warten. Makoto wusste ganz genau, dass der Spiegel an der einen Wand von außen durchsichtig war und Matsumoto ihn erst eine Weile in Ruhe dadurch beobachtete. Aus irgendeinem Grund gab es dem ehemaligen Samurai eine gewisse Befriedigung, ihn in Ruhe zu betrachten, wenn er glaubte, Makoto wisse nicht, dass er ihn betrachtete. Vermutlich gab es ihm ein Gefühl von Macht. Er hörte bald schwere Schritte sich nähern und die Türe schob sich schließlich auf. „Ich hoffe, ich habe Euch nicht warten lassen, mein Tagschöner“, raunte Matsumoto und blickte zufrieden auf Makoto hinab, welcher sich respektvoll und formvollendet vor ihm verbeugte, die Stirn auf dem kühlen Holzfußboden. „Ihr lasst mich niemals warten, Herr“, erwiderte Makoto freundlich. „Steht auf.“ „Danke, Herr.“ Makoto war kaum auf die Beine gekommen, da hatte Matsumoto nach ihm gefasst, um ihm sacht das Kinn anzuheben, sodass er ihn von schräg unten gezwungen war anzusehen. Fingerknöchel strichen sachte über Unterkiefer und Hals bis hinab zum Schlüsselbein, welches sanft mit den Fingerspitzen nachgezeichnet wurde. Die Hand glitt wieder hinauf und kam in Makotos Nacken zur Ruhe. Schwer und bestimmend. „Wenn Ihr erlaubt, Herr, ich bedaure sehr, Euch neulich keine Dienst erweisen gekonnt zu haben, ich-“ „Scht“, machte Matsumoto nur bestimmend und Makoto hielt die Klappe. „Ich möchte Euch jetzt erst in Ruhe ansehen.“ Damit trat er einen Schritt zurück und betrachtete Makoto eingehend, schritt einmal langsam um ihn herum und Makoto fühlte sich wie eine schöne Ware, die gerade begutachtet wurde. „Eure Oneesama hält ihre Versprechen. Bitte“, meinte er dann und deutete zu einer gemütlich wirkenden Sitzlandschaft. Makoto atmete innerlich auf. „Ich danke Euch. Ich bin sehr dankbar, für Oneesama arbeiten zu dürfen. Sie schickt Euch guten Sake als Geschenk und als Entschuldigung für dieses schreckliche Missverständnis neulich… darf ich Euch einschenken?“ Matsumoto machte eine wohlwollende Geste und ließ keine von Makotos geschmeidigen Bewegungen aus den Augen als dieser den Sakekrug entkorkte und etwas von seinem Inhalt in eines der Schälchen gab, die für solche einen Zweck hier bereit standen. „Ich gestehe, es machte neulich den Eindruck, als hättet Ihr es sehr eilig, mit diesem Söhnchen auf das Zimmer zu verschwinden… Hat er einen großen Schwanz?“ Makoto verzog innerlich das Gesicht. Das war so typisch. Matsumoto war sehr stolz auf seine Männlichkeit, die nun durchaus beachtlich war. Und der Gedanke, dass Makoto Befriedigung von einem anderen erhalten könnte, gefiel ihm wohl nicht. Lächerlich. Aber Makoto spielte mit und erwiderte: „Nein, er war winzig. So winzig, dass ich ihn gar nicht spüren konnte.“ Mit einer leichten Verbeugung reichte er Matsumoto das Sakeschälchen, welchem die Antwort sehr gefiel. „Kommt auf meinen Schoß“, befahl der ehemalige Samurai, nachdem er das erste Sakeschälchen geleert und Makoto ihm nachgeschenkt hatte. Dieser kam der Aufforderung nach und ergab sich in den Kuss, der für ihn selbst ohne Leidenschaft blieb. Er spürte, wie sich Matsumotos Hand in den lose gebundenen Yukata schob, um sein Gesäß sehnsüchtig zu quetschen und die leichte Härte, die sich bereits gegen ihn drückte. Er hoffe nur, das Mittel wirkte bevor er mit Matsumoto schlafen musste, denn wenn der mittendrin auf ihm zusammenbrach, hatte er ein gewaltiges Problem. Er legte falsche Leidenschaft in den Kuss, denn das hier, das war sein Tor zur Freiheit, danach würde er nie wieder Lippen küssen müssen, die er nicht küssen wollte, danach würde niemals wieder jemand Herr seines Körpers werden, wenn er es ihm nicht gestattete. Matsumotos Hände rissen lustvoll in seinem Haar, lösten seine Frisur, bis Makotos Haar lose und seidig über sein Schultern fiel. Hände schoben seinen Yukata auseinander, fuhren über seine Haut und kniffen in die sensiblen Knospen und Makoto lief ein Schauer über den Körper. „Erregt Euch das?“, raunte der wesentlich ältere Mann hingerissen und deutete Makotos Gänsehaut fälschlicherweise als Zeichen der Lust. Makoto lächelte.„Sehr sogar Herr, ich danke Euch…“,säuselte er, weil er wusste, dass es das war, was Matsumoto hören wollte. Dieser schnaufte erregt auf, erhob sich dann mit Makoto und trug ihn in seinen Armen zu dem großen Luxusfuton, der in der Nähe des Fensters ausgebreitet war. Er hatte große Lust, dem Jungen den blanken Arsch zu versohlen, aber gerade war die Geilheit so übermächtig, dass er beschloss, sich das für später aufzusparen. Immerhin hatten sie die ganze Nacht. Nachdem er Makoto wie eine Kostbarkeit auf dem Futon gebettet hatte, murmelte er mit einem schiefen Grinsen: „Oh, mein Tagschöner, Ihr macht mich ganz schwindelig…“ Dabei drückte er einen Kuss auf das weiße, leicht hervorstehende Schlüsselbein und seufzte sehnsüchtig gegen die Haut, vergrub die Nase einen Moment in dem Haar, das diesen Duft barg, der ihm so kostbar war. Und Makoto hoffte, dass es die Wirkung des Schlafmittels war, die langsam einsetzte und er fragte sich, ob es normal war, dass es so lange dauerte. Er schloss kurz die Augen, dann sagte er hingebungsvoll: „Wenn Euch schwindelig ist, dann legt Euch doch auf den Rücken und lasst mich Euch verwöhnen…“ „Das erscheint mir als eine wundervolle Idee … Euer Mund soll mir Wonne bescheren…“ Matsumoto lehnte sich zurück, den Oberkörper leicht aufgestützt mithilfe des Kissens, damit er Makoto noch ein bisschen beobachten konnte, welcher durch den Stellungswechsel nun auf seinen Oberschenkeln saß. Makotos Lächeln wich nicht, als er begann,die Hüften zu bewegen, um das Glied des Mannes noch durch die Kleidung zu stimulieren. Dabei dachte er flüchtig daran, dass er schon wesentlich unangenehmere Freier gehabt hatte und einen Moment beschlich ihn der Anflug eines schlechten Gewissens. Matsumoto stöhnte leise und genussvoll auf, während sich seine Finger lüstern in Makotos Arschbacken krallten, um ihn fester auf sich zu pressen. Nach einer Weile löste sich eine Hand und Makoto spürte dessen Finger an seinen Lippen, verstand die Aufforderung und begann ergeben daran zu saugen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Matsumotos zweite Hand, die sich von seinem Hintern gelöst hatte, sich zu einem bereits vorbereiteten Schälchen mit duftendem Öl bewegte. Und spürte, wie diese Hand sich bald zwischen seine Backen zwängte. Er lächelte. „Lieber“, säuselte er dann, „Möchtet ihr nicht erst in Genuss meiner Lippen kommen?Sie gieren nach Euch.“ Irgendwie fühlte er sich widerlich, das zu sagen. So plötzlich. Matsumoto drückte seinen Daumen gegen Makotos Muskelring, drang nur bis zum ersten Fingerglied in ihn ein, bewegte ihn spielerisch, „Wie könnte ich Euch je eine Bitte abschlagen…“ Makotos Lächeln wich nicht.Doch es wirkte leer und hohl. Er ließ sich Zeit. Und vielleicht war gerade das der Fehler. Denn Matsumoto merkte plötzlich, dass er es hinauszögerte, dass er irgendwie nicht so recht bei der Sache schien. Ein grober Griff in sein Haar zerrte ihn in die Höhe. Ein undefinierbarer Blick begegnete ihm. „Mein Tagschöner“, raunte Matsumoto und etwas leicht Gefährliches lag in seiner Stimme, „So sehr ich Euren Mund und Eure Fingerfertigkeit auch schätze, so bin ich doch kein sehr geduldiger Mann. Das solltet Ihr mittlerweile jedoch wissen.“ Er zerrte Makoto auf den Futon, warf ihn auf den Rücken und kam schließlich über ihn – Makoto versuchte sich ein bisschen zu entwinden: Warum wirkte nur dieses verdammte Schlafmittel nicht endlich? Matsumoto wirkte nur leicht benebelt, aber noch lange nicht so, dass es wirkte, als würde er jeden Moment ins Land der Träume sinken. „I-ich weiß nicht, was Ihr meint, ich-“ Die Ohrfeige hallte laut in dem großen weitläufigen Raum: Makotos Wange brannte wie Feuer. „Ihr habt Glück, dass ich gerade so verdammt geil auf Euch bin, sonst würde ich Euch Euren Hintern so schlimm versohlen, dass Ihr Sterne sehen würdet.“ So schnell konnte die Stimmung umschlagen. Genau das war es, was Matsumoto so gefährlich war. Der ehemalige Samurai griff in aller Seelenruhe zu der Flasche mit dem Sake und nahm zwei kräftige Schlucke daraus. Dann wischte er sich den Mund ab und packte nicht gerade sanft Makotos Schenkel, um sie ihm zu spreizen und nach oben zu drücken. Er drang in ihn ein und begann, zu ficken. Leidenschaftslos, machthungrig, selbstvergessen. Der Anflug von Liebe und von Zärtlichkeit war fort. Matsumoto hatte den Mund leicht geöffnet und der Blick war ein wenig entrückt, während er sich in einem schnellen Rhythmus in die geliebte Enge stieß. Makoto hatte keine Schmerzen, er war es gewohnt, genommen zu werden, doch ein plötzlicher Hass schwelte in ihm und eine Boshaftigkeit umkrallte sein Herz und als er aus dem Augenwinkel wahrnahm, wie sich die Tür ganz leise und sacht aufschob, da krallte er die Finger in Matsumotos fleischigen muskulösen Rücken, um ihn enger an sich zu ziehen, damit er gar nicht erst in Versuchung kam, zu bemerken, dass sie nicht mehr alleine im Raum waren und das Wissen, dass Matsumoto gleich seinem Schöpfer gegenüber stehen würde, erregte ihn tatsächlich einen Moment so sehr, dass ihm ein Stöhnen entfuhr, eines, das nicht gespielt war und hätte Bankotsu nur einen Moment länger gewartet, ehe er Matsumoto mit einem gezielten Schlag in den Nacken außer Gefecht setzte, wäre er bestimmt auch gekommen. Matsumoto sank auf ihm zusammen, wie ein nasser Sack und Makoto versuchte sich, unter ihm hervorzuziehen. „So viel zu deinem tollen Plan mit dem Schlafmittel“, kam es verstimmt von Bankotsu, während er Makoto dabei half, den Mann, der doppelt so viel Masse hatte, wie sie beide zusammen, von ihm herunter zu zerren, wobei er jedoch versuchte, Makoto nicht anzusehen. Dieser richtete scham- und emotionslos seine Kleider. „Ich konnte nicht wissen, dass es so langsam wirkt.“ Dabei warf er einen Seitenblick auf Matsumoto. „Ist er tot?“ Bankotsu rollte die Augen und meinte dann verächtlich: „Der Kerl hat einen Nacken wie ein Stier, glaubst du ernsthaft, dass mein Schlag es schafft, ihm aus diesem Winkel heraus das Genick zu brechen?“ Makoto sparte sich eine Antwort darauf und machte sich stattdessen an Matsumotos Kleidern zu schaffen. Den Schlüssel für seine Geldkassette trug er immer an seinem Körper. Er nahm sie schließlich an sich und ging aus dem Raum hinaus in das Geschäftszimmer Matsumotos. Bankotsu folgte ihm langsam, wobei er sich beiläufig umsah. Eigentlich eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass so ein Kerl im Luxus lebte, dachte er bei sich und hatte plötzlich kein schlechtes Gewissen mehr, den Mann zu bestehlen. Als er gesehen hatte, wie er Makoto behandelt hatte, war ihm alles Mitleid vergangen. Auch wenn Makoto in gewissem Maße selbst schuld war. Immerhin war es seine Idee mit dem Betäubungsmittel gewesen. „Hast du es?“, wollte er ungeduldig wissen, als er nach Makoto in den Raum trat. Dieser kniete auf dem Boden und hatte eine Bodendiele in die Höhe gezogen. Die Geldkatze war schwer. „Warte, leer sie nur aus, nimm sie nicht mit, das könnte jemanden auf unsere Spur bringen, sie hat Namensinsignien.“ Makoto nickte und öffnete sie, während Bankotsu ihm einen weichen Beutel reichte. Im Nu war er gefüllt. Er legte die Katze zurück unter die Diele, legte dieser wieder so hin, wie sie war und entschied sich dann, nach kurzem Nachdenken, den Schlüssel später in den Koi-Teich im Garten zu werfen. „Komm, sehen wir zu, dass wir Land gewinnen“, meinte Bankotsu ungeduldig, während sie sich in der Dunkelheit davon stahlen. Bankotsu hatte Banryu irgendwo in der Nähe versteckt, dann tatsächlich wäre sie bei diesem Unterfangen mehr hinderlich als nützlich gewesen. Makoto jedoch wirkte etwas nachdenklich, in sich gekehrt und schlug ein den Umständen entsprechend nicht gerade angemessenes Tempo an. „Was ist denn?“, setzte Bankotsu genervt nach und blieb stehen um seinen Begleiter zu mustern. „Bankotsu, ich … ich muss noch einmal zurück zum Bordell…“ „Was? Sag mir jetzt nicht, dass du irgendwas vergessen hast, ich hab dir doch genau gesagt, dass-“ „Nein, das ist es nicht. Ich … ich muss noch etwas erledigen, bevor wir aufbrechen: ich verspreche dir, es wird nicht lange dauern….“ „Na meinetwegen“, knurrte Bankotsu unwillig, „Wir treffen uns bei dem Gasthaus am Stadtrand. Wenn du bis Morgengrauen nicht da bist, geh ich ohne dich und das Geld nehm ich mit.“ „So lange wird es nicht dauern, vertrau mir.“ Natürlich. Bankotsu hätte sich jetzt mit dem Geld einfach aus dem Staub machen können. Vielleicht hätte er das auch tun sollen. Aber er brachte es einfach nicht übers Herz. Das wäre … unehrenhaft gewesen. Unehrenhafter als einen ehemaligen Samurai zu bestehlen. ~*~ Die meisten Oiran waren bereits unten im Schankraum, sodass er sich nicht allzu oft verstecken musste, als er durch die Gänge huschte. Eine seltsame Ruhe hatte ihn erfasst. Denn er wusste genau, was er tat. Tun musste. Die Oneesama hielt sich zu diesem Zeitpunkt des Abends oft in ihrem Büro auf, zählte ihr Geld, notierte Einnahmen jeder einzelnen Oiran und die Ausgaben die sie hatte, penibel und wollte meist nicht dabei gestört werden. Deshalb war sie zu diesen Stunden auch immer allein und duldete nicht einmal einen Diener oder einen Wächter in ihrer Nähe. Wie durch ein Wunder begegnete ihm kaum jemand auf den Gängen. Nur ein, zweimal musste er sich verbergen. Wenig später war er bei Oneesamas Zimmer angelangt und schob ohne anzuklopfen die Türe auf. Die alte Frau hob ihren Kopf, offensichtlich verstimmt über die dreiste Störung und setzte schon zu einer Zurechtweisung an, doch als sie Makoto erkannte herrschte einige Momente eisiges Schweigen. „Wie sonderbar“,begann sie dann langsam, „ich hatte gedacht … dass ich dich heute zu Matsumoto geschickt hätte…“ „Es ist vorbei, Onee-sama“, hörte er sich selbst sagen, „ich gebe dir nicht länger meine Kraft und meine Jugend. Ich stehe nicht weiter unter deiner Knute.“ „So“, hörte er sie fast belustigt sagen, „Lass mich raten, es ist der junge Mann, der dir solche Flausen in den Kopf gesetzt hat, hm? Was hast du vor? Willst du weglaufen und irgendwo ein neues Leben beginnen? Du kannst doch nichts“, ihre Stimme wurde kälter, „und du bist nichts. Alles was dich ausmacht, das findest du hier.“ Sie lachte ein Lachen, das eigentlich kein Lachen war. Makoto schwieg. „Sei nicht dumm, Makoto. Wenn du nun schon artig bist und zu Matsumoto zurückgehst. Dann werde ich dich für deinen Ungehorsam nicht allzu schlimm prügeln lassen.“ Ihre Stimme war irritierend sanft. Doch Makoto erkannte die Gefährlichkeit, die darin lag. Sie stand auf und kam langsam auf ihn zu. Doch Makoto wich nicht zurück. Er behielt sie im Blick und er war ruhig. Die ganze Zeit so ruhig. Der erste Schlag ihres Stockes traf ihn direkt in Höhe der Nieren, er stolperte einen Schritt vorwärts. Als sie ausholte, um ein zweites Mal zuzuschlagen, fing das Ende des Stockes mühelos mit einer Hand. Oneesama riss überrascht die Augen auf. „Gegenwehr…?“, murmelte sie ungläubig und versuchte, ihm den Stock fortzureißen und irgendetwas in Makotos Miene war da, was ihr nicht behagte. Der Gehorsam war verschwunden und auch die Angst, die war fort. Sein Blick war finster und kalt. Er gab ihren Stock nicht frei, riss daran, sodass sie vornüber auf die Knie stolperte und warf ihn zur Seite. „Das war ein Fehler…“, sagte Makoto leise. „Was hast du nun vor? Willst du deine Herrin töten und dafür die Todesstrafe riskieren?“, krächzte sie, doch ihre Stimme klang schon lange nicht mehr so fest und hart, wie sonst immer. Sie sah ihn an und ihr Blick nahm plötzlich wieder etwas äußerst Hämisches an. „Sei kein Narr, du bist nur eine Hure, du würdest niemals wieder in irgendeinem Haus Aufnahme finden und in der Gosse landen, aber da gehörst du vermutlich auch hin – ich hätte dich damals verrecken lassen sollen, du-“ Sie kam nicht weiter, denn Makoto war plötzlich bei ihr und packte sie mit beiden Händen um den Hals, sodass nur noch ein Röcheln aus ihrer Kehle drang. „Sei still, sei endlich still, du Hexe“, presste er dabei hervor und drückte fester zu, während sie begann, zu zappen, sich mit den Fingernägeln in seine Arme krallte, sodass sie begannen zu bluten, doch er ließ nicht los. Er wollte sie umbringen, er hasste sie so sehr, er wollte sie umbringen mit seinen eigenen Händen und es erfüllte ihn mit einer finsteren, schauerlichen Befriedigung, als er beobachtete, wie sich seine Finger tiefer in ihren Hals gruben, wie ihre Zunge hervortrat und blau anlief, wie die Kapillaren in ihren Augen platzten und blutige Striemen über ihr faltiges böses Gesicht liefen. Ein leises Knurren entfuhr ihm, als sie einen letzten Versuch machte, sich zu wehren und mit einer urtiefen Lust knallte er ihren Kopf gegen den Boden, so fest und unnachgiebig und so brutal, dass sie auf der Stelle tot war. Makotos Puls hatte sich beschleunigt, kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn, als er von ihr abließ. Sie war tot. Und er war hart, seine Körpermitte pochte, wie kurz vor dem Gipfel der Lust. „Hah…“, entfuhr es ihm und dann musste er sich die Hand vor den Mund pressen, während er an der Wand neben der Leiche herab sank, um sich ein krampfhaftes, irres Lachen zu verkneifen. Seine andere Hand fand den Weg zu seiner Körpermitte, umfasste sich und brachte sich mit wenigen groben Bewegungen zum Höhepunkt, bei welchem er sich so positionierte, dass der Lustsaft das Gesicht der Toten traf. Einen Moment betrachtete er fasziniert, wie er in das offene Auge über Lippen und Wangen herab in ihren Kragen rann. „Schöne Grüße, du Miststück“, raunte er, ehe er sich leicht wankend erhob. Makotos Blick glitt einmal flüchtig durch den Raum, blieb dann an einer Kleidertruhe hängen. Er öffnete sie in aller Seelenruhe und zerrte wahllos einige Stücke heraus, um Platz zu schaffen. Dann packte er die Leiche unter den Armen und zerrte sie zu der Truhe, in welche er sie hineinhob. Er schloss ihr die Augen und küsste sie auf die Stirn.Dann warf er die zuvor entfernte Kleidung auf sie und verschloss die Truhe. Die Truhe schob er dann so hin, wie sie eben auch gestanden hatte – schloss sie ab und nahm den Schlüssel an sich. Den würde er dann später irgendwo in einen Fluss werfen. So würde es eine ganze Weile dauern, ehe man sie fand. Wenn überhaupt. Er lauschte auf den Gang hinaus. Niemand hatte etwas bemerkt.Und dann verließ er das Bordell, das sein Zuhause gewesen war, für immer,ohne sich noch einmal umzusehen. ~*~ „Warum hat das so lange gedauert?“ Makoto jedoch antwortete nicht, sondern ging an ihm vorbei. „Makoto, hey, ich rede mit dir?!“, setzte er nach, während er zu ihm aufholte, „kannst du mir mal sagen, was du da so lange getrieben hast?“ „Makoto ist tot!“, wurde Bankotsu so heftig angefahren, dass er zusammen zuckte und einen Moment perplex den Mund hielt. „W-warum weinst du…?“ „Makoto ist tot…“, erhielt er wieder dieselbe Antwort. „Was…?“ „Mein Name ist Jakotsu.“ Kapitel 3: Tengu ---------------- „Also, ich glaube, zu Pferd wären wir vielleicht etwas schneller.“ „Ich glaube, wir wären auch etwas schneller, wenn du nicht so viel Krempel mit dir herumschleppen würdest!“ „Ich habe einen einzigen Yukata zum Wechseln eingepackt und ein paar winzig kleine Schminktöpfchen, das ist kein „Krempel“. „Dann sag mir mal, was an Wechselkleidung so wichtig ist – wenn wir schmutzig sind, springen wir einfach in den nächsten Fluss oder See.“ Jakotsu schnappte nach Luft. „Bankotsu, das ist so dermaßen … ekelhaft, da fehlen mir glatt die Worte.“ „Da bin ich aber froh, ich dachte schon, du hörst nie auf, zu plappern.“ Jakotsu schob schmollend die Unterlippe hervor. Seiner Meinung nach mussten sie nicht leben wie Obdachlose oder Männer auf Kriegspfad, nur weil sie gerade keinen festen Wohnsitz hatten. Er selbst legte großen Wert auf Reinlichkeit. Dass er auf duftende Bäder verzichten musste, darauf hatte er sich eingestellt, aber auf Sauberkeit generell und Kleidung zum Wechseln … daran musste er sich noch gewöhnen. Sie waren inzwischen schon eine ganze Woche unterwegs. „Was ist nun mit Pferden? Ich meine, wir haben Matsumoto nicht bestohlen um das Geld nun spazieren zu tragen, oder?“ „Pferde kosten nicht nur Geld in der Anschaffung, du musst sie füttern und dann werden sie ständig krank.Du musst lernen, vorausschauender zu denken und das Thema ist hiermit beendet, klar?“ „Hast du schonmal in einer Schlacht gekämpft?“ Bankotsus Miene verdüsterte sich unbewusst und er murmelte ausweichend, „Einmal, ja.“ Was das für eine Schlacht gewesen war, darüber schwieg Bankotsu und Jakotsu fragte auch nicht weiter nach. Er hatte viele Männer bei sich gehabt als er noch bei Oneesama gearbeitet hatte. Nicht wenige von ihnen Krieger, Seeleute, Soldaten, Samurai und egal welchen Standes und welcher Herkunft sie waren, oder wie erfolgreich sie aus den Schlachten hervor gegangen waren, der Krieg hatte tiefe Wunden in ihren Herzen hinterlassen. Wunden, die sie sich von den Oiran lecken ließen, zu denen sie nachts kamen um zu vergessen. So viele waren gekommen, um zu vergessen. Und manchmal, da hatten sie keinen Beischlaf gesucht, sondern einen Schoß, in dem sie die Tränen dieses blutigen Horrors namens Krieg hatten vergießen können. Nach etwa fünf Stunden Marschzog der Himmel zu. Weit würden sie heute vermutlich nicht mehr kommen, weshalb Bankotsu beschloss, bei der nächsten sich bietenden Möglichkeit einen Unterschlupf zu suchen. Die Gegend war spärlich bewachsen, hier und da mal ein paar knorrige Bäume, welche noch an ihren letzten verkümmerten Blättern festhielten, und unendlich weite Wiesen. Der Weg war zur linken Seite hin leicht abschüssig und verlief sich auf einem weiten, verwahrlosten Feld, während zur rechten ein Steilhang nach oben führte – hätte man nach oben gesehen, hätte man nach drei Metern nichts als Nebel erblickt. Wie lang einem die Zeit werden konnte wenn man kein Ziel vor Augen hatte, das hatte Bankotsu beinahe vergessen. Er seufzte und wandte den Blick zur Seite zu seinem Gefährten, nur war da keiner mehr. Etwas perplex blinzelte der junge Mann und blickte dann zurück. Jakotsu war etwa zehn Meter zuvor stehen geblieben und starrte, wie es schien, wie gebannt auf einen bestimmten Punkt. „Jakotsu, wo bleibst du denn?“, rief er leicht ungeduldig und als dieser nicht reagierte, ging er schließlich die paar Meter zu ihm zurück, um zu ergründen, was Jakotsu denn da so Wichtiges entdeckt haben mochte, dass es ihn vom Weitergehen abhielt – und ihm stockte der Atem: Krähen. Überall wo man hinsah, Krähen. Das einst grüne Feld war beinahe gänzlich schwarz und hier und da hörte man das leise Rascheln von feuchtem Gefieder, wenn eines der Tiere aufflog, untermalt vom kratzigen Gesang dieser Todesboten. Ein unheimlicher und doch gleichsam Ehrfurcht erweckender Anblick. Jakotsu, welcher die Anwesenheit seines Gefährten zwar bemerkt, jedoch den Blick nicht abgewendet hatte, flüsterte beeindruckt: „So etwas Wunderschönes hab ich noch nie gesehen…“ Bankotsu bekam eine Gänsehaut. Er konnte nicht sagen, an was es lag, aber er hatte irgendwie das Gefühl, dass diese Krähen nicht die einzigen Geschöpfe in ihrer Nähe waren. Irgendetwas stimmte hier nicht. Langsam wurde der Nebel dichter. „Wir müssen weiter, sonst sehen wir bald die Hand vor Augen nicht mehr“,knurrte Bankotsu ungeduldig und gab Jakotsu einen leichten Stoß, damit der sich in Bewegung setzte. „Bankotsu-“ „Was auch immer jetzt schon wieder ist, heb es dir bitte bis später auf“, erwiderte der gereizt, musste jedoch zwangsläufig stehen bleiben als Jakotsu ihn grob am Oberarm packte. „Du hörst mir verdammt nochmal jetzt zu. Kommt dir das nicht seltsam vor? Krähen, Nebel?“ „Ich habe gerade wirklich keinen Nerv auf Rätselspielchen, Jakotsu.“ „Ist dir schonmal in den Sinn gekommen, dass Tengu in der Nähe sind?“, erwiderte Jakotsu gedämpft und Bankotsu fiel es plötzlich wie Schuppen von den Augen. Tengu, natürlich – wieso war er selbst nicht darauf gekommen? Diese Dämonen kamen immer im Nebel, halb menschlich, halb Krähe, lautlos und tödlich. Als der Nebel innerhalb von wenigen Augenblicken dichter um sie zusammenzog, wussten sie beide, dass es längst zu spät war, um zu entkommen. Also machten sie sich zum Kampf bereit, Rücken an Rücken, wenn auch Bankotsu mit wesentlich mehr Mut als Jakotsu. Das meiste, das Jakotsu über Dämonen wusste, war Theorie, er hatte viel zu lange nicht mehr gekämpft als dass er seinen Fähigkeiten hätte vertrauen können. Nur das Gewicht des Schwertes und Bankotsus Nähe gaben ihm etwas Sicherheit. Stille. Minutenlang. Nur das Geräusch des Regens, der stärker wurde und es bald unmöglich machte irgendetwas zu hören. Dann das Pfeifen des Windes, eine plötzlich starke Böe die ihre Kleidung flattern ließ und Bankotsu brüllte plötzlich: „Runter!“, noch während er mit Banryu ausholte und etwas direkt in der Luft zerteilte, das Jakotsu nicht sehen konnte, doch er spürte wie ein Regen von Blut auf ihn hinab ging – instinktiv suchten seine Augen die unmittelbare Umgebung um sich ab, aber da war nichts, er sah nichts, nicht das geringste. „Bankotsu?“, schrie er nervös, während er mit beiden Händen seinen Schwertgriff so fest umklammerte, dass seine Knöchel weiß wurden. Doch die einzige Antwort war das Rascheln von Federn, begleitet von einem unterdrückten krächzenden Laut, der unmöglich von einer normalen Krähe kommen konnte und da wurde ihm plötzlich noch etwas bewusst. Sie hatten absolut keine Ahnung, wie viele es waren. Es könnte einer sein, es könnten tausend sein. Nun gut, vielleicht nicht tausend, aber Jakotsu hatte kein gutes Gefühl für Zahlen. „Du musst dich auf deine Instinkte verlassen“, hörte er Bankotsu von irgendwo zurückbrüllen, wo er ihn gar nicht vermutet hatte. Kurz darauf erklang ein widerliches Geräusch, das die Vermutung nahelegte, dass Bankotsu einen weiteren erwischt hatte. „Instinkte, der ist lustig“, murmelte Jakotsu vor sich hin, der sich gerade auf dem Boden kauernd sicherer fühlte als aufrechtstehend. Sein Puls dröhnte so laut in seinen Ohren, dass er das Gefühl hatte, taub für jedes andere Geräusch zu sein, das ihn umgab. Aber vielleicht war das seine Bewährungsprobe. Entweder er bestand sie und erwies sich Bankotsu als würdiger Gefährte oder er starb. Eigentlich recht simpel. Plötzlich wurde er etwas ruhiger und er schloss die Augen, um sich ganz und gar auf sein Gehör zu konzentrieren und dann hörte er das pfeifende leise Atmen, den dynamischen sich schnell über dem Boden bewegenden Körper. Und wäre er nicht im nächsten Moment hastig nach rechts ausgewichen, dann hätte das Vieh wohl mehr erwischt als nur seinen Oberarm. Er spürte den Schmerz gar nicht. Es war nicht schlimm, sicherlich nur ein Kratzer und er hatte auch gar keine Zeit, sich mehr Gedanken darüber zu machen, denn er spürte, wie der Dämon wendete und wieder auf ihn zukam. Er dachte nicht mehr nach, ließ sich von seinem Instinkt leiten, genau wie Bankotsu es gesagt hatte, und die Klinge seines Schwertes fand sein Ziel; Er spürte wie warme Blutstropfen sein Gesicht benetzten und ein dumpfes Geräusch als der abgetrennte Kopf des Tengu zu Boden fiel. Nebel und Regen verzogen sich schlagartig. Als Jakotsu sich aufrichtete, war das erste, das er sah Bankotsu. Stolz und mit erhobenem Haupt und den Waffenarm mit der blutbespritzen Banryu leicht abgespreizt stand er da, während ihm zarte Sonnenstrahlen ein hauchfeines Muster auf die von der Anstrengung leicht geröteten Wangen zeichnete. Die Augen blitzten siegessicher und selbstgefällig. Und er wirkte irgendwie zufrieden. Attraktiv … das war das erste Wort, das Jakotsu einfiel.Er unterdrückte ein verträumtes Seufzen und spürte plötzlich etwas Feuchtes und Warmes an seinem linken Arm. „Na sowas…“, murmelte er und konnte nicht aufhören auf dieses intensive Rot zu starren. Das war … wirklich … sehr viel Blut … so schlimm hatte der Dämon ihn doch gar nicht erwischt … oder etwa doch…? Jakotsu war in einer Art Schockzustand. Deshalb hatte er anfangs weder die Verletzung registriert, noch bekam er mit, wie Bankotsu ihn nachdrücklich fort zog, damit sie vor Einbruch der Dunkelheit wenigstens einen sicheren Ort erreichen.   ~*~ Jakotsu wurde durch die Wärme und das sachte Knistern und Knacken eines Feuers geweckt. Die Augenlider waren ihm so schwer, so ließ er sie noch eine Weile geschlossen und sein linker Arm fühlte sich taub an. Was war eigentlich passiert…? Als der junge Mann endlich blinzelte, bemerkte er,dass er an einem Baum lehnte, eingehüllt in eine Decke, ihm gegenüber, müde wirkend und mit einem Stock in der Glut herumstochernd, Bankotsu. Der sah auf als er Jakotsus Blick auf sich spürte. „Wie geht es dir…?“ „Mir … Ist irgendwie schwummrig … und mein Arm… was…?“ Doch er brauchte gar nicht weiter fragen – wie von selbst schossen ihm Bilder von dem in den Kopf, was am Nachmittag geschehen war. Die Krähen. Der Dämon. Das Blut. Das Blut … Natürlich … Jetzt kamen auch die Schmerzen zurück und ein leises Wimmern kam ihm über die Lippen. „Mein Arm tut weh…“ „Die Wunde ist ziemlich tief“, begann Bankotsu mit von Müdigkeit kratziger Stimme, „und ich hatte nichts zum Desinfizieren, nicht einmal ein bisschen Sake, und zum Verbinden musste ich … deinen anderen Yukata zerreißen…“ Bankotsu blickte entschuldigend drein, aber Jakotsu hätte sich in diesem Moment wohl nicht mal aufgeregt, wenn man ihm erzählt hätte, er müsse für den Rest seines Lebens dieselbe Unterwäsche tragen. „Hier, du solltest etwas trinken“, nahm Bankotsu schließlich den Faden wieder auf und reichte ihm den Wasserschlauch, den er vor ihrer Abreise in einer klaren Quelle aufgefüllt hatte. Jakotsu streckte den unverletzten Arm aus und griff leicht zitternd danach, setzte in sich dann an die Lippen, während er, immer noch benebelt den gedämpften Worten seines Gefährten lauschte. „Wir sollten so schnell es geht einen Bader oder einen Heiler aufsuchen, wäre schlecht, wenn sich deine Verletzung wegen unsachgemäßer Behandlung entzündet oder du im schlimmsten Fall durch Wundbrand den Arm verlierst…“ Bankotsu brach ab, als er den entgeisterten Gesichtsausdruck seines Gefährten bemerkte–er hielt wohl lieber die Klappe, um Jakotsu nicht noch mehr zu beunruhigen, der im Übrigen erstaunlich gefasst geblieben war während dieser ganzen Geschichte. Nach einer Weile der Stille biss Jakotsu sich auf die Unterlippe. „Danke…“ Bankotsu blinzelte. „Wofür?“ „Für alles.“   ~*~ Es schneite und der kleine Junge hatte Mühe seine Füße aus dem Schnee zu bekommen,der so hoch war,dass er ihm fast bis zu den Knien reichte. „Haha-ue, warte auf mich!“, jammerte er und stemmte trotzig die Hände in die Hüften, während er darauf wartete, dass seine Mutter, welche bereits ein gutes Stück vor ihm war, sich umdrehte. Es war tiefster Winter und die junge Frau hatte ihren Sohn mit nach draußen genommen, da der Vater auf unbestimmte Zeit fort war und ihnen beiden die Zeit lang geworden war. Die noch recht junge Frau drehte sich um und rief ihm ein lachendes „Takeshi, nun stell dich doch nicht so an, du bist doch ein Mann“ zu, blieb aber trotzdem stehen und wartete, dass der Knabe zu ihr aufgeholt hatte, voller Wärme und Güte war dabei ihr Blick. Der Junge schmollte und schluckte seinen Groll herunter – seine Mutter, die in seinen Augen den Mond aufgehängt hatte, wollte er nicht enttäuschen – selbst wenn er wusste, dass die ihn nur liebevoll aufzog. Immerhin musste er sie beschützen können, jetzt wo der Vater im Krieg war. Takeshi stolperte und versank kopfüber im Schnee. Rappelte sich hoch. Nichts. Nur das Heulen des Windes und das dichte Schneetreiben, das ihm die Sicht versperrte. „Haha-ue?“ Die Stimme wurde verschluckt. Sie war fort und Bankotsu, welcher gerade aus dem Schlaf empor schwamm erinnerte sich daran, dass er Bankotsu war und schon lange nicht mehr Takeshi…   ~*~ Als Bankotsu erwachte fühlte er sich erschlagen, er hatte nicht sehr lange und auch nicht besonders gut geschlafen. Gediegen streckte er sich, wobei ihm ein inbrünstiges Seufzen entwich und blickte sich dann verschlafen und beherzt am Bauch kratzend um. Der Morgen dämmerte schon. Sie würden dringend einen Bader suchen müssen – Bankotsu konnte zwar grob einen Verband anbringen, aber für mehr reichte es einfach nicht aus. Soweit ihn seine geographischen Kenntnisse nicht im Stich ließen, würden sie wohl innerhalb eines halben Tagesmarsches die nächste größere Siedlung erreichen – dort würde man dann auch alles Wichtige für die Weiterreise besorgen können,vielleicht sogar eine Rüstung für seinen Gefährten und er zog sogar ernsthaft die Anschaffung eines Pferdes in Erwägung. Nach einem kargen Frühstück, das aus nach nichts schmeckendem klebrigen Reis und etwas Dörrfleisch bestanden hatte, waren sie wieder auf den Beinen. Jakotsu spürte seine Verletzung dumpf vor sich hinpochen, aber wenn er den Arm nicht zu sehr belastete ging es. Lediglich der Blutverlust, der doch erheblicher gewesen war als anfangs gedacht, raubte ihm etwas die Kraft und das karge Essen hatte nicht viel zu einer schnellen Regeneration beigetragen. Aber er beschwerte sich nicht. Vielmehr glitten seine Gedanken zu dem Yōkai vom Vortag. Als der Nebel sich verzogen hatte, hatte er die Kreatur das erste Mal richtig gesehen, halb menschliche Züge, halb Krähe, lederne Haut, dort wo keine Federn waren und ein Schnabel der, hätte er richtig zugebissen, ihm sicher locker den Arm glatt abtrennen können. Die Gegend veränderte sich langsam aber stetig - sie waren nicht mehr so weit in den Bergen oben, die Bäume wurden dichter, und das Klima war nun etwas milder und fast noch spätsommerlich. Die Blätter an den Bäumen erstrahlten in herrlichem Rot und Gelb, während die schräg einfallenden Sonnenstrahlen verspielte Muster auf das bunte Laub zauberten. Zwar kamen sie nur langsam voran, dennoch waren sie ganz gut in der Zeit und nach Bankotsus Rechnung dürften sie die nächste größere Siedlung wohl am Spätnachmittag erreichen. Ein Knacken im Unterholz bewog Bankotsu, stehen zu bleiben.Die Tiere des Waldes kamen selten näher zu den Wegen der Menschen. Ein Dämon? Jakotsu war ebenfalls stehen geblieben und wollte schon beunruhigt fragen, was denn nun schon wieder sei, doch Bankotsu brachte ihn zum Schweigen, indem er den Arm hob und ging in Hab Acht Stellung. Als jedoch im nächsten Moment ein Kind aus dem Unterholz herausstolperte,schmutzig bis zur Unkenntlichkeit und mehr tot als lebendig, ließ Bankotsu den Arm wieder sinken – das Kind erblickte nun auch den Fremden, torkelte ein paar Schritte auf ihn zu und Bankotsu konnte es gerade noch auffangen, ehe es mitten auf dem Weg zusammen gebrochen wäre. „Wem ist das Gör denn entlaufen…?“, gab Jakotsu neben ihm von sich und ärgerte sich darüber, dass er sich wegen einem Kind beinahe ins Hemd gemacht hätte. Das Erlebnis mit den Yōkai saß wohl noch tiefer als gedacht. Bankotsu antwortete nicht, sondern hielt dem Kind den Zeigefinger unter die Nase, um zu testen, ob noch Atem vorhanden war. Schwach. Aber vorhanden. Der Knabe wirkte ausgezehrt und wie Bankotsu vermutete, musste er wohl schon einige Tage ziellos umherirren. Das Kind mochte elf Jahre alt sein, vielleicht zwölf. „Wer bist du, Kleiner, und was ist dir passiert?“,versuchte er den Jungen anzusprechen. Der reagierte erst nicht und Bankotsu klopfte ihm sacht auf die Wangen. Er war bleich wie der Tod selbst. Die Lider des Jungen flatterten und alles was er hervorbrachte war „So…jiro“, und irgendetwas Unverständliches was in Bankotsus Ohren unangenehm nach „Dämonen“ klang. Dann verdrehte er die Augen, sodass nur mehr das Weiße zu sehen war, und verlor das Bewusstsein.   ~*~ „Du trägst ihn, Jakotsu.“ „Was, warum denn ich? Immerhin ist es deine Idee das Balg mitzunehmen.“ „Deine Nächstenliebe rührt mich wirklich zu Tränen“, erwiderte Bankotsu trocken. „Du bist natürlich unglaublich selbstlos und aufopfernd…Und außerdem bin ich verletzt.“ „Du bist noch nicht daran gestorben, oder? Jetzt nimm ihn schon – oder willst du stattdessen lieber Banryu schleppen, huh?“ Bankotsu stippte seinem Gefährten mit der flachen Seite der Waffe auf den Kopf und ließ ihn kurz das Gewicht spüren, was Jakotsu beinahe in die Knie gehen ließ. „Schon gut, schon gut, ich gebe auf – gib schon her. Du hast wirklich ein Herz aus Stein.“ Jakotsu nahm widerwillig den Jungen, der so gut wie nichts wog, auf den gesunden Arm und schwieg vorwurfsvoll. Dass Kinder hier unterernährt waren, war nichts Ungewöhnliches. Und dass Eltern ihre Kinder sich selbst überließen, war noch viel weniger ungewöhnlich. Hunger konnte aus jedem Menschen ein Monster machen.Irgendwie tat ihm der Kleine nun doch etwas leid. Jakotsu war im Grunde nicht hartherzig, er konnte nur mit Kindern kaum etwas anfangen. Die waren so … so zerbrechlich und stellten lauter dumme Fragen. Außerdem hackten sie auf einem herum, wenn man anders war. Er schüttelte das Gedankenbild ab von seinem eigenen, schwachen Ich, das hilflos boshafter Willkür ausgeliefert war. Das war Vergangenheit. Und er würde nie wieder verprügelt und in zerrissenen Sachen nachhause kriechen und etwas erklären müssen, das er nicht erklären konnte. Es ging langsam auf Nachmittag zu und ausnahmsweise blieben sie sogar von dem diseligen Wetter der letzten Tage verschont. Bald lichtete sich der Wald und ein verwilderter etwas breiterer Trampelpfad erschien, welcher zu einem breiten abschüssigen Feldweg führte. Von neuer Motivation geleitet, legten die beiden Gefährten unbewusst etwas an Tempo zu und nach einer knapp halben Stunde kam Rauch in Sicht. Und Rauch war ein gutes Zeichen, denn wo Rauch war, waren auch Menschen. Das Dorf, zu dem sie bald kamen, lag in einer Senke, geschützt vor der gröbsten Witterung – derjenige, der das Dorf dort angesiedelt hatte, musste sich dabei etwas gedacht haben, was Bankotsus Hoffnung hob, hier nicht nur ein paar Hinterwäldler anzutreffen. Es gab keinen Zaun und keine Wächter, was unglaublich leichtsinnig war in der heutigen Zeit, wo es vor Verbrechern und Dämonen nur so wimmelte. Vermutlich hatten die Leute hier ohnehin nichts, was es sich zu stehlen lohnte und glaubten deshalb, dass Vorsichtsmaßnahmen überflüssig waren. Bankotsus Verdacht bestätigte sich nur, als er auch niemanden auf sie zukommen sah, als sie auf der Straße, zu dessen Seite sich die ärmlichen Hütten aufreihten, gemütlich entlang spazierten. So nutzte er die Zeit um seinen Blick schweifen zu lassen - viel schienen die Leute hier wirklich nicht zu haben. Die Hütten wirkten gerade so, als würden sie nur mit viel Glück den nächsten schweren Sturm überleben, ein Brunnen, mit einer verrosteten Pumpe war auf dem Dorfplatz zu dem sie nun kamen zu sehen und irgendwo, aus einer nicht auszumachenden Richtung meckerte leise eine Ziege, ansonsten blieb es still. Bankotsu hob den Blick und bemerkte zu seiner Überraschung, dass etwas abseits ein größeres Haus stand, das wohl entweder leer stand oder dem Vorstand des Dorfes oder dessen Schirmherrn gehörte. Er vermutete wegen der Größe eher letzteres. Von Menschen war jedoch nach wie vor weit und breit nichts zu sehen und Bankotsu verlor langsam aber sicher die Geduld. Langsam ließ er seine Waffe sinken, formte die Hände vor seinem Mund zu einem Trichter und rief laut, ohne seinen Unmut zu verhehlen: “HEY! Wir haben hier etwas, das zu euch gehört, kommt gefälligst raus, wir sind keine Feinde!” Das war zwar nicht sehr überzeugend, fand Jakotsu, wenn man Bankotsu nicht kannte, aber er zog es vor, den Anderen jetzt nicht noch mehr zu reizen und seine Gedanken für sich zu behalten - er selbst sehnte sich nach nichts mehr, als einem Bad und einem Bett. Und wenn er nur eines von beiden hier bekam, dann wollte er sich nie wieder über irgendetwas beschweren. Einen Moment noch blieb es still und sie wollten schon glauben, dass das Dorf hier verlassen war, doch nach einer kurzen Weile hörte man es zaghaft hinter ein paar Türen rumoren und der ein oder andere neugierige Dorfbewohner streckte seine Nase hinter der Tür hervor. Da allerdings keiner wirklich Ambitionen zeigte, auf Bankotsu und Jakotsu zu zukommen, zählte Bankotsu innerlich langsam bis zehn zählte, um einen Tobsuchtsanfall zu verhindern und schlug dann einen gezwungen friedlichen Tonfall an: “Bitte, ihr guten Leute, wir sind erschöpft und mein Gefährte braucht einen Arzt - außerdem haben wir im Wald einen Jungen gefunden, der wohl ohne Zweifel zu euch hier gehört…” Das war noch nicht einmal geheuchelt, Bankotsu fühlte sich wirklich seltsam erschöpft, obgleich er bis auf das Tragen seiner Waffe sich keinen großen Anstrengungen ausgesetzt hatte. Vermutlich lag es einfach daran, dass ihn Jakotsus Gesellschaft anstrengte. Er brauchte selbst ein wenig Ruhe, dann würde es schon wieder gehen. Ein älterer Mann wagte sich schließlich hervor, gefolgt von einem kleinen Mädchen mit langsamen Schritten zu den beiden hin, blieb aber in sicherer Entfernung stehen und deutete eine leichte Verbeugung an. “Bitte verzeiht uns unsere Zurückhaltung, Kimura-san ist gerade nicht anwesend, er ging mit den anderen Männern um ein paar vermisste Kinder zu suchen … Von denen ihr wohl eines gefunden zu haben scheint…”, fügte er hinzu und man konnte deutlich die Verblüffung des Alten in seiner Stimme hören. “Das ist Sojiro, Großvater!” gab schließlich das kleine Mädchen mit piepsiger Stimme zu erkennen und warf Jakotsu, der diesen immer noch in den Armen hielt, neugierige und aufgeregte Blicke zu. Jakotsu indes schnitt ihr eine Fratze als niemand hinsah, während Bankotsu in bemüht ruhigem Tonfall mit dem alten Mann sprach, “Können wir uns bis zu der Rückkehr eures Herrn vielleicht irgendwo ausruhen, wir sind erschöpft und der Junge hier tut es auch nicht mehr sehr lange…” Kapitel 4: Der Schwarze Tod --------------------------- Hayato konnte den Gestank des Schwarzen Todes schon wahrnehmen, ehe er in das Dorf hinein ritt. Es war gespenstisch. Ihm war wohl klar, in welche Gefahr er sich selbst dabei begab, denn selbst das Tragen der Pestmasken schützte nicht immer vor einer Ansteckung. Aber wie konnte er es mit sich vereinbaren, diese armen Leute hier ihrem Schicksal zu überlassen? Er war Arzt und er musste sich um die Kranken kümmern, selbst wenn keine Hoffnung auf Heilung mehr bestand. Er hatte irgendwann einmal einen Eid geschworen und lieber starb er selbst, als ihn zu brechen. „Herr!“ Ein schmutziges junges Mädchen trat an ihn heran, sodass er sein Pferd zum Stillstehen brachte. „Die Götter haben unsere Gebete erhört … sie erschießen jeden, der versucht, von hier zu entkommen…“ Er warf dem Mädchen einen prüfenden Blick zu. „Wie viele leben noch?“ „Nicht viele. Der Großteil des Dorfes ist tot. Wir haben angefangen, die Leichen in die Pestgruben zu werfen, aber seitdem sie draußen die Schützen aufgestellt haben, sind wir gezwungen, sie mitten im Dorf zu verscharren.“ Hayato stieg von seinem Pferd ab und betrachtete das Mädchen prüfend. Sie hatte keine Beulen, kein Rasseln im Atem. Vielleicht gehörte sie zu den gesegneten wenigen, denen die Pest nichts anhaben konnte. Wenn das der Fall war, dann musste sie dringend hier fort. „Bitte Herr, mein Vater und mein Bruder sind tot, aber meine Mutter, sie…“ Sie brach ab. „Wo ist sie?“ „Bitte, bitte folgt mir, ich zeige es Euch, es ist nicht weit…“ Sie brachte ihn bis zu einer unscheinbar wirkenden ärmlichen Hütte. „Warst du die ganze Zeit bei ihr?“ „Ja, Herr…“ „Und du fühlst dich nicht krank?“ „Nein, Herr, bisher waren die Götter gnädig mit mir…“, antwortete sie mutlos und der Arzt seufzte lautlos und strich ihr mit einer behandschuhten Hand über den Kopf. „Würdest du bei meinem Pferd warten, bis ich wieder komme?“ Sie nickte tapfer und Hayato nahm seinen Medizinbeutel und näherte sich der Hütte. Er kontrollierte die Verschlüsse seiner Maske und als er festgestellt hatte, dass alles noch saß, wie es sitzen sollte, betrat er schließlich die Hütte und zog die Tür hinter sich wieder zu. Selbst durch seine Maske hindurch drang der Geruch von Tod und Verwesung, Fäkalien und Eiter. Hayato zuckte zurück als eine fette Ratte quietschend, durch seine Schritte aufgestört, über den Boden huschte. „Widerwärtige Biester“, fluchte er leise. Wenn er diesen Leuten doch nur endlich begreiflich machen könnte, wie wichtig Sauberkeit und Körperhygiene waren. Die armen Leute wechselten nur selten das Stroh, mit dem sie ihre Hütten ausstreuten, weil sie einfach die Notwendigkeit nicht begriffen hatten. Und das schmutzige Stroh zog die Ratten an. Und dort wo Ratten waren, war der Schwarze Tod. Hayato hatte schon lange den Verdacht, dass die Ratten eine zentrale Rolle spielten. Denn in den vornehmen Häusern, dort wo es keine Ratten und wenig Schmutz gab, dorthin kam der Schwarze Tod viel seltener. Nachdem die Ratte fortgehuscht war, konnte der Arzt ein leises Stöhnen vernehmen von der provisorisch aufgestellten Trennwand im hinteren Bereich der Hütte. „Megumi … bist du das…?“ „Kimura Hayato, gute Frau“, sagte er leise und trat an den Futon, auf der die Frau lag. Ein Blick auf sie genügte, um zu sehen, dass es keine Rettung mehr für sie gab. Die Frau war womöglich höchstens 22 Jahre alt, doch die Krankheit hatte ihr Alter auf das Antlitz gemalt. Ihr Gesicht war fahl und glänzte vor kaltem Schweiß und die Augen, in denen ein letzter Funke Hoffnung glomm, sahen flehend zu ihm auf, doch es war so, als sei ihre Seele bereits dabei, hinüber zu gleiten. Ihre Finger und Zehen waren bereits schwarz verfärbt, das Obergewand und der Futon waren voll von schwärzlich-blutigem Auswurf. Hayato biss die Zähne aufeinander. Er hasste den Anblick von Blut. Lungenpest. Keine Hoffnung mehr auf Rettung und trotzdem wollte Hayato niemals aufhören, auf ein Wunder zu hoffen. Er kniete sich nieder und öffnete die Tasche, die er bei sich trug. Mit einem Messer schnitt er das Gewand der Frau auf. Rasselnder Atem. Hayato besah sich prüfend ihren Körper. Beulen in Achselhöhlen und Leistengegend. Vorsichtig drückte er gegen eine der Beulen, was der Frau ein gequältes Stöhnen entlockte. „Ich werde Eure Beulen aufschneiden“, sagte er behutsam. „Macht … Euch keine … keine Mühe …“, flüsterte sie mit geschlossenen Augen. Hayato zückte eines seiner kleineren Messer, ein steriles, scharfes Instrument. Dann schnitt er. Blutiger Eiter quoll aus dem Schnitt hervor und sogar durch die Dichte seiner Maske drang der Übelkeit erregende Gestank und Hayato schloss einen kurzen Moment die Augen, ehe er fortfuhr. Er schnitt jede Beule auf, desinfizierte die Stellen mit einem selbst hergestellten Gemisch aus Alkohol und Kräutern und versuchte das gequälte Stöhnen zu ignorieren,das ihn an ein sterbendes Tier erinnerte. Verbrenn es, verbrenn das ganze Dorf! „Sei still“, flüsterte der junge Arzt, während er sich ein wenig schwankend einen Weg ins Freie bahnte – er verspürte den Drang, sich die Maske vom Gesicht zu reißen und frische Luft zu atmen. Doch alles, was er hier atmen würde, wäre der Tod. Hayato schloss einen Moment die Augen und sammelte sich, ehe er zu dem Mädchen zurückging, welches dem Pferd ein wenig den Mähnenkramm gestreichelt hatte. „Sie ist tot, oder…?“, murmelte sie tonlos und Hayato verspürte Wut in sich, eine solch unbeschreibliche Wut… „Ja“, sagte er nur und ergriff die Zügel des Pferdes. „Sind sonst noch welche hier? Gesunde, so wie du?“ „Nur noch ein Alter und ein kleines Kind…“ „Bring mich zu ihnen. Ihr werdet mit mir dieses Dorf verlassen.“ Sie schaute ihn mit großen Augen an. „Ihr macht das möglich, Herr?“ Hoffnung. „Ja.“ „Aber…“ „Hör zu“, sagte er plötzlich und legte ihr die Hände auf die mageren Schultern. „Du musst etwas für mich tun und für deine Leute. Du musst jedes einzelne meiner Worte so befolgen, wie ich es dir sage. Du bist ein großes Mädchen und schaffst das, nicht wahr?“ Es tat ihm in der Seele weh, diesem Kind noch mehr abzuverlangen, aber sie war die einzige vielleicht. Sie nickte tapfer. „Dann hör mir gut zu. Du wirst mir jetzt genau sagen, wo diese beiden Menschen sich befinden und ich werde zu ihnen gehen, um sie zu holen.“ Während er sprach, holte er aus seiner Tasche ein paar Stücke Kreide. „Dann wirst du zu jedem Haus gehen, und mir ein Kreuz auf die Tür malen, wo jemand ist, der noch kein Blut hustet und der noch kein Fieber hat und wenig Beulen, wo die Anzeichen noch gering sind – es gibt ein Siechhaus im Wald, wenn ich sie dorthin bringen kann, dann kann ich sie dort behandeln und vielleicht retten. Schaffst du das?“ Er sah sie direkt an und sie nickte. „Ja, Herr, das kann ich.“ Das Siechhaus war eine Zuflucht für Kranke und Aussätzige. Der einzige Ort in der Umgebung, an den sie noch gehen konnten. Der einzige Ort, an dem er sie noch vernünftig behandeln konnte. An diesem Ort waren Mikos, die sich aufopferungsvoll kümmerten, heilkundig waren und Hayato ließ ihnen so oft es ihm möglich war, Geld und Lebensmittel und andere Dinge zufließen, die sie benötigten. Ja, Hayato Kimura war in der ganzen Gegend als Wohltäter, als Arzt und als guter Herr bekannt. Wo er hinkam, da gab es Hoffnung und Hayato tat, was er konnte. Denn auf seiner Seele lastete Schuld. Eine dunkle Seite, blutrünstig, grausam und berechnend, eine zweite Persönlichkeit, die er fürchtete, denn wenn sie sich seiner bemächtigte, klebte schließlich Blut an seinen Fingern. Blut, das er nie mehr abwaschen konnte. Und deshalb tat er Buße, in dem er denen Hoffnung gab, die schon lange keine Hoffnung mehr hatten, in der Hoffnung, selbst Erlösung für seine grausamen dunklen Taten zu finden, dem Monster zu entfliehen, das tief in ihm schlummerte.   ~*~ „Habt Dank für Eure Hilfe, Miko-sama“, richtete er das Wort an die Ober Miko, nachdem er die Kranken zum Siechhaus gebracht hatte. Die alte Miko schüttelte den Kopf, „Wir haben Euch zu danken.“ Hayato sah einen Moment lang zu, wie die Mikos den Kranken halfen, sich draußen am Brunnen zu waschen, ehe sie sie hinein brachten. Es war eine gute Entscheidung. Sie hatten hier für die Kranken einzelne Zimmer, was recht ungewöhnlich war, aber es war Tatsache, dass durch die Separierung der Kranken deutlich weniger neue Krankheitsfälle auftraten. „Was geschieht nun mit den Toten im Dorf, Herr?“ „Das ganze Dorf ist verseucht“, antwortete Hayato bitter, „Ich fürchte, uns bleibt keine Wahl, als es kontrolliert nieder zu brennen.“ „Es ist ein Jammer. So viele, die ihr Leben verloren … wir versuchen immer, ihnen beizubringen, dass sie ihre Hütten so oft wie möglich reinigen, dass sie sich selbst jeden Tag waschen sollen, aber…“ „Sie hören nicht auf Euch, ich weiß“, schloss er bitter. Sie nickte betrübt. „Und dann ist da noch diese Sache mit den Kindern…“ „Sagt nicht, es sind schon wieder welche verschwunden?“ Die Yōkai nutzten die momentane Schwäche der Menschen schamlos aus, um sich in die Dörfer zu schleichen und die Wanderer vom Weg zu entführen. Besonders die wilderen Yōkai hatten das früher nicht gewagt. Hayato dachte einen Moment schmerzlich an die kleine Kimiko – ein Mädchen, das er, wie einige andere vor einiger Zeit in seinem großen Herrenhaus aufgenommen hatte. Sie und ein Junge, Sojiro, waren vor wenigen Tagen spurlos verschwunden und ehe er sich aufgemacht hatte, um nach den Kranken zu sehen, hatte er sich mit einigen Männern aus dem Dorf auf die Suche gemacht. Erfolglos. Man hatte keine Leichen gefunden, aber auch keine Knochen, denn die Yōkai fraßen nur das zarte Fleisch, die Knochen ließen sie liegen, weil Knochen eine starke reinigende Macht innewohnte – nur die Knochenfresserin fraß die Knochen, aber die war hier in diesem Teil des Landes noch nie gesehen worden. „Herr, wollt Ihr Euch einen Moment ausruhen, ehe ihr nachhause reitet?“ Der junge Arzt schüttelte müde den Kopf. Er war gerademal 26 Jahre alt und fühlte sich jetzt schon wie ein alter Mann und allein mit so viel Verantwortung. „Ich danke Euch, gute Miko-sama, wenn ich mich jetzt jedoch hinsetze, so stehe ich bis zum nächsten Morgen nicht mehr auf. Und es wird bald dunkel, ich sollte mich auf den Weg machen.“ Sie schwieg einen Moment und sagte dann: „Dann erlaubt mir, wenigstens einen Segen über Euch zu sprechen“, und ließ Hayato mit dem unangenehmen Gefühl zurück, dass sie ahnte, welche finstere Seite in seiner Seele wohnte.   ~*~ Es dämmerte bereits, als Hayato wieder zurück kehrte und er freute sich schon sehnsüchtig auf sein Bett, als ihm eines „seiner“ Kinder entgegengelaufen kam. „Kimura-san, Ihr habt Gäste, ich meine … das sind … Fremde… Sojiro…” “Moment mal, komm erstmal wieder zu Atem”, entgegnete der junge Arzt ruhig obgleich er hellhörig geworden war. Die Kleine stützte die Hände auf den Knien ab und atmete ein paar mal aus- und ein, dann berichtete sie: “Heute Nachmittag sind zwei Fremde in das Dorf gekommen - und sie haben Sojiro gefunden…” “Wo sind sie?” “Wir haben sie in Euren Gästeräumen untergebracht, Nanako und ich haben…”, doch kaum dass das Mädchen ihren Satz hatte beenden können, war Hayato davongestürzt. “… Ihn etwas hergerichtet…”, fügte sie hinzu, während sie sich an der Nase kratzte, dann die Schultern zuckte und sich eiligen Schrittes mühte ihrem Herrn hinterher zu kommen - Neugier war der Mädchen Zier. Hayato legte den kurzen Weg über den kleinen Innenhof, welcher die Räume für die Gäste und die Kinder und seine eigenen Wohnräume abtrennte, in Windeseile zurück und wenig später riss er bereits die Türen auf. Es handelte sich um zwei Personen, zwei junge Männer, von denen ihn einer mit einem Blick aus winterkühlen blauen Augen musterte und einem, mit auffallend feinen, ansatzweise femininen Zügen, der sich auf einen der Futons gelegt hatte, um sich etwas auszuruhen. Hayato machte eine unbeholfene Verbeugung und nahm dann vor dem Fremden Platz. "Bitte entschuldigt, dass ich Euch solange warten ließ. Die Pest wütet in der Gegend und außer mir hat jeder Arzt und Bader das Weite gesucht … mein Name ist Kimura Hayato-", der junge Arzt hielt kurz inne um Luft zu holen und fuhr dann kurz darauf fort, "Man sagte mir, Ihr habt den kleinen Sojiro im Wald gefunden, und es wäre aus gewesen, ohne Euer Zutun ... Habt Dank dafür... Kimiko-chan ist noch immer verschwunden…" Bankotsu wartete ungeduldig den Redeschwall Hayatos ab. Der Mann wirkte auf eine seltsame Weise nervös und angespannt. Dann sagte er, ein Gähnen unterdrückend und als würde es ihn auch nicht so recht interessieren: "Ja, da seid Ihr richtig informiert worden, aber von einem Mädchen weiß ich nichts… Mein Gefährte hat eine Armverletzung von einem Yōkai, dem wir gestern über den Weg gelaufen sind - man sagte mir Ihr seid ein Arzt und als Gegenleistung für die Rettung dieses Jungen halte ich eine kostenlose Behandlung für angemessen." Was für ein unhöflicher Bengel. Der war doch noch nicht einmal im Mannesalter. Aber er verzog keine Miene. Wenn auch das Anliegen unhöflich vorgetragen war, so hatte die Forderung durchaus ihre Berechtigung. Hayato nickte beschwichtigend, während sein Gegenüber sich zu der dösenden Gestalt beugte und sie unsanft rüttelte, "hey, der Arzt ist hier, er will sich deine Verletzung ansehen, Jakotsu..." Jakotsu?, dachte der Arzt bei sich, das war ein wirklich seltsamer Name - Schlangenfertigkeit, welche Mutter gab ihrem Kind einen derartigen Namen...? Vielleicht war es auch nur ein Pseudonym, das kam ja heutzutage öfter vor. Vor allem unter Söldnern und Vogelfreien … Je weniger er wusste, desto besser eigentlich. "Ich werde mir das gleich mal ansehen", sagte er nur höflich, dann stand er auf und ging zur Tür. Draußen in gebührendem Abstand kauerte das Mädchen von vorhin, welches er bat, das was er für die Behandlung benötigte zu holen ehe er sich an die Fremden wandte, "Ihr habt mir Euren Namen noch nicht verraten", sagte er freundlich und blickte den jungen Mann abwartend an. Dieser schaute kurz misstrauisch, meinte dann aber kurz angebunden, während er seinem Gefährten nochmal einen unsanften Stups gab, damit dieser endlich aufstand: "Man nennt mich Bankotsu." "Darf ich?", sprach der Arzt dann den anderen jungen Mann an, der sich gerade schwerfällig erhoben hatte und ihn nun aus müden Augen ansah – dabei griff er nach einem Handgelenk um den Puls zu erfühlen. Er war nicht besonders hoch. „Ayumi, bitte mische die beiden Kräuter zur Stabilisation des Blutes zusammen, wie ich es dir neulich gezeigt habe.“ Das Mädchen nickte eifrig, froh darüber etwas zu tun zu haben, und begann mit gelernten Händen die Kräuter zusammen zu mischen, während Hayato sich daran machte, den Verband den Jakotsu trug, zu öffnen. Behutsam meinte er "nicht bewegen", denn Jakotsus Arm hatte verdächtig gezuckt und sich auf die Lippe beißend hielt er still. Sorgsam wickelte Hayato den Stofffetzen ab, den man provisorisch als Verband umfunktioniert hatte und als er die Wunde freilegte, runzelte er verstimmt die Stirn. Ein seltsamer Geruch ging von der Wunde aus – es handelte sich jedoch keinesfalls um Wundbrand, sondern um eine Art Gift, das durch den Dämon in die Wunde gelangt sein musste. "Ich werde Euch eine Salbe anrühren und dann einen richtigen Verband anlegen, dann können wir hoffen, dass sich die Wunde schließt - schaut nicht so entsetzt, Heilmittel sind mein Spezialgebiet, aber ich muss das nun leider desinfizieren, das könnte etwas schmerzhaft werden...", warnte der Arzt den jungen Mann vor, welcher ihm schon beinahe mit ruhiger Gelassenheit seinen Unterarm hinstreckte. „Macht einfach Eure Arbeit, ich bin nicht aus Zucker.“ Dabei begegneten sich ihre Blicke kurz und Hayato fühlte sich leicht unwohl – irgendetwas in den dunklen Augen wirkte verstörend gefährlich. Eine Schlange, die ihr Opfer taxierte, lauernd auf den geringsten Fehler. Wenig später brachte Ayumi das Schälchen mit der Medizin. „Trinkt das“, ordnete Hayato an, „das stärkt Euer Blut.“ Jakotsu nahm das Schälchen von ihm entgegen. Dabei berührten sich ihre Fingerspitzen einen Hauch, nicht mehr wie die Berührung eines Schmetterlings auf der Haut. Und irgendetwas in dieser kurzen, unschuldigen Berührung weckte plötzlich die wilde tiefe Lust des Monsters in ihm. Hayato musste sich regelrecht zwingen, sich loszureißen und stand ruckartig auf. Er musste dringend Abstand zwischen sich und diesen Mann bringen. Wenig später goss sich Hayato mit zittrigen Händen Branntwein in eine Schale um ihn kurz darauf in einem Zug herunter zu stürzen. Es schüttelte ihn als der beißende Alkohol seine Kehle hinab rann und Hitze machte sich breit. Doch nun fühlte er sich klarer. Er atmete einmal tief ein- und aus. Was nur war das eben gewesen? Der andere in ihm hatte sich nie derart leicht reizen lassen. Hayato wusste, welche Situationen er vermeiden musste, um ihn nicht zu reizen, er wusste, dass er sich von Blut fernhalten musste, es sei denn, es handelte sich um eine harmlose Wundversorgung wie gerade eben. Er wusste, dass er sich von verführerischen Frauen fernhalten musste, denn die Begierde weckte ihn. „Was hat es eigentlich auf sich mit den verschwundenen Kindern?“, ließ ihn eine ruhige Stimme plötzlich zusammen zucken. Hayato sah auf, entspannte sich jedoch gleich wieder als er sah, dass es nur Bankotsu war. Der junge Mann schaute ihn aufmerksam und eine Spur musternd an und jetzt, wo sie sich gegenüberstanden wirkte er gar nicht mehr so jung. Irgendetwas Einnehmendes lag in seiner Aura. Zumindest schien ihn das ein wenig nervös zu machen. Hayato seufzte ergeben und deutete zu einer einfachen Sitzgelegenheit. „Bitte setzt Euch, ich will versuchen, es zu erklären…“ Nachdem sie sich beide niedergelassen und Hayato zuvor noch den billigen Branntwein gegen eine Flasche etwas weniger billigen Sake ausgetauscht hatte, begann er: „Es fing vor wenigen Wochen an. Zuerst verschwand mal hier ein Kind, mal dort. Es fiel zuerst nicht auf, denn die Pest wütet immer noch und die Kinder, die ihre Eltern längst verloren haben, werden auch erst viel später vermisst gemeldet, wenn überhaupt. Ich habe den Verdacht, dass sich die niederen Dämonen, die hier in diesen Wäldern und Bergen leben viel näher an die Dörfer wagen, jetzt, wo die Menschen so geschwächt und beschäftigt damit sind, gegen einen unsichtbaren Feind anzukämpfen.“ Hayato nippte an seinem Sake, Bankotsu hatte den seinen nicht angerührt, sein Blick ruhte während der ganzen Zeit auf dem Arzt, während dieser sprach. „Früher wurden sie von dem reinigenden Schutz der Mikos ferngehalten, aber auch in den Reihen der Mikos gibt es viele Verluste und die Schutzbarrieren sind lange nicht so stark wie früher. Wir sagen den Kindern immer, sie sollen, wenn sie schon unbedingt nach draußen wollen, sollen sie immer mindestens zu Dritt sein oder im besten Falle einen Erwachsenen bei sich haben. Sojiro … der Knabe, den Ihr aufgefunden habt, war einer von den Verschwundenen. Er ist noch nicht ansprechbar, aber ich werde sobald wie möglich versuchen, etwas aus ihm herauszubekommen.“ „Um es kurz zu fassen, Ihr habt also ein gewaltiges Dämonenproblem, dem Ihr hier selbst nicht mehr Herr werdet.“ Der Arzt nickte ernst. „Und ich weiß mir keinen Rat. Ich bin Arzt, kein Krieger, ich kann mich mit einem Schwert bestenfalls gegen einen unbewaffneten Räuber verteidigen - die Mikos, die der Heilkunst mächtig sind und ich tun alles, um die Pest zu bekämpfen und die Kranken zu versorgen… wir sind alle erschöpft.“ „Aus welchem Grund seid Ihr diesen Menschen hier verpflichtet?“ Hayato sah Bankotsu einen Moment in die Augen. „Sie haben niemanden außer mir und den Mikos. Jedes Leben, das ich retten kann gibt mir die Kraft, nicht aufzugeben.“ „Ich verstehe“, erwiderte Bankotsu, obgleich er diesen Kampf auf verlorenem Posten nicht nachvollziehen konnte, „nun, ich will Euch einen Vorschlag machen. Ich bin Söldner und Yōkaibekämpfung ist mir nicht fremd. Ich kann Euch bei Eurem Problem unter Umständen helfen. Vorausgesetzt, Ihr könnt mich angemessen entlohnen.“ „Ich zahle Euch jeden Preis, den Ihr wollt, wenn diesen armen Menschen dafür nur endlich geholfen wird…“ „Dann haben wir eine Vereinbarung. Wir brechen morgen früh auf.“   ~*~ "Aber warum darf ich nicht mitkommen?" Beleidigt und streitlustig hatte der feminine junge Mann seine Hände in die Hüften gestemmt - es passte ihm so gar nicht, dass Bankotsu alleine mit einem fremden Mann durch die Wälder zog und das brachte er auch ziemlich deutlich zum Ausdruck. Bankotsu, welcher das Verhalten seines Gefährten gerade mehr als beschämend fand steckte sich demonstrativ die Zeigefinger in die Ohren und knurrte, "Das habe ich dir schonmal gesagt, erstens, du bist verletzt und Zweitens kannst du noch nicht so gut kämpfen, also wärest du uns mehr ein Hindernis, denn eine Hilfe! Und jetzt gib um Himmelswillen endlich Ruhe, ich-" "Aber ich hab ein Schwert!" jammerte Jakotsu und sah Bankotsu mit tränengefüllten Augen an. Gut, das war vielleicht ein bisschen übermäßig theatralisch, aber Jakotsu war ein guter Schauspieler, er konnte auf Kommando heulen. Dumm nur, dass Bankotsu das so ziemlich kalt ließ, denn er antwortete kühl: "Ja, und wenn wir alle Glück haben, vierteilst du dich noch selbst damit - hör mal", fügte er hinzu und versuchte dabei etwas sanfter zu klingen, was ihm nur mit Mühe gelang, "du musst deine Verletzung auskurieren und ich weiß schon, was ich tue, deine Besorgnis in allen Ehren und jetzt sei so gut und hör auf mich vor Kimura-san hier zu blamieren-" er deutete mit dem Daumen über die Schulter zu dem Arzt, welcher peinlich berührt wegsah, "und halte hier die Stellung, ja?" Jakotsu schob die Unterlippe vor, gab sich aber dennoch geschlagen – im nächsten Moment verschwand er mit erhobenem Näschen türeknallend im Haus. Der Arzt sah ihm eine Weile unsicher hinterher und wandte sich dann zögerlich an Bankotsu, "Euer Gefährte scheint ziemlich ungehalten zu sein über..." Ein Blick von Bankotsu brachte ihn dazu, seinen Satz unvollendet im Raum stehen zu lassen. Letzterer marschierte mit zügigen Schritten nach draußen, wo man zwei Pferde gesattelt hatte. Das Wetter war heute recht mild und klar - eigentlich ganz gute Vorausetzungen und Bankotsus Laune stieg an –das altbekannte Kribbeln von Vorfreude auf einen nahenden Kampf machte sich langsam bemerkbar. Sie hatten entschieden, dass Hayato Bankotsu so weit begleitete, wie möglich, ohne in unmittelbare Gefahr zu geraten, denn er kannte sich in den Wäldern aus und hatte einen ungefähren Verdacht geäußert, wo der Ursprung dieser Yōkaiplage liegen konnte. „Sagt“, sprach er den jungen Arzt an, welcher neben ihm auf seinem Pferd saß und einen leicht angespannten Eindruck machte, „habt Ihr eine Idee um welche Form von Yōkai es sich handeln könnte?“ „Ich bin kein Experte“, erwiderte Kimura langsam, „aber ich weiß zumindest, dass spinnen- und schlangenartige Yōkai sich in den letzten Monaten auffallend vermehrt haben.“ Bankotsu verzog das Gesicht. Also die angenehmsten Sorten von allen. Aber er wusste nun zumindest, dass sie sich vor eventuellen Giftattacken in Acht nehmen mussten. Er warf einen Blick zum Himmel, der, wie es schien, sich offensichtlich nicht entscheiden konnte, ob er sonnig oder wolkenverhangen sein mochte und hoffte, dass die Sache bis Einbruch der Dämmerung erledigt war. Töte sie alle! Hayato zuckte leicht zusammen und keuchte leise auf. Dann schüttelte er den Kopf und warf Bankotsu einen Blick zu, aber der schien nichts bemerkt zu haben. "Seid Ihr sicher, dass wir den richtigen Weg einschlagen?", meinte Bankotsu irgendwann plötzlich etwas skeptisch, als der Weg, dem sie folgten langsam immer unbefestigter und schlammiger wurde - auch die Gegend umher, welche bis vor Kurzem noch in schöne herbstliche Farben und ein angenehmes Sonnenlicht getaucht war, wurde immer nebliger und die Bäume umher immer kahler. "J-ja, ich glaube schon...", meinte der Arzt zögerlich und blickte sich ein wenig um, wobei er zusehends nervöser wurde, "ich war zwar selbst noch nie hier, aber man sagt, dass diese Yōkai sumpfige und abgestorbene Gebiete bevorzugen..." Bankotsu nickte, wobei er sich das selbst schon hatte denken können - unfruchtbarer Boden und schlechte Luft waren eigentlich immer ein Zeichen dafür, dass Yōkai in der Nähe waren - und zog an den Zügeln seines Pferdes, welches ob der groben Behandlung empört schnaubte. "Wir sollten besser zu Fuß weitergehen", gab er zu bedenken, "Wenn die Pferde nervös werden und durchgehen, hilft uns das auch nicht weiter." Kaum hatte er dies gesprochen, hatte er auch schon ein Bein mehr oder minder elegant über den Rücken des Pferdes geschwungen und landete sicher auf dem Boden, während Hayato es ihm gleich tat. Der junge Mann schnupperte leicht und bemerkte sofort den leicht fauligen Geruch. Ohne Zweifel: Yōkai. "Ab jetzt ist Vorsicht angesagt", meinte Bankotsu, "am besten nicht mehr sprechen und Augen und Ohren offen halten.“ Hayato schluckte, nickte dann und folgte Bankotsu, welcher, obgleich er ja die Gegend nicht kannte, ziemlich zielsicher voranschritt. Und mit einem Mal bekam er wieder fürchterliche Kopfschmerzen ... wie jedes Mal, wenn er bald auftauchte…   ~*~ Jakotsu langweilte sich. Er hatte die undankbare Aufgabe bekommen, ab und an mal nach dem Bengel zu sehen, den sie gestern unfreiwillig gerettet hatten, und welcher nun noch zur Überwachung bei dem Arzt nächtigte. So saß er nun neben dessen Futon und starrte aus dem Fenster. Mit einem tiefen Seufzer streckte der junge Mann sich und wollte schon aufstehen, um sich die Beine etwas zu vertreten (denn er sah gar nicht ein, warum er stundenlang neben diesem Kind sitzen sollte, wenn ohnehin nichts passierte), als besagter Junge plötzlich ein Geräusch von sich gab und mit flatternden Lidern schließlich die Augen aufschlug. "Was bitte?" sagte Jakotsu, wobei er für den Moment den Zustand des Jungen nicht bedachte und sich prompt wieder neben diesen im Schneidersitz hinfallen ließ um ihn aufmerksam anzuschauen. "K-Kimiko...", kam es mit schwacher Stimme, was aber in einem röchelnden Husten unterging. "Nicht anwesend", kommentierte Jakotsu das, "hier gibt's nur mich." Sojiro richtete den Blick leicht auf Jakotsu und dieser bekam unwillkürlich ein wenig Mitleid, machte der Junge doch einen gar so hilflosen Eindruck, und etwas weniger zynisch fragte er: "Willst du Wasser?" Er wusste nicht, was er sonst hätte sagen oder tun können und ohne eine Antwort abzuwarten, griff Jakotsu nach der Karaffe und einer sauberen Schale um etwas einzugießen. Der Junge indes richtete sich leicht auf und nahm die Schale entgegen, aus welcher er mit gierigen Schlucken trank. „Vielen Dank“, meinte er schließlich und stellte die Schale zur Seite – er machte gleich einen etwas lebhafteren Eindruck als kurz zuvor. Jakotsu verschränkte die Arme vor der Brust, dabei musterte er Sojiro eingehend - die dunklen Augen wirkten matt und müde, aber dennoch konnte man einen leicht rebellischen Kampfgeist darin erkennen, während das dichte Haar wirr bis auf die Schultern fiel - obgleich seines Alters von etwa zwölf Jahren wirkte er doch schon recht kräftig und auch nicht gerade wie ein Feigling. "Gehts dir jetzt besser? - Gut, dann könntest du mir vielleicht mal erzählen, wer oder was dich da im Wald so zugerichtet hat - mein Gefährte und euer komischer Arzt sind nämlich vor zwei Stunden aufgebrochen um nach dieser kleinen Göre zu suchen und wenn Bankotsu etwas passiert, dann muss irgendjemand dafür leiden...", ein Funkeln trat in Jakotsus Augen, was dem Jungen etwas gespenstisch erschien. So getraute er sich keinen Widerspruch und begann langsam und zögerlich zu erzählen... Zuerst waren sie beide entschlossen dem Weg gefolgt, welcher immer unkenntlicher wurde und auch die Gegend war nicht gerade die einladendste. Ein schlechter Geruch hatte sich breit gemacht und Kimiko war es immer mulmiger geworden, hatte Sojiro im Gefühl gehabt. Irgendwann war der Weg dann gänzlich verschwunden und sie sanken bis zu den Fußknöcheln im Morast ein. Kimiko hatte irgendwann nicht weiter wollen. Den Rest wusste er nur noch bruchstückhaft, aber er wusste dennoch noch genug um ein abgrundtief schlechtes Gewissen zu haben. Plötzlich hatten sie Geräusche gehört, wie von vielen Insekten und als sich Kimiko verschnaufend an einem Baumstamm abgestützt hatte, hatte sie in etwas Klebriges gegriffen. Spinnweben, glaubte er sich zu erinnern und daraufhin war das, sonst so mutige Mädchen in Panik verfallen und war kopflos davon gestürmt und in dem Nebel hatte sie Sojiro bald aus den Augen verloren. Dann war der Junge alleine gewesen und er hatte angefangen zu zittern - aus der Ferne war plötzlich Kimikos markerschütternder Schrei ertönt und Sojiro hatte eiskalte Panik erfasst, dann war Stille eingetreten. Und wieder das Huschen von vielen, vielen Beinen - er wusste, dass er weggelaufen war, in die entgegengesetzte Richtung in die sie gelaufen waren, sein einziger Gedanke galt dem Unbekannten, das da irgendwo lauerte und Kimiko nun in seiner Gewalt hatte, das Mädchen,das er anbetete und dann war es irgendwann schwarz um ihn geworden und das nächste an das er sich erinnerte, war die Stimme Bankotsus gewesen... Jakotsu hatte nachdenklich den angewinkelten Arm auf seinem Oberschenkel abgestützt und lauschte der Geschichte des Jungen - das klang nicht gerade erbaulich. Nein, es klang nach riesigen Insekten und Insekten waren ja schon schlimm genug, wenn sie klein waren. Unbewusst schüttelte es den jungen Mann, dann bemerkte er die deprimierte Mimik Sojiros und meinte, wobei er versuchte zuversichtlich zu klingen, "Bankotsu wird sie sicher retten können, mach nicht so ein Gesicht, ich vertraue ihm..." Sojiro hob den Kopf, "Danke, aber so wie sie geschrien hat... Ich hätte umkehren sollen, ich hätte sie retten sollen...", die Stimme des Jungen wurde immer brüchiger und irgendwann meinte Jakotsu ein Glänzen in dessen Augenwinkeln erkennen zu können. "Wenn ich doch nur nicht so feige gewesen wäre...", nun kullerten ihm endgültig die Tränen über die Wangen und beschämt wandte er den Blick ab. Jakotsu indes fasste sich ein Herz und zog den Jungen in seine Arme, streichelte ihm liebevoll über den Kopf. "Ich weiß, wie du dich fühlst ... Ich war noch viel jünger als du, da hab ich meinen ganze Familie verloren... ich war alleine und hatte Angst... Ich habe es mir niemals verziehen, dass ich nicht zurückging, um nach ihnen zu sehen..." Sojiro, welcher die Umarmung schlussendlich zuließ und sein Gesicht leicht im Yukata Jakotsus vergraben hatte, meinte irgendwann mit leiser Stimme, "Warum erzählt Ihr mir das...?" Jakotsu schwieg einen Moment lang. Ja, warum eigentlich? "Nun ... Wenn du möchtest ... dann...", Jakotsu schluckte, denn das was er jetzt sagen würde, würde ihn mutiger klingen lassen, als er es war, "dann gehen wir nochmal in den Wald und suchen sie, ich helfe dir." "Das würdet Ihr tun? Seid Ihr denn ein Krieger?" "Natürlich", log Jakotsu ungeniert und grinste den Jungen aufmunternd an. Innerlich war er gar nicht so heldenhaft, wie er tat. Aber wenn er nichtmal gegen ein paar niedere Spinnenyokai ankam… wie könnte er Bankotsu auf Dauer ein würdiger Gefährte sein? Außerdem… hatte er das Gefühl, eine Schuld wieder gut machen zu können. Es war an der Zeit, Jakotsutō endlich zum Einsatz zu bringen. Kapitel 5: Die zweite Seele --------------------------- Es war vom einen Moment auf den anderen grau geworden. Der Himmel, der Boden, der Wald. Es roch schlecht. Und wenn es schlecht roch waren das die sichersten Anzeichen dafür, dass niedere Dämonen in der Nähe waren. Und dann waren da noch die Spinnweben, die sich überall verteilt hatten, wie weiche, graue Schleier. Hayato vermied es tunlichst, mit ihnen in Berührung zu kommen und Bankotsu spöttelte, dass er sich wie ein Mädchen benahm. Er selbst wischte die in der fahlen Sonne glitzernden Fäden einfach fort. Doch bald waren die Fäden auch nicht mehr glitzernd, sondern wurden weitflächiger, größer, grauer. Und klebriger. Hayato seufzte lautlos auf.Je näher sie der Quelle allen Übels kamen, desto penetranter wurden seine Kopfschmerzen. Resignierend zupfte er eine klebrige Spinnwebe von seinem Obergewand. „Ich habe das Gefühl, dass wir bald da sind“, sagte er, nur um etwas zu sagen und um sich von seinem Schmerz abzulenken. Bankotsu rollte die Augen. „Was Ihr nicht sagt…“ Eine Weile herrschte wieder Schweigen. „Sagt, Kimura-san, wie hat es Euch eigentlich in diese verlassene Gegend verschlagen? Gute Ärzte sind selten. Ihr könntet in den großen Städten sicher eine Menge Geld verdienen und zu Vermögen kommen.“ Hayato lächelte nachsichtig und blickte in die Ferne. „Nun, diese Frage habe ich mir auch hin- und wieder gestellt. Vor allem, weil es mir oft schwer fällt, das Leid hier zu ertragen, muss ich gestehen…“ „Ich kann es Euch auch nicht sagen. Immer wenn ich auch nur einen Funken Hoffnung in den Augen der Menschen aufflackern sehe, dann weiß ich, dass mein Platz hier ist.“ „Wie idealistisch“, bemerkte Bankotsu spitz. Kimura lachte leise. „Das mag sein. Vielleicht bin ich auch ein wenig naiv. Der Bruder meines Vaters war der Daimyo, in dessen Gebiet diese Dörfer lagen und er war nicht gerade für … seine Güte bekannt. Ich glaube manchmal, in der Pflicht zu stehen, seine Vernachlässigungen wieder gut machen zu müssen …“ Dass Hayato bereits Vermögen besessen hatte, verschwieg er. Er war selbstlos damit umgegangen, das was er nicht selbst zum Leben und zur Ausübung seines Berufes unbedingt brauchte, das gab er den Bedürftigen, spendete es den armen Klöstern, die sich um die Aussätzigen kümmerten, kaufte ein bisschen Nutzvieh oder Getreide für die ganz Armen, versorgte sie hin und wieder mit Kleidung. Die Angreifer erwischten sie unbemerkt. Das letzte, das Bankotsu wahrnahm war ein brennender Stich in seinem Nacken, dann wurde es schwarz.   ~*~ Jakotsu gab dem Pferd die Zügel ganz frei, sodass es gestreckt im Galopp über den lockeren Boden fliegen konnte. Das Tier schwitzte bereits und hatte Schaum vorm Maul, doch darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Wenn sie Bankotsu und Kimura-san einholen wollten, war höchste Eile geboten. Sojiro, der krampfhaft die Arme um seine Mitte geschlungen hatte, hatte die Augen fest zusammengekniffen – diese Geschwindigkeit war dem Jungen wohl nicht ganz geheuer. Der Wind peitschte Jakotsu feine Regentropfen ins Gesicht, sodass er die Augen zusammenkneifen musste, doch der Regen war ihm immer noch lieber als trockener Boden, von dem Staub aufgewirbelt wurde, der einem in den Augen brannte. Als der Waldrand in Sicht kam, zügelte Jakotsu das Tier, sodass es kurz in einen Trab verfiel und dann in einen flotten Schritt überging. Sojiro der mit diesem schnellen Tempowechsel nicht gerechnet hatte, krallte sich erschrocken in seiner Kleidung fest und gab ein Geräusch von sich, das einem 'Umpf' glich. Jakotsu behielt den Blick ungerührt geradeaus gerichtet: "Sind wir hier richtig? Du musst mir sagen, wo es lang geht, ich weiß nicht, ob wir Fußspuren in dem Waldboden finden werden." "H-hai...", murmelte der Junge mit gemischten Gefühlen und lugte an Jakotsu vorbei. "Das verbotene Gebiet… beginnt etwa zwei Meilen nördlich … glaube ich….“ Man konnte spüren, wie unbehaglich es dem Sojiro zumute sein musste und wenn Jakotsu es sich eingestand, erging es ihm nicht anders. Jedoch hatte er das Gefühl so etwas wie Verantwortung für den Jungen zu haben, weshalb er sich zusammenriss. Sie waren eine Weile unterwegs, als das Tier plötzlich die Ohren aufstellte und erregt schnaubte. "Jakotsu-san?" "Hm?" "Vielleicht sollten wir das Pferd lieber hier lassen..." Der androgyne Mann ließ ein abfälliges Schnauben verlauten, "Bist du so schnell zu Fuß oder bist du einfach nur todesmutig?" "Ich ... Nein, aber..." "Nichts aber", fuhr ihm Jakotsu ins Wort, "Du kannst ja laufen, wenn du nicht an deinem Leben hängst - und leg das nächste Mal deine Hände woanders hin, mein Junge, man könnte sonst noch auf falsche Gedanken kommen", fügte er mit einem hinterhältigen Grinsen hinzu, welches sich unmissverständlich darauf bezog, dass Sojiro wohl, ohne es zu merken, seine Hände an Jakotsus Hüfte etwas tiefer hatte rutschen lassen. Der Junge errötete leicht vor Scham und nahm dann die Hände so schnell weg, als hätte Jakotsu in Flammen gestanden, was ihn selbst beinahe das Gleichgewicht gekostet hätte. "Ich wollte sowieso absteigen!", murrte er pikiert und ließ sich kurz darauf, wenn auch etwas unbeholfen, von dem unbequemen Pferderücken herunter gleiten. Mit einem unauffälligen zur Seite schielen, bemerkte er, dass sein junger Begleiter sein Schwert beinahe krampfhaft umklammert hielt und er fragte sich wahrhaftig, wie er mit einem abgenutzten schartigen Schwert, dessen Scheide schon Rost angesetzt hatte, eine ernsthafte Bedrohung gegen Dämonen darstellen wollte. Unbewusst bekam er das Gefühl - und das behagte ihm gar nicht - dass es an ihm war, sie beide irgendwie zu verteidigen, sollte diese Wesen sie entdecken, bevor sie sie entdeckten. Als sie den Wald betraten, war es Jakotsu, als breche eine Welle aus schwarzem Wasser über ihm herein. Es war noch nicht einmal so, dass es besonders dunkel war, es war mehr dieses unterschwellige Gefühl der Gefahr, die da irgendwo lauerte und der sie bald gezwungen sein würden, sich zu stellen. Der weiche Waldboden dämpfte die Tritte des Pferdes, sodass nur noch hin- und wieder leises Rascheln zu hören war vom trockenen Laub. Das war nur wenig beruhigend. 'Auf was hab ich mich da eigentlich eingelassen?', ging es dem jungen Mann durch die Gedanken, 'Ich muss vom Wahnsinn umkrallt gewesen sein. Ich könnte jetzt in einem kleinen, gemütlichen Zimmer sitzen, mit ein paar hübschen Männern schäkern oder mir ein köstliches Schälchen Sake genehmigen, aber nein.' Und so wäre es wohl auch noch eine Weile weitergegangen, hätte ihn Sojiro nicht aus seinen Gedanken geholt. "Jakotsu-san, da ist es" "Was?", aber Sojiro brauchte gar nicht mehr zu antworten, Jakotsu sah es in diesem Moment auch selbst. Es war, als hätte jemand den Wald in graue Schwaden getaucht, die Bäume, der Boden, alles war entweder von Spinnweben überzogen oder hatte eine ungesunde graue Farbe angenommen. Jakotsu spürte kalte Panik seine Kehle zuschnüren. Er hasste Insekten. Nein, Spinnen, noch schlimmer. Er musste wohl wie angewurzelt auf dem Pferd gesessen haben, welches seine Nüstern aufgeregt blähte und nervös umhertänzelte, denn auf Sojiros ungeduldiges und leicht nervöses: "Was ist nun?" zuckte er regelrecht zusammen. Abwesend tätschelte er dem Tier den Hals und stieg dann schweren Herzens ab. Ein durchgehendes Pferd war etwas denkbar ungünstiges, wenn man sich unbemerkt irgendwo anschleichen wollte. Während er es an einem tief hängenden Ast anband, murmelte er: "Ich und meine große Klappe..." "Was bitte?" "Nichts, vergiss es. Du hast gesagt, hier war irgendwo die Stelle, an der du das Mädchen verloren hast." Der Jüngere nickte verzagt. Längst war er nicht so mutig, wie er sich fühlte und, selbst wenn sein Begleiter auch nicht gerade den kriegerischsten Eindruck machte, so hatte es doch etwas Beruhigendes einen Erwachsenen dabei zu haben. Außerdemwollte er Kimiko befreien. Um jeden Preis. Und nebenbei vielleicht auch noch die Gunst des Mädchens für sich erlangen, aber diesen Gedanken äußerte er lieber nicht.   ~*~ Als die Lähmung Bankotsus Glieder verließ und der Nebel seine Sinne nicht länger dicht umwaberte, bemerkte er, dass sie sich nicht länger im Freien befanden, sondern in einer Höhle. Oder einem Erdloch. Oder was auch immer. Irgendetwas Klebriges hielt seine Arme straff gegen seinen Torso gepresst und egal, wie sehr er es versuchte, er schaffte es nicht einen Zentimeter diese Fesseln zu lockern. Und das war nicht gut. Gar nicht gut. Bankotsu war eigentlich nicht schwach. Bankotsu gab seinen Widerstand also vorerst auf und beschloss, sich erst einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Dass er sich nicht mehr über der Erde, oder zumindest irgendwo tief im Fels befinden musste, sagte ihm schon die Tatsache, dass die einzige Beleuchtung hier aus seltsamen Kristallen bestand, die matt schimmerten und gerade so viel Helligkeit abgaben, dass man nicht über seine eigenen Füße stolperte. Die Höhle war relativ weitläufig und Bankotsu hätte gar nicht hinsehen müssen, denn das leise Knistern, das Krabbeln, die Geräusche der mahlenden Kiefer allein reichte aus, um zu wissen, dass er sich mitten im Bau der Spinnendämonen befand. Er sah Schemen krabbeln – Halb Mensch, halb Spinne, wie Centauren, nur … widerwärtiger. Und wie viele verschiedene Arten es gab.Bankotsu, der niemals Probleme mit Insekten gehabt hatte, wurde leicht schlecht beim Gedanken daran, dass er hier wie die Fliege in der Falle saß. Wie hatte er nur so verdammt leichtsinnig sein können? Das war doch sonst nicht seine Art. Und wo zur Hölle steckte eigentlich Kimura? "Verdammt", fluchte er, "Verdammt, verdammt, verdammt!" "Fluchen macht es auch nicht besser", hörte er plötzlich eine übellaunige Stimme in seiner Nähe. "Wer...?" "Na, dreimal darfst du raten, ich geb dir einen Tipp, ich bin nicht der Kaiser von Japan." "K-Kimura?", stotterte Bankotsu leicht verwirrt. Natürlich, das war die einzige logische Erklärung, warum jedoch nur klang der Arzt so anders? Gar nicht mehr wie der gutmütige, warmherzige Mann, der sie um Hilfe gebeten hatte, sondern eher kühl und berechnend. Beinahe sogar gefährlich. Bankotsu bekam plötzlich ein ganz schlechtes Gefühl. "Wo hast du diese Kombinationsgabe nur her, Kleiner?“ "Jetzt halt mal die Luft an, und sag mir lieber, wie wir hier herauskommen, immerhin bist du derjenige, der hier in dieser Gegend aufgewachsen ist, nicht ich." „Na sieh mal einer an, wer da aufgewacht ist“, ertönte plötzlich eine Stimme. Eine unangenehme Stimme, eine Stimme, wie man sich vorstellte, Insekten klingen würden, könnten sie sprechen. Bankotsus Blick glitt abermals gehetzt über die Szenerie. Und dann traf er innerhalb weniger Sekunden eine Entscheidung. Er holte einmal tief Luft und sagte dann laut: „Wer ist euer Anführer und warum hält man uns hier gefangen!?“ „Was erdreistest du dich, du kleiner Mensch-“, zischte eine Stimme, unangenehm nahe Bankotsus Ohr, sodass er instinktiv mit dem Kopf wegrückte. „Jiro, es reicht!“, gebot eine Stimme dem Zischenden Schweigen und der Geräuschpegel erstarb. Bankotsu sah eine Gestalt auf sich zukommen. Sie hatte die Beine und den Leib einer Spinne, den Oberkörper eines Mannes, die Brust war gleich dem Panzer, den Vogelspinnen auf ihrem Rücken trugen, der Körper behaart, das Gesicht jedoch erstaunlich fein, beinahe schön zu nennen, wären die Kieferzangen nicht gewesen und das zweite paar Augen – das Haar war lang, reichte beinahe bis zum Boden und wirkte kristallen, beinahe wie Spinnweben mit Morgentau. „Nun, Mensch, was wünscht du von mir?“ Bankotsu starrte den Dämon einen Augenblick an, weil er nicht wusste, welches Augenpaar er fokussieren sollte, ehe er sich zusammen nahm und meinte: „Wir suchen ein Mädchen, das ihr gestern gestohlen habt. Ist sie noch am Leben?“ „Vielleicht ist sie es … vielleicht ist sie es nicht … das kommt ganz darauf an…“ Der Anführer der Spinnendämonen kam mit fließenden Bewegungen weiter auf ihn zu, begann langsam die Wand hochzulaufen, in deren unmittelbarer Nähe man Bankotsu und Hayato aufgehängt hatte und Bankotsu starrte einen Moment mit blanker Faszination auf dieses Wesen, das sich so überirdisch fortbewegte, geschmeidig den Rücken in seine Richtung beugte und ihn nun quasi auf dem Kopf stehend betrachtete. „Ihr wollt sie … zurück fordern, doch …“ Er lachte, „ihr seid selbst gefangen und…“ Die vorderen Spinnenbeine befühlten Bankotsus eingewickelten Körper und er erschauerte, als die haarigen Beine seine Wangen streiften „… an euch ist so herrlich viel Fleisch … unsere trächtigen Weibchen können die Eier in euch ablegen, da drin hätte unsere Brut es schön warm…“ Bankotsu hatte irgendwie das Gefühl, dass dieser Dämon ihm das alles nur erzählte, weil er sich an dem Grauen ergötzte, das er bei seinen Opfern damit hervorrief. Und zugegeben, die Vorstellung war widerwärtig, von Innen aufgefressen zu werden. Plötzlich zögerte der junge Mann und dachte fieberhaft nach. Ehe er jedoch zu einer brillanten Idee kam, war es Kimuras dunkle und bedrohliche Stimme, die sich einmischte. „Dieses Mädchen ist besessen von einem Parasiten. Dieser Parasit verbreitet eine Krankheit und wir suchen sie um das alles zu stoppen. Wenn ihr jedoch darauf besteht, sie zu fressen und von einer Krankheit dahingeschlachtet zu werden, dann soll es unsere Sorge nicht sein – es würde nur von großer Dummheit zeugen.“ „Nun dann… töten wir sie einfach.“ „Daran haben wir auch schon gedacht. Aber indem ihr sie einfach tötet, lasst ihr die Krankheit frei und der Parasit sucht sich sein nächstes Opfer. Es ist an euch.“ Bankotsu war sprachlos. Das war brillant, wieso war er nicht auf so eine Idee gekommen? Überhaupt, Kimura schien völlig ausgewechselt zu sein. Zuvor noch von höflicher Zurückhaltung und jetzt schien es ganz so, als riss er sie allein aus dieser prekären Situation heraus. “Also gut”, erklang schließlich wieder die gebieterische Stimme des Anführers, “Wir lassen den Arzt frei und er wird uns ein Gegenmittel zubereiten. Der andere bleibt hier.” Bankotsu schluckte und schielte zu Kimura herüber - der dachte doch hoffentlich nicht daran, nur seine eigene Haut zu retten, oder? “Nichts da. Ihr lasst uns beide frei. Und das Mädchen selbstverständlich”, ließ der Arzt zu Bankotsus Erleichterung vernehmen. “Dir ist doch hoffentlich klar, dass du dich auf einem sehr schmalen Grat bewegst, Mensch, oder?” “Und dir ist hoffentlich klar”, knurrte Kimura, welcher nun langsam die Geduld zu verlieren schien, “dass ich euch keinen Heilungstrank herstellen werde, ohne das Versprechen, uns Beide gehen zu lassen.” “So sei es denn”, fauchte der Anführer der Yōkai widerstrebend, holte aus und schnitt das Gewebe, an dem der Arzt von der Decke baumelte, mit einem Hieb durch. Noch während dem Fall befreite sich Hayato von den Resten des Kokons und kam daraufhin sicher auf beiden Beinen auf. Langsam richtete sich der Arzt auf und klaubte sich die restlichen Spinnweben notdürftig vom Körper. “Der Andere wird erst freigelassen, wenn du deinen Sold erfüllt hast.” Und so sah Bankotsu seine Chancen wieder sinken. Der Plan war weder durchdacht, noch ausgereift und wenn sie erstmal merkten, dass sie sie an der Nase herumführten - wie hoch war bitte die Er hoffte inständig, dass Kimura da ein bisschen mehr mitdachte, als Jakotsu es in dessen Situation getan hätte. Jakotsu. Eigentlich wunderte es ihn schon etwas, dass dieser sich seinem Befehl nicht einfach widersetzt hatte und ihnen nachgekommen war. Natürlich hätte er einfach abhauen können und sein eigenes Leben retten. Doch zwei entscheidende Faktoren hielten ihn letztendlich davon ab. Erstens war da noch zu viel von dem sanftmütigen Arzt in ihm und zweitens hatte er Gefallen an Bankotsu gefunden. Dieser Junge hatte etwas Einzigartiges an sich. Auch wenn es gerade nicht danach aussah, würde er es eines Tages weit bringen. Sich einen Namen machen. Das hatte er im Gefühl. Schließlich kam ein weiterer Kokon in Sicht, welcher, wie er nach näherer Betrachtung feststellte, dieses Menschenmädchen beherbergte, das seiner guten Seite und dem Jungen namens Sojiro so unendlich wichtig war. “Der Anführer sagt, du sollst alles erhalten, was du für die Medizin brauchst und du sollst es ja nicht wagen, zu versuchen uns übers Ohr zu hauen. Das haben wir gar nicht gerne”, zischelte eines der Biester um ihn und im Zwielicht der Höhle machte er ungefähr fünf von ihnen aus. Fünf. Das war viel. Nicht bedenklich viel. Es war zu schaffen. Ein Restrisiko blieb. Hayato grinste und wer ihn zu diesem Zeitpunkt gesehen hätte, wäre niemals auf die Idee gekommen, ihn mit dem schüchternen, unscheinbaren und höflichen Arzt in Verbindung zu bringen, der schon mit dem Anblick von Blut Probleme hatte. Langsam, wie als gehörte es zur Bewegung des Hinkniens dazu ließ er seinen Ellenbogen einknicken, fließend. Und das löste den Mechanismus aus, welche die aufs Äußerste geschärften, beinahe unterarmlangen Klingen an seinem Handgelenk zum Vorschein brachte. Ein wahnsinniges Grinsen flackerte über das Gesicht des Arztes. Das Blutbad konnte beginnen. Bankotsu hörte, wie ein Tumult losbrach und verrenkte den Hals, um irgendetwas sehen zu können - ein Unterfangen, welches sich als ziemlich fruchtlos erwies. Er konnte nur vernehmen, wie die Wesen um ihn in Bewegung gerieten, nahezu in hektisches Treiben verfielen und er spürte auch, wie die Wächter, die bei ihm zurück geblieben waren, unruhig wurden. Bankotsu witterte seine Chance und begann sich hin- und herzuwinden, allerdings musste er bald feststellen, dass man ihn viel zu eng in diese Spinnweben eingesponnen hatte, als dass er sich da aus eigener Kraft würde befreien können. Frustriert ließ er locker, wenn er wenigstens den Arm freibekommen würde, oder eine Hand. "Was soll das werden, Mensch?", zischte es schließlich und wäre Bankotsu nicht so fest verschnürt gewesen, wo wäre er sich vor Schreck zusammengezuckt. Es war einer der Dämonen, welcher wohl zurückgeblieben war - wieso hatte er das nicht bemerkt? Er spürte krabbelige und haarige Beine in seinem Nacken und, sich automatisch davon wegbiegend knurrte er: "Wenn du mir auch nur ein Härchen krümmst, dann werdet ihr nie an euer Gegenmittel kommen." Zu seiner Bestürzung ließ das Wesen jedoch nur ein charakteristisches Klickern hören, das wohl so etwas wie ein Lachen sein sollte. Kein angenehmes Geräusch. "Da dein Freund es vorzieht, die unsrigen hinzumetzeln … gilt das nicht mehr. Ich bin sehr gespannt darauf, wie deine Innereien schmecken…“ Bankotsu spürte, wie ihn acht lange Beine umfassten - oder sagte man da Arme? - und leicht anhoben und spürte, wie sich etwas durch den Kokon aus Spinnweben bohrte, seine Haut einritzte. Es hätte sie vermutlich durchbohrt, etwa in der Höhe seines Bauches, als ein plötzliches Aufblitzen gefolgt von einem Sirren, wie Stahl, der die Luft durchschnitt, zu vernehmen war. Bankotsu spürte einen scharfen kurzen Schmerz auf der Wange und im nächsten Moment fiel der Körper des Spinnendämons sauber zerteilt mit einem dumpfnassen Geräusch zu Boden. Im selben Moment beinahe löste sich auch der Kokon, der ihn noch immer gefangen hielt. Der Aufprall presste ihm einen Moment alle Luft aus den Lungen, dann war Stille. Und die wurde kurz darauf von einem „Upsi“ durchbrochen. Bankotsu schloss einen Moment die Augen und beschloss, dass er vorübergehend erstmal froh war, gerettet worden zu sein – eine Standpauke konnte er später noch halten und noch während er versuchte wieder zu Atem zu kommen spürte er, wie Hände hektisch begannen, ihn aus seinem klebrigen Gefängnis zu befreien und das erste, was er herausbrachte, nachdem er wieder zu Atem gekommen war, war: "Jakotsu!"   ~*~ Sojiro wusste nicht, über was er sich mehr erschrecken sollte - über die Tatsache, dass Jakotsu ihm kurz angebunden erklärt hatte, dass sie sich besser trennten, die widerwärtigen Kreaturen, die sich an diesem Ort befanden oder den irren Gesichtsausdruck des Arztes, welcher gerade inmitten der eigentlich übermächtigen Dämonen ein regelrechtes Blutbad anrichtete. Hayato Kimura tötete mit einer blutigen Leidenschaft, sein Gewand war bereits jetzt getränkt vom Blut der Dämonen und das Blut machte sein Gesicht zu einer gruseligen Fratze. Sojiro war einen Augenblick gelähmt von diesem verstörenden Bild, jedoch fiel ihm siedendheiß ein, warum er überhaupt hier war und, sein Schwert fester umklammernd rannte er schließlich los. Er schlug die Richtung ein, die von dem Scharmützel, das sich um Hayato gebildet hatte, weg führte und tatsächlich schien er Glück zu haben, denn bald kamen die Schemen von weiteren Kokons in Sicht und Sojiro hoffte inständig, dass Kimiko dort war und dass sie noch lebte. Der Junge wäre beinahe gestolpert in dem dämmrigen Licht der Höhle und blieb schließlich schlitternd vor dem Kokon stehen. Nur das Gesicht war zu sehen, der Rest des Körpers war eingewickelt, doch sie war es, zweifelsohne. "Kimiko!", keuchte er, nicht sicher, ob sie ihn überhaupt hören konnte, "Kimiko!!!" Doch das Mädchen gab keine Regung von sich, leblos und schlaff hing es in seinem Gefängnis und Sojiro hoffte, er wäre nicht zu spät gekommen. "Verdammt!" entfuhr es ihm und Tränen der Wut schossen ihm in die Augen – wie sollte er nur da hoch kommen - kletterte er an den Spinnfäden hinauf, würde er höchstens selbst klebenbleiben und versuchte er den Weg über die steile Felswand, so wäre die Wahrscheinlichkeit, zu stürzen und sich das Genick zu brechen zu hoch, denn Sojiro war nicht gerade der beste Kletterer. "Was glaubst du, was du da tust, Menschenkind?", fauchte jemand hinter ihm und blitzschnell fuhr der Junge herum und hielt das Schwert schützend und ein wenig unbeholfen vor sich. Eine sechs Fuß große Spinne, den Hinterleib erhoben um ihre Fäden auf ihn abzuschießen, stand nun vor ihm und ließ ihre Kiefer bedrohlich mahlen. Sojiro schluckte. Das war sie nun, seine Feuerprobe. Entweder er würde jetzt zum Mann werden oder sterben. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Mit aller Willenskraft brachte er seine Hände zur Ruhe. Und er selbst wurde ruhig, tief in sich drin. Er sah seinem Gegner ins Gesicht, sah sechs Paar Augen, die ihn taxierten und er wich nicht zurück. „Ich werde Kimiko-chan mitnehmen“, sagte er mit fester Stimme, „und du wirst mich davon nicht abhalten!“ Die Spinne erhob sich und Sojiro stürzte ihr in einem Anfall von Todesmut mit einem Aufschrei entgegen. Sein Gegner jedoch wich schnell aus – sehr schnell und Sojiros erster Hieb ging ins Leere. Er spürte ein schmerzhaftes Brennen in seinem Gesicht – die Spinne hatte ihre Brennhaare auf ihn abgeschossen - nichtsdestotrotz hob er unverzagt zum nächsten Hieb an, ignorierte den Schmerz. Als hätte jemand die Zeit verlangsamt, bemerkte er, wie der Dämon sich bereit machte um seiner auserkorenen unterlegenen Beute den Gnadenstoß zu verpassen. Instinktiv führte er eine halbe Drehung aus, gefolgt von einem Stoß und die Klinge seines schartigen Schwertes bohrte sich tief in den dicken Leib der Spinne und blieb dort unbarmherzig stecken. Der Yōkai bäumte sich auf und hätte Sojiro nicht geistesgegenwärtig den Schwertgriff losgelassen, hätte es ihn wohl von den Füßen gerissen - so beobachtete er benommen, wie sein Gegner im Todeskampf tobte, wütete, wie die Bewegungen langsamer wurden und schließlich ganz erschlafften. Ungläubig starrte er auf die tote Spinne herab. Stinkendes Blut sickerte aus der Stelle, an der noch das Schwert steckte. "S... Sojiro...?", fand da plötzlich eine schwache Stimme an sein Ohr. Der Junge drehte sich um und sein Gesicht erhellte sich. "Kimiko!" "S... p-pass...au...f" Doch die Warnung kam zu spät. Die Wucht eines Hiebes traf den Knaben in der Seite und ließ ihn gegen die nächste Felswand prallen, an der er bewusstlos herunterrutschte. Ein feines Blutrinnsal bahnte sich einen Weg über seinen Hinterkopf, den Hals hinunter und das Mädchen, welches eben wieder zu Bewusstsein gekommen war, hätte geschrien, wenn sie denn die Kraft dafür gehabt hätte. Als Bankotsu endlich diese ekelhaften klebrigen Fäden los war, fuhr er Jakotsu an: "Warum hast du meinen Befehl missachtet?" und fixierte den anderen, der in Windeseile dabei war, die Klingen seines sehr seltsamen Schwertes wieder zurückzuholen. „Bitte, habe ich gerne gemacht, ehrenwerter Anführer!“ "Was ist das überhaupt?" Jakotsus Stimme klang schrill, als er fauchte: "Ich habe echt eine Scheißangst vor Spinnen, ich wäre dir also dankbar, wenn wir das auf später verschieben könnten!!!"Bankotsu schluckte eine Antwort hinunter und packte Jakotsu schließlich hinter sich herziehend am Handgelenk. "Hast du meine Banryū gesehen? Ohne die gehe ich nämlich nirgendwo hin!", keuchte er dabei hektisch und verengte angestrengt die Augen um etwas zu sehen. "Ich – nein … ich hatte ein bisschen anderen Probleme, als dein blödes Monsterschwert!" maulte Jakotsu, doch ehe Bankotsu ihn für diese undankbare Betitelung seines größten Schatzes rügen konnte, schnitt ihm eine andere Stimme das Wort ab: "Rida-sama!" Kimura. "Es sind nur noch sechs Stück übrig, dann haben wir diese Bastarde völlig vernichtet!" Täuschte sich Bankotsu, oder schwang da tatsächlich Begeisterung und Mordlust in dessen Stimme mit? "Was ist mit dem Jungen und wer ist die Kleine?", fragte Jakotsu scharf mit einem Blick auf den Arzt, der den benommenen Sojiro stützte und das leblose Mädchen auf den Schultern trug welches er nun Jakotsu in die Arme drückte.Als hätte er Jakotsus Frage gar nicht gehört, wandte er sich erneut an Bankotsu, während sie sich im Laufschritt Richtung Ausgang machten. "Eure Banryū haben sie draußen liegen lassen, sie hatten scheinbar keine Verwertung mehr dafür", japste Sojiro, der ziemlich weiß im Gesicht war und sich an den Arm des Arztes klammerte. Schon war das wütende Kratzen der Beine zu hören, die Übriggebliebenen sannen auf blutige Rache für ihre niedergemetzelten Brüder und während Kimura einen Blick in deren Richtung warf, knurrte er: "Los, bringt die Kinder hier raus, mit denen werd ich auch allein fertig." Ehe Bankotsu dagegen protestieren konnte, dass man ihn derart herumkommandierte, hatte ihn Jakotsu auch schon erleichtert am Handgelenk gepackt und die Führung übernommen. Er hatte im Moment zweifelsfrei die besseren Karten, als der noch halbblinde Bankotsu und so musste sich dieser, wenn auch widerstrebend beugen. Es passte ihm nicht so ganz, Kimura die ganze Sache hier zu überlassen, das war eine Frage des Stolzes und der Ehre. Sie kamen kaum voran, da sie Rücksicht nehmen mussten auf die beiden Kinder, die mehr als angeschlagen waren und hinter ihnen waren schon die Geräusche des Schlachtens zu hören. Als sie schlussendlich nach draußen traten, blendete sie das Licht der Sonne unerwartet - selbst wenn hier nur Zwielicht herrschte so war es doch unangenehm hell im Vergleich zu der düsteren Höhle. Für Bankotsu war die Sicht zwar immer noch sehr verschwommen und wenn er die Augen anstrengte fingen sie an zu brennen, doch es reichte ihm allemal um seine geliebte Banryū zu erspähen, welche dort unachtsam liegen gelassen worden war, wo man sie überfallen hatte. Mit einem erleichterten Seufzen, dass sie unbeschadet geblieben war, griff er danach und gesellte sich dann zu dem Rest der Truppe, welcher sich, in einigem Abstand zu der unheilvollen Höhle im spärlichen Gras niedergelassen hatte. Erst jetzt wurde ihm das Ausmaß des Ganzen bewusst - Das Mädchen, bei dem es sich um die kleine Kimiko handeln musste, war leicht gräulich im Gesicht und wirkte seltsam ausgetrocknet, während es mit einer schlaffen Hand die Augen vor dem Sonnenlicht abschirmte. Daneben Sojiro, der sich mit schmerzerfüllter Miene, aber etwas weniger benommen als die Kleine und irgendwie zufrieden wirkend, den Hinterkopf hielt und schließlich Jakotsu, der seltsam ruhig und irgendwie in sich gekehrt wirkte, aber von ihnen allen noch am fittesten aussah. Er selbst hatte eigentlich nur steife Glieder und einen tiefen Kratzer auf der Wange, der ziemlich brannte, ansonsten ging es ihm gut. Apropos. Da war ja noch was. "Jakotsu...", begann er mit müder Stimme, jedoch schaffte er es trotzdem noch, ihr einen mahnenden Klang zu verleihen. Angesprochener schreckte auf und blickte seinen Anführer mit verklärtem Blick an. Da wurde er auch schon von Bankotsu am Handgelenk gepackt und ein paar Schritte weiter geschleift - immerhin mussten die Kinder nicht unbedingt mitbekommen, was sie zu reden hatten. "Was-" Eine schallende Ohrfeige ließ Jakotsu verstummen. Erschrocken blickte er Bankotsu an, führte sich dabei die Hand an die gerötete Wange. "Dafür, dass du dich meinem Befehl widersetzt hast", sagte Bankotsu unterkühlt. Jakotsu wagte es den Blick zu heben - und sah direkt in Bankotsus vor Wut leicht gerötetes Gesicht. Einen Moment wollte er schon zu einer Antwort ansetzen, doch dann bemerkte er den Schnitt in der Wange Bankotsus. Und Tränen traten ihm in die Augen. Denn das war zweifellos der Einschnittwinkel seiner eigenen Waffe - er musste Bankotsu mit dem Jakotsutō gestreift haben, als er diesen Spinnenyōkai vernichtet hatte. Bankotsu kam aus dem Konzept. Eigentlich hatte er eine Schimpftirade über diese Behandlung, diese himmelschreiende Ungerechtigkeit erwartet, jedoch waren die Tränen, die seinem Gefährten nun über das Gesicht rannen das Letzte was er erwartet hätte. "Es tut mir Leid", schluchzte dieser schließlich auf und kniete sich hin um sein Schwert in dessen Halterung zu verstauen. "Es tut mir so leid, ich wollte doch nur helfen.." "Jakotsu, hör mal...", setzte Bankotsu an, kam jedoch nicht dazu weiterzusprechen, denn in diesem Moment trat Hayato Kimura aus der Höhle. Über und über mit Blut beschmiert, als hätte er darin gebadet und sein Gesichtsausdruck glich dem einer Katze, die gerade gefressen hatte. An der Krallenhand befanden sich noch Haut- und Fleischfetzen, welcher er mit einer lieblosen Bewegung grob abschüttelte. Das schwarze Haar stand wirr vom Kopf ab und die Stimme klang war anders, dunkel, kalt und irgendwie irr. "Sie sind tot, Rida-sama", sagte er knapp und blickte die dort Sitzenden an, wobei er den Eindruck machte, das ganze Unterfangen habe ihm gar nichts abverlangt. Und irgendwie … imponierte ihm das. Dass der andere sich ihm unterordnete, indem er ihn so respektvoll Anführer nannte, war nur die Dreingabe, aber er hatte verdammtnochmal einen ganzen Clan Yōkai ausgelöscht und das ohne auch nur außer Atem zu kommen. Handeln, ohne zu zögern, präzise und effizient. So jemandem würde man als Söldner ein Heidengeld bezahlen.  "Kimura ... Was hältst du davon, dich uns anzuschließen?" „Was, das kommt gar nicht in die Tüte!“ Einen Moment schien Kimura zu überlegen, dann nickte er langsam, und zustimmend. Und dabei traf sein Blick den Jakotsus und ein plötzliches dunkles Begehren kochte in ihm hoch, ein Begehren, das Jakotsu einen heißkalten Schauer über den Rücken laufen ließ. „Ich bin die Menschen in diesem Dorf leid. Sie sind so dumm, sie sind so klein und schwach… ich werde mit euch kommen…“   ~*~ Sie waren zurückgekehrt, in Hayatos Haus, dort hatte er einem Diener aufgetragen, ihnen etwas zu Essen zuzubereiten, denn Stärkung konnten sie wohl alle brauchen. Sojiro war während der ganzen Zeit Kimiko nicht von der Seite gewichen, sie war völlig erschöpft, aber bis auf ein paar kleine Blessuren war sie heil davon gekommen. „Du warst wirklich mutig“, flüsterte sie, während sie die zierlichen Hände um eine Schale mit grünem Tee klammerte, die eines der anderen Mädchen, die in Hayatos Haus lebten, ihnen gerade gebracht hatten. Sojiro versuchte, bescheiden zu bleiben, und das Gesicht nicht wegen dem Schmerz an seinem Hinterkopf zu verziehen und grinste sie frech an. „Als Dank wirst du später mal mein Weib!“ Kimiko lachte und errötete leicht. Dann sah sie in ihren Tee. Sie waren ja beide in ein zwei Jahren im heiratsfähigen Alter. Und Sojiro hatte sie heute wirklich beeindruckt, ihr das Leben gerettet. Sojiro, der Junge, der immer etwas tollpatschig und großmäulig gewesen war. „Horch, Kimiko, ich bin gleich wieder da. Ich will mal eben nach Jakotsu-san sehen, ich wollte ihm noch Dank aussprechen … wäre er nicht gewesen, hätte ich dich vielleicht niemals retten können…“ Sie nickte und er stand auf. Sowohl Jakotsu als auch Hayato waren seit einer geraumen Weile verschwunden – allerdings hatte er die ganze Zeit nur Augen für Kimiko gehabt und daher nicht mitbekommen, wann die beiden jeweils gegangen waren. Sojiro sah in der Küche nach und öffnete das ein oder andere Zimmer im Haus, bis er schließlich leise Geräusche aus einem der Zimmer vernahm. Instinktiv hatte er das Gefühl, leise sein zu müssen und schlich den Geräuschen nach bis hin zu Hayatos Arbeitszimmer, welches leicht angelehnt war. Er späte hinein und was er sah, ließ ihn einen Moment vor Faszination erstarrten. Hayato stand leicht seitlich und er sah, wie Jakotsu sich geschickt an den Beinkleidern des Arztes zu schaffen machte. Er ging auf die Knie und holte mit den Händen das Glied des anderen hervor, welches steil und groß in die Höhe ragte. Ohne zu zögern und mit begehrlichem Blick auf die stramme Männlichkeit begann Jakotsu daran zu saugen und zu lutschen, während Hayato dem Knieenden herrisch und dirigierend in die Haare griff. Sojiro war absolut fasziniert und angetan von dem was er dort sah. Er sah etwas Verbotenes und gleichsam sehr Erregendes – plötzlich jedoch wandte Hayato, unbemerkt von Jakotsu den Kopf – und sah Sojiro, welcher zusammenschrak direkt an. Doch es war nicht Hayatos Gesicht. Es war ein Fremder. Derselbe, der in der Höhle die Dämonen niedergemetzelt hatte und Sojiro wankte zurück und suchte das Weite, denn er fürchtete, dass sonst Hayatos Zorn auf ihn niederkam – derselbe Zorn, der noch vor wenigen Stunden so in ihm gewütet hatte. Und plötzlich wusste er, dass da eine zweite Seele in diesem Mann schlummerte. Kapitel 6: Spannungen --------------------- „Was soll das heißen, du kommst nicht mit uns mit?“ Hayato fühlte sich äußerst unbehaglich. Er hatte versucht, dieses Gespräch ein wenig hinauszuzögern, aber Bankotsu schien keine Zeit verlieren zu wollen. Er hatte den gestrigen Tag selbst wie durch einen Schleier erlebt und ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken als er an seine blutigen Kleider dachte, die gerade im Kamin verbrannten. „Das soll heißen, dass ich von hier nicht fort kann.“ Auch wenn irgendetwas in seinem Inneren ihn dazu drängte, sodass es ihm beinahe körperliche Anstrengung bereitete, sich diesem Drang zu widersetzen. „Von hier? Was erwartet dich denn hier? Langeweile und Elend!“, setzte Bankotsu nach und bedachte Hayato mit einem durchdringenden Blick. „Nun lass ihn eben, wenn er nicht will“, kam es gelangweilt von Jakotsu, welcher an einem Schälchen Sake nippte. Hayato sah einen Moment automatisch in dessen Richtung, doch als sich ihre Blicke trafen, erinnerte er sich augenblicklich daran, was sie gestern getan hatten und Hayato wandte den Seiten hastig ab, während ihm Hitze ins Gesicht stieg. Glücklicherweise blieb das von Bankotsu unbemerkt. Er verschränkte nur die Arme vor der Brust, „Aber Jakotsu, du hast gesehen, was er kann!“ „Ja, das habe ich. Und das in vielerlei Hinsicht.“ Die Stimme hatte belustigt geklungen und mehr Hitze schoss Hayato ins Gesicht. Er erinnerte sich tatsächlich haargenau daran, was er gestern mit Jakotsu getan hatte und was viel schlimmer war, der Gedanke daran, trotz dass er wieder er selbst war und nicht mehr von diesem bösen Geist beherrscht wurde, erregte ihn. Schon allein deshalb würde er niemals mit den beiden mitkommen können: Das konnte er Bankotsu allerdings schlecht sagen. Außerdem fühlte er sich den Menschen hier verpflichtet.   ~*~ Bankotsu hatte in ihrem gemeinsamen Zimmer damit begonnen, frustriert und lustlos, das wenige Habe, das er hatte, zusammenzupacken und sah nicht auf als Jakotsu hereinkam. Letzterer blieb mit verschränkten Armen im Türrahmen stehen und beobachtete Bankotsu eine Weile. "Wenn du hier die Einrichtung halb demolierst, wirst du Kimura-san auch nicht umstimmen", sagte er sanft. "Ach!", schnauzte Bankotsu schlecht gelaunt zurück, "was wäre ich nur ohne deine schlauen Kommentare!" Jakotsu musste sich auf die Unterlippe beißen um keine bissige Antwort zu geben - gestritten hatten sie in der letzten Zeit genug, außerdem merkte er, dass Bankotsu schlechte Laune hatte und er wollte ihm ein wenig gut zu reden. "Hör mal, Bankotsu..." "Ja, ich höre?", giftete Angesprochener und warf dem Jakotsu einen sauren Blick zu. "Ich weiß, dass du das vielleicht nicht hören willst, aber ohne ihn sind wir wahrscheinlich eh erstmal besser dran, sieh mal ... Wer sagt uns denn, dass er in einem seiner Anfälle, oder was auch immer das ist, was ihn da geritten hat, sich nicht irgendwann gegen uns richtet. Du hast gesehen, wie blutrünstig er war, welche Zerstörungskraft ihn gepackt hätte. Wie gut kennst du ihn, was dich so sicher macht, dass er in seinem Blutrausch irgendwann nicht mehr von Freund von Feind unterscheiden kann? Hättest du ihn aufhalten können?" Bankotsu hielt inne und wurde einen Moment schweigsam. Es widerstrebte ihm, es sich eingestehen zu müssen, aber Jakotsu hatte irgendwie Recht, mit dem was er sagte. Sie kannten sich knapp drei Tage, was waren schon drei Tage? Sehnsüchtig dachte er jedoch daran, welche Bereicherung der, von Jakotsu als blutrünstig titulierte Arzt für sie wäre. Bestimmt eine größere als Jakotsu es je sein könnte, doch diesen Kommentar verkniff er sich lieber. So sagte er nur: "Wir brechen morgen früh auf."   ~*~ Man hatte ihnen als Dank zwei Pferde überlassen, was Jakotsu mit überschwänglicher Freude, Bankotsu mehr gleichgültig hingenommen hatte. Im Gegensatz zu Jakotsu war er lieber zu Fuß unterwegs als zu Pferd und so nutzte er das Pferd, welches ihm zugedacht worden war, praktisch als Gepäcktier. Es machte ihm nichts aus nebenher zu laufen, es war auch mal ganz entspannend, nicht das Gewicht von Banryū und seiner Habe auf dem Rücken zu tragen. Während Jakotsu es sich schon auf dem Rücken seines Tieres bequem machte, wandte sich Bankotsu noch einmal zögerlich an den jungen Arzt, er wollte sich für seinen Ausbruch entschuldigen und versuchte nebenher diesem nochmal auf eine andere Tour ins Gewissen zu reden. "Überlegt es Euch, Kimura", sagte er gedämpft, sodass nur der Angesprochene es hören konnte, „niemand kann sein wahres Wesen für immer verleugnen. Wir kommen sicher einmal wieder hierher, Ihr könnt jederzeit mit uns kommen. Noch mag es nicht ganz glaubwürdig erscheinen, aber eines Tages, werde ich ein sehr berühmter Söldner sein und jeder wird sich wünschen, meiner Truppe anzugehören. Dir stünde eine größere Karriere bevor, als hier in diesem einsamen Dorf." Hayato schwieg dazu und meinte nur: "Ich wünsche euch beiden eine gute Reise, Bankotsu-san." Bankotsu taxierte den anderen noch einmal mit einem kühlen Blick, dann wandte er sich um und ging zu seinem Pferd, welches er am Zügel fasste. "Können wir?" fragte er dann an Jakotsu gewandt, welcher wortlos nickte und seinem Reittier Hilfen gab, damit es sich in Bewegung setzte. So ließen sie das kleine Dorf mit ihren Bewohnern und dem seltsamen Arzt, den Bankotsu immer noch gerne in seiner Truppe in spe gehabt hätte hinter sich. Das Wetter war heute gut und ein, zwei Stunden kamen sie recht zügig voran. Jeder war mit seinen Gedanken beschäftigt und irgendwann sagte Bankotsu etwas, was Jakotsu sehr überraschte: "Es war die Sorge...", ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen. "Wie bitte, was?" entgegnete Jakotsu verwirrt, der dem etwaigen Gedankengang seines Gefährten nicht folgen konnte und sah zur Seite. "Naja ... Die Ohrfeige ... du warst immerhin vorher schon verletzt und, wenn dir da drin was passiert wäre... und es wäre meine Schuld gewesen, weil ich nicht über genug Durchsetzungskraft verfügt habe, um dich davon abzuhalten...", er sprach nicht weiter und Jakotsu biss sich auf die Unterlippe. Leichte Rührung machte sich in ihm breit. Das war es also gewesen? Eine Überreaktion, weil der Andere sich um ihn gesorgt hatte? Ihm wurde warm ums Herz und ein sanftes Kribbeln breitete sich in ihm aus. "Achwas", sagte er großzügig, die Verlegenheit Bankotsus durchaus bemerkend, "Als ob man mich mit so ‘ner läppischen Ohrfeige klein kriegen würde.“ Auf Bankotsus Gesicht zeigte sich ein schiefes Grinsen. "Glaub aber ja nicht, dass ich es nochmal so hinnehmen werde, wenn du dich mir so widersetzt. Ich erwarte absoluten Gehorsam, ansonsten halte ich eine Zusammenarbeit für ausgeschlossen." Und wieder war der Ältere perplex. "Zu... sammenarbeit? Soll ich für dich Anschaffen gehen, oder was?" Diese Begriffsstutzigkeit brachte Bankotsu nun direkt zum Lachen und seine blauen Augen blitzten schelmisch auf. "Nein, du Trottel! Wenn du erstmal lernst, richtig mit diesem Schwert umzugehen, dann naja … also, ich meine, was nicht ist, kann ja noch werden... also..." "Du... möchtest, dass ich bei dir bleibe", fragte Jakotsu mit leuchtenden Augen und Bankotsu, der erleichtert darüber war, diese Bitte nicht ausgesprochen haben zu müssen, nickte. "Ja." "Und irgendwann...", begann der Jüngere auszuschweifen, während er in den Himmel schaute und leicht die Augen vor der blendenden Sonne zusammenkniff. "Irgendwann werden wir uns einen Namen machen und im Geld schwimmen..." Jakotsus Gesichtsausdruck wurde leicht verträumt, "Ja, schön wäre es, und wie willst du das anstellen - nicht, dass die Vorstellung nicht reizvoll wäre..." "Na...", sagte Bankotsu in einem Tonfall der besagte 'Ist das nicht offensichtlich', "Wir machen uns als Söldner einen Namen. Wir bieten unsere Dienste an und irgendwann werden wir sogar dem Kaiser von Japan selbst bekannt und gefürchtet sein", geriet nun seinerseits Bankotsu ins Träumen. Stets war er von dem Wunsch beherrscht gewesen, sich irgendwie zu beweisen. Zu beweisen, dass er kein persönlichkeitsloser, schwacher Junge war, sondern ein ernstzunehmender Krieger. Und Jakotsu würde er auch noch das Kämpfen richtig beibringen, beschloss er großmütig. Immerhin musste man sich auf seine Männer verlassen können.   ~*~ "Nie und nimmer!", kam es energisch von dem androgynen jungen Mann, welcher, um der Diskussion zu entgehen, demonstrativ einige Schritte vor Bankotsu lief, das Pferd am Zügel führend, welches ihm treu hinterher trottete.  Verkehrte Welten, dachte der Hinterherhinkende ironisch und blieb hartnäckig.  "Jakotsu, du brauchst aber eine Rüstung, wenn du nicht willst, dass der erstbeste Angreifer dich mir nichts, dir nichts einfach so absticht!"  "Ich will aber nicht! Rüstungen sind unkleidsam."  Bankotsu stöhnte auf und verdrehte die Augen. "Du bist wirklich unvernünftig und dumm, weißt du das?"  "Ich lege nur Wert auf mein Äußeres, das ist alles", blieb der Ältere stur.  „Dein Äußeres wird dir nicht mehr viel nützen, wenn dir die Gedärme aus dem Leib quellen!“, erwiderte Bankotsu gehässig. "Ich könnte es dir einfach befehlen", setzte Bankotsu nach, während er Jakotsu mit schnellen Schritten einholte und ihm einen Schnipser gegen die Stirn gab.  "Du musst mir gehorsam sein."  Jakotsu runzelte die Stirn und sah seinen Anführer beleidigt an. "Fein, aber nur unter der Bedingung, dass ich neue Kleider bekomme."  "Vergiss es. Wir haben nur begrenzt Geld zur Verfügung, hast du das schon vergessen?Außerdem, seit wann hast du hier bitte Bedingungen zu stellen?"  "Und wovon willst du dann die Rüstung bezahlen?"  "Wer sagt denn, dass ich sie bezahlen will?"  "Soso, ein Dieb sind wir also auch noch."  "Was soll das jetzt heißen?"  "Dass du mir dann auch gleich noch einen neuen Yukata oder einen schönen Kimono klauen kannst, wenn du schon dabei bist." Dabei streckte Jakotsu ihm lachend die Zunge heraus und trippelte ein paar eilige Schritte nach vorne, um Bankotsus Kopfnuss zu entgehen.  Bankotsu hatte nach ihrem Aufbruch vor einer Woche noch ein paar Tage geschmollt, dass er Kimura nicht als Weggefährten hatte gewinnen können, aber irgendwann hatte Jakotsu festgestellt, dass man Bankotsu einfach keine Gelegenheit lassen durfte, schmollig zu sein. Ein meckernder Bankotsu war ihm immer noch lieber, als ein schmollender und in Gedanken versunkener.  Er kicherte leise bei der Vorstellung, Bankotsu mit vorgeschobener Unterlippe und wich den fragenden Blicken selbigem aus, die dieser ihm daraufhin zuwarf.  "Jakotsu, es gibt wirklich wichtigere Dinge, als neue Kleidung. "Na schön, ich mache dir einen Vorschlag. Wenn du dir eine taugliche Rüstung, wenigstens einen Brustharnisch zulegst, dann darfst du dir einen neuen Yukata aussuchen – aber nur wenn er den Preis nicht überschreitet, den ich vorgebe, verstanden?"  Jakotsu legte kurz nachdenklich den Kopf schief. So ein großes Übel war es doch gar nicht, eine schwere Rüstung anzuziehen, wenn man dafür neue Kleidung bekam.  "Hmmm, na schön", willigte er schließlich ein, während sich auf seinem Gesicht ein Strahlen ausbreitete und Bankotsu der dumpfe Verdacht beschlich, dass Jakotsu ein durchtriebenes Luder war.  In Zukunft musste er einfach standhafter sein, beschloss er. Aber, was war eigentlich dabei? Er bekam was er wollte und tat Jakotsu eben nebenbei mal einen Gefallen. Ein selbstgefälliges Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Der Tag neigte sich Spätnachmittag zu und die Herbstsonne verschwand schon fast wieder am Himmel, als in der Ferne im Nebel die ersten Silhouetten von Zivilisation auftauchten. Das musste die kleine Stadt sein, von der Kimura erzählt hatte.  "Hey, wir habens gleich geschafft", murmelte Bankotsu, wobei er seinem Gefährten sanft gegen den Schenkel schlug. Jakotsu hob den Kopf und ließ ein sehnsüchtiges "Naendlich", verlauten.  Die Stadt war zwar längst nicht so groß wie Edo, dennoch groß genug, dass sie eine Stadtwache aufgestellt hatten.  Die beiden Gefährten wurden gefragt, wer sie seien und welches Begehr sie hegten und überraschenderweise gab man sich damit zufrieden, als Bankotsu schlicht meinte, sie seien auf der Durchreise und bräuchten eine Bleibe für die Nacht. Noch nicht einmal über Bankotsus Banryū schien sich jemand zu wundern oder misstrauisch zu werden. Bankotsu war es egal, wenn diese Menschen meinten, zwei tranige Wachen könnten sie vor Überfällen beschützen, dann sollten sie das eben glauben.  Dann ließ er sich noch eine kurze Beschreibung zu einer nächstgelegenen Gaststätte geben und wenig später drückte er einer ziemlich verblüfften Wirtin etwas Geld in die Hand dafür, dass sie ihnen ein gutes Zimmer gab und bei der Gelegenheit gleich noch etwas warmen Sake bereitstellte.  Erschöpft ließ sich Jakotsu später auf einen frischen Futon fallen und schloss einen Moment die Augen. Bankotsu machte sich erstmal dran seine Rüstung abzulegen. Er stöhnte leise und massierte sich notdürftig mit einer Hand die Schulterpartie, auf der er Banryū immer stützte. Er war vollkommen verspannt. Das ließ sich bei einer Waffe, wie der seinen allerdings nicht vermeiden, von daher blieb ihm nichts anderes als Zähne zusammenbeißen. "Weißt du was jetzt toll wäre?" "Hm?"  "Musik, Alkohol und schöne Männer", kam es da verträumt, woraufhin Bankotsu das Gesicht verzog. "Ich dachte, du bist so sterbensmüde, dass du keinen Schritt mehr gehen kannst...?"  "Die paar Schritte runter in die Taverne schaffe ich schon noch", kicherte Jakotsu und rollte sich auf den Bauch um den Jüngeren intensiv anzuschauen. „Alles in Ordnung?“, meinte er dann, als er dessen leicht gequälte Miene und den verzweifelten Versuch der Selbstmassage bemerkte. „Jaja“, winkte Bankotsu grummelnd ab, "Muss das denn sein?"So wirklich nach Gesellschaft war Bankotsu gerade nicht zumute.  "Also, ich werd auf jeden Fall noch einmal hinunter gehen ... Du kannst ja hierbleiben, wir sind ja nicht miteinander verheiratet", flachste Jakotsu und stemmte sich mit einem leisen Ächzen in die Höhe um zum Spiegel und der davorstehenden Waschschüssel zu tappen. Dort machte er sich ein wenig zurecht.  Bankotsu biss sich auf die Unterlippe. Irgendwie passte es ihm in Anbetracht dessen Vergangenheit nicht so ganz, Jakotsu alleine in Gesellschaft von irgendwelchen Kerlen zu wissen. Nur zu deutlich erinnerte er sich an den ersten Abend, als er Jakotsu gesehen hatte und was er für eine Wirkung nicht nur auf ihn gehabt hatte. Nur leider fand er selbst keine passende Ausrede warum das so war. Dass er Jakotsu selbst ein wenig begehrte, das mochte er sich nämlich nicht eingestehen und ansonsten hatte dieser nämlich Recht; Sie waren weder verheiratet, noch liiert, noch Geliebte, oder sonst etwas, und die Begründung, dass er der Anführer war und es sich nicht für Jakotsu schickte, ohne ihn herum zu laufen, war wohl mehr als lahm. Immerhin war dieser noch ein Mann, auch wenn sowohl Charakter als auch Aussehen diese Worte Lügen straften.  Eigentlich gab es nur eine Möglichkeit.  "Weißt du was, ich hab es mir überlegt", sagte der junge Mann schließlich gezwungen gut gelaunt, "Ich denke, ich werde doch mitkommen, ein bisschen Spaß hat noch nie jemandem geschadet."  Die Taverne im Erdgeschoss war zwar verhältnismäßig klein, jedoch ganz gut besucht. An einem der Tische hatte sich schon eine größere Gesellschaft zusammengefunden und man konnte unschwer erkennen, dass der Sake an diesem Abend schon reichlich geflossen war. Nur zwei Frauen befanden sich in der Gesellschaft, die eine, etwas Ältere, schien schon nicht mehr ganz anwesend, was wohl auf die Wirkung des Sakes zurückzuführen war und die Jüngere war gerade mit ihrem, Geliebten? Verlobten? Gatten? Zugange.  Ein Mann um die dreißig erspähte die beiden Neuankömmlinge und ehe Bankotsu Jakotsu in eine bestimmte Richtung schubsten konnte, hatte dieser die Hand gehoben und durch den ganzen Raum gebrüllt: "Hier, mein Herr, setzt Euch doch zu uns und bringt Eure reizende Begleitung gleich mit!" Bankotsu bemerkte aus den Augenwinkeln, dass Jakotsu vor sich hingrinste - es war ihm schleierhaft, wie man Frauen so verachten, sich aber gleichzeitig darüber freuen konnte, wenn man mal wieder, und das schien bei Jakotsu sehr oft zu passieren, mit einer verwechselt wurde. Mit einem innerlichen Seufzen setzte sich der junge Anführer in Bewegung um Jakotsu zu folgen, welcher der Aufforderung, kaum war sie ausgesprochen, auch schon nachkam. Natürlich entgingen Bankotsu die anzüglichen Blicke nicht, als der Mann, der soeben gesprochen hatte und ein anderer auseinanderrückten, damit sie beide an dem Tisch Platz hatten. Leiser Groll keimte in ihm, während er sich schwor, keinen Tropfen Sake anzurühren, damit ihm auch ja nichts entging. So setzte er sich mit steinerner Miene und verschränkten Armen an den niedrigen Tisch und würdigte die Anwesenden kaum mit einem Nicken. Was Jakotsu allerdings nicht zu kümmern schien, denn dieser ließ sich sofort in einen kleinen Plausch mit dem Mann verwickeln, der eben gerufen hatte.  Wehe, dachte sich Bankotsu, wehe der andere käme auf die Idee mehr von ihnen beiden preiszugeben, als es nötig war, dann... Ja, was dann? Dann hatte er einen Vorwand Jakotsu zu rügen und ihn hier herauszuzerren. Der Jüngere seufzte und nahm das Sakeschälchen an, das ihm eine soeben herbeigeeilte Kellnerin angeboten hatte. Nein, dann stünde er nur mal wieder als Spielverderber da und eigentlich hatte sich Jakotsu mal ein wenig Vergnügen verdient nach den Strapazen der letzten Tage.  Jakotsu indes unterhielt sich ganz prächtig mit Miwazaki-san-aber-für-Euch-gerne-Kagerou, wie sich der eine vorgestellt hatte. Gut gebaut mit markanten Gesichtszügen, eloquent und mit einem verschlagenen Grinsen war es sofort um Jakotsu geschehen und schon bald würdigte er Bankotsu keines Blickes mehr.  "Es ist mir absolut schleierhaft", begann er freimütig, wobei er mit seiner wohl natürlichen Lautstärke den ein oder anderen neugierigen Blick auf sich zog, "Wie es so ein zartes Geschöpf, wie Euch in diese tote Gegend verschlägt."  Bankotsu schnaubte verächtlich.  Zartes Geschöpf. Jakotsu musste schon ganz schön blöd sein, um sich von sowas einwickeln...  "Ach, wisst Ihr", antwortete dieser auch prompt, wie um Bankotsus Gedankengängen in den Rücken zu fallen, "Ich bin eigentlich in der Stadt geboren und aufgewachsen, unglückliche Umstände zwangen mich, mich auf Reisen zu begeben..."  Unglückliche Umstände.  Als ob Bankotsu ihn gezwungen hätte, ihn zu begleiten...  "Eine Schande, Euch solchen Gefahren auszusetzen..." Bankotsu knurrte leise. Gefahren aussetzen? Sollte das ein Seitenhieb darauf sein, dass er kein guter Beschützer war?  Dieser Kagerou jedoch schien denselben Fehler zu begehen, wie die meisten anderen Menschen, denen Bankotsu bis jetzt begegnet war. Sie unterschätzten ihn aufgrund seines jungen Alters und seines relativ zierlichen Körperbaus.  "Ich denke", sagte er schließlich scharf, was sogar das laute Organ des Mannes zum Verstummen und ihn dazu brachte, Bankotsu überrascht anzusehen. Auch Jakotsus Aufmerksamkeit hatte er nun, wobei er dessen leise drohenden Blick gekonnt zu ignorieren versuchte, "Ich denke, mein Gefährte ist in meiner Gesellschaft mehr als gut aufgehoben und wenn Ihr immer auf solche ungeschickten Sprüche zurückgreifen müsst, wenn Ihr eine Frau findet, die Euch gefällt, dann wundert es mich wirklich nicht, dass Ihr noch alleine unterwegs seid." Dabei grinste Bankotsu gehässig, während das Mädchen in der Runde, welches noch nicht allzu betrunken war, ein angeheitertes Kichern losließ und der Rest vielsagend grinste. Bankotsu hatte den Nagel wohl auf den Kopf getroffen. Kagerous selbstgefälliges Grinsen verebbte schlagartig, er sah Bankotsu beinahe an, als sei dieser ein lästiges Insekt. Selbiger ließ sich dadurch jedoch nicht aus der Ruhe bringen und erwiderte den Blick herausfordernd.  "Hah!", kam es dann überlegen, wobei er tatsächlich die Dreistigkeit besaß, Jakotsus Hand zu ergreifen, "Du bist ja noch grün hinter den Ohren, tu nicht so, als wüsstest du um die Bedürfnisse einer Frau bescheid..."  "Miwazaki...", mischte sich schließlich einer von dessen Kameraden ein, welcher offenbar um das ungezügelte Temperament und das manchmal unverschämte Wesen, seines Freundes wusste, Bankotsus gehässiges Lächeln wich jedoch nicht, als er sagte: "Und Ihr seid so töricht, dass Ihr noch nicht einmal den Unterschied zwischen Mann und Frau zu deuten vermögt."  Einen Moment blickte Kagerou Miwazaki perplex drein, dann jedoch mit einem Seitenblick in den luftigen Yukata Jakotsus fing er sich wieder, dann lachte er dröhnend. "Na umso besser! Dann muss ich mir wenigstens keine Gedanken über unerwünschten Nachwuchs machen", dabei gab er Jakotsu einen beschwingten Kuss auf die Wange, welcher erheitert kicherte, alle anderen Anwesenden merkten jedoch teilweise nervös, dass ihr Kumpane zu weit gegangen war.  Und das war er in der Tat.  Im nächsten Moment zog Bankotsu den verblüfften Jakotsu mit einem Ruck enger an sich und griff zur selben Zeit nach einem Messer, welches er dem Mann an die Kehle drückte.  Seine Augen waren stechend dabei, sodass es dem Anderen einen Schauer über den Rücken jagte.  "Wage es nicht noch einmal, meinen Gefährten derart unsittlich anzufassen, wenn du nicht willst, dass ich dir deine verdammte Kehle aufschlitze!", knurrte er leise, aber deutlich genug, dass alle Anwesenden es hörten.  Das Mädchen welches vorhin gekichert hatte, schrie leise auf und schlug die Hände vor den Mund, was ihr von ihrem Begleiter ein gezischtes: "Halts Maul, Weib" einbrachte, dann herrschte wieder Stille. Alle Augen waren auf die drei gerichtet.  Miwazakis Adamsapfel zuckte nervös, als er schluckte - er war in seiner Bewegung erstarrt und rang tatsächlich um Fassung. Etwas, was seine Gefährten beunruhigte, denn dieser ließ sich sonst durch nichts so schnell aus der Ruhe bringen, aber dieser Junge hatte so etwas im Blick. Etwas Gefährliches.   Dämonenaugen, schoss es ihm durch den Kopf. Bankotsu blinzelte nicht einmal, als er auf eine Regung seitens des anderen wartete, doch dieser schien festgefroren.  Die Luft war gerade so dick, dass man sie in Scheiben schneiden konnte und schließlich war es Jakotsu, der sich als erster wieder regte. "Bankotsu", sagte er leise und musste sich richtig anstrengen, um selbigen dazu zu bekommen das Messer von der Kehle Miwazakis wegzubewegen, nur mühsam gelang es ihm, es seinem Anführer aus der Hand zu nehmen.  "Komm... Komm, lass uns gehen, raus an die frische Luft...", wisperte der zierliche Mann und packte Bankotsu am Oberarm, welcher sich nur widerwillig mitziehen ließ. Jakotsu liebte zwar Aufmerksamkeit, allerdings wusste er, wann eine Situation drohte, zu eskalieren und so, wie Bankotsu eben geschaut hatte, hätte er ihm durchaus zugetraut, dass er den Anderen, ohne mit der Wimper zu zucken getötet hätte.  Während Jakotsu Bankotsu aus dem Raum zog, stolperte dieser sogar ein paar Schritte rückwärts, um Miwazaki noch im Hinausgehen böse anfunkeln zu können, welcher gerade einen eher kleinlauten Eindruck machte, blass und sich sammelnd.  "Komm schon." Dann schloss sich die Tür hinter ihnen und als sie kurz darauf nach draußen traten, atmete Jakotsu leise aus.  "Kannst du mir mal sagen, was das sollte?", setzte er dann an, wobei er versuchte, Festigkeit in seine Stimme zu legen.  Bankotsu war es selbst, als erwache er aus einer Art Dämmerzustand und böse knurrte er: "Das war doch alles deine Schuld!"  "M-meine?", empörte sich Jakotsu und setzte schon an, etwas hinzuzufügen, doch Bankotsu ließ ihn nicht zu Wort kommen. "Wenn du dich benehmen könntest, dann wäre es niemals so weit gekommen! Hast du eigentlich einen Funken Ehre oder Schamgefühl im Leib!?" Bankotsu gab sich nicht die Mühe, leise zu sein, er war gerade sehr aufgebracht.  "Ich mich benehmen? Ich mich benehmen? Also, hör mal, ich bin nicht derjenige, der seine Körpergröße mit seinem Ego wieder aufwiegeln muss!"  "So viel größer als ich bist du auch nicht!!!", brüllte Bankotsu schließlich und er war kurz darauf, Jakotsu wieder eine zu verpassen, doch der dachte gerade nicht daran, kampflos aufzugeben. Anführer hin oder her, er hatte es nicht nötig, sich behandeln zu lassen, wie einen Gegenstand.  "Uh, was für ein unglaublich durchschlagendes Argument!", gab Jakotsu gehässig wieder zurück, nachdem er Bankotsus halbherzigem Fausthieb ausgewichen war, während er nun selbst in sich einen unbändigen Groll verspürte und Bankotsu machte es mit dem nächsten, was er sagte kaum besser: "Ich kann wenigstens mit einer Waffe umgehen und mich selbst verteidigen, aber du würdest doch keine fünf Minuten alleine überleben, das Einzige, was du kannst ist, deine Beine für irgendwelche Männer breit zu machen, die dir mit plumpen Anmachsprüchen..."  Weiter kam er nicht, da Jakotsu sich plötzlich mit einem wütenden Schrei auf Bankotsu gestürzt hatte. Für Letzteren kam das so überraschend, dass er es nicht schaffte, sein Gleichgewicht zu halten, ein paar Schritte taumelte und schließlich hintenüber kippte, während er die zierlichen Hände um seinen Hals spürte, in welchen eine ungeahnte Kraft steckte, die Bankotsu ernsthaft überraschte.  Es dauerte jedoch nicht lange, da fasste sich der junge Mann wieder und trat seinem 'Angreifer' mit dem Knie in die Seite, sodass dieser schmerzerfüllt aufkeuchte und den Griff um Bankotsus Hals löste, sodass dieser sich mit einer kurzen Drehung von ihm wegrollen konnte.  Doch scheinbar hatte Jakotsu den Schmerz nicht wirklich wahrgenommen, in seiner Rage, denn er brauchte nicht lange, da war er auch schon wieder auf den Beinen und setzte Bankotsu nach.  "Du hast doch keine Ahnung!!!", schrie er nahezu hysterisch, "Du verwöhnter, verzogener Bengel hast doch keine Ahnung, was für ein verdammtes Glück du hattest! Ich hätt dich mal sehen wollen, wenn du vor der Entscheidung stehst, deine Beine breit zu machen, zu verhungern oder im Winter auf der Straße zu sterben!!!“ "Glück, ich?", lachte Bankotsu trocken auf, "Du bist derjenige, der keine Ahnung hat, du musst dich nicht jeden Tag aufs Neue beweisen, du klimperst ein paar Mal mit den Wimpern und alles liegt dir sabbernd zu Füßen!", das Letzte spie er aus und deutliche Eifersucht war plötzlich aus seiner Stimme herauszuhören, "Du weißt nicht, was es heißt, alles zu verlieren, was man hatte, du weißt nicht-"  Ein lautes Klatschen, Bankotsus Kopf flog ruckartig zur Seite. Jakotsu keuchte und ihm standen die Tränen in den Augen, er zitterte vor Wut und vor vergangenem Schmerz.  Eine Weile starrten sie sich an, keuchend, kleine Wölkchen ausstoßend, aufgrund der Kälte der Nacht.  Jeden Moment schien es so, als ginge Bankotsu wieder auf seinen Begleiter los und Jakotsu verspürte mit einem Mal Angst, endgültig zu weit gegangen zu sein und er schrie erschrocken auf, als Bankotsu ihn grob packte.  Doch ein Schmerz blieb aus.  Nur das Gefühl von rauen Lippen auf den seinen war zu spüren und die Holzwand des Gebäudes, welche sich ihm in den Rücken drückte.  Nur ein Kuss, wie er unbeholfener, verzweifelter und verlangender gleichzeitig nicht hätte sein können. Jakotsu gab ein empörtes Geräusch von sich, hob die Hände um gegen Bankotsus Brust zu drücken, nur um irgendwie zu reagieren, doch dieser fing geschickt seine Hände ein und hielt sie in eisernem Griff seinem, während er Jakotsu mit seinem gesamten Körpergewicht gegen die Wand presste.  Er war gefangen, es fühlte sich an, als versuche der seinen aufmüpfigen Geist zu verschlingen. Mit einer ungeahnten Kraft riss Jakotsu sich von Bankotsu los, seitlich, stolperte beinahe und im nächsten Moment starrten sie sich wortlos und keuchend an. Jakotsus Frisur hatte sich gelöst und einzelne Strähnen flossen ihm wild um das blasse Gesicht, auf welchem Bankotsu im Mondlicht eine zarte Röte erkennen konnte, die Lippen tiefrot und leicht geschwollen.  Jakotsus Lippen, viel zu süß. Bankotsu spürte ein verräterisches Ziehen in der Lendengegend und es brauchte alle Willenskraft, sich zu sammeln und sich nicht erneut auf den anderen zu stürzen und ging er ein paar Schritte zurück, beinahe taumelnd, während Jakotsu sich nicht rührte und ihn einfach nur anstarrte.  Diese Augen. Verführerisch. Mit einem Schlag war ihm klar, warum so viele Männer Jakotsu erlagen, obwohl er keine Frau war. Es brauchte keine Frau, um Begehren auszulösen. Bankotsu musste sich ganz dringend der Nähe Jakotsus entziehen, zu viele Gedanken stürmten gerade auf ihn ein.  Mit einem Mal konnte er Jakotsus fragenden Blick nicht mehr ertragen, hatte Angst, dass dieser ihn nach dem 'Warum', fragen würde.  Er hatte Angst, weil er keine Antwort wusste.  Jakotsus Herz klopfte, als er Bankotsu nachstarrte und es klopfte immer noch, als er es endlich schaffte, sich aus dieser Starre zu lösen, und auf ihr gemeinsames Zimmer zu gehen. Von Bankotsu war noch keine Spur und Jakotsu war es ganz recht, denn das verschonte sie beide vor unangenehmem Schweigen.  Er musste erstmal seine Gedanken ordnen. Obgleich kaum zum Manne gereift, hatte ihm Bankotsu damals schon gefallen, als sie sich das erste Mal gesehen hatten in Oneesamas Haus. Und er hatte es genossen, ihm einen runterzuholen und dabei festzustellen, dass es wohl das erste Mal war, dass ein Mann so etwas für ihn tat. Aber das war nur Spielerei gewesen. Geschäkere, nicht im Ansatz zu vergleichen mit dem hier. Jakotsu hatte sich tiefere Gefühle, die über kleine Verliebtheiten hinausgingen immer verboten. Bankotsu war nur ein Junge, sagte er sich, ein Junge, dem der Saft überkochte, solche Jungen hatte er schon oft als Kunden gehabt. Und das war es vermutlich, sie waren so lange unterwegs und hatten selten Gelegenheit, für sich zu sein und es hätte ihn nicht gewundert, wenn Bankotsu schon lange selbst nicht Hand angelegt hätte. Genau, das war vermutlich der Grund. Da waren keine Gefühle. Jakotsu seufzte, während er sich das Schlafgewand anlegte und schließlich zum Spiegel ging um seine Frisur zu lösen.  Als er später zu Bett ging, war Bankotsu immer noch nicht aufgetaucht und als er die Augen schloss fand er noch lange keinen Schlaf.  Erst später, als Jakotsu doch noch vom Schlaf geholt worden war und friedlich auf seinem Futon schlummerte, öffnete sich die Schiebetüre leise und Bankotsu schlich herein, schuldbewusst leise, darauf bedacht, ja keine Geräusche zu machen. Er hatte einen langen Spaziergang hinter sich, hatte noch ein wenig in einer anderen Taverne verbracht, doch wirklich Erlösung hatte er im Sake nicht finden können. Das einzige, was passiert war, war, dass ihm nun schwindelig und schlecht war.  Er legte sich nieder und stieß ein zischendes Geräusch aus als er den Schmerz in seiner verspannten Schulter wieder spürte. Aber Schlaf fand er lange nicht. Dieser Streit war so … überflüssig gewesen. Er hatte ihn ermüdet. Er hätte sich besser beherrschen müssen. Das leise Rascheln von Stoff war zu vernehmen. Schritte, die sich zu ihm herüber bewegten. Schwacher Duft von Ylang stieg ihm in die Nase als Jakotsu sich schweigend bei ihm niederließ. „Lass mich mal deine Schulter ansehen“, erklang die leise Stimme. Bankotsu erwiderte nichts und setzte sich wieder auf. Stöhnte leise als geschickte Finger sich kurz darauf anschickten, ihm die Verspannung heraus zu massieren. Worte fielen keine. Es war ein stilles Friedensangebot. Jakotsu hauchte ihm einen Kuss in den Nacken, ehe er von ihm abließ und sich zu seinem eigenen Futon begab.   ~*~ Am nächsten Morgen war es so, als wäre nie etwas gewesen und Jakotsu war vorerst so umsichtig, die Situation für Bankotsu nicht noch komplizierter zu machen, als sie es ohnehin schon war.Also hielt er die Klappe. Heute hatten sie ohnehin andere Pläne. Jakotsu benötigte laut Bankotsu immer noch eine Rüstung und von dem Wirtsherrn hatten sie sich die Adresse eines Händlers geben lassen, welcher für Qualität und gerechte Preise bekannt war.  Den Weg dorthin legten sie schweigend zurück. Es war nicht direkt ein unangenehmes Schweigen, vielmehr war es Unsicherheit und wenn die beiden ein Wort wechselten, so sprachen sie betont höflich und zurückhaltend miteinander.  Nach einer Viertelstunde Fußmarsch kam auch schon jene Stätte in Sicht, die ihnen der Wirt genannt hatte und Bankotsu überschritt mit einem "Na, dann wollen wir mal", die Schwelle, während man hin und wieder das Schlagen eines Hammers oder Derartiges hören konnte.  Zögernd tapste Jakotsu hinter ihm her, er war immer noch skeptisch, aber da führte jetzt nun kein Weg dran vorbei.  Der Besitzer der Schmiede, ein Mann von eher kleinerer Statur, welcher ständig zu schwitzen schien und einen relativ nervösen, aber dennoch höflichen Eindruck machte, hatte die beiden erspäht und eilte nun flink zu ihnen hin, wo er sich dann vor Bankotsu verbeugte, "Willkommen, mein Herr, wie kann ich Euch zu Diensten sein?"  "Wir suchen einen Brustharnisch oder etwas in der Richtung", damit deutete er eine flüchtige Geste zu Jakotsu an, welcher gedankenverloren an den Tischen mit fertigen und halbfertigen Rüstungsteilen vorbeischlenderte.  Der Inhaber folgte seinem Blick und nickte geflissentlich, dann wandte er sich wieder an Bankotsu und wollte etwas erwidern, als von Jakotsu plötzlich ein überraschend begeistertes: "Oh sieh nur, Rida-san, das ist aber hübsch", kam.  Bankotsu rollte kurz mit den Augen und lief dann zurück zu seinem Gefährten, welcher vor einer Anrichte stehengeblieben war, wobei ihm der Schmied zögernd folgte.  Skeptisch betrachtete er Jakotsus Fund; Eine Brustrüstung aus ledrigem Material, welches von einer seltsamen blauvioletten Färbung war und ganz zarte Schuppenmuster aufwies. Dann ergriff er es prompt und strich ein paar Mal nicht mehr umsichtig darüber und ließ es wieder auf die Anrichte plumpsen.  "Jakotsu, nichts für ungut, aber das Aussuchen einer Rüstung solltest du vielleicht besser mir überlassen, dieses labbrige Material taugt vielleicht zum Tische wischen bestenfalls..."  "Oh, nicht so eilig, mein Herr!", schaltete sich Fuma, der Schmied ein, während er mit leicht missbilligendem Blick die Rüstung wieder sorgsam drapierte.  Die Gefährten sahen den Mann beide mit je einer hochgezogenen Augenbraue an, woraufhin dieser erklärend fortfuhr:  "Diese Rüstung ist aus der Haut eines Wasserdrachen gemacht, das heißt, sie ist unheimlich widerstandsfähig, während sie zudem äußerst kleidsam ist und bequem unter Eurer normalen Kleidung zu tragen, das wäre sicher das Richtige für Eure Gefährtin."  Ging das schon wieder los. Vielleicht sollte er Jakotsu einfach zwingen, in Männerkleidung herumzulaufen. Dann jedoch horchte er auf. "Wasserdrache? Ich dachte, man hat seit 50 Jahren keinen mehr gesichtet."  "Das ist richtig", antwortete der Mann geflissentlich, "Vor 50 Jahren hat man einen erlegt, allerdings sind mir Gerüchte zu Ohren gekommen, dass am Shiki-See ganz oben in den Bergen ein paar Jungtiere gesehen worden seien sollen..."  Bankotsu grübelte ein wenig. Sein Wissen über Wasserdrachen war relativ begrenzt, das Einzige, das er wusste war, sie waren selten und ihre schuppige Haut war sehr begehrt, da sogar scharfer Stahl und Eisen sie nicht durchdringen konnten. Dann jedoch war da noch eine andere Sache, welche er gleich zur Sprache brachte:  "Wie viel soll diese Rüstung kosten, Herr?"  Der Mann musterte die beiden kurz, wie als wolle er schätzen, wieviel Geld sie bei sich trugen, dann antwortete er, "Ich mache Euch einen Vorschlag. Wenn Ihr mir einen Wasserdrachen erlegt und die Haut herbringt, dann überlasse ich Euch diese Rüstung und gebe Euch noch 20 Goldstücke dazu."  Für den Schmied kein schlechtes Geschäft, aus der Haut eines Wasserdrachen und selbst, wenn es noch ein Jungtier war, konnte er mindestens zehn Rüstungen fertigen. Und selbst mit den 20 Goldstücken machte er keinen Verlust.  "Bankotsu, ich muss nicht unbedingt diese hier nehmen...", kam es nach einer Weile zögerlich von Jakotsu, welchen die Stille etwas verunsichert hatte.  "Nein", entschied Bankotsu schließlich, "jetzt wo wir schonmal etwas gefunden haben, das dir gefällt, nehmen wir es auch, hm?"  Der junge Mann sah Bankotsu blinzelnd an. "Aber, wo willst du denn einen Wasserdrachen finden?", fügte er immer noch nicht so ganz überzeugt und auch etwas unbehaglich hinzu.  "Na, wir machen einfach einen kleinen Ausflug in die Berge", erwiderte Bankotsu grinsend, den mit einem Mal die Abenteuerlust gepackt hatte.  "Der Handel gilt."    ~*~ Am nächsten Morgen brachen sie in aller Frühe auf. Bankotsu hatte erst in Erwägung gezogen, dass Jakotsu im Gasthaus bleiben solle, doch da waren ihm prompt ein paar Gegenargumente eingefallen: Erstens, Der Kerl, der seinem Gefährten vorletzten Abend 'den Hof' gemacht hatte befand sich noch immer in eben demselben Rasthaus, zweitens wäre es ganz sinnvoll, wenn Jakotsu mehr für seine Kondition tat und bei der Gelegenheit gleich ein wenig das Kämpfen trainierte und drittens hätte dieser ohnehin solange lamentiert, bis Bankotsu sich geschlagen gab. Außerdem hatte er seine Banryū und auf diese war Verlass. Auch, wenn ihm wohler gewesen wäre, wenn Jakotsu mit seiner eigenen Waffe etwas besser umgehen konnte, aber wie man so schön sagte 'Lerne, indem du es tust', dieser Leitsatz hatte Bankotsu in seinem jungen Leben schon des Öfteren den Allerwertesten gerettet.  Den Rest des gestrigen Nachmittages hatten sie beide damit zugebracht, Informationen heranzuziehen, die einigermaßen taugten. Viele waren es nicht gewesen, aber die wenigen, die sie erhalten hatten, hatten alle in dieselbe Richtung gewiesen, nämlich zum Shiki-See, welcher zwei ganze Tagesreisen in den Bergen lag.  Jakotsu war gerade dabei, ein wenig Proviant in den Satteltaschen zu verstauen, während langsam Wolken aufzogen. "Jakotsu, wenn es anfängt, zu regnen und die Bergpfade matschig werden, wirst du das Vieh führen müssen..."  Jakotsu rollte mit den Augen.  "Nein, wirklich... Ich habe ein Jahr bei einem Pferdehändler gelebt, ich weiß, wie man mit den Tieren umgeht und nenne die einzige Frau, die ich in meinem Leben akzeptiere gefälligst nicht Vieh."  Dabei knautschte er der Stute die Nüstern und sagte in kindlicher Stimme, "Du bist kein Vieh, nicht wahr, Arashi-chan?"  Der junge Anführer schlug sich nur die Hand vors Gesicht und stöhnte genervt. Dann maulte er: "Können wir jetzt endlich los?"  "Hai." Jakotsu zog sich flink den Sattel hoch und machte es sich auf dem Rücken der Stute bequem, dann gab er hauchfeine Hilfen und das Tier setzte sich in Bewegung.  "Weißt du", meinte Bankotsu irgendwann zögernd, wobei er die Armen hinterm Kopf verschränkte, "ich könnte dir einfach befehlen zu Fuß zu gehen, es wäre sicher nicht verkehrt, wenn wir an deiner Kondition arbeiten würden..."  Dabei sah er zu seinem Gefährten hoch. Eigentlich war der Anblick nicht schlecht, ging es ihm durch den Kopf, wie sich der Körper des Älteren an die Bewegungen des Pferdes anpasste, dieses leichteSchwingen der Hüfte hatte schon etwas Sinnliches.  Plötzlich dachte sich der junge Anführer, dass es eigentlich kein Wunder war, dass man Jakotsu immer wieder mit einer Frau verwechselte und selbst, wenn man wusste, was er wirklich war, einer gewissen Anziehung erlag. Wo es Jakotsu an Kampfgewandtheit fehlte, hatte er es zweifellos an Charme.  "Hey, pass auf!" Die warnende Stimme seines Gefährten kam leider zu spät und Bankotsu stolperte unelegant über eine aus dem Boden ragende Wurzel, wodurch er leicht strauchelte und schließlich durch das Gewicht von Banryū, die er ja noch geschultert trug auf den Hintern fiel.  "Hast du nicht aufgepasst, oder setzt du dich immer so hin?", prustete Jakotsu, während sich Bankotsu wütend und beschämt aufrappelte und sich den Staub von der Kleidung klopfte,  "Ja, freilich, wie auch anders? Frechdachs!" Bankotsu machte ein paar schnelle Schritte auf Jakotsu zu und war drauf und dran, diesen vom Pferd herunterzuziehen, Jakotsu jedoch gab Arashi die Sporen, woraufhin die Stute in einen flotten Trab fiel.  "Hey, warte gefälligst!", keifte er junge Anführer, Jakotsu drehte jedoch nur den Kopf und warf ihm einen umwerfenden Blick über die Schulter zu, ehe er in der nächsten Kurve seinem Sichtfeld entschwand.  Bankotsu war drauf und dran, Jakotsu hinter her zu rennen, dann besann er sich darauf, dass er ja eigentlich der Anführer war und als solcher musste er niemandem hinterherlaufen. Und da der Weg sich erst in ungefähr zwei Stunden gabeln würde, brauchte er auch nicht zu befürchten, dass Jakotsu ihm irgendwann verloren ging.  Irgendwann setzte schließlich und endlich doch noch der von Bankotsu angekündigte Regen ein und schon nach kurzer Zeit merkte der junge Mann, dass seine Stute ins Rutschen geriet. Diese unbefestigten Wege verwandelten sich aber auch in kürzester Zeit in ein reinstes Schlammparadies, jedes Kleinkind hätte hier seine helle Freude gehabt.  Jakotsu seufzte und zog kurz die Zügel an, woraufhin die Stute zum Stehen kam und er schweren Herzens vom Pferderücken glitt. Ein angewiderter Ausdruck huschte über sein Gesicht, als eine seiner Zori leicht im weichen Schlamm einsank.  "Genau deshalb trage ich solche Schuhe nicht", ertönte da eine altbekannte Stimme. Jakotsu sah sich um und erkannte Bankotsu, der ihn gemütlich schlendernd einholte, der Regen schien diesen nicht zu stören, nur ein paar feuchte Ponysträhnen hingen ihm ins Gesicht.  Jakotsu schnitt eine Grimasse, während sie nun beide nebeneinander hergingen.  "An sowas wirst du dich gewöhnen müssen", erwähnte Bankotsu beiläufig, woraufhin Jakotsu schnippisch erwiderte: "Habe ich mich beklagt?"  "Nein, aber ich kenne dich inzwischen ziemlich gut ... Hör mal, wenn wir heute wegen dem Scheißwetter nicht mehr so weit kommen ... Ich hab mir sagen lassen, dass an einer Gabelung ein wenig abseits irgend so ein alter Kauz seine Hütte hat, vielleicht lässt der uns bei sich nächtigen..."  "Klingt gut", erwiderte Jakotsu finster und wischte sich eine Strähne aus der Stirn, die sich aus seiner Frisur gelöst hatte. Kapitel 7: Drachenblut ---------------------- Noch am selben Abend hatten sie die Hütte des alten Mannes erreicht und saßen nun in muffige Decken gehüllt vor einem knisternden Feuer. Der Alte war nicht sonderlich begeistert gewesen zwei fremde junge Männer bei sich aufzunehmen, allerdings hatte Bankotsu ein überzeugendes Argument gehabt und da Gosaburo Akagawa nicht scharf darauf gewesen war, von Banryū aufgespießt zu werden, hatte er nachgegeben. Die Hütte war nicht sonderlich groß, es gab eine Feuerstelle in der einen Ecke des Raumes, vor welcher ein paar alte Tierfelle ausgebreitet worden waren, etwas, das dem alten Mann wohl als Tisch diente und schließlich ein zerschlissener Futon, welcher auf der anderen Seite des Raumes lag. Einzig eine vergilbte Trennwand teilte die kleine Hütte, aber Bankotsu für seinen Teil war das ziemlich egal, er hätte auch gerne mit fünfzig anderen Männern im selben Raum genächtigt, solange er nur nicht bei so einem Sauwetter im Freien schlafen musste.  Mit einem Brummen drückte er den beiden je eine Schüssel in die Hand und auf Jakotsus fragenden Blick hin meckerte er: "Was denn? Glaubst du, ich hab den Luxus mehr als ein paar Stäbchen zu besitzen?"  Jakotsu schluckte seinen Kommentar herunter, seufzte resigniert und betrachtete dabei das bisschen Kraut, welches kümmerlich in der bräunlichen Brühe schwamm. Bankotsu schien genauso begeistert über das Gebräu zu sein wie über Furunkel am Hintern, war jedoch so kühn um die Schale an die Lippen zu setzen und ein paar Schlucke zu probieren.  Schaudernd setzte er wieder ab. "Brr", murmelte er und wisperte dann Jakotsu zu: "Probier das lieber nicht, das schmeckt nach Arsch."  Dem entkam ein ersticktes Kichern. "Wie schmeckt denn Arsch?"  Ehe Bankotsu jedoch seine Ausführungen zu guter Küche fortsetzen konnte, spürte er einen schmerzhaften Schlag auf den Hinterkopf.  "Sowas Freches, kommt hier zu der unmöglichsten Zeit reingeschneit, bedroht mich mit einer Waffe und ist jetzt auch noch so dreist, über mein Essen zu meckern!", zeterte der Alte mit seiner zittrigen Stimme.  Jakotsu lachte plötzlich los, was ihm von Bankotsu einen feindseligen Blick einbrachte, und trank dann in wenigen Schlucken seine eigene Schüssel leer. "Also, ich finde Euer Essen vorzüglich, Akagawa-san."  "Das hast du jetzt nur gesagt, um mich zu ärgern!", zischte Bankotsu beleidigt, was ihm ein abermaliges "Ruhe! Wenigstens weiß einer von euch Jungspunden, was sich gehört!" einbrachte.  Jakotsu indes lächelte selig und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass tief in ihm drin gerade etwas abgestorben war. Und er konnte nicht sagen, ob es sein Respekt vor alten Männern oder seine Geschmacksnerven oder der Verdauungstrakt war (wahrscheinlich alles zusammen). Er hegte so die leise Vermutung, dass Akagawa keine Geschmacksnerven mehr besaß, wenn er diesen Fraß täglich in sich reinschaufelte, was vermutlich notwendig war, wenn man so fernab jeglicher Zivilisation lebte. Während Bankotsu immer noch vor sich hinschmollte, richtete Akagawa plötzlich das Wort unerwartet an Jakotsu: "Wo habt Ihr eigentlich dieses Schwert her?"  Jakotsu blinzelte verwirrt, da man es eigentlich gewohnt war, dass Bankotsu auf seine viel auffälligere Waffe angesprochen wurde. Jakotsu wich dem Blick aus und sah zu seinem Jakotsutō, welches unscheinbar in seiner ledernen Hülle neben Banryū lag. "Wieso fragt Ihr mich das?" Dabei spürte er den Blick des Alten auf sich ruhen. "Hn, ich kannte mal einen Kerl, der dieselbe Waffe mit sich herumtrug. War ein ziemlich berüchtigter Dämonenjäger. Sein Name war Iwasaki Seizo. War ein sehr stolzer Mann und ein starker Kämpfer und hat eine ähnliche Waffe geführt.”  “Ich bin sicher, es war ein anderes Schwert, Herr”, sagte Jakotsu leise und starrte auf seine Knie.  “Darf ich es mir einmal ansehen?” Plötzlich wirkte der Mann gar nicht mehr senil, sondern sehr überlegt und während er auf Jakotsus gemurmeltes “Wenn Ihr das wünscht, Herr”, hin die Waffe ergriff und sie aus ihrer Hülle zog, warf Bankotsu seinem Gefährten einen neugierigen Seitenblick zu. Jakotsu wirkte mit einem Mal niedergeschlagen, in sich zusammengesunken,das Gesicht hatte einen traurigen Zug angenommen.  “Was ist, kanntest du den Kerl?”, wisperte Bankotsu neugierig, während er mit dem Blick dem Alten folgte, der gerade den Griff und die Verankerung der Klingen begutachtete.  “Nein. Und hör auf mich danach zu fragen.” Bankotsu zuckte verwirrt mit den Schultern. Es war offensichtlich, dass Jakotsu log, aber wenn er nicht darüber sprechen wollte, dann sollte er sich auch nicht gezwungen fühlen. Es ging Bankotsu ja auch nichts an.  Trotzdem ertappte er sich dabei, wie er begann darüber nachzugrübeln, wer dieser Mann in Jakotsus Leben wohl gewesen war, dass es ihn offenbar so trübselig stimmte, an ihn zu denken.  “Doch, ich bin mir sicher, dieses Schwert war das seinige”, ließ sie schließlich beide die Stimme des alten Mannes aufblicken.  “Wie seid Ihr dazu gekommen?”  “Ich bin müde, Herr”, sagte Jakotsu mit verkniffenem Gesichtsausdruck. “Ich möchte jetzt schlafen.”  Das reichte Akagawa schon. Er schenkte dem jungen Mann nur einen wissenden Blick und wies den beiden dann einen Schlafplatz zu. Das war vielleicht nicht der richtige Moment, um über Vergangenes zu sprechen.    ~*~ Als sie sich am nächsten Morgen auf den Weg machten, war Jakotsu sehr schweigsam, die Stimmung war drückend und Bankotsu mehr als genervt. Irgendwann hielt er es nicht mehr aus und raunzte:  “Wir werden gegen einen Drachen kämpfen, das mag zwar eine gute Übung für dich sein, aber steh mir bitte nicht im Weg, ja?”  Jakotsu, welcher das Pferd inzwischen am Zügel führte, da die Wege zu unbefestigt waren zum Reiten, hob den Blick und sah Bankotsu kühl an.  “Das ist mir wohl bewusst, keine Sorge, ich werde versuchen, dir diesmal nicht das Leben zu retten.”  Oh, da war aber jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden. “Tu einfach nur das, was ich dir sage, in Ordnung?”  Bankotsu wertete das Schweigen einfach als Ja.   Nach zwei weiteren Wegstunden sah man sogar bereits Schnee auf dem Boden liegen. Natürlich, hier in den Bergen hatte es schon lange geschneit.  Bankotsu schielte leicht zu seinem Gefährten, welcher nach, wie vor nur seine Zori trug - er selbst trug nur das Leder als Sohlenersatz unter seinen Füßen. Auch wenn er weit abgehärteter war, als Jakotsu, der die letzten Jahre in einem warmen gemütlichen Haus verbracht hatte, dachte er darüber nach, dass sie nicht nur wärmere Kleidung brauchen würden, wenn es bald Winter wurde, sondern auch eine Bleibe bis die härtesten Wintertage überstanden waren. Kurz dachte er daran, einfach in Richtung der südlichen Ryukyu Inseln zu ziehen, wo es sogar im Winter nur mildes Klima gab, doch ihm war nicht wirklich wohl dabei, ein schaukelndes Schiff zu besteigen. Außerdem war der Weg viel zu weit,sie hätten früher dorthin aufbrechen müssen… da kam Bankotsu jedoch ein anderer Gedanke… Bankotsu wollte gerade die eisige Stille durchbrechen als plötzlich ein Beben durch den Boden ging. Es verschwand so schnell, wie es gekommen war. “Was war das?”, murmelte Jakotsu, während er dem Pferd, welches stocksteif stehengeblieben war und aufgeregt die Nüstern blähte, über den Hals tätschelte, um es zu beruhigen. Er hatte einmal ein Erdbeben miterlebt, ein schwaches zwar, doch das Gefühl, das einem bis ins tiefste rüttelte war dasselbe gewesen. “Ich habe keine Ahnung...”, raunte Bankotsu und fügte hinzu, “Wir sollten den Gaul hier anbinden, es hilft uns nicht viel, wenn er plötzlich durchdreht.”  Widerwillig musste Jakotsu ihm beipflichten und so suchte er eine Stelle, an welcher das Tier einigermaßen geschützt stand und band die Zügel an einem tief hängenden stabilen Ast fest.  Sorge, dass jemand es stehlen könnte, hatten sie keine. Wer außer ihnen sollte hier auch schon unterwegs sein? Wer außer ihnen sollte schon auf die Idee kommen, einen Wasserdrachen zu erlegen?  Während sie daraufhin ihren Weg fortsetzten, meinte Jakotsu irgendwann: “Sag mal, was wissen wir eigentlich über Wasserdrachen?”  Man konnte sehen, dass Jakotsu sich nicht gerade wohl zu fühlen schien, auch wenn er bisher erstaunlich ruhig geblieben war.  “Nicht viel, außer, dass sie in kalten bis eisigen Gewässern leben - wie der Bergsee, den wir suchen...”  “Wie groß sind die Viecher?”  “Mh, die größten Exemplare waren meines Wissens nach an die 20 Shaku lang, aber das kommt glaube ich hauptsächlich auf den Lebensraum an...”  “Inwiefern...?”  “Na - großer See, großer Drache, kleiner See, kleiner Drache. Die Mistviecher sind anpassungsfähig... Jakotsu, ich hab jetzt wirklich keinen Nerv Tierkunde mit dir durchzugehen.”  “Oh. Achso. Gomen nasai...”  Gerade begannen sie eine sehr steile Anhöhe zu erklimmen und Bankotsu hatte schon das Gefühl, Wasser riechen zu können.  “Und... sind... sind die sehr angriffslustig?”  Bankotsu grinste fies, “Nur, wenn sie so einen zarten Leckerbissen wie dich vor der Nase haben, da kann man doch gar nicht widerstehen. Also, so als Drache meine ich”, fügte er noch schnell hinzu, als ihm die Zweideutigkeit seiner eigenen Worte gewahr wurde.  Jakotsu jedoch schien für Zweideutigkeiten und Anzüglichkeiten momentan keinen Sinn zu haben, ihm war die Begegnung mit dem Krähendämon und den Spinnendämonen noch zu deutlich vor Augen.  Bald hatten sie die kleine Anhöhe erklommen und da erstreckte er sich, der See. Weit und klar, auf der Seite, von der sie gekommen waren, fiel es steil ab, ungefähr drei Meter, die man locker herunterklettern konnte und dann ging es in einen kleinen Strand über, welcher fast weiß war und soweit der Blick reichte wurde der See von schlickhaltigem Ufer gesäumt. Nicht befestigt genug, als dass man darauf hätte laufen können, dazu waren auch die dichten, ob des Wassers fauligen Bäume im Weg.  Die Fläche des Strandes war nicht sonderlich groß und sollte es zu einem Kampf auf Herz und Nieren kommen, dann kämen sie wohl ganz schön ins Schwitzen. Bankotsu ging schon im Geiste alle Eventualitäten durch. “Ähm, Bankotsu...”, flüsterte sein Gefährte, der ihm soeben umständlich hinterher geklettert war.  “Mh, was ist denn, ich versuche nachzudenken...”  “Wie... kriegen wir das Vieh eigentlich dazu, sich uns zu zeigen? Wer weiß, vielleicht sind die ja scheu, oder so...”  Bankotsu seufzte genervt, “Mensch, Jakotsu, man kann auch blöde Fragen stellen. Drachen sind sehr mächtige Geschöpfe und wenn jemand in ihr Revier eindringt, dann kann ich mir kaum vorstellen, dass sie sehr erfreut darüber sind, außerdem...”, der junge Mann leckte sich über die Lippen, “Ganz abgesehen davon, wer freut sich schon darüber, dass er getötet wird um zu einer Rüstung verarbeitet zu werden?”  Daraufhin schwieg Jakotsu. Der Andere hatte ja Recht, ein bisschen logisches Denken war wirklich nicht zu viel verlangt. Er schob es einfach auf die Nervosität. Und auf die Kälte.  Der Boden vibrierte inzwischen beinahe durchgehend, für Bankotsu ein sicheres Zeichen, dass sie hier wirklich richtig waren, aber nun stand er vor einem ganz anderen Problem und zwar einem, das Jakotsu schon angeschnitten hatte. Wie bekamen sie das Wesen nun dazu, sich zu zeigen? Sie konnten sich ja schlecht hinstellen sagen ‘Lieber Drache, hättest du bitte die Freundlichkeit aus deinem See zu steigen, wir wollen auch nicht viel von deiner kostbaren Zeit in Anspruch nehmen, da wir vorhaben, dich zur Strecke zu bringen?’  Bankotsu verzog kurz das Gesicht bei diesem lächerlichen Gedanken, wurde jedoch sofort wieder Ernst.  "Was ist?", fragte Jakotsu nervös, als er Bankotsus ernsten Blick bemerkte.  "Wenn du mal aufhören würdest zu nerven, dann könnte ich mich auch ein bisschen besser konzentrieren", meckerte dieser zurück, woraufhin der Ältere einen Schmollmund zog.  "Du bist schon die ganze Zeit so gereizt, gib doch einfach zu, dass du genauso wenig Ahnung hast, wie ich, was wir jetzt machen sollen!"  "Ich hab sehr wohl Ahnung, was wir jetzt machen sollen!"  "Achja, dann rück mal raus damit!"  "Ich... Du lässt mir ja auch keine Möglichkeit, meine Gedanken mal in Worte zu fassen mit deinem ständigen dummen Geplapper!"  "Dummes Geplapper?", fauchte der junge Mann beleidigt und stemmte die Hände in die Hüften, "Dafür bin ich wenigstens nicht streitsüchtig wie ein Waschweib! Ich versuche die ganze Zeit es dir großartigem Anführer recht zu machen und alles, was ich kassiere ist ein verdammter Arschtritt! Nicht, dass das unter gewissen Umständen nicht reizvoll sein könnte, aber es geht hier ums Prinzip!"  Wütend trat Jakotsu in einen Haufen mit Flusskieseln, welche unter leichtem Geplätscher in das seichte Wasser des Seeufers rieselten, nur um kurz darauf schmerzhaft das Gesicht zu verziehen.  "Du und nicht streitsüchtig?", schnaubte der junge Anführer höhnisch, "blöde Zicke, an dir ist echt ein Weib verloren gegangen."  "Jetzt reichts!", fauchte Jakotsu stocksauer und wandte sich um, um demonstrativ beleidigt zurück zu jener Stelle zu stampfen, von welcher sie gekommen waren.  "Wo willst du hin?"  "Zurück zu Akagawa-san, ich halte es keine Sekunde länger aus mit-"  Ein lautes Platschen und eine plötzliche Wasserfontäne, die sie beide völlig durchnässte ließ ihn innehalten, das Vibrieren des Bodens hatte zugenommen und war einem Brummen gewichen und nun starrten beide Männer dem Wesen in die Augen, wegen dem sie ursprünglich hergekommen waren.  Es hatte sich aufgestellt wie eine Kobra, kurz bevor sie zuschnappte, die blaulilafarbenen Schuppen des schlangenhaften Körpers glänzten vor Wasser und Schlick und der riesenhafte Kopf war mindestens so breit, wie Bankotsu hoch und so lang, wie sie beide zusammen waren.  Die blassblauen Augen mit dem grünlichen Rand musterten sie ruhig und schlagartig befiel Bankotsu das Gefühl, dass der Drache es wusste. Er wusste, dass sie gekommen waren um ihn zu töten und sein Blick schien ihm zu sagen, ‚Was, hast du etwas geglaubt, es würde so einfach, mich zu töten, ein Wesen, alt wie die Zeit? Hast du geglaubt, du bräuchtest einfach nur hierherkommen, an diesen einsamen See und meine Ruhe stören, ich lege mich dir hin zur Schlachtung?‘ „Bankotsu…“, wisperte Jakotsu erstickt. „… lass uns … lass uns einfach wieder gehen, ja…“ Einen Moment. Nur einen kurzen Moment war Bankotsu geneigt, Jakotsus Bitte nachzugeben. Einfach umzukehren und das verdammte Geld für die verdammte Rüstung zu zahlen. Doch dann dachte er daran, dass kurz vor dem Ziel aufzugeben noch nie sein Stil gewesen war, er dachte an den Ruhm und das Ansehen, das ihm das Erlegen eines so mächtigen Geschöpfes bringen könnte und die verdammte Rüstung wurde Zweitrangig. Bankotsu verengte den Blick und dachte, ‚Verzeiht mir, ehrenwerter Drache, aber ich muss es tun.‘ Und im nächsten Moment da spürte er den Zorn dieses uralten Wesens. Es griff an, bevor sie es tun konnten. Mit einem erbosten Fauchen ließ er seinen Kopf nach vorne schnellen und Bankotsu spürte den Luftzug und konnte sich gerade noch so zur Seite werfen. Mit einem geschickten halben Salto landete er wieder auf den Füßen, während sein Blick zu seiner Banryū flackerte, welche knapp zwei Meter von ihm entfernt im Schlick lag. Er sprang auf, versuchte seine Waffe zu erreichen, doch der Drache war zu schnell. Plötzlich wurde der junge Mann von einem steinharten Wasserstrahl getroffen, der ihn von den Füßen riss und schmerzhaft gegen die felsige Wand schmetterte. Bankotsu sah schwarze Punkte vor seinen Augen tanzen und alles verschwamm vor seinem Blick und einen Augenblick, da war es ihm als wäre er aus der Zeit hinaus katapultiert worden, als wäre es der Zauber des Drachen, eine Warnung, die nicht ihrem Kampf galt – alles war nur ein verschwommener Schleier aus Blut. Er wollte sich schoneiner seligen Bewusstlosigkeit hingeben, doch dann registrierte er Jakotsus erschrockenen Aufschrei, der ihn wieder in die Gegenwart katapultierte. Er hatte jetzt keine Zeit um auszuruhen, sein einziger Gedanke galt Jakotsu, der dem Ungetüm nun hilflos ausgeliefert war.  Jakotsu indes hatte es geschafft, ein paar Meter Abstand zwischen sich und den Drachen zu bekommen und hatte aus überschaubarer Entfernung mit ansehen müssen, wie es seinen Gefährten von den Füßen gerissen hatte. Es war viel zu schnell gegangen, als dass er irgendeinen klaren Gedanken hätte fassen können. Einen Moment hatte es so ausgesehen als würde Bankotsu ohnmächtig und egoistischerweise hatte Jakotsu sich mehr Gedanken um sich selbst gemacht in diesem Moment, da er ohne Bankotsu sicherlich einen mehr als jämmerlichen Gegner für den Drachen darstellen würde. Doch da stellte er erleichtert fest, dass Bankotsu sich auch schon wieder aufrappelte – was hatte er auch anderes erwartet, sein Anführer war hart im Nehmen – härter als er vermutlich. Bankotsu jedoch schien in jenem Moment keine Bedrohung mehr in den Augen des Drachen darzustellen, denn er sah die drohenden Augen nun auf ihn gerichtet und Jakotsu bemerkte, wie ihm die Beine zitterten. Er konnte später nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, was da in diesem Moment von ihm Besitz ergriff. Vielleicht hatten Bankotsus Schelte in den letzten Tagen ihn härter gemacht, verbissener, oder es war einfach die Tatsache, dass es hier um sein und vielmehr um Bankotsus Leben ging. Er wurde ruhig.  Beinahe gelassen hob er den Arm, um sein Schwert aus der ledernen Halterung zu ziehen. Nun war der Drache vollständig auf ihn fixiert, er zischte, kalte Wassertropfen trafen den jungen Mann im Gesicht.  "So", sagte Jakotsu leise, als er das Schwert herauszog, "worauf wartest du, komm doch..."  Der Drache sah ihn an. Lange und intensiv, doch er wandte den Blick nicht ab. Wenn er jetzt wieder davon lief, dann würde er immer wieder davon laufen, dann konnte er nie mehr in den Spiegel sehen. Er schloss die Augen und er hörte ein leises Rauschen in seinen Ohren, das Rauschen von Wasser und eine unverständliche Stimme, die zu ihm sprach in einer alten vergessenen Sprache und er wusste, es war der Drache, der dort sprach. Schließlich öffnete er die Augen wieder in dem Bewusstsein, seine letzte Chance zur Umkehr vertan zu haben und in dem Wissen, dass das vielleicht die letzte falsche Entscheidung sein könnte, die er in seinem Leben treffen würde. Und da spürte er das erste Mal, wie die Kraft seines Jakotsutō mit ihm arbeitete, wie sie in ihn floss und seinen Arm führte und er wusste, das war die Macht dieser Waffe, die Macht, die nur sein Vater hatte beherrschen können, der Mann, der für ihn gestorben war und ein berechnender, sadistischer Ausdruck legte sich auf sein Gesicht. Er hatte keine Furcht mehr und er hörte Bankotsu nicht, der zischte: "Jakotsu, mach keine Dummheiten." Sein Gesicht war blutüberströmt, doch er stand und er hatte seine Waffe wieder und da schnellte der Kopf des Drachen nach vorne und drohte, Jakotsu mit der Wucht seines Körpers zu zerquetschen, doch der wich so leichtfüßig aus, dass Bankotsu einen Moment tatsächlich vergaß, dass er Jakotsu hatte zur Hilfe eilen wollen. So starrte er nur ein wenig ungläubig auf das Schauspiel, das sich ihm bot. Und der Drache griff erneut an, diesmal war es sein stachelbewehrter Schwanz, der so dicht neben Jakotsu einschlug, dass er einen Teil seines Kimono zerriss und da löste er sich endlich aus seiner Starre und brüllte, „He, du Mistvieh, ich bin auch noch da!!!“ Der Drache änderte sein Ziel und schnellte nun auf Bankotsu zu, welcher Banryū hob, bereit zum Angriff, doch Jakotsutō war schneller. Bankotsu sah die Klingen nicht mal, er hörte nur das Sirren durch die Luft und einen zusammenhanglosen Moment fragte er sich, wie es möglich war, dass ein solch altes Schwert so scharf war, dass es die Luft zum Sirren brachte. Mit all seiner Kraft stieß er zu, spürte vorerst einen Widerstand, blieb standhaft bis er erleichtert spürte, wie die kräftige Schuppenpanzerung des Drachens nachgab. Im selben Moment trennten vier von acht Klingen Jakotsutōs den Kopf des Drachen vom Rest seines Körpers.  Das Wesen riss die Augen auf und ein letztes wütendes und gleichzeitig schmerzerfülltes, ohrenbetäubendes Brüllen verließ seine Kehle, dass Bankotsu am liebsten Banryū zur Seite geworfen und sich die Hände auf die Ohren gepresst hätte. Doch dazu hatte er keine Gelegenheit mehr, denn er musste im nächsten Moment dem schweren herabfallenden Kopf des Ungetüms ausweichen, welcher ihn mühelos hätte zerquetschen können. Der See begann sich rotgolden zu färben und Bankotsu bemerkte fasziniert, wie schön Drachenblut war - in einem impulsiven Moment griff er nach dem Wasserschlauch, den er am Körper trug, leerte den Rest aus und hielt ihn unter Rumpf des Drachen, aus welchem das golden schimmernde Blut sprudelte, wie aus einer Quelle. Es knirschte und klirrte, als die Klingen Jakotsutōs zu Boden fielen, ungeordnet, als wäre ihr Herr ihnen nicht mehr mächtig und Jakotsu starrte schwer atmend auf das Bild, das sich ihm bot. Der meterlange Körper des Drachen, aus dessen Rumpf fröhlich noch das Blut sprudelte, der Kopf, keine zwei Meter vom Körper entfernt und unmittelbar daneben stand Bankotsu, der warum auch immer das Blut des Drachen in ihrem Trinkschlauch auffing. Das Bild könnte nicht makaberer sein. Als der Schlauch voll war, verkorkte Bankotsu ihn wieder und fing dann den Blick seines Gefährten auf, welcher dort stand inmitten der ungeordnet herumliegenden Klingen, mit den Knöcheln im blutigen Wasser und Blutspritzern auf der Wange und er bemerkte, dass er noch nie so schön ausgesehen hatte. Sein Blick war eine Mischung aus Stolz, Unglauben und heimlichen Hingerissensein.  "Jakotsu...", murmelte er und kam langsam auf ihn zu. "Jakotsu, das..."  "... Ich wollte nicht... U-und deine Stirn", Jakotsu erbleichte, als er das Blut sah, das Bankotsu aus einer Wunde auf seiner Stirn geströmt war  “Du bist verletzt...”  Nur hilfloses Gestammele, er schien nicht so recht bei sich zu sein, schien nicht so recht glauben zu können, was er selbst da getan hatte.  "Jakotsu", meinte Bankotsu dann bestimmend, wandte dabei den Blick ab und kratzte sich leicht am Hinterkopf, den Schmerz in seiner Stirn ignorierend. "Ich... wollte dir eigentlich nur sagen, dass... Naja, dass du..." Bankotsu stöhnte. Das konnte doch nicht so schwer sein, Jakotsu etwas Anerkennung zu zeigen, schließlich fasste er sich ein Herz. "Jakotsu, ich bin stolz auf dich. Das... hätte ich nicht von dir erwartet..."  Plötzlich verließ ein Schluchzen die Kehle Jakotsus und Bankotsu fasste sich ein Herz und zog diesen in eine kurze, tröstende Umarmung. "Ja, das schon eher..."  Jakotsu hatte innerhalb eines Tages den Weg zum Dorf zurückgelegt, während Bankotsu bei dem Kadaver des Drachen geblieben war um mögliche Aasfresser zu verscheuchen - die Wunde Bankotsus musste vorerst provisorisch versorgt werden, das hieß, dass sie sie mit dem Wasser des Sees ausgewaschen hatten – was schlimmer hätte sein können, da die magische Aura des Drachen ihn rein gehalten hatte und das Blut, das hineingeflossen war, offensichtlich eine heilende Wirkung zu haben schien. Mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck hatte der Händler Jakotsu später angestarrt, welcher ihm so völlig anders vorkam. Irgendwie... weniger weich und er wagte es nicht, ihm zu widersprechen, als Jakotsu völlig entnervt die Fingerknöchel knacken ließ und knurrte, wenn er nicht sofort spurte, dann würde was passieren, das hätte er noch nicht erlebt. Und in dem Moment hatte der androgyne junge Mann keinen Zweifel aufkommen lassen, dass er es ernst meinte.   Daraufhin hatte der Händler seinen Laden geschlossen und in Windeseile einige Helfer zusammengetrommelt, welche ihm beim Hautabziehen und Transport helfen sollten. Jakotsu selbst verzichtete jedoch darauf, noch einmal ganz mit nach oben zu dem See zu kommen, sondern ließ sich in der Gaststätte, in der Bankotsu und er Quartier bezogen hatten, ein Bad ein. Bankotsu würde schon selbst nachhause finden.    ~*~ Als Bankotsu schließlich am Abend zurückkehrte merkten sie beide, dass sie wieder einträchtig waren, kein Streit und keine Spannung lagen in der Luft. Und vielleicht war es eben dies, was Jakotsu später dazu bewog in die Stille hineinzusagen:  "Er war mein Vater." Bankotsu horchte auf und auch, wenn er nicht antwortete, so spürte Jakotsu, dass er ihm zuhörte.  "Seizo Iwasaki war mein Vater...  meine Familie gehörte der gehobenen Mittelschicht an, mein Vater hatte sich als Dämonenjäger einen Ruf gemacht, das war alles noch vor meiner Geburt.Meine Mutter starb …" Jakotsu zögerte einen Moment, schien sich nicht so recht wohl zu fühlen, ehrlich zu sein in dieser Sache, „an der französischen Krankheit. Und falls du dir die Frage stellst, ja sie war meinem Vater untreu, ich glaube nicht, dass es jemals ein schlimmeres Flittchen als sie gegeben hat.“ Seine Worte trieften vor Abscheu und Bankotsu bekam eine leise Ahnung, woher dieser Frauenhass zeugte, der Jakotsu beherrschte.  Jakotsu starrte aus dem Fenster während er sprach und unbewusst krallten sich seine Finger in den Stoff seines Yukata.  "Naja, ich hab ja schon erzählt … irgendwann... überfiel eine Horde Dämonen das Dorf, in dem wir lebten, sie mordeten und plünderten und ach... es floss soviel Blut... Ich weiß noch, wie mein Vater meinem großen Bruder zugerufen hat 'Lauf mit Makoto fort, hinter die Hügel zum Wasserfall, dort seid ihr sicher. Ich hab geschrien, als er mich fortzog und ich weiß noch, wie er dabei geweint hat."  Jakotsu wischte sich ärgerlich über die Augen. "Irgendwann hab ich es geschafft, mich loszureißen und ich bin zurück gerannt, nur um zu sehen, wie er alleine gegen mindestens 20 von diesen widerlichen Monstern gekämpft hat. Und... Bankotsu, er hätte wahrscheinlich gewonnen, wenn ich nicht gewesen wäre!”  Verzweifelt fuhr Jakotsu sich durch das offene Haar, wobei er nicht bemerkte wie Bankotsu aufgestanden war und ihm langsam näher kam.  “Ich war vier Jahre alt und ich hatte solche Angst, dass ich nach ihm gerufen hab und das... hat die Aufmerksamkeit der Dämonen auf mich gelenkt...” Jakotsu fiel es zusehends schwer, weiterzusprechen, seine Stimme zitterte, doch er hielt sich tapfer.  “Er... er hat mich beschützt! Er musste mich beschützen und er konnte sich selbst nicht mehr schützen ... Ich weiß noch, wie sein Blut auf mich hinab regnete und danach ... ich weiß nicht mehr, was danach war, es ist alles so verschwommen... Ich erinnere mich auch nicht mehr an ihn, nur sein Gesichtsausdruck zum Zeitpunkt seines Todes ist mir nur zu deutlich im Gedächtnis...”  Sanft schlangen sich Bankotsus Arme um seine zierliche Hüfte, während er weiter sprach und er lehnte sich leicht an seinen Gefährten an.  “Man erzählte mir später, dass ich dieses Schwert an mich gepresst habe, als man mich gefunden hat, obwohl es eigentlich viel zu schwer für mich gewesen sein müsste...”  “Was geschah dann mit dir?”, fragte der Jüngere vorsichtig, streichelte Jakotsu über den Handrücken.  “Soll ich ehrlich sein?“ Jakotsu lachte humorlos auf, „ich erinnere mich kaum. Das Blut, das Morden, das ist alles, was da ist. Was ich weiß habe ich dir bereits erzählt, als wir uns kennengelernt haben, aber diese Schuld… die Schuld, die hab ich nicht vergessen..“ “Wolltest du dich denn nie rächen?”  “Ich hatte solche Angst vor diesen Monstern, dass ich mich in mein Schicksal ergeben habe. Die Mauern des Bordells waren zwar traurig und trist, aber sie haben mir ein Gefühl von Sicherheit vermittelt und schlecht habe ich ja nichtmal verdient. Ich weiß, ich hätte meinen Vater rächen müssen, aber ich tat es nicht.”  Jakotsus Kehle war heiser, schon lange hatte er nicht mehr so viel am Stück erzählt, besonders nicht solche bedeutungsvollen Dinge. Genaugenommen hatte er seine Familiengeschichte noch nie jemandem erzählt.  Eine ganze Weile schwiegen sie. „Weißt du, warum ich Jakotsu als meinen Namen gewählt habe?“ Er wartete keine Antwort ab, „Mein Vater ist im Zeichen der Schlange geboren. Sie war sein Schutzpatron, er hat sie verehrt…“ Eine Weile schwiegen sie, dann flüsterte Jakotsu: „Wann verrätst du mir deinen wahren Namen? Ich sollte ihn kennen, finde ich…“  "Den habe ich, genau wie du abgelegt...", sagte Bankotsu mit einem Anflug von Wehmut in der Stimme.  "Ich erzähl dir meine Geschichte ein andermal, das wäre zu viel Trauriges für einen einzelnen Abend..."  Jakotsu bekam eine Gänsehaut, als Bankotsus Atem seinen Nacken kitzelte, dann drehte er sich um und ihre Blicke trafen sich, Ebenholz und Eisblau und eine Weile starrten sie sich nur an, verloren sich in den Augen des jeweils Anderen, die Gesichter nur erleuchtet vom Flackern der Kerzen.  Schließlich war es Jakotsu der den letzten Abstand überwand, seine Lippen auf die Bankotsus legte, liebevoll und sehnsüchtig. Sein Herz klopfte unerhört laut, wie ein Trommeln auf einem leeren Schlachtfeld. Bankotsu erwiderte diesen Kuss und er fühlte wie ein Zittern durch seinen Körper ging, er schnaufte leise, weil dieser zärtliche Kuss, den sie tauschten, ihn erregte und als sie sich enger aneinander kuschelten, weil keiner diese Nacht alleine in einem Bett verbringen wollte, verirrte sich Jakotsus Hand zwischen ihre Körper und schenkte Bankotsu diese wundervolle, kleine Freude, die er ihm damals schon geschenkt hatte, in der Nacht als sie sich das erste Mal gesehen hatten. Kapitel 8: Der verlassene Tempel -------------------------------- Es roch nach Öl. Nach Öl und rostigem Eisen. "Haruyama, ich hab dir doch letztens erst gesagt, dass es keine gute Idee ist, wenn du deinen Körper dem Seewasser aussetzt." Ein tadelnder Blick, den der Angesprochene mit Schweigen kommentierte. Aber es war ein gewohntes Schweigen, Akira Takanaga kannte es nicht anders von seinem Gefährten. Seelenruhig griff er, nachdem er die Handschuhe angelegt hatte, nach einem Fläschchen mit einem durchsichtigen, dünnflüssigen Gemisch. Ein beißender Geruch stieg auf, kaum hatte er es entkorkt, eine leidige Notwendigkeit, dieses Mittel. Haruyama hatte vermutlich ohnehin keinen Geruchssinn mehr. Mit flinken Händen wischte er mit dem Tuch über jene Stellen des Körpers, die angerostet waren. Er musste sich etwas Nachhaltiges einfallen lassen gegen den Rost. „Du musst wirklich besser aufpassen“, führte er seinen Monolog fort und die einzige Antwort, die er bekam, war ein Geräusch, das an „Gish“ erinnerte, begleitet von ein paar gemurmelten Worten, die er nicht verstand. Takanaga wertete das als Zeichen der Zustimmung. Es wäre ungünstig, wenn Haruyama seinen Arm nicht mehr heben oder das verstärkte Gebiss nicht mehr nutzen konnte. Am späten Nachmittag schickte er Haruyama fort, er sollte etwas zu Essen auftreiben. Es kamen wenige Menschen her, um Opfergaben zu bringen, die hatten sie früher für sich genommen. So walzte der Riese sorglos durch den Wald und verschreckte dabei wohl mit seiner Masse und seiner nicht vorhandenen Fähigkeit, leise zu sein, mehr Tiere, als dass er sie anlockte. Aber Haruyama war von Natur aus ein eher langsamer und begriffsstutziger Mensch. Takanaga hätte es nicht gewundert, wenn dieser schon auf der Hälfte der Strecke wieder vergessen hatte, was er tun sollte. Allerdings hatte der Mönch so auch seine Ruhe. Haruyama mochte die Natur. Es war so friedlich. So still und angenehm. Er hielt sich nicht gerne in der Gegenwart von anderen Menschen auf, er mochte ihre Blicke nicht. Die seltsamen Blicke, die sie ihm zuwarfen, weil sein Körper zur Hälfte aus Metall bestand.Und weil er ein bisschen langsam im Kopf war. Eine eiserne Kugel hatte ihm in einer Schlacht einst den Kiefer zerschmettert und er wäre ewig entstellt geblieben, ja, nicht mal mehr fähig, richtig Nahrung aufzunehmen, wäre Akira Takanaga nicht gewesen und hätte ihm einen neuen Kiefer gebaut aus Metall. Und den verstärkten Arm, da seiner nach einer Wunde Wundbrand bekommen und sonst amputiert hätte werden müssen. Oder die eiserne Brustplatte, weil ihm ein Feuerwerk die Haut buchstäblich bis auf die Knochen niedergebrannt hatte. Das war eine sehr schmerzhafte Angelegenheit gewesen, aber so konnte er wenigstens sicher sein, nicht urplötzlich von dem Schwert eines Feindes durchbohrt zu werden. Dass das Feuerwerk eigentlich Akiras Schuld gewesen war, hatte der Hüne schon längst wieder vergessen. Irgendwie war bei dem Kieferbruch auch sein Kopf in Mitleidenschaft gezogen worden. Vermutete Takanaga zumindest. Im Grunde war es dem Mönch auch egal. Ab und an war ein Gish zu hören, während sich der Koloss vorwärts bewegte, der ein oder andere Vogel wurde aufgeschreckt. Sonst schien niemand unterwegs zu sein. Das war gut. Keine Menschen, die Angst bekamen und schreiend davonliefen. Er konnte es nicht leiden, wenn Menschen schrien und laut waren. Er mochte die Ruhe des Waldes. Bald kam er an einen kleinen Fluss, der ein paar Meter weiter eine Biegung machte, und er beschloss, sich erst mal hinzusetzen und das Wasser zu beobachten. Das tat er gerne. Wasser hatte etwas Beruhigendes, Angenehmes. Wie es beinahe lautlos dahinfloss, nur ab und an ein leises Plätschern, wenn ein Fisch die Wasseroberfläche durchbrach und danach wieder hineintauchte. Mit einem dumpfen Knirschen ließ er sich in den Schneidersitz hernieder. Eine ganze Weile starrte Haruyama nur auf das Wasser, seltsam entrückt, und einem Fremden hätte das wohl ein seltsames Bild geboten. Doch dann ... Plötzlich ließ ihn ein lauteres Plätschern aufmerken. Das war kein Fisch. Das klang eher nach einem Menschen, der sich die Füße kühlte, sich wusch, oder sonst etwas. Irgendwie machte es Haruyama neugierig und mit einem leisen Ächzen erhob er sich und ging langsam die paar Meter bis zu der Biegung, um die er sonst nicht herum sehen konnte. Dann spähte er herum. Was er erblickte, war eine relativ zierliche Frau, die mit dem Rücken zu ihm und den rosafarbenen Yukata erhoben, mit den nackten Füßen in das seichte Uferwasser des Flusses eingetaucht war. Sie schien alleine zu sein. Haruyama erstarrte. Mit Frauen kannte er sich nicht aus. Er wollte sie ein Weilchen betrachten, sie einfach nur anschauen, vielleicht auch von Nahem. Eine ganze Weile beobachtete er sie. Sie war wirklich sehr hübsch. schwarzes, seidiges, zu einem Dutt hochgestecktes Haar, blasse, reine Haut und eine zierliche Figur ... Zu gerne wollte er sie näher betrachten. Aber wenn er näher kam, dann würde sie ihn gewiss bemerken und sicherlich würde sie sich dann erschrecken. Bis jetzt waren alle Mädchen vor ihm fortgerannt, denen er sich genähert hatte. Sie hatten ihn als Monster, als Ungetüm, als Halbdämon und was sonst noch bezeichnet. Dabei war er früher ein gar nicht so unstattlicher Mann gewesen. Bevor die schweren Verletzungen seinen Körper entstellt hatten und es keine andere Lösung gab, nicht zum Krüppel zu werden, als ihn halb zur Maschine zu machen. Noch einen Schritt. Nur einen kleinen und ... Plötzlich knackte es, er war versehentlich auf einen Ast getreten und die Frau warf sofort den Kopf herum, um in seine Richtung zu starren. Einen Augenblick starrte sie ihn an und er hörte schon ihren Schrei in den Ohren, doch zu seiner Verwunderung, seiner großen Verwunderung, stemmte sie schließlich die Arme in die Seiten und zeterte: "Was fällt dir eigentlich ein, mich so zu erschrecken!?" Ein wenig irritiert registrierte Haruyama, dass ihre Stimme einen Hauch zu tief klang für eine Frau, nur einen kleinen Tick. Oder? "Wie lange hast du mich eigentlich schon von da aus beobachtet, hm? So was nennt man spannen!" Sie kam ein, zwei Schritte auf ihn zu und da bemerkte er, dass es eigentlich ... ein Er war. Er hob leicht die Arme, wollte eine beschwichtigende, entschuldigende Geste andeuten, doch man musste sich vorstellen, was für eine Wirkung es hatte, wenn ein mehr als zwei Meter großer, kräftiger Mann so etwas tat. Auf Jakotsu hatte es zumindest eine sehr einschüchternde und plötzlich blieb er stehen. “Ähm, ich ...” Haruyama wollte ihm bedeuten, dass es ihm leid tat und ging ein paar Schritte auf den jungen Mann zu, allerdings erreichte er so ziemlich das Gegenteil von dem, was er eigentlich wollte, und Jakotsu schrie erschrocken auf, da es auf ihn wirkte, als wolle der fremde Hüne ihm irgendetwas Böses und stolperte ein paar Schritte zurück. Haruyama zuckte bei dem Schrei zusammen - er mochte es nicht, wenn Menschen laut waren und wurde dabei meistens selbst leicht nervös und so wusste er sich nicht anders zu helfen und langte nach Jakotsu, weil er ihn beschwichtigen wollte, ihm bedeuten wollte, dass er nichts tat. Er bekam ihn mühelos zu fassen und als dieser begann, zu zetern und sich zu winden hielt er ihm in seiner Panik den Mund zu. “Ni ... cht”, sagte er unter Anstrengung, denn er sprach nicht oft und auch nicht gerne, versuchte, das Gezappel zu dämpfen. Als Bankotsu Jakotsus gedämpften Schrei vernahm, rollte er mit den Augen und murmelte ein “Was ist denn jetzt schon wieder?”, sprang dann auf und eilte in die Richtung, aus der er den Schrei vernommen hatte. Was er dann allerdings sah, ließ ihn eingestehen, dass dieser Schrei durchaus berechtigt war. Hastig warf er einen Blick zurück, es wäre Zeitverschwendung, wenn er jetzt seine Banryū holen würde. Bankotsu änderte also spontan seine Taktik und schlich sich ein Stückchen durchs Gebüsch, sodass man ihn nicht kommen sah. Dann sprintete er mit einem Mal los, zückte noch während des Laufens einen scharfen, kleinen Dolch und nutzte schließlich einen, aus dem seichten Flussbett ragenden, Stein dazu, sich abzustoßen. Mit Schwung landete er auf dem Rücken des Riesen und während er sich mit einer Hand irgendwo festkrallte, presste er den Dolch gegen dessen Kehle. “Lass ihn sofort los – wird’s bald!”, knurrte er böse. Haruyama erschrak sehr, als er plötzlich die Klinge an seiner Kehle spürte, das Platschen, das Bankotsu im seichten Uferwasser verursacht hatte, hatte er zwar vernommen, aber dessen Gewicht hatte er kaum gespürt, er war zu sehr mit dem jungen Mann beschäftigt gewesen. Langsam ließ er ihn los und Jakotsu lief schnell ein paar Schritte fort, brachte sich auf Abstand. Der Schrecken steckte ihm noch in den Gliedern. “Brav so”, knurrte Bankotsu, dachte aber nicht daran, loszulassen. “Wer bist du und was willst du von uns?” Den letzten Teil des Satzes hätte er sich im Grunde sparen können - wahrscheinlich war Jakotsu mal wieder für eine Frau gehalten worden. Oder der Kerl stand einfach auf hübsche Knaben und hatte seine Chance gewittert. Wie auch immer. “Also?”, sagte er mit Nachdruck. “Haru ... yama”, murmelte der Riese nach einer Weile zögerlich und Bankotsu wunderte sich doch etwas, dass dieser nicht einmal Anstalten machte, sich von ihm zu befreien. Entweder er hatte tatsächlich Angst vor ihm oder er war einfach nur dumm. Wie dem auch war, Bankotsu beschloss, es zu seinem Vorteil zu nutzen. “Also, Haruyama ... wo kommst du her, wem dienst du?” Der Hüne antwortete nicht, sondern hob langsam den Arm, um in eine bestimmte Richtung zu zeigen. “Tempel”, sagte er. Bankotsu und Jakotsu warfen sich kurz einen vielsagenden Blick zu. Vielleicht hatten sie ja Glück. Mönche waren immer hilfsbereit. Was allerdings jemand wie Haruyama in einem Tempel verloren hatte ... diese Vorstellung passte irgendwie nicht so ganz. “Kannst du uns dorthin bringen?” Haruyama nickte wortlos. “Guut ... ich nehm den Dolch jetzt weg, aber glaub ja nicht, dass du mich deshalb jetzt angreifen kannst. Jakotsu, du hast es gehört, wir brechen auf.”   ~*~ Tatsächlich hatte Haruyama kein einziges Mal Anstalten gemacht, sich zu wehren, obgleich er es locker gekonnt hätte. Irgendwie gefiel Bankotsu das. Er mochte Menschen, die nachdachten und das taten, was vernünftig war, ehe sie sich blindlings irgendwo hineinstürzten. Unbewusst warf er Jakotsu, der ein paar Schritte hinter ihnen lief und einen missmutigen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte, einen Blick zu. Haruyama führte sie eine dreiviertel Stunde lang durch den Wald, einen Weg entlang, der leicht den Berg hoch führte. Bald kam ein Tempel in Sicht und Bankotsu sah auf den ersten Blick, dass der seine besten Jahre schon hinter sich hatte. Als sie näher kamen, bemerkte er sogar Brandspuren in einem Teil der Anlage und einige Bäume im Umkreis waren ebenfalls abgestorben. Hier schienen nicht viele Mönche zu leben. Wenn überhaupt. Haruyama führte sie zu einem kleinen Häuschen, welches ebenso auf der Anlage untergebracht war. Die Schiebetür war offen. Und daraus trat im nächsten Moment ein Mann hervor, welcher eine Glatze und Kleidung trug, ähnlich der Mönche. “Seid gegrüßt, Houshi-sama”, sagte Bankotsu, sich seiner guten Manieren entsinnend - immerhin waren sie diejenigen, die etwas wollten. Während er eine leichte Verbeugung andeutete, glitt sein Blick schnell über die Erscheinung des Mannes. Er war sehr hochgewachsen, hatte ein schmales Gesicht und hohe Wangenknochen, die Augen waren zu Schlitzen verengt, doch bei genauerem Hinsehen merkte man, dass das wohl ihr natürliches Aussehen war, der Mund zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Geringschätzig wurde Bankotsu gemustert und dieser sagte schnell: “Dieser Mann hier hat meinen Gefährten angegriffen und als Entschuldigung möchte ich gerne Eure Gastfreundschaft in Anspruch nehmen.” Der Blick des Mannes ruhte einen Moment tadelnd auf Haruyama. Ganz so, als wäre es ein schreckliches Vergehen, Fremde hier her zu bringen. Allerdings trug Takanaga sein Herz nicht auf der Zunge. Das sollte später in Ruhe geklärt werden. “Es ist ungewöhnlich, dass hier Gäste sind”, erwiderte der Mönch zögerlich und die von Natur aus kühle Stimme ließ Jakotsu einen Schauer über den Rücken laufen. Bankotsu allerdings ließ sich davon nicht rühren. “Für wie lange gedenkt Ihr, hier zu bleiben, Herr?” Bankotsu spürte mit jedem Wort, dass sie hier unwillkommen waren, doch er ließ sich davon nicht beeindrucken. "Für eine Weile. Die Wintermonate halten Einzug und wir wissen noch nicht, wohin wir als nächstes reisen werden." Die Miene des Mönches blieb unbewegt, dennoch meinte Bankotsu, sich einbilden zu können, wie es in dessen Kopf arbeitete. Sie waren zwei Fremde, gut bewaffnet und wirkten auch nicht gerade wie der japanische Hochadel. Sie könnten, wenn man es so nahm, wirklich jeder sein. Sollte Takanaga wirklich einen solchen Gedanken gehegt haben, so ließ er ihn nicht nach außen dringen. Er nickte nur. "Ihr könnt eine Weile bleiben. Das bin ich Euch schuldig, wo mein Untergebener Euch solche Unannehmlichkeiten gemacht hat. Ich bitte, dieses Verhalten zu verzeihen, Herr. Bitte folgt mir." Während der ganzen Zeit, da er gesprochen hatte, hatte er nur Bankotsu angesehen, welcher das mit Wohlwollen zur Kenntnis nahm. Immerhin war er derjenige, der das Sagen hatte. Sie folgten dem Mönch über den Tempelhof, welcher, wie Bankotsu feststellte, ein klein wenig verwahrlost wirkte. Lebten hier keine anderen Mönche? Das war ungewöhnlich. Wenig später kam das Wohnhaus in Sicht und eine zweite Ungewöhnlichkeit fiel Bankotsu auf. In ganz Japan hatte man vor oder hinter beinahe jeder Tür Hausschuhe, es war eine Ungehörigkeit mit dem Schuhwerk, das man draußen trug, in die Wohnräume zu gehen. Takanaga war offenbar wirklich nicht auf Besuch ausgerichtet und wie er feststellte, schien ihn dieses Versäumnis auch nicht wirklich unangenehm zu sein. Sie liefen einen Flur entlang und vor der dritten Tür auf der rechten Seite hielt er inne und wandte sich zu seinen Gästen um, nachdem er die Tür aufgezogen hatte. Zu Bankotsus Überraschung umspielte ein schmales Lächeln die Lippen des Mönches, etwas, was nicht so sehr in dessen Mimik passte und es wirkte ein wenig gezwungen. Wie als wolle man keinen Verdacht aufkommen lassen, dass hier etwas nicht stimmte. "Ich bitte zu entschuldigen, dass die Gasträume nicht im besten Zustand sind, ich werde Haruyama sagen, dass er sich darum kümmern soll, ich bin leider viel beschäftigt. Mahlzeiten gibt es morgens zur achten Stunde und abends zur sechsten Stunde. Nach der neunten herrscht hier Nachtruhe." "Herrje, wie kann man nur so ein langweiliges Leben führen?", platzte es schließlich aus Jakotsu heraus, der das nicht mehr länger aushielt. "Da wird man doch schwachsinnig im Kopf." Bankotsu hätte sich am liebsten die Hand vors Gesicht geschlagen. Takanagas Lächeln verschwand. "Ihr wollt meine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen, so seid Ihr auch verpflichtet, den Regeln nachzukommen, die unter diesem Dache herrschen. Vergesst nicht, dass dies ein heiliger Ort ist." Bankotsu schielte verstohlen von einem zum anderen und jetzt schon merkte er, dass die beiden sich wohl niemals grün werden würden. Das konnte ja spaßig werden. "Hast du gehört, wie der mit mir geredet hat?", schimpfte Jakotsu später. "Das kann der sich doch nicht erlauben, für wen hält er sich eigentlich?" "Für den Herrn des Hauses?", feixte Bankotsu und knuffte Jakotsu dann sanft gegen die Schulter. "Hör auf, dich zu beschweren, wie haben ein warmes, trockenes Fleckchen, wo wir eine Weile der Kälte ausharren können, außerdem hat er Recht mit dem, was er gesagt hat." Jakotsu ging die Kinnlade herunter. "Du bist auf seiner Seite?", schnappte er beleidigt. "Ich bin nur auf meiner Seite, Jakotsu, ob es dir passt oder nicht, du wirst dich benehmen müssen, verstanden?" Jakotsu hatte noch etwas entgegnen wollen, aber die Kälte in Bankotsus Worten ließ ihn verstummen. Sein Blick wandelte sich in etwas leicht Unbehaglich und mit vor ironischer Stimme entgegnete er ein "Ja, Herr", und ging dann wortlos aus dem Raum und Bankotsu stöhnte innerlich. Wie sollte das bitte weitergehen, wenn sie sich wegen jeder Kleinigkeit in die Haare bekamen? Jakotsu war schon wirklich anstrengend. Wie viel leichter wäre es nur ohne ihn? Vielleicht, dachte er in einem Anflug von Ironie, konnte er Takanaga Jakotsu ja als Haushaltshilfe dalassen, genug zu tun gab es immerhin. Es wäre sicher lustig mit anzusehen, wer nach einer Woche noch lebte. Jakotsu stampfte wütend und beleidigt aus der Wohnanlage und lief ziellos über den Tempelhof. Wenn er jetzt auch noch Takanaga über den Weg liefe, dann würde er sicherlich explodieren. Irgendwann blieb er unschlüssig stehen. Dort, wo er gerade war, schien die Anlage noch weniger genutzt zu werden, die Bäume, die die Anlage säumten, hingen mit ihren Ästen schon längst über dem Boden der Anlage und auch hatte dichter und kräftiger Wurzelwuchs dafür gesorgt, dass der Boden an einigen Stellen schon Risse abbekommen hatte. Jakotsu seufzte und schlang die Arme um den Körper. Und jetzt? "Heiße Quelle", ließ ihn plötzlich eine Stimme zutiefst erschrecken. Er wirbelte herum und sah Haruyama. Wie nur schaffte es so ein montrös großer Mann, sich dermaßen anzuschleichen, dass man ihn erst bemerkte, wenn er direkt hinter einem stand? Jakotsu verzog missbilligend das Gesicht. "Was?" "Heiße Quelle", wiederholte er und deutete mit dem Arm in eine bestimmte Richtung und nach genauem Hinsehen erkannte Jakotsu einen Trampelpfad, welcher zwischen den Bäumen hindurchführte. Plötzlich hellte sich seine Miene auf. "Hier gibt es wirklich heiße Quellen?" Haruyama nickte. "Bringst du mich hin?" Abermals ein Nicken. Wenig später stiefelte er hinter Haruyama her durch den Wald. Irgendwie war ihm dieser schweigsame Hüne lieber als Takanaga. Er konnte sich nicht helfen, aber er traute Takanaga einfach nicht über den Weg. Er hatte so etwas ... Kaltes, Hartherziges an sich. Er schien etwas zu verbergen. Jakotsu hatte im Laufe seiner Karriere, wenn man es so nennen konnte, schon die Bekanntschaft von so einigen Männern geschlossen und er hatte ganz gut gelernt, die Zeichen zu deuten. Nicht nur Bankotsu war aufgefallen, dass hier etwas nicht stimmte. Dieser Ort hatte etwas Schauriges an sich, er bildete sich ein, dass sogar die Vögel, die man eigentlich hören sollte, einen gewissen Radius um den Tempel schwiegen. Er meinte, irgendwo die Reste von einem Feuer gesehen zu haben, als sie über die Anlage gelaufen waren. Hatte es hier mal gebrannt? Vielleicht konnte er Haruyama fragen, auch wenn er bezweifelte, dass dieser ihm groß Auskunft geben konnte oder würde. Nach etwa 20 Minuten Fußmarsch kam bereits der Dampf der Quelle in Sicht. Jakotsus Laune hob sich, das war genau das, was er brauchte. Wenig später streifte er den Überwurf ab, den er der Kälte wegen anhatte und löste dann die Bänder seines Yukata. Beides legte er auf einem Felsen ab, damit sie nicht nass wurden, und kurz darauf ließ er sich mit einem wohligen Stöhnen ins Wasser gleiten. Er schloss kurz die Augen. "Verdammt, tut das gut...", ächzte er und öffnete dann die Augen wieder, um einen Blick zu Haruyama zu werfen, welcher zu seiner Überraschung stocksteif stehengeblieben war und den Blick abgewandt hatte. Täuschte er sich oder war auf dem bisschen Wangenhaut, das im Gesicht noch geblieben war, ein Hauch von Röte zu erkennen? "Haruyama?", fragte er und selbiger zuckte zusammen und wandte beinahe schüchtern den Kopf zu ihm hin. "Du hättest nicht wegsehen brauchen, da gibt es nichts, was du nicht schon mal gesehen hättest", meinte Jakotsu sanft. Das hatte er auch noch nicht erlebt. Scheinbar hatte er Haruyama völlig falsch eingeschätzt. Plötzlich kam ihm ein Gedanke und er legte den Kopf schief. "Lass mich raten - du magst Knaben, aber als jemand es erfahren hat, hat man dich dafür gerügt? Hat man dich deshalb geschlagen vielleicht? Weil du dir gerne Knaben ansiehst?" Haruyama sah ihn überrascht an, starrte eine Weile, dann nickte er langsam. "Hab ichs mir doch gedacht", sagte Jakotsu unbekümmert und sah zum Himmel auf. "Mach dir deshalb keine Sorgen. Es ist nicht so abartig, wie sie alle immer sagen. Menschen wie du und ich werden es niemals leicht haben, das ist wohl einfach so vorherbestimmt. Man muss einfach das Beste daraus machen." Haruyamas Blick wurde noch größer. Hatte dieser junge Mann ihn gerade wirklich als Menschen bezeichnet? Sein Herz schlug mit einem Mal seltsam schneller. Jakotsu lachte. "Na, ist das jetzt so eine Überraschung? Hast du etwa gedacht, du wärst der einzige?" Haruyama zuckte mit den Schultern. Irgendwie hatte er das gedacht, ja. Jakotsus Blick wurde mit einem Mal gedankenverloren, ja, fast sogar ein wenig traurig. Haruyama entging das nicht. Er machte ein Geräusch, das leicht nach einem 'Gish' klang. Jakotsu konnte eigentlich gar nicht verstehen, was er ihm damit hatte sagen wollen, aber trotzdem sprach er: "Weißt du ... Bankotsu und ich streiten fast nur und er sagt oft solche Sachen ... manchmal hab ich wirklich das Gefühl, ihm wär es lieber, wenn wir uns niemals begegnet wären." Er wirkte niedergeschlagen. Haruyama zögerte kurz, dann trat er näher und ließ sich unmittelbar neben der Quelle an der Stelle, wo Jakotsu saß, in den Schneidersitz sinken. Ein stummes Zeichen des Trostes, dass er zuhören wollte, auch wenn er ihm keinen Ratschlag geben konnte. Jakotsu lehnte sich zurück und wandte den Blick abermals nach oben. Es begann bereits leicht zu dämmern. "Fühlst du dich auch manchmal so, als würdest du niemals zur Ruhe kommen? Einfach nicht ankommen im Leben? Ich fühl mich so." Die Stimme zitterte ihm ein wenig. "Ich bin so froh, dass ich Bankotsu getroffen habe, aber was ... wenn ich ihm wirklich nur eine Last bin? Ich meine, was verspricht er sich davon?" Dann schnaubte er abfällig. "Vielleicht wartet er auch nur auf die erstbeste Gelegenheit, um mich loszuwerden, wer weiß. Allerdings ..." Er brach ab. "Ich könnte niemals getrennte Wege gehen ... Ich … ich hab doch sonst niemanden…" "Haruyama versteht das", erklang plötzlich eine leise Stimme. Sie klang angestrengt, als wäre sie das Sprechen nicht mehr gewohnt. „Haruyama hat auch niemanden außer Akira.“   ~*~ Bankotsu vertrieb sich die Zeit, indem er im Tempelhof ein paar Übungen machte. Nur herumsitzen hatte er noch nie können. Er hatte sich ein wenig umgesehen und in einem Raum einige alte Übungswaffen gefunden. Es war ja nicht unüblich, dass die Mönche eines Tempels diesen auch selbst verteidigten, viele entwickelten sogar eigene Kampfstile. Am berühmt-berüchtigsten waren wohl die chinesischen Shaolin-Mönche. Als Kind hatte man ihm einmal davon erzählt. Bankotsu hatte sich für zwei Bambusstäbe entschieden, welche das Gewicht und die Größe von Kurzschwertern hatten. Die meiste Zeit trug er ja nur seine Banryū bei sich und er wusste, dass es wichtig war, dass er auch die Führung von anderen Waffen nicht vernachlässigte. Es war nicht immer von Vorteil, wenn man so eine auffällige Waffe mit sich herumtrug. Zwar hatte er verschiedene Techniken beigebracht bekommen, aber der Feinschliff fehlte ihm teilweise und er hatte sich nun geschworen, jetzt, wo sie ohnehin bald nicht mehr weit kommen würden, seinen Fokus darauf zu legen. Bankotsu war so vertieft in seine Übungen, dass er gar nicht bemerkte, dass sich ihm jemand genähert hatte. "Bankotsu-san." Selbiger hielt inne. Takanaga. "Ja, Houshi-sama?" Ein musternder Blick lag auf ihm. "Ich hörte vor einigen Jahren mal von einer Fürstenfamilie", begann er behutsam,„eines Tages sind sie bestialisch ermordet aufgefunden worden, nur die Leiche des jüngsten Sohnes fand man nie." Bankotsu zuckte einen Augenblick zusammen, dann starrte er Takanaga an, einen Moment, einen kurzen Moment, hatte er die Kontrolle über seine Mimik verloren. "Und warum erzählt Ihr mir das?", fragte er schließlich bemüht gleichgültig. Takanaga schüttelte lächelnd den Kopf. "Verzeiht mir, es war wohl etwas weit hergeholt. Man sagte mir nämlich, dass dieser junge Mann einst eine Waffe bekam, die Eurer sehr ähnlich sein dürfte. Ich bitte um Nachsicht, wahrscheinlich ist er schon lange tot." Ein Blitzen in den Augen des Mönches und daraufhin ließ dieser ihn verwirrt zurück. Bankotsu brach plötzlich der Schweiß aus. Wusste er es? Das war ... unmöglich. Er hatte sich solche Mühe gegeben, seine Spuren zu verwischen. Kapitel 9: Bankotsu ------------------- "Takeshi! Takeshi, wo steckst du denn?" Der Junge saß mucksmäuschenstill in seinem Versteck. Er wollte nicht. Er wollte ihn nicht sehen. Er fürchtete sich vor ihm. Jeder andere Junge in seinem Alter sah zu seinem Vater auf. Aber er nicht. Wobei das nicht so ganz richtig war. Er wusste, dass er seinen Vater lieben und ehren musste, weil er sein Vater war, doch sein Vater war seit jener Schlacht am Kandeo-Pass nicht mehr derselbe. Man hatte damals die Nachricht, das gesamte Regiment sei verschollen und die Familie war in tiefer Trauer. Als Suguro zwei Monate später, es müsste im Frühling gewesen sein, zu seiner Familie zurückkehrte, hatte Takeshi hatte sofort eine Veränderung gespürt. Suguro wirkte abgespannt, gereizt und abgekämpft und eine ganze Woche hatte er sich vor seiner Familie und den Angestellten zurückgezogen und in seinem Zimmer verbracht. Takeshi hatte irgendwie verstanden, dass es was mit dem Krieg zu tun hatte. Alle sagten immer, der Krieg verändere die Seele der Menschen. Der damals siebenjährige Takeshi hatte sich in das Zimmer seines Vaters geschlichen, aber als er den abgedunkelten Raum betreten hatte, hatte Suguro ihn angeschrien, hatte sogar einen schweren Gegenstand nach ihm geworfen, sodass er voller Angst vor ihm geflohen war. Weinend hatte er sich seiner Mutter in die Arme geworfen und sie hatte ihn beschwichtigt. Schh, er meint es nicht so, gib ihm Zeit. Das waren ihre Worte gewesen. Takeshi hatte das nur schwer verstehen können, aber er hatte es versucht. Doch es war immer schlimmer geworden, Suguro hatte von diesem Tage an nicht das geringste Fünkchen Vatergefühl mehr für ihn und seinen Bruder übrig. Er hatte begonnen, ihn zu schlagen, wenn er nicht spurte, ihn anzubrüllen und wenn er deshalb weinte, setzte es gleich die nächste Ohrfeige hinterher. Und wenn er ihn ansah, dann war es mehr als sah er durch ihn hindurch. Nein, Takeshi wollte seinen Vater wirklich nicht sehen. "Takeshi!" Er zuckte zusammen als plötzlich die Schrankwand vor ihm mit einem Schwung aufgerissen wurde. "Hier steckst du also!" Seine Kinderfrau stand dort mit in die Hüften gestemmten Armen. "Also wirklich, wenn du dich richtig versteckt hättest, dann müsste ich dich nicht dazu zwingen, mitzukommen - dein Vater wünscht, die ganze Familie am Abendtisch zusammen zu haben. "Nana-san, ich hatte überhaupt keine Zeit, mich richtig zu verstecken!", jammerte er vorwurfsvoll. "Ich kam ja nicht mehr aus dem Haus hinaus, ohne dass man mich gesehen hätte!" Die Frau rollte nur mit den Augen und zog ihn in die Waschräume hinein, wo man schon einen Badezuber mit warmem Wasser vorbereitet hatte. "Muss ich wirklich baden?", jammerte er. "Ja, mein Schatz, das muss jetzt leider sein, du willst doch von deinen Geschwistern nicht der Einzige sein, der schmutzig vor dem edlen Herrn steht!" Takeshi sparte sich einen Kommentar dazu und ließ sich unwillig entkleiden und in den Badezuber stopfen. Er mochte es nicht, mit seinen Geschwistern verglichen zu werden. Er war das mittlere von fünf Kindern und hatte es als solches nicht gerade leicht. Das älteste Kind war seine 12-jährige Schwester Tomoko, die bereits versprochen war, dann folgte sein Bruder Hideo mit zehn Jahren, dann kam er und schließlich die beiden dreijährigen Zwillingsmädchen Momo und Ume. Für die beiden Kleinen war es normal, dass ihr Vater für sie kaum präsent war, sie kannten es nicht anders. Tomoko war das stille und artige, tugendhafte Mädchen, das sich alle Eltern wünschten. Hideo war immer bemüht, es seinem Vater recht zu machen, da er als ältester männlicher Nachkomme ja einmal in dessen Fußstapfen treten sollte. Er verdrängte die Hiebe und die Spitzen, versuchte immer mit einer beharrlichen Verbissenheit, die man keinem Kind in diesem Alter zugetraut hätte, zu gefallen und zu imponieren. Nur er, Takeshi, war der ewige kleine Rebell, den Mund voller Fragen, den Kopf voll Unsinn und Eigenwill. Als Takeshi wenig später als letzter an den Tisch trat, war er sich des stechenden und missbilligenden Blickes seines Vaters bewusst und er schluckte, um ihn nicht trotzig zu erwidern. Zu groß war die Angst vor einer Strafe. Ehe er jedoch den Mund öffnen konnte, um sich zu rechtfertigen, bemerkte er, dass sie Besuch hatten. Er war gekleidet wie ein Samurai, ein adliger noch dazu, das erkannte Takeshi sofort. Er musste ihn eine ganze Weile mit offenem Mund angestarrt haben, denn die Stimme seines Vaters ließ ihn plötzlich zusammenzucken. "Ich bedauere das ungebührliche Verhalten meines Sohnes zutiefst, Tanaka-sama." Er spürte den hämischen Blick seines Bruders auf sich ruhen. Takeshi wusste nicht, warum, aber die beiden hatten niemals ein wirklich gutes brüderliches Verhältnis gehabt. Während er geduckt an seinen Platz schlich, wandte Suguro sich an seine Familie und verkündete: "Wir haben heute hohen Besuch. Tanaka-sama, der einst an der Seite unseres verehrten Kaisers selbst kämpfte, erweist uns die Ehre mit seiner Anwesenheit. Hideo, Takeshi. Nach dem Essen erwarte ich euch draußen im Hof. Tanaka-sama wünscht eine Kostprobe eurer bisher erworbenen Fähigkeiten mit dem Schwert." Nun sah Takeshi auf und einen Moment starrte er den fremden Mann verwundert an. Er war doch nur ein Kind und dieser Mann augenscheinlich einer der großen Samurai mit denen sein Vater Seite an Seite gekämpft hatte. Wieso wollte er ...? Plötzlich wurde seine Kehle trocken. Könnte das tatsächlich sein? Manche Samurai, die selbst keine Kinder hatten, sahen sich in anderen Familien nach würdigen Nachfolgern um und nahmen sie dann als Schüler und Erben auf, was eine große Ehre war für die Familie. "Starr doch nicht so!", zischte Hideo ihm plötzlich aus dem Mundwinkel zu und Takeshi klappte schnell den Mund wieder zu und wandte den Blick leicht errötend wieder auf sein Essen. Irgendwie bildete er sich dabei ein, den Blick Tanakas auf sich ruhen zu haben. Plötzlich bekam er keinen Bissen mehr herunter vor Aufregung. Sein Herz klopfte schneller. Während der gesamten Abwesenheit seines Vaters hatte er Unterricht gehabt und auch außerhalb dieses Unterrichtes hatte er immer geübt und jetzt sollte er wirklich die Gelegenheit bekommen, seinem Vater zu beweisen, dass doch etwas in ihm steckte? ~*~ Etwas später an diesem Tag stand er seinem Bruder gegenüber in Kampfposition. Natürlich übten sie nur mit stumpfen Schwertern, ansonsten wäre es zu gefährlich gewesen, aber Takeshi war trotzdem nervös für zehn. Hideo dagegen machte einen sehr selbstsicheren Eindruck. Ja, fast schon zu sicher. Takeshi schluckte noch einmal und schwor sich, nun die Zähne zusammenzubeißen und sein Bestes zu geben. Auch wenn er genau wusste, dass Hideo ihm in den Übungsstunden meistens überlegen gewesen war. Der Kampf begann. Hideo griff an, ungestüm und direkt, wie es seine Art war.Er wich aus, setzte zum Gegenschlag an. Kam jedoch nicht dazu, da er einen abermaligen Hieb parieren musste und genauso ging es die meiste Zeit weiter. Immer verzweifelter parierter er und versuchte eine Lücke in Hideos Deckung zu finden, doch es gab einfach kein Durchkommen. Er startete einen letzten verzweifelten Versuch und dann spürte er, wie ihm das Schwert aus der Hand geschlagen wurde, so heftig, dass sein Handgelenk schmerzte und im nächsten Moment hielt Hideo ihm das Schwert zum Zeichen seines Sieges gegen die Kehle. Er grinste triumphierend. Takeshi keuchte und sah seinen Bruder mit einer Mischung aus Verzweiflung und Wut an. Ein Klatschen ließ beide Haltung annehmen. "Gut. Wie sieht es im Nahkampf aus?" Takeshi horchte auf. Nahkampf war etwas, das er zweifelsohne beherrschte, sein Lehrer hatte ihn immer sehr gelobt. Er warf einen Seitenblick zu selbigem hin und dieser lächelte ihn aufmunternd an. Hideo und Takeshi verbeugten sich beide. Die Schwerter wurden beiseite gelegt. Sie nahmen beide eine Kampfposition ein. Aber Takeshi war nicht so dumm, anzugreifen. Er war der Auffassung, wenn man selbst zuerst angriff, wirkte man, wie ein in die Enge getriebenes Tier, das sich verteidigte und suggerierte dem Gegner sofort dessen Überlegenheit. Hideo schien da allerdings anderer Auffassung zu sein. Beschwingt von seinem Sieg eben hatte er wohl beschlossen, noch einmal richtig ranzugehen und nachdem das Startsignal für den Kampf ertönt war, machte er auch schon ein paar gezielte Bewegungen und Schläge in Richtung seines jüngeren Bruders. Und Takeshi merkte wieder einmal, dass Hideo viel zu ungestüm war, das hatte dieser von ihrem gemeinsamen Lehrer auch oft genug zu hören bekommen. Und er nahm sich die Worte seines Lehrers, wie es aussah, immer noch nicht zu Herzen. Eine ganze Weile wich er nur aus, wich zurück, beobachtete die Bewegungen Hideos. "Na, was ist?", keuchte dieser irgendwann, nur für sie beide zu hören. "Hast du etwa Angst? Solltest du auch!" Genau in diesem Moment führte Hideo einen offensiven Schlag gegen ihn aus, der, wenn er denn getroffen hätte, ihn sicherlich außer Gefecht gesetzt hätte. Und genau das nutzte Takeshi gnadenlos aus, denn führte man einen solchen Schlag aus, musste man seine eigene defensive Position aufgeben, für einen kurzen Moment war man angreifbar. Takeshi wich blitzschnell zur Seite, ergriff Hideos Arm und nutzte dessen Schwung aus, um ihn nach vorne zu ziehen und ihm im nächsten Moment einen schmerzhaften und gezielten Handkantenschlag zwischen die Schultern zu setzen. Hideo keuchte auf, fiel zu Boden, dachte jedoch nicht daran, einfach aufzugeben und setzte einen gezielten Tritt gegen Takeshis Kniescheibe, was diesen dazu brachte, leise aufzujaulen und dabei zu Boden zu gehen und fast im selben Moment war Hideo wieder über ihm.. Verdammt, das war ein ganz gemeiner Trick und so wütend darüber, dass Hideo ihn ein zweites Mal zu Fall gebracht hatte, vor dem versammelten Haushalt und dazu noch einem fremden Samurai, dachte er einen Augenblick nicht nach, griff mit der Hand reflexartig neben sich, nur um Hideo dann mit voller Inbrunst eine Ladung Dreck ins Gesicht zu schleudern. Dieser zischte erschrocken auf und diese vorübergehende Blindheit nutzte Takeshi aus, um wieder auf die Beine zu kommen und sich ganz unformell auf den Älteren zu stürzen, der, natürlich beschäftigt damit, seine Sicht wieder zu erlangen, daraufhin das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. "Du bist so ein Riesenarsch!", schrie Takeshi. "Das hast du dir so gedacht, mich hier vor allen bloßzustellen, na warte!!!" Ein ungebührliches Verhalten, wie er selbst nur zu genau wusste. In diesem Moment allerdings war die Demütigung, die er zuvor durch seinen Bruder erfahren hatte, viel größer, viel präsenter, dessen selbstsicheres Gehabe ging ihm so dermaßen auf die Nerven, dass er alles andere um sich herum ausblendete. "Takeshi, es reicht!" Einzig und allein die herrische Stimme seines Vaters brachte ihn in die Wirklichkeit zurück und ließ ihn dessen gewahr werden, was er da gerade getan hatte. Er sah hinab auf seinen Bruder, der benommen vor ihm lag und sich nur noch versucht hatte, abzuschirmen, die Nase blutete ihm, sah nicht gut aus. "Mazaki, bring meine Söhne ins Haus und sieh zu, dass sie sich dabei nicht benehmen wie die Hottentotten." Ein stechender Blick ruhte auf den beiden Jungen und Mazaki, ihr Lehrer, tat schnell, wie ihm geheißen. Er zog den Älteren der beiden Brüder auf die Beine und half ihm beim Laufen, während Takeshi niedergeschlagen und trotzig hinter ihnen hertrottete, seltsamerweise spürte er dabei den musternden Blick Tanakas im Nacken. Da hatte er wohl eine einmalige Gelegenheit, sich von dieser Familie zu lösen und zu Ruhm zu gelangen, versiebt. ~*~ "Ihr müsst das Temperament meiner Söhne verzeihen, Tanaka-sama. Manchmal geht es einfach mit ihnen durch." "Temperament ist ein vorzüglicher Diener, aber ein schrecklicher Herrscher", äußerte sich Tanaka mit nachdenklichem Gesichtsausdruck dazu. "Ich bin sicher, Ihr wollt bald aufbrechen und Euch an anderer Stelle umsehen. Diese Lektion sollten meine Söhne wohl lernen." Tanaka hob die Hand. "Er hat mir gefallen", sagte er nur und Segawa sah ihn überrascht an. Sicherlich redete er von seinem Ältesten. "Es freut mich zu hören, Hideo hat sich schon immer ..." "Ich rede von Eurem jüngsten Sohn." "Takeshi?" Völliges Unverständnis lag auf dem Gesicht des Familienoberhauptes und auch ein leiser Groll war herauszulesen. Takeshi war seit jeher das schwarze Schaf der Familie gewesen, hätte Tanaka es nicht ausdrücklich gewünscht, beide Söhne zu sehen, dann hätte er Takeshi wohl befohlen, sich zurückzuhalten mit seiner Anwesenheit. Der Junge machte ihm trotz seines Alters nur Kummer mit seiner rebellischen Art. ~*~ Takeshi riss sich von seinem Lehrer los, welcher ihn mit einer Hand leicht auf der Schulter Richtung Haus dirigiert hatte, und lief in Richtung des weitläufigen Gartens. Hideo wollte protestieren, doch Mazaki-sensei gebot ihm Einhalt. "Lass ihn", sagte er nur und Hideo tat wie ihm geheißen, nicht, ohne seinem kleinen Bruder noch einmal böse hinterher zu starren. Er saß im Gesträuch in einer kleinen Höhle, oder wie man es nennen mochte, und hatte den Kopf auf die angewinkelten Knie gestützt. Niedergeschlagen starrte er das Gesträuch vor sich an. Immerhin würde ihn hier niemand finden, da niemand wusste, dass weit in den Büschen so viel Platz war. Außer ihm kannte niemand dieses Versteck. So wollte er keinem unter die Augen treten. Er würde warten, bis es dunkel war, und sich dann in sein Zimmer schleichen. Er hoffte nur, dass dieser Tanaka nicht über Nacht blieb, es wäre ihm sicher ein Unwohles, ihm noch einmal unter die Augen zu treten. Wenn Hideo ihn nur nicht so gereizt hätte, dachte er mit leichtem Groll. Dann wäre die Situation nicht so eskaliert. Immerhin war eine der Grundeigenschaften eines Samurai ein beherrschtes Wesen. Und jetzt saß er hier in den Büschen und bemitleidete sich selbst, anstatt sich dem zu stellen, was er falsch gemacht hatte. Aber darüber wollte er jetzt lieber nicht nachdenken. Er konnte weder das Gesicht Hideos noch das seines Vaters ertragen. Er sah hoch zum Himmel, der ein klein wenig durch das Gestrüpp durchblitzte. War es wirklich das, was er für sein Leben wollte? Sich immer der Disziplin unterwerfen, sich immer anpassen? Viel lieber wäre er sein eigener Herr, das tun und lassen, was er wollte, aber er war ja noch viel zu jung. Und er hatte nichts. Im Grunde blieb ihm nichts anderes, als auszuharren, bis er endlich sein 15. Lebensjahr und damit die Volljährigkeit erreichte. Wie ein geprügelter Hund schlich Takeshi später in der Dämmerung zurück zum Anwesen seiner Familie. Vorsichtig sah er sich um - er mochte es nicht, zuerst gesehen zu werden, wenn er die anderen noch nicht sah. Wenig später schlief er niedergeschlagen und kreuzunglücklich ein. ~*~ Takeshi und Hideo gingen sich die nächsten Tage aus dem Weg und besonders Takeshi war sehr abgeneigt, seinem Vater zu begegnen, sodass er wie ein Einbrecher durch das Anwesen schlich. Es war irgendwann seine Mutter, die das nicht mehr mit ansehen konnte. "Takeshi", sagte sie sanft, "das kann so nicht weiter gehen. Du hast einen Fehler gemacht, aber die machen wir alle. Du weißt doch, wie dein Vater ist, nimm dir das doch nicht so sehr zu Herzen." Takeshi brummte leise. "Hideo ist an allem Schuld. Ich wünschte, ich wäre der einzige Junge in dieser Familie!" Seine Mutter lachte daraufhin leise, bemühte sich dann aber um eine ernste Miene. "Takeshi, das ist wirklich nicht sehr nett. Er ist immerhin dein Bruder." "Na und?", erwiderte der Junge trotzig. "Deswegen muss ich ihn ja noch lange nicht mögen." Ama no Uzume seufzte. "Ich bin sicher, in einigen Jahren wirst du anders denken. Es ist normal, dass Geschwister ihre Differenzen haben, aber, Takeshi, eines musst du mir versprechen." Damit nahm sie sein Gesicht in beide Hände und zwang ihn so, ihr in die Augen zu sehen. Einmal mehr ließ er sich von ihren dunklen, warmen Augen gefangen nehmen. "Bitte erhebe niemals in deinem Leben dein Schwert gegen deinen Bruder. Eine Familie ist dazu da, sich gegenseitig zu beschützen, nicht, sich zu bekämpfen." Takeshi versprach es ihr. Und er würde sein Versprechen halten. Denn er liebte seine Mutter. Sie war so eine schöne und warmherzige Frau und sie tat alles für ihre Kinder. Auch wenn er das Gefühl nicht loswurde, dass sie sich manchmal sehr einsam fühlte. Er schlief diese Nacht sehr schlecht. Er träumte viel und unruhig und sehr wirr. Er träumte von einer Waffe, die er erhielt, die aber so riesengroß war, dass er sie unmöglich hätte halten können. Dann träumte er, dass er damit seinen Bruder erschlug, der aber plötzlich nicht mehr sein Bruder, sondern ein Dämon war - oder von einem besessen. Noch als er mitten in diesen Träumen war, spürte er, wie man ihn rüttelte und er brauchte eine Weile, um zu sich zu finden. Verwirrt blinzelte er in das aufgeregte Gesicht seiner Kinderfrau. "Na, wach schon auf, dein Vater will dich sehen, er hat dir wohl etwas Wichtiges zu sagen." "Mhh ... Kann das nicht warten, bis ich ausgeschlafen habe?", murmelte der Junge unwillig, erhob sich aber dennoch, um sich von seiner Amme beim Ankleiden helfen zu lassen. "Hat er gesagt, was er will?", murmelte er schlaftrunken. "Nein, hat er nicht", erwiderte sie geschäftig, "aber ich bin sicher, es ist nichts Schlechtes, hab keine Bange." "Was macht dich da so sicher?", murrte der Knabe und blickte die Frau verständnislos an. Diese schmunzelte. "Weibliche Intuition. Und jetzt komm, wir sollten keine Zeit verlieren." Takeshi mochte es nur ungern zugeben, aber er war aufs Äußerste nervös. Es kam nicht oft vor, dass ihn sein Vater zu sich zitierte und dann noch nach dieser Sache, die da vor einer Woche passiert war. Er schluckte, als er in das Zimmer seines Vaters eintrat. "Ihr wolltet mich sehen, Chichi-ue?", kam seine Stimme viel zu scheu und zu piepsend aus seinem Mund und er wagte es nicht Suguro anzusehen. Eine Antwort ließ auf sich warten. Stattdessen spürte er den musternden Blick seines Vaters auf sich ruhen, als suche dieser nach der Ursache für etwas, das er sich nicht erklären konnte. "Nun", sagte er dann schließlich steif, "ich weiß nicht, wieso, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund hat sich Tanaka-sama sich dafür entschieden, dass du derjenige bist, der sein Erbe antreten soll , nicht Hideo, wie ich es eigentlich erwartet hatte." Die letzten Worte versetzten ihm einen Stich, doch plötzlich merkte er auf. Hatte sein Vater gerade wirklich gesagt, dass man sich für ihn entschieden hatte? Er starrte ihn ungläubig an. Aber wieso nur lag da kein Stolz, sondern eher Missmut in der Miene seines Vaters? War er ihm wirklich so zuwider? "In einer Woche wirst du abreisen. Ich werde alles in die Wege leiten. Und mach mir ja keine Schande." Takeshi verneigte sich und auch wenn Enttäuschung und Wut über das Verhalten seines Vaters in ihm grollten, so sagte er artig: "Ja, Chichiue-san." ~*~ Als es schließlich so weit war, staunte er nicht schlecht, als er das Anwesen Tanaka-samas betrat. Er hatte immer geglaubt, seine eigene Familie sei wohlhabend, aber das war ja nichts dagegen. Man brachte seine Habe auf ein Zimmer, über das er sich nicht beklagen konnte, und dann zeigte man ihm ein wenig das Anwesen, nur um ihn bis zum Abend hin allein zu lassen. Dieses Anwesen war nicht sehr weit von dem seines Vaters entfernt, weniger als einen halben Tagesritt, sollte er also irgendwann einmal Sehnsucht nach seiner Familie bekommen, dann wäre sie erreichbar. Allerdings verspürte er momentan noch nicht das geringste Bedürfnis, nachhause zurückzukehren. Seine Mutter, sie tat ihm schon leid, sie hatte geweint beim Abschied und sein Bruder hatte ihn nur mit regloser Miene angesehen und Takeshi hatte immer noch so das dumpfe Gefühl, dass dieser es ihm mehr als übel nahm, dass er ausgewählt worden war. Als ob Takeshi es sich ausgesucht hatte. So saß er nun ein wenig in seinen Gemächern und wollte sich ausruhen, aber die Nervosität ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Er hatte ja noch kaum ein Wort mit Tanaka-sama gesprochen. Beim Abendessen würde er ihn das erste Mal, seit er damals bei ihnen zu Gast gewesen war, zu Gesicht bekommen. In seinem Inneren herrschen gemischte Gefühle. Einerseits erfüllte es ihn mit Stolz, von so einem bedeutenden Mann als sein Nachfolger auserkoren worden zu sein, andererseits fiel es ihm schwer, Tanaka nach dieser kurzen Begegnung einzuschätzen. Als man ihn schließlich wenige Stunden später zum Abendmahl rief, schluckte er schwer und lief den Weg fast, als wäre es der Weg zum Galgen. Ihm wurde mit einem Mal schlecht und am Liebsten wäre er umgekehrt und davongerannt, hätte sich am liebsten wieder in den Büschen versteckt, aber diese Möglichkeit hatte er hier nicht. Als er schließlich eintrat, verneigte er sich höflich, wie man es ihn gelehrt hatte, und sagte: "Guten Abend, Tanaka-sama." Noch immer nicht wagte er es, den Blick zu heben, und sein Herz pochte in der Höhe des Adamsapfels. "Keine Scheu, mein Junge, tritt näher und setz dich." Takeshi sah überrascht auf; diese freundliche Stimme passte ganz und gar nicht zu der Vorstellung, die er von Tanaka gehabt hatte. Und jetzt, wo er langsam näher kam, hatte er auch Gelegenheit die Erscheinung Tanakas zu betrachten. Das Gesicht war sehr edel, mit hohen Wangenknochen, einem schmalen Mund und nicht zu eng beieinander sitzenden Augen. Irgendwas jedoch störte an diesem Anblick. Ja, es war die Nase. Sie war krumm und schien nicht wirklich in das feine Gesicht zu passen - es wirkte so, als sei sie einmal gebrochen gewesen und danach nicht richtig versorgt worden. Tanaka wirkte gar nicht so alt, auch wenn er schon Mitte 40 sein mochte, er hatte freundlich zu ihm gesprochen, dennoch lagen Autorität und eine gewisse Strenge in seinen Zügen. Takeshi wirkte leicht überrascht als sein Blick neben ihn wanderte und eine Frau erblickte, die Anfang 20 sein mochte und sittsam neben ihrem Gatten saß, der Blick war ebenfalls auf ihn gerichtet. Sie wirkte auf den ersten Blick eher unscheinbar mit ihren etwa knapp 1,50 m, dem blassen Gesicht unddem knabenhaften Körperbau, aber ihre Augen strahlten Wärme und Freundlichkeit aus. Tanaka verkniff sich ein Schmunzeln. "Meine Gattin, Kubichi. Nimm Platz." Takeshi nickte hastig. "Verzeihung, ich habe nicht starren wollen", murmelte er und eilte sich dann, sich an dem ihm zugewiesenen Platz niederzulassen. "Du musst hungrig sein von deiner langen Reise", sagte Kubichi und ihre zarte, leise Stimme vollendete die fragile Erscheinung der jungen Frau. “Bitte iss, ich habe unseren beiden Köchinnen gesagt, dass sie sich heute besonders viel Mühe geben sollen.” Takeshi lächelte unsicher, tat es dann jedoch den beiden Erwachsenen gleich und griff nach seinen Stäbchen, um etwas Fleisch und Gemüse zu sich zu nehmen. Erst fürchtete er, sein Magen würde rebellieren, aber diese Sorge war unbegründet, denn nach dem ersten Bissen spürte er, wie hungrig er wirklich war. Seit er das letzte Mal etwas gehabt hatte, war schon ein wenig Zeit vergangen. Während des Essens schwieg man, aber Takeshi fühlte sich bei weitem nicht so unwohl, wie noch kurz zuvor. Allerdings war er ein wenig aufgeregt bei dem Gedanken daran, was ihn wohl erwarten würde. Wie als habe er seinen Gedanken erraten, sagte Tanaka kurze Zeit später: “Ich möchte dir zwei Tage geben, um dich einzugewöhnen, dann werden wir mit dem Unterricht beginnen. Erwarte nicht, dass es einfach wird und du so ein leichtes ... Spiel haben wirst. Der Weg, ein Samurai zu werden, erfordert sehr viel Geschick, Selbstdisziplin und vor allem Zähigkeit. Du hast Strafen zu erwarten, wenn du nicht meinen Anforderungen gerecht wirst, aber auch wirst du gelegentlich einen Lohn erhalten, wenn du dich gut machst. Aber bei allem was wir tun, erwarte ich absoluten Respekt und vor allem Hörigkeit mir gegenüber. Ich werde dich auch gelegentlich testen, ohne dass du es bemerkst. Denkst du, dass du dem gewachsen bist?” Takeshi nickte bekräftigend mit dem Kopf. “Ja, Herr!”, sagte er, bestrebt darin, es allen zu beweisen. Tanaka nickte. “Dann bist du für heute entlassen.” Takeshi nickte und erhob sich, doch dann hielt er noch einmal kurz inne. “Darf ich ... etwas fragen, Herr?” Tanaka nickte. “Warum ... ich, warum habt Ihr Euch nicht für meinen Bruder entschieden?” Zu seiner Überraschung lächelte der Mann. “Weil du einen überlebenswichtigen Zug an dir hast, der vielen Aristokraten verwehrt bleibt.” “Und ... der wäre?”, wagte Takeshi vorsichtig nachzufragen. “Du bist dir nicht zu fein dazu, all deine dir gebotenen Möglichkeiten auszuschöpfen, um dein Überleben zu sichern…” ~*~ Seit dieser Zeit waren inzwischen einige Jahre ins Land gegangen. Takeshi war gerade 12 geworden. Die erste Zeit war die Hölle gewesen. Tanaka hatte ihm alles abverlangt, was ging, und selbst wenn er heulend am Boden lag, zwang er ihn, weiterzumachen. Er hatte ihm damals aufgetragen, jeden Morgen eine Stunde zu laufen, um seine Kondition aufzubessern. Dann ging es mit Nahkampf weiter und später am Nachmittag schließlich mit Schwertkampf, dreimal die Woche gab es Unterricht in Allgemeinbildung und später wich dieser der Dämonenkunde. Ihm wurden verschiedene Kampfstile gezeigt, verschiedene Waffen, aus denen er später würde wählen können - jeder hatte so seine Stärken und Schwächen und Tanaka würde ihm später gerne die Wahl lassen, nur die erste Zeit hatte er sich an allem zu versuchen. Katana, Kurzschwert, Doppelschwerter, Hellebarde. Einmal hatte Tanaka gelacht und gesagt, sobald er die Hellebarde mit ihrem enormen Gewicht mühelos führen könne, würde er ihn sofort in den Rang eines Samurai erheben lassen. Takeshi hatte daraufhin die Zähne zusammengebissen und versucht das ‘verfluchte Mordsteil’ anzuheben, aber er hatte Übergewicht bekommen und war auf den Boden geplumpst.Seitdem hatte er noch mehr Muskeltraining gemacht als vorgeschrieben, was Tanaka mit stillschweigendem Wohlwollen zur Kenntnis genommen hatte. Er hatte sich in dem Knaben nicht getäuscht. Nein, noch viel mehr, er hatte seine Erwartungen bei weitem übertroffen. Diesbezüglich hatte er sich zwar nur seiner Gattin geäußert, aber diese war sofort zu Takeshi gegangen und hatte ihm davon berichtet. Sie hatte sich sehr für ihn gefreut. Überhaupt mochte Takeshi Kubichi-sama sehr gerne. Sie war so eine ehrliche, offene Seele. Im Laufe der Jahre hatte er auch erfahren, dass Kubichi keine Kinder bekommen konnte, durch eine Krankheit, die sie als junges Mädchen einmal im Unterleib gehabt hatte. Takeshi hatte sich gewundert, dass Tanaka sie dennoch geehelicht hatte, aber dann war der Verdacht in ihm aufgekeimt, dass es wohl eine Hochzeit aus Liebe gewesen sein mochte. Etwas Ungewöhnliches, vor allem da Tanaka sicher die Mittel gehabt hätte, sich die beste und schönste Frau des Landes zu wählen, aber Takeshi konnte nach einiger Zeit verstehen, warum er sich für sie entschieden hatte. Sie war treusorgend, liebevoll, aufrichtig, sittsam und sehr klug. Takeshi nahm sich vor, dass er später lieber so eine Frau nehmen mochte, als eine wie seine Schwester, die nur still und stumm da saß und zu nichts eine eigene Meinung hatte. Natürlich wusste er im Stillen auch, dass manche der Samurai es sogar als passabel ansahen, sich Knaben ins Bett zu holen und ein, zwei Mal hatte er auch junge Männer ins Haus kommen und gehen sehen. Doch seltsamerweise hatte Kubichi sich niemals daran gestört. Takeshi hatte in dieser Zeit seine Familie nur sehr selten besucht. Die Distanz zu seinem Vater war inzwischen zu einer unüberwindbaren Kluft herangewachsen, die ihn schmerzte. Sein Bruder hingegen schien mit den Jahren ein wenig reifer geworden zu sein, dennoch wechselte er nicht viele Worte mit ihm. Takeshi hatte das Gefühl, dass dieser es ihm immer noch nicht verziehen hatte, dass er damals ausgewählt worden war und nicht Hideo. Irgendwann war es Takeshi, der seine Sturheit überwand und sich ein Herz fasste, das Gespräch suchte, als er wieder einmal zu Besuch daheim war. Er hatte Hideo zu einem Spaziergang überreden können. Schweigend zogen sie über die Ländereien ihres Vaters, bis er endlich das Wort ergriff. "Hideo, soll das jetzt ewig so weitergehen?" Seine Stimme war leise dabei und ein geübter Zuhörer hätte die Betrübnis heraushören können. Um Hideos Mund lag ein verkniffener Zug, seine Augen wurden schmaler. "Was meinst du?", fragte er steif. "Naja, wir waren mal so etwas wie Brüder, aber jetzt kommt es mir vor, als seien wir Fremde - hör mal, wenn ich gewusst hätte, dass die Möglichkeit bei Tanaka-sama in die Lehre zu gehen bedeuten würde, keinen Bruder mehr zu haben, dann hätte ich mich mit Zähnen und Klauen geweigert!" Nun war es an Hideo ihn überrascht anzusehen. "So denkst du wirklich?" Takeshi nickte und ihm fiel dabei auf, um wie viel größer Hideo jetzt als er war. Hatten sie früher nur wenige Zentimeter getrennt, so war es jetzt fast ein ganzer Kopf. Hideos Gesicht wurde etwas ernster. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich dir das nicht noch lange nachgetragen habe, aber ... das ist es nicht, was mir momentan Sorge bereitet." "Wie meinst du das?" "Es geht um Vater ..." "Was ist denn mit ihm?" "Er verhält sich eigenartig." "Eigenartiger als sonst, meinst du?" "Er ist mit den Jahren immer schlimmer geworden, du bekommst das gar nicht mehr so richtig mit. Tomoko heiratet ja jetzt bald und es kann ihm gar nicht schnell genug gehen. Ich bin ... misstrauisch geworden und habe ... in seinen Sachen ... herumgeschnüffelt", gab er widerwillig zu. "Und dabei bin ich auf ein Pergament gestoßen. Ich hab mir eine Kopie davon angefertigt." Er blickte sich kurz um, dann sagte er noch leiser: "Takeshi, ich will nicht den Teufel an die Wand malen, aber ich glaube, dass Vater vor einigen Jahren mit Dämonen paktiert hat." Takeshi blieb wie angewurzelt stehen und sah seinen Bruder mit großen Augen an. "Das ... meinst du doch jetzt nicht ernst, oder?" Hideo nickte. "Doch, leider. Ich wage es natürlich nicht, ihn darauf anzusprechen, aber ... ich hab das Gefühl, dass dieser Familie bald ein großes Unglück geschehen wird. Also, Takeshi, bitte ... Tu mir einen Gefallen, ja?" Takeshi nickte starr. "Was wünscht du?" "Halt dich ... von dieser Familie fern, ich will nicht, dass dir etwas geschieht. Ich versuche mich hier um die anderen zu kümmern." „Worum bittest du mich da!“, rief er bestürzt aus, „Ich werde mit Tanaka-sama sprechen, er weiß sicher, was zu tun ist!“ Hideo legte ihm eine Hand auf den Oberarm und schüttelte ihm den Kopf. „Ich fürchte, dass es bereits zu spät ist. Takeshi setzte erneut dazu an, etwas zu sagen, doch Hideo unterbrach ihn. Er blieb dabei stehen und sah ihm direkt in die Augen. „Takeshi, ich war wirklich hässlich zu dir. Ich habe mich lange nicht verhalten, wie ein großer Bruder sich verhalten sollte. Lass mich das bitte… auf diese Weise wieder gut machen. Bei Tanaka-sama bist du in Sicherheit.“ Takeshi schwieg. Er wusste nichts darauf zu sagen, doch eine fürchterliche Angst umkrallte plötzlich sein Herz. ~*~ Am nächsten Morgen ließ der Samurai schon ganz früh nach ihm schicken. "Ihr habt mich gerufen, Sensei?" Tanaka nickte. "Ich war sehr zufrieden mit dir in der letzten Zeit. Zudem habe ich dich beobachtet - auch oft, wenn du meintest, alleine zu sein. Und ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass du eine Belohnung verdient hast, die ich dir anlässlich deines Geburtstages gerne überreichen möchte." Takeshi sah Tanaka mit großen Augen und offenem Mund an. Wirkliche Geschenke hatte er ja sonst nie bekommen, deshalb war er gerade besonders neugierig, was es denn sein könnte. Tanaka erhob sich, gefolgt von dessen Hofmeister, und Takeshi trippelte beinahe nervös hinter den beiden her. Sie gingen zur Waffenkammer, wie der Junge irgendwann bemerkte. Sollte er etwa ...? Ihm konnte es plötzlich gar nicht schnell genug gehen, aber er ließ sich von dieser Ungeduld nichts anmerken. Inzwischen hatte er ganz gut gelernt, wenn es wirklich angebracht war, seine wahren Gefühle zu verbergen. Takeshi konnte seinen Augen kaum trauen, als er sah, was das war, das man für ihn vorgesehen hatte. Die Waffe war wohl nicht neu geschmiedet, aber hergerichtet worden. Von der Gesamtlänge her glich sie einer Hellebarde, mit der Takeshi oft heimlich geübt hatte, aber optisch wirkte sie mehr wie ein riesenhaftes Schwert mit eigentümlich mattem Schimmer. Das war doch kein Metall. Wie als habe er seinen Gedanken erraten, meinte Tanaka schmunzelnd: "Ich habe sie für dich aus dem Knochen des Himmelsdrachen anfertigen lassen, den du vor zwei Monaten zur Strecke gebracht hast. Drachenknochen eignen sich durch ihre außergewöhnliche Härte und Schärfe, wenn man sie schleift, hervorragend für Waffen solcher Art, du musst sie nur zu führen lernen. Aber ich warne dich, unterschätze sie nicht, ein Drachenschwert sollte immer bedachtsam verwendet werden. Oft sind noch die Energien des Wesens darin eingeschlossen und nicht selten passiert es, dass diese Einfluss auf den Geist nehmen. Wenn sie sich nicht für würdig erachten, wird dich dein eigenes Schwert in die Knie zwingen. Takeshi, glaubst du, du bist stark genug, diese Waffe zu meistern?" Takeshi nickte entschlossen. Ja, er war stark genug. Und er würde sie meistern. Und dann würde er sich einen Namen machen. Irgendwann. ~*~ Zwei Jahre später hatte Takeshi einen Traum. Die Welt war in Rot getaucht. Blutiges Rot. Es schneite. Er war auf dem Weg zu seiner Familie. Roter Schnee. Er fühlte Unruhe. Schneller, schneller! Er trieb sein Pferd an. Bald kam das Haus seiner Familie in Sicht und schon aus der Ferne hörte er ihre Todesschreie. Nein, nicht! Er riss die Tür auf. Stürzte hinein. Und da sah er den Dämon. Ein finsterer hochgewachsener Yōkai, inmitten der Leichen seiner Verwandten. Der Dämon erblickte ihn und stieß ein triumphierendes Lachen aus. "Jetzt hab ich euch alle!" Mit diesem heiser gewisperten Satz stürzte er sich auf ihn und Takeshi wachte mit einem heiseren Schrei auf den Lippen auf. Das Herz raste ihm, dass er glaubte, es zerspringe gleich in seiner Brust. Er war nass geschwitzt, fuhr sich durch das wirre Haar. Draußen war es noch stockdunkel. "Nur ein Traum", sagte er sich. Er fühlte sich hundeelend. Der Tod von Menschen, die einem etwas bedeuteten, in Träumen hinterließ immer einen fahlen Nachgeschmack nach dem Aufwachen. Takeshi fühlte sich nicht so, als könne er wieder schlafen. Nein, im Gegenteil. Er hatte diese Unruhe in sich, die er auch in seinem Traum gehabt hatte. Diese verdammte Unruhe, dieses miese Gefühl. Eine Viertelstunde später preschte sein Pferd in der fahlen Morgendämmerung vom Hof. Es war gefährlich, vor allem im Winter, so im Dunklen zu reiten, aber das war ihm egal. Er musste nachhause, so schnell es ging! Sollte sich dieser Traum einfach nur als Traum herausstellen, dann würde er umkehren und sich eine passende Entschuldigung für Tanaka-sama ausdenken, aber wenn nicht dann ... Daran mochte er gar nicht denken. Banryūs Gewicht spürte er schwer auf seinem Rücken. Ihm schlug das Herz bis zum Halse. Sein Pferd scheute, beinahe wäre es gestürzt und hätte ihn unter sich begraben, aber es fing sich im letzten Moment gerade noch so. Takeshi trieb und trieb es weiter an, bis ihm vor Anstrengungen bereits Schaum aus dem Maul trat, doch er blieb unerbittlich. Er musste zu ihnen, er musste ... sehen, was er noch verhindern konnte, er musste ... er musste etwas tun! Schon in dem letzten Abschnitt der Strecke traten ihm Tränen in die Augen, da er plötzlich die Gewissheit hatte, dass dieser Traum nicht nur ein Traum war. Es war real, es war alles real. Er stieß einen verzweifelten Schrei aus, als er dem Tier noch einmal die Hacken in den Bauch rammte, um ihm auch das Letzte abzuverlangen, sein eigener Körper schmerzte vor Anstrengung. Bitte ... Bitte ... Er wusste nicht einmal, um was er flehte. Vielleicht das Unausweichliche nicht sehen zu müssen? Dem Ungeheuer, das er fürchtete, nicht in die Augen blicken zu müssen. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als der Hof seines Vaters in der Ferne auftauchte. Schon von weitem erkannte er es schwelen, die vereinzelten Rauchsäulen, die aufstiegen. Nein, ihr Götter, bitte, Nein! Er zügelte sein Pferd erst auf den letzten zehn Metern und es war noch nicht ganz stehen geblieben, als er auch schon absprang und auf das Anwesen seiner Familie zurannte. Sein ledernes Schuhwerk ließ den Schnee knirschen, die Stille die ihm entgegenschlug, war gespenstisch und dieser grässliche Geruch ... Es roch nach Feuer und nach etwas Fauligem. Das Wort Yōkai schoss ihm plötzlich durch den Kopf. Er konnte kein Feuer sehen. Und doch lag der Geruch von Tod in der Luft. Die Tür stand offen. Takeshi stoppte an der Schwelle. Mittlerweile wusste er, was ihn erwartete. Und auch, wenn er wusste, dass es seine Pflicht war, nachzusehen, so zögerte er diesen letzten Schritt zu überwinden. Wenn er jetzt einfach wieder umdrehte und zurückkehrte ... er könnte vielleicht sogar zurück sein, ehe man sein Verschwinden bemerkte oder bemängeln konnte. Einfach so tun, als wäre nichts gewesen. Nein. Er konnte nicht in einer Lüge leben. Dann betrat er das Haus. Stille schlug ihm entgegen. Unerträgliche Stille. Und dieser widerliche Geruch. Dieser widerliche, drückende Geruch. In einer Blutlache wäre er beinahe ausgerutscht. Takeshi zog wie betäubt die Schiebetür zur Seite, unter der sie hervorgetreten war. Und da sah er Tomoko in ihrem eigenen Blut liegen, drei Tiefe Schnitte oder Kratzer über ihre Brust hatten sie verbluten lassen. Ihre Augen ... waren herausgerissen worden. Einen Moment war Takeshi nicht fähig sich zu rühren ... wer ... was ... beging so eine Abscheulichkeit? Noch zu sehr unter Schock stehend, um das eben Gesehene zu verarbeiten, verließ er das Zimmer, lief weiter. Weiter in den Wohnraum. Es versetzte ihm einen Stich, einen so tiefen Stich ins Herz hinein, als er seine Mutter dort liegen sah. Und WIE er sie dort liegen sah, Takeshi wurde speiübel. Man hatte sie praktisch skalpiert und auch ihr waren die Augen entfernt worden, ausgestreckt auf dem Rücken lag sie da, unlängst ihrer Hand noch ein Kodacchi. Die Zwillinge hatte man ähnlich brutal ermordet, sie waren beide mit dem Schürhaken aufgespießt worden. Auch ihnen fehlten die Augen. Die ersten Tränen perlten über seine Wange, ohne dass er es bemerkte. Er sah sich weiter um. Irgendjemand - irgendjemand musste doch überlebt haben! Plötzlich hörte er ein leises Ächzen. Sein Herz tat einen nervösen Schlag und Takeshi eilte sich, in die Richtung zu gehen, aus der es gekommen war. Es war nur ganz leise gewesen, aber in dieser Stille hörte man wohl sogar noch einen Grashalm fallen. Er brauchte nicht lange zu suchen, als er seine Kinderfrau fand, ihr waren die Augen nicht entrissen worden, dennoch war sie schwer verletzt. "Nana-san", rief er leise aus, mit Tränen in den Augen und beugte sich zu ihr herab, "Nana-san, was ist hier bloß passiert?" "Takeshi-kun, bist du ... das?" Ihre Stimme war ein heiseres Röcheln und dennoch warunmissverständlich Erleichterung herauszuhören, dass Takeshi hier war. "Ich bin so froh, dass ..." Sie hustete. "E-er hat sie alle ... u ... mgebracht..." "Wer, Nana-san, wer hat sie umgebracht?", hakte er verzweifelt nach, nicht wissend, wie er sie vor dem Sterben bewahren konnte, ihr blieben nur noch wenige Momente. "D-der ... Dämon ... Alle ... niedergemetzelt ..." Ihre Augen flackerten. "Ta ... keshi, dein Vater ... er hat ... ihn hergebracht ..." Ein letztes Mal flackerten ihre Lider, dann lag sie still.Sie war tot. "Nana-san ..."Takeshi zitterte, brauchte einen Moment, um zu realisieren, wassie ihm da gerade gesagt hatte. Sein Vater ... Hideo hatte Recht gehabt, so recht! Kalte Wut begann in ihm zu wachsen, als er sich langsam erhob, umdrehte und zu seinem Pferd ging. Banryū hatte er dort zurückgelassen. Er würde diesen verdammten Dämon umbringen. War er noch hier? Takeshi hatte sich seine Waffe gegriffen dann lauschte er einen Moment in die Stille. Plötzlich schrie er: "Zeig dich, du Hund!!! Oder hast du Angst???" Seine kräftige Stimme hallte über das leere Anwesen, wie das Echo eines Verstorbenen. Doch plötzlich ... Ein Schatten, der schnell rasend auf ihn zukam und Takeshi verdankte es einzig und allein seinen schnellen Reflexen, dass er ihm um Haaresbreite noch auszuweichen vermochte. Hektisch wirbelte er herum und dann sah er ihn. Seinen Vater. Oder das, was er mal gewesen sein mochte, denn es erschien ganz so, als habe er eine gräuliche Wandlung durchgemacht - Takeshi zweifelte plötzlich keine Sekunde mehr daran, dass sein Vater seinen Körper und die Seelen seiner Familie an einen Dämon verkauft hatte. "Das schwarze Schaf kehrt also heim", ein gackerndes Lachen, die Stimme seines Vaters drang nur mehr verzerrt aus seinem Mund. Sein ganzer Körper wirkte seltsam entstellt - ihm waren Dornen und Hörner gesprossen, wo sie unmöglich sein sollten, die Farbe der Augen hatte sich zum Schwarz hin verändert. Mit einem Anflug von blanken Entsetzen starrte Takeshi seinen Vater kurze Augenblicke mit aufgerissenen Augen an. Dann besann er sich wieder. Er ist kein Mensch mehr. Er erwiderte nichts auf die offene Provokation und ging in Kampfstellung. Das Wesen kommentierte dies mit einem höhnischen Gelächter. "Was, du willst dich wirklich gegen deinen eigenen Vater stellen?" "Du bist schon lange nicht mehr mein Vater", sagte Takeshi eiskalt und plötzlich war es da: Das Lodern in seinen Augen, das auch in späteren Jahren so manchen Gegner starr werden lassen sollte vor Ehrfurcht. Selbst das Wesen zögerte einen Augenblick. "Die Dörfler, sie sind auf dem Weg hierher...", sagte es zischend. "Zu welchem Zweck hat mein Vater einen Pakt mit dir geschlossen?" Er ging auf das eben Gesagte gar nicht ein. Ein abermaliges Zischen, wie, wenn man nasses Holz anzündete. Dann lachte es. "Dein Vater war genauso machthungrig und einfältig, wie der Rest von euch Menschen auch. Ich versprach ihm einen Sieg um den anderen, wenn ich nur in seinen Körper schlüpfen könne: Das war die Bedingung. Je öfter er kämpfte, durch jede Schlacht, die er bestritt, wurde ich um ein weiteres genährt, bis ich einst so stark war, dass ich ausbrechen konnte." "Ich werde dich töten", sagte Takeshi mit einem leisen Flüstern, aus welchem der reine Hass tropfte. "Versuch es, Menschenjunge ..." Es stürzte sich auf ihn und nahezu im selben Moment hatte Takeshi seinen defensiven Standpunkt verlassen und stürzte ihm ebenso entgegen. Die Banryū schwang er dabei mit einer Leichtigkeit, wie man es kaum für möglich gehalten hätte. Der Hass, der Schmerz und die unendliche Wut auf alles trugen ihn dabei und es dauerte keine zwei Sekunden, ehe sich ein Regen aus Blut über den jungen Mann ergoss. Blutiger Regen, der sich mit den Tränen auf seinen Wangen vermischte und aus der Ferne hörte er bereits die entsetzten Schreie der Menschen und er wusste, dass er zum jetzigen Zeitpunkt ein Verfolgter war… ~*~ Die nächsten Tage hatte Takeshi irgendwie wie in einem Wachtraum verbracht. Er hatte nur gewusst, dass er fort musste. Er konnte nicht zurück zu Tanaka. Wollte nicht zurück. Er hatte seinen Vater getötet. Er war jetzt sowas wie ein Ronin. Ein Samurai? Unerreichbar. Er verließ den Teil des Landes, in dem man ihn und seine Familie kannte. Er verließ alles, was er kannte. Das erste Geld, das er zum Überleben so dringend brauchte, gewann er in der nächsten größeren Stadt in einem Boxkampf. Sein Gegner war doppelt so alt, drei Köpfe größer und mindestens fünfmal so breit wie er. Er kam nicht einmal ins Schwitzen als er ihn mit drei gezielten Schlägen k.o. schlug. Dann versuchte er, sich als Söldner zu verdingen, was anfangs von mäßigem Erfolg gekrönt war. Doch es wurde. Irgendwie … irgendwie musste er ja überleben. Er wollte jemand sein. Nicht der, der seine Familie hingemetzelt hatte. Er konnte seinen Namen nicht mehr tragen. Er brauchte einen neuen Namen. Einen Neuanfang. Und so wurde aus ihm Bankotsu. Kapitel 10: Takanagas Waffenkunst --------------------------------- Als Bankotsu am nächsten Tag erwachte, bemerkte er nach einem kurzen Blick durch das Fenster, dass es schneite.  Der erste Schnee. Er hatte schlecht geschlafen - Erinnerungsfetzen hatten ihn geplagt und er hatte migräneartige Kopfschmerzen.  Mit einem Stöhnen vergrub er den Kopf unter der Bettdecke und rollte sich in Embryonalhaltung zusammen. Heute Morgen war es ungemütlich kalt. Sie waren nun schon etwa drei Tage hier und zuvor war immer geheizt worden. Haruyama hatte sich gewissenhaft um so etwas gekümmert. Bankotsu glaubte mittlerweile nicht mehr, dass von dem kauzigen Riesen irgendeine Gefahr ausging. Man konnte zwar nicht wirklich mit ihm sprechen, aber wenn man etwas zu ihm sagte, so verstand er einen wenigstens.  Ein angenehmer Kontrast zu der Quasselstrippe Jakotsu und dem sonderbaren Mönch, von dem er nicht wusste, was er von ihm halten sollte. Irgendetwas an ihm hatte sein Interesse geweckt. Bankotsu stöhnte leise und zog sich die Bettdecke wieder vom Gesicht.  Schlafen konnte er jetzt ohnehin nicht mehr, also konnte er genauso gut aufstehen. Wenn sie schon den Winter über hier blieben, dann konnte er die Zeit auch sinnvoll nutzen.  Und außerdem, fiel ihm ein, als er aufstand und erst einmal fröstelte, sollte er um wärmere Kleidung bitten, hier oben war es nämlich wieder ein ganzes Stück kälter.  Kurze Zeit später begann er, das Anwesen zu durchkämmen. Bankotsu wusste, dass es unhöflich war, einfach so nach eigenem Gutdünken durch eine fremde Wohnstätte zu streunen, ein schlechtes Gewissen empfand er jedoch nicht dabei.  Und seine vergessenen Manieren sollten sich nämlich schon bald bezahlt machen - in einem der Räume, wohl ein altes Ankleidezimmer, befanden sich mehrere Wandschränke, die er aufs Geratewohl hin aufzog. Im ersten befanden sich mehrere alte Mönchskutten, die allerdings sicher seit einer langen Zeit schon nicht mehr angefasst worden waren. Die Motten, die ihm entgegen flogen, bewegten ihn dazu, die Schiebetüren schnell wieder zuzustoßen. Im zweiten Schrank wurde er allerdings fündig. Überwürfe aus Pelz, Kopfbedeckungen und andere Winterkleidung kamen zum Vorschein und nach kurzer Zeit entschied er sich für einen abgegriffenen warmen Überwurf mit grauem Pelz.Kurzerhand zog er auch etwas für Jakotsu aus dem Schrank - der Junge sollte sich unbedingt angewöhnen, Hosen zu tragen, dachte Bankotsu bei sich, sonst würde er diesen Winter nicht überleben.  Aus der Ferne war plötzlich ein Knall zu hören und Bankotsu spitzte die Ohren. Das hatte ganz nach einer ... Explosion geklungen?  Als er sich einige Schritte von der Wohnstätte entfernt hatte, um die Quelle der Explosion ergründen zu können, blieb er stehen und schirmte sich mit einer Hand die Augen ab. Kurzerhand entschloss er sich, dem Weg zu folgen, auf welchem man noch ganz schwache Fußspuren erkennen konnte. Fußspuren und irgendeine seltsame Schleifspur.  Eine Weile folgte er diesem Weg, ehe wieder ein Knall zu hören war - augenblicklich sah Bankotsu auf und bemerkte am Himmel ein helles Leuchten, das allerdings schnell wieder verebbte.  Ob dieser Mönch wohl dahintersteckte? Er konnte sich nicht vorstellen, wer hier in der Umgebung sonst noch leben sollte, außer ein paar wilden Tieren.  Erlief einen Hügel hinauf und während diesem Aufstieg wurde die Baumpopulation langsam, aber stetig immer sparsamer. Auf der Spitze des Hügels angekommen, stand er auf einem nahezu freien Platz, der sich über mehrere Kilometer erstreckte.  Und dort entdeckte er tatsächlich in einiger Entfernung den Mönch und den Hünen, vor einer seltsamen Apparatur.  Takanaga sagte irgendetwas zu Haruyama und blickte sehr ernst dabei drein. Die Reaktion des Hünen war nicht zu deuten, aber offenbar schien er verstanden zu haben und reichte seinem Herrn einen kleinen Beutel, auf dessen Inhalt Bankotsu nun neugierig war.  Zuerst zögernd kam er näher und dann rief er laut, da er nicht wollte, dass man dachte er spioniere ihnen hinterher: "Hier steckt Ihr also, Houshi-sama, ich hatte mich schon gewundert."  Takanaga blickte auf und sah Bankotsu mit einem undeutbaren Blick an. "Ich habe einiges zu tun. Dass Ihr hier seid, überrascht mich wenig, Ihr tragt schon eine gewisse Neugier in Eurer Aura."  Bankotsu verzog das Gesicht, beschloss allerdings, diesen Seitenhieb über sich ergehen zu lassen,immerhin hatte er ihn gewisserweise verdient, und meinte stattdessen: "Darf ich fragen, was genau Ihr hier tut?"  Takanaga schien zu zögern, abzuwägen, aber befand die Sache schließlich als nicht brisant genug, dass er es ihm nicht erzählen konnte und antwortete schließlich: "Seht Ihr diese Apparatur?"  Bankotsu folgte seinem Blick und nickte. Allerdings konnte er sich nicht so wirklich etwas darunter vorstellen. "Man nennt es Kanone. Den Knall, den Ihr vorhin wahrscheinlich gehört habt, kommt von dem Schwarzpulver. Der dabei entstehende Druck wird dazu genutzt, ein Geschoss schneller und effektiver zu seinen Feinden zu befördern, als man es mit Pfeil und Bogen, Katapulten und Schleudern je könnte."  Bankotsu bekam große Augen. "Das ... bringt ja jedem Shōgun, der darüber verfügt, immense Vorteile! Habt ihr das ganz allein gebaut, Houshi-sama? Das ist der absolute Wahnsinn!"  Ehrfürchtig ging Bankotsu einmal um die Apparatur herum und Takanaga erwiderte etwas steif: "Es ist noch sehr verbesserungswürdig. Die Explosion bei der Zündung ist noch zu unkontrolliert und somit begibt sich jeder, der diese Waffe führen würde, in potentielle Gefahr - nicht, dass ich vorhätte, dieses Wissen mit irgendjemandem zu teilen."  Das hatte Bankotsu auch nicht angenommen. Er konnte sich bei dem eigenbrötlerischen Mönch irgendwie nicht wirklich vorstellen, dass dieser solche Maschinen rein des Profits wegen entwarf und austüftelte.  "Erklärt mir nochmal das mit dem Schwarzpulver."  „Es wird gezündet und durch den Funken entsteht eine chemische Reaktion. Der Druck in dem kleinen Hohlraum vor dem Geschoss reicht aus, um selbiges abzufeuern, sodass es ernsthaften Schaden anrichten kann."  Irrte er sich oder begannen die Augen des Mönchs bei diesen Ausführungen zu leuchten?  "Es gibt noch andere Ausführungen von Schwarzpulverwaffen. Pistolen zum Beispiel - die Chinesen haben sie hierher gebracht und die haben sie von den Europäern: Sie werden mit einer Lunte gezündet, sehr mühselig und für einen Nahkampf nicht unbedingt geeignet, aber dafür sehr effektiv. Solch eine kleine Eisenkugel vermag sich durch Fleisch und Knochen zu fressen wie ein hartnäckiger Parasit.“  "Ihr interessiert Euch wohl sehr für die Kriegskunst?", hakte Bankotsu nach und freute sich, endlich so etwas, wie ein Gespräch mit dem Mönch führen zu können.  Takanaga schnalzte mit der Zunge und blickte kurz in den Himmel, denn dickere Flocken hatten begonnen auf die Erde zu rieseln.  "Haruyama, wir sind hier fertig", sagte er dann zu dem Hünen, welcher das als Zeichen verstand, die Apparatur zum Transport fertig zu machen.  Dann wandte er sich an Bankotsu. "Das ist so nicht ganz richtig. Die Kriegsführung an sich ist mir, auch dank meiner Stellung, wie Ihr Euch sicherlich denken könnt, seit jeher verwehrt geblieben. Es ist mehr ... die Technik und ihr Fortschritt. Es ist unglaublich, wie zurückgeblieben Japan im Vergleich zu Europa ist."  "Europa? Wo ist das?"  Takanaga kräuselte leicht verächtlich die Lippen und erwiderte dann: "Ein großer Kontinent, den Ihr erreicht, wenn Ihr nur weit genug nach Westen reist. Nicht so groß wie Asien, und sehr rau und barbarisch. Aber dennoch kann man ihnen den technischen Fortschritt nicht absprechen."  Bankotsu klebte förmlich an seinen Lippen. "Seid Ihr schon einmal dort gewesen?"  Takanaga lenkte seinen Blick in die Ferne. "Nein. Wie stellt Ihr Euch das vor? Ich bin in einem Kloster aufgewachsen und habe abstinent gelebt, da blieb keine Zeit Reichtümer für solch eine große und vor allem gefährliche Reise anzuhäufen."  "Woher wisst Ihr dann davon?"  "Ihr seid sehr neugierig, Bankotsu."  "Ich weiß, verzeiht - also, was ist nun?"  "Als ich ein Knabe war, hatten wir in dem Kloster, in dem ich lebte, europäische Gäste auf der Durchreise."  "Ach, so ist das ...", murmelte Bankotsu, dem plötzlich bewusst wurde, dass er überhaupt keine Vorstellung davon hatte, wie groß die Welt, in der sie lebten, wirklich war. In seinem Denken hatten bisher ausschließlich Japan und ein paar Nachbarstaaten existiert. Natürlich wusste er schon rein von der Logik her, dass das unmöglich die ganze Welt sein konnte, aber er hatte eben nie weiter gedacht.  Plötzlich fiel ihm etwas ein. "Houshi-sama?"  "Ja?"  "Dieser abgebrannte Teil der Tempelanlagen ... war das ein Experiment von Euch, das schiefgegangen ist oder ...?"  Bildete sich Bankotsu das ein oder wurde der ansonsten so harte und verkniffene Blick des Mönchs für einen kurzen Augenblick schmerzlich?  "So etwas ... in der Art", lautete die Antwort.    ~*~ "Also, wenn Bankotsu wirklich vorhat, den Winter über hierzubleiben, werden wir uns zu einem großen Teil wahrscheinlich von gefrorenen Schnecken ernähren dürfen", maulte Jakotsu leise vor sich hin, als er das erste Mal die Speisekammer sah. Er konnte zwar nicht sonderlich gut kochen, aber für das Nötigste reichte es und seine Kenntnisse reichten ebenfalls aus, um ihm zu sagen, dass das bisschen Trockenfleisch und Trockenobst niemals ausreichen würde um vier Personen, von denen eine für zwei aß, durch einen harten Winter zu bringen.  Kopfschüttelnd besah er sich das "Desaster" mit in die Hüften gestemmten Händen.  "Haruyama, ehrlich mal, wie kommt ihr hier an Lebensmittel?"  Der Hüne antwortete nicht sofort, murmelte dann: "Manchmal kommen Händler. Kamen aber schon lang nicht mehr."  Jakotsu legte den Kopf schief. "Und warum?"  Haruyama zuckte mit den Schultern, was so wirkte, als höbe sich ein kleiner Berg in die Höhe. "Denken, es sei verflucht hier. Kein guter Ort."  Und aus dem sollte mal einer schlau werden.  Jakotsu schien kurz nachzudenken, dann klatschte er in die Hände. "Weißt du was? Ich bin es Leid, hier herumzusitzen und zu warten, bis etwas passiert. Lass uns in die Wälder gehen und sehen, ob wir irgendetwas erwischen."  Sagte ein junger Mann, der keine Ahnung von der Jagd hatte, aber nun gut.  Haruyama schien kurz nachzudenken, dann nickte er. Ihm gefiel die Vorstellung mit dem hübschen Knaben ganz alleine zu sein. Außerdem konnte er ihn ja gar nicht alleine gehen lassen, es trieben sich immerhin viele ausgehungerte Wölfe herum.  Wenig später stapften sie Seite an Seite durch den Schnee. Oder besser gesagt, Haruyama schritt langsam aus und Jakotsu trippelte mal vor, mal neben ihm, mal hinter ihm her.  Es hatte aufgehört zu schneien und frische, klare Winterluft kitzelte ihre Nasen.  Jakotsu atmete einmal tief ein, sodass ihm die Lungen schmerzten. Normalerweise war er eher der Typ Mensch, der sich im Winter in den warmen Behausungen aufhielt, aber gerade das hier tat ihm gut. Irgendwie fühlte er sich frei, etwas, das er lange Zeit vermisst hatte.  Und irgendwie erschien ihm die Zeit, die er bei seiner Oneesama im Bordell verbracht hatte, plötzlich so unwirklich, wie als wäre es in einem längst vergangenen Leben gewesen.  Er lächelte kaum merklich. Er hatte jetzt Bankotsu. Plötzlich musste er lachen, als ihm etwas auffiel. "Haruyama, ich glaube, mit deinem Gestampfe verjagst du die ganzen Tiere."  Selbiger blieb stehen und zuckte schuldbewusst mit den Schultern, verzog den Mund zu etwas, das wohl ein Grinsen darstellen sollte.  Jakotsu verschränkte die Arme am Hinterkopf. "Naja, kann man nichts machen. Ich hab ohnehin keine Ahnung vom Jagen…"  Er wollte munter weiter plaudern, als Haruyama plötzlich die Hand hob, um ihn zum Schweigen anzuhalten.  Jakotsu blickte den Hünen verwundert an.  Und dann hörte er es auch; Irgendetwas schien näher zu kommen und es hörte sich aus der Ferne so an, als pflügte es sich energisch durch den Schnee.  "Haruyama, was ist das?", murmelte Jakotsu nervös und im nächsten Moment konnte er die Wölbung unter der Schneedecke erkennen, die rapide näher kam. Wie ein riesenhafter Wurm oder Maulwurf.  Jakotsu warf dem Hünen einen nervösen Blick zu, doch der starrte konzentriert auf die Wölbung - und plötzlich war ein sehr unangenehm lautes, in den Ohren schmerzendes Kreischen zu hören, als es aus der Schneedecke hervorbrach.  Jakotsu schrie auf - mehr vor Ekel, als vor Schreck, denn es handelte sich um einen überdimensional großen, weißen, am Kopf leicht rot gesprenkelten Wurm, der das kreisrunde, scharf bezahnte Maul weit aufgerissen hatte und Jakotsu erkannte einen Augenblick zu spät, dass ihm aus zwei Drüsen eine unheimlich ätzende Säure entgegen schoss. Er kniff gerade noch so die Augen zusammen, machte sich auf das Schlimmste gefasst, doch - Haruyama kam ihm zuvor. Mit dem rechten Arm, welcher fast komplett mit Metall verstärkt war, schirmte er ihn ab, während Jakotsu machte, dass er aus der Schusslinie kam.Der junge Mann zog scharf die Luft ein als er bemerkte, wie sich das Gift begann, durch das Metall zu fressen.  Haruyama allerdings schien dem keine Beachtung zu schenken. Mit einer Schnelligkeit, die äußerstbeeindruckend war für einen Mann von seiner Größe und Konstitution, stürzte er sich in Richtung des Yōkai und packte ihn umgehend am Genick (Jakotsu konnte gar nicht erkennen, dass er überhaupt eines hatte), nur um mit einer Bewegung seiner bloßen Hände selbiges entzwei zu brechen.  Dann ließ er ihn fallen.  Jakotsu starrte ihn mit großen, bewundernden Augen an. "Das war ... wirklich beeindruckend, Haruyama!", sagte er anerkennend. Der Hüne zuckte mit den Schultern. Für ihn war das nichts Besonderes.  "Vorsichtig", brummte er, "verstecken sich unter Schnee."  "Das hab ich gemerkt", murmelte der junge Mann, immer noch die Hand auf die Brust pressend.  "Glaubst du, wir erwischen heute überhaupt noch etwas?"  Haruyama zeigte auf den Dämon zu ihren Füßen. "Kann man essen, wenn man Kopf vorher wegschneidet."  Jakotsu grauste es. "Also wirklich, ich finde die Viecher in ihrer normalen Form schon widerlich, da werd ich sowas sicher nicht essen.“  Der Große zuckte mit den Schultern und stapfte dann weiter und Jakotsu setzte sich in Bewegung, um ihm zu folgen.    ~*~ Als Bankotsu und Renkotsu zurückkehrten, war Jakotsu immer noch nicht da. Der junge Mann runzelte die Stirn. Jetzt machte er sich doch irgendwie Sorgen. War es möglich, dass Haruyama Jakotsu etwas angetan hatte? Der sah ja aus, als könne er so einer zierlichen Person mir nichts, dir nichts das Genick brechen. Er schüttelte sich. Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Andererseits … stille Wasser waren tief und schmutzig.  Takanaga, der seinen Blick bemerkte, schien seine Gedanken zu erraten. "Habt keine Sorge. Haruyama mag zwar gleichsam eine Schwäche für hübsche Knaben wie für junge Mädchen haben, aber er würde niemals jemandem etwas zu Leide tun. Zumindest nicht, wenn ich es ihm nicht ausdrücklich befehlen würde."  Takanaga ging zum Kamin, um die Glut des Feuers wieder zu entfachen und Holz nachzulegen. Er blies hinein und schon bald begannen frische Flammen an den leicht feuchten Scheiten zu lecken.  Bankotsu beobachtete ihn dabei schweigsam, dann meinte er: "Was macht Euch da so sicher? Ich meine, er wirkt wirklich ... naja..." Bankotsu zuckte mit den Schultern, als ihm kein passendes Adjektiv einfiel und der Mönch ergänzte: "Furchteinflößend?"  Bankotsu kratzte sich am Hinterkopf und hockte sich dann vor die Feuerstelle, um seine Hände zu wärmen. "Das nicht mal unbedingt", murmelte er gedämpft. "Ich meine weniger seine Erscheinung, es ist sein Wesen, er ... ich werd aus ihm nicht schlau. Er spricht kaum, man ahnt einfach nicht, was er denkt. Als wäre er ein großes Kind, das die Welt nicht so recht versteht."  Takanaga schenkte ihm ein schmallippiges Lächeln. "Das ist es, was ihn gefährlich macht, wollt Ihr das sagen?"  Bankotsu nickte bekräftigend. "Ja, genau das."  Der junge Mann hatte sich inzwischen in den Schneidersitz niedergelassen, während Takanaga im Raum umherging und die Öllampen entzündete, damit sie angenehmeres Licht hatten.  Nur das Knistern des Feuers war eine Weile zu hören.  Irgendwann reichte der Mönch dem jungen Anführer ein Schälchen mit warmem Sake und selbiger fragte sich, wo er das so schnell hergezaubert hatte.  Bankotsu nippte daran. Plötzlich meinte er: "Was haltet Ihr davon, wenn Ihr und der Riese uns begleitet? Wir wollen uns als Söldner einen Namen machen. Eure Kunst mit dem Feuer ist wirklich eine wahre Bereicherung und der Hüne wird auch gut zu uns passen. Er ist stark. Stärke ist immer gut. Und wir sind ja so gesehen alle Ausgestoßene. Wir haben alle unsere Geschichte, die wir mit herumtragen. Auch, wenn Ihr mir nicht sagen wolltet, was Euch hier in die Abgeschiedenheit verschlagen hat, bin ich doch überzeugt davon, dass Ihr zu uns passen würdet."  Takanaga nippte an seinem eigenen Schälchen und sagte dann, den Blick in das Feuer gerichtet: "Eine solche Truppe bräuchte einen starken Führer."  "Er ist hier vor Euch."  Bankotsu bemerkte, wie abermals ein schmales Lächeln um die Lippen des Mönches tanzte und er fühlte sich verspottet.  "Wie kann ich wissen, ob Ihr ein geeigneter Führer seid? Ihr seid noch ein halbes Kind."  Und das war etwas, was Bankotsu noch nie gerne gehört hatte.  Er nippte abermals an seinem Sake. "Keh. Ich bin einer der stärksten Kämpfer, denen Ihr je begegnenkonntet."  "Was ein jeder von sich behaupten kann. Nein, ich meine, was macht Euch so einzigartig, dass man es eine Ehre nennen könnte, unter Euch zu dienen? Wie wollt Ihr Euch beweisen?"  Bankotsus Miene wurde nachdenklich. So gesehen ... waren die Einwände des anderen berechtigt. Wie wollte er sich beweisen? Nachdem Jakotsu einfach so mit ihm gekommen war hatte er irgendwie angenommen, dass es selbstverständlich war, dass das jeder andere ebenso tun würde.  Er schnalzte mit der Zunge und trank sein Schälchen leer. "Ich will es Euch gerne beweisen. Sagt mir wie, und ich tue es."  "Wieso ist es Euch so wichtig, dass ich mich Euch anschließe?"  "Weil ich starke und verlässliche Gefährten suche. Weil völlig alleine noch nie jemand reich geworden ist. Und denkt nur mal an den Ruhm!“ Und nach einem Moment des Schweigens fügte er hinzu, wobei er Takanaga direkt in die Augen starrte: „Zumal ich mir ziemlich sicher bin, dass auch an Euren Händen bereits Blut klebt…“ Takanaga erwiderte den Blick und erwiderte dann bedacht: „Was macht Euch da sicher?“ Bankotsu zuckte mit den Schultern und lächelte schmal: „Nur so ein Gefühl.“ "Ich bin ehrlich zu Euch", sagte er schließlich und Bankotsu blickte ihn erwartungsvoll an, "es ist schlichtweg nicht meine Art, mich mit vielen Menschen zu umgeben und auch, wenn ich Euer Angebot auf eine gewisse Weise durchaus interessant finde, muss ich ablehnen."  Bankotsu verengte die Augen und griff dann zur Sakeflasche, um sich nachzufüllen.  "Wollt Ihr wirklich für alle Ewigkeiten hier versauern?"  "Wollt Ihr für alle Ewigkeit als Ronin durch das Land ziehen?"  Bankotsu prallte einen Augenblick zurück, wie von einer Mauer. Einen Moment war er sprachlos. Tatsächlich. Dann sagte er zögerlich und es war doch eine leichte Verunsicherung aus seiner Stimme herauszuhören: "Nun ja ... Für alle Ewigkeit sicherlich nicht. Ich wollte ... Wenn wir genug Geld haben, wenn wir uns einen Namen gemacht haben, Haus und Hof und Dienerschaft kaufen. Nicht direkt in der Stadt, irgendwo leicht abgeschieden. Mich niederlassen ... ja ... aber erst, wenn wir im ganzen Land bekannt sind."  Und da loderte es für einen Augenblick auf. Nicht das Feuer im Kamin, sondern das, was Takanaga im Grunde seines Herzens zu einer Entscheidung brachte. Das Feuer in Bankotsus Augen. Ein unergründliches, heißes Feuer, das jeden verschlingen würde, der sich ihm in den Weg stellte. Das keine Auflehnung duldete, keine Untreue, keine Schwäche und das seine Feinde fraß, um nur noch Staub und Asche zurückzulassen. Das eine solche ungeheure Zerstörungsmacht zu besitzen schien, dass er einen Moment tatsächlich die Lippen ehrfürchtig einen Spalt öffnete, nur um sie dann wieder zu schließen.  War Bankotsu etwa derjenige, auf den er gewartet hatte?  Er wollte Bankotsu nicht das Gefühl vermitteln, dass er ihn bereits hatte. Deshalb sagte er langsam: "Entweder Ihr habt mich überzeugt, bis der Winter vorüber ist, oder Ihr zieht ohne mich von dannen und kehrt nie wieder an diesen Ort zurück."  Bankotsus Miene hellte sich auf. Das schien dem jungen Mann tatsächlich zu genügen.  "Ich werde Euch nicht enttäuschen, darauf habt Ihr mein Wort - und um zu beweisen, wie ernst es mir ist, trinken wir noch einen darauf!"  Es wäre wohl eine Weile so weitergegangen, wenn sie nicht beide im nächsten Moment das dumpfe Zuschlagen einer Schiebetür bemerkt hätten.  Den Schritten nach zu urteilen ließ es keinen Zweifel daran, dass es sich hierbei um Haruyama und Jakotsu handelte.  Im Zimmer, in dem sie sich befanden, schob sich die Türe auf und ein ziemlich euphorisch wirkender Jakotsu mit wirrer, tropfender Frisur und von der Kälte geröteten Wangen trat ein.  "Bankotsu, es ist absolut unglaublich - wir haben einen Hirsch erwischt, einen richtigen, riesigen Hirsch - wenn wir das Fleisch in Salz einlegen, reicht das bestimmt für eine ganze Woche!"  Der junge Mann kam in das Zimmer hinein und schüttelte sich leicht, wobei Takanaga, der ein paar Tropfen abbekam, leicht das Gesicht verzog, und fuhr dann fort, während er seinen nassen Überwurf aufhängte: "Das war absolut unglaublich! Haruyama hat das Viech mit seinen bloßen Händen erledigt, das hätte ich dem gar nicht zugetraut! Ich habe noch nie jemanden wie ihn kennengelernt, der so wahnsinnig stark ist, Bankotsu, das hättest du sehen müssen!"  Bankotsu verzog spöttisch das Gesicht. "Ihr seid euch wohl näher gekommen?"  Auch wenn Spaß in den Worten war, so wurden sie dennoch aus einem ernsten Grund ausgesprochen. Irgendwie missfiel es Bankotsu, dass Jakotsu für den Hünen plötzlich so eineBegeisterung entwickelte. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, dass er jemandem wie Haruyama tatsächlich etwas abgewinnen könnte, aber bei Jakotsu wusste man ja nie. Der war immer so sprunghaft. Und irgendwie war da noch was, was ihn an Jakotsu gerade ziemlich störte.  "Ach, Bankotsu, lass doch die blöden Witze!", sagte Jakotsu, dem der leicht eifersüchtige Unterton schlichtweg entgangen war, unbeschwert. Und plötzlich fiel Bankotsu auf, was ihn störte: Jakotsu in Hosen, Männerkleidung tragend.  Das war irgendwie befremdlich, er wirkte fast wie ein Mädchen in Männerkleidern.  Oder täuschte das nur, weil er ihn anders kennengelernt hatte?  Fehlten nur noch Rüstung und Katana und er würde als perfekter Aristokrat durchgehen.  Jetzt ... machte es ihn fast sogar noch anziehender, da man ihn als das sah, was er war; nicht als verdrehter, leicht verrückter Kerl, sondern als verboten hübscher junger Mann mit schneeweißer Haut und hohen Wangenknochen, wie sie sich manche Samurai gerne fürs Bett hielten.  Das war ja schlimmer als vorher.  Bankotsus Blick klebte immer noch an Jakotsus Körper, als dieser sich zu ihnen hinunter ans Feuer kniete, um sich die Hände zu wärmen.  "Wo ist Haruyama?", fragte Takanaga steif, der in Bankotsus Blicken gelesen hatte, wie in einem offenen Buch.  "Der wollte den Hirsch zum Ausbluten aufhängen."  "Ich sehe mal nach, ob er Hilfe braucht", sagte der Mönch und stand im nächsten Moment auf, um das Zimmer zu verlassen.  Bankotsu hatte kurz genickt und als er hinaus war, wandte er seinen Blick wieder Jakotsu zu. Dieser war nahe an das Feuer gerückt, um das Gesicht zu wärmen.  Bankotsu brummte unwillig und Jakotsu sah ihn daraufhin an. "Stimmt irgendetwas nicht?"  "Du hast mir meine Frage vorhin nicht wirklich beantwortet", sagte er leise und Jakotsu schien einen Moment irritiert. "Deine ...?" Dann schien ihm ein Licht aufzugehen.  "Bankotsu, du bist doch nicht wirklich eifersüchtig?", hakte er dann lächelnd nach.  Bankotsu wandte den Blick wieder ab und hoffte, dass im Schein des Feuers die leichte Röte unsichtbar wurde, die sich auf seine Wangen gelegt hatte.  Jakotsu redete ja so daher, als sei er ein kleiner Junge und in Gefühls- und Körperangelegenheiten vollkommen ahnungslos.  Nun gut, er hatte Jakotsu auch nicht wirklich Anlass dazu gegeben, zu denken, dass er ein ernstzunehmender Liebhaber war, aber - verdammt! Warum sah der andere ihn denn plötzlich so an?  Und dann konnte er sich nicht mehr beherrschen. Er verlor kein weiteres Wort, sondern packte Jakotsu grob im Nacken und zog ihn in einen herrischen Kuss. Jakotsu keuchte überrascht und erwiderte und noch im selben Moment wanderten Bankotsus Hände zu seinen Schultern, nur um ihn mit einem Ruck aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dann war er über ihm, biss ihm in die Unterlippe, dann in den Hals und seine Hände schoben sich unter die Kleidung, um diese unendlich weiche Haut endlich zu spüren und Jakotsu spürte, wie sehr es Bankotsu erregte, denn er spürte die Härte an sich gepresst.  "Bankotsu", flüsterte er atemlos, als dieser begann, an seinem Gewand zu reißen, um es zu öffnen, und als er nicht hörte, rief er ein weiteres Mal seinen Namen, diesmal energischer und packte ihn gleichzeitig mit beiden Händen an den Wangen, sodass er innehalten und ihm in die Augen sehen musste.  "Bankotsu, was ist los mit dir?"  Bankotsu atmete schwer, hatte die Lippen leicht geöffnet und schüttelte abwesend den Kopf. Was los war mit ihm? Er wusste es nicht. Jakotsu zog ihn sanft zu sich, dass er mit der Wange auf dessen halb freigelegter Brust zum Ruhen kam. Er war durcheinander. Das was in ihm war, drohte überzuschwappen. Überfordert schloss er die Augen und sog den sinnlichen Duft dieses betörenden Wesens ein, das ihn gerade im Moment fast um den Verstand brachte. So warm und weich und angenehm.  "Ich weiß es nicht...", flüsterte er. Er spürte die filigranen Hände, wie sie durch seinen Haaransatz strichen und fühlte sich plötzlich wirklich wie ein kleiner Junge.  Er schluckte, als er sich einer Sache bewusst wurde. Er sehnte sich so sehr danach, mit Jakotsu zu schlafen, ihn sich zu nehmen und Jakotsu ... Jakotsu brachte ihn mit einer so einfachen Frage dazu, unsicher zu werden.  Er hatte bereits mit Frauen geschlafen, ja. Mehrmals. Aber Jakotsu ... das war etwas vollkommen anderes. Jakotsu war ein Mann. Und er, Bankotsu, hatte noch keine Erfahrung mit Männern gehabt, während Jakotsu da bereits ein ganzes Spektrum vorzuweisen hatte. Denn die Erfahrung hatte Jakotsu ihm deutlich voraus und das war das erste Mal, seitdem sie zusammen unterwegs waren, dass Jakotsu ihm etwas deutlich voraus hatte.  "Ich denke ... ich war tatsächlich eifersüchtig, Makoto …einen lächerlich kurzen Moment…" Kapitel 11: Die Jäger --------------------- Der Winter hielt beständig an, erbarmungslos in seiner ganzen Härte. Man konnte es den Göttern danken, dass vor allem Haruyama den Sommer über mehr als genug Holz gesammelt hatte, ehe der Herbst es durch Regen und Kälte hatte faulig werden lassen können. Während dieser Zeit sprachen Bankotsu und Takanaga sehr viel miteinander. Jakotsu und Tanakaga schienen sich nicht ganz grün zu sein und so standen gelegentliche Spitzen auf der Tagesordnung. Takanaga verabscheute es, wie Jakotsu sich gab, wie er herumlief, wie er so offenherzig mit seiner Sexualität umging und Jakotsu ärgerte sich im Gegenzug dafür maßlos darüber, wenn der Mönch heraushängen ließ, wie klug und gebildet er doch war und ihn somit vor Bankotsu als totalen Vollidioten dastehen ließ. Und er hasste es, dass Bankotsu und Takanaga sich so gut verstanden, aber das musste er wohl hinnehmen. Außerdem hatte er zu seiner Ablenkung immer noch Haruyama und der war eine angenehme Gesellschaft. Er übte sich, wenn der Schnee nicht gerade in dichten Flocken zu Boden segelte, darin, seine Waffenfertigkeiten zu verbessern. Bankotsu trainierte manchmal mit ihm und wenn er es nicht tat, dann übte Jakotsu heimlich. Nicht alleine aus dem Grund, Bankotsu zu gefallen. So langsam war ihm der Gedanke gekommen, wieviel Macht so ein Schwert eigentlich hatte, wenn man es richtig führte. Es war ihm früher immer zuwider gewesen, diese Schwäche, diese Wehrlosigkeit. Natürlich hatte er sich immer gerne als jemand ausgegeben, den man umwerben wollte, anmutig, erotisch und schön, aber diese Eigenschaften musste er ja nicht zwingend aufgeben, wenn er ein Schwert führte. Und wenn er schrecklich große Langeweile hatte, dann stellte er die Waffen beiseite und durchstreifte die umliegenden Wälder. Etwas, das für Jakotsu eigentlich vollkommen untypisch war, hatte er doch früher im Winter die warmen Räume des Bordells vorgezogen. Es war mitten am Tag und einer der wenigen Wintertage, an denen die Sonne durch die dichten Wolken brach, die weiße Schneedecke in eine freundliche, sympathische Landschaft verwandelte. Jakotsu war seit einigen Stunden alleine unterwegs. Er genoss die Ruhe, die Freiheit, die er hier in den Bergen hatte, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, für immer hier zu leben. Es war eine Art Erholung. Eine Weile ging die Strecke bergauf, dann verlief sie ebenerdig weiter und die Bäume wurden auch immer spärlicher. Er kam bald zu einer abschüssigen Stelle. Wäre man hektisch oder im Dunkeln hier herumgestolpert, wäre man sicherlich leicht in Gefahr gelaufen, einfach herabzustürzen und einen schmerzhaften Tod zu sterben, aber jetzt, wo er sich das hier in Ruhe betrachten konnte, stellte er fest, was für ein atemberaubender Anblick das war. Jakotsu schniefte einmal aufgrund der Kälte und schirmte dann leicht die Augen ab, da die helle Fläche unheimlich blendete. Dort unten konnte er sogar einen einsamen Hirsch erkennen, der seine Wälder durchschritt. Es sah beinahe so aus, als hätten die Götter hier unzählige Edelsteine hineinrieseln lassen, so gänzlich unberührt und rein. Ein Lächeln zuckte um seine blassroten Lippen. Dann blinzelte er, als er in der Ferne eine schmale Rauchsäule entdeckte. Wer hielt sich denn mitten im Nirgendwo auf außer ihnen? Das interessierte ihn nun doch sehr. Allerdings konnte es genauso gut sein, dass es sich um einen Trupp Jäger handelte - in den umliegenden Dörfern, so hatte Takanaga gesagt, herrschte im Winter noch stärkere Nahrungsknappheit als sonst schon und manchmal schlossen sich die Männer aus einem Dorf zusammen, um für mehrere Tage auf die Jagd zu gehen. Jakotsu war hin- und hergerissen. Irgendwie zwickte ihn die Neugier und die plötzliche Sehnsucht, einmal andere Gesichter zu sehen, als das Bankotsus und Takanagas, aber wer wusste, ob das nicht irgendwelche Halunken waren, die nur darauf lauerten, dass jemand wie Jakotsu vorbeigeschneit kam, um ihn auszurauben und was noch alles? Jakotsu verzog das Gesicht. Nein, das war irgendwie absurd. Er könnte ja einfach mal nachsehen und sich dann immer noch entscheiden, was er tun sollte. Zeit hatte er ja genug. Er musste unwillkürlich schmunzeln, als er daran dachte, dass Bankotsu es gar nicht so gerne hatte, wenn er sich so in der Gegend herumtrieb. Ohnehin war es etwas seltsam zwischen ihnen. Jakotsu meinte, in des Jüngeren Miene immer deutlicher und immer öfter so eine Art Verlangen ihm gegenüber aufschimmern zu sehen, aber andererseits war Bankotsu jung und im besten Alter, nicht zu wissen, was er eigentlich wollte. Solche Jungen hatte er im Bordell früher öfter bedient. Taten immer großspurig und wenn es zur Sache ging, waren sie das reinste Häufchen Elend, das man mit ganz viel Zuspruch und Feingefühl aus sich herausholen musste. Jakotsu seufzte. Irgendwie sehnte er sich mal wieder nach einem Mann. Einem richtigen Mann. Einem, der ihn hart anpackte und ihm seine Bedürfnisse befriedigte. Sex war doch so viel einfacher, wenn keine Gefühle im Spiel waren. Ob er es mit Bankotsu tun wollte, war eine Frage, die er sich seltsamerweise noch nie gestellt hatte. Es reizte ihn sehr, aber dieser sollte gefälligst erstmal herausfinden, was er selbst eigentlich wollte, ehe sie sich irgendwie näher kommen konnten. Außerdem wusste er nicht, ob er führen oder Bankotsu die Führung lassen sollte in so einem Fall. Ihm hatte dessen Geständnis, er sei eifersüchtig gewesen, durchaus imponiert und einer boshaften Seite in ihm reizte es extrem, Bankotsu zu provozieren, indem er sich einfach in den Armen eines starken Kriegers fallen ließ. Allerdings waren diese Auswahlmöglichkeiten hier oben mehr als begrenzt und deshalb zog er es vor, einfach seinen Gedanken und Fantasien nachzuhängen. Nach etwa einer halben Stunde erreichte Jakotsu jene Stelle, von der der Rauch gekommen war. Er selbst war jetzt auf einer kleinen Anhöhe, relativ gut von Gebüsch verborgen, und spähte nun hinunter; er hatte Recht behalten. Es handelte sich wirklich um eine kleine Gruppe von etwa sechs Männern, welche diese geschützte Stelle komplett freigeräumt und ein Feuer entzündet hatten, um sich zu wärmen. Sein Blick fiel auf ein Bündel Kaninchen und andere Kleintiere, die man auf eine Leine gezurrt hatte. Gefährlich wirkten die Männer nicht. Mehr wie gewöhnliche Bauern oder Dorfbewohner. Jakotsu fröstelte ein wenig, so in seiner zusammengekauerten Haltung, und starrte sehnsüchtig auf das Feuer. Sollte er sich bemerkbar machen? Es wäre sicher schön, sich ein bisschen aufzuwärmen, ehe er den Rückweg antrat. Außerdem konnte ein bisschen Gesellschaft auch ganz lustig sein. Er wog diesen Gedanken noch ein wenig ab, dann entschied er sich dafür. Er erhob sich und wollte sein Versteck aufgeben, als er unglücklich mit seiner Kleidung an einem Ast hängenblieb, durch seinen eigenen Schwung das Gleichgewicht verlor und so mit einem leisen Aufschrei den kleinen Hang hinuntersegelte und alle Viere von sich gestreckt im Schnee liegen blieb. 'Bravo, Makoto', dachte er ironisch, 'du verstehst es wahrlich, dich vor Leuten lächerlich zu machen, noch ehe du ein Wort mit ihnen gesprochen hast.' Er wagte es schließlich, aufzublicken - und sah direkt in die verdutzten Gesichter der Männer, die sich erhoben hatten, teilweise nach ihren Waffen gegriffen, und nun um ihn herum standen. Ein leichter Rotschimmer legte sich auf Jakotsus Wangen. "Verzeiht mir bitte mein plötzliches Hereinplatzen, aber ich sah Feuer in der Entfernung und hoffte, mich ein bisschen bei Euch wärmen zu dürfen." Die Männer warfen sich Blicke zu und brachen dann in Gelächter aus. Einer von ihnen trat zu ihm hin und bückte sich, den Arm ausstreckend, um ihm aufzuhelfen. Jakotsu ergriff ihn und kurz traf ihn der Blick von einem dunklen, aufgeweckten Augenpaar, ehe er schließlich wieder auf den Beinen stand. Sein Helfer sah amüsiert zu, wie er sich den Schnee von der Kleidung klopfte und meinte dann: "Ihr müsst sehr durchgefroren sein - wir haben innerhalb eines halben Tages, den wir nun unterwegs sind, kein weiteres Dorf mehr gesehen." Jakotsu lief in Richtung des Feuers und nahm frech zwischen zwei der Männer Platz, die sitzengeblieben waren, nur um dann seine Handflächen in Richtung der Hitze zu halten. Eine wahre Wohltat. "Ich stamme nicht aus einem Dorf", sagte er dann freimütig, während die anderen hinzukamen und sich ebenso wieder niederließen. Der Mann, welcher ihm aufgeholfen hatte, fragte: "Verzeiht mir die Neugier, aber wer seid Ihr und woher stammt Ihr? Hey - Genma, füll mal ein bisschen was von der heißen Suppe in eine Schüssel, ich glaube, unser Freund hier kann etwas Heißes gerade gut gebrauchen", wandte er sich an den Mann, der dem kleinen Kesselchen, das über dem Feuer befestigt war, am nächsten saß. Dankbar nahm er die Schüssel mit der Suppe entgegen und wärmte sich an ihr ein wenig die Finger, ehe ihm einfiel, dass man ihm eine Frage gestellt hatte. "Ich ... lebe mit meinem Reisegefährten vorübergehend bei dem Mönch, in diesem heruntergekommenen Tempel, etwa vier Stunden von hier entfernt." Er nahm einen Schluck von der Suppe, allerdings entging ihm dabei nicht, wie die Männer bedeutungsvolle Blicke untereinander tauschten. "Sagtet Ihr gerade, der abgebrannte Tempel?" Einer der Männer, ein älterer mit einem ziemlich bärbeißigen Äußeren, war aufgesprungen und stierte Jakotsu nahezu an. Der Mann, welcher neben Jakotsu saß, offenbar der Anführer des Trüppchens warf dem Mann einen tadelnden Blick zu. Dann wandte er sich wieder an Jakotsu. "Nehmt es ihm nicht übel, er ist wohl, wie wir alle, überrascht, dass der Tempel noch bewohnt ist, nach der Tragödie, die damals dort geschah. Wollt Ihr mir nicht auch Euren Namen verraten?" Jakotsu entging nicht, dass der Mann schnell das Thema wechselte. Auch hatte er das Gefühl, dass dieser etwas näher zu ihm aufgerückt war als vorhin. Allerdings empfand er diese Tatsache keinesfalls als unangenehm - der muskulöse Körper gab Wärme an seinen ab. Jakotsu überlegte kurz, ob er ihnen seinen richtigen Namen oder den neuen Namen, den er nun angenommen hatte, nennen sollte. Kurzerhand entschied er sich für den neuen. "Jakotsu", sagte er knapp. Sein wahrer Name sollte nur von den wenigen Menschen gekannt werden, die ihm wichtig waren. Und momentan war das so gesehen nur Bankotsu. "Und mein Name ist Nakamura Kenji - meine Gefährten und ich sind momentan auf der Suche nach Nahrung, da in unserem Dorf die Vorräte schneller zur Neige gehen als gedacht." Also hatte Jakotsu richtig gelegen. Er nickte, als ob ihn das alles mächtig interessieren würde, dann meinte er direkt, wie es eben seine Art war: "Von welcher Tragödie habt Ihr vorhin gesprochen?" "Nun", begann Nakamura kategorisch, "es ereignete sich vor etwa drei Jahren. Zu dieser Zeit war der Tempel sehr belebt - viele Mönche lebten dort. Sie taten, was Mönche so eben tun. Sie beteten, brachten den Göttern Opfergaben, halfen den Menschen in Not, die an die Türen klopften, gaben ihnen zu essen und ein Obdach. Desweiteren sagt man, dass vor etwa 25 Jahren ein Kleinkind vor den Tempelstufen ausgesetzt worden war. Die Mönche in ihrer Güte nahmen es auf und zogen es wie einen der ihren groß. Schon bald stellte sich heraus, dass dieses Kind ein Übermaß an Intelligenz besaß und mit Staunen beobachteten die Mönche, wie es sich entwickelte. Es habe sich selbst ein enormes Wissen über Feuerwaffenkunst angeeignet, etwas, das eigentlich von den Mönchen, die sich streng an ihre pazifistischen Lehren hielten, strikt abgelehnt wurde. Es kam scheinbar immer öfter zu Auseinandersetzungen, aber den freundlichen Mönchen wäre im Traume niemals eingefallen, ihn deshalb fortzujagen. Und dann geschah die Tragödie. Der Junge konnte es wohl auf einmal nicht mehr ertragen, unter der Fuchtel der Mönche zu stehen, hörig und fromm zu sein und - zugegeben, so ein Leben in der Einöde und der Abstinenz kann sicherlich ziemlich aufs Gemüt drücken - und er wurde vollkommen wahnsinnig, sagt man. Es war Nacht, als die Dorfbewohner, welche noch keinen Schlaf gefunden hatten, plötzlich einen lohenden Schein am Himmel sahen - er kam aus der Richtung des Tempels. Sie machten sich auf, um vielleicht zu helfen, aber als sie da waren, brannte der Tempel schon lichterloh und die Todesschreie waren längst verstummt. Als das Feuer bei Einbruch des Morgens zurückgegangen war, konnte man nur mehr die verbrannten Überreste der Tempelbrüder bergen. Von dem Jungen fehlte seit jeher jede Spur." Jakotsu hatte eine Gänsehaut bekommen während dieser Geschichte. Er hatte ja gewusst, dass Takanaga nicht ganz so unscheinbar war, wie er immer tat, aber das ... "Wartet, die Geschichte geht noch weiter", knüpfte Nakamura an. "Vor einem Jahr etwa, sollen drei Männer aus dem Dorf in die Nähe des Tempels gekommen sein und Rauch gesehen haben. Also den Rauch eines Kaminfeuers, nicht den eines Brandes. Nur einer dieser Männer kehrte zurück und er berichtete ganz wirr, dass ein Mann, halb Mensch, halb Maschine, diesem Mönch diente, der damals die anderen ermordet hatte." Jakotsu schüttelte den Kopf. "Also das ist ...", murmelte er. Ihm fehlten die Worte. Das war einfach ungeheuerlich. So wenig er Takanaga mochte, hätte er ihm dennoch nie so etwas zugetraut. Wer wusste, was er mit ihnen anstellte, sobald sie etwas taten, das ihm missfiel? Er musste dringend zurück und mit Bankotsu sprechen, damit sie diese Stätte so schnell wie möglich verließen. Plötzlich spürte er eine Hand auf seinem Oberschenkel und er konnte erst nicht zuordnen, ob es nur ein freundlicher Klaps, oder eine anzügliche Berührung war. "Es ist sehr spät geworden - wenn Ihr möchtet, dann bringe ich Euch zu Pferd zurück, sonst geratet Ihr ins Dunkel." Jakotsu lächelte kokett. "Ach, nun ja, weiter schlimm ist das ja nicht, der Schnee ist so weiß, dass es sogar des Nachts taghell wird." Nakamura ließ ein verschmitztes Lächeln über seine Lippen blitzen und Jakotsu stellte fest, wie sympathisch dieses Lächeln wirkte. "Was wäre ich für ein Mann, wenn ich verantwortete, jemanden wie Euch allein durch die Wälder streifen zu lassen?", gluckste er und Jakotsu bemerkte aus dem Augenwinkel, wie der Mann, der zuvor aufgesprungen war, die Augen verdrehte. Das nicht weiter beachtend, meinte Jakotsu schließlich: "Wenn das so ist, dann habe ich wohl kaum eine Wahl und nehme Euer Angebot gerne an." Wenig später schmiegte er sich an den muskulösen Leib vor ihm auf dem Pferd und träumte so ein bisschen vor sich hin, während sie die Strecke, für die Jakotsu zu Fuß vier Stunden gebraucht hatte, locker in zwei schafften. Die Dämmerung war noch nicht hereingebrochen, als man in der Ferne eine zarte Rauchsäule erkennen konnte - Haruyama hatte wohl wieder Feuer gemacht. Noch ehe sie den Tempel erreicht hatten, zog Nakamura an den Zügeln, sodass das Pferd stehen blieb. Jakotsu ließ sich heruntergleiten, der andere Mann tat es ihm im nächsten Moment gleich. "Wollt Ihr nicht mit hinein kommen und Euch einen Moment aufwärmen?" Nakamura lehnte die Zügel des Pferdes über einen tief hängenden Ast, dann trat er näher an Jakotsu heran. "Ich denke, es wäre besser, ich kehre ab hier um. Dieser Tempel mit seiner Geschichte ist mir nicht sehr geheuer", lachte er. Einen Moment schien er zu zögern, dann fügte Nakamura hinzu, während er Jakotsu sanft bei den Schultern packte: "Hört zu, ich bin vorhin nicht ganz ehrlich gewesen." "Ich verstehe nicht ganz ..." "Ich nahm es auch als Vorwand um einen Augenblick noch mit Euch alleine zu sein ... Ihr seid einfach so … atemberaubend schön ..." Um Jakotsus Lippen spielte ein süffisantes Lächeln. "Ihr mögt Knaben also, ja? Und Eure Gefährten sollen das nicht wissen?" Nakamura machte ein komisch-ertapptes Gesicht. "Nicht ganz. Manche von ihnen sind ja selbst nicht anders. Wenn man so lange unterwegs ist und keine Familie mehr hat, dann fängt man irgendwann an, sich umzusehen ... und so hübsch ein Knabe wie Ihr auch sein mag, so wird man nicht in Gefahr laufen, einem ein ungewolltes Kind zu schenken ..." Das letzte hatte er nur noch gemurmelt, ehe sich die von der Kälte trockenen Lippen auf die Seinen gesenkt hatten. Jakotsu schloss die Augen und er ließ es zu. Ließ zu, wie die maskulinen Hände lüstern seinen Körper erkundeten, wie die Zähne, der Mund dominant seinen Hals bearbeiteten und er erwiderte und ließ sich gehen, weil er es einfach gerade brauchte und er stöhnte leise, als der Mann ihm zwischen die Beine griff und sich dann einen Weg unter die dickte Winterkleidung Jakotsus suchte und als er ihn gefunden hatte und sich an ihn presste, bemerkte Jakotsu mit Wonne die Härte an seinem Leib und wenig später spürte er einen kühlen Luftzug und dann die Männlichkeit, die sich in ihn zwängte. Schnell und hart und heiß und als er schließlich von ihm abließ, fühlte sich Jakotsu auf eine wohlige Weise befriedigt. Sie verabschiedeten sich ohne viele Worte, und, sich immer noch leicht zittrig fühlend, machte Jakotsu sich auf den Rückweg zum Tempel. Ein heißes Bad wäre jetzt sicherlich wundervoll, dachte Jakotsu verträumt, während er genüsslich an diese kleine Verabschiedung zurückdachte. Als er das Gelände betrat, hielt er zuerst nach Haruyama Ausschau. Der würde ihm sicherlich ein Bad herrichten, das war jetzt genau das Richtige. Er passte den Hünen ab, während dieser Holz von dem kleinen Lager, das für den Winter angelegt war, hinüber zur Wohnstube trug. "Richtest du mir ein Bad her?", bat der junge Mann und sah ihn mit einem treuherzigen Blick an, der es Haruyama unmöglich machte, sich dem zu entziehen. Der Hüne nickte nur und Jakotsu hatte ganz kurz den leisen Verdacht, dass er versuchte, die Vorstellung seines nackten Körpers nicht als erotisch zu empfinden, und ging dann in den Wohnbereich, um zuerst das Holz abzulegen und nachzuheizen.   ~*~ Während das Wasser heiß wurde, trottete Jakotsu, der mittlerweile schon die Müdigkeit in seinen Knochen spürte, in sein Zimmer, das er sich mit Bankotsu teilte, um die schwere Winterkleidung abzulegen. Bankotsu war nicht da, wie er feststellte, als er die Schiebetür aufzog und langsam wieder schloss. Irgendwie hatte er gerade jetzt auch keine Lust auf ein Gespräch. Er musste dringend seine Gedanken ordnen und überlegen, wie er Bankotsu diese Geschichte am ehesten zugänglich machte, ohne dass es so wirkte, dass er ihm das einzig und allein aus dem Grund erzählte, Takanaga in einem schlechten Licht dastehen zu lassen. Bald hörte er ein Knarzen auf dem Flur und im ersten Moment dachte er schon, dass es sich um Bankotsu handelte, der zurückkehrte, doch als die Schritte näher kamen, stellte er fest, dass diese viel zu schwerfällig für den gerade mal 1,63m großen und vielleicht 65 Kilo leichten jungen Mann waren und schließlich war es dann doch nur Haruyama, der ihm bedeutete, dass das Bad fertig war. Jakotsu nickte dankbar und griff dann nach einem Yukata und warmen Tabi zum Wechseln. Im Grunde war er froh, dass er Bankotsu auf dem Weg zum Bad nicht begegnete, denn falls dieser bemerkte, dass er etwas ... nun, brachte man es auf den Punkt, durchgefickt aussah, würde er sich wieder erklären müssen und das würde unweigerlich zu zwei Dingen führen: Nämlich einmal, dass er sofort mit der Sprache herausrücken musste, was er herausgefunden hatte und dass Bankotsu vermutlich eifersüchtig und verständnislos reagieren würde, wenn er herausfand, dass er für einen Wildfremden - und das dann auch noch ohne Bezahlung - die Beine breit gemacht hatte. Als er seine müden Glieder im heißen Wasser streckte und die Augen schloss, ließ er die Gedanken schweifen. Erneut in die Richtung dessen, was er heute erfahren hatte. Jakotsu war nie gläubig gewesen, aber ein gewisser Grundrespekt vor dem Götterwesen und dem Priesterkult war dennoch vorhanden. Einen ganzen Tempel auszulöschen, bei dem Gedanken daran sträubten sich ihm die Nackenhaare. Mittlerweile verstand er auch, warum nur ein Teil des Tempels wieder aufgebaut worden war. Natürlich war es schwere Arbeit und Takanaga und Haruyama hier alleine. Er hatte einfach genau gewusst, dass mit diesem Mönch etwas nicht stimmte. Das war schon immer so gewesen. Wenn Jakotsu jemanden nicht gemocht hatte, hatte sich früher oder später ein triftiger Grund ergeben, warum das so war. Er wägte ab. Sollte er strategisch vorgehen, so wie er es sich von Bankotsu abgeschaut hatte, oder einfach, wie es sonst so seine Art war, mit dem herausplatzen, das ihn beschäftigte? Jakotsu seufzte und ließ den Kopf soweit ins Wasser gleiten, dass nur noch sein Gesicht an der Oberfläche war. Die Hitze, die von seinen Poren aufgesogen wurde, tat unbeschreiblich gut. Nein, diesmal musste er es anders angehen ...   ~*~ Es war bereits dunkel geworden und Takanaga hatte ein paar Lampen entzündet - helle Lampen, die länger brannten als gewöhnliche Kerzen, die er selbst konstruiert hatte. So ließ es sich auch bei Dunkelheit gut lesen. Sorgsam lagen seine Dokumente vor ihm ausgebreitet: Schreibfeder, Zirkel, Lineal. Ihm spukte etwas im Kopf herum, eine neue Konstruktion. Eine Art Kanonenrohr, nur mit weniger Rückstoß und weniger Aufwand beim Nachladen. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er nicht bemerkte, wie die Schiebetür zu seinem Arbeitszimmer sich öffnete und dann nur lapidar wieder geschlossen wurde. Erst als ein sinnlicher Duft von Ylang-Öl in seine Nase stieg, hielt er inne. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer da stand. Ein spöttisches Lächeln zuckte kurz um seine Mundwinkel. "Kann ich irgendetwas für Euch tun?" Jakotsu, welcher sich am Kamin angelehnt und gewartet hatte, dass man ihn bemerkte, meinte nur: "So viel Respekt aufbringen, mir in die Augen zu sehen, während Ihr mit mir sprecht." Takanaga streckte den Körper und erhob sich dann. Jakotsu hatte wohl vorhin ein Bad genommen - deshalb auch der Duft - und gerade jetzt lehnte er schamlos an der Ablage seines Kamins, wobei das flackernde Feuer Schatten auf sein Gesicht zeichnete. Der Yukata war ihm auf einer Seite von der Schulter gerutscht und Jakotsu verfügte nicht über so viel Schamgefühl, sich wieder zu bedecken. Zugegeben, wenn Takanaga Knaben gemocht hätte, dann wäre er wohl nicht umhin gekommen, angetan zu sein, aber jetzt musterte er ihn nur mit ausdrucksloser Miene und kühlem Blick. "Was habt Ihr mir zu sagen, Jakotsu?" Der Blick des jungen Mannes verengte sich und wurde nahezu kalt. Takanagas Mine blieb stoisch. "Ich denke, Ihr seid es, der mir und meinem Gefährten eine Erklärung schuldig ist", zischte Jakotsu, wirkte dabei wie eine lauernde Schlange und das erste Mal wohl wurde Takanaga misstrauisch. War dieser Junge vor ihm doch nicht so dumm wie er ihn eingeschätzt hatte? "Ich wüsste nicht, was ich Euch zu erklären hätte", erwiderte der Mönch kühl und wandte sich daraufhin wieder um, um seine Zeichenmaterialien zu sortieren. Nun war es an Jakotsu zynisch zu lächeln. Sie spielten hier ein kleines Spielchen, belauerten sich wie Katzen, die den Geruch der jeweils anderen nicht ausstehen konnten, jederzeit bereit, zuzuschnappen. "Tatsächlich nicht?" Der fing langsam wirklich an, Takanaga auf die Nerven zu fallen. Brüsk klappte er die kleine Truhe zu, in welcher er seine Materialien aufbewahrte und wandte sich zu Jakotsu um. "Wenn Ihr mir nicht sofort sagt, was Ihr von mir wollt, dann-" Er hielt irritiert inne, als er Jakotsu lachen hörte. "Schon gut", meinte dieser. "Ich hab mich nur gefragt, was Bankotsu wohl davon hielte, wenn ich ihm erzählen würde, wer dafür verantwortlich ist, dass der Tempel mitsamt seinen Bewohnern abgebrannt ist." Das war es. Die Katze war aus dem Sack. Mit innerer Befriedigung beobachtete Jakotsu, wie Takanagas sonst so eisiges Minenspiel aus dem Gleichgewicht kam: Einen Augenblick wirkte er überrascht, ungläubig und schließlich verengten sich seine Augen zu schmalen Schlitzen und Jakotsu konnte gar nicht so schnell schauen, wie der Mönch mit schnellen Schritten bei ihm war und ihn brutal am Kragen packte, um ihn grob gegen das Bücherregal neben dem Kamin zu stoßen. Aus den schmalen, dunklen Augen sprühten der Hass und der Zorn und einen Hauch unterschwelligen Wahnsinns konnte Jakotsu auch ausmachen. "Woher weißt du von dem Brand?", giftete er und Jakotsu versuchte, seine Fassung zu bewahren, als er antwortete: "Ich bin im Wald auf ein paar Jäger getroffen und die haben mir davon erzählt." "Du lügst doch!" "Nein, sicher nicht!", schnappte Jakotsu und versuchte, sich aus dem eisernen Griff zu befreien, doch Takanaga hielt ihn so fest, dass er keine Chance hatte. Trotz dieser prekären Situation entging Jakotsu nicht, wie ein kleiner, winzig kleiner, Anflug von Angst über Takanagas Miene flackerte. Und da kam ihm ein Gedanke, welchen er, kaum gedacht, sofort aussprach. "Hast du etwa Angst, weil man nach dir sucht und dich töten würde, wenn man von deinem Überleben wüsste? Dieser Ort hier ist der einzige, an den niemand herkommt, weil sie fürchten, dass er verflucht ist?" Abrupt ließ Takanaga Jakotsu los. Dann lachte er abgehackt. "Du Dummkopf hast doch keine Ahnung, was hier wirklich passiert ist." Jakotsu legte den Kopf schief. Und irgendwie ... sah er Takanaga plötzlich in einem anderen Licht. "Was ist denn passiert?" Er konnte seine Neugier nicht unterdrücken und seine Neugier hatte schon immer über allem anderen gestanden. "Das geht dich nicht das Geringste an." "Würdest du es Bankotsu erzählen?" Takanaga wandte sich herum und starrte Jakotsu hasserfüllt an. Ehe er jedoch antworten konnte, erklang eine ruhige Stimme: "Würde er mir was erzählen?" Jakotsu und Takanaga wandten sich fast gleichzeitig um, nur um Bankotsu im Türrahmen stehen zu sehen, der sie mit neugierigem Blick musterte. “Ich hab laute Stimmen gehört und jetzt wüsste ich gerne, was hier vor sich geht.” Und Bankotsu schaffte es mal wieder. Obgleich er hier weder der Herr des Anwesens war, noch dass Takanaga ihn als Anführer akzeptiert hatte, war deutlich die Autorität zu spüren, die dieser Junge mit seinen gerade mal 15 Jahren ausstrahlte. Takanagas und Jakotsus Blicke trafen sich kurz und beinahe war es, als könne man einen hellen, elektrischen Blitz dazwischen sehen, doch dann schien es, als gab Takanaga seinen Widerstand auf. Er gestand es sich nicht gerne ein, aber man hatte ihn wohl in die Enge getrieben. Das kam auch davon, dass man Fremden hier Eintritt gewährte. “Ich hätte euch beide wegjagen sollen, als ich noch die Gelegenheit hatte”, murmelte der Mönch und trat zum Fenster, um einen Moment hinaus in die Nacht zu blicken. Oder war es etwa doch an der Zeit, das Geheimnis, mit dem er sich umgab, zu offenbaren? Hatte er noch etwas zu verlieren? Schließlich wandte er sich wieder um und strahlte so viel Würde aus, wie es in diesem Moment möglich war. “Das was du gehört hast-”, dabei lag sein Blick kurz strafend auf Jakotsu, welcher so tat, als fühle er sich nicht angesprochen, “-stimmt. Oberflächlich gesehen, stimmt es. Die Mönche, die hier lebten, fanden mich als Säugling und zogen mich als einen der ihren auf. Das Leben hier war sorglos und da ich meine Freiheiten hatte, begann ich Waffenbau zu studieren. Heimlich natürlich, versteht sich, da dieser Mönchsorden nicht sonderlich viel für Kampfkunst übrig hatte. Manchmal gingen wir hinunter in die umliegenden Dörfer, wenn wir wussten, dass die Menschen an Krankheit und Hunger litten, um ihnen ein wenig von dem, was wir hier oben anbauten, zu überlassen. Als ich eines Tages mit diesem Dienst dran war, traf ich eine Frau. Wir sprachen miteinander, trafen uns wieder und verliebten uns. Teilten das Lager. Zwei Jahre ging es gut, ehe einer meiner Brüder uns erwischte und da der nicht gut auf mich zu sprechen war und die Zusammenkunft mit Frauen einer der höchsten Frevel war, die einer der unseren begehen konnte, beschloss man, mich zu bestrafen.” Er machte eine Pause. Der Blick verhärtete sich bei dem folgenden Teil der Geschichte erheblich. “Aber anstelle mich auszupeitschen, mir Wasser und Nahrung zu entziehen oder etwas dergleichen, entschloss man sich, ein einmaliges Exempel zu statuieren. Sie nahmen Yuzurihana gefangen und zwangen mich, dabei zuzusehen, wie sie sie hinrichteten, um den Göttern ein Opfer zu bringen, sie zu besänftigen, wo ich sie erzürnt hatte. Wie ihr seht, ist diese Geschichte weniger ereignisreich, als ihres euch erhofft habt. Als Yuzurihana starb, erkaltete mein Herz, ich schwor Rache und eines Nachts, als meine Brüder schliefen, legte ich das Feuer. Sie erwachten nie wieder, da der Rauch sie schon in tiefe Ohnmacht hatte fallen lassen. Ein Teil des Tempels brannte vollkommen aus. Ich bereue bis heute nicht, dass ich das getan habe. Es erfüllt mich …. mit unendlicher Befriedigung, wenn ich daran denke.” Der Blick Takanagas hatte etwas Entrücktes angenommen und Jakotsu verstand nun im Stillen, was die Männer damit gemeint hatten, als sie vom Wahnsinn gesprochen hatten. “Nachdem ich mich kurze Zeit in den Wäldern herumgetrieben hatte, verschlug es mich dorthin zurück. Ein halbes Jahr später stieß Haruyama zu mir. Ich fand ihn fast gevierteilt vor den Toren. Ich schuf ihm einen neuen Körper aus Metall, der seine Glieder daran hinderte, gänzlich auseinander zu fallen." “Ihr ganz alleine wart das?”, murmelte Bankotsu feststellend. Jakotsu schwieg. Aber irgendwie war es mal wieder typisch Menschen. Für die meisten gab es nur Schwarz und Weiß. Jemand, der den Göttern diente, würde natürlich niemals etwas Schlimmes tun. Ein Mensch, der begann, eigenständig zu denken und zu fühlen, wurde auf dieser Welt nicht lange glücklich. Er mochte Takanaga immer noch nicht und er bezweifelte, dass sich das irgendwann ändern würde. Aber wenigstens konnte er ihn jetzt etwas besser verstehen und wenn Bankotsu unbedingt wollte, dass er mit ihnen kam, würde er sich damit schon irgendwie arrangieren können. Bankotsu ließ die Geschichte einen Moment auf sich wirken und wandte sich dann an Takanaga. “Akira”, sprach er ihn bei dessen Vornamen an, eine Vertrautheit, so ohne Namenssuffix, die in der Öffentlichkeit als ungeheure Unverschämtheit gegolten hätte, doch Takanaga schien sich im Moment nicht daran zu stören. “Wieso nur bist du hier geblieben? Was war es, das dich hier gehalten hat?” Überraschenderweise war es Jakotsu, der für den Mönch antwortete. Seine Stimme klang dabei gedämpft: “Wahrscheinlich derselbe Grund, aus dem ich nicht aus dem Bordell von Oneesama weggelaufen bin.” “Auch Jakotsu und ich haben unsere Vergangenheit zu tragen. Auch wir sind niemand, der von der Gesellschaft als Einzelner gerne gesehen wird. Aber stell dir nur mal vor - deine Fähigkeiten sind beeindruckend; wenn wir uns nun zusammenschlössen. Wir könnten uns als Söldner verdienen und ein gutes Leben leben. Niemand wäre mehr Gefangener seiner eigenen Vergangenheit und wir könnten uns einen Namen machen, uns Respekt verschaffen - man könnte uns sogar fürchten!” Und vielleicht war es das entschlossene Funkeln in Bankotsus Augen, das Takanaga schließlich zu seiner Entscheidung bewog. Kapitel 12: Renkotsu und Ginkotsu --------------------------------- Es war zwei Tage später in den frühen Morgenstunden, als Bankotsu durch ein Geräusch geweckt wurde. Seitdem seine Familie so brutal ermordet worden war, hatte er keinen festen Schlaf mehr. Leisestand er auf und schlich zum Fenster. Er verengte die Augen, nur um sie dann im nächsten Moment aufzureißen. Sah er etwa Fackelschein in der Ferne? War das eine wütende Menge, die da auf sie zukam? Soldaten? “Hey, Jakotsu!”, zischte er und rüttelte seinen Gefährten unsanft wach. Verschlafene Augen blickten ihn verwirrt an. “W-was...?” “Zieh dich an und mach dich bereit, es kann sein, dass wir unliebsamen Besuch bekommen!” Jakotsu verstand zwar immer noch nicht ganz, was Bankotsu eigentlich von ihm wollte, aber er verstand sehr wohl die Dringlichkeit in dessen Worten. Während Jakotsu sich schnell seine Kleider anlegte, war Bankotsu schon aus dem Zimmer gehuscht und eilte in Richtung der Schlafgemächer Takanagas. Bereits auf dem Flur kam dieser ihm entgegen. “Du hast es auch schon mitbekommen?” Der Mönch nickte. “Wahrscheinlich ist das deinem dummen Gefährten zu verdanken, aber das können wir jetzt nicht mehr ändern. Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten: Wir kämpfen gegen den Pulk und machen uns noch mehr zu Verbrechern als wir ohnehin schon sind, oder wir nutzen die noch herrschende Dunkelheit, um zu entschwinden. Was schlägst du vor, Rida-sama?” Bankotsus Lippen umspielte ein freudiges Lächeln, als er die respektvolle Anrede vernahm, dann wurde er schnell wieder ernst. Er wägte ab. „Wir gehen ein Stück in den Wald hinein. Sie werden unsere Spuren im Schnee finden und ihnen folgen. Da werden wir dann auf sie warten“, ordnete er schließlich an als hätten sie alle Zeit der Welt. “Wieviel Zeit haben wir noch, ehe die da sind?” Takanaga wandte den Blick aus dem Fenster. “Etwa eine Viertelstunde.” “Dann sollten wir uns beeilen - Jakotsu, sattel das Pferd, ich hole unsere Sachen. Akira, was ist mit Haruyama?” “Ich kümmere mich darum.” Sie nickten sich kurz zu und eilten dann in verschiedene Richtungen davon. Wenig später fanden sich die vier auf dem Hof zusammen. Jakotsu führte das Pferd am Zügel, es wäre Selbstmord, im Dunkeln bei Schnee durch den Wald zu reiten, zumal der Mond wolkenverhangen war. Als sie wenig später, von Takanaga geführt, in den Wald eindrangen, bemerkte Bankotsu mit Erstaunen, wie lautlos Haruyama sich fortbewegen konnte. Und als die Männer sie später einholten, da wurden sie bereits erwartet. Und da ... fiel auf einmal die Angst von Jakotsu ab. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Ja, wieso eigentlich nicht? Sollten sie doch kommen. Es gab keinen Grund mehr, Angst zu haben. Das waren nur ein paar lächerliche Bauern mit ihren Heugabeln. Sie sollten es sein, die man fürchtete.   ~*~ Nishimura Kenji hatte durchaus einen Anflug schlechten Gewissens gehabt, als er die anderen zum Tempel geführt hatte.Er würde Jakotsu nichts tun. Er würde ihn beschützen, wenn es ging und ihn vielleicht mit sich nehmen, denn nichts läge ihm ferner, als dass der hübsche junge Mann den Tod fand. Als sie an den Tempel kamen, bemerkte man im fahlen Schein des Mondes Spuren im Schnee, sie hatten also bemerkt, dass sie kamen. Man beschloss, ihnen zu folgen. Grimmig, hasserfüllt und voller Schadenfreude. Immerhin waren sie bestimmt 30 Männer. Welche Chance hatten diese Verbrecher schon? Und plötzlich ... hörte Nishimura, der in einer der ersten Reihen mitlief, ein Surren und sein Instinkt sagte ihm, dass er sich schnell auf den Boden werfen sollte. "Achtung!!!", brüllte er, um seineGefährten zu warnen, und warf sich in den Schnee und das war gut so, denn im nächsten Moment fegten mehrere Klingen über ihn hinweg. Teilten nicht nur drei seiner Gefährten in zwei Teile, sondern mähten auch gleich noch zwei junge Bäume mit ab, die im Wege gestanden hatten. Als er den Kopf hob, vernahm er ein Lachen, während seine Gefährten schon ihre Waffen gezückt hatten und teilweise mit Schrecken auf die Enthaupteten blickten. "Jakotsu, du musst lernen, besser zu zielen. Wenn du richtig gezielt hättest, dann hättest du sicherlich fünf erwischen können, oder mehr." Nishimura blinzelte. Jakotsu? Wie als habe er gehört, wie er seinen Namen gedacht hatte, trat ebenjener aus dem Dunkel des Dickichts heraus auf die kleine Lichtung, auf welcher sie sich befanden. Nishimura schauerte und Jakotsu ließ in aller Seelenruhe seine Klingen zurückfedern. Das viele Üben hatte sich letztendlich bezahlt gemacht. Hinter Jakotsu trat ein Mann aus dem Schatten oder besser gesagt ein Junge, wie Nishimura auf den zweiten Blick bemerkte und irritiert fiel sein Blick auf die bedenklich große Waffe, die er mit sich herumschleppte. "Hallo Kenji-san", sagte Jakotsu sanft und selbiger konnte sich nicht mal in dieser Situation dessen Liebreiz erwehren und einen kurzen Moment ertappte er sich dabei, wie er sich danach sehnte, noch einmal in den Genuss dieser, im Mondlicht, fast schneeweißen Haut und dem duftenden, seidigen Haar zu kommen, welches nun lose über die Schultern des jungen Mannes floss. "Jakotsu", sagte er schließlich steif, bemüht seine Haltung zu wahren. "Bist du freiwillig bei diesen Männern?" Er sprach es aus, als sei es eine unmögliche Vorstellung, dass jemand wie Jakotsu mordend durch die Wälder ziehen konnte. Wie hatte er sich nur so täuschen können? Ein spöttisches Lächeln umspielte Jakotsus Lippen. "Sehe ich aus, als werde ich gezwungen?" Darauf wusste Kenji nichts zu antworten und an seiner Stelle sprach Bankotsu zu den Männern, welche in lauernder Stellung in einer Art Halbkreis um die Gefährten Aufstellung bezogen hatten: "Ich, Bankotsu, bin der Anführer dieser Männer-" In der Zwischenzeit waren auch Haruyama und Takanaga aus dem Dunkel herausgetreten und verweilten bewegungslos hinter Jakotsu und Bankotsu. "-Wir sind Söldner und folgen keinem Herrn und keinem Gesetz. Wenn ihr uns nicht ziehen lasst, dann werden wir euch töten und wir werden es mit dem Recht auf die Unversehrtheit unseres eigenen Leibes tun!" Bankotsus kraftvolle Stimme verhallte auf der Lichtung und die Männer warfen sich unsichere Blicke zu, bis einer von ihnen sprach: "Einer von euch hat mir meinen Vater genommen, einer von euch ist ein Mörder - händigt ihn uns aus und wir werden den Rest von euch unbescholten ziehen lassen." Bankotsu lächelte nachsichtig. "Ich fürchte, ich muss ablehnen. Wir sind keine Kameradenschweine. Wenn ihr einen von uns wollt, nehmt ihr es mit allen auf." Die Gestalt Haruyamas war es wohl, der die Männer zögern ließ. Andererseits, sie waren in der Überzahl und diese Männer nur zu viert. Der Anführer der Meute gab schließlich den Befehl: "Wir greifen an!" Bankotsu hatte die Lage schnell erfasst, bewaffnete Bauern, die Krieg spielen wollten. Lachhaft. Er leckte sich über die Lippen, als das erste Blut ihn bespritzte, Kleidung und Wangen traf. Ein triumphierendes Lachen entfuhr Bankotsu, als er innerhalb von wenigen Sekunden fünf weiteren Männern den Tod schenkte und aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Jakotsu, nicht weit von ihm, ebenfalls in eine Art Blutrausch verfallen war. Und verdammt. Jakotsu hatte nie so erotisch ausgesehen wie in diesem Moment, mit diesem mordlustigen, sadistischen Funkeln in den Augen und den ganzen Blutspritzern überall. Takanaga hatte das Treiben einen Augenblick beobachtet. Eigentlich war es unnötig, dass er sich einschaltete, Bankotsu und Jakotsu schienen alles fest im Griff zu haben - und nebenbei empfand er es als erstaunlich, dass sich Jakotsu doch nicht als ein solcher Trampel herausstellte, wie er die ganze Zeit gedacht hatte. Ehre, wem Ehre gebührte und das musste er ihm wohl oder übel anerkennen. Wie gesagt, nun war es eigentlich unnötig, dass er sich einmischte. Allerdings juckte es ihn gerade in den Fingern, eine seiner neuen Granaten auszutesten, die er die letzten Wochen konstruiert hatte und so rief er den beiden Kämpfenden zu: "Geht mal beiseite, sonst kriegt ihr was ab!" Bankotsu schaltete schnell und sprang aus dem Weg, während Jakotsu noch einem Mann das Bein absäbelte und dann ebenfalls in Deckung - hinter Haruyama - sprang, denn er sah schon die Lunte, die Takanaga in der Hand hielt. Der Mönch wartete einen Augenblick, dann zielte er direkt dahin, wo sich die meisten von ihnen aufhielten - und irritiert aus der Wäsche schauten aufgrund Bankotsus und Jakotsus jähem Rückzug. Dann hörten sie ein Zischen und die Blicke fielen auf den kleinen Gegenstand, den man in ihre Mittegeworfen hatte. Dann ein helles Licht, eine Explosion, so stark, dass eine meterhohe Schneesäule aufstob und Bankotsu, welcher sich auch hinter Haruyama geflüchtet hatte, hörte, wie geschmolzener Schnee in Form von Wassertropfen auf den Stahlpanzer des Hünen niederregnete, welcher das Schauspiel unbewegt verfolgt hatte. Schnee rieselte vom Himmel und als Bankotsu wieder hervortrat, bemerkte er mit Erstaunen die Leichenteile, die nun überall verstreut auf der Lichtung waren. Sein Blick fiel auf zwei Männer, welche überlebt hatten. Einer hatte eine ziemlich hässliche Wunde am Bein und der andere mühte sich damit ab, ihm wieder auf die Beine zu helfen, damit sie beide das Weite suchen konnten. Bankotsu trat näher und er sah mit Genugtuung die Angst in ihren Augen. Ein Gefühl von Macht durchströmte ihn. "Ich werde euch am Leben lassen", sagte er beinahe sanft und sein stechender Blick ruhte auf den beiden. "Immerhin muss ja jemand übrig sein, der von uns erzählen kann." Er machte eine bedeutungsvolle Pause. "Mein Name ist Bankotsu", sagte er dann. "Merke ihn dir gut, denn eines Tages werde ich der Anführer der gefürchtetsten Söldnertruppe aller Zeiten sein."   ~*~ Sie waren die Nacht über durch gelaufen bis der Morgen angebrochen war. Die Kälte war ihnen allen in die Knochen gekrochen und Jakotsu, welchen die Kräfte als erstes verlassen hatten, hatte kurzerhand beschlossen, sich auf einer von Haruyamas kräftigen Schultern niederzulassen, während Takanaga wortlos die Führung des Pferdes übernommen hatte. "Wo führst du uns hin, Bankotsu?", fragte er schließlich in die Stille hinein, da er sich selbst von der Müdigkeit ablenken wollte. Bankotsu antwortete nicht sofort. Denn es gab viele Erinnerungen. Schmerzhafte Erinnerungen. Verzögert murmelte er:„Ich möchte sehen, ob das Sommerhaus meiner Familie noch existiert. Es lag recht abgeschieden, weit draußen, nicht viele wussten nicht davon. Es mag sein, dass es von Räubern mittlerweile leergeplündert oder in neuen Besitz übergeben wurde, aber um ehrlich zu sein… ist das momentan die beste Lösung, die mir einfällt.“ Er hatte die stille Hoffnung, dass man die Finger davon gelassen hatte im Aberglauben, dass der Dämonenfluch, der die Familie Segawa hingerafft hatte, auf einen selbst zurück fallen könnte. „Wie lange ist es dorthin?“, wollte Jakotsu müde wissen. „Lange.“ „Fabelhaft.“ "Akira?", meinte Bankotsu dann irgendwann. "Ja?" "Denkst du nicht, dass es Zeit wird, deinen Namen abzulegen und einen anzunehmen, der dich uns zugehörig macht?" Takanaga kniff die Augen nachdenklich zusammen. Ein merkwürdiger Vorschlag, aber wenn er so darüber nachdachte, dann war es sicher nicht verkehrt. Sozusagen als Symbol für einen Neuanfang. Die Altlasten hinter sich zu lassen. "Renkotsu", sagte Bankotsu dann. "Er passt zu dir." Takanaga überlegte einen Augenblick, nickte dann. “Dagegen gibt es nichts einzuwenden.” Und tatsächlich schlich sich so etwas wie ein ehrliches Lächeln auf die sonst so verkniffene Miene des ehemaligen Mönches. “Und dein großer, schweigsamer Freund...”, führte Bankotsu weiter aus, “gehört ja nun auch zu uns.” Bankotsus Blick ruhte auf der massigen Gestalt Haruyamas, der mit einer Hand leicht nach hinten gegriffen hatte, um vorsichtig zu verhindern, dass Jakotsu von seinem Rücken rutschte. “Ginkotsu”, sagte er dann leise und sah Renkotsu daraufhin an, welcher mit einem schiefen Grinsen erwiderte: “Das musst du ihn schon selbst fragen.” “Hey, Haru!”, brüllte Bankotsu, sodass Jakotsu aufschreckte und fast von Haruyamas Schulter gefallen wäre, “ist dieser Name dir recht?” Der Hüne gab ein zustimmendes “Gish” von sich und damit war die Sache für Bankotsu erledigt. Stolz auf sich selbst und seinen Einfallsreichtum wandte er seinen Blick wieder nach vorne. Es wurde stetig heller.   ~*~ Sie legten einen regelrechten Gewaltmarsch hinter sich, in dem sogar Bankotsu an seine Grenzen stieß. Jedenfalls war er ebenso froh wie die anderen als sie an ihrem Ziel anlangten. Das Sommerhaus stand zumindest noch. Irgendjemand hatte Fenster und Türen vernagelt, was zumindestschonmal hieß, dass es nicht in neuen Besitz übergegangen war. Auf einer Seite hatte man die Verschläge heruntergerissen. Vermutlich das Werk von Räubern oder Aussätzigen. Aber damit hatte man rechnen müssen. Während er durch das aufgerissene Fenster das Haus betrat machte Ginkotsu sich daran die Verschläge von allen anderen Fenstern herunter zu reißen. Es war schmutzig. Schmutzig und staubig und die Luft war ekelhaft muffig. Bevor sie heizen konnten, mussten sie erstmal ordentlich durchlüften. Bankotsu schritt langsam durch die Gänge, ging in den einen oder anderen Raum hinein und hatte Mühe, sich nicht von Erinnerungen überwältigen zu lassen. Es hatte schöne Zeiten gegeben, ja. Zeiten vor dem Krieg, Zeiten ohne den Dämon, der alles zerstört hatte. Als seine Mutter gelacht hatte. Als sein Vater der gewesen war, zu dem er hatte aufsehen können. Und sein Bruder… plötzlich hielt Bankotsu inne, als hätte ihn der Blitz getroffen. Hideo? Was war mit Hideo? Er durchsuchte seine Erinnerungen beinahe verkrampf nach dem Bild mit der Leiche seines Bruders, aber er fand es nicht. Ihm wurde plötzlich schwindelig. Mit einem Keuchen stützte er sich an der nächsten Wand ab. Wie hatte er das nur all die Jahre verdrängen können? Sein Bruder .. „Bankotsu? Ist alles in Ordnung?“ Bankotsu fuhr herum wie von der Tarantel gestochen, doch es war nur Jakotsu, der ihm nachgekommen war. „Alles gut“, erwiderte Bankotsu fahrig. "Wo ist die Küche?", fragte Jakotsu leise, nur um etwas zu sagen. "Dann gehe ich mal nachsehen, ob es noch brauchbare Vorräte gibt." Bankotsu murmelte: "Ganz am Ende des Gangs an der Frontseite... aber da wird nichts mehr sein, das kannst du dir eigentlich sparen." Jakotsu nickte und machte sich auf den Weg. Er hatte ohnehin das Gefühl, dass Bankotsu gerade lieber alleine war. Es war nur logisch, dass der von Erinnerungen überwältigt wurde. Wem wäre es anders ergangen? Die Schiebetür zur Küche war halb offen und als Jakotsu sie ganz aufschieben wollte, merkte er, dass sie klemmte. In der Küche war alles, wie im Rest des Hauses auch, mit einer dicken Staubschicht bedeckt, aber es schien kaum etwas entwendet worden sein. Höchst eigenartig, wenn ein Haus so lange leer stand. Bankotsu würde ihm wohl bald ein paar Fragen beantworten müssen. Er brauchte nicht lange suchen, bis er etwas fand, was mit etwas Glück eine Speisekammer darstellen konnte. Er schob die Tür auf und tatsächlich – ein Raum knappe 15 Quadratmeter groß, an welchem sich an jeder Wand Regale drängten und auf dem Boden standen ein paar Fässer. In den Regalen fand er eingelegtes Gemüse und getrocknetes Obst, welche sich beide über die Jahre hinweg gehalten hatten schienen und seine Augen begannen zu leuchten, als der Blick auf kandierte Früchte in einem Glas fiel. Langsam trat er näher und klopfte von außen auf die Fässer. Manche von ihnen schienen sogar noch gefüllt zu sein. Schließlich rüttelte er an einem Deckel: Es brauchte eine Zeit lang, da er sich nicht sofort löste, aber als er ihn schließlich herunter hatte und in das Fass hineinspähte, erhellte sich seine Mimik. Eingesalzenes Fleisch. Sowas hielt sich praktisch ewig. Verhungern würden sie hier schon mal nicht und zur Not konnten sie ja auch irgendetwas von dem Schnickschnack verkaufen, der hier überall herumstand. Jakotsu konnte nicht widerstehen und fischte sich ein kleines Stück Fleisch aus dem Fass, ehe er es wieder sorgsam mit dem Deckel verschloss, dann ging er zurück, um nach einem Zimmer zu sehen. Renkotsu war es nun vollkommen gleichgültig, wo sie den Winter verbrachten, solange sie nicht in einem Loch in der Erde hausen mussten. Er nahm gerade das Arbeitszimmer des ehemaligen Hausherrn in Augenschein und der Reichtum dieser Familie wurde ihm hierbei deutlich. Die edelste Einrichtung, das teuerste Schreibmaterial, Kerzen, die aus Wachs waren und nicht aus billigem Talg, wie sie die Bauern und einfachen Leute benutzten und da er ja bei ihrem übereilten Aufbruch nicht alle seine Schreibmaterialien nicht hatte mitnehmen können, war er mehr als zufrieden, hier das passende zu finden. Zwar waren die Papierbögen schon etwas vergilbt und einige Tuschefässchen bereits eingetrocknet, aber es waren noch etwa fünf ungeöffnete Fässchen dabei. Das Haus war zudem groß genug, sodass die Gefahr eines Lagerkollers sehr gering war. Hier ließ es sich definitiv eine Weile aushalten, zumal dieses Haus auch weitaus besser isoliert schien als die Tempelanlagen, in denen er zuvor gehaust hatte.   ~*~ Gerade eben hatte er das Zimmer seiner Eltern betreten. Er wusste, dass seine Mutter einige ihrerkostbarsten Kimonos hier aufbewahrt hatte. In einer geheimen Lade, irgendwo hinter der Wandverkleidung oder einer Bodendieleoder so, so genau wusste er das nicht mehr. Aber die Kimonos hatten seinerzeit ein halbes Vermögen gekostet und er hatte den dumpfen Verdacht, dass sie sie absichtlich hier versteckt hatte, um im Fall des Falles nicht vollkommen mittellos dazustehen. Aufs Geratewohl klopfte er die Wandverkleidung ab, aber ohne Erfolg. Kein Hohlraum.Er wollte schon aufgeben als er eine Eingebung hatte. Sein Blick fiel auf den Wandschrank. Er schob die Türen auf und räumte achtlos das wertlose Gerümpel raus, das das Diebesgesindel gnädigerweise hier gelassen hatte. Dann klopfte er vorsichtig die Wände und den Boden des Schrankes ab – und tatsächlich klang es so als wäre hinter der linken Innenseite ein Hohlraum. Bankotsu fuhr mit den Fingerspitzen langsam über das Holz, drückte hier und da dagegen - bis er endlich den Mechanismus fand, der die geheime Türe öffnete. Drei unscheinbare längliche Kisten waren hier gestapelt, die man auf den ersten Blick sogar übersehen hätte, wenn man nicht wusste, dass sie da waren. Sehr geschickt. Er schaffte sie hinaus und blies den Staub von einer herunter, um sie umsichtig zu öffnen. Ihm wurde klamm ums Herz, als er die Fingerspitzen ehrfürchtig über den kostbaren Stoff schweifen ließ. Beinahe bildete er sich ein, das Parfum seiner Mutter noch darin wahrnehmen zu können. Und da war auch der seidene, fliederfarbene Schal, den sie immer getragen hatte. Sie hatte diesen Schal geliebt. Im Herbst und im Winter hatte sie ihn nahezu ständig getragen. Ein verräterisches Brennen in den Augen. Bankotsu wischte sich darüber und sah sich dann verstohlen um.Dann straffte er die Gestalt. Er als Anführer durfte sich solche Art von Schwäche nicht erlauben. Seine Gefährten würden ohnehin früher oder später beginnen, zu fragen, was hier vorgefallen war und dann wollte er es ihnen möglichst sachlich sagen und nicht einen tränendurchwirkten Bericht abliefern, der an seiner Mannhaftigkeit zweifeln ließ. "Bankotsu?" Er wandte sich um und unbewusst fühlte er sich besser, als er sah, wie Jakotsu ihn anlächelte. "Es ist wirklich schön hier, aber wenn wir hier bleiben wollen, dann sollten wir einmal gründlich von oben bis unten sauber machen." Bankotsu grinste schief. "Führt wohl kein Weg dran vorbei, was?“ Wenig später waren auch ihre anderen Gefährten eingespannt und während ihm, genau wie den anderen, schon bald der Schweiß lief, dachte Bankotsu im Stillen darüber nach, dass es wohl sehr annehmlich wäre, jemanden zu beschäftigen, der alleine für die Ordnung im Haus zuständig war. Wenn sie Geld verdienten. Doch plötzlich, während er gerade die Fenster im Schlafzimmer seiner Eltern schrubbte, fiel ihm etwas ein. Sein Vater wäre doch sicher nicht sein Vater gewesen, wenn der nicht irgendwo eine Geldkassette oder etwas Derartiges versteckt hatte. War nie ein Mann gewesen, der Dinge dem Zufall überließ. So ließ er die Fenster erstmal Fenster sein und überlegte, wo der Mann wohl etwas versteckt haben könnte, von dem er sich sicher war, dass dort niemand nachsehen würde.Die Kimonos seiner Mutter wollte er nämlich nur im allerhöchsten Notfall verkaufen. Dann klopfte er die Bodenleiste nach hohlen Stellen ab, wurde aber nicht fündig. Schließlich nahm er sich die Rückseite der Schränke vor. Und dann das Büro seines Vaters und als er schließlich nicht mehr weiter wusste, packte ihn erst recht der Ehrgeiz. Nein, sein Vater war ein kluger Mann gewesen, an den Stellen, an denen er gesucht hatte, rechnete doch jeder damit. Also was könnte das für ein Ort sein, an welchem ein Mann wie er eine größere Summe an Geld versteckte? Denn die Wertpapiere die dieser besaß, konnte er als Totgeglaubter momentan schlecht einlösen, das wäre noch zu früh. Bankotsu stöhnte überfordert auf und lehnte sich gegen eine Wand. "Er wird ja wohl kaum eine Geldkassette im Pferdestall vergraben haben", sagte er schlecht gelaunt vor sich hin und noch ehe er diesen Gedanken vollständig ausgesprochen hatte, beschlich ihn das Gefühl, dass das vielleicht gar nicht so abwegig war. Andererseits ... Er konnte sich nun auch nicht wirklich vorstellen, dass ein Mann wie sein Vater, der vor Würde und Ansehen nur so strotzte, im Pferdestall herumkroch, um da sein Erspartes zu verstecken. Bankotsu zuckte schließlich mit den Schultern und ging dann nach draußen in Richtung der Stallungen. Auch nach zwei Jahren war der angenehme Muff nach Pferdestall nicht gänzlich gewichen und es hatte gleich etwas Vertrautes. Er hatte den Rittmeister immer sehr gemocht als Knabe, auch wenn Reiten nie seine Lieblingsdisziplin gewesen war. Langsam schritt er durch den Mittelgang und blieb dann dort stehen, wo das Lieblingspferd seines Vaters immer gestanden hatte. Dann betrat er die Stelle und sah sich suchend auf dem Boden um.Nichts, keine Kerbe im Boden, keine Unregelmäßigkeit. Sich geschlagen gebend lehnte er sich an das Wasserbecken. Wahrscheinlich hatte er ihn doch falsch eingeschätzt. Wäre ja nicht das erste Mal, dachte er ironisch. Moment mal, hatte das Becken leicht geruckelt, als er sich dagegen gelehnt hatte? Bankotsu runzelte die Stirn. Sein Vater hatte solche Mängel nicht geduldet und schon gar kein lockeres Wasserbecken im Stallplatz seines Lieblingspferdes. Neugierig nahm er es genauer in Augenschein und als er das tat, bemerkte er, dass die Fugen nicht verschlossen waren, wie sie es eigentlich sein sollten. "Er wird doch nicht ...", murmelte er, dann packte er das Becken, ruckelte ein bisschen daran und tatsächlich, der obere Teil löste sich ab, wie ein Deckel und darunter wurde eine Aushöhlung sichtbar. Bankotsu stellte das Beckenteil zur Seite und griff dann beherzt mit einer Hand hinein, tastend, wobei er einen leichten Ekel aufgrund des Schlicks verspürte und dann ... fand er etwas Metallisches, Schweres und er musste mit der zweiten Hand hineingreifen, weil es so glitschig war, dass er es sonst nicht hätte greifen können. Er zog eine Kiste heraus, etwa so groß, wie ein frühgeborener Säugling und da er wenig Lust hatte, den Inhalt hier im kalten Stall zu erforschen, trug er sie zurück zum Haus. Im weiträumigen Wohnzimmer stellte er die Kiste auf den flachen Tisch und probierte dann, den Deckel zu öffnen, doch zu seiner Enttäuschung musste er bald feststellen, dass sie sich nur mit einem passenden Schlüssel öffnen ließ. Sauer betrachtete er das kleine, rostige Schloss und beschloss dann, dass er keine Lust hatte, in diesem großen Haus noch nach einem Schlüssel zu suchen und verpasste der Kiste dann einfach mehrere gezielte Hiebe mit seiner Faust. Das Resultat davon war allerdings nur, dass das Schloss immer noch geschlossen war und ihm nun die Hand wehtat. "Du verfluchtes, dreckiges Miststück ...", beschimpfte er die Kiste und verschränkte dann die Arme vor der Brust. "Du hast gerufen?" Bankotsu sah auf und sah Jakotsu schief grinsend in der Tür stehen. "Wo hast du die Schürze her?", murrte Bankotsu. Jakotsu grinste verhalten. "Aus dem Schrank einer der Bediensteten - ich mach mir doch nicht den einzigen schönen Yukata schmutzig, den ich besitze." Bankotsu rollte die Augen, während der Ältere sich neben ihn setzte und die Kiste neugierig beäugte. "Kriegst du die nicht auf?" "Nein, ich haue nur darauf rum, weil es mir solchen Spaß macht, mir wehzutun!", entgegnete Bankotsu eingeschnappt und beobachtete dann mit verschränkten Armen, wie Jakotsu seelenruhig eine Nadel aus seiner ohnehin schon wirren Frisur zog und begann, in dem Schloss herumzustochern. "Jakotsu, bitte, das funktioniert doch niemals." Jakotsu erwiderte nichts, sondern werkelte ein paar Sekunden konzentriert in dem Schloss herum, ehe es klickte und die Kiste tatsächlich aufsprang. Bankotsu hob eine Augenbraue. "Woher kannst du sowas?" Irgendwie kratzte es an seinem Stolz, das Jakotsu etwas so leicht hinbekam, mit dem er seine Schwierigkeiten gehabt hatte. "Bei Oneesamas Gehältern musste man mit allen Wassern gewaschen sein. Ich hab mich regelmäßig an den Geldvorräten meiner Freier bedient, denn manchmal holten sie mich auch für ein paar Tage mit zu sich nachhause. Und ich hab mir danach ein paar schöne Sachen gegönnt", fügte der junge Mann lachend hinzu und merkte offenbar gar nicht, dass das Thema Bankotsu an den Rande der Weißglut brachte. Wütend biss er sich auf die Unterlippe. Nein, solange er lebte, sollte Jakotsu nie wieder gezwungen sein, solche Dienste feilbieten zu müssen, um überleben zu können. Jakotsu sog überrascht die Luft ein, als Bankotsu ihn plötzlich an sich zog und ihm herrisch in den Hals biss. "Ungh ... Bankotsu, willst du nicht ... lieber sehen, was da drin ist ... hah-" "Hat Zeit", murmelte Bankotsu und fühlte sich während des Bisses von einer eigenartigen Zufriedenheit beseelt. Er küsste die wunde Stelle beinahe entschuldigend, als ihm plötzlich etwas einfiel. "Sag mal ... als es gestern Abend zu diesem Kampf kam, schien der eine Kerl dich zu kennen - wieso?" Jakotsu blickte ihn unschuldig an, als er von ihm abließ. "Der hat mich sicher verwechselt, ich habe den nämlich noch nie in meinem Leben ge-" Ein weiterer, schmerzhafter Biss, ließ ihn innehalten. "Du sollst deinen Anführer doch nicht anlügen", knurrte Bankotsu, sodass Jakotsu wonnevoll erschauerte. "Ich hab mit ihm geschlafen...", sagte er dann und versuchte dabei, reumütig zu klingen. Bankotsu schaute ihn böse an. Wusste aber, dass er kein Recht hatte, Jakotsu deshalb Vorwürfe zu machen. So beschloss er, sich einfach mit etwas anderem abzulenken und während Jakotsu noch bemüht war, seinen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bringen, meinte er: "So, jetzt sehen wir mal, was mein alter Herr mir da hinterlassen hat." Damit öffnete er die Kiste und ein warmer, goldener Schimmer drang daraus hervor. Jakotsu wurden die Augen groß, während Bankotsu selbstgefällig grinste. "Ich würde sagen, die nächsten Monate sind locker davon bezahlt." "Monate?", erwiderte Jakotsu verwirrt. "Das reicht doch für mindestens zwei Jahre." "Du vergisst, dass wir einiges an Kleidung werden kaufen müssen. Wir sind zwar Söldner, aber davon gibt es viele. Wenn wir neben einem beeindruckenden Auftreten noch eine einigermaßen edle Erscheinung haben, dann steht uns eigentlich nahezu alles offen. Außerdem brauchen wir noch jemanden, der das Haus hier in Ordnung hält." Kapitel 13: Der Kimono ---------------------- "Nichts aber, es ist besser, wenn ich mit Renkotsu alleine gehe." Jakotsu stemmte beleidigt die Hände in die Hüften. "Aber ich ziehe doch nichts an, was Renkotsu ausgesucht hat!" "Dann zieh eben etwas an, was ich ausgesucht habe." Bankotsu rollte mit den Augen. Wenn es um Kleidung ging, war Jakotsu nicht so ganz einfach. Genaugenommen war er nie ganz einfach "Hör zu, ich mach dir einen Vorschlag", lenkte er schließlich ein, wobei er genau wusste, dass er das als Anführer eigentlich gar nicht musste, "ich werde in der Stadt nach einem Schneider sehen und ihn dann für morgen herbestellen, dann geb ich ein Budget vor und du darfst dir danach etwas aussuchen, wäre DAS recht?" Jakotsu legte leicht den Kopf schief. "Meinetwegen." "Gut. Aber Rüstungs- und Waffenteile lässt du in meinem Bestimmungsrecht, hm?" Bankotsu klang betont freundlich dabei und sah Jakotsu dabei so lieblich an, dass dieser aus einem unerfindlichen Grund leicht errötete und dann seine Zustimmung murmelte. Sie hatten sich diesen Tag ausgesucht, um in die Stadt zu gehen, weil es heute nicht schneite und sogar die Sonne schien. "Was meinst du, brauchen wir am nötigsten?", murmelte Bankotsu. Renkotsu überlegte eine kurze Weile. "Pferde." "Pferde?" Bankotsu war jemand, der die meisten Strecken zu Fuß ging und hatte diese Möglichkeit daher gar nicht einberechnet, aber wenn er so darüber nachdachte, dann ergab die Anschaffung von Pferden durchaus Sinn. "Wir haben doch eins. Und gute Pferde sind teuer", gab der junge Anführer zu bedenken. "Nur dann, wenn du nach einem Kaiser-Schimmel Ausschau hältst", erwiderte Renkotsu mit einem schmalen Lächeln. "Man braucht nur richtig mit den Leuten reden." Bankotsus rechte Augenbraue schoss in die Höhe. "Woher weiß jemand, der den Großteil seines Lebens in den Bergen in einem Kloster verbracht hat, übers Handeln und Feilschen Bescheid?" "Das nicht unbedingt. Aber es bringt schon viele Vorteile mit sich, mit einem Mönch unterwegs zu sein", räumte Renkotsu ein und Bankotsus Grinsen wurde breiter. "Ach so, du willst schändlicherweise deine Geistlichen-Karte ausspielen? Na, mir solls recht sein, wenn wir dadurch alles zum halben Preis bekommen!" Während sie unterwegs waren, stellte Bankotsu fest, wieviel angenehmer es war, mit Renkotsu unterwegs zu sein. Der wirkte zu anfangs zwar verschlossen und in sich gekehrt, aber wenn er etwas zu sagen hatte, dann war es etwas Kluges und er redete auch nicht pausenlos irgendeinen Unsinn daher wie Jakotsu. Er war ihm eine willkommene Abwechslung. Er hoffte nur, dass Jakotsu in seiner Abwesenheit nicht irgendwas auf den Kopf stellte, aber wenn er es so recht bedachte, war das Schlimmste, das der anstellen konnte, Ginkotsu Schleifchen in das zottelige Haar zu binden. Er grinste verstohlen bei der Vorstellung. "Wie lange dauert es etwa, bis wir in der Stadt sind?" "Wenn wir schnell gehen, dann etwa 3 Stunden."   ~*~ Jakotsu hatte in der Tat eine bessere Beschäftigung gefunden, als Ginkotsu Schleifchen ins Haar zu binden. Er hatte beschlossen, sich nützlich zu machen und begonnen, die Küche weiter auf Vordermann zu bringen. Das Geschirr war von einer zentimeterdicken, schmierigen Staubschicht bedeckt, die sich nicht ohne weiteres entfernen ließ, sodass ihm schon bald nach der Hälfte des Geschirrs der Schweiß ausbrach. Er ließ das Schälchen sinken, welches er gerade in der Hand gehabt hatte, und schnaufte: "Ich hatte ganz vergessen, wie ermüdend sowas sein kann. Jetzt weiß ich wieder, warum ich mich früher davor immer gedrückt habe..." Plötzlich hatte Jakotsu keine Lust mehr auf Aufräumen, ließ das, was er in der Hand gehabt hatte, stehen und liegen und beschloss, ein bisschen durch das Anwesen zu stromern. Immerhin war er sehr neugierig darauf, zu wissen, wie Bankotsu früher gelebt hatte. Gestern, am ersten Tag, nachdem sie hier angekommen waren, hatten sie ja nur geputzt und sich jeder einen Raum gesucht, in dem er die nächste Zeit wohnen würde. Jakotsu wusch sich die Hände und zog dann seine weiten Ärmel zurück - ihm war ohnehin irgendwie kalt und vielleicht fand er ja noch Holz, das nicht durchnässt war, um Feuer zu machen und das Haus einmal ordentlich durchzuheizen. Wobei das eigentlich genauso gut Ginkotsu machen konnte. Er beschloss, es ihm später aufzutragen und begann seine Erkundung durch das Haus. Wenn er es so recht bedachte, dann hatte Bankotsu, seit sie gemeinsam unterwegs waren, niemals etwas aus seiner Vergangenheit preisgegeben. Irgendwie schade, denn wenn er das so betrachtete, gab es da sicher eine Menge zu erzählen. Bald kam er zu dem Raum, den Bankotsu zu dem seinigen erklärt hatte. Als er die Tür zu dem Raum aufschob, schlug ihm eine ziemliche Kälte entgegen. Bankotsu hatte wohl gelüftet, um den Muff der letzten Jahre loszuwerden und vergessen, das Fenster wieder zu schließen. Schnell schob er es zu und wollte sich schon wieder aus dem Zimmer verkrümeln als sein Blick auf etwas fiel.Drei Kisten von der Größe, in denen man normalerweise Kimonos aufbewahrte. Von der obersten war der Deckel nur nachlässig geschlossen und ein Stück bunter Stoff blitzte hervor. Der Kimono, den er wenig später aus der Kiste hervorzog war wunderschön.Er war mehrschichtig und cremefarben, mit goldenen Fäden durchwirkt und mit Stickereien von Vögeln und Perlen besetzt. Dieses Stück musste unbeschreiblich viel wert sein. Jakotsu biss sich auf die Unterlippe. Irgendwie reizte es ihn, das gute Stück einmal anzuprobieren, aber er wusste nicht, wem der mal gehört hatte und wollte nichts in Bankotsu aufrühren. Noch während er überlegte, hatten sich seine Hände wie von selbst einen Weg zum Stoff hingetastet und zogen den Kimono aus der Kiste. Als er bemerkte, was er tat, murmelte er: "Huch, nein sowas. Naja, jetzt ist es eh zu spät." Bloß kein schlechtes Gewissen haben. Ginkotsu hatte in der Zwischenzeit tatsächlich begonnen, das Anwesen durchzuheizen und schon bald spürte Jakotsu die Wärme in seine Glieder dringen. Er war ihm dankbar darum, denn der Kimono, den er gerade im Begriff war, anzuziehen, war trotz seiner Schichten nicht gerade für den Winter geeignet. Es hatte im Endeffekt fast eine Stunde gebraucht, bis er alles halbwegs so hatte, wie es sitzen sollte und dann machte er sich noch die Haare neu und schminkte das Gesicht, wie er es immer getan hatte, ehe er auf Reisen gewesen war. Skeptisch betrachtete er sich in dem riesigen Spiegel, der in dem Zimmer stand. Er hatte sein Äußeres viel zu lange schändlich vernachlässigt. Aber das hier konnte sich sehen lassen. Die Illusion war perfekt. Wenn man ihn so sah, konnte er wohl fast als Fürstentochter durchgehen. Jakotsu lachte verhalten. Vielleicht ließ sich so ja irgendwann mal ein äußerst einflussreicher Fürst an der Nase herumführen. Vorsichtig machte er ein paar Schritte, was wegen dem vielen Stoff gar nicht so einfach war, doch schon bald hatte er den Dreh raus und er lief ein paar Mal in dem großen Raum auf und ab.   ~*~ "He, Ihr, was wollt Ihr für diese Pferde haben?" Der Händler sah auf, musterte Bankotsu kurz mit abschätzigem Blick und meinte dann: "Zehn Goldstücke pro Tier." "Zeh- Das ist ja Wucher! Ich geb Euch zehn für drei zusammen!" Der Verkäufer, ein untersetzter, kleiner Mann mit Schweinsäuglein, kam näher und schnalzte verstimmt mit der Zunge. "Das sind gute Pferde." "Trotzdem ist eins davon niemals zehn Goldstücke wert." "Die stammen direkt aus einer Nebenzucht der kaiserlichen Pferde, sind robust und edel zugleich, ich verkauf‘ se mit zehn Goldstücken noch unter Wert." Bankotsu schnappte nach Luft, um seinen Unmut darüber zu äußern, doch Renkotsu legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte dann ruhig und freundlich: "Ihr werdet sicherlich verstehen, dass wir nicht sonderlich viel mit uns führen. Wir befinden uns gerade auf der Reise zu einem der westlichen Tempel und der Weg ist noch weit." Der Händler ließ seinen Blick über Renkotsu schweifen, der mit seiner Glatze und den Ohrringen ohne Zweifel an einen Mönch erinnerte. Etwas zögerlich erwiderte er: "Ich möcht' keinen Gottesmann übers Ohr hauen, nich'. Aber Ihr werdet sicher versteh'n, dass auch ich für meine Familie sorgen muss. Sind schwere Zeiten." Renkotsu lächelte ein frommes Lächeln (Er versuchte es zumindest). "Natürlich, guter Mann. Wir machen Euch einen Vorschlag. Wir geben Euch 15 Goldstücke für dreigute Pferde und ich werde dich und deine Familie in meine Gebete mit einschließen. Dass Euch die Götter wohl sind und Euch mit großem Reichtum Eure Frömmigkeit belohnen." Der Mann schluckte. Das klang durchaus verlockend. Dennoch überlegte er kurz. Gab schließlich nach. "Na schön, sucht Euch welche aus." Immerhin konnte man in schweren Zeiten immer einen Segen gebrauchen. Bankotsu warf Renkotsu einen verblüfften Blick zu. Das war ja einfacher gewesen als gedacht. In Wahrheit wussten sie nämlich beide, dass ein einziges Pferd mindestens seine 8 Goldstücke wert war und das waren gute Pferde, das erkannte sogar jemand wie Bankotsu, der sich ansonsten nicht sonderlich viel mit Viehhandel beschäftigte. Um einen Schneider hatten sie sich schon zuvor gekümmert und sie hatten ihm eine extra hohe Bezahlung versprechen müssen, dafür, dass er zu dem alten Anwesen kam. Die restlichen Besorgungen waren auch schnell getan und auch Bankotsus Sorge, dass ihn jemand unerwartet wiedererkennen könnte, stellte sich scheinbar als unbegründet heraus. Totgeglaubte lebten länger, scheinbar war da wirklich was dran. Plötzlich fiel ihm etwas ein. "Renkotsu, wir sollten noch einiges an Vorräten kaufen, ich hab nämlich nicht vor, öfter als nötig hier in die Stadt zu kommen." Dieser warf ihm einen Seitenblick zu. "Da vorne fängt, wenn mich nicht alles täuscht, das Marktviertel an. Mir wär es recht, wenn wir uns trennen, denn ich brauche selbst noch einiges. Tusche und Papier und etwas Werkzeug, das ich nicht mitnehmen konnte." Bankotsu nickte und kramte ein Goldstück aus der Geldkatze. "Das müsste locker reichen", sagte er und überreichte Renkotsu das Geld. Selbiger nickte und schließlich trennten sie sich für eine Weile. Bankotsu stellte, während er so über den Markt schlenderte, fest, dass es vielleicht doch nicht verkehrt gewesen wäre, Jakotsu jetzt dabei zu haben, denn er hatte so gesehen keine Ahnung, was er kaufen sollte. Da es Winter war, war die Auswahl auch etwas beschränkt, hauptsächlich eingesalzenes Fleisch, Trockenfrüchte und Eingelegtes. Fisch natürlich, denn Fische konnte man immer fangen, aber Fisch war teuer, denn nicht viele Fischer wagten sich im Winter auf die stürmische See. Außerdem hielt sich Fisch auch nicht so lange, es sei denn man trocknete ihn und Bankotsu fand getrockneten Fisch scheußlich, obwohl er sonst nicht wählerisch mit dem Essen war. Schließlich entschied er sich für fünf Säcke Reis, denn mit Reis konnte man nie viel falsch machen, verschiedene Gläser von dem eingelegten Zeug und dann, nach kurzem Zögern, für ein paar kandierte Früchte. Er wusste, dass Jakotsu auf dieses süße Zeug stand und irgendwie hatte er das Bedürfnis, ihm eine Freude zu machen. Schließlich noch drei Flaschen guten Sake (ein bisschen Luxus durfte er sich ja wohl gönnen) und ein Fässchen Salz. Sie kamen am frühen Nachmittag zurück. Bankotsu stellte wohlwollend fest, dass Ginkotsu offensichtlich alle Räume durchgeheizt hatte. Renkotsu hatte beschlossen, das Büro noch ein wenig auf Vordermann zu bringen und Ginkotsu war vorsorglicherweise Holz hacken gegangen - wo Jakotsu steckte, das fragte sich Bankotsu jetzt gerade schon. So viele Möglichkeiten gab es hier ja nicht. Er sah in dessen Zimmer nach, doch da war niemand. Nur ein Feuer brannte in der Feuerstelle. Bankotsu runzelte die Stirn und zuckte mit den Schultern. Er hätte zwar gegen etwas liebliche Gesellschaft jetzt nichts einzuwenden gehabt, aber was nicht zu ändern war, war nicht zu ändern und so beschloss er, sich in seinen Räumen ein wenig aufs Ohr zu hauen. Die Sonne war noch nicht ganz untergegangen und erhellte noch ein wenig die Zimmer und Gänge und irgendwie fühlte es sich schmerzlich harmlos an, hier durchzulaufen. Bankotsu seufzte innerlich und zog dann im nächsten Moment die Tür zum elterlichen Schlafzimmer auf - nur um unwillkürlich in seiner Bewegung zu erstarren. Jakotsu saß da auf dem breiten gepolsterten Fenstersims, schlafend, der Kopf war leicht zur Seite gekippt und die letzte Sonne des Tages, die so direkt durch das Fenster strahlte, zeichnete warme Muster auf sein blasses, geschminktes Gesicht. Die Haare waren nicht mehr wirr und durcheinander, wie sie es die letzte Zeit sehr oft gewesen waren, sondern zu einer schönen Frisur gesteckt und das Gewand, er ... trug den Kimono seiner Mutter. Bankotsu starrte ihn einfach nur an, eine ganze Weile, wie er da so lag, wie hingegossen. Unendlich schön. Wie mechanisch stieß er die Tür hinter sich zu und von dem Geräusch wachte Jakotsu auf und wirkte einen Moment verwirrt und als er ihn erkannte, nahm sein Gesichtsausdruck einen entsetzten Zug an. "B-Bankotsu, ich-" Er hatte ihn bei den Wangen gepackt und sein Wort in einem Kuss erstickt und dieser Kuss war voneiner ungeahnten, tiefsitzenden Leidenschaft. Jakotsus Lippen waren einen Spalt geöffnet, als er von ihm abließ, zu einer erstaunten Frage geformt, doch kein Wort drang hervor. Er sah die Gier in Bankotsus Augen, ehe sich dessen Mund zu seinem Hals herabsenkte, ehe sich dessen Hände auf Wanderschaft nach unten begaben, und erschauerte, denn er spürte, dass Bankotsu gerade jetzt nicht dieser vorwitzige, kühne Knabe war, der nicht so recht mit seinen eigenen Gefühlen umzugehen wusste, sondern der Mann der ihn begehrte, der wusste, was er wollte. Und eine Stimme sagte ihm, dass er dem Einhalt gebieten müsste, dass er Bankotsu und auch sich selbst vor einer Dummheit bewahren musste, um ihr Verhältnis nicht zu zerstören, doch er fühlte sich plötzlich so lasterhaft schwach. Die rauen Hände schoben den zarten Stoff des Kimonos zurück, trafen bald auf nackte, reine Haut, samten weich, und Bankotsu spürte Ansätze von Bauchmuskeln, während er über diesen wundervollen Körper strich, fuhr weiter nach oben und traf auf die feinen Erhebungen und noch während er ihm den Kimono von den Schultern strich, biss er hinein und zu seiner Freude versteiften sich die Erhebungen sofort merklich. Jakotsu keuchte leise und allein dieses leise Geräusch reichte aus, um Bankotsu bereits eine wohlige Erregung zu verschaffen. Jakotsu ließ ihn eine ganze Weile gewähren, ließ ihn tun, genoss diese Aufmerksamkeit, die seinem Körper zuteil wurde, doch als Bankotsu ihn am Handgelenk packte und zu dem ausladenden Futon führen wollte, ergriff er seine Hand, sodass er innehielt. Fragende Augen begegneten Jakotsu und er antwortete mit einem sinnlichen Lächeln. Im nächsten Moment fühlte sich der junge Anführer selbst auf das Sitzpolster der Fensterbank gedrückt und beobachtete mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen, wie Jakotsu, immer noch halb in diesen wallenden Gewändern an ihm herunter glitt, wie die filigranen Finger es dabei in einer fließenden Bewegung schafften, sein Gewand zu öffnen und es aus der Hose zu ziehen. Die weichen, warmen Lippen küssten seinen Bauch, dort an jener Stelle kurz vorm Ansatz des Gliedes, und sich auf die Unterlippe beißend und unbewusst etwas flacher atmend, dabei spürend, wie er härter wurde, sah er Jakotsu dabei zu, wie er ihn schließlich und endlich halb von seinem Untergewand befreite. Beinahe andächtig küsste er schließlich sein seine Hoden, saugte leicht an der zarten Haut, als wollte er das Tempo zügeln und für Bankotsu war das beinahe schon zu viel. Er biss sich auf die Unterlippe, atmete schneller im Takt seines Pulses. Jakotsu saugte eine ganze Weile daran, ehe er sich einen Weg nach oben küsste, leckte, spielerisch leicht an dem harten Schaft knabberte und als er schließlich die Lippen um die pralle Eichel stülpte, musste Bankotsu sich mit aller Macht daran hindern, gleich zu kommen. „Makoto…“ Der Name flatterte über seine Lippen, bittend, leidenschaftlich und Jakotsu genoss die Macht, die Bankotsu ihm über sich verlieh, genoss es, endlich die Zügel wieder in der Hand haben, führen zu können, wenn auch nur für den Hauch dieses Momentes. Seine eigene Erregung pulsierte bereits längst verborgen unter diesem schönen Gewand und er sehnte sich nach nichts mehr, als sich endlich mit Bankotsu zu vereinigen und - wie als habe der seine Gedanken gelesen, riss er ihn plötzlich in den Haaren zurück - aber er mochte es, weil ihn diese grobe Gangart anmachte, und sah ihn an. Keuchend, die Lüsternheit war auf seine Züge gezeichnet und im nächsten Moment packte er ihn am Oberarm, um ihn zum Futon zu zerren, stieß ihn beinahe darauf und kam über ihn. Jakotsu seufzte zufrieden, während Bankotsu sich über seinen Körper hermachte, ihn erst ungeduldig von den vielen Lagen an Stoff befreite, sich dann selbst seiner Kleidung entledigte. Dann richtete sich Bankotsu auf und ließ den Blick schamlos und genüsslich über diesen schönen Männerkörper unter ihm gleiten. Fragte sich im selben Moment, wieso er sich so etwas nicht schon früher geholt hatte. Bei Männern musste man immerhin nicht zimperlich sein und Jakotsu genoss es, so von ihm angesehen zu werden, genoss, wie der Blick wieder und wieder über seinen Körper glitt, wie er in seinem Schritt hängen blieb und Jakotsu spreizte die Beine ein wenig weiter, obszön, wie ein geiles Weib, aber es verfehlte seine Wirkung nicht. Bankotsu kam über ihn, bedeckte die freie Haut mit ungestümen, wildjungenhaften Küssen und währenddessen hatte sich die Hand seines Anführers zwischen ihre Körper gewunden und tat ihm nun den Dienst, ihn ein wenig zu wichsen. Jakotsus Stimme war schön, so schön, vor Lust durchtränkt. "Ich will dich", hauchte er atemlos. "Makoto, ich will dich ..." "Nimm ein bisschen Öl", sagte Jakotsu leise in sein Ohr, leicht darüber leckend. "Drüben in der Schublade der Frisierkommode sah ich welches." Bankotsu erhob sich kurz, widerwillig, wankend und zog die Lade auf - fand das Gesuchte schnell und begab sich wieder zu Jakotsu zurück. Im Grunde hatte er so etwas noch nie gemacht, doch nicht die Spur einer Unsicherheit war in seinem Geist. Er kniete sich halb über Jakotsu und versuchte ungeduldig und mit fahrigen Händen den Öltiegel zu öffnen. Es dauerte ein wenig, bis es ihm gelang und schließlich tat er sich davon auf die Hände, besonders großzügig davon auf Zeige- und Mittelfinger, und dann fanden seine Finger beinahe wie von selbst den Weg zu jener Stelle und Bankotsu war es der leicht zitterte, als er schließlich mit den Fingern in ihn eindrang. Er schluckte schwer und begann, die Finger zu bewegen, fühlte sich zittrig und gleichsam gut dabei. Jakotsu seufzte, drängte sich ihm ein wenig entgegen und er selbst fand bald Gefallen daran, Jakotsu nur mit seinen Fingern zu ficken, nahm bald einen dritten und einen vierten dazu und beobachtete lüstern, wie Jakotsu darunter zerschmolz, wie er den Kopf hin- und herwarf, wie sich die Strähnen immer weiter aus der Frisur lösten, wie er schwitzig wurde vor Ungeduld. "Bankotsu …. Fick mich endlich", presste er schließlich hervor Ein lüsternes Grinsen huschte über die Mimik des jungen Anführers und diese obszönen Worte gaben ihm nochmal einen zusätzlichen Kick und dann beugte er sich herab, weiter über ihn, ergriff sein eigenes hartes Glied, um es gegen den engen Eingang zu pressen und die Muskeln gaben nach, ließen ihn ein und dann konnte er ein lautes, kehliges Stöhnen nicht mehr zurückhalten, denn das Gefühl war schier überwältigend, beinahe zu viel für ihn. Soviel intensiver, enger, heißer, als in einer Frau und Bankotsu stützte sich kurz mit den Oberarmen rechts und links von Jakotsus Körper ab, sah ihm in die Augen und Jakotsu gönnte ihnen einen Moment der Zärtlichkeit, indem er die Hände hob und sie liebevoll an Bankotsus Wangen legte, welcher überfordert die Augen schloss, dann seine Lippen herabsinken ließ und ihn küsste, zärtlich, liebevoll. Sie sahen sich kurz in die Augen und dann begann Bankotsu zu stoßen, ein wenig unkontrolliert, weil ihn die Geilheit fortriss und biss sich dabei auf die Unterlippe, sodass ihm nur ein angestrengtes Schnaufen entkam, doch Jakotsu war da weniger schamhaft und zurückhaltend und schon bald klangen, helle spitze Schreie in Bankotsus Ohren und diese Schreie brachten ihn fast um den Verstand. Er gehörte ihm. Mit jedem Stoß ein Stückchen mehr. Mit jedem Stoß ein Stückchen härter. Mit jedem Stoß ein Stückchen intensiver. Schon bald hielt Bankotsu sich selbst nicht mehr zurück. Wo er vorerst um einen regelmäßigen Rhythmus bemüht war, stieß er bald zu, wie er konnte, fest, hart, wollte einfach nur kommen und Jakotsu mehr von diesen süßen, betörenden Schreien entlocken und es machte ihn unendlich an, einen anderen Mann dazu zu bringen, vor ihm so vor Lust zu zerfließen, denn es gab ihm das geile Gefühl von Macht, von Dominanz und er selbst ließ einem kehligen, rauen Stöhnen bald freien Lauf, denn es war einfach zu anstrengend, sich dauernd zurückzuhalten. Bankotsu spürte, dass es bald so weit war und er wollte Jakotsu dazu bringen, vor ihm zu kommen und die Fingernägel, die sich tief in seinen Rücken bohrten, gaben ihm das Zeichen, dass es wohl nicht mehr lange dauern würde. Die Fingernägel gruben sich tiefer und um diesen Schmerz auszugleichen, biss er Jakotsu in den weichen, weißen Hals, noch einmal in jene Stelle, biss so tief, bis er schließlich Blut schmeckte und im nächsten Moment ging ein heftiges Zucken durch Jakotsus Körper, er bäumte sich auf, schrie heiser, presste sich enger an ihn und kurz darauf spürte Bankotsu die schmierige Hitze zwischen ihren Körpern und das alles brachte ihn dazu, auch zu kommen und mit einem letzten Stoß grub er sich so tief als möglich in diese herrliche Enge und Jakotsu verdrehte mit einem Stöhnen die Augen, als er schließlich tief und heiß in ihm abspritzte. Bankotsu sank keuchend auf Jakotsu zusammen, nachdem er sich aus ihm entfernt hatte, war zu keiner Regung fähig. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn und ihnen beiden ging der Herzschlag schnell. Sie hatten es getan. Endlich. Hier. Im Haus seiner toten Familie. Und dann kamen ihm endlich die Tränen. Jakotsu spürte es, strich ihm durchs Haar und sagte nichts, denn er wusste, das hätte Bankotsu nicht ertragen. Bei manchen Männern war das einfach so. Diese gewaltige Anspannung, die weichen musste beim Sex, damit da endlich Platz war für die Gefühle, von denen sie so gequält wurden. Er schloss ihn in die Arme, spürte wie sich ein Arm haltsuchend und schlaff einen Weg halb über seine Brust bahnte, angewinkelt darauf liegen blieb, wie er das Gesicht an seiner Halsbeuge verbarg und einfach nur weinte, weil es ungerecht war, was ihm geschehen war, was ihnen allen geschehen war und weil er im Grunde doch noch viel zu jung war, um so eine große Last zu tragen und Jakotsu spürte, dass jetzt im Moment er es war, der stark sein musste. Und er war es gern. Kapitel 14: Suikotsu -------------------- „Herr, Herr! Da sind Fremde, die Euch sprechen wollen!“ Hayato sah missbilligend von seinen Unterlagen auf. „Sojiro“, sagte er langsam und unausgeglichen, „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass ich nicht gestört werden will, wenn ich gerade an meinen Aufzeichnungen arbeite. Das erfordert höchste Konzentration.“ Der Junge hielt einen Moment inne, verunsichert, weil er bemerkte, dass die böse Seite des Arztes wieder dominanter war. Das war in den letzten Monaten sehr schlimm geworden. „I-ich dachte, dass…“ „Ja, du dachtest“, grollte Hayato und legte brüsk seine Tintenfeder weg, um von dem kleinen Schreibtisch auf zu stehen. „Was wollen sie?“ „Herr, das solltet Ihr vielleicht lieber selbst-“ „Bist du eigentlich zu irgendwas zu gebrauchen!“, wurde der Junge zurecht gestutzt, welcher in sich zusammen sank. „Sie warten unten im Vorraum.“ Hayato lag schon eine sehr unfreundliche Abweisung auf der Zunge. Doch dann sah er, wer ihn da besuchte und seine Züge wurden weich, nur einen kurzen Augenblick. „Jakotsu! Was – was macht Ihr denn hier?“ Jakotsu, welcher es sich im Vergleich zu seinem riesenhaften Gefährten, der irgendwie wie bestellt und nicht abgeholt mitten im Raum stand und sich nicht rührte, auf einem Diwan bequem gemacht hatte, lächelte müde als er den Arzt erblickte. Das Lächeln erstarb jedoch schnell und wich einer kummervollen Miene und Hayato biss sich heimlich auf die Zunge, weil seine verborgene Leidenschaft, sein Beschützerinstinkt, den er diesem Mann gegenüber damals schon empfunden hatte, sofort ansprang. „Bankotsu ist krank. Und er will sich nur von dir behandeln lassen. Du musst mit uns kommen, andernfalls könnte es sein, dass er … dass er …“ Jakotsu sprach es nicht aus, aber die bleiche Miene des jungen Mannes sprach Bände. „Was fehlt ihm?“ Jakotsu zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht. Er hat Fieber und zittert ständig, als wär er von einem Dämon besessen… Bitte, wir müssen sofort aufbrechen…“ „Ich kann hier nicht einfach weg…“, wandte Hayato zögerlich ein und fühlte sich hin- und hergerissen. „Ich habe hier Verantwortung…“ „Und du stehst in unserer Schuld!“, erwiderte Jakotsu eisig und sah ihn durchdringend an und Hayato liefen Schauer über den Körper. Schauer, weil er diese Härte, diese Kälte von Jakotsu nicht kannte, und Schauer, weil ihm dieser Blick direkt in die Lendengegend rieselte, ohne, dass er etwas dagegen tun konnte. Seine teuflische Seite lechzte nicht erst seit heute nach dem jungen Mann, der ihm damals zum Abschied so ein lustvolles Geschenk gemacht hatte. Hayato seufzte unausgeglichen. „Sojiro, sorg dafür, dass unsere Gäste etwas zu Essen bekommen. Ich werde in der Zwischenzeit meine Sachen zusammen packen“, fügte er mit einem erklärenden Blick auf seine Besucher hinzu. Es würde nicht lange dauern. Sicher nicht. In ein paar Tagen wäre er bestimmt zurück. Dachte er.   ~*~     Es war Winter, aber warum war ihm nur so heiß? Bankotsu lief durch einen Wald. Er trug eine edle Rüstung, deren Gewicht er auf den Schultern lasten spürte und in seinem Bein steckte ein Pfeil. Ein Pfeil? Wo kam dieser Pfeil her? Sie mussten fliehen! Sie machten Jagd auf sie. Bankotsu verspürte eine grauenvolle Angst, doch es war keine Angst um sich selbst – es war die Angst um seine Gefährten. Die Angst, versagt zu haben, denn keiner von ihnen war hier, in seiner Nähe. „Bankotsu!“, rief eine Stimme plötzlich und Bankotsu konnte nicht sagen wessen Stimme es war, „Bankotsu, es regnet!“ Was? Regen? Bankotsu sah zum Himmel und er sah eine Wolke, die näher kam und als sie näher kam, sah er dass es Pfeile waren, unbarmherzig und gnadenlos und sie schlugen ein tausendfach in seinem Körper, doch Bankotsu fühlte keinen Schmerz und als es dunkel wurde um ihn her, da fragte er sich, ob sich so sterben anfühlte…     ~*~ Eine angenehme feuchte Kühle lag auf seiner Stirn. Bankotsu wollte die Augen nicht aufschlagen aus Angst, sie zu verscheuchen. Er hörte Stimmen, gedämpft. Sie sollten doch bitte ruhig sein. „Man nennt es Grippe. Die verursacht Fieber und Schmerzen in der Lunge und den Schüttelfrost, den Ihr gesehen habt.“ „Wird er wieder gesund?“ Das war Jakotsu. Er klang müde. Wieso klang er nur so schrecklich müde? Schlaf kam wieder über Bankotsu, noch ehe er die Augen geöffnet hatte. Als er erneut erwachte, war es Morgen. Das glaubte er zumindest an dem Winkel erkennen zu können, wie die Sonne in die Fenster schien. Bankotsu lag auf seinem Futon und spürte, wie noch kalter Schweiß auf seinem Körper lag. Und er fühlte sich schwach. So elendig schwach. Er wandte den Kopf zur Seite, um aus dem Fenster sehen zu können. Draußen war der Schnee etwas geschmolzen, es schien wärmer zu werden. War der Winter schon vergangen? In solch einer kurzen Zeit? Die Schiebetür öffnete sich und an den Schritten erkannte er, dass es Jakotsu war, der herein kam. „Oh, du bist wach“, sagte dieser erleichtert, als er bemerkte, dass Bankotsu die Augen offen hatte, und setzte sich neben ihn. Dabei griff er zu der mitgebrachten Wasserschüssel und wrang ein Tuch aus, um Bankotsu damit die Stirn zu tupfen. „Ein Glück, ich … wir waren wirklich in Sorge. Aber Suikotsu konnte dein Leben retten.“ „Sui … kotsu?“ „Hayato … du hast doch nach ihm verlangt…“ „Du bist den … den ganzen Weg alleine zurück, nur weil… das … das ist doch gefährlich…“ „Du solltest nicht so viel sprechen. Ginkotsu hat mich begleitet. Und Suikotsu wird jetzt bleiben. Ich dachte, ich sag dir das, weil du dir das doch von Anfang an gewünscht hast.“ „Suikotsu… das ist jetzt sein Name? Dann hat seine dunkle Seite…“ Jakotsu zuckte mit den Schultern. „Nicht vollständig. Manchmal ist Hayato noch da, aber … aber es gibt da einen Grund für Suikotsu, die Übermacht zu behalten, hier zu bleiben.“ Was das für ein Grund war, das würde Bankotsu jedoch nicht von ihm erfahren. Es war Suikotsus tiefes Verlangen, nach ihm, Jakotsu. Wenn Bankotsu davon gewusst hätte, dann hätte er sich vielleicht doch noch einmal anders überlegt. Und Jakotsu hatte gemerkt, dass er selbst das nicht mehr wollte. Er genoss die Lust, die animalische Wildheit, die von Suikotsu ausging, denn er half ihm, sich lebendig zu fühlen und im Gegenzug verlieh er dem Monster in Hayato Macht. Jedes Mal, wenn sie es trieben und das hatten sie oft getan in den letzten Tagen, meistens dann, wenn die Sorge um Bankotsu übermenschlich geworden war, da dieser sich im Delirium befand, die Anspannung zu groß wurde, um noch einen weiteren klaren Gedanken zu fassen, oder wenn der rasende Zorn, der in Suikotsu lebte, Überhand nahm und ausbrechen musste. Es hatte viele Gelegenheiten gegeben und Jakotsu gefiel der Gedanke, dass er allein Suikotsu kontrollieren konnte. Für Bankotsu. Und für sich selbst. „Wie lange … war ich in diesem Zustand?“ „Beinahe zehn Tage“, entgegnete Jakotsu behutsam, „aber du warst mehr im Delirium als wirklich da …“ Zehn Tage! Bankotsu wurde ganz anders. Zwei Wochen war er seinen Gefährten zur Last gefallen. „Hast du Hunger?“ Jetzt erst bemerkte Bankotsu das Loch in seinem Bauch. „Ohja, sehr sogar…“, nuschelte er und sah leidend zu Jakotsu hoch, welcher grinste. „Ich gehe dir etwas Suppe holen, wir haben noch genug über von gestern.“ „Die hast aber nicht du gekocht, oder?“ „Was? Was gibt’s an meinem Essen auszusetzen, du unmöglicher Kerl!“, schnaubte Jakotsu leicht beleidigt, „gut, sag nichts, mein Essen ist scheußlich. Aber ich kann dich beruhigen, Suikotsu hat das gekocht. Er kocht wirklich überraschend gut, ich meine in Anbetracht dessen, dass er während der ganzen Zeit vor sich hinflucht und einen mit Küchenutensilien bewirft, wenn man ihn stört.“ Bankotsu musste leise lachen. Jakotsu erwiderte ein schiefes Lächeln und stand dann auf um seinem Anführer etwas Essbares zu organisieren. Er war wirklich erleichtert. Er hatte es zwar angedeutet, aber wie schlimm es tatsächlich um Bankotsu gestanden hatte … wenn er zurück dachte, wurde ihm immer noch übel und er hatte eine ganze Weile mit dem Gedanken kämpfen müssen, was wäre, wenn sein Freund … Er schüttelte den Kopf. Sie mussten jetzt nach vorne sehen. Dass Bankotsu Hunger hatte, war schon ein sehr gutes Zeichen – er wirkte sehr ausgezehrt durch die Krankheit und das bei seiner ohnehin schon eher zierlichen Konstitution.   ~*~ „Was hab ich noch verpasst?“, verlangte Bankotsu zu wissen, während er dabei war, Suppe in sich reinzuschaufeln. „Man sagt, dass es bald Krieg geben wird“, antwortete Renkotsu, der vor einer kurzen Weile das Zimmer betreten hatte, um nach Bankotsu zu sehen. Den Blick, den er zuvor noch aus dem Fenster gerichtet hatte, wandte er dann wieder zu Bankotsu. Der ließ die Schüssel sinken und erwiderte nachdenklich, „Das bedeutet, dass die Kriegsherren starke Männer anheuern müssen.“ Renkotsu nickte, „und weil die Pest so stark gewütet hat letztes Jahr, ist es schwierig, in kurzer Zeit viele Männer zu bekommen.“ Ein Leuchten trat in Bankotsus Augen. „So ein Krieg zwischen Feudalherren ist genau das richtige für uns – wir werden uns einen Namen machen und bald werden wir-“ „Du wirst so schnell gar nichts!“, schnappte Jakotsu böse, während er Renkotsu einen strafenden Blick zuwarf, der diesen einfach ignorierte und den seinen wieder aus dem Fenster wandte. „Du wirst erstmal wieder gesund und dann kannst du immer noch darüber nachdenken, wann du dich das nächste Mal in irgendeine Schlacht stürzt!“ „Mir geht’s schon wieder gut, benimm dich nicht wie eine Glucke…“ „Ich benehme mich nicht wie eine Glucke, entschuldige bitte, wenn ich mir Sorgen um dein verdammtes Leben machte!“, brauste Jakotsu auf und stapfte aus dem Raum, wobei er die Tür hinter sich so heftig zustieß, dass Putz von der Decke rieselte und Bankotsu zusammen zuckte. „Du liebes Bisschen“, murmelte er, „der hat ja wieder eine Laune.“ „Lass ihn“, meinte Renkotsu gelangweilt, „der kriegt sich schon wieder ein. Ich glaube, dass ist seine etwas merkwürdige Art, dir zu zeigen, dass er dich gern hat.“ Bankotsu seufzte, „ich kann eben einfach nicht untätig rumsitzen: Das macht mich wahnsinnig.“ „Du bist zu ungeduldig mit dir selbst, Bankotsu“, beschied Renkotsu und ließ seinen musternden Blick auf dem anderen ruhen. „Du solltest dich auf die Suche nach deiner inneren Ruhe begeben. Dann wird auch das hier alles erträglicher.“ „Innere Ruhe, so ein Blödsinn…“, murmelte Bankotsu unleidlich. „Du bist heute gerade erst wieder zu Bewusstsein gekommen“, erwiderte der ehemalige Mönch unbeeindruckt, denn Bankotsu verhielt sich gerade mehr wie ein bockiges Kind als seines Alters entsprechend, „mir ist es gleich, aber ich glaube, wenn du so stur bleibst, dann bekommst du es mit Suikotsu zu tun und den habe ich in den letzten Tagen nicht als den geduldigsten Menschen kennengelernt. Und da er dein Arzt ist, wirst du gar keine andere Wahl haben, als dich zu beugen.“ Die Worte hatten so resolut geklungen, dass Bankotsu in sich zusammen sank. Aber er gab keine Widerworte mehr. Renkotsu stand auf. „So, ich werde dich nun etwas alleine lassen. Ich habe noch zu tun, und du brauchst Erholung. Bankotsu brummte nur etwas Unleidliches vor sich hin und als Renkotsu den Raum verließ, legte er sich zurück auf seinen Futon. Er fühlte sich tatsächlich matter und ausgelaugter, als er hatte zugeben wollen. Vielleicht sollte er einfach noch eine Weile schlafen und morgen … ja, morgen fühlte er sich bestimmt wieder besser.   ~*~ Es waren einige Wochen vergangen und Bankotsu war wieder auf dem Damm, als sie plötzlich überraschenden Besuch bekamen. „Bankotsu“, meinte Jakotsu atemlos, „Da sind ein paar offiziell aussehende Männer, die wollen mit dir sprechen!“ Bankotsu runzelte die Stirn und stand schließlich auf um nach draußen zu gehen. Offiziell aussehend, gut, entweder hatten die Leute endlich bemerkt, dass hier wieder jemand wohnte und das ohne Steuern zu zahlen oder, und das war etwas, worauf Bankotsu eher hoffte, es waren die Männer des Daimyo der Krieger für seine Sache anheuern wollte. Er hatte da die letzten Male, als sie in der Stadt gewesen waren, so ein paar Gerüchte aufgeschnappt. Bankotsus Blick flog sofort über die Männer. Sie sahen amtlich aus, trugen offizielle Kleidung, aber wie Untergebene eines Daimyo wirkten sie nicht. „Seid Ihr der Herr des Hauses?“, richtete der eine, ein älterer Mann mit schmalem Gesicht und einem abfälligen Blick das Wort an ihn. Bankotsu straffte die Gestalt. „Wer will das wissen?“ „Die Verwaltung des Bezirks, in das dieses Anwesen fällt. Uns wurde nicht gemeldet, dass dieses Haus in jemandes Besitz übergegangen ist. Ihr wisst, dass Hausbesetzung unter Geldstrafe steht.“ „Nun“, sagte Bankotsu kühl, „Ich bin kein Hausbesetzer. Dieses Haus und das umgrenzende Land stehen seit Generationen im Besitz meiner Familie.“ Die Männer warfen sich bedeutungsvolle Blicke zu und der, der als erstes gesprochen hatte, fragte ihn dann mit einem durchdringenden Blick: „Wie ist Euer Name, Herr?“ Bankotsu hob an, dem Mann seinen richtigen Namen zu nennen, hielt jedoch dann einen Moment inne. Was, wenn man ihn immer noch verdächtigte, der Mörder seiner Familie zu sein? Man hatte ihn damals gesehen. Das konnte er nicht riskieren. Also sagte er: „Mein Name ist Segawa Hideo, ich überlebte als einziger das Massaker an meiner Familie.“ „Der älteste Sohn Segawas!“, entfuhr es einem der anderen Männer verblüfft. „Man hat niemals eine Leiche gefunden – verzeiht, man hielt Euch für tot!“ Der erste jedoch wollte sich nicht so leicht überzeugen lassen. „Verzeiht, aber dies kann ein jeder von sich behaupten, der auch nur gerüchteweise von dieser Tragödie gehört hat. Könnt Ihr beweisen, dass Ihr der seid, der Ihr vorgebt, zu sein? Und wo habt Ihr Euch so lange aufgehalten, warum habt Ihr nicht gleich Euren Besitz geltend gemacht? Und wieso habt Ihr Euch nicht im Bezirk gemeldet?“ Bankotsu ahnte schon, dass dieser Mann sich nicht so leicht narren ließ. Das würde vielleicht schwieriger werden, als gedacht. „Er holte tief Luft und sagte dann: Ich … habe den Dämon gejagt, der Besitz von meinem Bruder Takeshi ergriff und meine Familie auf dem Gewissen hat und habe mir geschworen, nicht eher zu ruhen, bis ich ihn nicht zur Strecke gebracht habe. Und das ist mir vor nicht sehr langer Zeit gelungen und da ich nun meinen Frieden wieder habe, bin ich zurückgekehrt – mit meinem Kampfgefährten. Beweisen kann ich es Euch nicht, doch stellt mir jede erdenkliche Frage zu meiner Familie und ich werde sie Euch beantworten können.“ Abermals warfen die Männer sich Blicke zu. „Nun gut“, erwiderte der erste Mann schließlich sich räuspernd, „Habt Ihr Räumlichkeiten, in die wir uns begeben können? Dies wird wohl etwas länger dauern. Ich bin verpflichtet, einen Bericht abzuliefern…“ Bankotsu widerstrebte es, diese Männer in sein Haus zu lassen, doch schließlich willigte er ein ohne eine Miene zu verziehen. ~*~ „Es war nicht sonderlich klug, ihnen zu erzählen, dass du dein eigener Bruder bist“, wurde er später von Renkotsu zurecht gewiesen. „Und wieso nicht?“, erwiderte Bankotsu unwillig. „Das ist die einzige Lüge, die mir auf die Schnelle eingefallen ist, was hätte ich denn sagen sollen – die Wahrheit? Die hätten mir doch nie ein Wort geglaubt!“ „Ist dir schonmal in den Sinn gekommen, dass dein Bruder noch leben könnte? Du sagst selbst, dass man nur seine Leiche niemals gefunden hat. Wenn er nun zurück kommt und diesen Besitz hier beansprucht?“ „Dann werde ich ihn töten ehe es so weit kommt“, sagte Bankotsu plötzlich mit einer Härte in der Stimme, die ihn selbst erschreckte. Wann war es geschehen, dass er keine Wärme mehr übrig hatte für seinen Bruder, der vielleicht als einziger noch am Leben war? Der Zeitpunkt, an dem er zu Bankotsu wurde, als er alles verloren hatte, das musste es gewesen sein. Da war nichts mehr, keine Emotion, wenn er an Vergangenes dachte. Renkotsu urteilte nicht über seine Worte, das rechnete er ihm hoch an.   ~*~ Diese Nacht hatte Bankotsu wieder einen Traum. Doch diesmal träumte er nicht von Verderben, diesmal träumte er von Ruhm und Stärke. Und von einer Zahl. Sieben. Sieben, immer die Sieben. Als er am nächsten Morgen aufwachte, da taute es. Und plötzlich verspürte er tiefe Gewissheit. Sieben mussten sie sein. Sieben Männer, Sieben Krieger, Sieben Söldner. Sieben war eine starke Zahl und er würde sie führen. Und sie würden in die Geschichte Japans eingehen.   ~*~     „Das ist unsere Gelegenheit, uns unter Beweis zu stellen!“, erklärte Bankotsu und sah seine Gefährten mit einem Funkeln in den Augen an. „Sie haben ein Kopfgeld auf diese Diebesbande ausgesetzt, weil niemand sich traut, sich gegen sie aufzulehnen.“ „Diebesbande“, spie Suikotsu verächtlich aus. „Sie terrorisieren die umliegenden Dörfer“, fügte Renkotsu an, der sich umgehört hatte. Als Mönch fiel er nicht weiter auf, wenn er sich unter die Menschen mischte und Informationen filterte. Auch gaben ihm die Menschen schneller und bereitwilliger Auskunft. „Ihr Versteck liegt in den Bergen, sagt man und das macht es so schwierig, an sie heran zu kommen.Man gerät schnell in einen Hinterhalt. Und sie entführen die Frauen und jungen Mädchen, die sich alleine zu weit fort wagen und halten Sie sich zum Lustvertreib.“ „Widerlich“, rümpfte Bankotsu die Nase. „Wenn wir diese Bande aufmischen, dann wird man auf uns aufmerksam. Ich denk dabei nichtmal an das Geld.“ „Solltest du aber“, wandte Jakotsu energisch ein, der dieses Gespräch mit vor der Brust verschränkten Armen bisher still verfolgt hatte, „wenn wir uns schon in Gefahr begeben, dann soll wenigstens was dabei rausspringen. Im Gegensatz zu dir ist mir irgendwelcher Ruhm egal, ich will das Geld.“ „Ist da jemand feige?“, schnurrte Suikotsu spöttisch und Jakotsu warf ihm einen bitterbösen Blick zu. „Ich bin nicht feige, ich mag es nur, zu wissen, dass ich mir die Hände nicht umsonst schmutzig mache. Und dass ich vielleicht nicht sterbe.“ „Jakotsu, krieg dich ein“, meinte Bankotsu gebieterisch und hob eine Hand, „wenn wir nur darüber nachdenken, wie wir gerade so überleben können, dann ist alles sinnlos. Wir müssen größer denken, weiter….“ Er warf Renkotsu einen etwas hilflosen Blick zu, welcher sachlich ausführte: „Wir investieren in uns selbst. Das bedeutet, Opfer bringen. Dass jemand wie Jakotsu das nicht versteht, war uns von vorneherein klar.“ Dabei ruhten die kühlen, schmalen Augen abfällig auf dem jungen Mann im rosa Yukata. Und das brachte Jakotsu fast zur Weißglut. „Du kannst mich mal, Renkotsu!“, fuhr er schließlich auf, doch ehe er sich weiter ereifern konnte, herrschte Bankotsu ihn an, „Ruhe jetzt! Renkotsu hat Recht, wir müssen größer denken. Und vielleicht verstehst du das auch mal, Jakotsu, dann würde hier auch Frieden herrschen.“ Jakotsu schnappte nach Luft und schwieg dann ein eisiges Schweigen. Bankotsu hatte so das dumpfe Gefühl, dass er das noch bereuen würde, aber er war nunmal der Anführer, klare Ansagen mussten sein, auch wenn das bedeutete, dass er den Zorn von jemandem auf sich zog, dessen Zorn er eigentlich nicht auf sich ziehen wollte, weil der ihm heimlich in vertraulichen Stunden so oft diese lustvollen Glücksmomente bescherte, die er nicht missen wollte. Es war zu dumm, dass die Liebe zwischen Renkotsu und Jakotsu in den Monaten, die sie mittlerweile zusammen waren, nicht sonderlich gewachsen war. Und das war manchmal sehr anstrengend, da ziemlich oft die Fetzen flogen zwischen den beiden. Es war nicht von der Hand zu weisen, dass Jakotsu sich darüber ärgerte wie viel klüger und gebildeter Renkotsu war und es war nicht von der Hand zu weisen, wie wenig Renkotsu für Jakotsus Naivität und sein ungebildetes Betragen übrig hatte, denn Jakotsu konnte weder Lesen und Schreiben, noch Rechnen. Dummerweise regte sich Jakotsu in regelmäßigen Abständen darüber auf, dass Bankotsu Renkotsus Gegenwart oft den Vorzug gab, da dieser die meisten klügeren konstruktiven Beiträge zu ihrem Vorankommen lieferte. Und jetzt wollte Bankotsu auch noch ihre Zahl auf sieben erhöhen, das gefiel ihm noch weniger. Aber Jakotsu musste sich fügen, das wussten sie alle, denn er wusste, genauso, wie sie alle nicht, wo er sonst hinsollte. Und um ehrlich zu sein und es fiel Bankotsu wirklich schwer, das zuzugeben, Jakotsu hatte sich in der letzten Zeit zu so einem erstaunlich guten Kämpfer mit seinem Schlangenschwert entwickelt, dass er ihn als Gefährten genauso wenig missen wollte, wie das Waffengenie Renkotsu. Er musste sich dringend etwas einfallen lassen, um den beiden Vertrauen zueinander einzuimpfen… Kapitel 15: Räuber ------------------ „Hör mit dem Gegreine auf, das hält man ja nicht aus!“, fluchte der Mann und verpasste der jungen Frau einen Tritt, die sich verängstigt seiner Reichweite zu entziehen versuchte. „Bitte…“, wimmerte sie, „bitte nicht…“ Der Mann stand grinsend über ihr. Er genoss die Macht, die er über sie und die anderen Frauen hatte. Es war eine gute Idee von ihrem Anführer gewesen, sich ein paar Frauen zu entführen. Um Spannungen abzubauen, wie er sagte. Zu dem Mann gesellten sich noch ein paar andere. „Was ist, Go, hast du mal wieder eine mit deiner Hackfresse in die Flucht geschlagen?“, lachte einer seiner Gefährten und der Angesprochene hob drohend die Faust. „Dir geb ich gleich Hackfresse. Ich hab mir das hübsche Ding hier ausgesucht für heute – auf ausdrückliche Erlaubnis des Anführers.“ Sein Kumpel grinste ihn an und schlug ihm auf die Schulter. „Na dann zeig mal, wie gut du ficken kannst!“ Unter Gelächter fing der Mann namens Go die Frau wieder ein, die versucht hatte, sich zu ihren Leidensgenossinnen zu retten, welche sich eingepfercht und bewacht in einer Ecke aneinander drängten. Dann riss er ihren Yukata auf und vergewaltigte sie, unter den Anfeuerungsrufen seiner Gefährten. Der Giftmischer beobachtete das Spektakel unauffällig mit einem Anflug von Neid und leiser Verachtung. Das hatten sie nun davon, diese Weiber. Er hätte sie retten können. Jede hätte die Möglichkeit gehabt. Sie hätten ihn nur zu heiraten brauchen. Aber sie hatten ihn alle abgelehnt. Und jetzt mussten sie die Konsequenzen tragen, jetzt konnte er ihnen nicht mehr helfen. Und er wollte es auch gar nicht. Denn sie hatten ihn alle mit diesem angewiderten herablassenden Blick angesehen. Weil er kein Krieger war. Er war nicht groß und er war schon gar nicht stark. Aber er konnte Gifte mischen. Die besten und die tödlichsten. Hin- und wieder, wenn der Abgrund in ihm besonders tief geworden war, dann, wenn der Schmerz sich nicht mehr ertragen ließ, hatte er ihnen ein Gift verabreicht, das ganz langsam und qualvoll tötete. Sodass er sie zucken und leiden sehen konnte. Und wenn sie einen Liebsten hatten, dann hatte er den zuerst getötet.   ~*~ „He, sieh mal, da“, raunte der Räuber seinen Kumpeln zu, welche seinem Blick folgten. Unten am Fluss, an der breiten Stelle, an welcher die Dörflerinnen oft ihre Wäsche wuschen, war jemand zu sehen. Eine Frau, zierlich, mit einem farbenfrohen Kimono. Offenbar sogar eine Dame, die nicht unbedingt der armen Unterschicht angehörte, ging man von der Art ihrer Kleidung aus. „Dass sich so ein hübsches Ding tatsächlich allein hier in den Wald wagt, wo doch alle wissen, dass wir hier unser Unwesen treiben“, gluckste der zweite belustigt und der Dritte meinte: „Die wär doch ein perfektes Geschenk für den Anführer. Er beschwert sich doch immer, dass die Dorfweiber so schmutzig sind. Die ist bestimmt sauber.“ Dabei beobachteten sie, wie die Frau sich hinkniete und etwas Wasser in einen Schlauch hineinfüllte, den sie bei sich trug. Die drei Männer warfen sich einen Blick zu und setzten sich dann gemächlich in Bewegung. Die Frau schien sie nicht zu bemerken. Erst kurz bevor sie bei ihr anlangten, wandte sie sich um – und griff sich erschrocken an die Brust. „Herrje, Ihr guten Herren habt mich aber erschreckt.“ „Verzeiht uns, Teuerste. Aber wir haben nicht damit gerechnet, dass sich eine Dame wie Ihr hier in diesen Wald wagt. Habt Ihr denn nicht die Geschichten gehört, die man sich erzählt?“ Sie wirkte verwirrt, stand dann langsam auf. „Geschichten?“, wiederholte sie naiv und legte den Kopf leicht schief, „Nein, bedaure, ich kenne keine Geschichten. Wisst Ihr, ich stamme nicht von hier. Mein Tross lagert am Waldrand und ich wollte mir hier etwas die Beine vertreten.“ Die Männer sahen sich an und konnten ihr Glück wohl kaum fassen. Eine Frau, deren Begleitung so weit entfernt war, und so eine schöne dann noch. „Da habt Ihr Euch aber sehr weit in den Wald vorgewagt alleine“, sagte der Zweite und langsam und unauffällig umzingelten sie die Frau. Sie lachte ein glockenhelles Lachen, „Herrje, da habt Ihr wohl recht. Ich bin manchmal eine Träumerin und habe gar nicht auf den Weg und auf die Zeit geachtet. Ich fürchte jedoch…“, meinte sie dann und sah sich ein wenig um, „dass ich mich etwas verlaufen habe. Wenn Ihr wohl so freundlich wärt, mir den Weg zurück zu weisen?“ Die Männer tauschten ein Grinsen. „Wir werden Euch sogar liebend gerne zurück begleiten. Wir können doch eine Dame wie Euch nicht ohne Geleit durch diese gefährlichen Wälder streifen lassen.“ Ihr Gesicht erhellte sich. „Das ist zu freundlich von Euch.“ Die Männer warfen sich verstohlen triumphierende Blicke zu, während sie sich mit der Frau, die so ganz freiwillig mit ihnen kam in Bewegung setzen und bemerkten das versteckte berechnende Grinsen nicht, das auf dem Gesicht dieser „Frau“ lag. Und sie bemerkten auch die beiden Gestalten nicht, die ihnen in größerem Abstand folgten… Der Eingang zu der Höhle dieser Räuber lag erstaunlich gut versteckt. Zumindest so, dass man nicht versehentlich zufällig darüber stolpern konnte. Sie gingen mindestens zwei Stunden weit in den Wald hinein, liefen eine Weile einen Fluss entlang und schließlich unter einem Wasserfall durch, wo der Fels ausgehöhlt war, sodass er einen Gang bildete. Und diese Männer waren nicht umsichtig genug, zu bemerken, dass die vermeintliche Frau, die sie geleiteten kein Stück misstrauisch wurde über den sonderbaren Weg, den sie sie entlang führten. „Edle Dame“, sagte einer von Ihnen plötzlich. „Wir werden den Weg vermutlich heute nicht mehr schaffen. Erlaubt uns Euch ein sicheres Lager für die Nacht zu zeigen. Es gibt viele Wölfe und Dämonen, die sich nachts hier herumtreiben, es wäre nicht klug, nach Einbruch der Dunkelheit hier unterwegs zu sein.“ „Herrje, ich hatte gar nicht bemerkt, wie weit ich mich eigentlich von meinem Tross entfernt hatte“, sagte Jakotsu in gespieltem Erstaunen, „Aber ich vertraue Eurer Kenntnis dieser Wälder, ich bin ja nur ein Weib und verstehe von diesen Dingen nicht viel.“ „Uns könnt Ihr vertrauen“, sagte einer von ihnen grinsend und er war nicht der einzige, der irgendwie gefallen an diesem naiven Ding fand. Auch wenn sie etwas groß war für eine Frau, aber die schlanken Glieder und die zarte Haut waren äußerst anziehend. „Ja“, schnurrte der zweite und kam Jakotsu so nahe, dass er dessen schlechten Atem riechen konnte, er verzog jedoch keine Miene, „wir werden Euch auch gerne etwas wärmen, wenn Euch nachts friert.“ „Ich würde mich sehr gerne von Euch wärmen lassen“, hauchte Jakotsu und sah die ersten beiden verführerisch an, während der Dritte ungeduldig meinte: „Schluss jetzt mit den Spielchen, wir müssen sie zu unserem Anführer bringen, ihr wisst ganz genau dass er es hasst, wenn er nicht zuerst seinen Schwanz reinstecken kann!“ Unter missgestimmten Protestlauten packten die beiden Jakotsu je an einem Arm und zerrten ihn mit sich mit. Und wunderten sich dabei nichtmal, warum nicht auch nur ein Protest kam. Vermutlich dachten sie, „sie“ wäre viel zu verschüchtert, viel zu wehrlos, dabei taten sie genau das, was Jakotsu und seine Gefährten beabsichtigt hatten – sie führten sie direkt in ihr Versteck.   ~*~ „Ihr Vollidioten!“, bellte der Anführer die Männer an, als diese mit ihrer vermeintlichen Beute schließlich vor ihm standen. „Ihr habt mir einen Kerl in Frauenkleidern gebracht!“ „W-was, aber…“ „Nichts aber.“ Der Mann war jünger als Jakotsu vermutet hatte. Höchstens Mitte 30, aber er wirkte als hätte er mindestens das Doppelte an Jahren hinter sich. Das was von seinem Körper zu sehen war, wurde geziert von Narben und sein Gesicht war wettergegerbt und hart. Irgendwie erinnerte er Jakotsu an eine jüngere Ausgabe von Matsumoto. Abneigung machte sich in ihm breit und spiegelte sich auf seinem Gesicht wider. Der Mann stand mit einem Ächzen von seinem Platz auf, wobei der das Mädchen zur Seite schob das er sich kurz zuvor auf den Schoß geholt hatte und kam näher zu Jakotsu heran. Dabei betrachtete er ihn wie ein Stück Fleisch, aber nicht auf eine begierige, sondern auf eine mehr verächtliche Weise. „Nun“, sagte er naserümpfend, „es gibt sicher einige unter uns, die Knaben bevorzugen, wogegen ich nichts einzuwenden habe … allerdings … frage ich mich doch, wieso ein Mann in Frauenkleidern durch die Wälder spaziert.“ Dabei sah er Jakotsu stechend an und der erwiderte seinen Blick ungerührt, ehe sich ein süffisantes Lächeln auf seinem Gesicht breit machte. „Oh, mein Herr, dafür kann es viele Gründe geben. Und das solltet Ihr lieber lassen“, fügte er hinzu als der Mann sein Kinn anhob um ihn genauer zu begutachten. Der Anführer der Räuber kam nicht mehr zu einer Antwort. Man sah nur eine schnelle Bewegung und im nächsten Moment hatte der Mann keinen Kopf mehr. Das Haupt fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden und eine Blutfontäne spross aus dem Rumpf. Einen Moment hielt der Körper sich, dann sackte er in sich zusammen. Fassungsloses Schweigen breitete sich unter den anwesenden Männern aus und Jakotsu, welcher einiges an Blut abbekommen hatte, grinste nur amüsiert und leckte sich über die Lippen. Von Suikotsus Stahlklauen tropfte noch das Blut. „Hast dir ja ganz schön Zeit gelassen“, sagte Jakotsu amüsiert und warf einen Blick in die Runde der ungläubigen Gesichter, dann wandte er sich an die Männer, die ihn „entführt“ hatten. „Seht das als eine Lektion, einem Mann zu folgen, der nicht intelligenter ist als ein Stück Fels.“ Wütende Blicke begegneten ihm. Wut darüber, sich von einem Mann in Frauenkleidern derart übertölpeln haben zu lassen. „Miese Schwuchtel!“, schrie einer und stürzte sich mit einer Streitaxt auf Jakotsu – der sah ihn kommen und wich nicht mal aus; Lange eher er Jakotsu erreicht hatte wurde er von Suikotsus Klingen durchbohrt. „Wag es nicht“, knurrte dieser leise, während er die Klingen in seinem Bauch genüsslich herumdrehte, „ihn zu berühren. Jeder, der das wagt ist tot.“ Dabei glitt sein Blick in die Runde und mit einem Ruck riss er die Klingen zurück und dem Mann wurden noch bei lebendigem Leib die Eingeweide herausgerissen. Grauen machte sich breit. „Kümmerst du dich darum, Suikotsu?“, schnurrte Jakotsu und ließ sich auf dem Thron des Räuberhäuptlings nieder, um es sich dort bequem zu machen. Im nächsten Moment brach ein blutiges Gemetzel in der Höhle los. „Bitte, wir ergeben uns!“, schrie einer in Todesangst, doch er wurde nicht gehört, denn die Männer, die gekommen waren, um sie zu vernichten waren keine Gesetzeshüter, waren keine Träger von Moral, sie bekämpften Blut mit Blut. Suikotsu verfiel in einen richtigen Rausch und Jakotsu fand es aufs Neue sehr faszinierend, ihn dabei zu beobachten, wie er wütete. Es hatte auf eine gruselige Weise etwas Wunderschönes, dieser Zorn, dieses Blut, diese Kraft. Er fühlte Erregung in seinen Lenden. Abwesend griff er nach dem Weinkelch, den der Anführer vorhin zur Seite gestellt hatte und genoss das Schauspiel. Es dauerte nicht sehr lange. Die Männer waren vielleicht viele gewesen, aber sie waren schwach und dumm. Der Gestank von Blut lag in der Höhle, der umso drückender war, weil er kaum abziehen konnte. Suikotsu war, ebenso wie Jakotsu von oben bis unten mit Blut gespritzt. Er betätigte den Mechanismus, der die Krallen einfahren ließ und bewegte sich dann langsam auf Jakotsu zu. „Das hat nicht so lange gedauert, wie wir geglaubt haben“, raunte dieser und stand auf um Suikotsu etwas entgegen zu kommen – kaum hatte er ihn erreicht, stellte er sich auf die Zehenspitzen und zog ihn zu sich herunter in einen Kuss, der süchtig erwidert wurde. Sie schmeckten beide das fremde Blut auf den Lippen, es war eine dunkle Leidenschaft, die sie seit Langem teilten. „Lass es uns schnell hier treiben, bevor wir zurück kehren…“, raunte er verführerisch. Suikotsu biss ihm in die Unterlippe. „Renkotsu wird nicht sonderlich begeistert sein…“ Er klang ein wenig amüsiert. „Ach, der ist noch eine Weile bei den Weibern beschäftigt. Glaub kaum, dass die so sonderlich kooperativ sind nachdem was die erlebt haben“, erwiderte Jakotsu kichernd, während seine Hand einen Weg zwischen den Rüstungsteilen hindurch fand, um ihm in den Schritt zu packen. Er stieß auf Härte. Und lächelte zufrieden. Suikotsu war genauso sadistisch wie er, das Blutbad hatte seine Lenden zum Kochen gebracht. „Komm“, raunte Jakotsu gegen seine Lippen und zog ihn zu jenem Sitz, den der nun tote Anführer der Räuberbande für sich beansprucht hatte. Suikotsu ließ sich darauf niedersinken und zog Jakotsu dabei mit sich, welcher auf seinen Schoß glitt. Abermals entbrannte ein wilder, wenig zärtlicher Kuss, während welchem Jakotsu in Suikotsus Beinkleider griff, um sein steifes Glied herauszuholen. Am liebsten hätte er ihm den Schwanz erst gelutscht, aber so viel Zeit hatten sie gerade nicht. Jakotsu kam gerade zugute, dass er unter dem Frauenkimono mit dem er sich verkleidet hatte, keine Unterwäsche trug, sodass er nur die Stoffbahnen etwas raffen musste, damit er sich auf Suikotsus Glied setzen konnte – zur Vorbereitung hatte lediglich etwas Speichel gedient, Jakotsu mochte es so rau und schmerzhaft, das gab ihm immer ein Gefühl von Lebendigkeit. Genüsslich stöhnend verdrehte er die Augen und begann schließlich zu reiten, wobei Suikotsu beinahe sehnsuchtsvoll die Arme um seinen Körper schlang, ihn dabei küsste und sich schließlich eine Stelle in seinem Hals suchte, in der er sich verbiss, bis es blutete. Es war besitzergreifend und verlangend. Jakotsu liebte diese Stellung, da er so die Kontrolle über das Treffen seines Lustpunktes hatte und es dauerte nicht lange, ehe er schamlos zu stöhnen begann und er spürte auch das leise, dunkle Stöhnen leicht vibrierend an jener Stelle seines Halses an der Suikotsu sich verbissen hatte – da sie so eng miteinander verschlungen waren, war sein eigenes Glied beständig der Reibung ihrer erhitzten Körper ausgesetzt und es würde sicherlich nicht mehr lange dauern. „Sag mal, habt ihrs bald, oder soll ich das alles hier alleine machen?“, drang plötzlich Renkotsus genervte Stimme durch das Innere der Höhle. Während Jakotsu weiterritt, drehte er sich genervt zur Seite und erwiderte, wobei er sich nicht die Mühe machte, das Stöhnen zu unterdrücken: „Nerv nicht rum, Renkotsu, wir sind mehr als … hah… in der Zeit…“ Renkotsu fluchte unflätig und machte sich dann daran, das Innere der Höhle zu verlassen. „Denkt daran, die Köpfe dieser Bastarde zum Beweis abzuschneiden und mitzunehmen – Belohnung ist pro Kopf ausgeschrieben, wenn ich euch dran erinnern darf. Ich bringe die Frauen schonmal nach draußen – euch beiden Säuen kann man die ja nicht anvertrauen!“ „Jaja!“, erwiderte Jakotsu ungeduldig und verdrehte kurz darauf laut stöhnend die Augen, weil er plötzlich kam. Er ritt noch etwas weiter, begleitet von Suikotsus ungeduldigen Stößen, bis dieser sich in ihm mit einem befriedigten Grunzen in ihm ergoss. Wenig später stand Jakotsu auf, wobei ihm das Sperma das Bein herunterfloss. Er machte sich nicht die Mühe, sich zu reinigen, da er dieses schmutzige klebrige Gefühl von Sperma auf seinem Körper mochte und richtete dabei seine Kleider ein wenig. „Das sind ganz schön viele Köpfe“, stellte er dann fest, „hast du ne Ahnung, wie wir die auf einmal transportieren sollen?“ Suikotsu sah sich einmal im Raum um und meinte dann schulterzuckend: „Wir können ein paar von den Speeren und Lanzen nehmen, die hier rumliegen, und sie drauf spießen, das müsste aufgehen.“ Jakotsus Gesicht hellte sich auf. „Gute Idee!“   ~*~ Der Giftmischer hatte das Blutbad gut verborgen beobachtet mit einer Mischung aus Faszination und Ekel. Er hatte sich dieser Bande ursprünglich angeschlossen, weil er sich in einer Gruppe sicherer und unverwundbarer fühlte als alleine, aber nachdem er gesehen hatte, wie dieser Mann hier im Alleingang gewütet und alle Räuber restlos umgebracht hatte, war ihm der Gedanke gekommen, wie es wohl erst wäre, Teil einer Gruppe von solchen Männern zu sein. Wahnsinnig waren sie, doch er mochte den Wahnsinn, denn er machte gefährlich und schüchterte ein. Er beschloss, dass er ihnen unauffällig folgen und sie eine Weile beobachten würde. Und falls sie ihm weiterhin gefielen, dann hatte er schon eine Idee, wie er sie vielleicht überzeugen konnte, ihn in ihrer Truppe aufzunehmen…   ~*~ Tachibana Susanoo, seines Zeichens Vorsitzender des bezirklichen Shogunats, hatte ein wenig um Fassung ringen müssen als plötzlich dieser junge Mann mit diesem Monster im Schlepptau, das halb aus Maschinenteilen zu bestehen schien bei ihm aufgetaucht war und behauptet hatte, dafür gesorgt zu haben, dass die raubende und Frauen entführende Räuberbande, die seit Monaten die Gegend terrorisierte ausgelöscht worden war. „Junger Mann“, setzte er sich räuspernd an, wobei sein Blick etwas nervös zu dem Koloss von Mann glitt, welcher stockstill dastand und bisher noch keinen Mucks von sich gegeben hatte, „habt Ihr irgendeinen Beweis für diese Behauptung? Ihr könnt hier nicht einfach aufkreuzen und abstruse Dinge behaupten und mir damit meine wertvolle Zeit stehlen.“ Der Mann warf einen unauffälligen Blick zu seinen Wachen, ob diese noch da standen, wo sie hingehörten. Bankotsu hatte sich lässig gegen Ginkotsus stählernes Bein gelehnt, welcher gerade verträumt ein paar Vögelchen beobachtete und lächelte. „Ihr werdet staunen, guter Mann. Meine Männer haben nicht nur jeden einzelnen dieser Verbrecher ausgelöscht, sondern auch Eure geliebten Mädchen befreit. Mir kam zu Ohren, dass Eure Nichte auch unter den Entführten sein soll. Versammelt ruhig alljene, die jemanden vermissen hier und ihr werdet in nicht weniger als einer Stunde ein Wunder erleben.“ Tachibana musterte den jungen Mann und wusste irgendwie nicht, was er davon halten sollte. Wenn er jetzt einfach tat, was dieser verlangte, dann machte er sich höchstwahrscheinlich nicht nur zum Gespött seiner Leute, sondern zog sich auch noch den Unmut der Dorf- und Kleinstadtbewohner zu, wenn die Behauptungen nicht stimmten. Das konnte er nicht riskieren. Nicht, wo er diesen Posten erst seit so kurzer Zeit ausübte. Er räusperte sich abermals und rückte das klobige Brillengestell zurecht, welches auf seiner Nase saß und wollte Bankotsu schon sagen, dass er sich zum Teufel scheren sollte, doch irgendetwas in dessen Blick ließ ihn plötzlich innehalten. Der Mann stockte und gab schließlich nach. Er gab einen kurzen Befehl, mehrere Boten auszusenden und wandte sich dann an Bankotsu. „Ich warne Euch“, sagte er eisig, „sollte das, was Ihr behauptet, sich als Lüge herausstellen, dann werdet Ihr zur Strafe Bekanntschaft mit unserem Foltermeister schließen. Einen Amtsmann zu belügen steht unter Strafe.“ „Damit kann ich leben“, erwiderte Bankotsu unbeeindruckt und streckte sich ein wenig. Er hatte mit seinen Gefährten eine gewisse Zeit ausgemacht und bis die um war, war es noch etwas weniger als eine Stunde. „Wollt Ihr mich nicht in der Zwischenzeit auf einen Sake bitten?“, meinte Bankotsu dann zuckersüß und lächelte den Mann an. „Werdet jetzt bloß nicht unverschämt“, grollte der und erwiderte den Blick böse. „Wenn innerhalb einer Stunde niemand hier ist, dann werdet Ihr mich kennenlernen.“ Die Tatsache, dass jemand beim Shogunat aufgetaucht war und behauptet hatte, die berüchtigte Räuberbande zur Strecke gebracht zu haben, hatte sich in unglaublicher Schnelligkeit in der ganzen Gegend verbreitet – genau darauf hatte Bankotsu abgezielt. Zufrieden glitt sein Blick über die ganzen Menschen, die gekommen waren und dachte bei sich, nur zu, prägt euch mein Gesicht ganz genau ein, eines Tages werde ich ein großer Mann sein. Die Zeit war schon beinahe abgelaufen als plötzlich ein Mann angerannt kam und ziemlich außer Puste vor dem Vorsitzenden stehen blieb. In seiner Aufregung vergaß er sogar, sich zu verneigen. „Herr – sie sind da – sie sind tatsächlich da, die Frauen, alle, sie-“ „Was?!“, rief der Mann und sprang, seine Würde vergessend auf und da sah man schon in kurzer Ferne eine Gruppe von Menschen, die sich beim Näherkommen als die vermissten Frauen und Mädchen herausstellten, auf sie zukommen in Begleitung eines Mönchs. Die Frauen waren beinahe alle in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand. Heruntergemagert, bei vielen waren die Kleider beinahe fast nur noch Fäden, die sich irgendwie um den schmutzigen Körper sponnen, die Haare teilweise wirr und verfilzt, Verletzungen und Blessuren überall und die ein oder andere befand sich in Panikzuständen. Der Shogunatsvorsitzende starrte eine Weile auf das sich ihm bietende Bild, dann bellte er ein paar Befehle, dass man schleunigst jemanden holte, der sich um die Frauen kümmerte und es brach ein kleines Durcheinander los, weil schon ein paar der Verwandten gekommen waren, die ihre Mädchen nun wieder erkannten. Bankotsu beobachtete das seelenruhig und wandte sich dann an Renkotsu, der gemütlich zu ihm gelaufen kam. „Jakotsu und Suikotsu?“ „Kümmern sich wie abgesprochen um die Köpfe, müssten auch gleich da sein…“ Dass sie erstmal miteinander vögeln mussten, verschwieg Renkotsu, schon allein aufgrund der Tatsache, dass ihn dieses Herumgemache zwischen den beiden Männern abstieß. Eine halbe Stunde später etwa hatte sich der Tumult schon etwas gelegt – man hatte sogar einige Heiler herbestellt, weil zwei der Mädchen sich überhaupt nicht mehr bändigen ließen und um sich schrien und kratzten, wenn man sie anfassen wollte, als Jakotsu und Suikotsu endlich in Sicht kamen. Immer mehr Blicke richteten sich auf die beiden Männer, oder genauer gesagt auf das, was sie da mit sich brachten. Jakotsu trug zwei Lanzen, Suikotsu gleich sechs, auf welchen lauter Köpfe aufgespießt waren mit unheimlich leblosen Blicken, starrend vor getrocknetem Blut und sie umkreisenden Fliegen. Es war ein schauerliches Bild. Der Vorsitzende und die anderen Ratsmitglieder, die sich in der Zwischenzeit eingefunden hatten glotzten allesamt ungläubig auf die beiden Männer, die, wie es aussah offenbar im Alleingang die ganze Schar Räuber zur Strecke gebracht hatten. Der Vorsitzende presste sich den Ärmel vor den Mund, um den Würgereflex zu verbergen, einer der anderen Männer, weniger standhaft, erbrach sich sogar gurgelnd, als Suikotsu und Jakotsu die Lanzen mit den Köpfen vor ihnen mitten auf dem Platz in die Erde rammten, sodass sie aufrecht und für alle gut sichtbar dort steckten. Dann warf ihnen Suikotsu noch einen großen Tragekorb vor die Füße, den er auf dem Rücken getragen hatte, in welchem sich ebenfalls Köpfe befanden. „Das sind die Köpfe von allen 52 Räubern, mitsamt ihres Anführers“, sagte Suikotsu ruhig, doch Tachibana lief dabei ein Schauer über den Körper. Dieser Mann hatte etwas unglaublich Gefährliches in seiner Aura. „Ich habe es Euch gesagt“, fügte Bankotsu freundlich hinzu, „meine Gefährten werden Euch den Ort nennen, an welchem die Bande gelebt hat, damit ihr Euch überzeugen könnt, dass es sich auch wirklich um diese Männer handelt und wir nicht einfach wahllos irgendwelche Männer umgebracht haben.“ Damit erriet er einen Gedankengang, den Tachibana kurzzeitig gehabt hatte. Dieser räusperte sich und versuchte, seine Stimme wieder zu finden, ehe er zwei Soldaten befahl, sich diesen Ort genauestens anzusehen. Allerdings glaubte er auch so, dass diese Männer die Wahrheit sagten, aber er musste das Protokoll einhalten. „Tachibana-sama“, begann Bankotsu respektvoll und diesem schwante bereits, was er jetzt wohlwollte. „Euer Shogunat hat eine Belohnung für jeden Räuberkopf ausgeschrieben, der ihm abgeliefert wird. Ihr habt hier 52 und die Bande restlos ausgelöscht.“ Mit Genugtuung bemerkte Bankotsu, wie die Miene des Mannes etwas leicht Verzweifeltes annahm – offenbar dachte er gerade darüber nach, dass sie niemals im Leben so viel Geld auf einmal hier hatten, um sie vollständig auszuzahlen. Und da griff seine Taktik. „Allerdings sind wir um das Wohl dieser Frauen und der Bewohner der umliegenden Dörfer ebenso besorgt, wie Ihr es seid, weshalb wir uns mit einem Viertel der Belohnung zufrieden geben werden, das uns lediglich dienen soll, unseren Aufwand zu decken.“ Nun starrte Tachibana Bankotsu völlig verblüfft an. Mit allem hatte er gerechnet, nur damit nicht. Er und die anderen Shogunatsmitglieder warfen sich vielsagende Blicke zu, dann erwiderte Tachibana und man konnte ihm die Erleichterung durchaus ansehen: „Bankotsu-san, das ist ein selbstloser Akt von Großzügigkeit, den wir Euch niemals vergessen werden. Wir stehen in Eurer Schuld und damit spreche ich stellvertretend nicht nur für den hohen Rat, sondern für alle Stadt- und Dorfbewohner dieses Bezirkes. Nun muss niemand mehr in Angst um das Leben seiner Töchter und seiner Frauen leben.“ Bankotsus Lächeln wich nicht. „Eines nur“, sagte er samten, „empfehlt meinen Namen weiter. Meine Männer und ich stellen uns liebend gerne in die Dienste der Herren, um … zu helfen…“ Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck wandte er sich ab. Der Grundstein war endlich gelegt.   ~*~ Der Giftmischer hatte auch in der Menge gestanden. Ungesehen und unerkannt, was dank seiner geringen Körpergröße nicht weiter schwierig war. Wie unglaublich viel Geld diese Männer eingebracht hatten, sogar noch abzüglich der Summe auf die sie freiwillig verzichtet hatten. Als sie sich abwandten, um zu gehen, folgte er ihnen in großem Abstand. Kapitel 16: Mukotsu ------------------- „Kommt Jakotsu wieder nicht zum Essen?“, wollte Bankotsu stirnrunzelnd wissen als alle sich bis auf den letztgenannten zum Abendessen versammelt hatten. Das Haus war in der Zwischenzeit richtig wohnlich geworden und Suikotsu hatte sich zur Überraschung aller wirklich als fähiger Koch herausgestellt. Auch wenn er beim Kochen immer fluchte, dass einem die Ohren schlackerten. Der antwortete auch jetzt: „Ich habe vorhin nach ihm gesehen, aber er meinte, keinen Hunger zu haben und sich später vielleicht etwas Suppe zu nehmen.“ „Mh … das gefällt mir nicht ehrlich gesagt. Das ist schon seit Tagen so, was ist nur los mit ihm?“ Suikotsu nahm einen Schluck aus dem Sakeschälchen. „Er ist in Schwermut verfallen. Das hab ich schon oft gesehen bei Männern, die im Krieg waren oder bei den Armen, die oft nicht wissen, wie sie über den Tag kommen sollen.“ „Was, aber Jakotsu geht’s doch gut hier“, widersprach Bankotsu verwirrt, „Er ist weder arm, noch muss er in den Krieg ziehen.“ Suikotsu zuckte mit den Schultern. „Ich bin ein Arzt des Körpers, nicht des Geistes, was ich jedoch weiß ist, dass gewisse Vorgänge im Körper, die wir nach der heutigen Wissenschaft noch nicht verstehen können, in irgendeiner Form mit dem Gemüt verbunden sind. Manche Menschen sind wohl anfälliger als andere. Aber mit solchen Dingen kenne ich mich nicht aus.“ „Jakotsu ist ein Sensibelchen“, murmelte Renkotsu, welcher neben sich ein Pergament liegen hatte, auf das er irgendwelche Berechnungen für eine neue Erfindung kritzelte, „der muss doch immer irgendwas haben.“ „Nicht nett“, meldete sich überraschenderweise ausgerechnet Ginkotsu zu Wort, was Renkotsu dazu brachte, aufzusehen und seinen langjährigen Freund mit hochgezogener Augenbraue anzusehen. „Ist doch wahr. Fakt ist, dass er so wie er jetzt ist, recht nutzlos ist, Jakotsu läuft immer dann zu Höchstformen auf, wenn er wütend ist oder schlechte Laune hat. Aber das… das geht mir noch mehr auf die Nerven als normalerweise.“ „Hmm…“, machte Bankotsu nachdenklich und wandte sich dann wieder an Suikotsu: „Kannst du ihm nicht irgendein Mittel brauen, das ihn wieder fröhlich macht?“ „Ich kann fast jede Krankheit heilen, die den Körper befällt, aber mit Geisteskrankheiten – falls es denn eine ist – kenne ich mich nicht aus. So wenig es mir auch gefällt“, fügte er düster hinzu. Jakotsu hatte auch schon länger das Bett nicht mehr mit ihm teilen wollen, das missfiel ihm. Und es missfiel ihm, ihm nicht helfen zu können, denn die zärtlichen Gefühle ließen sich mittlerweile nicht mehr verleugnen.   ~*~ Jakotsu lag auf seinem Futon und verspürte seit Stunden nicht die geringste Lust, aufzustehen. Genau wie die letzten Tage. Und fast sogar schon Wochen. Sein Blick glitt träge zu der Sakeflasche, die neben dem Fenster stand und in welcher sich noch ein kleiner Rest befand. Vielleicht sollte er noch ein wenig trinken. Vielleicht spülte das ja diese seltsam tristtraurigen Gedanken fort, die seinen Geist seit langer Zeit umkrallten. Und wenn er ganz viel trank, dann träumte er meistens auch nicht. Er hatte von Tagen geträumt, an die er lange nicht mehr gedacht hatte. Als er damals mit seinem Bruder hatte fortlaufen müssen. An die Zeit bei Oneesama und an die lebenslustige, kleine Natsue, die einzige Freundin, die er je wirklich gehabt hatte. Bankotsu ja, der war sein Freund, oder zumindest hatte er das eine Weile geglaubt. Mittlerweile glaubte er nur noch, dass es seine Kampfkraft war, die für seinen Anführer zählte – die sich enorm gesteigert hatte und es immer noch tat. Jakotsu hatte seine Furcht verloren und die Lust am Töten entdeckt, das hatte ihn mittlerweile zu einem sehr gefährlichen Gegner gemacht. Aber jetzt? Jetzt gerade fühlte er sich traurig, hatte sich mit einer viertelvollen Flasche Sake neben das Fenster gekauert in Kleidung, die er seit Tagen nicht gewechselt hatte und völlig wirrem Haar. Er ließ auch Suikotsu nicht mehr zu sich kommen. Er ertrug plötzlich keine Nähe. Fühlte sich nach jedem Orgasmus sofort in ein tiefes Loch gerissen und das fürchtete er so sehr, dass er Suikotsu nicht ließ. Und dann waren irgendwann die Träume von Matsumoto gekommen. Ein Traum war besonders schlimm gewesen. Matsumoto hatte ihn gejagt und gefunden. Meine kleine Hure, hatte er gesagt, endlich habe ich dich wieder, du entkommst mir nimmermehr. Nimmermehr. Dann hatte er sein Schwert nehmen und Matsumoto aufschlitzen wollen, denn er war keine Hure mehr, er war nicht mehrso schwach wie einst. Doch das Schwert war fortgewesen und dann hatte er Matsumoto mit bloßen Händen getötet. Seine Hand war scharf gewesen wie ein Katana und er hatte Matsumoto damit den Bauch aufgeschlitzt und seine Eingeweide herausgerissen. Der Traum war so real gewesen, dass Jakotsu sich einbildete, beim Erwachen den Geschmack von Blut auf den Lippen gespürt zu haben. Und seitdem grämte ihn ein fürchterlicher Hass. Ein Hass auf sich selbst und sein Leben, das so verkommen war, ein Hass auf die Schwäche, dass er sich so lange wie ein Stück Fleisch hatte behandeln lassen. Und die Frage warum. Warum das alles? Er könnte sich einfach in ein offenes Schwert stürzen oder ins Wasser gehen und die ganze Seelenqual fand ein Ende. Aber das tat er natürlich nicht, weil er zu feige war. Jakotsu trank den restlichen Sake in einem Schluck leer und genoss das brennende Gefühl in seiner Kehle. Er wusste nicht mehr, wie lange er so zusammengekauert neben dem Fenster gesessen hatte, als es irgendwann an der Türe klopfte. Der Schwere der Faust, die gegen seine Tür drosch nach handelte es sich wohl im Ginkotsu. Vermutlich war der jetzt dran damit, zu versuchen, ihn zum Essen zu holen. Er fragte sich, warum seine Gefährten das überhaupt scherte. Renkotsu hasste ihn, für Suikotsu war er nur ein Fickstück und für Bankotsu zählte nur seine Kampfkraft. „Was ist denn?“, rief er unwillig und im nächsten Moment schob sich erstaunlich sanft in Anbetracht des lauten Klopfens die Tür auf und Ginkotsu schob seinen deformierten Kopf hindurch. „Kann reinkommen?“, fragte er blechern „Meinetwegen“, murmelte Jakotsu gleichgültig. Die Schritte kamen näher und schließlich ließ sich die massige Gestalt Ginkotsus neben ihm nieder. Eine Weile sagte der Riese nichts. „Ich bin so traurig, Gin und weiß nicht wieso!“, brach es aus Jakotsu dann heraus. „Jeder mal so traurig“, sagte Ginkotsu dann langsam. „Du etwa auch? Kann ich mir kaum vorstellen“, erwiderte Jakotsu bitter, denn Ginkotsu hatte einen sehr einfachen Verstand. „Gin hat im Krieg gekämpft. Viel Leid, viel böse. Gin wäre fast gestorben mit abgerissenem Arm und wundfaulendem Bein und abgerissener Zunge und kaputtem Kiefer. Wenn du denkst, du stirbst, dann kommen traurige Gedanken, denkst über Leben nach und Sinn und solche Sachen.“ Jakotsu sah auf und zum ersten Mal fiel ihm auf, dass er eigentlich von Ginkotsu rein gar nichts wusste. Und vor allem, wie Unrecht er ihm irgendwie tat, wenn er dachte Ginkotsu sei so einfach gestrickt, dass er nicht fähig war, Gefühle zu empfinden. „Du musst große Schmerzen gehabt haben“, sagte Jakotsu leise und rückte etwas näher zu dem anderen heran. Irgendwie fühlte er sich bei ihm gerade sicher. „Schmerzen hören irgendwann auf, wenn Körper sich für Sterben bereit macht. Gin viele Soldaten, viele Freunde im Krieg fallen sehen. Wenn man schafft, zu überleben, sieht man Welt mit anderen Augen. Und manchmal traurig, weil Vergangenheit dich oft einholt.“ „Ist das denn bei dir auch so?“ „Ganz ganz selten. Liegt aber daran, dass Gins Kopferinnerungsapparat matsch gehauen wurde in Schlacht. Sagt Renkotsu.“ Jakotsu spürte, wie sich Ginkotsus Arm tröstend um seine Schulter wand. Jakotsu lehnte sich an und schloss die Augen. „Ich würde so gern weinen“, flüsterte er, „aber selbst dafür fühl ich mich zu schwach. Ich hab Angst und weiß nicht, wovor…“ „Ginkotsu beschützt Jakotsu. Immer. Ist versprochen.“ Und dann konnte er doch weinen.   ~*~     „Verzeiht mir die Störung, mein Herr, aber wäret Ihr gewillt, mir einen kurzen Moment Eurer kostbaren Zeit zu schenken?“ Bankotsu, welcher gerade auf der Veranda ein wenig vor sich hingedöst hatte, schreckte auf und griff instinktiv nach einem Dolch, ließ jedoch die Hand sinken, als er bemerkte, dass überhaupt niemand da war, zu dem diese Stimme gehören konnte. Etwas irritiert sah er sich um, dann hörte er ein Hüsteln. „Hier unten, Herr.“ Bankotsu spähte über den Rand der Veranda herab und sah mit Erstaunen einen Mann – einen sehr kleinen Mann, welcher seelenruhig und abwartend dastand und ihn aus großen Glubschaugen ansah. Bankotsu räusperte sich etwas pikiert. „Verzeiht. Was kann ich für Euch tun?“ „Nun“, begann der Kleine langsam mit heiserer Stimme, „Ich habe damals mit großer Bewunderung beobachtet, wie Eure Männer die Räuberbande zerschlagen haben und wenn Ihr gewillt seid, wäre es mir eine Ehre, Euch einen Vorschlag unterbreiten zu dürfen.“ Bankotsu wusste im ersten Moment nicht so recht, was er von dem Mann halten sollte. Hatte er vielleicht einen Auftrag für sie? Sonderlich wohlhabend oder wichtig sah er ja nicht gerade aus. Aber Bankotsu war der letzte, der jemanden wegen seines Aussehens vorverurteilt hätte, immerhin war es ihm selbst oft genug passiert, dass man ihn aufgrund seiner Körpergröße und der knabenhaften Gestalt unterschätzte und nicht ernst nahm. „Bei einer Flasche gutem Sake?“, legte der Mann nach und holte eine in ein Tuch eingewickelte Sakeflasche aus dem großen Korb, den er zuvor auf den Boden gestellt hatte. Auf Bankotsus Gesicht machte sich ein Lächeln breit. „Wie könnte ein Mann dazu nein sagen. Bitte setzt Euch und tragt mir Euer Anliegen vor.“ „Ihr habt viele starke Kämpfer um Euch versammelt, Bankotsu-sama. Man hört überall von Euch sprechen.“ „Nun … das trifft wohl zu“, erwiderte Bankotsu geschmeichelt über die Anrede und nippte an seinem Sakeschälchen. Der Zwerg schien einen Moment seine Worte abzuwägen. „Ich ersuche Euch in aller Demut, mich Eurer Gruppe anschließen zu dürfen.“ „Was?“ Bankotsu verschluckte sich an seinem Sake. Der Fremde wartete ruhig, bis er ausgehustet hatte. „Wie kommt Ihr darauf, dass Ihr uns nützlich sein könntet? Ich möchte Euch nicht beleidigen, aber wie ein Krieger wirkt ihr nicht auf mich.“ „Ihr beleidigt mich nicht, denn ich bin keinesfalls ein Krieger. Meine Spezialität ist anderer Natur. Ich bin Meister aller Gifte und Gegengifte und Halluzinogene. Ich kann ein Gift dazu bringen, sich unsichtbar durch die Luft zu bewegen und damit einen ganzen Tross Samurai bewegungsunfähig zu machen.“ Der junge Söldner erwiderte erst einmal nichts. Er dachte nach, dabei trank er ein paar Schlucke von seinem Sake. Er verstand nicht viel von solcher Kriegsführung, aber er hatte schonmal von einer Schlacht gehört, in der die Feinde aus heiterem Himmel einfach mausetot umgefallen und keiner hatte sich im Nachhinein erklären können, was geschehen war. Das war vielleicht tatsächlich nützlich, allerdings war Bankotsu bei dem Gedanken einen Haufen Gifte und so ein Zeug im Haus zu haben, nicht ganz wohl. Die Gefahr, dass Jakotsu in seiner Tollpatschigkeit irgendetwas damit anstellte oder Suikotsu in seinem Kochwahn einfach etwas in ihr Abendessen kippte, was da nicht reinsollte, war nicht gering. „Und warum möchtet Ihr Euch uns anschließen?“ „In unruhigen Zeiten ist ein Mann besser nicht alleine. Und es würde mich mit Stolz erfüllen, wenn man eines Tages sagte, Wakabayashi Genzo trug etwas zu dem Ruhm der großen Krieger unter Bankotsu-sama bei.“ Der Traum, den er vor einer Weile gehabt hatte, als er krank gewesen war, schoss ihm wieder durch den Kopf. Sieben. Aber er hatte wahrlich nicht damit gerechnet, dass sich ein Fremder ihnen so offen würde anschließen wollen. „Ich kann das nicht so einfach entscheiden“, sagte Bankotsu dann langsam, „ohne eine Vorstellung Eurer Fähigkeiten zu haben.“ „Wärt Ihr dann gewillt, mir Möglichkeit zu geben, mich zu beweisen?“ „Gewillt ja. Das wann ist eine andere Frage und ehrlicherweise bin ich gerade überfragt. Einer meiner Gefährten steckt in einer argen Schwermut, worin er zu nichts zu gebrauchen ist….“, erwiderte er nachdenklich und ein wenig ratlos. Mit Jakotsu war wirklich nichts anzufangen in der letzten Zeit. Er war nichtmal in der Lage, zu entscheiden, ob er morgens lieber Reis oder Früchte essen mochte, wenn er denn überhaupt mal was aß. Das würde sehr anstrengend werden. „Wenn Ihr erlaubt, Bankotsu-sama, ich kenne eine Pflanze, die Schwermut heilen kann.“ Bankotsu machte große Augen. „Tatsächlich, ist das Euer Ernst?“ „Gewiss Herr. Wie es der Zufall will, habe ich sogar etwas von ihrem Pulver bei mir. Wenn Ihr erlaubt, will ich nach Eurem Gefährten sehen und schauen ob ich helfen kann.“ Dass es sich dabei keinesfalls um einen Zufall handelte verschwieg Wakabayashi wohlweislich. Er hatte nämlich schon mit so etwas gerechnet, und deshalb hatte er diese Männer eine Weile heimlich beobachtet und als er dann bemerkt hatte, dass einer von ihnen unter einer starken Schwermut zu leiden schien, war ihm eine Idee gekommen. Und nun war er hier, der erste Teil seines Plans hatte zumindest funktioniert.   ~*~ „Ich bin nicht begeistert davon, dass irgendein Fremder Jakotsu irgendein Gebräu einflößt, von dem wir nicht wissen, was es ist. Ich kenne die meisten Heilpflanzen aber von einer die angeblich Schwermut heilt, hab ich noch nie was gehört. Ich rate tunlichst davon ab. Wir kennen diesen Kerldoch gar nicht“, grollte Suikotsu und hatte dabei nichtmal den Anstand Bankotsu seine Bedenken nicht im Beisein ihres Gastes vorzutragen. Bankotsu verdrehte die Augen. Manchmal hatte er das Gefühl, er war der Einzige unter seinen Gefährten, der so etwas wie Manieren besaß. „Eben, wir kennen ihn nicht. Warum sollte er einen von uns vergiften? Er will sich uns anschließen. Vielleicht sollten wir ihm Gelegenheit geben, sich dahingehend zu beweisen.“ „Das wär ja noch schöner“, knurrte Suikotsu und machte Anstalten auf den Kleinen zuzugehen, doch Bankotsu stieß ihm grob den Unterarm gegen die Brust. „Suikotsu, es reicht jetzt!“, zischte er. „Ich sage, dass er versuchen soll, Jakotsu zu helfen. Und ihm ist sicherlich bewusst, dass, wenn er tatsächlich versuchen sollte, einen von uns zu vergiften, ich ihm buchstäblich die Haut vom Körper abziehen und mir einen Yukata draus nähen werde.“ Dabei lag sein Blick warnend auf Wakabayashi, welcher versuchte, darunter nicht zusammen zu sinken. Jakotsu nahm es gleichgültig hin. Wenn ihm das Zeug half, war es gut und wenn es ihn umbrachte, musste er dieses Weltenelend wenigstens nicht mehr ertragen. Während Wakabayashi seelenruhig die Pflanzen zermörserte, unter den Argusaugen Suikotsus, erklärte er: „Es hilft nicht sofort. Er muss es einige Tage zu sich nehmen, damit die Wirkung sich entfalten kann.“ „Und was ist da drin?“, knurrte Suikotsu ungeduldig, dem es immer mehr gegen den Strich ging, dass hier jemand seine Kompetenzen untergrub oder ein medizinisches Wissen hatte, das ihm selbst fehlte. „Eine Mischung aus Kurkuma, Rosenblättern und Johanniskraut.“ „Johanniskraut?“, wiederholte der Arzt stirnrunzelnd, „das setze ich nur bei verstauchten Gliedern und Schwellungen ein. Und von diesem Kurkuma habe ich noch nie etwas gehört.“ „Ichhabe es auch nur durch einen Zufall aufgeschnappt. Meine Spezialität sind ja Gifte und keine Dinge, die Menschen heilen“, fügte er mit einem leisen, heiseren Lachen hinzu. „Kurkuma wurde von Händlern aus dem fernen Kaschmir aus Übersee mitgebracht.“ „Aus Übersee?“, schaltete sich Bankotsu ein, dessen kindliche Neugier mit einem Mal geweckt worden war, „wie seid Ihr da ran gekommen?“ Wakabayashi schwieg einen Moment. Er hatte das Gefühl, dass es nicht sonderlich vertrauenserweckend war, wenn er die Wahrheit sagte, nämlich, dass er sich an den Taschen eines Händlers bedient hatte, nachdem dieser ihm zuvor bereitwillig Auskünfte über die vielen Gewürze und den Heilwirkungen von manchem von ihnen, gegeben hatte. Die Räuber hatten den Mann getötet, weil sie an sein Geld wollten – die Waren, die er bei sich führte, blieben jedoch größtenteils von ihnen unbeachtet, weil sie schlicht nicht wussten, was sie damit anfangen sollten und so hatte Wakabayashi sich diese Dinge angeeignet. „Ich hatte mich eine Weile einem Tross Händler angeschlossen, um durchs Land zu reisen. Das ist alles. Wie gesagt, ein Zufall.“ Wakabayashi prüfte, ob er auch die richtige Dosierung erwischt hatte und mischte das Pulver dann vorsichtig in eine Schale mit heißem Wasser, das zuvor von Ginkotsu gebracht worden war.   ~*~ Als Wakabayashi zwei Wochen später wieder kehrte, war Jakotsu wie ausgewechselt. „Wir sind Euch alle zu Dank verpflichtet“, erklärte Bankotsu, nachdem er den Zwerg zur Seite genommen hatte, „hätten wir Jakotsus Launen noch ein paar Wochen länger ertragen müssen, dann wär hier jeder durchgedreht. Ist manchmal nicht so ganz einfach, mit so vielen Kerlen auszukommen. Nun, wie dem auch sei. Wie kann ich mich erkenntlich zeigen?“ „Es wäre mir noch immer eine sehr große Ehre, Mitglied Eurer Truppe zu sein. Ihr habt keinen Nachteil mit mir. Ich brauche nicht viel Nahrung, brauche nicht viel Platz und bin kein lauter Geselle. Und ich führe Euren Haushalt, wenn Ihr dies wünscht. Und meine Gifte macht mir so schnell keiner nach.“ „Mh…“ Bankotsu rang mit sich. Dann meinte er: „Na schön. Ich werde Euch eine Gelegenheit geben, Euch unter Beweis zu stellen. Bei unserem nächsten Auftrag werdet Ihr uns begleiten – solltet Ihr mich überzeugensteht dem nichts mehr im Wege.“   ~*~ Diese Gelegenheit sollte schneller kommen als erwartet. Die Fürsten bekriegten sich schon seit längerer Zeit immer offener gegenseitig und griffen dabei zu immer schmutzigeren Mitteln. Nicht selten geschah es, dass Söldner angeheuert wurden, die zur Neutralität verpflichtet waren, um den Truppen der Gegenseiten zu schaden. Und da man von Bankotsu und seinen Kriegern die abenteuerlichsten Geschichten hörte (von denen nur ein Teil war wahr, aber Bankotsu vermied es wohlweislich, dieLeute zu berichtigen, da es ihrem Ruf zugute kam) erteilte man ihnen immer öfter Aufträge. So geschah es also, dass ein Fürst namens Hatsumoto, der sie schon das ein oder andere Mal in seine Dienste genommen hatte, ihnen den Auftrag gab, den Versorgungstrupp seines Feindes auszuschalten, welcher sich in seinem Schloss verbarrikadiert hatte. Und ohne Vorräte würden die Leute im Inneren schnell aushungern. „Und wenn es Euch gelingen sollte, in die Festung einzudringen und Enishi zur Aufgabe zu bringen, dann wird Eure Belohnung dreimal so hoch sein.“ Das ließ Bankotsu sich natürlich nicht zweimal sagen. Und ihm fiel wieder ein, was Wakabayashi über unsichtbare Gifte in der Luft gesagt hatte. Den Fürsten durften sie nicht töten, aber wenn sie die bis an die Zähne bewaffneten Wachen ausschalten könnten, würden sie sich viel Drecksarbeit ersparen.   ~*~ Genzos Mutter hatte schon immer gerne Sake getrunken. Sie roch immer danach, der Geruch drang ihr aus jeder Pore. Doch für den kleinen Genzo war es normal. Er brachte ihr immer artig den Sake vom Händler. Brachte ihn ihr in die Bruchbude, die sie beide bewohnten. Etwas, das mehr die Bezeichnung Bretterkasten mit Löchern verdient hatte, doch für den Jungen war es normal: Er hatte es ja nie anders gekannt. Den Vater hatte er nie kennengelernt, aber wenn die Frau Mama betrunken war, dann fluchte sie viel auf ihn. Ein Weiberheld, ein Spieler sei er gewesen, abgehauen als er erfahren hatte, dass die Frau mit Genzo schwanger war. Getrunken hatte sie wohl schon vor der Schwangerschaft und auch währenddessen – böse Zungen behaupteten, das war der Grund, warum Genzo sich körperlich so langsam entwickelte und ganz aufhörte zu wachsen, ehe er auch nur ansatzweise Männergröße erreicht hatte. Andere böse Zungen behaupteten auch, dass sei die Strafe für das Leben in Sünde der Mutter. Wie auch immer es war. Genzo hatte sich nie beklagt. Verlor nie ein böses Wort und man konnte meinen, wie herzergreifend es war, dass der kleine Junge seiner Mutter immer noch beistand, egal wie schlecht sie ihn behandelte. Ja, das dachten die Leute. Was niemand sah und wusste war, wie es im Inneren des Knaben aussah. Denn dort war es finster und bitter. Dort war kein Platz mehr für den Schmerz und die Entbehrungen. Eines Tages, Genzo war 9 Jahre alt, da brachte er einem Mädchen, das er schön fand, Blumen, die er selbst gepflückt hatte. Sie lachte ihn aus, nicht weil sie es albern fand, Blumen zu bekommen, sondern weil Genzo so ein kleiner, dicklicher Wicht war, alles, nur nichtmal ansatzweise ein Mann. Genzo war daraufhin so wütend geworden, dass er die Blumen zerfetzt hatte. Dann war er in den Wald gelaufen und hatte allerlei Sachen gedacht. Wie sehr dieses dumme Mädchen seinen Stolz verletzt hatte, wie ungerecht die Zurückweisung war. Als er so wütend durch die Wälder lief und irgendwann fast seinen Weg verlor, da traf er auf eine Frau. Sie war alt, aber auch stark und klug und sie erkannte das Potential, das in dem Jungen vielleicht steckte. Sie sprach mit ihm und erzählte ihm etwas über Gift und welche Macht es einem verlieh. Sie bot ihm an, dass er sie gerne ab und an besuchen könne, er sollte ihr nur ein wenig Tratsch aus dem Dorf mitbringen und sie zeigte ihm dafür das ein oder andere Gebräu. Und sie staunte, wie schnell der Junge lernte. Wie schnell er sich alle Pflanzen und deren Wirkung und ihr Zusammenspiel miteinander einprägen konnte. Wie schnell er sie bald überflügelt hatte. Irgendwann, als sie ihm nichts mehr beibringen konnte, da vergiftete Genzo sie. Da war er 12 und während er beobachtete, wie sie langsam und qualvoll innerlich verblutete, langsam erstickte und die Augen verdrehte, bis irgendwann nur noch das Weiße zu sehen war, hatte er eine Erektion. Von diesem neuen Gefühl der Macht beflügelt verließ er das Haus der Hexe. Niemand hatte etwas davon gemerkt, was er in diesen Jahren getan hatte. Und als Genzo 15 war, da bemerkte er noch etwas anderes. Er brauchte die Frauen gar nicht mehr mit Geschenken und Blumen zu umwerben (ein Unterfangen, das immer fruchtlos geendet hatte bei ihm, denn alle hatten sie gelacht über seine geringe Körpergröße und seine wenig stattliche Erscheinung), er konnte sie mit seinen Giften gefügig machen. Anfangs wartete er auf verlassenen Wegen, bis mal eine Magd, ein Dienstmädchen oder ein armes Bauernmädchen entlang kam, um eine Besorgung zu erledigen. Da sprang er sie von hinten an und drückte ihnen ein Tuch ins Gesicht, das mit einer Tinktur getränkt war, welche sie bewusstlos machte. Dann zerrte er sie in den Wald, wo er sie in Ruhe ficken konnte. Ohne Geschrei, ohne dass sie sich wehrte. Das ging eine ganze Weile gut, doch am Ende war es seine Mutter, die ihm auf die Schliche kam. Er hörte sich in aller Seelenruhe ihr lallendes Geschrei an und er lächelte dabei, denn er wusste, dass er sie nun endlich loswerden konnte. Abends, als er ihr ihren Sake brachte, hatte er ein hochdosiertes Gift untergemischt, der Geschmack wurde von dem starken Alkohol überdeckt. Sie war die einzige, der er einen sanften Tod gegönnt hatte. Er wartete seelenruhig neben ihr und streichelte ihr hin- und wieder über den Kopf, während sie zitternd ihr Leben aushauchte. Als jedoch die Mutter verschwunden war, dauerte es nicht lange, bis man eine Spur zu ihm fand und Genzo musste fliehen. Er packte seine Tränke, seine Kräuter, seine Gifte zusammen und ein Kleidungsstück zum Wechseln und dann ging er fort aus seinem Dorf und kehrte nie mehr dorthin zurück. Während der Jahre der Wanderschaft, entwickelte er seine Gifte und seine Techniken, sie einzusetzen, weiter und so kam es, dass er sogar ein wenig Geld mit seiner Kunst verdienen konnte. Ab und an ließ man ihn sogar in geheimen Aufträgen Morde begehen, die gut bezahlt wurden und seine größte Stunde war wohl jene, als er ein ganzes Heer ausgeschaltet hatte, indem er ein Gift mithilfe eines eigens entwickelten zerstäubenden Gerätes in die Luft leitete, und damit ein ganzes Fürstenheer lahmlegte. So konnte er einige Jahre leben, bishin zu dem fatalen Tag als er die Fehlentscheidung traf, sich dieser Räuberbande anzuschließen, denn Genzo, so ungern er es auch zugab, war auch nur ein Mensch, und er hatte begonnen, sich einsam zu fühlen. Außerdem war man hinter ihm her und er fühlte sich nicht mehr sicher. Zwei Jahre war er bei ihnen gewesen, bis zu jenem Tag als sie zerschlagen worden waren. ~*~ Alles war reibungslos verlaufen und Bankotsu musste eingestehen, dass er die Fähigkeiten des Giftmischers gehörig unterschätzt hatte. Er, Renkotsu, Ginkotsu und der Giftmischer hatten sich zu viert auf den Auftrag begeben. Suikotsus Raserei konnten sie bei einem Auftrag dieser Art nicht gebrauchen und Jakotsu hatte Fieber angemeldet und dass er viel zu schwach war, sich vernünftig auf einen Auftrag zu konzentrieren. Bankotsu war wohl klar, dass das nur ein Vorwand war, damit er und Suikotsu sich in aller Ruhe zuhause austoben konnten, aber er ließ es ihm durchgehen, denn diesen Auftrag schafften sie auch so. Die Bewohner von Hatsumotos Burg waren geschwächt, weil weder frische Nahrungsmittel, noch Heiler zu ihnen durchdrangen und so hatten sie auch mit den Wachen leichtes Spiel. Wakabayashi hatte ihnen allen zuvor eine von ihm entwickelte Maske gegeben, die man übers Gesicht zog. Damit das Gift sie nicht selbst erwischte, hatte er erklärt. Dann hatte er, nachdem er die Windrichtung ausgemacht hatte, mithilfe einer speziellen Apparatur das Gift zerstäubt. Bankotsu war erst irritiert gewesen, weil er nichts sehen konnte, doch Wakabayashi hatte ihm erklärt, dass das Gift durch den Apparat fein wie Staub wurde und damit unsichtbar für das menschliche Auge und er konnte nicht verhehlen, dass das, was der Giftmischer tat, immer interessanter für ihn wurde. Nachdem sie eine halbe Stunde gewartet hatten, sprengte Renkotsu ihnen den Zugang zur Burg frei und Bankotsu hatte mit Erstaunen festgestellt, dass tatsächlich alle Burgbewohner bewegungsunfähig oder ohnmächtig auf dem Boden lagen – bishin zum Fürsten selbst, der mit wütenden Augen zu ihnen hinauf starrte und ihnen stumm Rache schwor. Diese Art, ihre Aufträge auszuführen war vielleicht ungewöhnlich, doch sie ließ wesentlich weniger Gemetzel und Blut zurück. Bankotsu legte es nämlich nicht unbedingt darauf an, so viele Menschen wie möglich zu töten. Er tötete dann, wenn es notwendig war, wenn jemand explizit dafür gezahlt hatte, aber nicht einfach nur so zum Spaß. Das war mehr Jakotsus Ding geworden. Sie hatten diesen Auftrag also innerhalb eines knappen Tages ausgeführt und als sie den Fürsten an den Feind auslieferten, erhielten sie ihr Honorar und das Versprechen, ihre Dienste weiterzuempfehlen. Bankotsu sprach als sie zuhause waren, eine Weile mit seinen Gefährten und von denen hatte niemand etwas dagegen einzuwenden, dass Wakabayashi zu ihnen stieß. Und so wurde es beschlossen. Wakabayashi legte seinen Namen ab und wurde schließlich zu Mukotsu. Kapitel 17: Verlangen --------------------- Bankotsu wälzte sich knurrend auf die andere Seite und zog sich dabei die Bettdecke über den Kopf. Er hatte ertragen und hinnehmen müssen, dass Jakotsu und Suikotsu es regelmäßig miteinander trieben, auch wenn es jedesmal, wenn er daran dachte ein wenig Eifersucht schürte. Gefühle, die er sich als Anführer nicht erlauben durfte und sollte. Aber es war schwer jemandes Liebelei zu ignorieren, wenn dieser jemand so laut stöhnte, dass man es im ganzen Haus hörte. Und es ging ihm auf den Stolz. Anfangs hatte er das Gefühl gehabt, dass Jakotsu ihn bewundert, ihn auch leicht angehimmelt hatte, doch das schien sich nach und nach gelegt zu haben. Jakotsu behandelte ihn nicht anders als früher, aber diese kleinen Momente, in denen sie sich ein wenig liebgehabt hatten, die hatten aufgehört. Bankotsu blieb eigentlich nur die Vorstellung von dem einen Beischlaf, den sie gehabt hatten und jedesmal wenn er daran dachte, wurde er von einem genervten Gefühl von Unbefriedigung befallen. Sah Jakotsu am Ende doch nur einen Jungen ihn ihm, keinen Mann? Die Vorstellung plagte ihn, aber er war zu stolz um seinen Gefährten darauf anzusprechen. Bankotsu lauschte, obwohl er sich das Gegenteil vorgenommen hatte, auf Jakotsus Lustschreie, versuchte dabei Suikotsu auszublenden und stellte sich vor, dass er derjenige war, der Jakotsu gerade rannahm. Es ihm richtig besorgte. Erregung rieselte ihm in den Schoß. Vielleicht sollte er das Hurenhaus der nächsten Stadt besuchen, um Druck loszuwerden, vielleicht nervte ihn diese ganze Suikotsu und Jakotsu Geschichte dann nicht mehr so. Es war nicht so, als hätte er es nicht zustande gebracht, ein Mädchen zu verführen, aber Huren, die verliebten sich nicht in einen, hatten Wege und Möglichkeiten, nicht schwanger zu werden. Für eine Frau, die an seiner Seite blieb, war in seinem Leben kein Platz, jetzt zumindest nicht. Irgendwann, ja, wenn er zu Reichtum und Ruhm gelangt war, dann würde er sich vielleicht eine suchen, sie heiraten und einen Erben zeugen, aber das lag in weiter Ferne. Bankotsu griff sich in den Schritt und massierte Hoden und Glied, welches bereits halb steif war. Er wollte das eigentlich nicht, nicht unter diesen Umständen, aber seine Hand, die schien ihm gerade nicht mehr zu gehören. Jakotsus Schreie wurden höher, abgehackter, ein Zeichen dafür, dass er bald kam. Bankotsu rief sich den Moment ins Gedächtnis, als er ihn so kraftvoll genommen hatte, biss sich leicht auf die Unterlippe dabei. Er wollte diese Enge wieder spüren, wollte wieder fortgerissen werden von dieser Lust. Es dauerte nicht lange, ehe er sich vollständig hart massiert hatte. Inzwischen war er dazu übergegangen, stramm und leidenschaftslos die Hand- auf und ab zu bewegen, es war beinahe so als tat er etwas, das getan werden musste ohne dabei Freude zu empfinden. Bald erklang Jakotsus langgezogener Schrei, der signalisierte, dass es nun endlich vorbei war und mit einem leisen Stöhnen biss Bankotsu sich auf die Unterlippe und beschleunigte sein Tempo. Er wollte kommen und es hinter sich haben und dann würde er vielleicht endlich wieder schlafen können. Wenig später kam er leise stöhnend und kreuzunglücklich in seiner eigenen Hand. Einen Moment blieb er keuchend liegend, die Hand beinahe krampfhaft um das wieder erschlaffende Glied. Schließlich drehte er sich auf die Seite, ohne sich die Mühe zu machen, seine Hand zu säubern und ließ die Schwere des Schlafes auf seine Lider kommen. Endlich.   ~*~ Beinahe ehrfürchtig betrachtete er Jakotsu, welcher auf dem Rücken lag, das seidige Haar, wirr von ihrem Liebesspiel über dem Kissen ausgebreitet und aus dem Fenster sehend. Dabei wurde sein Gesicht vom einfallenden Licht des vollen Mondes angestrahlt. In seinen Augen lag ein eigentümlicher, verträumter Glanz, der nicht zu deuten war, ein Glanz, der ihm den Atem immer wieder aufs Neue raubte. Er war diesem Mann verfallen, denn er brachte es irgendwie fertig, dass er nicht komplett die Kontrolle über sich selbst verlor. Und war so zart, so anmutig und schön. Plötzlich bemerkte Jakotsu, dass er angestarrt wurde und drehte das Gesicht leicht, sodass es nun im Schatten lag und er Suikotsu ansehen konnte. „Was ist?“, fragte er sanft und fuhr Suikotsu über die muskulöse Brust. Der fing seine Hand ein und brummte: „Was soll sein?“ „Du hast mich gerade bestimmt fünf Minuten lang angestarrt.“ „Weil dein Anblick mich erregt…“ dabei küsste er Jakotsus Fingerspitzen. Es war erstaunlich, wie sanft Suikotsu sein konnte, wenn er erst einmal vorher seine Energie losgeworden war. Jakotsu schien so etwas wie sein Katalysator zu sein. „Weil du das Süßeste in meinem Leben bist. Das einzig Schöne.“ „Verfällst du jetzt in Schwermut?“, wollte Jakotsu leicht besorgt wissen. Suikotsu lächelte schmal. „Das nicht. Aber ich weiß, dass mein Leben nicht lange dauern wird, das habe ich immer gewusst.Und da gilt es, die süßen und schönen Dinge mit aller Macht zu umkrallen.“ „Wie kannst du sowas denn wissen?“ „Manche Dinge weiß man einfach.“ Die Antwort passte Jakotsu nicht so recht. Suikotsu wurde, wie er wusste, relativ oft von solchen düsteren Gedanken befallen, aber richtig vom eigenen Tod sprechen hatte er ihn noch nie hören. Und das war ein Thema, bei dem er sich äußerst unbehaglich fühlte. „Ich weiß auch was“, flüsterte er und ließ die Finger leicht herab trippeln auf Suikotsus Oberkörper. „Und was?“ „Was, was dich diesen unsinnigen Gedanken schnell wieder vergessen lässt…“ Dabei umfasste er Suikotsus schlaffes Glied, welches noch verklebt war vom Lustsaft und knetete es sanft. Der ließ das gerne geschehen, denn der letzte Akt war mittlerweile eine Stunde her und langsam kehrten die Kräfte zurück. Schließlich wanderte er mit den Lippen herab um sanft an den Hoden zu lecken und dann über die Länge seines Schaftes und wohlwollend spürte Jakotsu dabei, wie das Blut wieder dort hineinschoss. Er blies ihn eine ganze Weile, hingebungsvoll und schließlich erhob er sich um sich langsam auf Suikotsus hartes Glied gleiten zu lassen. Dieser legte die Hände an seine Hüften während er begann, sich zu bewegen und sagte kein Wort. Dieses Mal war es ein stiller Akt und auch wenn Jakotsu sich vorgenommen hatte, keine Gefühle zuzulassen, glaubte er mittlerweile, sich ein kleines Bisschen in Suikotsu verliebt zu haben. Nur eine harmlose Verliebtheit, nichts weiter. Ein schiefes Lächeln huschte über seine Lippen. Es waren wohl immer die finsteren, brutalen Männer, auf die er Anziehung übte. Vielleicht, weil er selbst eine sehr finstere Seite unter dem lieblichen Äußeren versteckte.   ~*~ Es war noch Dunkel als Renkotsu an diesem Morgen aufbrach. Er hatte seine Mönchstracht angelegt, damit es nicht auffiel, wenn er die junge Dame besuchte, der er dieses Treffen versprochen hatte. Zwar würden sie ungestört sein, aber Renkotsu wollte kein Risiko eingehen. Nicht um seinetwillen, sondern um ihretwillen. Er ging eine halbe Stunde, ehe er einen verwitterten Schrein erreichte. Eine zierliche Silhouette zeichnete sich im Halbdunkel ab. „Erschreckt Euch nicht, ich bin es“, gab sich Renkotsu mit sanfter Stimme zu erkennen. Eine junge Frau trat aus dem Schatten. „Ich bin froh, dass Ihr gekommen seid“, sagte sie ebenso sanft und ergriff seine Hände. „Ich habe es Euch versprochen.“ Renkotsu erlaubte sich einen Moment zärtlicher Gefühle, indem er sie betrachtete. Der Blick nicht kalt, wie sonst, sondern weich. Sie schwiegen einen Moment in Vertrautheit, dann stellte sich die junge Frau auf die Zehenspitzen und schlang die zierlichen Arme um seinen Hals, um ihn zu küssen. „Mein Vater wäre mir wohl sehr gram, wenn er wüsste, dass ich mich nachts alleine heraustraue nach alldem was passiert ist – um mich mit einem Mann zu treffen.“ Sie lachte leise und es war ein unaufdringliches warmes Lachen. Koharu war 15, aber sie war eine Frau, kein Mädchen mehr, klug, gebildet und von starkem Wesen. Denn trotz allem, was sie in ihrer beinahe sechsmonatigen Gefangenschaft erlebt hatte, hatte sie ihren Geist nie brechen lassen, hatte ihre innere Unschuld gewahrt. Sie hatte sich um die anderen Frauen und Mädchen gekümmert, sie hatte ihm trotzig und herausfordernd entgegengeblickt ohne eine Spur von Angst als er gekommen war, um sie und die anderen Frauen aus der Höhle herauszuführen. Auf den ersten Blick war Renkotsu gefangen von ihrem Wesen und auf diesem Weg zurück in das Dorf war es ihr ähnlich ergangen. Dieser Mann, der sie gerettet hatte, kühl und bedrohlich auf den ersten Blick wirkend, hatte sie mit den wenigen Worten, die sie gewechselt hatten in seinen Bann gezogen und sie hatte gewusst, wenn sie sich jemals wieder einem Mann würde hingeben können, dann würde er es sein. Inzwischen hatten sie auf einer niedrigen verwitterten Mauer platzgenommen „Euer Vater sorgt sich um Euch.“ „Natürlich tut er das“, erwiderte sie leise und strich zärtlich mit den Fingerspitzen über seine Hand. „Und deshalb möchte er mich nun so schnell wie möglich verheiraten, um mich in sicheren Händen zu wissen.“ „Ihr scheint darüber nicht sehr glücklich zu sein.“ „Wie kann ich glücklich sein, wenn mir eine Zukunft bevorsteht, die mich einsperrt? Wie kann ich wissen, ob der Mann, den mein Vater für mich auswählt, auch gut zu mir ist, wenn ich in seinem Hausbin, fernab jeder Blicke. Wie kann ich wissen, ob er meinen Durst nach Wissen und meine Neugier akzeptieren kann?“ „Nachdem was Ihr erlebt habt, ist es eine Schande, dass Ihr Euch über derartiges sorgen müsst“, sagte Renkotsu mit leichtem Groll in der Stimme. Koharu lehnte den Kopf gegen seine Schulter. „Ich wünschte, Ihr würdet mich heiraten.“ „Aber Ihr kennt mich doch kaum.“ „Das ist mir gleich. Ich spüre, dass Ihr trotz Eurer kühlen Fassade ein guter Mensch seid, dass Ihr eine angetraute Frau gut behandeln würdet.“ Renkotsu zog seine Hand aus ihrer. „Ich bin kein guter Mensch. Und ich bin kein geeigneter Ehemann. Ich habe eine Vergangenheit. Ich bin Söldner.“ „All das weiß ich …“, murmelte sie, „aber wie kann ich mich Euch nur so verbunden fühlen, dass ich am liebsten mit Euch fortgehen würde? Wie mag das sein, wo ich Euch doch kaum kenne?“ Renkotsu schwieg, denn er wusste keine Antwort. Er sah nachdenklich in den mondhellen Himmel. In einer Stunde würde der Tag anbrechen. Und er ließ das Gefühl des warmen Frauenkörpers an seinem zu. Und wusste, dass es falsch war.   ~*~ „In diesem Kaff ist einfach nichts los“, murmelte Jakotsu gelangweilt und spielte mit dem leeren Sakeschälchen herum, das vor ihm auf dem Tisch stand. Er war nun bereits seit zwei Stunden in dieser Taverne und hatte aus Ermangelung an Alternativen nicht vor, diesen Umstand so schnell zu ändern. Die letzten Tage waren recht ruhig gewesen, sie hatten nicht besonders viele Aufträge zu erledigen gehabt und wenn dann waren es nur Dinge, für die man sie nicht alle sechs brauchte. Sechs, das war übrigens das Stichwort. Mit Mukotsu wurde es langsam eng in dem Haus, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass allein Ginkotsu eine Menge Platz einnahm und sie sich generell ständig und häufig wegen Kleinigkeiten in die Wolle kriegten. Bankotsu musste dringend nach einem neuen Haus suchen, am besten ein riesiges Fürstenanwesen, wo man so viel Platz hatte, dass man den ganzen Tag durch die Gänge spazieren konnte ohne einer Menschenseele zu begegnen. Aber dazu war vermutlich noch kein Geld da, auch wenn Jakotsu, der nicht wirklich rechnen konnte, keine Ahnung hatte, wieviel tatsächlich da war. Vielleicht war Bankotsu auch nur zu geizig. Er griff nach der halbvollen Sakeflasche und kippte etwas davon in das Schälchen. Es war billiger Sake, widerwärtiges Zeug, dass Leute tranken, die wenig Geld hatten und schnell betrunken werden wollten. Dabei sollte man doch meinen, dass er sowas mittlerweile nicht mehr nötig hatte. Bankotsu teilte ihnen allen zwar einen geringen Anteil aus, aber das war bei Weitem nicht genug, um den Lebensstil zu finanzieren, den Jakotsu sich heimlich wünschte. Er wollte wieder schöne Gewänder tragen, edle Seidenkimonos, nicht die hässlichen Dinger aus grober Baumwolle, er wollte sich wieder zurecht machen und vor allem wollte er, dass jemand es sah und wertschätzte. Damals bei Oneesama hatten sich ausnahmslos alle Blicke auf ihn gerichtet, wenn er einen Raum betreten hatte. Er hatte die Kunst der Verwandlung beinahe vollständig gemeistert und immer die Macht genossen, die er über Männer hatte. Aber jetzt? Meistens trug er Männerkleidung, weil die beim Kämpfen praktischer war und man nicht ständig hängen blieb (Anordnung des Anführers) und irgendwann hatte er aufgehört, Puder aufzulegen und die Lippen zu röten. Er trank das Sakeschälchen in einem Zug leer und ließ dann halb auf den niedrigen Tisch sinken, weil ihm schwindelig war. Das brachte ihm vom Wirt zwar einen missbilligenden Blick ein, aber da er gut zahlte, wurde er zumindest nicht herausgeworfen. Das Gesicht seitlich auf den Unterarm gebettet, spielte er mit dem Zeigefinger am leeren Schälchen herum. Früher hatten sie sich gegenseitig überschlagen um das höchste Gebot für die Nacht anzugeben, für eine Nacht mit ihm, Jakotsu … nein, damals war er Makoto gewesen. Einfach nur Makoto. „Makoto…“, flüsterte er seinen eigenen Namen, als wolle er sich davon überzeugen, dass sich sein Klang im Laufe der Zeit nicht verändert hatte. Es war beinahe ein Jahr her seit er mit Bankotsu mitgegangen war. Jakotsu hörte unterbewusst, dass die Türe der Taverne sich öffneten und mehrere Männer, lachend und in ausgelassener Stimmung selbige betraten. Jakotsu wandte sich nicht zu ihnen hin, er hatte die Neugier für solche Dinge verloren. Er hörte, wie die Männer mit dem Wirt sprachen, was genau sie aber sagten, konnte er wegen der Raumaufteilung nicht verstehen. Einer von denen hatte wohl irgendein gutes Geschäft abgeschlossen und das wollten sie jetzt feiern. Jakotsus Lider wurden schwer und sanken herab. Er hatte eine halbe Flasche Sake geleert, das war ganz schön viel zumindest in dieser kurzen Zeit. Aber er trank ohnehin viel zu viel in der letzten Zeit.Eigentlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Dann jedoch bewegte sich ein Schrittpaar in seine Richtung, vermutlich ging er nur an seinem Tisch vorbei. „Jakotsu, seid Ihr das?“ Angesprochener öffnete die Augen und sah aus der derzeitigen Perspektive nur ein teures Stiefelpaar und seidene Hosen. „Werwilldaswissen…?“, murmelte er mit schwerer Zunge und schloss die Augen wieder. Der Störenfried dachte jedoch nicht daran, zu verschwinden. Im Gegenteil, er ließ sich neben ihm nieder um ihn sanft am Arm zu rütteln. „Geht es Euch gut? Habt ihr diese Flasche alleine so geleert?“ Die Stimme klang nun besorgt. Er kannte diese Stimme, aber er konnte sie nicht zuordnen. Wenn ihm doch nur die Lider nicht so schwer wären. Er quälte sich schließlich dazu, erneut die Augen zu öffnen – und sah dabei in ein markantes, glattrasiertes Gesicht mit wachen dunklen Augen. Diese Augen, die kannte er. „Ich bin es – Nakamura Kenji.“ Der Mann senkte die Stimme, „Erinnert Ihr Euch nicht an unsere Begegnung im Wald vor langer Zeit?“ Plötzlich fühlte sich Jakotsu etwas wacher. „Was, Ihr seid das? Ich hatte Euch totgeglaubt“, gestand er dann. „Wie schön, Ihr erinnert Euch“, erwiderte Nakamura grinsend. „Was habt Ihr hier verloren … Ihr seht nicht gerade danach aus, als könntet Ihr Euch nichts Besseres leisten…“ „Nun… ich habe gerade ein sehr gutes Geschäft abgeschlossen und der Wirt und ich sind alte Freunde. Ich habe Euch damals nicht gesagt, was ich tue. Ich bin mittlerweile Tuchhändler, habe das Geschäft meines kürzlich verstorbenen Onkels übernommen. Und es floriert, wenn ich das in aller Bescheidenheit sagen darf.“ Nakamura war auf eine nicht eingebildete Weise stolz. Das gefiel ihm irgendwie. Und er dachte auch an ihr heißes, schnelles Liebesspiel von damals. „Aber Euch scheint es nicht gut zu gehen?“, fuhr Nakamura dann fort. „Ach…“, wich Jakotsu aus, „ich habe Sehnsucht …“ „Sehnsucht nach was, mein Schöner?“, sagte Nakamura gedämpft, der sich schon wieder sehr angezogen von diesem jungen Mann fühlte, obwohl der gerade nicht mit seiner Erscheinung glänzte. Und obwohl der ein bekannter Mörder war. Söldner. Sogar wenn er betrunken war, wirkte er elegant und anmutig. „Nach Aufmerksamkeit. Nach schönen Kleidern. Bewunderung. All das hatte ich früher … ich habe geglänzt… aber nun bin ich schmutzig und unscheinbar…“ Nakamura schwieg eine Weile und sagte dann fast liebevoll: „Jemand wie Ihr sollte schöne Gewänder tragen und bewundert werden … Es wäre mir eine Freude, Euch das zu ermöglichen…“ „Wie könntet Ihr das…?“ „Nun, ich bewundere schöne Dinge. Vielleicht ist das ein Grund, warum mein Geschäft so erfolgreich verläuft. Ich darf nun sogar den kaiserlichen Hof mit Stoffen beliefern und ich sammele Kimonos, weil ich mich von ihnen inspirieren lasse. Sehr kostbare Kimonos. Vielleicht … mögt Ihr einmal einen anprobieren?“ „Wie verlockend. Aber wo auch immer Ihr lebt, ich kann nicht einfach fort. Ich muss meinen Gefährten eine Rechenschaft ablegen, wenn ich länger fort will und mein Anführer würde nicht dulden, dass…“ „Es ist die nächste größere Stadt, keinen halben Tagesmarsch von hier entfernt, in wenigen Stunden zu Pferde erreichbar. Wisst ihr…“ Nakamuras Augen blitzten schelmisch, „Was haltet Ihr davon, wenn Ich Euch zu meinem Zimmer bringe, das ich für diese Nacht bezahlt habe und Ihr schlaft Euren Rausch aus. Morgen … könnt Ihr Euren Gefährten eine Nachricht zukommen lassen, dass ihr für wenige Tage fort sein werdet… Es wird Euch guttun, ganz bestimmt…“ „Mh…“ Das war verlockend. Zu verlockend. Fort von diesen groben Männern zu kommen, eine Weile fort von Bankotsus Kommandos und Befehlen, die in den letzten Tagen immer abstruser zu werden schienen. Er würde sich sicher maßlos aufregen. Die Vorstellung ließ ihn lächeln. Er hatte Bankotsu unheimlich gern, aber ihm würde es auch einmal ganz gut tun, zu merken, dass Jakotsu nicht alles dulden musste und wollte. Dass er vielleicht auch ein wenig eifersüchtig wurde. Diese Vorstellung erfüllte ihn mit Genugtuung. „Also gut, einverstanden…“   ~*~ „Der hat doch echt Nerven!“, explodierte Bankotsu, nachdem er die Nachricht, die ein Bote ihm soeben übermittelt hatte, gelesen hatte. „Vier Tage fort bleiben, ohne um Erlaubnis zu bitten! Was glaubt der eigentlich, wer er ist?“, dabei knitterte das Papier in seiner Hand. „Nicht dein Leibeigener“, wandte Renkotsu ruhig ein, der den Ausbruch seines Anführers mit gelassener Miene beobachtet hatte, „Sei doch froh, dass wir die Nervensäge für ein paar Tage los sind.“ „Ich soll ihm das also einfach so durchgehen lassen, hm?“, knurrte Bankotsu und sah seinen Gefährten mit scharfem Blick an. Der zuckte mit den Schulten. „Natürlich nicht. Aber dich jetzt aufzuregen bringt nichts und wenn du ihm hinterherreitest, verlierst du dein Gesicht. Entspann dich jetzt die vier Tage, die er fort ist und wenn er wiederkommt bestrafst du ihn mit der Härte, die du für angemessen hältst. Alles andere hat keinen Zweck.“ Wütend warf Bankotsu den zerknitterten Zettel auf den Boden und musste sich zerknirscht eingestehen, dass Renkotsu – wieder einmal – Recht hatte.   ~*~ „Das müssen ja Hunderte sein!?“, staunte Jakotsu mit offenem Mund und schritt langsam durch den Raum, wo ein Kimono nach dem anderen sorgfältig auf speziell angefertigten Puppen drapiert war. Nakamura lächelte, zufrieden, dass Jakotsu solche Begeisterung fand. „56 um genau zu sein.“ Jakotsu schüttelte langsam den Kopf. „Welch einen Reichtum Ihr hier aufbewahrt. Habt Ihr keine Furcht vor einem Raubüberfall?“ „Ich habe genügend Sicherheitsvorkehrungen getroffen, damit das nicht passiert“, erklärte der Tuchhändler und ließ seine Augen auf Jakotsu ruhen. Abermals schüttelte der junge Söldner den Kopf. „Ich muss gestehen, als ich Euch damals mit Euren Kumpanen im Wald getroffen habe, dachte ich, Ihr seid einfache Jäger oder Bürger, Niemals hätte ich … so etwas erwartet…“ Ihm begegnete ein Lächeln. „Und ich muss gestehen, dass ich damals schon als ich Euch sah, den Wunsch verspürte, Euch einen meiner Kimonos anzulegen… übrigens sollte Euer Bad nun gerichtet sein. Was haltet Ihr davon, Ihr entspannt Euch ein wenig und ich suche in der Zwischenzeit den Kimono aus, der am perfektesten zu Euch passt…“ „Mmh“, schnurrte Jakotsu, „das klingt verführerisch…“ „Wir sind übrigens alleine im Haus. Ihr könnt Euch so frei es Euch in den Sinn kommt, hier bewegen.“ Als Jakotsu sich wenig später in das angenehme Wasser gleiten ließ, seufzte er vor Behagen. Das Haus von Bankotsus Familie war noch so altmodisch, dass es im Haus kein Bad gab, sondern man immer eine kleine Strecke zum Badehaus zurücklegen musste. Was nur ein Grund mehr war, für den ein oder anderen seiner nicht so auf Sauberkeit bedachten Gefährten, nicht zu baden. Seine Haare kringelten sich an den Spitzen aufgrund der Feuchtigkeit. Gedankenverloren nahm er eine Strähne in die Hand und spielte ein wenig damit herum. Sein Haar war recht lang geworden. Wenn er es offen trug (was nicht all zu oft vorkam), dann fiel es um bis zum unteren Rand der Schulterblätter. Ob er sie sich ein wenig schneiden lassen sollte? Eigentlich kamen lange Haare bei Männern langsam aus der Mode, aber Jakotsu liebte die Frisuren, die man mit dieser Länge zaubern konnte. Wenn er denn einmal die Lust dazu verspürte, was ja in der letzten Zeit nicht vorgekommen war. Nakamura schien wirklich eine Schwäche für ihn zu haben. Jakotsu mochte ihn. Er war freundlich und unaufdringlich und vor allem hatte er es mit so wenigen Gesten und Worten geschafft, Jakotsu aus diesem finsteren Tal zu holen, in dem er sich befunden hatte. Und sehr respektvoll, obwohl Jakotsu im Vergleich zu ihm … betrachtete man es standesgemäß… ein Nichts war. Und das war keine Selbstverständlichkeit, die Menschen legten sehr viel Wert darauf, dass die Standesgrenzen eingehalten wurden. Mal abgesehen davon, dass seine Gefährten dessen Leute umgebracht hatten. Als er nach seinem Bad in den Raum kam, bemerkte er, dass Nakamura schon alles vorbereitet hatte. Er hatte sich nach dem Bad nur einen einfachen Yukata übergezogen, hatte ihn bewusst ein wenig freizügig geschnürt, weil das seine Art des Dankes gegenüber Nakamura war. Dieser lächelte als Jakotsu eintrat. „Ihr seht viel frischer aus als gestern“, stellte der Tuchhändler zufrieden fest. „Gestern habt Ihr mich auch in einer sehr schlechten Verfassung erwischt“, gab Jakotsu zu. „Ich glaube, ich habe den perfekten Kimono für Euch gefunden“, sagte Nakamura leise und ließ seinen Blick über Jakotsus Körper gleiten, ohne Lüsternheit darin. Nur reine Bewunderung. „Aber zuerst … habe ich eine Bitte an Euch.“ „Nur heraus damit!“ „Ich möchte Euch gerne das Haar stecken. Erlaubt Ihr mir das?“ Der junge Söldner machte große Augen. „Das könnt Ihr auch? Wo habt Ihr das denn gelernt, das istdoch keine Fähigkeit, die für einen Mann noch als würdig gilt.“ „Das nicht. Ich hatte jedoch schon als Knabe eine Vorliebe für schöne Dinge. Ich mochte es, Dinge zu verschönern, ich fühlte mich hingerissen von jedweder Form der Kunst, mit der man einen Körper schmücken kann.“ Jakotsu bekam eine leichte Gänsehaut. Diese Worte hatten ihn nicht nur auf eine irgendwie sehnsuchtsvolle Weise berührt, auch die warme, melodische Stimme umschmeichelte sein Gehör. „Bitte“, sagte Nakamura sanft und machte eine ausladende Armbewegung zu einem eigens dafür eingerichteten Teil des Raumes. Ein dreiseitiger Spiegel, von dem die äußeren Seiten leicht schräg abgeknickt waren, sodass man sich von allen Seiten betrachten konnte. Davor eine Sitzgelegenheit und ein Tisch, auf welchem sich Spangen, Perlen, Bänder und andere Dinge befanden. Jakotsu ließ sich auf die Sitzgelegenheit gleiten, die sich trotz fehlender Lehne als äußerst bequem herausstellte und Nakamura trat, wobei er einen Kamm vom dem Tischchen nahm, näher zu ihm hin. Und dann kämmte er ihn. Länger als es nötig gewesen wäre, solange bis das Haar wie Seide durch seine Finger glitt. „Ihr habt wundervolles Haar … viele Frauen würden Euch sicher darum beneiden…“, sprach er und Jakotsu konnte sehen, dass er große Selbstbeherrschung aufbringen musste, die Nase nicht in seinem Haar zu vergraben, um dessen Duft zu inhalieren. Irgendwie gefiel ihm das. Diese nicht zur Schau getragene Anbetung und Anziehung, das hatte er noch bei keinem Mann erlebt, mit dem er irgendwie verkehrt hatte. Und ihm gefiel diese, zugegeben etwas merkwürdige, Situation immer mehr. Nakamura begann schließlich mit der Frisur, wobei Jakotsu feststellte, wie weich und geschickt seine Hände waren – er hatte sie so winterrau in Erinnerung von damals als sie schnell und lieblos gefickt hatten, ehe sie auseinander gegangen waren. Hätte er es nicht gewusst, hätte er wohl geglaubt, es handele sich um zwei völlig verschiedene Männer. Beinahe zwei Stunden dauerte es, bis die Frisur perfekt saß. Wobei die Bezeichnung Frisur dem schon lange nicht mehr gerecht wurde, es war tatsächlich ein Kunstwerk. „Ihr habt einen wunderschönen Hals…“ Jakotsu lächelte. „Ihr dürft mich dort berühren, wenn Ihr das möchtet…“ Daraufhin hob Nakamura langsam die Hand um die Fingerspitzen so sanft über seinen Nacken und den Schulteransatz streicheln ließ, dass Jakotsu eine richtige Gänsehaut bekam. „Möchtet Ihr sehen, was ich für Euch ausgewählt habe?“ Der Kimono war von der Grundfarbe von einem blassen Flieder. Unten Richtung Saum und an den Unteren Kanten der Ärmel auslaufend ging er ins Altrosa über, von dort schließlich mit einem weichen Übergang ins Schwarze. Quer über den Rücken lief der zarte Ast eines Kirschbaumes, während im unteren und oberen Bereich weiße und rosafarbene Kirschblüten an feinen Ästen platziert worden waren. Jakotsu seufzte, „Der ist wunderschön… Ihr habt ein gutes Auge…“ Nakamura lächelte zufrieden. „Die Zartheit der Farben untermalt Eure Lieblichkeit … und das Dunkle verleiht dieser Lieblichkeit noch etwas Hoheitsvolles.“ „Ihr könnt wirklich sehr gut mit Worten umgehen“, murmelte Jakotsu mit einer leichten Röte auf den Wangen. Der andere Mann lachte erheitert. „Ich spreche nichts als die Wahrheit. Kommt, ich will ihn Euch anlegen…“ Und es dauerte nicht halb so lang, wie Jakotsu gedacht hatte, denn Kimonos anzulegen war eine ganz eigene Kunst für sich. Und so stand er da nun, in gerader Haltung vor dem Spiegel. „Wartet, eine Kleinigkeit fehlt noch…“ Nakamura verschwand einen Augenblick und kam dann mit einem Paar edelgearbeiteten Schuhen zurück. „Jetzt ist es perfekt…“, hauchte Nakamura und sah Jakotsu voller Ehrfurcht und Hingabe an und Jakotsu staunte, dass er doch noch fähig war, zu bezaubern, dass es nur ein wenig Zutun gebraucht hatte. Während er sich noch von allen Seiten im Spiegel betrachtete, meinte er: „Es scheint, ihr habt Eure Passion gefunden … Eine Leidenschaft…“ Er hatte schon länger Nakamuras Mimik beobachtet und dabei war ihm ein Gedanke gekommen und er war recht neugierig, ob er sich als wahr herausstellte. „Sagt, Nakamura…“, begann er und Stimme klang sinnlich dabei, „Ist es nur die Kunst daran, die Euch eine unschuldige Freude macht, oder … mag es sein, dass es Euch erregt, der Gedanke daran, wie Eure Hände mich umschmeicheln, wie ihr diese Schönheit um meinen Körper herum drapiert…?“ Zu seinem Erstaunen stritt Nakamura es weder ab, noch errötete er dabei. Dann nickte er. „Ihr habt es richtig erkannt. Es erfüllt mich mit wahrer Befriedigung, schöne, anziehende Menschen zu umsorgen und zu verwöhnen.“ „So?“, raunte Jakotsu mit verführerischer Stimme, „das ist gewiss nichts Schlechtes.“ „Um ehrlich zu sein … möchte ich Euch in aller Demut darum bitten, Euch verwöhnen zu dürfen… das ist es, was Ihr verdient habt …“ „Ja, das dürft ihr. Und bitte … wenn wir hier unter uns sind, nennt mich Makoto…“ Nakamura bat ihn, sich auf einem Sofa niederzulassen und zog ihm dann ganz langsam die Schuhe wieder aus, die er ihm kurz zuvor gebracht hatte. Dann küsste er seinen Fußrücken. Er küsste sich ganz vorsichtig eine Spur hinab zu den Zehen, ließ die Zunge darüber tänzeln und stülpte dann die Lippen um den großen Zeh um sanft daran zu saugen. Jakotsu ließ ihn machen und betrachtete fasziniert sein Tun. So etwas hatte noch nie ein Mann für ihn gemacht, der geil war. Wenn Männer geil waren, wollten sie diese Geilheit in der Regel sehr schnell wieder loswerden und oft waren – wie das damals auch bei Matsumoto der Fall gewesen war, alle schönen Worte und Schmeicheleien schnell vergessen. Doch Nakamura schien das, was er tat, wirklich mit Leidenschaft zu tun und Jakotsu, der nun eine sehr lange Zeit nur die harte Gangart kennengelernt hatte, begann, es zu genießen. Nach etwa einer Viertelstunde widmete sich Nakamura mit der gleichen Hingabe dem anderen Fuß und Jakotsu musste sich, als er ihn aus seiner Perspektive so an seinem Zeh saugen sah, unwillkürlich vorstellen, wie diese Lippen um seinen Schwanz lagen. Er spürte, wie langsam Erregung in seinen Schoß kroch, obgleich sie nicht wirklich viel getan hatten. Er genoss diese ehrfurchtsvolle Art, mit der Nakamura alles, was er tat, anging. Er fühlte sich hier nicht wie ein Stück Fleisch. Nakamura hatte bald begonnen, mit Küssen sein Bein hinaufzuwandern, wobei er mit den Händen geschickt den Stoff des Kimonos verschob. Er saugte liebevoll an der sensiblen Stelle an der Schenkelinnenseite. Dort hielt er sich nicht lange auf, sondern küsste seine Hoden mit solch einer Sensibilität und Geschicktheit, dass Jakotsus Atem unwillkürlich flacher ging. Durch das Saugen an seinen Eiern richtete sich sein Glied etwas mehr auf. Nakamura ließ ab und richtete sich ein wenig auf, um mit den Händen den Stoff so vorsichtig und geschickt auseinanderzuschieben, dass er durch eine Öffnung in den Stofflagen Jakotsus Glied hervorholen konnte. „Er ist so schön wie der Rest von Euch“, murmelte Nakamura und hauchte einen Kuss auf die Eichel, ehe er die Zunge in den kleinen Spalt drückte. Jakotsu atmete zittrig auf als Nakamura die Lippen um seine Eichel stülpte und geschickt daran leckte und saugte. Er nahm ihn bald tiefer auf, weil er ihn hart bekommen wollte und das dauerte auch nicht sehr lange. „Wunderschön“, wiederholte Nakamura und Jakotsu konnte sich nicht daran erinnern, wann ihm jemals so intensiv, geschickt und ausdauernd der Schwanz gelutscht worden war. Sich unruhig hin- und her windend, dabei leise, lustvolle Seufzer ausstoßend wurde er in erregenden Intervallen zu seinem Orgasmus getrieben und als er kam bäumte er sich leicht auf und krallte sich im Haar des anderen Mannes fest. Nakamura erhob sich und schließlich schluckte den Lustsaft herunter. Jakotsu erschauerte ein wenig. „Willst du … mich jetzt… nehmen…?“, flüsterte er atemlos mit geröteten Wangen. Doch Nakamura stand ganz auf, um sich kurz darauf neben ihn zu setzen und erwiderte: „Nein, denn dass Ihr mir diese Köstlichkeit heute Abend geschenkt habt, ist mir Befriedigung genug…“ Damit schloss er ihn in die Arme und Jakotsu bemerkte, wie sehr Wärme und Liebe ihm gefehlt hatten. Wie schön wäre es, dachte er verträumt, wenn ich für immer hier bleiben könnte…   ~*~ Bankotsu sah sich nervös um. Er hatte extra auf helle, auffällige Kleidung verzichtet, um nicht in Gefahr zu laufen, dass ihn jemand erkannte. Das Hurenhaus, das er sich auserkoren hatte war nicht so edel und gehoben wie jenes, aus dem er Jakotsu einst aufgegabelt hatte, aber es war sauber und die Mädchen und Knaben waren nicht verbraucht. Ein paar hatten schon versucht, ihn anzumachen, aber bis jetzt war niemand dabei gewesen, der ihm irgendwie gefallen hätte und irgendwann ertappte er sich dabei, dass er unbewusst nach einem Jüngling Ausschau hielt, der Jakotsu ähnlich sah. Dann jedoch schüttelte er den Kopf. Es wäre klüger, wenn er sich ein Mädchen nahm. Vielleicht würde er dann endlich wieder von dieser Versessenheit auf einen anderen Mann loskommen. „Möchtet Ihr vielleicht mit mir kommen, Herr?“, sprach ihn eine liebliche Stimme an und als er sich umwandte, sah er in ein herzförmiges Gesicht mit wachen, freundlichen Mandelaugen. Die würde es tun, dachte er, denn sie war das genaue Gegenteil von dem, was ihm im Kopf herumspukte. „Wieviel?“, wollte er knapp wissen. Sie nannte ihren Preis und er willigte ein. Und sie tat alles, um ihn anzumachen. Sie küsste ihn, streichelte, verwöhnte seinen Körper nach allen Regeln der Kunst und vor etwas mehr als einem Jahr hätte er wohl sogar noch abgespritzt, bevor er ihn überhaupt in sie hineingesteckt hätte. Aber jetzt hatte er eine halbherzige, lustlose Erektion undfragte sich, warum er das hier überhaupt nochmal machte. Das war doch unter seiner Würde. Das Mädchen hielt einen Moment inne und sah ihn nachdenklich an. „Wisst Ihr, das passiert vielen Männern. Das hat gewiss nichts mit Eurer Manneskraft zu tun. Vielleicht ist da noch jemand anders in Euren Gedanken, den ihr nicht vergessen könnt. Liebt Ihr vielleicht ein Mädchen, das längst versprochen ist?“, wollte sie mitfühlend wissen. Ihm lag schon eine ruppige Antwort auf der Zunge, dann gab er jedoch nach und murmelte resigniert: „Sowas Ähnliches … ist kompliziert…“ „Hmm…ich wüsste vielleicht, was funktionieren würde…“, meinte sie nachdenklich „Versucht es doch einmal so: Ich werde Euch jetzt weiter verwöhnen und während ich das tue, schließt ihr die Augen und stellt euch vor, ich wär die Angebetete.“ „Nagut…“, murmelte Bankotsu ohne große Begeisterung und schloss die Augen. Sie begann schließlich vorsichtig an seinem Glied zu saugen und man spürte deutlich dass sie ihre Kunst beherrschte. Auf was hatte er sich hier nur eingelassen? Anstatt Jakotsu aus seinen Gedanken zu wischen, stellte er ihn sich jetzt noch intensiver vor. Stellte sich vor, wie sie damals das erste Mal miteinander geschlafen hatten. Und die vielen Male, als sie noch allein gewesen waren, wo Jakotsu ihn einfach ohne Hintergedanken mit seinen schönen, schlanken Händen befriedigt hatte. Er hatte ihm immer geholfen, den Druck loszuwerden. Sein Glied wurde härter. Es schien tatsächlich zu funktionieren. Bankotsu biss sich leicht auf die Unterlippe. „Makoto…“, flüsterte er atemlos, „mach weiter, Makoto…“, dabei stieß er unbewusst in den Mund des Mädchens, spürte, wie ihre Hand, Makotos Hand, seine prallen Hoden massierte. „Hör auf“, befahl er plötzlich, „ich werde dich jetzt ficken Makoto. Ich werde dich so lange durchficken, bis du lernst, gehorsam zu sein“, stieß er aus, packte die junge Frau beinahe brutal am Oberarm und schubste sie auf den zerwühlten Futon. Dann drehte er sie auf den Bauch und drang mit einem Ruck in ihre glitschige heiße Enge und begann sofort in sie zu stoßen. Wenig liebevoll und es war ihm egal, wenn er ihr wehtat, da gerade in diesem Moment sein ganzer angestauter Groll endlich seinen Katalysator fand. Das Mädchen stöhnte, aber ihm war egal, ob sie nur vortäuschte oder wirklich Lust empfand. Nein, nicht das Mädchen. Makoto. Makoto stöhnte und das nur wegen ihm, weil er Macht über ihn hatte, weil er sein Anführer war. Verdammt, er musste sich doch nicht von seinen eigenen Leuten wie ein kleines Kind behandeln lassen. Als er spürte, wie ihm in seiner Wildheit der Saft hochstieg, zog er ihn aus ihr raus und herrschte sie an: „Dreh das Gesicht zu mir, mach den Mund auf, Makoto, das ist es doch, was du willst!“ Sie tat klaglos, was er sagte (immerhin bezahlte er ja gut und alles was länger dauerte, konnte sie extra berechnen), kniete sich vor ihn hin und öffnete den Mund, während er sich selbst mit strammen Auf- und ab Bewegungen zum Höhepunkt brachte. Er stöhnte erleichtert und tief befriedigt, während er den letzten Tropfen aus sich herausmassierte. Als er hinab blickte, bemerkte er, dass ihr Gesicht über und über mit seinem Lustsaft bedeckt war. „Steht dir, Makoto…“, flüsterte er. Dann warf er ihr die vereinbarten Münzen hin und sogar noch etwas Trinkgeld, das sie hastig aufsammelte und richtete sich schließlich die Kleider. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ er schließlich das Freudenhaus.   ~*~ „Das kann doch nicht dein Ernst sein“, knurrte Suikotsu und starrte Bankotsu entgeistert und wütend an. Dessen Miene jedoch war eisern und entschlossen. „Ich wiederhole mich noch einmal. Ich verbiete es euch beiden weiter, hier unter diesem Dach miteinander zu vögeln. Oder irgendwo anders. Ich will keinen anzüglichen Blick mehr sehen, keine Schäkereien. Das zwischen euch beiden ist aus. Es lenkt zu sehr von unserem Geschäft ab.“ „Du kannst uns doch nicht vorschreiben, mit dem wir ficken dürfen und mit wem nicht“, knurrte Suikotsu und trat einen Schritt auf Bankotsu zu. „Ich kann. Und weißt du, wieso? Weil ihr beide meinem Befehl untersteht“, erwiderte Bankotsu gefährlich leise, „und ich schwöre dir, wenn ich herausfinde, dass da doch noch was läuft, dann wird das für euch beide starke Konsequenzen nach sich ziehen. Und du solltest besser keinen Schritt mehr auf mich zukommen, sonst könnte man den Eindruck gewinnen, du bedrohst mich.“ In Suikotsus Gesicht spiegelten sich Wut, Frustration und Kampfeslust wider. Schließlich gab er jedoch auf und wandte sich ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ruckartig ab. Bankotsu atmete auf und hatte so das dumpfe Gefühl, dass er das noch bereuen würde. Aber er war ihr Anführer, verdammt nochmal, sie hatten ihn dazu gemacht und sein Wort war das Gesetz in diesem Haus. Und das sollte er die anderen vielleicht weitaus öfter mal spüren lassen.   ~*~ Jakotsu hatte am nächsten Morgen genüsslich ausschlafen können. Nachdem er noch eine Weile im Bett herumgelungert und die Sonnenstrahlen genossen hatte, die durchs Fenster hereinfielen, hatte er beschlossen, aufzustehen und Nakamura nach Frühstück zu fragen. Noch im Schlafgewand schlich er den riesigen Flur entlang. Hielt jedoch mitten auf der Treppe inne als er von unten Stimmen hörte. Die eine gehörte Nakamura, die andere … kam ihm sehr bekannt vor. Er kam nicht sofort darauf, aber allein der Klang dieser Stimme ließ die feinen Härchen an seinem Körper sich aufstellen. So harrte er, mit dem Rücken an die dünne Wand gelehnt, die Treppe vom unteren Vorraum abtrennte und lauschte mit klopfendem Herzen, ob er aus dem Gespräch irgendetwas erfuhr. „Wann werden die Stoffe eintreffen? Ich werde sie einer Fürstengemahlin zum Geschenk machen, deshalb muss ich mich auf Euch verlassen können.“ „In etwa einer Woche. Ich darf Euch höflich an die vereinbarte Anzahlung erinnern?“ Der andere Mann brummelte etwas, dann hörte Jakotsu den klang vieler schwerer Münzen, die den Besitzer wechselten. „Ich hoffe für Euch, dass Ihr Euer Wort haltet. Solltet Ihr länger brauchen…“ Der Mann ließ den Rest des Satzes unausgesprochen aber gerade das, dieses bedrohliche Langziehen der letzten Silben… Ihm wurden die Knie weich und er sank lautlos an der Wand herunter. Die Stimme gehörte Matsumoto. Kapitel 18: Strafe muss sein ---------------------------- „Na sieh mal einer an, wer da nach hause zurückgekehrt ist.“ Jakotsu hatte sich gerade ins Haus schleichen wollen, doch Bankotsu versperrt ihm den Weg, in dem er sich im Türrahmen aufgebaut hatte. Sein Blick war missbilligend. Mehr als missbilligend, Jakotsu zuckte sogar fast unter ihm zusammen. „Du .. du bist mir doch nicht böse…?“, versuchte er es unsicher und hoffte im Stillen, dass Bankotsu ihn einfach in Ruhe ließ, denn das Matsumoto hier so nah bei ihnen war hatte ihn unglaublich aufgewühlt. So sehr, dass er Hals über Kopf aufgebrochen war ohne Nakamura eine Erklärung zu geben, bloß fort. „Ich dir böse? Wie kommst du nur darauf…“ Jakotsu biss sich schuldbewusst auf die Unterlippe. „Hör mal, es tut mir leid, aber ich muss mich jetzt wirklich um etwas sehr Wichtiges kümmern.“ Damit machte er Anstalten, sich an Bankotsu vorbei zu drücken um ins Haus zu gelangen, doch der versperrte ihm den Weg in dem er abrupt den Arm zum gegenüberliegenden Türrahmen ausstreckte. „Jakotsu, ich weiß nicht, ob dir das vielleicht nicht bewusst ist“, begann er langsam, „aber du hast mich um Erlaubnis zu fragen, wenn du längere Zeit fort bleibst. Und das vorher und nicht per Boten. Du triffst eigenmächtige Entscheidungen, die dir nicht zustehen und das wird Konsequenzen haben. Ich lasse mir von dir nicht mehr auf der Nase herumtanzen.“ Jakotsu starrte Bankotsu einen Moment ungläubig an, doch die Schärfe in seiner Stimme in der unnachgiebige Blick bedeutetem ihm, dass er es völlig ernst meinte. „Was für Konsequenzen?“, hakte Jakotsu nach, dem ein wenig flau im Magen wurde. „20 Peitschenhiebe.“ „Was!? Ist das dein Ernst?“, entfuhr es Jakotsu entgeistert und er starrte den anderen ungläubig an. „Ich bin noch nachsichtig. In der Armee bestrafen sie Ungehorsam mit dem Fünffachen und es tut mir leid, dass du es nun bist, aber ich muss ein für alle Mal ein Exempel statuieren. Geh jetzt hinters Haus. Renkotsu wird deine Strafe vollstrecken.“ „Renkotsu?!“, entfuhr es Jakotsu mit sich überschlagender Stimme, „wieso ausgerechnet der??? Das kannst du mir nicht antun!!!“ „Weil ihr die wenigsten Sympathien füreinander habt und ich sicher sein kann, dass er nicht zu nachsichtig mit dir umgeht. Da mir weder Ginkotsu, noch Mukotsu jemals einen Anlass gegeben haben, an ihrem Gehorsam zu Zweifeln und ich Suikotsu ebenfalls verdeutlichen muss, dass ich einen absoluten Gehorsam erwarte, wird er bei deiner Bestrafung zusehen.“ Mit ungläubigem Blick starrte Jakotsu Bankotsu an. Der schien es wirklich ernst zu meinen. Todernst. War sein Vergehen denn wirklich so schlimm gewesen? Dass er solch eine Strafe verdiente? War er zu weit gegangen? War es wirklich nur das, was Bankotsu so wütend machte? Er war ja kaum wieder zu erkennen. „Also, haben wir uns verstanden?“ „Ja, Rida-sama“, erwiderte Jakotsu förmlich und wandte sich ab um hinters Haus zu gehen um dort seine Strafe anzutreten. Renkotsu schien beinahe guter Laune zu sein, meinte Jakotsu sich einzubilden, allerdings hatte der Erfinder genug Selbstbeherrschung um diesen Umstand nicht nach außen zu tragen. „Knie dich da hin“, meinte er nur teilnahmslos und deutete auf die Stelle, wo sie die Pferde immer anbanden. Ohne ein Wort zu verlieren und den Blick zu Bankotsu gänzlich meidend ging er auf die Knie und stützte sich mit den Handflächen an dem Balken ab. Es war nicht das erste Mal, dass er Peitschenhiebe bekam. Bei Oneesama war das des Öfteren vorgekommen, auch sie hatte Ungehorsam bestraft. Doch ihre Hiebe waren zu verkraften gewesen, denn es steckte kein Gefühl dahinter. Doch hier … das war etwas vollkommen anderes. Für Bankotsu hegte er eine gewisse Zuneigung und für Renkotsu empfand er nichts als Abscheu. Schlimmer hätte es nicht sein können. „Ich fange jetzt an“, teilte Renkotsu genauso emotionslos mit und Jakotsu spannte die Muskeln an um sich gegen den kommenden Schlag zu wappnen. Er hörte, wie die Peitsche durch die Luft sauste und schließlich mit einem hässlichen Klatschen einen brennenden Striemen auf seiner Haut hinterließ. Er stieß nur ein Zischen aus, denn er hatte sich fest vorgenommen, dass kein Schmerzensschrei seine Lippen verlassen würde. Den zweiten Schlag ertrug er noch. Auch den, dritten, vierten, fünften und sechsten. Und dann begann seine Haut sich taub anzufühlen – aus dem Augenwinkel sah er, wie Bankotsu sich abrupt abwandte und in Richtung Haus verschwand. Feigling, dachte er und zuckte unter dem nächsten Schlag, der weitaus stärker gekommen war als die ersten zusammen. Eines musste er Renkotsu lassen, er hatte eine wirklich gute Technik, so zu treffen, dass es am meisten wehtat. Wie viele noch? Jakotsu konnte nicht zählen, hatte er nie gekonnt. Der nächste Schlag traf und er war so schwer, dass seine Haut aufriss und Jakotsu nun doch nicht mehr verhindern konnte, dass ein gequälter Schrei seine Kehle verließ. Bankotsu hatte sich schließlich abwenden müssen, weil dieser Anblick mehr war als er ertragen konnte und er hatte schon beinahe die Schiebetür hinter sich geschlossen als dieser Schrei ertönte, der alles in ihm zu Eis werden ließ. „Verdammt“, fluchte er und schmiss die Tür hinter sich mit solcher Kraft zu, dass sie zurückfederte und wieder einen Spalt aufging. Die Schmerzensschreie waren sogar bis ins Haus zu hören und Bankotsu fühlte sich wie der letzte Mensch auf Erden, aber er wusste auch, dass, wenn er sich als Anführer dieser Männer behaupten wollte, wovon die meisten um Einiges älter waren als er, dann musste er in gewissen Momenten hart durchgreifen. Und das war so ein Moment. Die Peitschenhiebe, die folgten waren stärker und unbarmherziger als all das, was er bei Oneesama hatte ertragen müssen, längst floss ihm warmes Blut über den Rücken, er schrie und weinte vor Schmerz als hätte er jede Selbstbeherrschung vergessen und ihm schwanden bereits die Sinne. Ein weiterer Schlag riss eine tiefe Fleischwunde in seinen Rücken, noch einer raubte ihm beinahe die Sinne – nur mit Mühe konnte er sich noch an dem Holzbalken festhalten, er krallte sich regelrecht hinein, als hinge sein Leben von diesem Balken ab. In den letzten Schlag schien Renkotsu noch einmal seine gesamte Kraft zu bündeln; Jakotsu stieß einen letzten gequälten Schrei aus und dann wollten ihm seine Arme nicht mehr gehorchen; Er glitt von dem Holz ab und sank halb ohnmächtig zu Boden, wo er zitternd von Schock und Blutverlust liegen blieb. Er bekam nicht mehr mit, wie Renkotsu sich einfach umwandte als habe er seine Schuldigkeit getan. Er bemerkte auch nicht, wie sich Schritte näherten, hörte das Fluchen, das Suikotsu beim Anblick seiner Wunden ausstieß mehr unterbewusst. „Kannst du aufstehen?“, drang Suikotsus Stimme an sein Ohr, doch er war zu keiner Antwort fähig. Suikotsu versuchte ihn vorsichtig auf die Beine zu ziehen, ohne versehentlich in eine seiner Verletzungen zu greifen und ihm damit noch mehr Schmerzen zu verursachen. Doch es hatte keinen Zweck, kaum hatten seine Füße den Boden berührt, sackte er wieder zusammen.   ~*~ Irgendwann hatten die Hiebe und die Schreie aufgehört. Bankotsu lauschte und war beinahe erleichtert, dass es endlich vorbei war. Jetzt, wo die Bestrafung vollzogen worden war, konnten sie den Ärger vergessen. Bankotsu wollte ja nicht nachtragend sein. Er hörte Suikotsus schweren Schritt auf dem Gang draußen, doch etwas irritierte ihn – war Jakotsu nicht mit ihm hineingekommen? Ein zweiter Schritt fehlte. Bankotsu bekam plötzlich ein ganz flaues Gefühl in der Magengegend. Er nahm sich vor, selbst nach dem Rechten zu sehen und sprang schließlich auf, doch er hatte kaum einen Fuß hinaus auf den Gang gesetzt als er plötzlich erstarrte. Durch das einfallende Licht konnte er die Blutflecken auf dem Boden sehr gut sehen. Und es waren nicht nur ein paar Tropfen, es war eine beinahe durchgehende Spur, die nur hin- und wieder kleine Unterbrechungen vorwies. „Was zum…“, stieß er aus, dann eilte er im Laufschritt ins obere Stockwerk. Die Blutspur führte jedoch nicht in Jakotsus, sondern in Suikotsus Zimmer – dort, wo dieser auch einen abgetrennten Behandlungsbereich hatte. Dass er es so eilig gehabt hatte, dass er Jakotsu nicht zuerst in sein eigenes Zimmer bringen und was er brauchte dann holen konnte, war ein schlechtes Zeichen. Bankotsu riss die Tür förmlich auf. Suikotsu war gerade dabei, irgendein Gebräu anzumischen und er wirkte recht gestresst dabei und auch das war kein gutes Zeichen, da Suikotsu seine ärztliche Tätigkeit ansonsten immer mit Ruhe und Gewissenhaftigkeit ausführte. „Was ist hier los?“, forderte er mit Schärfe in der Stimme, mit der er seine Besorgnis überspielen wollte. Doch Suikotsu beachtete ihn gar nicht, sondern ging schnell zu Jakotsu zurück. Dann tunkte er einen kleinen Schwamm in eine Bankotsu unbekannte Substanz, umfasste mit geübtem Griff Jakotsus Kopf, sodass er leicht seitlich lag und schob ihm dann den kleinen Schwamm in den Mund. „Das ist Opium, das wird dir gegen die Schmerzen helfen“, erklärte er dabei ruhig. Dem jüngeren Söldner fielen dabei die Augen langsam zu. Suikotsu kontrollierte noch einmal, ob er so lag, damit er sich nicht irgendwie verschlucken oder ersticken konnte und erhob sich dann. Er sah Bankotsu nicht einmal an, als er zu seinem Arbeitstisch ging. „Was glaubst du denn, was hier los ist, Rida-sama?“, sagte er dabei mit solch eisiger Stimme, dass es Bankotsu kalt den Rücken herunter lief. „Renkotsu hat deinen Befehl sehr gewissenhaft ausgeführt. Aber es steht mir nicht zu, deine Führungsqualitäten in Frage zu stellen. Wie du schon sagtest. Du bist unser Anführer und wir schulden dir Gehorsam.“ Dabei fing er an, ein paar Kräuter und Pflanzen, die Bankotsu noch nie in seinem Leben gesehen hatte, zusammen zu mörsern. „Sui…“, begann Bankotsu und wirkte plötzlich irgendwie verunsichert, doch der Arzt unterbrach ihn. „Du hättest mich die Strafe ausführen lassen sollen. Ich hätte wenigstens so zugeschlagen, dass nicht allzu viele hässliche Narben zurück bleiben und die Wunden nicht so tief gehen, dass man eine Infektion und Fieber befürchten muss.“ Dabei kippte er die Kräuter in eine Alkohollösung, deren Geruch Bankotsu bis dahin riechen konnte, wo er stand. „Ist es … ist es wirklich so schlimm?“, wollte er gepresst wissen. „Sieh es dir an“, erwiderte Suikotsu knapp, während er die Alkoholkräuterlösung gründlich durchmischte. Bankotsu trat langsam an den Futon heran, auf welchem Jakotsu lag. Er lag auf dem Bauch, der Kopf war zu Bankotsus entgegengesetzter Seite abgewandt, das Haar, welches nur lose mit einer Spange zusammengesteckt war fiel ihm wirr übers Gesicht und die Spitzen, die sich aus der Frisur gelöst hatten waren blutverklebt. „Das … das hab ich so nicht gewollt …“ „Tja, aber offensichtlich hat Renkotsu so seine eigene Auffassung von der Bestrafung durch Peitschenhiebe. Du hättest ihm vielleicht vorher sagen sollen, dass er Jakotsu nicht ganz umbringen soll. Er hätte nur einmal versehentlich das Rückgrat treffen müssen und es hätte böse ausgehen können.“ „Suikotsu, das hab ich so nicht gewollt!“, wiederholte Bankotsu etwas lauter und mit einem Anflug von Verzweiflung in der Stimme. Suikotsu tränkte ein sauberes Leinentuch mit der Lösung und begann damit die Wunden zu säubern. Bankotsu wusste aus eigener Erfahrung, wie sehr Suikotsus Desinfektionsgemisch schon bei winzigen Verletzungen schmerzen konnte, er wollte sich gar nicht ausmalen… aber das Opium schien Jakotsu so weit betäubt zu haben, dass er nichts spürte. „Vor mir musst du dich nicht rechtfertigen“, erwiderte der Arzt erstaunlich ruhig, „aber vor ihm vielleicht.“   ~*~ Bankotsu konnte die ganze darauffolgende Nacht nicht schlafen. Er hatte Jakotsu bestrafen wollen, aber doch nicht sein Leben in Gefahr bringen! Wenn er trotz Suikotsus gewissenhafter Versorgung nun doch Fieber bekam? Wenn er daran starb? Die Wunden waren tief, die Möglichkeit war gar nicht so unwahrscheinlich. Das würde Bankotsu sich niemals verzeihen können. Wäre er doch nur dabei geblieben und hätte sich nicht wie der letzte Feigling abgewendet, dann hätte er noch eingreifen können. Er erwartete Gehorsam von seinen Männern, aber er hatte genauso die Verantwortung für sie. Und dieser Verantwortung war er in Jakotsus Fall alles andere als gerecht geworden. Gerade Jakotsu, den er doch heimlich auf diese gewisse Art so lieb hatte. Und er konnte auch Renkotsu nicht zur Verantwortung ziehen, weil der nur aufgrund seines unvollständig ausformulierten Befehles gehandelt hatte. „Ich bin so ein Rindvieh“, murmelte er zum wiederholten Male in dieser Nacht an seine Decke gewandt und wälzte sich auf die andere Seite. Schließlich gab er es auf und schlich nach unten in den Wohnraum, wo er noch Licht brennen sah. Es war Mukotsu, der über irgendwelchen Pergamenten brütete. Richtig. Er hatte ja mal erwähnt, dass er alle Gifte, die er kannte, genauestens katalogisieren wollte und das nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Es war ein Wunder, dass Mukotsu es dennoch schaffte, seinem Versprechen nahzukommen und den gesamten Haushalt zu machen (bis aufs Kochen, dafür war ja Suikotsu zuständig). „Findest du keinen Schlaf?“, fragte Mukotsu ruhig, während er die Augen nicht von seinem Pergament hob. Dabei kratzte die Schreibfehler unaufhörlich über das Papier. Bankotsu goss sich etwas von der auf dem Tisch stehenden Wasserkaraffe in ein Trinkschälchen und seufzte dann. „Du hast ja keine Vorstellung…“ „Darf ich mir eine Bemerkung erlauben?“ „Nur zu…“, murmelte Bankotsu dumpf und stützte das Kinn in der Handfläche ab. „Du hast die vollen Konsequenzen deiner Anordnung nicht durchdacht. Nimm es als Lehrgeld und hör auf dich zu grämen, ändern kannst dus ja doch nicht mehr. Der Jakotsu, der ist hart im Nehmen, der kommt schon wieder hoch.“ „Das vielleicht, aber ob er mir jemals verzeiht…“   ~*~ Bankotsu schlich sich am nächsten Tag zu Jakotsu als Suikotsu mit dem Frühstück beschäftigt war. Er hatte die knappe Information erhalten, dass Jakotsu leichtes, jedoch nicht bedenkliches Fieber bekommen hatte. Dennoch wollte er nach ihm sehen, sich selbst von seinem Zustand, für den im Grunde er verantwortlich war, ein Bild machen. Leise schob er die Türe auf und hinter sich wieder zu. Jakotsu sollte die nächsten Tage sicherheitshalber in Suikotsus Nähe bleiben, damit der sofort handeln konnte, falls sein Zustand sich verschlechterte. Etwas unschlüssig stand er im Raum, ehe er sich schließlich einen Ruck gab und zu Jakotsu herüber ging. Der lag auf dem Bauch, den Kopf seitlich in Bankotsus Richtung gewandt. Er schien wach zu sein, doch er sah ihn nicht an, als er auf ihn zukam. Bankotsu kniete sich hin und schaute seinen verletzten Freund eine Weile an, ehe er sich einen Ruck gab, etwas zu sagen. „Wie fühlst du dich?“ Jakotsu jedoch drehte nur den Kopf auf die andere Seite und beendete damit das Gespräch ehe es überhaupt begonnen hatte. Bankotsus Blick fiel unwillkürlich auf den Verband, durch welchen ein wenig Restblut gesickert war. „Jakotsu…“, hob er an und wusste nicht einmal, was er sagen sollte. „Bist … bist du hungrig? Soll ich dir was bringen? Oder brauchst du etwas anderes?“ „Ich bin wirklich sehr müde, Bankotsu. Ich möchte nur schlafen.“ Mit einem resignierten Seufzen erhob Bankotsu sich. Das war ja fabelhaft gelaufen. Vielleicht sollte er Jakotsu einfach noch ein paar Tage Zeit geben, sich zu erholen. Wenn er wieder auf der Höhe war, vielleicht konnten sie dann ja vernünftig miteinander reden. Als er die Treppe herunter ging, wartete Mukotsu unten auf ihn. „Da ist ein Bote.“ Im Stillen war Bankotsu dankbar, so fand er wenigstens eine Möglichkeit, sich abzulenken. Der Mann hatte geduldig auf der Veranda gewartet. Bankotsu erkannte an seiner Kleidung, dass er einem Fürsten dienen musste. Das Zeichen, das er trug war ihm jedoch unbekannt. „Habt Dank für Eure Zeit, Herr. Ich überbringe eine Nachricht von meinem Fürsten Kashiwagi. Er läd Euch höflichst in sein Anwesen ein, um einen Auftrag mit Euch zu besprechen. Geld spielt keine Rolle“, fügte der Mann hinzu, als er Bankotsus zerstreuten Gesichtsausdruck bemerkte. Dass dieser zerstreute Gesichtsausdruck jedoch nur daher rührte, dass bei ihnen gerade der Haussegen schief hing, konnte er ja nicht wissen. „In Ordnung. Ich werde mit Euch kommen.“   ~*~ Fürst Kashiwagi empfing ihn in einem geschmackvoll eingerichteten Raum, wo er meist seine Besprechungen abhielt. Nachdem Diener Tee und Kleingebäck gebracht hatten, ließ man sie alleine. Bankotsu ließ den Blick unauffällig über die Züge des Fürsten gleiten. Es war schwer, sein Alter einzuschätzen, jedoch hatte er ähnlich wie Jakotsu eine sehr androgyne Erscheinung mit einem leicht femininen Touch. Man mochte glauben, er war jung, doch seine Ausstrahlung und Souveränität ließen einen im nächsten Moment dann wieder zweifeln. „Ich möchte Euch noch einmal danken, dass Ihr meiner Einladung so schnell gefolgt seid, Bankotsu-san.“ „Was kann ich für Euch tun, Herr?“ Bankotsu hasste eigentlich dieses ganze Getue nach Etikette, aber er musste irgendwie einen guten, souveränen Eindruck hinterlassen und da passte das Benehmen, das sie teilweise zuhause an den Tag legten, nicht wirklich. „Nun… Ihr habt sicherlich vernommen, dass der Fürst Nobusaka und ich…“ Er hüstelte, „nicht gerade in Liebe zu einander entflammt sind.“ Dabei blitzte es in seinen Augen irgendwie schelmisch und irgendwie erinnerte er Bankotsu in diesem Moment an Jakotsu. Aber ja. Dass die beiden Fürsten, deren Ländereien aneinander grenzten, keine großen Sympathien füreinander hegten, war weitreichend bekannt. „Nun, ich bringe es auf den Punkt“, fuhr der Fürst fort. „Ich habe den werten Nobusaka schon seit einer geraumen Weile im Verdacht, dass er in meinen Ländereien wildern lässt. Was ich ihm natürlich nicht beweisen kann. Und weil Ihr mich gerade so skeptisch anseht: Es beschränkt sich nicht auf bloßes Wildern. Junge Wälder sind zerstört, Bäume regelrecht ausgerissen, Äcker so beschädigt, dass die Ernte verdirbt, sogar Vieh grausam abgeschlachtet… meine Pachtbauern sind zurecht aufgebracht, denn ihre Existenz hängt davon ab. Und meine Pachteinnahmen.“ Bankotsu nickte langsam. „Und Ihr wollt, dass wir dem auf den Grund gehen.“ „Man berichtet nur Erfolge von Euch und Euren Männern. Und für Diskretion würde ich Euch einen höheren Sold zahlen als den, den Ihr veranschlagt hättet. Selbstverständlich werdet Ihr eine großzügige Anzahlung erhalten, um Eure Unkosten zu decken. Die volle Summe nach Erfolg des Auftrages.“   ~*~ „Hältst du es für eine sehr gute Idee, allein zu gehen?“, wollte Renkotsu stirnrunzelnd wissen als Bankotsu sie über ihren neuen Auftrag ins Bilde setzte. „Ich werde nicht allein gehen, Mukotsu wird mich begleiten.“ „Was, warum ausgerechnet ich?“, wollte dieser ein wenig verdutzt wissen. „Weil ich kein Aufsehen erregen will. Renkotsu, ich schätze deine Waffenfertigkeit, aber deine ganzen Schießdinger machen unglaublichen Lärm.“ „Du meinst Kanonen“, berichtigte Renkotsu trocken, Bankotsu überging ihn. „Ginkotsu ist nicht gerade dafür geeignet, leise durch den Wald zu schleichen, Jakotsu fällt aufgrund seiner Verletzungen aus-“ dabei warf er Renkotsu einen vorwurfsvollen Blick zu, den dieser ungerührt erwiderte. „Suikotsu weiß ich momentan lieber bei Jakotsu als irgendwo anders, unkonzentriert ist der mir keine Hilfe. Und Mukotsu, deine Fähigkeiten sind unauffällig und wirkungsvoll, weshalb du mich begleiten wirst.“ Der kleine Söldner nickte und entfernte sich um alles, was er benötigte zusammen zu suchen. Und Bankotsu atmete im Stillen auf, dass man wohl keinen Verdacht geschöpft hatte als er Suikotsus Unbrauchbarkeit bei diesem Auftrag erwähnt hatte. In Wahrheit wollte er diesen nämlich einfach nur nicht in seiner Nähe haben momentan. Im Grunde wusste er, dass es kindisch war, aber zwischen ihm und dem Arzt herrschten momentan diverse Spannungen und die wollte er gerade jetzt nicht unbedingt vertiefen. Ein wenig Abstand wäre vermutlich nicht unvorteilhaft. Sie brachen noch am selben Tag auf. Fürst Kashiwagi hatte ihm alle Informationen mitgegeben, die er benötigte um dieser Angelegenheit auf die Schliche zu gehen. Dass er dafür Söldner engagierte war gar nicht so blöd, denn wenn er den anderen Fürsten öffentlich etwas bezichtigte, egal ob er schuldig war, oder nicht, dann käme das eine ungeheuren Beleidigung gleich. „Was haben wir eigentlich für Anhaltspunkte?“, wollte Mukotsu wissen als sie schon eine Weile unterwegs waren und ließ die Augen über das Gelände gleiten. Bankotsu fand es bemerkenswert, dass der kleine Kerl mit seinen Glubschaugen so eine scharfe Sicht hatte. Keiner von ihnen anderen konnte so weit in der Ferne Dinge erkennen, das hatte sich schon das ein oder andere Mal als äußerst nützlich herausgestellt. Wenn er daran dachte, wie gewaltig er ihn damals unterschätzt hatte, als er vor ihrer Tür gestanden und um Aufnahme gebeten hatte. Sowas würde ihm garantiert nicht noch einmal passieren. „Die Bauern meinten wohl, dass diese Verwüstungen immer nachts geschehen waren oder im Morgengrauen bei Nebel. Natürlich hat keiner was Genaues gesehen, weil sie sich zitternd unterm Bett versteckt haben“, fügte Bankotsu augenrollend hinzu. „So sind sie, die Bauern. Dummer Pöbel, der sich vor seinem eigenen Schatten fürchtet“, fügte Mukotsu gleichgültig hinzu. „Da vorne scheint eine der Stellen zu sein, wo dieser Unbekannte gewütet hat“, meinte der Giftmischer dann und zeigte in Richtung des Waldrandes. „Na, wenn das wirklich dieser Fürst war, dann muss er jemanden haben, der sich ganz schön weit in Kashiwagis Gebiet reintraut. Die Grenze ist fast am anderen Ende dieses Waldes“, erwiderte Bankotsu mit hochgezogenen Augenbrauen, während sie die Pferde in die richtige Richtung lenkten. Langsam fing diese Sache an, ihn zu interessieren. Als sie an jene Stelle gelangten, wurde ihnen zum ersten Mal ansatzweise das Ausmaß dieser Zerstörungswut bewusst. In den jungen Wald war eine richtige Schneise geschlagen worden, allerdings waren die Bäume nur zum Teil ausgerissen, zu einem anderen Teil waren sie einfach gesplittert wie Zahnstocher. Bei einem besonders großen Baum zügelten sie die Pferde und Bankotsu stieg ab, um die Stelle genau zu begutachten. „Also von Hand sind die Beschädigungen sicher nicht reingekommen“, murmelte er vor sich hin. „Irgendeine Waffe…?“ „Vielleicht läuft jemand mit ner zweiten Banryu rum?“, riet Mukotsu ins Blaue, was ihm ein abfälliges Schnauben einbrachte. „Banryu gibt’s nur einmal. Außerdem ist diese Einschlagstelle viel zu stumpf und zu breit als dass sie von einer Waffe wie einem Schwert oder eine Hellebarde stammen könnte. Solche Waffen schneiden alles entzwei, wenn sie gut gemacht sind, aber sie schlagen nicht solche Löcher.“ Daraufhin zuckte der Giftmischer mit den Schultern. „Mit Waffen kenn ich mich kaum aus, wie du weißt, da bin ich wenig hilfreich.“ Bankotsu erwiderte nichts darauf, da er konzentriert die Stelle nach irgendwelchen Anhaltspunktenabsuchte. Und er wurde fündig. An einer Stelle war der Boden leicht geschwärzt. „Wahnsinn, da hat jemand so eine Schlagkraft, dass er mit seiner Waffe das Holz des Baumes angekokelt hat…“ „Es ist leicht beunruhigend, dass du das so faszinierend findest, wir sollten auf der Hut sein“, murmelte der Giftmischer unbehaglich und sah sich um als würden sie genau in diesem Moment beobachtet werden. „Glaubst du, es handelt sich um einen Dämon?“, fügte er dann hinzu als Bankotsu nicht reagierte. Der erhob sich schließlich. „Es ist gut möglich. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass ein Mensch so etwas fertig bringt, aber von so jemandem müsste man doch irgendwie schonmal gehört haben, meinst du nicht?“ „Vermutlich.“ „Hast du irgendein Gift, das uns im Zweifel gegen einen Dämon hilft?“ „Ist der Himmel blau?“ Bankotsu sah etwas irritiert zum Himmel, woraufhin der andere glucksend meinte, „Das war eine rhetorische Frage, selbstverständlich habe ich die. Sonst hätte ich mich sicherlich niemals auf so eine riskante Mission begeben.“ Bankotsu verzog das Gesicht während er zu seinem Pferd zurückging. „Meine Kraft reicht dir wohl nicht als Sicherheit, hm?“, stichelte er gespielt beleidigt. „Warte einen Moment“, meinte Mukotsu plötzlich und kramte etwas aus einer der Satteltaschen seines Ponys. Dann reichte er Bankotsu ein kleines, merkwürdig riechendes Leinensäckchen. „Was ist das?“ „Myrrhe und Teebaumöl, das überdeckt den menschlichen Geruch für Dämonen. Die ganz niederen zumindest. Hochrangigen bin ich glücklicherweise nicht allzu oft begegnet bisher.“ Bankotsu nahm es kommentarlos entgegen und schob sich das Leinensäckchen zwischen Brustharnisch und Jimbei, während er im Stillen seiner Idee dankte, seine Banryu doch nicht daheim zu lassen, um unauffälliger zu wirken. Die Waffe gab ihm einmal mehr Sicherheit und Stärke.   ~*~ Als Jakotsu erwachte, fühlte er sich seltsam schwummrig. Den Schmerz seiner Wunden spürte er nur unterschwellig. Vermutlich lag das noch an der Restwirkung des Opiums, das Suikotsu ihm eingeflößt hatte. Er war wohl so weggetreten gewesen, dass er nicht einmal wusste, welchen Tag sie heute hatten. Er lag auf dem Bauch, also versuchte er sich mit den Händen ein wenig in die Höhe zu stemmen – ein schmerzerfülltes Zischen entwich ihm, doch er biss die Zähne zusammen. Wäre ja noch schöner, wenn er jetzt wieder die Heulsuse spielte. Suikotsu musste seine Wunden genäht haben. Trotz seiner Fingerfertigkeit würden wohl Narben zurück bleiben. Jakotsu dachte an seine Strafe zurück und ein klammes Gefühl machte sich in seinem Brustkorb breit als er daran dachte, wie wütend Bankotsu auf ihn gewesen sein musste. Er wollte nicht, dass Bankotsu so wütend auf ihn war. Aber was war mit ihm selbst? War er nicht auch wütend? Durfte er überhaupt wütend sein oder hatte er das hinzunehmen? Immerhin waren sie längst nicht mehr alleine und Bankotsu wollte offensichtlich als Anführer keinem seiner Männer einen Vorzug geben. Bankotsu hatte sich überhaupt verändert in der letzten Zeit. Sie beide hatten sich verändert. Vielleicht war es nun wirklich an der Zeit, dass sie getrennte Wege gingen. Vielleicht sollte er bei Nakamura bleiben als sein Geliebter, sein Betthäschen. Wie verlockend dieser Gedanke war, so fühlte er sich gleichsam auch so unendlich falsch an. Jakotsu wollte niemandes Betthäschen mehr sein. Er wollte nicht mehr süß und lieblich für jemanden sein, Liebe ließ sich ohnehin nicht für ihn finden in dieser Welt. Und er fasste einen Entschluss. Er würde nach Bankotsu der Stärkste von ihnen werden. So stark, dass nicht einmal mehr Renkotsu es wagen würde, auch nur ein schlechtes Wort über ihn zu verlieren. Aber zuerst musste noch etwas erledigt werden. Jemand musste beseitigt werden, das letzte Bisschen, das ihn noch mit seiner Vergangenheit verband. Matsumoto musste durch seine Klingen sterben. „Du solltest dich besser nicht zu viel bewegen“, ließ Suikotsus Stimme ihn aus seinen düsteren Rachegedanken schrecken. Der Arzt hatte gerade den Raum betreten, ein Tablett mit einer Schüssel Reis und einer Schale Brühe in den Händen. „Die Wunden sind gut verschlossen, aber die eine ist so tief, dass sie bei zu großer Anstrengung wieder aufreißen könnte.“ „Ich übernehme mich schon nicht“, murmelte Jakotsu, dem plötzlich beim Geruch des Essens das Wasser im Mund zusammen lief. „Das will ich dir auch nicht raten. Ich kanns nämlich nicht leiden, wenn meine Patienten nicht auf mich hören und tun, was sie wollen“, brummte der andere Söldner. „Wann hab ich denn je nicht auf dich gehört?“, erwiderte Jakotsu spöttisch, während er begann, den Reis in sich hinein zu schaufeln. „Bankotsu ist mit Mukotsu zu einem Auftrag aufgebrochen.“ „Alleine mit Mukotsu? Warum denn ausgerechnet mit dem?“ Suikotsu erklärte ihm dasselbe, das Bankotsu zuvor ihnen erklärt hatte. Im Grunde war es Jakotsu eigentlich ganz recht, wenn Bankotsu nicht da war. Er wollte im Moment nicht, dass sein Anführer ihn so schwach sah. Nicht nachdem was geschehen war.   ~*~ Es ging bereits auf die Abenddämmerung zu als sie das erste Mal ein Geräusch vernahmen. Es war schwach, der Verursacher noch weit weg, aber deutlich zu vernehmen, dass es kein Geräusch des Waldes war. Bankotsu und Mukotsu sahen sich an, stiegen dann beide von ihren Pferden und banden sie an einer sicheren Stelle an. Weder wollten sie die Tiere in Gefahr bringen, noch sich selbst allzu schnell verraten. Das Geräusch von splitterndem Holz war erneut zu vernehmen. Bankotsus Herz begann vor Vorfreude schneller zu schlagen. Ein Kampf, das war genau das, was er jetzt brauchte. Sie näherten sich vorsichtig der Geräuschquelle, ihr Weg jedoch endete an einem steilen Abhang, der vorerst kein Weiterkommen zuließ. Das war jedoch überhaupt nicht nötig, denn wie es schien hatten sie den Verursacher endlich gefunden. „Ist das ein Dämon oder ein Mensch?“, japste Mukotsu und Bankotsu herrschte ihn mit einem angespannten „Pscht!“ an ruhig zu sein. Wie gebannt beobachtete er wie ein Koloss von einem Mann mit einem riesigen Morgenstern auf die Bäume einhieb, die ihm im Wege waren, sogar die kleine Brücke, die über das Wasser führte, das sich in der Schlucht in Form eines lieblichen Flüsschens schlängelte, hatte dran glauben müssen. Nachdem er ihn eine Weile beobachtet hatte, stellte er verblüfft fest, dass der Riese gar nichtmal versuchte, leise und vorsichtig zu sein, um ja nicht geschnappt zu werden, sondern mehr beiläufig und lässig wirkte, wie er da so wütete. Er musste sich seiner Kraft sehr sicher sein. Und die war gar nicht unbeachtlich stellte er fest als dieses Ungetüm als bereite es ihm keinerlei Mühe einfach einen Felsen mit seiner Waffe entzwei hieb. Was für ein Gegner für ihn. Was für eine Herausforderung. „Wir folgen ihm“, beschloss Bankotsu dann kurzerhand, während die Dunkelheit langsam über ihnen hereinbrach.     Kapitel 19: Der Koloss aus dem Wald ----------------------------------- „Hör zu“, raunte Bankotsu Mukotsu zu, nachdem sie dem Hünen eine Weile gefolgt waren. „Ich will es allein mit ihm aufnehmen. Du greifst nur dann ein, wenn ich so verletzt bin, dass ich nicht mehr aufstehen kann oder ohnmächtig bin. Nicht, dass ich damit rechnen würde, aber ich muss alle Eventualitäten einbeziehen.“ „Ich habe rein gar nichts dagegen einzuwenden“, murmelte der Giftmischer, dem schon beim Anblick dieses Berges von Mann die Knie schlotterten. Nein, er war wahrlich kein Krieger und wollte das auf seine alten Tage auch nicht mehr werden. So blieb er in sicherer Entfernung zurück, während Bankotsu aus dem Dickicht trat, und die Zeit beschloss er damit zu nutzen, seine Gifte etwas zu verstärken, denn je größer ein Lebewesen, desto größer musste die Menge des Giftes sein. Höchstwahrscheinlich war sein Eingreifen ohnehin nicht nötig, aber sicher war sicher. Wie Bankotsu gesagt hatte – man musste alle Eventualitäten einbeziehen. Der Hüne hatte sich inzwischen niedergelassen und beschlossen, sich eine Mahlzeit zu genehmigen. Beim Näherkommen bemerkte Bankotsu angeekelt, dass er irgendeinem toten Tier, einem Reh vermutlich mit bloßen Zähnen das rohe Fleisch von den Knochen riss. Dabei blitzten hin und wieder unnatürlich spitze Zähne auf. Doch ein Dämon? „He du!“, machte Bankotsu sich schließlich bemerkbar, als er so nah, wie es die Sicherheit erlaubte, an den großen Mann herangetreten war und dieser ihn immer noch nicht bemerkt zu haben schien. Mit einem überraschten Grunzen wandte der Mann sich um, nur um Bankotsu zu erblicken, welcher im Gegensatz zu ihm unglaublich klein und zerbrechlich wirkte. Ein Grinsen schlich sich auf das Gesicht des Riesen. Eine Schönheit war der wirklich nicht, dachte Bankotsu mit ausdrucksloser Miene. „Was willstn du jetz, Bürschchen?“, schnaufte er dabei und warf einen fast amüsierten Blick auf das außergewöhnlich große Schwert, welches Bankotsu im Anschlag hatte. „Ist dir bewusst, dass du hier Wälder zerstörst, die im Eigentum des Daimyo Kashiwagi stehen?“ „Jup, is mir bewusst. Bist du einer von seinen Soldaten? Junge, denen gehen wohl langsam die Männer aus, wenn die jetzt schon Kinder in ihre Dienste nehmen.“ Bankotsu war erst irritiert über dieses gleichmütige Zugeständnis, dann wütend, dass man ihn schon wieder als Kind bezeichnete. Anders jedoch als früher ließ er sich nicht dazu hinreißen, auszurasten und alles kurz und klein zu schlagen, auch er hatte dazu gelernt. „Ich bin keiner von seinen Soldaten, nein“, erwiderte Bankotsu ruhig, „ich stehe vorübergehend in seinen Diensten.“ „Söldner also, huh? Na dann guten Tach, Herr Kollege, aber ehrlich jetzt mal, wen willst du Floh denn beeindrucken, der nächste stärkere Windhauch weht dich doch fort.“ Auch auf diese Provokation ging Bankotsu nicht ein, auch wenn es ihn doch ein wenig überraschte, dass der Fremde auch ein Söldner war. „Für wen arbeitest du?“, forderte Bankotsu in einem scharfen Tonfall zu wissen. Der andere grinste. „Verrat ich nicht.“ Jetzt war es Bankotsu, der grinste. „Oh, das ist aber schade, dann muss ich dich wohl leider ohne diese Information pulverisieren.“ „Junge, bring mich nicht zum Lachen“, erwiderte der Große, welcher inzwischen von dem Reh abgelassen und sich zu voller Größe aufgerichtet hatte. Ein klein wenig mulmig war Bankotsu schon zumute, so einem riesigen muskelbepackten Menschen hatte er noch niemals gegenüber gestanden. Allerdings war seine Miene beherrscht, nichts von der leichten Unsicherheit drang nach außen. „Gut, Kleiner, du scheinst es ernst zu meinen“, grunzte der Große dann, „Ich mach dir einen Vorschlag. Wir kämpfen miteinander und wenn du danach noch am Leben bist, kriegste alle Informationen, die du haben willst, wie klingt das?“ „Ich würde sagen, wir haben eine Vereinbarung“, erwiderte Bankotsu, dem die Kampfeslust schon in den Fingern kribbelte. Der würde sich noch wundern. Er war ja nicht der erste, der Bankotsu aufgrund seiner Größe gewaltig unterschätzte.   ~*~ Über Goro Fujisakis Kindheit gab es nicht allzu viel Tragisches zu berichten. Nun gut, er hatte seine Eltern nicht gekannt und war in einem Waisenhaus aufgewachsen, wo er schon früh hatte lernen müssen, sich durchzubeißen (was ironischerweise ganz buchstäblich später zu seinem Markenzeichen werden sollte) aber da er schon als Kind sehr groß gewesen war, mit Abstand immer größer als seine Altersgenossen, hatte er auch nie etwas zu befürchten gehabt. Er selbst war derjenige, der Kleinere gerne schikaniert und herumgeschubst hatte, einfach nur aus purer Langeweile und Demonstration seiner enormen Kräfte. Kaum hatte er die 15, das Alter der Volljährigkeit erreicht, war man im Waisenhaus froh, ihn auf die Straße setzen zu können und da hatte er sich dann mit Gelegenheitsarbeiten das Brot verdient, dann auf dem Feld oder in den Mühlen da gab es für kräftige Burschen immer etwas zu tun. Er tat beinahe alles, nur stehlen, das tat er nicht, das ging ihm gegen seinen Stolz. Mit den Jahren begann Goro sich bald wieder zu langweilen und er dachte daran, was ein Mann wie er sonst tun konnte als das was er bisher getan hatte. Wie nun der Zufall oft spielt, gab es bald Krieg im Land und man suchte überall nach starken Kriegern aus dem Volk und er meldete sich, ganz begierig darauf, seine ungeheure Kraft, die sich im Lauf der Jahre noch gestählt hatte, einmal richtig zeigen zu können und diese Kraft beeindruckte nicht nur seine Soldatengefährten. Irgendwann war auch dieser Krieg vorbei und anders als die Männer, die traumatisiert und zerstört zu ihren Frauen heimkehrten, hatte er Gefallen am Töten gefunden. Und so wurde er zu einem Söldner, der sich auf Auftragsmorde spezialisierte. Sein Ruf war in gewissen Reihen bald hinreichend bekannt und er genoss das Gefühl, dass sie ihn fürchteten. Und das Blut, das er zurück ließ. Er mordete auf keine diskrete Weise, er hatte Genuss daran, den menschlichen Körper so zu zerstören, dass nichts als ein Haufen aus Knochensplittern und Gedärm übrig blieb. Schließlich ließ er sich die Zähne im Mund spitz feilen, um die imposante, furchterweckende Erscheinung zu vervollkommnen und bald glaubten die Menschen, er sei ein Dämon und deshalb machten sie keine Jagd auf ihn und er konnte recht gut leben. Doch es war ihm immer noch nicht genug. Er wollte mehr.   ~*~ Ein Knall, dessen Schall sich durch den ganzen Wald verbreitete, kündete davon, dass soeben Banryu und Morgenstern aufeinander gekracht waren. Zu Goros Überraschung hatte der kleine Kerl, der ihm da so frech die Stirn bot, mehr Kraft als er ihm zugetraut hätte und so musste er, um sein Gleichgewicht nicht zu verlieren, einige Schritte zurück weichen. Das schien wohl etwas interessanter zu werden als er erwartet hatte. „Respekt“, meinte er daher grinsend, „das hat schon lang keiner mehr geschafft-“ Bankotsu jedoch hatte nicht vor, während diesem Kampf eine sinnlose Unterhaltung zu führen – als er merkte, dass der andere schon aufgrund seiner Körpergröße viel mehr Kraft von oben auf ihn hinunter wirken konnte, zog er in einer geschickten Drehung seine Waffe weg – und sprang im nächsten Moment um dem Morgenstern auszuweichen, welcher sich dort, wo er eben noch gestanden hatte in den felsigen Erdboden fraß. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte Bankotsu die Tatsache nutzen, dass sich der Arm des anderen Söldners noch in einer Abwärtsbewegung befand und nutzte selbigen als Sprungbrett. Goro drehte sich, aber nicht schnell genug und so traf Banryu ihn mit voller Wucht in den Rücken – seine Rüstung sprang dabei und nur der Eile der Situation war es geschuldet, dass es ihn selbst nicht entzwei gehauen hatte. Abermals korrigierte der Riese sich. Er hatte den Kleinen nicht nur ein bisschen, sondern ganz gewaltig unterschätzt. Der Kampf begann langsam, ihm zu gefallen. Sie lieferten sich eine Weile einen erstaunlich ausgeglichenen Schlagabtausch – der aber nur so ausgeglichen war, weil Bankotsu seine ganzen antrainierten Bewegungsabläufe quasi über den Haufen werfen konnte, da der Körperumfang dieses Mannes ganz andere Kräfte und Bewegungen erforderten. Bankotsu begann zu schwitzen und er merkte, wenn er es nicht bald schaffte, den Riesen zu bezwingen, dann würden ihn früher oder später die Kräfte verlassen; Der andere Söldner drosch immer wieder von oben auf ihn ein, die Schwerkraft wirkte sich sehr begünstigend auf die Schlagkraft aus. Und da passierte es einen winzigen Moment, dass Bankotsu nicht schnell genug war. Der Morgenstern des anderen streifte ihn nur, doch dieser Streif riss ihm eine schmerzhafte Fleischwunde in den Oberarm – gerade so konnte er sich noch auf den Beinen halten; Hätte er in so einem Kampf das Gleichgewicht verloren, wäre das sein Ende gewesen. Auf dem Gesicht des Hünen machte sich ein siegesgewisser Ausdruck breit und er setzte nach um Bankotsu endgültig zu zermalmen, der jedoch mobilisierte seine Kräfte, versuchte dabei den pochenden Schmerz zu ignorieren und führte indem er sich eine niedrige Felsgruppe als Sprungbrett erkor, in der Luft einen Schlag aus, der Goro so unerwartet heftig traf, dass dieser das Gleichgewicht verlor und aufgrund der Fliehkräfte einige Meter über den Boden geschleudert wurde. Bankotsu kam auf dem Boden auf und nahm sich keine Zeit, zu verschnaufen, wie ein Pfeil schoss er in Goros Richtung, der gerade dabei war, sich aufzurappeln und ließ ihn erneut Banryus Zorn spüren; Und er hatte Erfolg – er riss dem Riesen eine nicht unerhebliche tiefe Schnittwunde in den Rücken und Goro, der noch nie zuvor Schmerz gekannt hatte, brüllte überrascht und wütend zugleich auf. Bankotsu grinste siegessicher, als er ihm abermals nachsetzte, bereit, ihm den Todesstoß zu versetzen, doch da hatte er die Rechnung ohne die erstaunliche Widerstandsfähigkeit des Hünen gemacht. Goro machte sich nicht einmal die Mühe, hochzukommen, das hätte zu viel Zeit gekostet, sondern schmetterte den Morgenstern blindlings gen Bankotsu.  Und Bankotsu wurde mit voller Wucht in die Brust getroffen wurde, sodass ihm einen fatalen Moment schwarz vor Augen wurde; Der Schlag war so gewaltig gewesen, dass Bankotsu nicht nur für eine Sekunde die Kraft verließ, Banryu zu halten, sondern er reichte auch dazu, ihn mindestens 30 Meter durch die Luft zu schleudern und nur seinen von klein auf antrainierten Reflexen war es zu verdanken, dass sein Schädel nicht an einem der scharfkantigen Felsen zerschmettert wurde, sondern er sich gerade noch so abrollen konnte. Nach einem Moment der Dunkelheit riss Bankotsu die Augen wieder auf. Und sah in einen strahlend blauen Himmel. Er bekam schlecht Luft. Was für ein unglaublich schöner Himmel, das hätte Jakotsu sicher auch gefallen. Er stand unter Schock und das nicht nur, weil mehrere Dornen des Morgensternes seinen Brustharnisch durchbohrt und gefährliche Fleischwunden geschlagen hatten, sondern auch von der Tatsache, dass es einen Mann gab, der so stark war, dass er für Bankotsu zu einer ernsthaften Bedrohung wurde. Wenn er doch nur wieder Luft bekäme. Japsend drehte Bankotsu den Kopf, nur um zu bemerken, dass seinem Gegner die ihm beigebrachte Verletzung von Banryu wohl doch etwas mehr zu schaffen machte, als er anfangs befürchtet hatte. So blieb ihm ein wenig Zeit, um auf die Beine zu kommen, ehe es der andere schaffte. Panik stieg auf. Er musste hoch. JETZT. Das konnte nicht das Ende sein, das durfte nicht das Ende sein! Nicht so, nicht ehe er der gefürchtetste und der berühmteste Mann Japans geworden war. Nicht hier, wo niemand ihn sterben sah und nicht ehe er seinem Makoto gesagt hatte, was er wirklich für ihn empfand. Abermals verschwamm Bankotsu die Sicht und einen Moment mobilisierte er alle Energie und Willensstärke, die er noch hatte. Und er kam in die Höhe, gerade als der andere auf ihn zustürzte um zum Todesstoß anzusetzen. Und dann traf Bankotsus Faust, in der dessen gesamter Zorn, all seine Entschlossenheit lagen, ihn so hart in den Magen, dass es ihm die Sinne raubte und noch während er ohnmächtig wurde, das erste Mal in seinem Leben in einem Kampf, dachte er staunend, was für ein Mann das sein mochte, der es schaffte, ihn mit seinen bloßen Fäusten zu besiegen. Der Körper des Riesen lag reglos vor ihm, ein flüchtiges Grinsen huschte über sein Gesicht und auch ein Anflug von Genugtuung. Da bemerkte er die Nässe, die unter dem zerstörten Brustharnisch seine Haut entlang kroch und den Stoff seiner Hose bereits so durchtränkt hatte, dass das eine Hosenbein an seiner Haut klebte. Bankotsu sah auf die tiefe Röte auf dem blütenweißen Stoff, beinahe so, als gehöre das alles zu einem Fremden, nicht zu ihm, denn er konnte ja unmöglich so bluten, oder? Denn daran konnte er sterben und er starb nicht so einfach. Er schluckte trocken, seine Sicht verschwamm und er bemerkte die sich rasch nähernden kurzen Schritte seines Gefährten nicht, der ja auf seinen Befehl hin dort oben ausgeharrt hatte. Aber ja. Jetzt konnte er ihm ja helfen, denn jetzt hatte er den Koloss besiegt. Er hatte triumphiert. „Bankotsu!“, schrie der Giftmischer ihm im Laufen entgegen und er wandte sich um, um einen Schritt in seine Richtung zu tun, doch da versagten ihm endgültig die Beine und lediglich Mukotsus schnellem Reflex war es zu verdanken, dass er nicht hart auf dem Boden aufschlug. „Du liebe Zeit“, zischte der Kleinere heiser, „Warum hast du mich dir nicht früher helfen lassen, ich hätte das verhindern können!“ „Ist schon … ist schon gut…“, murmelte Bankotsu, während er, mehr auf Mukotsu gestützt als selbst gehend sich von diesem zu jener Stelle führen ließ, wo sie die Pferde zurück gelassen hatten. Mukotsu lief bald der Schweiß in allen Strömen – nicht, dass Bankotsu selbst viel Gewicht gehabt hätte, aber seine Rüstung wog und der unebene Weg die Böschung hinauf hatte es in sich. Bankotsu schloss die Augen als Mukotsu ihm geholfen hatte, sich an einen Baum zu lehnen. Mehr abwesend registrierte er, wie Mukotsu hektisch an seinem Brustharnisch herumfummelte, um diesen zu entfernen – er stieß einen zischenden Schmerzenslaut aus, als er ihm den Harnisch fortriss, da sich das Metall nach innen gebogen und auf eine äußerst gemeine Weise ins Fleisch gefressen hatte. „Tut mir leid“, murmelte Mukotsu verbissen und ließ den Blick besorgt über die Verletzungen seines Anführers gleiten. Das sah nicht gut aus. Das sah verdammt nochmal gar nicht gut aus und vor allem musste er diese Blutung stillen, die nicht von selbst versiegen wollte, sonst wäre Bankotsu verblutet, ehe er ihn nachhause geschafft hatte. Und er erbleichte als er den angesplitterten Knochen des Brustbeines durch das Fleisch hindurchschimmern sah. Kurzentschlossen und weil er sich nicht anders zu helfen wusste, entledigte er Bankotsu des blutigen Oberteiles und machte sich in Windeseile daran, es in einen langen Streifen zu schneiden. Er war kein Bader, aber sogar er wusste, dass so eine Verletzung auf keinen Fall offen liegen durfte. Er überlegte kurz, zog dann einen unbenutzten, sauberen Stoff hervor, der aufgrund seiner Struktur normalerweise von ihm zum Feinstzerstäuben seines Giftes verwendet wurde, faltete diesen provisorisch, sodass er fester wurde und presste diese selbstgebastelte Kompresse dann auf die Verletzung des Jüngeren, welcher daraufhin ein leises gepeinigtes Stöhnen von sich gab. „Den Ritt gleich, den kann ich dir nicht ersparen, Bankotsu-san“, murmelte Mukotsu, während er den Verband provisorisch um Bankotsus Oberkörper wickelte, sodass die Kompresse recht fest saß. „Wird schon gehen…“, murmelte der mit geschlossenen Augen. Nachdem er es irgendwie geschafft hatte, Bankotsu so auf das Pferd zu bekommen, dass dieser vor ihm saß und er ihn so stützen konnte, trieb er das Tier in den Galopp. „Banryu…“, war das letzte, das Bankotsu murmelte, ehe die Schwärze endgültig über ihn kam.   ~*~ „Ist es etwas besser?“, erkundigte sich Suikotsu nach seinem Patienten. Er hatte ihm eine Paste aufgetragen, die den Heilungsschmerz etwas betäubte, zumindest in den ersten paar Tagen. „Ja, stinkt zwar wie Hölle das Zeug, aber es hilft“, erwiderte Jakotsu lächelnd. „Große Anstrengungen solltest du dennoch erstmal vermeiden“, mahnte der Arzt, der schon bemerkt hatte, wie Jakotsus Augen ums ein und andre mal zu Yukata und dem Harnisch aus Drachenschuppen, den er immer darunter trug, geglitten war. Jakotsu zuckte ertappt zusammen. „Aber mir ist jetzt schon langweilig!“, beschwerte er sich. „Bedank dich bei Bankotsu“, erwiderte Suikotsu gleichmütig, „aber du kannst wieder in deine eigenen Gemächer ziehen, dein Fieber ist fort und die unmittelbare Gefahr vorüber.“ „Na immerhin etwas“, murmelte Jakotsu. „Apropos, sind Bankotsu und Mukotsu immer noch nicht zurückgekehrt?“ „Nein, aber Aufträge wie dieser können durchaus mal ein wenig dauern, ich glaube nicht, dass du dich sorgen musst.“ „Ich sorg mich gar nicht, es ist nur…“ Er biss sich auf die Unterlippe, gab dann nach. „Na gut, ich sorge mich doch. Ich habe ein seltsames Gefühl." Dabei blickte er nachdenklich aus dem Fenster, wo die Sonne schon als roter Ball am Himmel stand und versinken wollte. Suikotsu sparte sich einen Kommentar hierzu. Im Grunde konnte es ihm egal sein, er musste Jakotsus Launen nicht verstehen; Im einen Moment war er noch todeswütend auf Bankotsu – was nachdem was passiert war, mehr als verständlich war, im nächsten zerging er sich in Sorge um selbigen. Mit miesepetrigem Gesichtsausdruck und leicht den Kopf schüttelnd, machte er sich daran, einige Salben neu herzustellen, die ihm in den letzten Tagen ausgegangen waren, und dachte daran, wie jung Bankotsu und Jakotsu eigentlich beide noch waren und dementsprechend ungestüm zuweilen in Liebesdingen. Und er fühlte sich plötzlich alt. Mit einem gediegenen Aufseufzen widmete er sich seiner Arbeit und versuchte, die Gedanken auszuschalten. So bekam er auch nicht mit, dass Jakotsu ihn fragte, ob es ihm recht war, dass er etwas hinunter ging um sich auf die Terrasse zu setzen. Er bräuchte frische Luft. Nachdem Jakotsu ein paar Mal vergeblich versucht hatte, den Arzt anzusprechen, zuckte er mit den Schultern und versuchte, vorsichtig aufzustehen. Nur um scharf die Luft einzuziehen als der Schmerz der heilenden Wunden ihn durchzog. Abgeschwächt natürlich durch Suikotsus Wundersalbe und er wollte gar nicht wissen, wie es ihm ohne die ergangen wäre. Mit vorsichtigen Schritten, um seinem Körper nicht zu viel zuzumuten, tapste er aus dem Zimmer hinaus. Ginkotsu saß ebenfalls draußen im Gras und freute sich wie es schien am Leben. Jakotsu musste schmunzeln als er den verträumten Gesichtsausdruck des Freundes sah. „Hey Gin“, sprach er ihn an. Auf den metallverstärkten Lippen breitete sich so etwas wie ein Lächeln aus. „Geht es Jakotsu wieder gut?“, erkundigte er sich. Jakotsu ließ sich vorsichtig auf die Kante der Terrasse sinken und lehnte sich seitlich ein wenig an. „Etwas besser, ich hab so gut wie kein Fieber mehr“, antwortete er sanft und schloss die Augen, um ein wenig die letzten Sonnenstrahlen zu genießen. Eine Weile saßen sie da so in stiller Gesellschaft – bis Jakotsu plötzlich von einem Schmerz durchzogen wurde, der nicht von seinen Rückenverletzungen herrührte. Sofort riss er die Augen auf, sein Atem ging schnell. „Takeshi…“, murmelte er, dann starrte er zum Horizont, versuchte, in der Ferne etwas zu erkennen, doch da war nichts. Er hatte unbewusst die zur Faust geballte Hand aufs Herz gepresst. „Etwas nicht in Ordnung?“, wollte Ginkotsu besorgt wissen. Jakotsu schüttelte langsam den Kopf. „Ich weiß nicht, mir war irgendwie als ob… ach vergiss es, war wohl nur Einbildung.“ Jakotsu wollte schon Anstalten machen, aufzustehen, um wieder ins Haus zu gehen, da sich sein Magen langsam bemerkbar machte, als ihn ein Geräusch innehalten ließ. Auch Ginkotsu schien es gehört zu haben und so starrten sie beide in dieselbe Richtung, bis sie einen Punkt am Horizont erkennen konnte, der sich bei raschem Näherkommen als Pferd mit Reiter herausstellte und bei weiterem Näherkommen konnte Jakotsu feststellen, dass es sich dabei um eines ihrer Pferde handelte und dass Mukotsu und Bankotsu auf seinem Rücken saßen. Da sie jedoch die Sonne im Rücken hatten, konnte er nichts Genaueres erkennen. Erst als sie bei ihnen angelangt waren und das Pferd empört schnaubend, weil es von Mukotsu so harsch am Zügel gerissen wurde, zum Stehen kam, bemerkte Jakotsu den Zustand seines Anführers. „Helft mir mal!“, herrschte Mukotsu die beiden mit heiserer Stimme an und Jakotsu war so geistesgegenwärtig, Bankotsu aufzufangen, als dieser vom Pferd glitt, denn Mukotsu selbst hatten nun auch die Kräfte verlassen und er war nicht länger fähig ihn zu halten. „Gin!“, schrie Jakotsu gestresst und genervt darüber, dass dieser so schwer von Begriff war. „Bankotsu!“, rief er dann entsetzt und umgriff die Hüfte des anderen, damit er ihm nicht entglitt, doch sein Anführer schien mehr bewusstlos als wach zu sein. Da war Ginkotsu da und kam ihm zur Hilfe, indem er Bankotsu einfach mit sicherem und vorsichtigem Griff hochhob, um ihn zum Haus zu tragen. „Jakotsu lief an ihm vorbei und schrie schon im Treppe hochsprinten nach Suikotsu. Der riss genervt über die Störung die Türe auf und wollte ihm schon einen wüsten Fluch entgegenbellen, weil er all seine Warnungen bezüglich der Verletzungen in den Wind geschossen zu haben schien, aber als er Ginkotsu mit dem bewusstlosen Bankotsu in den Armen die Treppe hinter Jakotsu hergestapft sehen kam, schaltete er sofort. Bankotsu wurde auf einen sterilen Futon gebettet, welcher nah am Fenster war – das hatte Suikotsu so eingerichtet, damit er beim Arbeiten im Ernstfall genügend Licht hatte. Der Arzt verschaffte sich einen Überblick und sah im blutdurchtränkten Verband die größte Priorität. „Schere!“, bellte er und Jakotsu beeilte sich mit dem Kasten, indem Suikotsu seine wichtigsten Werkzeuge aufbewahrte, herzukommen. Den fummelte er mit zitternden Fingern auf, und drückte dem anderen dann das Gewünschte in die Hand, welcher sofort begann, den Verband der Länge nach aufzuschneiden. Als das geschehen war, stieß er einen Fluch aus und Jakotsu schlug die Hände vor den Mund. „Ist das ist das ein Knochen?“, japste er. „Ist es. Er hat irgendwas abbekommen, was es geschafft haben muss, durch den Brustharnisch zu dringen.“ „Ein Morgenstern“, kam es plötzlich von der Tür, in welcher ein ziemlich heftig keuchender und nassgeschwitzter Mukotsu stand. „Das war … ein riesiger Morgenstern, ein Wunder, dass er ihn nicht in tausend Stücke gehauen hat…“ Das war schonmal, wenn auch sehr beunruhigend, eine wertvolle Information. Suikotsu schob sich ein Gestell auf die Nase, welches einer Brille ähnelte, an der man vorne nochmal zwei Verstärkungsgläser angebracht hatte. „Da sind minimale Metallsplitter in der Wunde, die muss ich entfernen sonst könnte er eine Vergiftung erleiden und sterben“, erklärte er sachlich, während er hastig begann, alle Instrumente aus dem Kasten zu sortieren, die er nun brauchte, „am besten, du holst mir Renkotsu her, ich brauche einen Assistenten.“ „Renkotsu? Niemals! Ich werde dir helfen!“, widersprach Jakotsu mit solch einer Vehemenz, dass es Suikotsu nichtmal in den Sinn kam, ihm zu widersprechen und eine grauenvolle Angst um Bankotsus Leben umkrallte sein Herz.   ~*~ Als Bankotsu wieder zu sich kam, war Suikotsu gerade dabei, die Metall- und Knochensplitter aus seiner Wunde zu entfernen. Jedesmal, wenn er eines erwischt hatte, spürte Bankotsu ein kleines, reißendes Ziehen. Naja. Das war doch gar nicht so schlimm, oder? Er schaffte es nicht so ganz, den Blick zu fokussieren, so schloss er die Augen wieder und lauschte stattdessen auf die Stimmen um sich herum. So ganz verstand er nicht, was hier vorging. Er musste doch noch einen Auftrag erfüllen. Aber er spürte seinen Körper nicht, er spürte nur ein dumpfes Pochen, das von seinem Zentrum auszugehen und sich irgendwie auszubreiten schien. „Ich muss den Knochen gerade rücken“, hörte er eine Stimme verschwommen erklären. „Das kann ich aber nicht im Liegen machen. Hilf ihm sich aufzusetzen.“ Aus irgendeinem Grund griffen ein paar Arme nach ihm und zogen ihn in die Höhe – ein dumpfer Schmerzenslaut entwich ihm, doch dann sank er zurück in etwas Warmes, Weiches. Der Duft von Ylang Ylang umschmeichelte seine Nase und ein leicht dümmliches, weggetretenes Lächeln machte sich auf seinem Gesicht bemerkbar. Süßer, lieblicher Makoto. Das war der Duft, den er schon immer gehabt hatte. Als sie sich das erste Mal getroffen hatten, da war ihm dieser Duft auch so sinnlich in die Nase gestiegen und seitdem war er sein ständiger Begleiter gewesen. Er sollte Makoto eines dieser teuren Öle schenken, die er so mochte. Ein plötzlicher Schmerz ließ ihn mit einem qualvollen Aufschrei die Augen aufreißen und für einen Moment sein volles Bewusstsein zurück erlangen als Suikotsu den Knochen wieder an seinen Platz schob, damit er richtig zusammenwachsen konnte. „Schhh“, erklang von irgendwoher eine tröstende, beruhigende Stimme, „Es ist gleich überstanden, Lieber. Finger geisterten streichelnd über seine Stirn und der Schmerz ließ langsam nach. Das war ja gar nicht so schlimm gewesen. „Ich muss die Wunde ausbrennen“, schwebte eine Stimme durch den Raum. Ausbrennen? Wieso denn ausbrennen? Der Schmerz war doch fast wieder weg. „Können wir ihm das nicht ersparen?“ Warum klang Makotos Stimme denn so bang? Er wollte ihm sagen, dass es ihm gut ging, doch nur ein entkräftetes Stöhnen verließ seine Lippen. „Ganz ruhig“, schwebte abermals Makotos Stimme an sein Ohr, diesmal so nah, dass er seinen Atem meinte spüren zu können und Makotos Hand lag auf seiner Stirn, leicht in seinem Haaransatz, irgendwie streichelnd, tröstend. Er spürte einen Kuss auf der Schläfe und in seinem Inneren wurde es ruhiger. Doch er sollte nicht in einen erlösenden Schlaf abdriften dürfen. Etwas Nasses wurde ihm zwischen die Lippen geschoben, ein widerlich bittersüßer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus und stieg ihm bald zu Kopf. Das war schön. Wie als war man betrunken. Jetzt konnte er sicherlich schlafen. „Er wird trotzdem noch Schmerzen spüren“, erklärte Suikotsu nachdem er Bankotsu den in Opium getränkten Schwamm in den Mund geschoben hatte Jakotsu ruhig, der während der ganzen Zeit weder gejammert, noch geweint hatte, wie er es eigentlich von ihm erwartet hatte. „Du musst ihn jetzt sehr festhalten, es wird dauern und er wird sich vom Schmerz wegbewegen wollen. Traust du dir das zu?“ Jakotsu, wenn auch bleich, nickte tapfer, den Kiefer so fest zusammengebissen, dass schon die Wangenmuskulatur leicht hervortrat. Was redeten die da nur? Bankotsu schwirrte der Kopf im Delirium, die betrunken machende Süße in seinem Mund, Jakotsus Körper, an den er so wohlig gepresst lag und der süße Duft, der manchmal sogar in seine Träume drang… Und dann durchfuhr der gleißende Schmerz des Ausbrenneisens seinen Körper – er schien fast von seinem Herzen auszugehen und er bäumte sich auf und schrie vor Schmerz, der einfach kein Ende nehmen wollte, während Jakotsu ihn eisern hielt und Jakotsu traten Tränen in die Augen, weil dieses qualvolle Geräusch, das Bankotsus Kehle verließ das schlimmste war, was er je gehört hatte und es tat ihm ganz tief in seiner Seele weh. Unbewusst verstärkte er seinen Griff und ihm begannen schon die Muskeln zu schmerzen, die Wunden der Peitschenhiebe pochten die ganze Zeit empört vor sich hin, doch er schenkte ihnen keine Beachtung, sie waren nicht wichtig und sie würden nie wieder eine Wichtigkeit einnehmen, wenn er Bankotsu nur jetzt nicht verlor. Und dann war es überstanden. Bankotsu lag ohnmächtig in Jakotsus Armen, deren Griff sich während der ganzen Zeit kein einziges Mal gelockert hatte. Nachdem Suikotsu eine Brandsalbe auf das verödete Fleisch aufgetragen hatte, gönnte er sich zum ersten Mal eine kurze Pause. Das Schlimmste war vorüber. Und er hatte sehr gründlich gearbeitet. Während er die Instrumente fort räumte, um sie später selbst im Feuer zu desinfizieren, wanderte sein Blick hinüber zu Jakotsu. Der saß nun neben ihrem Anführer und streichelte diesem immer wieder zärtlich übers Haar. Und er sah plötzlich die so tiefgehende Leidenschaft, die zwischen ihnen lag. Das war ein Problem. Nicht allein aus dem Grund, dass er Jakotsu so nicht mehr in sein Bett bekam, mehr deshalb, weil Gefühle einem in einem Kampf auf Leben und Tod sehr im Wege stehen konnten. Er würde das im Auge behalten. Nun galt es jedoch erst einmal darauf zu vertrauen, dass Bankotsu genug Lebenswillen in sich trug, um die nächsten Tage zu überstehen.   ~*~ Bankotsu wurde in den nächsten Tagen von Fieberkrämpfen geschüttelt und war mehr im Delirium als wach. Er sah den Mann, gegen den er gekämpft hatte, sah das Grinsen, das seine spitzen Zähne entblößte und er versuchte, ihn niederzustrecken, doch immer, wenn er ihn gerade erreicht hatte, löste er sich in Luft auf und fing irgendwann an, zu schreien, vor Wut und Verzweiflung und dieser Schrei drang sogar eines nachts aus seinem Schlaf nach draußen. Jakotsu, der die ganze Zeit bei Bankotsu ausharrte, fuhr auf, als er den Schrei hörte, bemerkte jedoch bald, dass es nur einer dieser grässlichen Fieberträume war. Bankotsu hatte die Augen aufgerissen, stierte mit glasigem Blick panisch in der Gegend umher, bis Jakotsu zu ihm glitt; Er ergriff seine Hände und hielt sie in seinen, damit er sich beim um sich schlagen nicht noch verletzte, dann legte er sich neben ihn, um ihn spüren zu lassen, dass er nicht alleine war und er wisperte ihm beruhigende Worte zu, küsste ihn auf die bebenden, spröden Lippen und Ruhe kehrte zurück. Bankotsus Hände erschlafften in seinen und Jakotsu küsste sie, ehe er sie an Bankotsus Seiten bettete. Dann legte er sich neben ihn, um ihn seine Anwesenheit spüren zu lassen und er war müde, so unendlich müde, doch er würde keinen Schlaf finden, ehe er nicht wusste, dass Bankotsu überleben würde. Er wollte ihn beschützen, so wie Bankotsu immer ihn beschützt hatte. Er wollte stark sein, jetzt wo Bankotsu geschwächt war. Und er würde durchhalten. Die nächsten Fieberträume waren anders. Der Duft von Ylang schlich sich wieder in sie hinein und eine zuckersüße Stimme lockte ihn. Im Kamin, da brannte ein Feuer und die Stimme lockte ihn dorthin und als er näher trat, näher an die Hitze, die ihn zu verbrennen drohte, da sah er Jakotsu in den Flammen, das lange Haar offen und fließend, glänzend schwarz wie Rabengefieder, verführerisch, bewegte er sich mit den Flammen, flackerte, löste sich auf, nur um an anderer Stelle wieder zu erscheinen. „Makoto…“, murmelte er und ging auf das Feuer zu, „Makoto…“, wisperte er, als er die Flammenhand ergriff und sich in das Feuer ziehen ließ und dann umfingen versengende Hitze und gleichsam das sachte Streicheln der Flammen ihn. „Makoto…“, murmelte Bankotsu abermals und Jakotsu sah sorgenvoll auf sein Antlitz herab. "Ich bin hier...", wisperte er beschwichtigend. „Sein Fieber ist gestiegen“, stellte Suikotsu missbilligend fest. „Das ist nicht gut.“ „Was bedeutet das?“, wollte Jakotsu bang wissen, doch Suikotsus Schweigen war ihm Antwort genug. „Er stirbt…“, beantwortete er sich selbst die Frage und sein Blick wurde glasig. „So etwas kommt vor“, erklärte Suikotsu sachlich und mit einem Mal hasste Jakotsu ihn dafür, dass ihn das so kalt zu lassen schien. „Verschwinde“, brachte er gepresst hervor. „Bitte?“ „RAUS HIER!“, schrie Jakotsu mit sich überschlagender, hysterischer Stimme und Suikotsu beschloss, dass es wohl in diesem Fall besser war, sich aus seinen eigenen Räumlichkeiten hinaus werfen, als sich auf eine Diskussion mit einem emotional aufgelösten Jakotsu einzulassen. Er würde Jakotsu von Bankotsu fort holen, wenn diesen selbst die Kräfte verließen, denn Jakotsu hatte seit Tagen kaum geschlafen und das würde früher oder später seinen Tribut fordern. Als er nach unten in den Wohnraum kam, begegneten ihm die schweigenden Blicke seiner Kameraden, die eine Erklärung wünschten. „Bankotsu wird vielleicht sterben“, begann Suikotsu dann, genauso kühl, wie er vorhin mit Jakotsu gesprochen hatte. Es war nicht so, als hätte er Bankotsus nahenden Tod nicht bedauert, aber er würde darüber hinwegkommen. Anders als Jakotsu vermutlich. „Das habe ich mir schon gedacht“, antwortete Renkotsu nachdenklich und Ginkotsu schaute traurig drein und sagte gar nichts. „Aber was wird dann aus uns?“, wollte Mukotsu wissen, der sich unter Bankotsu als Anführer eigentlich recht gut aufgehoben gefühlt hatte. „So wie ich das sehe, bleiben uns zwei Möglichkeiten“, führte Renkotsu aus, „Entweder, wir lösen uns auf oder wir erwählen einen neuen Anführer.“ „Denkst dabei an dich, was?“, giftete Suikotsu. „Wäre eine Möglichkeit. Wir sollten das in Ruhe besprechen, wenn-“ Doch weiter kam er nicht, da ihn eine schneidende wütende Stimme unterbrach. „Ich glaub nicht, was ich da höre!“, fauchte Jakotsu, welcher gerade herunter gekommen war, um frisches Wasser zu holen, „wie könnt ihr nur so reden als wäre er schon tot! Ihr solltet euch schämen und zwar alle! Einen neuen Anführer wollt ihr schon erwählen. Wisst ihr wie man solche wie euch nennt? Verräter!!!“, spie er hinterher und sein Gesicht war solch eine verzerrte, vor Zorn überschäumende, gefährliche Fratze, dass keiner von ihnen es wagte, auch nur ein Wort des Widerspruchs zu äußern. Nichtmal Renkotsu war danach, sich mit Jakotsu anzulegen und Mukotsu blickte ein wenig verwirrt und eingeschüchtert drein. „Jakotsu weiß nicht, was er sagen tut in Schmerz“, kam es leise von Ginkotsu, als wolle er Jakotsu in Schutz nehmen, obgleich keiner einen Vorwurf ausgesprochen hatte. Geladen stapfte Jakotsu nach draußen, um Wasser aus dem Brunnen zu ziehen. Trotz dass er eigentlich sehr erschöpft war, verlieh ihm die Wut gerade unheimliche Kräfte und er zeigte auch beim zweiten und dritten Eimer keine Müdigkeit. Auch nicht, als er sie alleine die Treppe hochschleppte – überraschenderweise war es tatsächlich Renkotsu, der ihm seine Hilfe anbot, doch Jakotsu fuhr ihn nur an, dass er das allein könne, sie glaubten ja alle nicht einmal daran, dass Bankotsu es überhaupt schaffen würde. Als er die Wassereimer oben im Zimmer hatte, kramte er aus Suikotsus Vorrat einige dickere Binden hervor. Schließlich begann er behutsam, Bankotsu auszuziehen und dabei spürte er das Fieber, das in ihm wütete. Dann griff er nach den Verbänden und tauchte sie gänzlich in das Wasser, um Bankotsu damit Wickel zu machen. Er wusste, dass sowas bei Fieber half. Es musste helfen. Er musste doch irgendetwas tun. Während er Bankotsus Beine sorgsam mit dem nasskalten Stoff umwickelte, weinte er lautlose Tränen, doch im nächsten Moment wischte er sie wütend fort wie eine lästige Biene. Er fuhr fort auch Bankotsus Arme einzuwickeln und es gab ihm einen Stich ihn so zu sehen, er wirkte so schmal, so zerbrechlich und jung auf seinem Krankenlager, dass Jakotsu beinahe schon wieder die Tränen kamen. „Du bist stark“, flüsterte er und er wusste ob er zu Bankotsu oder sich selbst sprach, "du bist stark. Du darfst nicht sterben, was mach ich denn ohne dich?“, sprach er leise weiter, „was soll denn dann aus mir werden?“ Und weil Jakotsu die Stille nicht ertrug, „Wo immer du auch bist, du musst … meiner Stimme folgen, hörst du…? Gib dich nicht der Dunkelheit hin, bitte…“ Und weil er dann nichts mehr zu sagen wusste, sang er leise ein Lied, eines von vielen das man ihm damals im Bordell beigebracht hatte, um zu unterhalten, doch jetzt gab es ihm selbst Trost.   „Schwimm zu mir durchs blaue Meer… Nutz die Strömung und den Wind, Bald schon riechst du nahes Land, Duftend süß nach Hyazinth. Sterne weisen dir den Weg Tausend Meilen sind nicht weit Mitternacht rückt nah heran Doch dir bleibt genügend Zeit   Komm in meinen Schlaf…   Komm in meinen Schlaf…   Trockne meine Tränen,   Komm in meinen Schlaf…“ Kapitel 20: Heilung ------------------- Als Bankotsu wieder zu sich kam, schien die Sonne ins Zimmer hinein. Er blinzelte, verwirrt, weil er sich nicht erinnern konnte, weil er nicht wusste, warum er sich so elendig schwach und ausgedörrt fühlte. Es brauchte eine Weile, um zu merken, dass er sich in Suikotsus Krankenzimmer befand. Wirre Bilder drängten sich in seinen Geist, Bilder, die er nicht zuordnen konnte. Und schon zog der Schlaf ihn wieder in seine Tiefen. Als er das nächste Mal zu Bewusstsein kam, war Suikotsu bei ihm. „Es ist gut, dass du wach bist“, erklärte dieser, „dein Fieber ist zurück gegangen. Ich werde nachher deinen Verband wechseln müssen, das wird etwas wehtun.“ „Was...?“, begann Bankotsu kraftlos. „Du wurdest in einem Kampf schwer verwundet. Mukotsu hat dich mehr tot als lebendig nachhause gebracht. Eine Weile sah es so aus, als würdest du deinem Fieber erliegen. Ehrlich gesagt hat keiner von uns geglaubt, dass du es schaffen würdest. Nichts für ungut. Du hast es übrigens vermutlich Jakotsu zu verdanken, dass du noch hier bist, denn ich hätte mich auf meine Fehleinschätzung verlassen. Hier, du solltest etwas trinken“, fügte er dann hinzu und goss etwas Wasser in ein Schälchen. Dann stützte er den anderen leicht, damit dieser ein paar Schlucke herunterbringen konnte. „J... Jakotsu…?“, brachte er dann heiser hervor. „Er wich tage- und nächtelang nicht von deiner Seite. Er machte dir alle paar Stunden neue Fieberwickel, sorgte dafür, dass dein Körper nicht austrocknet, indem er dir mühsam wieder und wieder Wasser eingeflößt hat. Bis es anfing, dir besser zu gehen, gönnte er sich keine Minute Schlaf. Und dann, wie auf Kommando brach er vor Erschöpfung zusammen – keine Sorge“, fügte der Arzt hinzu als er Bankotsus besorgten Gesichtsausdruck bemerkte, „es geht ihm gut, er hat nur etwas Schlaf gebraucht. Und du wirst auch wieder auf die Beine kommen. Aber du musst deinem Körper Zeit geben, sich zu erholen, verstanden?“, mahnte er scharf. Er kannte Bankotsu doch, der konnte genauso wenig die Füße still halten wie Jakotsu. Bankotsu war im Moment jedoch noch zu erschöpft um zu widersprechen und so schloss er nur ergeben die Augen. Das nächste Mal als er sie öffnete, wandte er den Blick zur Seite und bemerkte, dass Jakotsu auf Suikotsus Futon lag. Er lag mit dem Rücken zu ihm, deshalb konnte er sein Gesicht nicht sehen, und schien tief und fest zu schlafen. Durch den dünnen Stoff des Schlafgewandes konnte man schwach die Striemen seiner Bestrafung durchschimmern sehen und Reue überrollte Bankotsu. Was war nur in ihn gefahren? Wie lange war das nun eigentlich schon her? Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Jakotsus Haar war nicht, wie sonst zu einer Frisur gemacht, es war nur lose mit einem Band zusammengebunden worden und die seidigen Strähnen glänzten wirr und unschuldig im Sonnenlicht. Als er ihn so versunken betrachtete, schob sich ein merkwürdiges Bild in seinen Geist. Flammen waren da gewesen, Jakotsu mitten zwischen ihnen. Und auch da hatte sein Haar so geglänzt. Wie Rabengefieder, schoss es ihm zusammenhanglos durch den Kopf. Schließlich übermannte ihn die Erschöpfung erneut und Bankotsu sank wieder zurück in einen erholsamen Schlaf. Als er das nächste Mal erwachte, war Jakotsu bei ihm. Er saß neben seinem Krankenlager und lächelte matt als er bemerkte, dass Bankotsu die Augen offen hatte. „Wie schön, dass du wieder bei uns bist“, aber die Stimme, die leicht und fröhlich klingen wollte, klang schwer und erschöpft und unter Jakotsus Augen lagen tiefe Schatten, er war blass, die Wangen eingefallen und der ungesunde Anblick wurde von dem weißen Schlafyukata, den er trug, nur unterstrichen. „Stand es … so schlimm um mich oder warum siehst du so beschissen aus?“, meinte Bankotsu mit einem schiefen Grinsen, woraufhin Jakotsus Gesicht sich zornig verzog. „Du hast ja keine Ahnung!“, zischte er, beruhigte sich jedoch dann überraschenderweise sofort wieder und fügte etwas sanfter hinzu: „Wie fühlst du dich denn?“ Die Lüge lag Bankotsu bereits auf den Lippen, als er es sich anders überlegte und sich für die Wahrheit entschloss. Er hätte sich respektlos gefühlt Jakotsu gegenüber, wenn er ihn nachdem was er die letzten Tage wohl durchgemacht hatte, nun auch noch belog. „Schwächer als mir lieb ist…“, gab er dann mit leiser Stimme zu. „Das kriegen wir wieder hin. Suikotsu bringt dir gleich eine Brühe und etwas Reis, damit du wieder zu Kräften kommst.“ „Aus welchem … Grund fühlt sich meine Brust an als steckten tausend heiße Metallsplitter drin?“ „Der Knochen da war gebrochen“, erklärte Jakotsu und versuchte sich an Suikotsus Worte zu erinnern und erschauerte leicht als er an das Bild dachte, als Bankotsu dagelegen hatte mit dieser schrecklichen Fleischwunde. Dir wurde ein Loch in den Brustkorb geschlagen. Mit einem Morgenstern, sagt Mukotsu.“ „Morgenstern..?“, wiederholte Bankotsu matt und wirre Bilder zuckten plötzlich durch seinen Geist und versuchten sich zu einer Erinnerung zusammen zu setzen. Da war dieser Koloss von einem Mann gewesen. Da war ein Kampf, ein harter Kampf, den Bankotsu doch für sich entschieden hatte. Der Morgenstern dieses Mannes hatte ihn mit voller Wucht in die Brust getroffen, dabei hatte er Banryu verloren. „Banryu!“, entfuhr es ihm plötzlich so heftig, dass Jakotsu zusammen zuckte und sein Oberkörper ruckte jeden Schmerz ignorierend in die Höhe. „Jakotsu, Banryu ist noch … im Wald, ich muss, ich muss…“ „Du legst dich sofort wieder hin“, fauchte Jakotsu und nutzte den geschwächten Zustand des anderen aus um ihn einfach bei den Schultern zu packen und zurück auf sein Lager zu drücken. Wider Erwarten war Bankotsu jedoch kräftiger als erwartet und so brauchte es Jakotsus vollen Körpereinsatz, um ihn nieder zu ringen. Schließlich lag Jakotsu mit seinem ganzen Körpergewicht auf Bankotsu drauf und spürte immer noch, wie dieser die Muskeln anspannte. „Jakotsu du verstehst das nicht!“, kam es leicht verzweifelt von Bankotsu, „Ich hab Banryu im Wald zurück gelassen, ich muss sofort … versteh doch…“ „Du musst gar nichts“, schnaufte Jakotsu, den dieser Einsatz gerade seine gesamte Kraft kostete, „alles, was du musst, ist wieder gesund werden, das blöde Ding ist doch jetzt scheißegal – verdammtnochmal Bankotsu, jetzt gib endlich Ruhe!“, fuhr er plötzlich auf und klang dabei so böse und unnachgiebig, dass Bankotsu sofort verstummte und jeden Fluchtversuch aufgab. Jakotsu atmete innerlich auf. Na endlich. „Bitte … kann ich jetzt von dir runter gehen, ohne, dass du sofort wieder aufspringst?“ „Mhh… eigentlich find ich … das grad ganz nett“, murmelte Bankotsu abwesend und Jakotsu zuckte kurz zusammen als er spürte, wie eine Hand, die sich frech unter den verrutschten Yukata geschoben hatte, seine nackte Hinterbacke quetschte. Unwillkürlich legte sich ein Hauch Röte auf die blassen Wangen. „He“, protestierte er halbherzig und stemmte sich ein wenig in die Höhe um Bankotsus Verletzung nicht mehr zu belasten als nötig. Dabei glitt die Hand von ihm herunter. „Bin wohl doch noch nicht so kräftig wie ich dachte…“, lenkte Bankotsu schließlich erschöpft ein und betrachtete abwesend von unten Jakotsus Gesicht, die Lippen, die ihm gerade so nahe waren … Apropos… bildete er sich das ein oder konnte er sich da an einen Kuss erinnern? Aber wann sollte Jakotsu ihn geküsst haben? Jakotsu erhob sich schließlich ganz und richtete seinen Yukata wieder. „Suikotsu … sagte, du seist mir nicht von der Seite gewichen….“, murmelte Bankotsu und suchte den Blick seines Freundes. Jakotsu senkte den Seinen ein wenig und biss sich auf die Unterlippe. „Was hätte ich anderes tun sollen?“, kam es leise, „ich konnte doch nicht zulassen, dass … dass du …“ Jakotsus Stimme zitterte verdächtig bei den letzten Worten. Bankotsu wollte die Hand ausstrecken um ihm über die Wange zu streichen, da seine Kraft jedoch nicht reichte, um seinen Arm zu heben, suchte seine Hand die Jakotsus, welche sacht auf dessen Knie geruht hatte, und drückte sie leicht. „Du hast mir das Leben gerettet… du hast den Tod besiegt, Makoto …“ Und da brachen die Dämme, Jakotsu schluchzte auf, fluchte unflätig, weil er sich nicht mehr beherrschen konnte und entlockte Bankotsu dabei ein liebevoll spöttisches Lächeln. „Ich lass dich nie wieder alleine einen Auftrag erledigen!“, ereiferte sich Jakotsu immer noch heulend, „nie wieder, ich werde überall mit hin kommen, wie ein Schatten werd ich dir folgen und jeder, der dir einen Morgenstern in die Brust rammen will, wird von Jakotsutou in tausend Stücke zerteilt!“ Und auch, wenn er Jakotsus Art, sich so melodramatisch in Dinge hineinzusteigern irgendwie sehr liebenswert fand, so hatte er keinen Zweifel daran, dass er jedes Wort ernst meinte.   ~*~ Wenn es nach Bankotsu ging, dann wäre er nach ein paar Tagen schon längst wieder auf den Beinen. Er war ungeduldig, eine schlechte Angewohnheit, das wusste er selbst, doch er konnte nichts dagegen tun. Außerdem kreisten seine Gedanken ständig um Banryu, die ja immer noch irgendwo verloren im Wald herumlag und sein Herz zog sich zusammen. Die Waffe bedeutete ihm viel, sie war ein Teil von ihm und ohne sie in seiner Nähe fühlte er sich schutzlos und irgendwie unvollständig. Zwar war es schon aufgrund ihres Gewichts recht unwahrscheinlich, dass jemand sie stahl, aber man konnte ja nie wissen. Und außerdem musste er seinem Auftraggeber langsam Bericht erstatten. Und das war ein Problem, weil er im Grunde nicht wusste, ob der Kerl gegen den er gekämpft hatte, von seiner Zerstörungswut abgelassen hatte, wusste er auch gar nicht, was er dem Mann nun berichten sollte. Und aus diesen Gründen erschien es ihm drei Tage nach seinem ersten Erwachen auch nahezu unmöglich, noch länger untätig herumzusitzen. Das Problem war nur, dass er irgendwie an Jakotsu vorbekommen musste, denn der würde ihn garantiert einen Kopf kürzer machen, würde er von seiner Absicht erfahren. Wobei, wieso musste ersich eigentlich rechtfertigen, was er tat, er war immerhin der Anführer dieser Männer. Das zumindest war sein trotziger Gedanke. Also wartete er einen günstigen Moment ab, nämlich den, wenn Jakotsu sein Bad nahm, das er alle zwei Tage zu nehmen pflegte, damit war er für mindestens eine Stunde nicht in der Nähe. Als er sich sicher war, dass sein Gefährte zum Badezuber verschwunden war, stand er vorsichtig auf, wobei er das leichte Ziehen in der Brust ignorierte, und kleidete sich an. Ein Unterfangen, welches sich als ziemlich kompliziert erwies, da sein verletzter Arm kaum zu gebrauchen war. Dann wartete er, bis auf dem Flur die Luft rein war und schlich sich nach draußen. Die Treppe bereitete ihm erste Schwierigkeiten, doch auch die konnte er noch wegignorieren. Als er jedoch die Türe nach draußen aufschob, war er bereits schweißnass, weil die Anstrengung doch mehr war, als sein noch geschundener Körper momentan ertragen konnte. Ginkotsu saß, wie so oft auf der Veranda und schaute ihn überrascht an, doch Bankotsu hob den Zeigefinger an die Lippen. „Kein Wort zu Jakotsu.“ Ginkotsu gab ein „Gish“ von sich, was Bankotsu als Ja wertete. Die Veranda Treppen schaffte er noch, auch noch eine Weile den Weg vom Haus weg. He, dachte er sich irgendwann grinsend, das geht doch, gar nicht so wild. Bis ihm das erste Mal die Sicht verschwamm und er bemerkte, wie heiß die Sonne heute vom Himmel knallte. Einen Moment stützte er sich an einem Baum ab, riss sich dann zusammen und zwang sich weiter zu gehen. Wie er, wenn er jetzt schon schwächelte, Banryu tragen wollte, darüber machte er sich momentan noch keine Gedanken. Ein Schritt nach dem anderen. Und dann geschah es, dass ein sengender Schmerz durch seine Brust schoss, als die dünnen Knochenfasern, die sich bisher über den Bruch gelegt hatten, der Beanspruchung nicht mehr standhalten konnten und rissen. Der Schmerz ließ Bankotsu einen Moment Sterne vor Augen sehen und er war so überwältigend, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, seine Welt kippte und wenig später stieg ihm der Duft von frischem Gras in die Nase. „Scheiße“, fluchte er erstickt, enttäuscht und wütend über die Schwäche, über diesen zerbrechlichen Körper und er schloss die Augen, während die Sonne erbarmungslos herabknallte, und wünschte sich, tot zu sein. Er wusste nicht, wie lange er so da lag, als er sich einbildete, jemanden seinen Namen rufen zu hören. Doch er hatte keine Kraft, die Stimme zu heben und zu antworten. „Bankotsu!“, holte ihn eine laute Stimme wenig später aus seinem halbohnmächtigen Zustand und er öffnete die Augen als ein Schatten über sein Gesicht fiel. „Hast du den Verstand verloren?“, rief Jakotsu, wobei die Sorge gerade der Wut überwog und er beugte sich zu ihm herab. „Wie zur Hölle hast du es überhaupt so weit geschafft?“ „Jakotsu…“, kam es erstickt und mehr hauchend aus seiner Kehle, „Es tut so weh… es tut so weh … Jakotsu, es tut so weh…“ und dabei stiegen ihm Tränen in die Augen, ohne dass er sich derer erwehren konnte. „Ach, Bankotsu“, sagte Jakotsu gequält, dem es ins Herz schnitt, Bankotsus Tränen zu sehen, „was machst du denn auch für Sachen?“ „Es tut mir so … leid, ich bin … ein Versager … es tut so weh…“ „Jetzt reiß dich aber mal zusammen“ sagte Jakotsu sanft und strich ihm tröstend über die Wange. „Ich muss dich nachhause bringen. Kannst du gehen, wenn ich dich stütze?“ „Lass mich einfach hier liegen und sterben…“ „Jetzt hör aber mal auf, so wehleidig zu sein! Du bist schwer verwundet worden, es ist normal, dass dein Körper Zeit braucht, sich zu erholen und du bist kein Versager, sondern der stärkste, schönste und mutigste Mann, den ich kenne! Haben wir uns verstanden?“ „Ja…“, kam es kleinlaut von Bankotsu, während Jakotsu versuchte, ihm vorsichtig in die Höhe zu helfen. Kaum stand er jedoch halbwegs auf den Beinen ließ ihn der Schmerz des gebrochenen Brustbeines Sterne vor Augen sehen und eine Welle der Übelkeit überrollte ihn plötzlich, sodass sich im nächsten Moment würgend übergab. Jakotsu, der einen guten Teil davon abbekam verzog keine Miene und biss sich stattdessen auf die Unterlippe. Auf den Rücken nehmen konnte er Bankotsu nicht, wegen dem Druck gegen die Brust. Gehen konnte der kaum einen Schritt ohne wahnsinnige Schmerzen auszustehen und hier lassen, um einen der anderen zu holen, wollte er ihn auch nicht. „Also gut“, sagte Jakotsu schließlich und zog seine Zori aus um einen sichereren Schritt zu haben. Dann ging er in die Knie und griff ihm so vorsichtig wie möglich unter Arme und Kniekehlen und erhob sich mit einem angestrengten Geräusch. „Jakotsu…?“, murmelte Bankotsu, der während des Aufstehens einen erneuten Schmerz hatte wegatmen müssen, verwirrt, „was … tust du …?“ „So weit sind wir nicht von zuhause weg. Das schaffe ich. Außerdem hast du durch das Fieber so viel Gewicht verloren, dass es mich nichtmal anstrengt“, erklärte Jakotsu mit einem schiefen Lächeln undBankotsu schwieg, weil er gerade überwältigt war von Jakotsus Stärke und nicht nur der körperlichen. Und er schwieg auch, weil er sich auf seinen Schmerz konzentrieren musste, und ihm das alles abverlangte. Jakotsu begannen nach drei Vierteln der Strecke die Arme zu zittern, doch sein Griff wurde kein einziges Mal locker. Entschlossen marschierte er weiter und legte sich im Kopf schon die Standpauke zurecht, die Bankotsu zu spüren bekommen sollte, sobald es ihm wieder besser ging. Der indes hatte die Augen geschlossen und den Kopf matt gegen Jakotsus Schulter sinken lassen. Ließ sich wieder von dem angenehmen Duft einlullen, den dieser verströmte. Erst als sie zuhause ankamen, wo ihnen Suikotsu, der inzwischen das Verschwinden seines Patienten bemerkt hatte, entgegenkam, verließen Jakotsu langsam die Kräfte. Suikotsu nahm ihm den Verwundeten mühelos ab, um ihn in sein Behandlungszimmer zu bringen. Jakotsu indes sank keuchend auf die Knie. „Verdammte Scheiße…“, japste er, „Lang mach ich das nicht mehr mit…“ Außerdem spürte er seine Arme nicht mehr. Leicht verstimmt quälte er sich wieder hoch und motzte Ginkotsu im Vorbeigehen an, warum dieser Bankotsu nicht aufgehalten hatte, welcher nur mit einem unschuldigen „Gish“ antwortete. „Ich brauch was zu trinken!“, grummelte er und machte sich daraufhin an ihrem Sakevorrat zu schaffen, welcher eigentlich nur angerührt wurde, wenn sie etwas zu feiern hatten. Während Jakotsu so in seinem Zimmer saß, sauer war und sich betrank, kamen ihm Gedanken ganz anderer Natur. Gedanken, die er während der Zeit, in der Bankotsu so krank gewesen war, beiseite geschoben hatte. Er hatte da noch eine Sache zu erledigen. Eine Sache, um die er sich schon hatte kümmern wollen als er an jenem Tag von Nakamura nachhause gekommen war. Er hatte Nakamura damals ganz unschuldig gefragt als wisse er von nichts, wer denn dieser Mann war, was er für Geschäfte mit ihm abschloss und ob er hier länger in der Nähe lebte. Lauter Informationen. So erfuhr er missbilligenderweise, dass man die Ungnade, unter die Matsumoto gefallen war, wieder aufgehoben hatte und er nun wieder als vollwertiger Samurai galt. Was die Sache komplizierter machte, Jakotsus Seele aber auch mit einem unglaublichen Hass füllte. Wie konnte dieser Mann nur ein gutes Leben haben, während er heute noch Alpträume von dem Missbrauch und der Unterdrückung hatte, den er in dessen Hause hatte erfahren müssen? Nein, dachte sich Jakotsu, er musste endlich etwas tun.   ~*~ Jakotsu trug einen sonnengelben Kimono mit roten Blüten darauf. Das Sonnenlicht verlieh ihm Wärme, untermalte sein Lächeln mit Lieblichkeit. Er saß an einem Fenster, draußen lag Schnee, aber die Sonne schien so hell. Ein warmes Gefühl stieg in Bankotsu auf, er erwiderte Jakotsus Lächeln als sei es nur für ihn bestimmt. Er ging auf ihn zu, geleitet von dem Bedürfnis, ihm nahe zu sein, seinen Duft, seine Nähe, seine Wärme zu spüren, aber je näher er kam, desto mehr schien dieses Bild an Farbe zu verlieren und ein unerklärliches Gefühl der Panik stieg ihn ihm auf und die Szenerie wandelte sich. Es war Nacht und der Vollmond sandte sein weißes Licht zur Erde. Er selbst war in der Rolle des Beobachters, er konnte nichts tun, nicht eingreifen, nicht rufen, als er Jakotsu sah. Jakotsu hatte nun einen schneeweißen Yukata an und trug das Haar offen, was er sonst äußerst selten nur tat. Er war barfuß und hatte sein Jakotsutou bei sich, nicht in seiner Hülle, erhoben, zum Angriff und Bankotsu wusste nicht, was es war, das sich ihm plötzlich eine Klaue aus Eis ums Herz legte, aber irgendetwas stimmte hier nicht. Jakotsu lächelte, doch es war ein eiskaltes Lächeln, bar jeder Freude, es war das Lächeln eines Mörders, der tiefe Befriedigung am Töten fand. Und dann war da noch jemand. Jemand, den Bankotsu sofort erkannte, denn dieser Mann hatte den Auftakt gegeben, zu dem, was sie heute zusammen hielt. Matsumoto, derjenige, der Jakotsus Seele gefressen hatte. Pass auf, wollte Bankotsu rufen, doch kein Laut drang aus seiner Kehle, er hatte die Stimme verloren. Doch sein Ruf wäre gar nicht nötig gewesen. Geschickt und tödlich schnellten die acht Klingen Jakotsutous hervor, ordneten sich um den Gegner an, wie eine Schlange um ihr Beutetier, dann zogen sie sich zu und Matsumoto wurde in tausend Stücke zerteilt und ein Regen aus Blut ging über Jakotsu nieder und er lachte dabei, er lachte so schaurig schrill, beinahe hysterisch und Bankotsu fuhr mit einem entsetzten Schrei aus dem Schlaf in die Höhe. Der Arm ausgestreckt als wolle er noch Jakotsu erreichen, sein Atem ging keuchend und der Puls raste. Es dauerte einen Moment, bis Bankotsu realisierte, dass es ein Traum gewesen war. Dass er hier war, zuhause, dass er geschlafen hatte. Jakotsu war vermutlich irgendwo in der Nähe und es ging ihm gut. Ganz sicher. Bankotsu sah sich in seinem Zimmer um. Seit Jakotsu ihn vor zwei Tagen von seinem peinlichen Ausriss zurückgeholt hatte, hatte er dieses Zimmer kaum verlassen, weil er eingesehen hatte, dass erseinem Körper die Zeit geben musste, die er brauchte, um sich zu erholen. Jetzt jedoch hämmerte eine unerklärliche Nervosität, eine regelrechte Angst von innen gegen seinen Brustkorb und er zuckte zusammen, als es plötzlich an der Türe klopfte, welche sich kurz darauf aufschob. Renkotsu betrat den Raum, er brachte frisches Wasser und etwas zu essen. „Ist alles in Ordnung?“, erkundigte er sich dezent, „Ich hörte dich schreien.“ Bankotsu antwortete nicht sofort. „Ich hatte … wohl einen schlechten Traum…“, gab er dann zu und versuchte den unangenehmen Gedanken zu unterdrücken, wie verdammt real sich dieser Traum angefühlt hatte. Dankend nahm er die Schüssel mit Reis und etwas magerem Fleisch und Gemüse entgegen und begann zu essen – dann fiel ihm etwas auf und er hielt inne. „Warte, Renkotsu – wo ist Jakotsu, er bringt mir doch immer das Essen…?“ Renkotsu schwieg und schien abzuwägen, was er ihm sagen sollte. Dummerweise machte das Bankotsu erst recht misstrauisch und er hakte mahnend nach: „Renkotsu?“ Der gab schließlich nach und erklärte: „Jakotsu brach gestern auf, wohin sagte er nicht, nur dass er eine persönliche Angelegenheit zu erledigen habe und in wenigen Tagen vermutlich zurück wäre. Er nahm sein Schwert mit sich, sonst nichts.“ Ein ungutes Gefühl machte sich mit einem Mal in Bankotsu breit und das nichtmal, weil Jakotsu ihn wieder nicht um Erlaubnis gebeten hatte, länger weg zu sein, sondern weil ihm schwante, dass sein Freund im Begriff war, etwas äußerst Gefährliches zu tun. „Was hast du vor?“, ließ ihn Renkotsus scharfe Stimme zusammenzucken. Ohne es zu merken, war er aufgestanden, alle Schmerzen ignorierend, weil er das Gefühl hatte, Jakotsu vor einer Dummheit zu bewahren. „Ich hab ein schlechtes Gefühl“, gab er dann zu, „Ich muss ihn ... aufhalten…“ „Bedaure, das kann ich leider nicht zulassen“, teilte Renkotsu ihm kategorisch mit. „Dir wurde strikte Bettruhe verordnet und ich will nicht verantworten, dass deine Heilung erneut einen Rückschlag erhält wegen eines Traumgespinstes.“ Bankotsu sank in sich zusammen und ließ sich von Renkotsu zurück auf das Lager drängen. „Das war kein Gespinst“, flüsterte er erschöpft, „ihm wird vielleicht was zustoßen…“   ~*~ Jakotsu hatte sein Pferd weit außerhalb der Stadt angebunden, in welcher Nakamura lebte. Und zu diesem musste er erst, wenn er seinen Plan umsetzen wollte. Um die Konsequenzen seines erneuten Fortgangs würde er sich kümmern, wenn alles vorbei war. Aber wenn er nicht tat, was er tun musste, dann würde er niemals Ruhe finden. Nakamura staunte nicht schlecht als er Jakotsu in seiner Eingangshalle vorfand, ein ungewöhnlicher Anblick, denn er trug Männerkleidung, das blasse Gesicht war bar jeden Farbtupfers. „Ich freue mich Euch wieder zu sehen, auch wenn Euer Besuch überraschend kommt…“ „Ihr müsst mir einen Gefallen tun“, begann Jakotsu und sah dem anderen Mann direkt in die Augen. „Und bitte hinterfragt diesen Gefallen nicht, es ist besser, wenn Ihr nichts wisst…“ Nakamura sah ihn zweifelnd an, nickte dann jedoch. Wie hätte er ihm auch irgendetwas abschlagen können?   ~*~ Matsumoto Hanzo war heute bei ausgesprochen guter Laune. Das offizielle Essen mit einigen anderen Samurai hatte seinem Ansehen sehr gut getan. Zugegeben, das war in den letzten Jahren etwas angeknackst gewesen, aber gerade ging es bergauf. Es war bereits spät als er das Haus des Mannes verließ, in welchem das Essen stattgefunden hatte und er dachte daran, ob er vielleicht noch in einer Taverne einkehren oder sich ein Bordell suchen sollte, wo sie hübsche Knaben hatten. Hin und wieder, wenn Matsumoto die Bordelle besuchte, die auf seinen geschäftlichen Reisen auf seinem Weg lagen, fand er einen jungen Mann, der seine Gelüste schaffte, zu befriedigen, aber keiner von ihnen hatte jemals an den schönen Makoto herangereicht. Niemals, nicht einer. Makoto, dieses kleine Biest, das ihn so hereingelegt hatte. Seit jenem Tage war er verschwunden, genauso übrigens die Oneesama für eine Weile, welche man dann einige Tage später tot in Makotos Kleidertruhe fand. Matsumoto hatte nach ihm suchen lassen, hatte sich sogar selbst auf die Suche begeben, doch diese war erfolglos geblieben und so hatte er sie widerwillig eingestellt. Noch heute waren seine Gefühle, wenn er an Makoto dachte, gemischter Natur, einerseits war da der Wunsch, ihm eigenhändig die Gurgel umzudrehen für diesen dreisten Diebstahl, andererseits war da diese Sehnsucht nach dem weichen, weißen Körper, die ihn oft keine Ruhe finden ließ. Diese Nacht war angenehm lau, der Vollmond schien hell herab als er seine Schritte in Richtung desVergnügungsviertels einschlug. Da waren Huren, die ihn sofort zu sich locken wollten, doch er wies die meisten von ihnen ab, denn er suchte nach etwas ganz Bestimmten. Gerade als er glaubte, gefunden zu haben, was er suchte, hielt er inne, weil ihm war als hätte er etwas aus den Augenwinkeln wahrgenommen und er wandte sich um – und konnte nur noch die Silhouette einer Frau (oder war es ein androgyner Mann?) in einem weißen Kimono erkennen, die flink zwischen den Häuserreihen verschwand. Dort blieb sie einmal stehen und sah sich zu ihm um. Matsumoto konnte das Gesicht nicht richtig erkennen, da es zu weit weg und im Schatten lag, aber irgendetwas lag darin, etwas Neckendes, Verlockendes. So beschloss er diesem Wesen zu folgen, um sein Geheimnis zu ergründen. Als er in die Gasse trat sah er gerade noch einen Schemen, der schon wieder in die nächste Gasse huschte, da hörte er ein aufreizendes Lachen und von diesem Lachen ließ er sich einlullen, denn es erinnerte ihn irgendwie an seinen angebeteten Makoto. „So warte doch!“, rief er, „Lauf nicht fort, ich bin ein reicher Mann und kann dir viel bieten, lass mich doch dein Gesicht sehen!“ Ein erneutes Lachen ertönte, eine Stimme schwebte zu ihm herüber, „Wenn Ihr mich einfangen könnt, dann bin ich Euer…“ Und das wollte Matsumoto sich nicht zweimal sagen lassen, sein Jagdinstinkt war geweckt. Er hatte es noch nie gemocht, wenn sie es ihm leicht machten. So sehr war er in den Bann dieses Geschöpfes gezogen, das ihm auf wundersame Weise immer dann zu entwischen drohte, wenn er glaubte, es nun endlich erreicht zu haben. Irgendwann hatte er dieses Spielchen satt und er rief ungeduldig: „Es reicht, zeig dich endlich!“ Dabei trat er aus der Gasse auf eine freie mondbeschienene Fläche. Ohne es zu merken hatte der oder die Unbekannte ihn bis hin zum Stadtrand gelockt, wo alle Häuser verfallen waren und keine Seele mehr wohnte, bis auf die, die so arm und krank waren, dass ihnen jedes Loch als Unterschlupf recht war. Das bemerkte Matsumoto jedoch nur am Rande, denn sein Blick war augenblicklich an der Gestalt festgewachsen, die nun endlich stehen geblieben und sich umgedreht hatte. Sie … nein, er. Er konnte es nicht erkennen, aber er war sich sicher, es war ein Er, hatte sich zu ihm umgewandt. Das Ende des weißen Kimono über den Unterarm geschlungen, damit er nicht im Dreck schleifte, wunderschön. Matsumoto war sofort hingerissen. „Wer bist du?“, rief er angetan. Abermals begegnete ihm ein Lachen und dieses Lachen rieselte ihm direkt in den Schritt. „Wer ich bin? Oh, Herr, Ihr wisst doch, wer ich bin…“ „Verzeiht, mein Schöner, aber da muss eine Verwechslung vorliegen. An so ein bezauberndes Wesen würde ich mich doch erinnern!“ Tatsächlich kam ihm etwas im Gesicht dieses schönen, jungen Mannes bekannt vor, doch er kam einfach nicht darauf, was es war und an wen er ihn erinnerte. Da kam das Wesen zu ihm herübergeschwebt, ganz nah, sodass er dessen sinnlichen Duft einatmen konnte. Moment … diesen Duft… er kannte ihn… „Erinnert Ihr Euch wirklich nicht, Matsumoto-sama? Erinnert Ihr Euch nicht an Euren Makoto?“ Matsumoto war erstarrt als ihn die Erkenntnis traf wie ein Morgenstern und als er noch versuchte, sich zu sammeln und zu ergründen, ob es wahr war, ob es wirklich Makoto war, der hier vor ihm stand oder ob er vorhin doch zu viel getrunken hatte und einem Trugbild erlag, sprach dieser weiter: „Ich sehe, Ihr habt Euch aus der Ungnade befreien können, die einst über Euch kam… meinen Glückwunsch…“, dabei ließ er den Zeigefinger spielerisch über Matsumotos Brust tänzeln, während er ein paar Schritte an ihm vorbei von ihm fortging. Dabei konnte Matsumoto sehen, dass er eine Art Schwert geschultert hatte, welches unscheinbar in seinem ledernen Halfter ruhte. Seit wann schleppte Makoto Schwerter mit sich herum? Das war doch nichts für… „Was soll das hier werden?“, knurrte er dann misstrauisch, „du hast mich bestohlen und wagst es tatsächlich, mir noch einmal unter die Augen zu treten? Weißt du nicht, dass das deinen Tod bedeuten könnte?“ Zu seinem Erstaunen lächelte Makoto und er sagte mit samtener Stimme: „Zieht Euer Katana.“ „Was? Zu welchem Nutzen?“ „Damit man mir nicht nachsagt, einen wehrlosen Mann getötet zu haben.“ Jakotsus Lächeln wich nicht. Es wich auch dann nicht, als Matsumoto in schallendes Gelächter ausbrach. „Ist das Euer Ernst? Ihr glaubt tatsächlich, ich würde gegen Euch einen Schwertkampf austragen?“ Makotos Lächeln wich nicht. „Dann werdet Ihr ohne Gegenwehr sterben. Soll mir auch recht sein, so oder so werde ich es genießen, wenn Euer Blut meine Klingen färbt.“ Matsumoto verging das Lachen, da er plötzlich merkte, dass Makoto es ernst meinte. Sein Makoto, der zerbrechliche, schöne Knabe, mit dem er so viele lustvolle Stunden verbracht hatte. „Ich kämpf nicht gegen Euch“, knurrte er, ließ den anderen jedoch nicht aus den Augen, da plötzlich etwas Gefährliches von ihm ausging, etwas, das er früher nicht an ihm gekannt hatte, „Ich mach mich doch nicht lächerlich. Hört doch auf so einen Blödsinn zu reden und kommt lieber mit mir mit, inmeinem Haus ist es warm, es wird Euch gefallen…“ Makotos Lächeln verblasste, während er langsam die Hand zu seinem Schwert hob, um es aus seiner Halterung zu ziehen; Dabei verrutschte ein Kimonoärmel und gab den Blick auf einen ledernen Armschutz, wie ihn die Soldaten im Krieg verwendeten, frei. Was war nur geschehen mit seinem Makoto in diesem Jahr, das er ihn nicht gesehen hatte? Seine ganze Aura war eine andere und doch gleichsam anziehend – wenn nicht noch anziehender als früher. Matsumoto leckte sich über die Lippen. „Ihr glaubt also tatsächlich, Ihr könnt gegen mich bestehen, einen gestandenen Samurai, der schon unzählige Schlachten schlug. Ihr, der Ihr Euren Lebtag Euer Geld damit verdient habt, die Beine breit zu machen? Nun gut. Aber ich muss Euch enttäuschen, der Kampf wird schnell vorbei sein und dann werdet Ihr mein, ob es Euch passt, oder nicht.“ „Das werden wir sehen, mein Herr“, wisperte Jakotsu und fixierte Matsumoto mit einem hypnotischen Blick, wie die Schlange ihre Beute, ehe sie zuschlug. Matsumotos Blick glitt zu dem Schwert, das Makoto bei sich trug. Es hatte eine ungewöhnliche Krümmung, es schien kein japanisches Schwert zu sein, mehr geformt wie die Säbel der Sarazener aus dem Morgenland. Langsam zog Matsumoto sein Katana. Er beabsichtigte nicht einmal, Makoto damit anzugreifen, wie könnte er auch? Der Kleine hatte sich da doch in etwas verrannt. „Also“, meinte er gönnerhaft, „greift an, ich werde es bestimmt nicht tun.“ Makoto machte eine Bewegung mit dem Arm, mehr unscheinbar und im nächsten Moment wurde Matsumoto von etwas so hart gegen den Brustharnisch getroffen, dass es ihn von den Füßen riss. Mit einem überraschten Keuchen sprang er wieder auf die Füße, während seine Augen nach Makoto suchten, der jedoch in den Schatten der zerstörten Häuser für einen kurzen Moment untergetaucht war und dann war er plötzlich vor ihm – so schnell, dass Matsumoto gar nicht wahrgenommen hatte, aus welcher Richtung er gekommen war und er konnte gerade noch so mit dem Katana eine Parade ausführen, da Makotos Schwert ihm sonst vermutlich die Brust aufgeschlitzt hätte und als er parierte, bemerkte er zu seinem Erstaunen, was für eine ungeheure Kraft in diesem einst so zerbrechlichen Körper schlummerte und sein Gesicht – sein Gesicht war von solch finsterer Genugtuung durchzogen, dass es Matsumoto einen Moment schauerte. Im nächsten Moment führte Makoto Hiebe aus und brachte ihn tatsächlich ins Schwitzen, ihn, einen gestandenen, kampferprobten Samurai und er musste seinen Plan, keinen Angriff gegen seinen vermeintlich schwächeren Gegner auszuführen, fallen lassen. Als er dem nächsten Hieb auswich machte er eine schnelle Drehung und führte einen gezielten Schwertstreich nach Makoto aus, dem konnte er ausweichen – dem nächsten jedoch nicht, der schlitzte eine tiefe Wunde in seinen Oberschenkel, sodass sich der blütenweise Kimono augenblicklich rot verfärbte, was auf bizarre Weise wunderschön aussah. Makoto jedoch schien diese Verletzung gar nicht zu bemerken, er hatte mit Matsumoto gespielt und jetzt, wo er ihn hatte, wo er ihn haben wollte, siegessicher und überlegen, da schlug er zu. Jakotsu hatte die Kunst mit seinem Jakotsutou umzugehen beinahe perfektioniert, doch das war nun die Vollendung seines Kunstwerkes. Die Klingen glitten schnell, lautlos und tödlich wie eine Viper, auf Matsumoto zu, welcher gar nicht wusste wie ihm geschah als er sich plötzlich gleich acht Klingen gegenüber sah. Die Klingen zogen sich zusammen und schnitten ihm in die Haut, so verharrten sie, in Spannung und Matsumoto erahnte zu spät, dass er einen tödlichen Fehler gemacht hatte. Makoto zu unterschätzen. Er konnte sich nicht bewegen, denn das kleinste Muskelzucken hätte die sich um ihn verhakten Klingen dazu gebracht, ihm gefährliche Verletzungen zuzufügen. Makoto leckte sich genüsslich über die Lippen. „Na, wie gefällt es dir, so hilflos ausgeliefert zu sein?“ Damit trat er einen ruckartigen Schritt zurück, wobei sich die Klingen gefährlich knirschend tiefer in sein Fleisch bohrten. Matsumoto keuchte. So durfte es doch nicht enden. Nicht so, nicht nachdem sein Ruf wieder hergestellt war, er seinen Makoto endlich wieder gefunden hatte. „Kein tolles Gefühl“, setzte Makoto nach und ruckte abermals, wobei Matsumoto das erste schmerzerfüllte Keuchen entwich. „Tut weh, wenn sie in dich eindringen, hm?“, raunte Makoto mit ungewöhnlich dunkler Stimme, „spürst du es? Spürst du, wie ich in dich eindringe? Spürst du den Schmerz und die Angst? Du hast Angst, nicht wahr?“ Matsumoto antwortete nicht, keuchte nur und versuchte sich irgendwie aus diesem tödlichen Geflecht zu befreien. „Aber ich kann jetzt verstehen, warum es dich immer so aufgegeilt hat!“, mit dem letzten Wort zog er die Klinge abermals zurück, schließlich traf sie auf Knochen, durchbohrte die Bauchdecke bis hin zum Gedärm. Matsumoto sah ihn an, so voller Unglauben und Sehnsucht gleichermaßen, dann wisperte er: „Makoto…“, nur sein Name, einem Flehen gleich. Makotos Gesicht wurde ausdruckslos, steinern ohne jede Gnade. „Mein Name … ist Jakotsu!“, zischte er eiskalt und vollführte eine elegante kraftvolle Drehung, wobei er das Schwert herumriss und die Klingen zogen sich zusammen ohne Gnade und Matsumoto spuckte Blut als sie Magen, Lunge, Brustkorb zerschnitten, das Blut begann zu sprudeln und er zu röcheln als sein Hals durchtrennt wurde und mit einem letzten Ruck fiel Matsumoto oder das, was er einmal gewesen war in genau sechs Teilen zu Boden. Es war vorbei. Nur der Mond war Zeuge dieses Mordes gewesen, der Jakotsus Seele befreit hatte. Voller Unglauben schaute er Matsumotos Überreste an, mehr ein blutiges Gemisch aus Gedärm Gliedmaßen und er fühlte sich stark in diesem Moment, unbesiegbar und erleichtert, doch er weinte und während ihm das Schwert aus der Hand glitt und der den Blick zum Himmel wandte, weinend und lachend gleichsam, als es begann zu regnen, als wolle der Himmel ihm Beifall spenden, da setzte endlich die Heilung ein. Kapitel 21: Kyokotsu -------------------- Jakotsu ritt im fliegenden Galopp auf dem Pferd nachhause, das er nicht unlängst der Stadtgrenze zurück gelassen hatte. Nicht einmal als das Tier Schaum vorm Mund hatte, der in Flocken daran herabperlte, das Fell schweißnass, ließ er es das Tempo drosseln, ungeachtet dessen, dass das Licht des Vollmondes, welches auf die Wege schien nicht immer ein guter Freund war. Während diesem schnellen Ritt löste sich die komplizierte Frisur mehr und mehr auf und die Tränenspuren auf seinen Wangen waren längst getrocknet. Der Nieselregen reichte nicht aus, um den Weg gefährlich glitschig zu machen, doch er reichte um seine erhitzte Haut zu kühlen. Das Gefühl von Macht jedoch, das schwand, je länger, je härter er sein Pferd trieb und das Gefühl von Einsamkeit blieb, dann weinte er wieder und beruhigte sich. Der Morgen graute schon als er endlich das Anwesen erreichte, in dem er mit seinen Gefährten lebte und kaum war er abgestiegen, brach das Pferd erschöpft zusammen und stand nicht mehr auf. „Es tut mir leid“, wisperte Jakotsu als er es kollabieren sah. Dann nahm er sein Schwert aus der Halterung und hieb ihm den Kopf ab um es zu erlösen.     ~*~ Nachdem Bankotsu endlich wieder seinen Schlaf gefunden und Renkotsu kontrolliert hatte, ob der auch nicht simuliert war, um sich bei der nächsten Gelegenheit davon zu machen, hatte er sich in sein Zimmer begeben um bei Kerzenschein über den Rohzeichnungen einer neuen Waffenausstattung an Ginkotsu zu brüten. Schlaf fand er so schnell nicht und er hatte das Gefühl, schlafen sollte er auch gar nicht. Es war eine Vorahnung, mehr nicht, aber die Zeit als Mönch vor so vielen Jahren hatte ihn sensibilisiert. Gegen Morgendämmerung waren von Ferne die donnernden Huftritte eines sich schnell nähernden Pferdes zu vernehmen, nur wenig später schwere Schritte, die die Treppe hinauf kamen. Renkotsu lauschte, hinter den Schritten schleifte irgendetwas über den Boden, es klang wie Metall. Dann öffnete und schloss sich eine Türe und es war wieder still. Renkotsu wartete einen Moment, stand dann aus einem inneren Impuls heraus auf und öffnete seine eigene Türe um hinaus auf den Flur zu treten. Jakotsus Zimmer lag am anderen Ende des Flures, direkt neben dem Bankotsus. Als Renkotsu die Türe zu Jakotsus Zimmer aufschob, bemerkte er das Jakotsutou, welches wohl kaum hatte dessen Besitzer den Raum betreten, achtlos fallen gelassen worden war, sodass sich die Klingen wirr entfaltet hatten. Dunkelrotes Blut klebte an ihnen. Jakotsu stand mitten im Raum mit dem Rücken zu ihm und er trug einen blütenweißen Kimono, dessen unterer Saum voll getrockneten Blutes, achtlos auf dem Boden lag und Blut hatte überall rote Blüten auf den weißen Stoff gemalt. Jakotsus Schultern hoben und senkten sich schwer, die Arme baumelten kraftlos an seinen Seiten herab, wodurch die Kimonoärmel Falten gebildet hatten, die an Flügel erinnerten. Irgendetwas ließ Renkotsu inne halten. Irgendetwas an diesem Anblick war hypnotisierend auf eine irritierende Weise, sodass er schließlich nur da stand, seinen einst so verhassten Kampfgefährten betrachtete und plötzlich von Empfindungen ganz anderer Art überrollt wurde. „Ich krieg keine Luft“, drang Jakotsus Stimme in seine Starre, „Ich ... krieg keine Luft“, diese Worte waren untermalt von schnappenden Atemzügen, klingend als erstickte er jeden Augenblick und Renkotsu sah ihn wanken. Mehr aus einem Impuls heraus flog der Blick des Erfinders hastig durch den Raum, fand dann etwas Zweckdienliches – einen Dolch. Den griff er sich und hastete mit schnellen Schritten zu Jakotsu hin, welcher japste und röchelte als fräße sich der schwarze Tod durch seine Lungen. „Ich krieg keine Luft … ich krieg keine Luft … ich krieg keine Luft…“ Renkotsu packte ihn grob, zischte „Halt still!“ und während er seinen Gefährten mit einem Arm hielt, damit er nicht zusammen sackte, führte er den Dolch mit geübter Hand erst unter den Obi, der so fest geschnürt war, dass er kaum die Klinge darunter bekam, um diesen grob aufzuschneiden, kurz darauf mussten die drei Lagen Stoff des Kimono dran glauben, welchen er in der Mitte des Rückens aufschnitt, dann ließ er den Dolch fallen und zerrte an den Verschnürungen von Jakotsus Drachenschuppenharnisch, die noch fester saßen als der Obi zuvor, dabei kam er schon leicht ins Schwitzen, ehe die Riemen endlich nachgaben. Er ging mit Jakotsu in die Knie, welcher völlig aufgelöst gar nicht bei sich zu sein schien, wobei er mehr aus einem Impuls heraus die Arme um ihn schlang, um ihn zu halten, eine Hand verirrte sich in den Haaransatz an der Schläfe, spürten die wirren Haare zwischen den Fingern, welche er so seidig niemals hatte wahrnehmen können, die Lippen beschwichtigend, beruhigend in seinem Haar. Und er sprach kein Wort dabei, doch die Stärke, der Halt, sein Hiersein, irgendetwas davon schien Jakotsu nach einer Weile zu erreichen, das panische Atmen normalisierte sich, wich einem erschöpften Schluchzen, während sich eine seiner Hände in Renkotsus Ärmel verkrallte. So verharrten sie. Sprachen nicht. Jakotsu erzählte Renkotsu nie, was in dieser Nacht geschehen war, doch das brauchte er auch gar nicht. Es brauchte nicht immer Worte. Und genauso sollte keiner der anderen, nicht einmal Bankotsu, jemals erfahren, was an diesem Morgen zwischen ihnen gewesen war, aus welchem Grund sie sich nun mit anderen Augen sahen. Die Feindschaft, die war fort.   ~*~ In etwa eine Woche später geschah dann etwas sehr Erstaunliches. Jakotsu hatte gerade beschlossen, die Sonne zu genießen und sich keine 20 Minuten auf ihre Terrasse gesetzt als aus der Ferne plötzlich dumpfe, rumsende Schritte zu vernehmen waren. Zuerst hielt er es für ein Geräusch, das aus dem nahen Wald drang, doch das stete gleichmäßige Näherkommen ließ ihn diesen Verdacht schnell verwerfen. So stand er auf und schirmte die Augen mit der Hand ab um in der Ferne etwas erkennen zu können. Auch Renkotsu, welcher das gute Wetter hatte nutzen wollen, indem er seine Konstruktionspläne draußen bearbeitete, sah irgendwann von seiner Arbeit auf und folgte Jakotsus Blick in die Ferne. „Was ist da?“, wollte er wissen und versuchte in der Ferne etwas zu erkennen. „Ich weiß nicht…“, erwiderte der nachdenklich, „sieht aus wie ein ziemlich großer Kerl… vielleicht ein Halbdämon?“ Und tatsächlich solltesich Jakotsus erster Verdacht als wahr erweisen. Je näher der Mann kam, desto größer wurde er – und er war wirklich außergewöhnlich groß, und als er schließlich unlängst vor ihnen stand, stand Jakotsu der Mund offen und Renkotsus Blick lag prüfend auf dem Fremden. „Tach!“, meinte der fröhlich und schien die verwunderten Mienen der beiden Männer gar nicht wahrzunehmen. „War echt nich leicht, euch zu finden, hat n bissl Fragerei gebraucht, deshalb komm ich jetzt erst, aber ich hab da was, über das euer Anführer sich sicher freu’n wird.“ Noch immer antworteten Renkotsu und Jakotsu nicht, doch ihrer beider Mienen wandelten sich schlagartig als der Riese aus einer Gürtung, die er auf dem Rücken hatte eine Waffe zog, die ihnen allen nur zu bekannt vor kam. Es warBanryu. Einen Moment starrten die beiden Männer nur auf die Waffe, die außer Bankotsu kaum jemand heben konnte und während Renkotsu noch darüber nachdachte, ob es sich bei diesem Mann vielleicht wirklich um einen Halbdämon hielt oder nicht, brauchte Jakotsu nur wenige Momente, ehe ihm schlagartig noch etwas ganz anderes bewusst wurde. „Du warst das…“, presste er hervor und starrte den Mann so böse an, dass es jeden normalen Menschen schon in die Flucht geschlagen hätte. „Höh?“, machte der nur verdutzt als der zierliche Mann in Frauenkleidern ein paar Schritte auf ihn zumachte, den warnenden Ruf seines Gefährten ignorierend. „Du hast Bankotsu das angetan! Du warst das!!!“ Der Große brauchte eine Weile, ehe er verlegen meinte: „Wenn wir denselben Bankotsu meinen, siehts wohl danach aus, ja. Geht’s ihm gut? Bin eigentlich hergekommen um mit ihm zu sp- huch“, fügte er überrascht hinzu, als Jakotsu wahrhaftig auf ihn losging, wobei er sich die erstbeste Waffe geschnappt hatte, die in Griffweite lag – eine Bratpfanne, die eigentlich nur draußen stand, weil sie jemand im Vorbeigehen da abgelegt und dann vergessen hatte – und drauf und dran war, damit auf den Riesen einzudreschen. Renkotsu, der die Brisanz der Angelegenheit witterte, verschwand einen Moment im Haus, um Bankotsu von diesem ungewöhnlichen Besuch zu unterrichten, doch er bemerkte, dass dieser bereits – von Suikotsu gestützt die Treppe herunter kam. „Was ist da draußen los?“, wollte er wissen. „Das solltest du dir vielleicht selbst an-“, setzte Renkotsu an, doch ein wütender Aufschrei, der von draußen kam, ließ sie alle innehalten und sich bedeutungsvolle Blicke zu werfen. „Wag es ja nicht, setz mich sofort wieder ab, du Grobian! Ich bring dich um! Ich bring dich um, hörst du, dafür, was du Bankotsu angetan hast! In der Hölle schmoren sollst du, du Sohn einer Hündin!“ Als die drei Söldner nach draußen traten bot sich ihnen ein Bild, das unter anderen Umständen vielleicht komisch gewesen wäre: Der große Mann hatte sich wohl gegen Jakotsu, welcher schimpfte wie ein Rohrspatz und so unflätig fluchte, wie man ihn noch nie hatte fluchen hören, nicht anders zu erwehren gewusst, ohne ihm wehzutun, indem er ihn einfach am Rückenteil seines Yukata gepackt hatte um ihn hochzuheben und ihn von sich wegzuhalten. Bankotsu erkannte den Mann natürlich sofort und all seine Alarmglocken schrillten. Längst hatte er sich von Suikotsu gelöst und stieg die wenigen Treppenstufen der Veranda herunter. „Lass ihn sofort runter! Ich warne dich, wenn du ihm auch nur ein Haar krümmst, dann-“ „He, alles gut, ich komm in Frieden – hab dir deine Waffe zurück gebracht, dachte, du würdest sie vielleicht vermissen.“ Damit deutete er mit der freien Hand auf Banryu, die unschuldig neben ihm im Gras lag und Bankotsu riss verblüfft die Augen auf. Der Kerl war gar nicht gekommen, um ihn endgültig in den Boden zu stampfen? Jakotsu, der bemerkt hatte, dass man ihn gar nicht mehr beachtete, hatte inzwischen die Arme vor der Brust verschränkt und schaute sauer drein, während die beiden miteinander sprachen als hätten sie sich nicht noch vor nicht allzu langer Zeit einen Kampf bis aufs Blut geliefert. Im wahrsten Sinne des Wortes. „Du hast mir meine Banryu zurück gebracht?“, murmelte er ungläubig, wo er sich doch die letzten Tage schon damit abgefunden hatte, seine geliebte Waffe niemals wieder zu sehen. „Als Friedensangebot“, erwiderte der Riese und grinste, wobei er seine spitzen Zahnreihen entblößte, „Hast mich mächtig beeindruckt neulich, vor allem als ich gemerkt hab, dass das Ding bestimmt fast so schwer is wie du. Und deine Faust, mein lieber Mann, die hat reingehauen, ich hab mich nachher gefühlt als hätt mich ne Horde Dämonen überrannt.“ Mit allem hatte Bankotsu gerechnet, nur damit nicht. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, murmelte er dann mit einem schiefen Grinsen. Irgendwie war ihm der Kerl gar nicht so unsympathisch und das nicht nur, weil er ihm gerade gewaltig Honig ums Maul schmierte. „Keine falsche Bescheidenheit“, fügte der Große hinzu und ließ dabei Jakotsu ganz beiläufig wieder auf die Füße, „bin auch nich ganz ohne Hintergedanken hier. Wär mir ne Ehre, unter deinem Befehl zu kämpfen, und das muss was heißen, ich hab noch nie auf jemandes Befehl gehört.“ „Bankotsu, wag es nicht, dich einlullen zu lassen von diesem Monster!“, zeterte Jakotsu sofort wieder los als er mit Schrecken bemerkte, dass Bankotsu ganz offensichtlich ernsthaft darüber nachzudenken schien. „Bankotsu!“ „Hm… ich denke, wir sollten uns mal ernsthaft unterhalten…“, erwiderte Bankotsu dann, wobei Jakotsu alles aus dem Gesicht fiel „Bankotsu!!! Suikotsu, warum hast du ihn aufstehen lassen!? Er ist noch im Fieberwahn und weiß gar nicht was er da redet!!!“ Suikotsu jedoch hatte auf Renkotsus vielsagenden Blick hin Jakotsu am Oberarm gepackt um ihn mit sanfter Gewalt zurück ins Haus zu ziehen, was dieser, wenn auch wutschnaubend, schließlich hinnahm. Erst als sie wieder drinnen waren, riss Jakotsu sich ruckartig los. „Habt ihr eigentlich alle den Verstand verloren!?“, fauchte er Suikotsu nun an, weil er jemanden brauchte, an dem er seine Wut auslassen konnte, „habt ihr eigentlich alle schon vergessen, dass Bankotsu wegen diesem Ungetüm beinahegestorben wäre?!?!?“, dabei überschlug sich seine Stimme und Tränen des Zorns stiegen ihm in die Augen, vor allem weil er sich schlagartig an diese schrecklichen, quälenden Tage erinnert sah, an denen unklar gewesen war, ob Bankotsu durchkommen würde. „Jakotsu…“ „Nein, nichts Jakotsu!!! Ihr könnt mich alle mal am Arsch lecken!!!“ Damit ließ er Suikotsu einfach stehen, welcher wusste, dass es keinen Sinn hatte, in diesem Zustand mit Jakotsu zu reden, und ihn erst einmal ließ. Wutgeladen stampfte Jakotsu die Treppen hoch und bemühte sich, auch ja alle Türen so laut zuzuschmeißen, dass jeder es hörte. Dann griff er sich sein Jakotsutou und stampfte genauso laut die Treppen wieder herunter um das Haus dann durch den Hinterausgang zu verlassen – von vorne war gedämpftes Gelächter zu vernehmen und das brachte ihn beinahe schon wieder zum Ausrasten, also machte er, dass er davon kam, bevor noch jemand ernsthaft verletzt wurde. Abreagieren tat er sich, indem er die Klingen seines Schwertes eine Schneise der Zerstörung in den Wald schlagen ließ, die ganzen Emotionen die sich die letzten Wochen angestaut hatten, begehrten nun freigelassen zu werden und irgendwann merkte er, dass er sich kaum noch unter Kontrolle hatte. Ihm schmerzten alle Muskeln, er war verschwitzt, erschöpft und fühlte sich sauer und hässlich, zwischendrin heulte er immer mal wieder, fühlte sich unverstanden und fuhr dann fort mit seiner Wüterei. Das ging so weit, bis seine Kräfte am Ende waren und er einen fatalen Moment unvorsichtig wurde; einen Wimpernschlag lang hatte er Jakotsutou nicht mehr unter Kontrolle und durch die Fliehkräfte kamen sie plötzlich auf ihn zu, so schnell, dass er gar nicht mehr reagieren konnte. Dann spürte Jakotsu einen harten Schlag ins Gesicht und verlor das Bewusstsein.   ~*~ Bankotsu nippte nachdenklich an seinem Sakeschälchen. Sie aßen gerade zu Abend und Jakotsu war noch nicht zurückgekehrt. „Ich versteh einfach nicht, was dem für eine Laus über die Leber gelaufen ist…“, murmelte er und es war nicht zu deuten, ob er zu seinen Freunden sprach oder zu sich selbst. „Ich bin doch derjenige, der diesen Kampf ausgetragen hat und verletzt wurde, warum regtersich jetzt so auf?“ „Ich finde das eigentlich recht offensichtlich“, ergriff ausgerechnet Renkotsu Partei für Jakotsu, während er seinen Anführer mit einer hochgezogenen Augenbraue ansah. „Was? Was ist offensichtlich?“ „Es ist ehrlich gesagt nicht an mir, diese Sache aufzuklären. Ihr seid beide erwachsene Männer und solltet in der Lage sein über Dinge zu sprechen. Du weißt doch, wie emotional Jakotsu ist, schon immer war. Du solltest es mittlerweile besser wissen.“ „Pah, ich bin hier nicht derjenige, der sich unerwachsen benimmt“, brummte Bankotsu trotzig und schob sich einen Bissen Essen in den Mund. „Und ich bin nunmal der Meinung, dass dieser Kerl gut zu uns passen würde. Und Jakotsu rastet mal wieder aus ohne, dass man auch nur ein vernünftiges Wort mit ihm reden kann.“ Die anderen schwiegen sich zu dem Thema aus, schon aus dem Grund, weil sie alle wussten, dass Jakotsu sehr schwierig sein konnte und weil sie auch wussten was für einen Dickschädel Bankotsu zuweilen hatte, da war man besser beraten, das die beiden unter sich auskaspern zu lassen. Als Jakotsu jedoch lange nach Dunkelheitseinbruch immer noch nicht zurückgekehrt war, begann Bankotsu sich doch langsam Sorgen zu machen, auch wenn er das nicht gerne zugab. Er konnte zwar immer noch nicht so ganz verstehen, was zu diesem Ausbruch geführt hatte, aber er wollte gewiss nicht, dass ihm etwas geschah und er wollte eigentlich auch nicht, dass Jakotsu schmollte. Er hatte sich so aufgeopfert für ihn in der letzten Zeit, das hatte er nicht verdient. Und plötzlich fiel auch bei Bankotsu der Groschen und er klatschte sich die flache Hand ins Gesicht. Jakotsu musste durch die Hölle gegangen sein in der Zeit als Bankotsus Leben so auf der Kippe gestanden hatte und er war, wie er mittlerweile wusste, der einzige gewesen, der wirklich noch daran geglaubt hatte, dass er es schaffte. Bankotsu biss sich auf die Unterlippe, als das schlechte Gewissen ihn überrollte. Das war doch eigentlich alles das Gegenteil von dem, was er wollte und er fühlte sich gerade wie der letzte Idiot. Und dann schlich sich noch ein unangenehmer Gedanke in seinen Kopf. Er kannte Jakotsu doch. Der hatte so die Neigung, wenn er wütend oder traurig war, sich in die Betten von irgendwelchen Männern zu flüchten und es war gut möglich, dass er aus diesem Grund nicht nachhause kam.   ~*~ Als Jakotsu wieder zu sich kam, war es längst dunkel und einen Moment blieb er noch auf dem Rücken liegen und starrte in den sternenbehangenen Nachthimmel. Sein Gesicht fühlte sich auf einer Seite unglaublich heiß an und brannte wie Feuer. Er hob die Hand um sich über die Wange zu reiben und zuckte scharf die Luft einziehend zusammen. „Autsch…“, wimmerte er leise und versuchte sich aufzusetzen. Im Mondlicht erkannte er getrocknetes Blut an seinen Fingerspitzen und als er an sich hinabsah, auch in seinem Kragen und seiner Kleidung. Und das nicht gerade wenig. „Toll“, motzte er, „schon wieder ein ruinierter Yukata, das war der letzte ohne Blutflecken“, wobei er die Schwere der Verletzung gar nicht realisierte. Was er allerdings realisierte war, dass er sich wie ein Vollidiot mit seiner eigenen Waffe k.o. geschlagen hatte und das war so peinlich, dass er sich nicht traute, jetzt nachhause zu gehen. Die hämischen, spöttischen Blicke der anderen ertrug er gerade überhaupt nicht. So blieb er einfach im Schneidersitz da hocken, wo er war, tat sich selbst unglaublich leid und wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Vielleicht, dachte er niedergeschlagen, sollte ich einfach fortgehen. Sollte Bankotsu diesen Mann nämlich wirklich in ihren Reihen aufnehmen, würde ihn das jeden Tag an den Verlust erinnern, den er beinahe erlitten hätte und das ertrug er nicht. Er ertrug nicht, dass alle so taten als wäre nichts passiert, als hätten sie alle kein Herz in der Brust. Und wenn Bankotsu Entscheidungen traf, dann ließ er in der Regel nicht mit sich diskutieren. Er könnte vielleicht eine Weile bei Nakamura unterkommen und dann mal sehen … mittlerweile fühlte er sich selbstständig genug, um nicht ständig mit jemand anderem unterwegs sein zu müssen der ihn beschützte. Er konnte gut auf sich selbst aufpassen und er brauchte auch gar niemanden, schon gar nicht Bankotsu! So! Bankotsu hatte einen leichten Schlaf gehabt und so wurde er geweckt als er im Zimmer neben sich leichtes Rumoren hörte. „Jakotsu?“, formte er lautlos und leicht schlaftrunken mit den Lippen, dann rappelte er sich auf um dem Geräusch nach nebenan zu folgen. Kerzenlicht flackerte in Jakotsus Zimmer, dessen Türe einen kleinen Spalt weit aufstand. Bankotsu schob sie leise ganz auf und beobachtete Jakotsu, welcher ihm den Rücken zugewandt hatte, eine Weile, bis er erkannte, dass dieser offensichtlich einige Dinge zusammenpackte. „Darf man fragen, was das wird?“, machte er sich dann bemerkbar. Jakotsu zuckte einen Moment zusammen als er die Stimme vernahm, doch er drehte sich nicht um und er antwortete auch nicht, was für Bankotsu schon merkwürdig genug war, denn Jakotsu war zeitlebens eine Quasselstrippe vor dem Herrn. Ignorierte er ihn jetzt? Bankotsu bemerkte eine verräterische Geste, die wirkte als wischte Jakotsu sich etwas aus den Augen. Hatte er etwa geweint? Schon wieder biss ihn das schlechte Gewissen. „Jakotsu, ich habe dich was gefragt!“, wiederholte er seine Frage von eben etwas lauter und nachdrücklicher. „Nach was siehts denn aus?“, erwiderte Jakotsu unterkühlt ohne sich umzudrehen und öffnete eine kleine Kiste mit Krimskrams, um zu inspizieren, ob er davon noch irgendetwas brauchen konnte. „Es sieht danach aus, dass du wütend auf mich bist und deshalb beschlossen hast, dein Zimmer in ein Chaos zu verwandeln?“, riet Bankotsu und versuchte die angespannte Stimmung mit etwas Humor aufzulockern. Was nicht wirklich gelang. „Fast. Ich gehe.“ „Was?“, entfuhr es Bankotsu entgeistert. „Du hast mich richtig verstanden“, erwiderte Jakotsu und wandte sich nun doch um, „Ich kann dich nicht dazu bringen, deine Entscheidungen zu revidieren, da ich ja offensichtlich der einzige deiner Gefährten bin, auf dessen Meinung du einen Dreck gibst und da ich mit dieser einen Entscheidung, nämlich, dass du den Mann unter dein Kommando holst, der beinahe deinen Tod zu verantworten gehabt hätte, NICHT leben kann, werde ich gehen. Dann bist du mich endlich los und wir brauchen nicht länger zu streiten.“ Die Worte waren ruhig, jedoch so hart gesprochen, dass Bankotsu erschlagen zurück prallte und er wollte etwas erwidern, doch da fiel ihm auf, dass Jakotsus linke Wange vom Unterkiefer bis zum Jochbein aufgeschlitzt war und ihm eine tiefe Fleischwunde entgegen klaffte. Er hatte sehr stark geblutet, denn das komplette Gewand war vorne linksseitig bishin zum Obi blutgetränkt, das sah er sogar im spärlichen Licht der Kerzen. Bankotsu erbleichte und japste: „Was ist passiert?“ „Wie, was ist passiert?“ „Deine … deine Wange … wer hat dich so verletzt?“ ein tiefsitzender Groll machte sich plötzlich bemerkbar. „Übertreib nicht Bankotsu, das ist ein kleiner Kratzer, mehr nicht.“ „Hast du dich schonmal im Spiegel angesehen?“ Dabei packte Bankotsu Jakotsu am Oberarm und zog ihn vor einen Spiegel, sodass Jakotsu das erste Mal das Ausmaß seiner Verletzung erkannte. Nur ein Millimeter weiter und er wäre vermutlich erblindet. Plötzlich wurden ihm die Knie weich und da sackte sein Kreislauf zusammen…   ~*~ Bankotsus Blick war sorgenvoll auf Jakotsus bleiche Züge gerichtet, während Suikotsu den Schnitt in der Wange nähte. Mit wem war Jakotsu nur aneinander geraten, dass er so eine Verletzung davon getragen hatte? Und hatte er das ernst gemeint, dass er gehen wollte? Die Vorstellung behagte ihm nämlich nicht, je länger er darüber nachdachte. Jakotsu war von Anfang an bei ihm gewesen. Er hatte ihn zum Lachen gebracht und ihn mit seiner Leichtigkeit angesteckt, wenn ihm schwermütig gewesen war. Er hatte ihm Lieblichkeit und diese kleinen süßen lustvollen Momente geschenkt wenn sie unter sich gewesen waren, ohne etwas dafür zu fordern. Und was hatte er getan? Er hatte sich darüber beschwert, dass Jakotsu ständig quasselte ohne Punkt und Komma, er hatte sich beschwert, dass er ihn immer beschützen musste, er hatte sich beschwert, dass Jakotsu immer in diesen Aufzügen auf die Straße ging, sodass sie wohl keiner mehr ernst nehmen konnte, er hatte sich beschwert, dass er immer so einen Aufwand um sein Äußeres betrieb. Eigentlich hatte er sich ständig über Jakotsu beschwert. Doch eines wurde ihm nun klar. Jakotsus Quasseln hatte die Stille vertrieben, Jakotsu zu beschützen hatte ihm Selbstvertrauen gegeben, das Gefühl, endlich gebraucht zu werden, Jakotsus Kleider hatten ihm schon so manche angenehmen Fantasien geschenkt und sein Körper war durch diesen Aufwand so weich und weiß und duftend, dass er am liebsten für immer in ihm versinken würde. Bankotsu wurde ganz anders als ihm schlagartig etwas bewusst wurde. Er schluckte trocken und biss sich auf die Unterlippe. War er etwa schon die ganze Zeit so verliebt gewesen und hatte es einfach nicht gemerkt? Und Jakotsu? Empfand er ebenso, war er deshalb so aufgelöst? Hatte er ihm Unrecht getan?   ~*~ Jakotsu erwachte als ihn die Strahlen der Morgensonne an der Nase kitzelten. Blinzelte verwirrt. Hatte er nicht gestern noch vorgehabt, von hier zu verschwinden oder hatte er das nur geträumt? „Hey“, ließ ihn Bankotsus Stimme zusammen zucken und Jakotsu ruckte in eine aufrechte Position. „Ich wollte… ich wollte … gestern, da …“ „Mach langsam“, meinte der andere müde und musste ein Gähnen unterdrücken. Als er sah, wie Jakotsus Gesichtsausdruck sich schon wieder änderte, fügte er schnell hinzu: „Warte, hör mir zu, ich … ich will nicht, dass du gehst!“, platzte es dann aus ihm heraus und ein wenig hilflos sah er seinen Gefährten an, weil er sich doch gar so schwer mit Worten tat. Das brachte Jakotsu einen Moment aus dem Konzept. Er hatte das gestern also doch nicht geträumt. Aber irgendwie, da war kein Wind mehr in seinen Segeln, die Wut, die ihn gestern getragen hatte, war fort und Stumpfheit gewichen. Er fühlte sich müde, schrecklich müde. „Ist mir egal, was du willst“, murmelte er, „was ich will interessiert ja auch keinen.“ Damit machte er sich dran, aufzustehen. „Jakotsu … Makoto, bitte.“ Er wusste nicht, was ihn hatte innehalten lassen. Das Flehen, das in Bankotsus Worten, die so ungewohnt sanft gekommen waren lag oder die Art und Weise wie er seinen Namen ausgesprochen hatte. „Hör zu, ich bin ein Idiot“, beeilte sich Bankotsu zu sagen, jetzt wo er Jakotsus ungeteilte Aufmerksamkeit hatte, der sah ihn abwartend an. „Ich … ich … also…“ Bankotsu sah hilflos einen Moment zur Decke als könne er dort die Worte finden, die er benötigte und meinte dann: „Ich hab dir Unrecht getan.“ Jakotsu verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum hast du mir Unrecht getan?“ Die Frage klang gefährlich, wie eine Prüfung. „Nunja. Fangen wir einmal an mit dieser Strafe ungewöhnlicher Härte, die ich dir aufgebrummt habe. Ich… natürlich, ich war wütend, weil ich meine Autorität untergraben sah, aber viel mehr noch … viel mehr noch war ich … eifersüchtig“, kam das letzte Wort mehr nuschelnd aus seinem Mund, wobei er es nicht fertig brachte, Jakotsu anzusehen. „Ich hab dich nicht verstanden.“ „Herrgott, ich war eifersüchtig, in Ordnung!?“, fuhr Bankotsu dann auf und dann trafen sich ihre Blicke doch, „ich bin ständig eifersüchtig! Ich war eifersüchtig, jedesmal, wenn ich dich nachts mit Suikotsu gehört hab, ich war eifersüchtig als du zu diesem Kerl gegangen bist und tagelang verschwunden warst, Herrgott, ich war sogar eifersüchtig auf dieses Schwein Matsumoto! Und es hat mich zur Weißglut getrieben, zu merken, dass du irgendwelchen dahergelaufenen Kerlen deine Zuwendung schenkst, weißt du … weißt du, es kam mir vor als hättest du nur den Jungen in mir gesehen, der damals an dem Abend, an dem wir uns kennengelernt haben, nach einer Minute in deiner Hand gekommen ist und nicht den Mann, der dich genommen hat im Zimmer meiner Eltern! Ich – verdammtnochmal, ich musste immer gegen eine Erfahrung ankämpfen, die dich in die Arme anderer Männer gezogen hat!“ Bankotsu hatte sich immer mehr in Rage geredet und jetzt, wo die Luft raus war stützte er das Gesicht gestresst in die Handfläche, die Augen bedeckend, er fühlte sich erschöpft. Und irgendwie leer. „Jetzt sag doch was…“, bat er flüsternd nach einer Weile der Stille. „Bankotsu…“, sagte Jakotsu tonlos, „Takeshi … weißt du eigentlich … wie sehr ich dich liebe…?“ Dabei spürte Bankotsu Jakotsus Hand an seiner Wange, eine Berührung so zärtlich und vertraut, dass er sich eines sehnsüchtigen Aufseufzens nicht erwehren konnte. Er fing Jakotsus Hand ein, schmiegte sich einen kurzen Moment in sie hinein und zupfte sie dann sanft weg um einen Kuss auf die Fingerspitzen zu hauchen. Liebe. Makoto hatte ihm gerade seine Liebe gestanden. Liebe, für die er diese ganze Zeit, Seite an Seite, schlicht blind gewesen war. Bankotsu lächelte, ihm entkam ein spöttisches Geräusch über seine eigene Dummheit und erstarrte als er aufsah. Hatten Makotos Augen schon immer so geglänzt? Er drohte einen Moment, sich in der warmdunklen Tiefe zu verlieren und dann … kamen sie sich näher, es war diese unsichtbare Anziehung zweier Liebender, zu einem Kuss zueinander zu finden. Es war ein sanfter Kuss, nicht so stürmisch und unbeholfen wie damals als sie es das erste Mal getan hatten, dieser Kuss ging tiefer, viel tiefer. Bankotsu strich mit der Zunge vorsichtig über die Vertiefung Jakotsus Lippen … nein. Makotos Lippen. Hier und jetzt waren sie nur Takeshi und Makoto. Makoto öffnete die Lippen einen Spalt, gerade so viel, dass ihre Zungen zueinander finden konnten und die Süße, diese süchtig machende Süße ließ ihn sehnsuchtsvoll schnaufen, unbewusst hatte er seinen Liebhaber näher zu sich gezogen, hielt eine Hand in seinem Kreuz, damit er sich ihm auch ja nicht entwand, während dessen rechte Hand sich in seinen Nacken geschoben hatte, die Finger hauchzart kraulend durch den Haaransatz. Eine ganze Weile verharrten sie so, schweigend, liebend, küssend, vergaßen, was um sie herum war, was vorher gewesen war und was vielleicht einmal sein könnte. Bald löste Takeshi seine Lippen von denen Makotos, presste sie stattdessen in dessen Halsbeuge und Makoto spürte, wie zittrig sein Atem ging, wie heiß ihm war und selbst erging es ihm kaum anders. Sehnsuchtsvoll und beinahe ehrerbietig saugte er zärtlich an jener empfindlichen Stelle am Hals, was seinem Liebhaber ein genussvolles Seufzen entlockte, ein wunderschönes Geräusch, von dem er mehr hören wollte. Viel mehr. Makotos Duft stieg ihm in die Nase. Der sinnliche Duft von Ylang schien ihm aus jeder Pore zu dringen. „Takeshi“, schwebte eine Stimme in seinen Geist und mit geschlossenen Augen murmelte er ein „Mh?“ „Du zitterst …“ „Du doch auch …“ Ein flatterndes, flüchtiges Lachen löste sich und fand sein Ende in einem abermaligen Kuss. Takeshi spürte, wie Makotos geschickte Finger seinen Obi lösten und kurz darauf über seine Bauchmuskeln geisterten. Die feinen Härchen auf Takeshis Haut stellten sich auf und eine Gänsehaut rann über seinen Körper, direkt in seinen Schritt. Währenddessen schob er Makoto den leichten Schlafyukata von den Schultern, nur um kurz darauf seine Lippen auf die rechte zu pressen, knabberte sich einen feinen Weg zum Schlüsselbeinund lauschte verzückt den Lauten, die er seinem Liebhaber zu entlocken vermochte. Noch während er Makotos Gewand ganz von seinen Schultern schob, sanken die beiden hinunter auf das Lager und Makoto zog ihn in einen Kuss, so sehnsüchtig, dass es ihm einen Moment den Atem raubte, er spürte, wie Erregung sich mehr und mehr in tieferen Gefilden sammelte, fühlte sich zittrig erregt als Makoto ihn so über sich zog, dass er zwischen seinen Schenkeln Platz fand und es war ein gutes Gefühl, diesen geliebten Körper mit dem eigenen zu umfangen. Takeshis Lippen kosteten die süßen Knospen, die sich ihm hart entgegenreckten, presste seine Körpermitte dabei sehnsuchtsvoll gegen die seines Liebhabers, ließ ihn spüren, wie es um ihn bestellt war, was er mit ihm machte, atmete heiß gegen die helle, weiche Haut, schloss dann einen Moment die Augen, weil die Empfindungen ihn überwältigten. Makotos Hand kraulte beschwichtigend durch sein Haar, als er das Haupt einen Moment ruhesuchend an dessen Brust bettete. Ihm war schwindelig, er spürte die Hitze in seinem Gesicht, zwischen den Beinen, wo sie sich bündelte und ein nervöses, flüchtiges Lachen entkam ihm, das so schnell endete, wie es gekommen war. Makoto ließ ihm die Zeit, die er brauchte. Während sie erneut in einem gierigen Kuss verschmolzen, änderte sich die Position, sodass sie nun seitlich lagen, die mittlerweile nackten Körper enger aneinandergepresst, weil Makoto das Bein um ihn geschlungen hatte und eine seiner Hände geisterte unbemerkt zwischen sie, um Takeshis Härte zu umfassen. Der stöhnte schnaufend in den Kuss hinein, brach ihn jedoch nicht, während Makoto begann, ihm mit geübten Händen erste Befriedigung zu geben. Seine eigene Hand indes wanderte um den zierlichen Körper, um sich sehnsuchtsvoll in einer seiner wundervoll festen Backen zu verkrallen, sie immer wieder gierig zu quetschen, genießend dabei die erregten Laute, die nur durch ihren Kuss gedämpft wurden. Einen Moment lösten sie sich, um wieder zu Atem zu kommen und Makoto war plötzlich über ihm war und sah mit einem solch verführerischen, tiefen Blick an, dass ihm ganz anders wurde. Abermals ein Kuss und ein Speichelfaden verband ihre Lippen als Makoto ihn viel zu früh löste. Das verführerische Lächeln wich nicht, als seine Lippen – diese wundervollen, sinnlichen Lippen – seine Zunge, eine feuchte Spur über seine Muskeln zogen, hinab, wo sein Atem flacher zu gehen begann. Er spürte eine Hand zart seine Hoden massieren und wenig später drückte sich die feuchte Zunge sacht in die Vertiefung der Eichel, sein Glied zuckte erregt und er stöhnte unterdrückt auf als sich die Lippen schließlich gänzlich um ihn stülpten. Takeshi stützte sich leicht auf dem Ellenbogen ab, damit er Makoto bei dem beobachten konnte, was er tat. Dessen Augen wandten sich in seine Richtung und fingen seinen Blick, blitzten verspielt, und er konnte nichts weiter tun als hypnotisiert dorthin zu starren, wo ihm gerade eine solche Wonne bereitet wurde. Allein der Anblick … Takeshi schluckte schwer, ihm war so schrecklich heiß. Makotos Zunge tänzelte verspielt über die Spitze, dann saugte er sacht an ihm und begann schließlich langsam den Kopf auf und ab zu bewegen, die Fingerspitzen der einen Hand streichelten dabei zärtlich seine Hoden, die andere kratzte hin und wieder sacht über den Oberschenkel. Mit einem Laut der Überforderung ließ Takeshi sich zurück fallen und lehnte einen Moment den Unterarm über die Augen, weil ihm plötzlich schwindelig war. War es das, was man trunken sein vor Lust nannte? „Makoto …“, flüsterte er, einfach nur um diesen wunderschönen Namen über seine Lippen perlen zu spüren und bald beschleunigte sich seine Atmung, immer wieder leckte er sich hastig über die Lippen, während dieses erregende, wonnevolle Gefühl intensiver und intensiver wurde. Makoto lächelte still in sich hinein als er den ersten Lustsaft auf seiner Zunge schmeckte und er setzte seine ganzen Künste ein um seinen Liebhaber näher an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Das hier, das war so völlig anders, wie das, was er mit Suikotsu getan hatte, oder mit Nakamura oder mit all den anderen Männern, mit denen er sich die Zeit vertrieben hatte. Mit denen er sich von seinen unglücklichen Gefühlen Takeshi gegenüber abgelenkt hatte, die er für immer unerwidert glaubte. Doch das … nie wieder, schwor er sich, nie wieder will ich das für einen anderen tun als für ihn. „Makoto … Makoto, warte … warte, bitte, ich-“ Takeshi versagten die Worte, doch er wusste auch so, was er ihm sagen wollte. So ließ er von der Männlichkeit des anderen ab und leckte sich verheißungsvoll über die Lippen, ehe er nach oben kroch und sich in eine Umarmung ziehen ließ. Eine Weile bettete er die Wange an der Brust seines Liebhabers, wo er den unruhig hastigen Herzschlag spüren konnte und Takeshis Finger, die ruhelos durch sein Haar geisterten. „Makoto …“, flüsterte er, „was machst du nur mit mir …“ Eine Weile lagen sie so da, gaben sich der entspannten, intimen Atmosphäre hin, solange bis Takeshi nicht mehr befürchten musste, bei der kleinsten Berührung über die Klippe zu springen. Dann, langsam drängte er Makoto von sich auf den Rücken und holte sich damit die Führung zurück und als er ihn ansah, da waren seine Augen voller Wärme, voll von tiefer Zuneigung und Liebe. Abermals ließ er sich zu einem Kuss hinreißen, Makotos Lippen, die waren zu verführerisch, zu verlockend und minutenlang lösten sie sich nicht. Noch während des Kusses war es Takeshis Hand, die sich irgendwie zwischen ihre Körper stahl, um Makoto zu berühren, was diesen sehnsuchtsvoll in den Kuss Seufzen ließ. Derart ermutigt begann er bald die Hand in einem langsamen, jedoch festen Zug auf- und ab gleiten zu lassen und schon bald musste Makoto den Kuss lösen, weil er das Stöhnen, das in seiner Kehle lag, freilassen wollte. Eine Weile ließ er sich verwöhnen, ehe er flüsterte: „Suikotsu hat … da drüben auf dem Regal ein Öl stehen….“ Takeshi blinzelte erst träge, dann jedoch verstand er. Schweren Herzens löste er sich einen Moment von seinem Liebhaber um etwas unbeholfen auf die Beine zu stolpern. Das Öl hatte er schnell erspäht und wenig später ließ er sich wieder an Makotos Seite sinken. Beinahe hätte er den Öltiegel nicht aufbekommen, weil ihm die Hände so zitterten. Es war ja nicht das erste Mal, dass sie es miteinander taten, aber er konnte sich nicht erinnern, das letzte Mal so nervös gewesen zu sein. Makoto fing seine zitternden Hände ein und löste den Verschluss, woraufhin Takeshi ihm ein leicht nervöses verlegenes Lächeln schenkte. „Du bist so unglaublich süß…“, flüsterte Makoto verzückt und zog ihn in einen Kuss, noch ehe er protestieren konnte. Als Makoto spürte, wie sich zwei Finger einen Weg in sein Inneres suchten, entspannte er sich und schloss einen Moment genießend die Augen. War Takeshi anfangs noch nervös gewesen, war bald davon nichts mehr zu merken und er kehrte zur alten Selbstsicherheit zurück als er beobachtete, wie Makoto unter dem Massieren seiner Finger zerfloss, wie sich eine leichte, unglaublich schöne Röte auf die blassen Wangen legte und eine ganze Weile war er wie hypnotisiert. „Takeshi …“, drang eine sehnsuchtsvoll flüsternde Stimme an sein Ohr, „Takeshi … ich will dich jetzt spüren…“ Der schluckte trocken als diese flehentliche Bitte sein Gehör erreichte und schließlich zog er die Finger langsam zurück, nur um wieder den Platz zwischen Makotos Beinen einzunehmen. Sein Herz schlug schneller als zuerst die Eichel den weichen Muskelring passierte und er schließlich ganz in dieser schwindelig machenden Enge versank. „Hah“, entfuhr es ihm dabei heiser und ein intensives Gefühl von Lust durchzuckte ihn und er presste die bebenden Lippen einen Moment auf Makotos Haut, unter welcher sich die feinen Muskeln abzeichneten. Der fuhr ihm durchs Haar, seufzte zufrieden auf als Takeshi sich zu bewegen begann, anders als damals, in einem langsamen, gefühlvollen Rhythmus und dabei schlangen sich Makotos Beine um ihn, als wollte der ihn nie wieder frei geben, noch enger mit ihm verbunden sein. Takeshi hatte einen Moment die Augen geschlossen und als er sie wieder öffnete blieb sein Blick abermals an dem blassen Gesicht hängen, auf welches sinnliche Lust gezeichnet war und beinahe andächtig fuhr er ihm mit einer Hand ins Haar, um durch die wirren, seidigen Strähnen zu streichen. Und sie versanken gemeinsam in das liebliche Vergessen und nur das süße Stöhnen der Ekstase durchdrang den Raum. Irgendwann musste Takeshi einen Punkt in Makoto getroffen haben, denn der bäumte sich plötzlich mit einem hohen Stöhnen leicht auf, „Jah … genau ... genau da…“, presste er hervor und Takeshi behielt den Winkel, in dem er in ihn stieß bei. „Gott … Makoto, ich …“, stöhnte er irgendwann gepresst, „ich komme … gleich…“ Makoto schlang die Arme um ihn als es so weit war, machte es noch enger, noch intensiver für ihn und mit heiserem lauten Stöhnen pumpte er seinen Samen tief in ihn hinein. Kurz darauf brach er auf ihm zusammen, ließ die Wange einen Augenblick seitlich mit geschlossenen auf Makotos Brust ruhen, während er langsam aus ihm hinaus glitt. Dann wälzte er sich ein wenig schwerfällig von ihm herunter und umfasste die Härte seines Liebhabers, bereits glitschig von erstem Lustsaft, und führte auch ihn zum Ende. Kurz darauf lagen sie umschlungen auf dem Futon, draußen war die Sonne gewandert, es war längst später Nachmittag. In diesem Moment wunderte sich auch keiner von ihnen, warum sie trotz nicht verschlossener Türe nicht gestört worden waren und die Erklärung hierfür war weitaus weniger romantisch als noch ihr Liebesspiel zuvor. Suikotsu war irgendwann hinauf gekommen und wollte das Zimmer betreten um nach Jakotsu zu sehen, doch die Lustlaute waren schon durch die Türe zu ihm durchgedrungen. So hatte er nur die Augen verdreht, war die Treppe wieder hinunter marschiert und hatte zu den anderen gesagt: „Die sind grad am Vögeln“, womit die Sache dann auch erledigt war. „Sag mal …“, murmelte Takeshi irgendwann als sich sein Puls wieder normalisiert hatte, und strich Makoto über die Wange, „Was ist eigentlich passiert…?“ Der errötete und drugste etwas herum. „Ist doch egal…“ „Sags mir schon, ich wills wissen. Wenn das irgendein Arschloch war, das dich angegriffen hat, dannmuss ich das sogar wissen, damit ich ihm den Arsch aufreißen kann“, meinte er dann todernst, woraufhin Makoto in belustigtes Gelächter ausbrach. „Mein Lieber, das ist nicht nötig, denn der Idiot, der das zu verschulden hat, liegt in diesem Moment hier in deinen Armen.“ Da mussten sie beide ein wenig lachen. Nach einer Weile von angenehmer Stille meinte Takeshi vorsichtig: „Glaubst du, du kannst dich mit ihm arrangieren?“ Er musste keinen Namen nennen, Makoto wusste auch so, dass er von dem Ungetüm sprach, das ihn so zugerichtet hatte. Er seufzte und drehte sich auf die Seite und stützte dabei das Kinn in die Handfläche. „Glücklich bin ich damit nicht. Aber wenn du glaubst, dass er dir auch nur ansatzweise ein loyaler Mitstreiter sein wird … naja, dann solls an mir nicht scheitern…“ „Du bist der Beste“, schnurrte Takeshi und pflanzte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Achja, nochwas…“ „Hai?“ „Wenn du jemals wieder für einen anderen Mann die Beine breit machst, dann …“ „Bringst du mich um?“ „Nein, damit würd ich mich ja selbst unglücklich machen. Aber ich wäre dann bei ganz grässlicher Laune und wenn ich grässliche Laune habe, dann...“ Er ließ den Satz unvollendet. „Na gut…“, schnurrte Makoto, „dann … werd ich zukünftig eben alle schönen Männer umbringen müssen, bevor sowas passiert…“   ~*~ Und so war es nun gekommen, dass Goro, der den Namen Kyoukotsu annahm, ein Mitglied ihrer Truppe wurde. Sieben waren sie nun. Genauso, wie Bankotsus Traumes ihm vor einiger Zeit vorhergesagt hatte. Den Daimyo, Bankotsus Auftraggeber, hatten sie zufriedengestellt, indem Kyoukotsu den seinen verraten und ihm zusätzlich noch einige sehr interessante Informationen verraten hatte und so hatten sie schließlich auch die überaus hohe Belohnung kassieren können, die der Mann versprochen hatte. Kapitel 22: Wir, die Shichinintai --------------------------------- Jakotsu hockte schon seit einer guten halben Stunde niedergeschlagen vor dem Spiegel. Immer wieder betasteten die Finger die Narbe, die sich gut sichtbar über seine ganze linke Wange zog. Jakotsu war immer ein sehr eitles Geschöpf gewesen und diese Entstellung, wie er sie nannte, hatte ihn irgendwann in ein tiefes Loch gerissen. Am liebsten hätte er sich einen Sack über den Kopf gezogen, wenn er hinausging. Es klopfte. Jakotsu seufzte lautlos, dann rief er leise: “Ja?“ Die Türe schob sich auf und Bankotsu betrat das Zimmer. „Jakotsu…“, begann er resigniert als er bemerkte, dass Jakotsu schon wieder Trübsal vor dem Spiegel blies. Dabei kam er langsam zu Jakotsu herüber. „Ich komm ja schon“, murmelte der lustlos, „Ich dachte, unsere Besprechung wäre erst in einer Stunde…“ „Deshalb bin ich nicht hier“, lächelte Bankotsu schwach, kam dann langsam zu ihm herüber und kniete sich dann neben ihn. Er hauchte ihm einen Kuss an jene empfindliche Stelle zwischen Ohr und Hals. „Ich hab was für dich… ich … ich dachte, das muntert sich vielleicht ein wenig auf …“ Jakotsu vergaß einen kurzen Moment, sein nun nicht mehr makelloses Gesicht zu betrauern und wandte sich neugierig zu seinem Liebhaber um. Bankotsu hatte ihm noch nie irgendwelche Geschenke gemacht und das passte auch irgendwie nicht so recht zu ihm. Bankotsu wirkte ein wenig verlegen, als er Jakotsu etwas reichte, das in ein Seidentuch eingewickelt war. Der löste mit vorsichtigen Fingern die kleinen Knoten und kurz darauf kam ein Schmuckstück zum Vorschein, das sich bei näherer Betrachtung als eine feingearbeitete Haarnadel herausstellte. Jakotsu hielt sie ins Licht, um sie besser betrachten zu können. Dabei ging ihm langsam der Mund leicht auf. Die Haarnadel endete in einer feingearbeiteten Kugel aus echter blauer Jade mit filigran aufgemalten roten Schmetterlingen. „Bankotsu… das … das muss ein Vermögen gekostet haben … wieso …?“ Der wandte den Blick ab und erwiderte leicht verlegen: „Du … naja … du bist so niedergeschlagen die ganze Zeit, ich wollte dich aufmuntern … du … du hast doch schöne Dinge verdient … finde ich…“ Jakotsu sah Bankotsu sprachlos an und bemerkte die feine Röte, die sich auf dessen Wangen gelegt hatte, dann musste er lächeln. „Die ist wunderschön, ich danke dir…“, damit hob er leicht mit dem Zeigefinger das Kinn seines Liebhabers an, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu pflanzen. Dann wandte er sich zum Spiegel um und öffnete das Haar, das er in einem losen Knoten getragen hatte und griff zu der Bürste um es kurz durchzukämmen. Dabei stieg Bankotsu der Duft von Ylang in die Nase und er inhalierte leicht schauernd die süße Lieblichkeit. Jakotsu band das Haar indes zu einem nun schöneren Haarknoten, welchen er mit der Haarnadel krönte. Dann drehte er sich ein wenig im Spiegel hin- und her um sich besser betrachten zu können. „Ich bin froh, dass sie dir gefällt“, murmelte Bankotsu, nur um irgendetwas zu sagen, „Ich bin nicht sonderlich gut darin, Leuten Geschenke zu machen, wie du weißt… Makoto…“, fügte er dann sanft hinzu, was Jakotsu dazu brachte, den Blick vom Spiegel ab- und zu Bankotsu hinzuwenden. Der hob die Hand um ihm sanft mit dem Daumen über die Wange zu streicheln, dort, wo die mittlerweile rötlich schimmernde Narbe zu sehen war, „du bist genauso schön wie immer, weißt du, Narben, die … schmücken dich, sie machen dich nicht hässlich. Sie erzählen deine Geschichte… erinnerst du dich an den Drachen…?“ Bankotsu schob sich den Pony hoch, wo in der Mitte der Stirn immer noch die sternförmige Narbe zu sehen war, die der Wasserdrache ihm vor etwa einem Jahr beigebracht hatte. „Oder … das hier…“, damit schob er leicht den Haori auseinander, den er trug und Jakotsus Blick fiel auf die riesige Narbe, die sich fast sonnenförmig von der Mitte der Brust aus in alle Richtungen verästelte. Da die Verletzung zu weitflächig, zu tief gewesen war, war die Haut dort wo die Narbe verlief, schlecht zusammengewachsen, sodass man wenn man darüber strich sehr deutlich die Unebenheit spüren konnte. „Das … die erinnert mich zum Beispiel an dich… an deine Liebe… warum heulst du jetzt?“ „Ach, das hast du so schön gesagt“, schniefte Jakotsu und wischte sich verlegen eine Träne aus dem Auge. „Ich weiß nicht, warum mir das so schwer fällt … vielleicht ist es auch nur, weil es mich an meine eigene grenzenlose Dummheit erinnert, jedesmal wenn ich in den Spiegel sehe…“ Bankotsu betrachtete ihn eine Weile schweigend. Die Narben. Die verbanden sie, nicht nur ihn und Jakotsu, sie alle. „Weißt du … vielleicht sollten wir sie mit Stärke übermalen…“ Jakotsu sah ihn fragend an. Und er erzählte es ihm…   ~*~ Die Schamanenfrau, die die Hautbilder stach, war wohl die älteste Frau, die jeder von ihnen je zuGesicht bekommen hatte. Ihr Gesicht, voll von symbolträchtigen, blauen Zeichnungen, die schon stellenweise in ihren Falten verschwanden, strahlte eine ungeheure Stärke aus und sie nahm beinahe den ganzen Raum ein, obwohl sie körperlich noch kleiner war als Mukotsu. Sie verlangte einen hohen Preis für ihre Kunst, doch der war es Bankotsu wert, denn es würde sie unverwechselbar machen, ihre Zugehörigkeit festigen. Die Atmosphäre an jenem Nachmittag war beinahe magisch. Bankotsu, als der Anführer, der er war, machte den Anfang. Den Pony mit einem Tuch zurückgebunden harrte er ohne nur einmal schmerzerfüllt die Miene zu verziehen, während die Frau ihre lange Nadel mit der dunklen Tinte in seine Haut stach. Genau über das Zeichen des Drachen, ebenmäßig und es sollte für Jugend stehen und für Kraft und Unbesiegbarkeit. Ein Stern mit vierformvollendeten Spitzen. Jakotsu, der als erstes zu Bankotsu gestoßen war folgte daraufhin. Anfangs hatte er gezweifelt, doch nun fühlte er die Richtigkeit. Zwei spitz zulaufende, filigrane Streifen sollten bald die blassen Wangen zieren, stehend für die Schlange unter der Jakotsu sein Schwert führte, für die Verführung und Verschlagenheit und den Tod, den er brachte. Ginkotsu erhielt das Zeichen der Undurchdringlichkeit, Renkotsu das Symbol von Feuer und Flammen. Mukotsu wurde der schleichende Tod auf die Wangen gemalt und Kyoukotsu das Symbol von roher Urkraft. Als diese Prozedur vollzogen worden war, verbrannte die Alte Kräuter, die einen sonderbar würzigen Rauch bildeten und sprach einige Worte in einem sehr alten Japanisch, das kaum mehr einer verstand, doch sie alle schwiegen, denn die Feierlichkeit und der Segen, der in diesen Worten lag, griff auf sie über. „Meine Brüder“, begann Bankotsu und blickte jedem von ihnen ins Gesicht, „wir haben unser Bündnis besiegelt, das Bündnis der Sieben. Ein jeder von euch hat mir Treue geschworen und ich schwöre mit meinem Leben, ein würdiger Anführer und euch ebenso treu zu sein. Wir werden beim nächsten neuen Mond von hier fort ziehen und dieses Haus hinter uns niederbrennen zum Symbol der Auferstehung. Denn auferstanden, das sind wir. Wir, die Shichinintai.“   ~*~ Zwei Jahre später… „Bei allen Göttern, ist das vielleicht ein Sauwetter“, murrte der Soldat und wischte sich grimmig das Wasser aus den Augen. Ein sehr fruchtloses Unterfangen, denn es regnete schon seit drei Tagen beinahe ununterbrochen. „Da sagst du was“, pflichtete ihm sein Kamerad bei, der neben ihm marschierte, „Der Schlamm an meinen Füßen ist schwerer als meine Waffen.“ „Hört auf, euch zu beschweren“, wandte ein Dritter ein, „bei dem Regen ist es recht unwahrscheinlich, dass wir allzu bald auf den Feind treffen. Außerdem, wenn man den Gerüchten Glauben schenken mag, dann wird das Bisschen Regen bald unser geringstes Problem sein.“ Der Mann erschauerte. „Was für Gerüchte?“, wollte da der Erste wieder wissen. „Na … man munkelt, dass der Daimyo Nobusaka die Shichinintai angeheuert hat, auf seiner Seite zu kämpfen.“ „Was?“, zischte der zweite, „bist du dir da ganz sicher, Mann? Dienten sie nicht zuletzt noch dem Daimyo Kashiwagi?“ „Ich sag euch nur, was ich gehört hab. Nobusaka muss ein Vermögen hingeblättert haben.“ „Das ist schlecht. Sehr schlecht. Verdammt, ich häng an meinem Leben.“ „Na, ihr werdet euch doch von sieben Mann nicht ins Bockshorn jagen lassen?“, erwiderte der Erste wiederum belustigt, „was sollen sieben Mann schon gegen eine ganze Garnision ausrichten!?“ Über ihnen zuckte ein Blitz durch die Wolken. „Männer oder Dämonen, so genau weiß man es nicht“, meinte da wieder der Dritte, „Ihr Anführer, sagt man, ist so stark wie 20 Mann und man sagt er habe schon über 900 Dämonen mit seinem Schwert getötet. Und einer von ihnen ist groß wie ein Haus und ein anderer kann dich mit seinem Vielklingenschwert in tausend Stücke zerschneiden.“ „Na, so recht mag ich das nicht glauben. Die Leute dichten doch gern mal was hinzu, um was zu erzählen zu haben.“ „Dann beten wir zu den Göttern, dass es so ist…“ Im Laufe des Marsches waren die Männer stiller geworden, denn dieser Marsch war anstrengend und nervenzehrend. Irgendwann jedoch blieb der Trupp stehen. „Weiß jemand, was da los ist?“, wollte der erste der drei Männer wissen und versuchte über die Köpfeder anderen Soldaten hinwegzuspähen. Doch er bekam keine Antwort. Nur ein Zischen und das Gefühl von warmen Tropfen im Gesicht. Als der Mann, der auf den Namen Mamoru Toshiba hörte sich zu seinen Kameraden umwandte, da sah er noch, wie sie – und eine ganze Schneise von anderen Männern zerteilt zu Boden fielen. Dem Mann stellten sich vor Grauen die Nackenhaare auf und so bemerkte er gar nicht die Klingen des Schwertes, die sich geschickt wie eine Schlange zurückzogen. Einen Moment breiteten sich Stille und Fassungslosigkeit aus. Und dann brach die Hölle los. Noch ehe sich die Männer formieren konnten, noch ehe die Befehle des Hauptmannes an die Ohren der Soldaten gelangten, noch ehe irgendjemand begreifen konnte, aus welcher Richtung diese Attacke nun gekommen war, loderte plötzlich eine Feuerwand auf, Toshiba konnte sich gerade noch zur Seite werfen – die die vor ihm waren hatten jedoch weniger Glück und gingen als menschliche Fackeln vor Qualen schreiend zugrunde. Toshibas Blick flog hektisch umher in die Richtung aus der diese Attacken gekommen sein mussten, doch aufgrund des hellen Feuerscheines war es schwierig in der Entfernung etwas erkennen zu können. Er kämpfte sich einen Weg durch, er musste irgendwie zu ihrem Hauptmann gelangen oder zu ihrem General und als er sich so durch die Soldaten kämpfte, bemerkte er, dass sie längst unter Angriff standen und in einen Hinterhalt gedrängt worden waren. Dort versuchten gleich mehrere Männer auf einen Mann loszugehen, der groß war wie ein Dämon und an anderer Stelle pflügte sich ein Mann, der halb aus Metall zu bestehen schien, mühelos durch die Reihen der Soldaten, die gnadenlos zerquetscht oder von den Sägeblättern zerteilt wurden und in kürzester Zeit machte sich der üble Gestank von Blut und Innereien auf dem Schlachtfeld breit. Und Toshiba dachte nur an seine eigenen Worte, wie könne man sich denn durch lächerliche sieben Mann ins Bockshorn jagen lassen und verbissen zog er sein Schwert, denn er würde sicherlich nicht als Feigling untergehen. Todesschreie waren zu hören und in der Ferne sah er einen Mann, der sich wie ein Berserker durch die Körper der Soldaten schlachtete, mit nichts weiter als Stahlklauen an den Händen und ein Schauer lief ihm über den Körper, denn der Wahnsinn stand im Blick dieses Mannes. Plötzlich wurde es einen Moment still um ihn herum. Er stand in Habachtposition mit einigen anderen Männern und sie deckten sich gegenseitig den Rücken und warteten auf das Unvermeidliche, doch plötzlich fielen die Männer um, wie von einer unsichtbaren Macht und Toshiba konnte gerade noch so zurückweichen und so bekam er nur einen winzigen Bruchteil des tödlichen Giftes ab, das durch die Luft strömte. Er hielt sich die Hand vor die Nase und kämpfte den Gedanken an Flucht nieder, er musste doch seinen Kameraden helfen, doch wo, wo sollte er kämpfen, wo sie doch alle von lächerlichen sieben Mann so in die Ecke gedrängt wurden, von Männern, die in seinen Augen keine Männer waren, sondern übermächtige Dämonen, geschickt vom Teufel selbst und dann sah er ihren Anführer. Er stand auf einer Anhöhe, erstaunlich klein von Gestalt, ein krasser Gegensatz zu der riesigen furchteinflößenden Waffe, die locker auf seiner Schulter ruhte. Toshiba erstarrte als ihn der Blick von eisig blauen Augen traf, ein Blick, der allein schon vermochte, einen Mann in die Knie zu zwingen, so kalt, so gnadenlos, wie er ihn noch nie bei einem Mann gesehen hatte. Er stand nur da, beobachtete das Gemetzel, das seine Söldner da veranstalteten und wirkte auf eine gewisse Weise sehr zufrieden und Toshiba versagte plötzlich jeder Mut, der Schwertarm gehorchte ihm nicht mehr und er spürte das Schwert aus seiner Hand gleiten. Und im nächsten Moment rannte er. Rannte als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her, denn er wusste, es ging nun um das blanke Leben. Mehrfach wäre er beinahe in Blutlachen und Innereien ausgerutscht, konnte sich gerade noch so fangen und steuerte auf den nahen Wald zu. Wenn er den Wald nur erreichte, dann hatte er vielleicht eine Chance zu entkommen und er bemerkte, dass er nicht der einzige war, der diesen Gedanken gehabt hatte. Er durchbrach die Grenze der Bäume und Erleichterung machte sich in ihm breit, doch er verlangsamte seinen Schritt nicht. Fort, einfach nur fort von diesem Sterben, von diesem Grauen und es wurde nach und nach stiller um ihn herum. Nach und nach verlangsamte sich sein Schritt, nur sein Keuchen drang durch die Stille des Waldes, nurmehr vereinzelt waren die Schreie vom Schlachtfeld zu hören. Einen Moment blieb Toshiba stehen, um sich zu orientieren, einen Moment nur Ruhe. Und dann schossen die Klingen heran, die seine beiden Kameraden schon auf dem Gewissen hatten und trennten ihm das linke Bein sauber oberhalb des Knies ab. Er ging zu Boden, realisierte erst gar nicht die Schwere seiner Verletzung, er spürte einen eigenartigen Schmerz und dann war er nicht mehr alleine. Eine Gestalt kam auf ihn zu, seelenruhig, zierlich, irgendwie schön, wie er beim Näherkommen bemerkte und er fragte sich, was denn bitte eine Frau hier zu suchen hatte. Bis er merkte, es war keine Frau, es war einer von ihnen und instinktiv robbte er zurück, was nicht so einfach war, wenn einem ein Bein fehlte und man bedenklich viel Blut verlor. „Beruhig dich“, drang eine melodische Stimme zu ihm hin, „Deine Schlagader zieht sich zusammen,du verblutest nicht sofort. Der Mann in Frauengewandung kam auf ihn zu, ganz gemütlich als hätten sie sich hier zum Plaudern verabredet und als Toshiba ein letztes Mal verzweifelt versuchte, zu entkommen, da trat der Mann ihm einfach mit einem seiner zierlichen Füße auf den blutenden Stumpf, was ihm einen qualvollen Schrei entlockte. „Je hektischer du dich bewegst, desto schneller wirst du verbluten“, erklärte der androgyne Mann ihm gut gelaunt und trat dann über ihn. Ein Lächeln begegnete ihm, ein grauenhaftes Lächeln, wie das einer Katze, die weiß, dass sie ihre Beute in die Enge gedrängt hat und beschließt, noch ein wenig mit ihr zu spielen. „Eigentlich ein Jammer, dass du bald stirbst, du bist so ein schöner Mann.“ Er keuchte unterdrückt auf, als er spürte, wie ein Fuß sein Gemächt beinahe zerquetschte. „Dämon!“, zischte er und ein glockenhelles Lachen ertönte. „Nein, ein Dämon bin ich nicht, schöner Mann.“ Der Druck auf seine Lenden verschwand und wurde im nächsten Moment von einem weitaus schlimmeren Schmerz abgelöst, als der Mann seine Arme mit seinem Vielklingenschwert auf dem Boden festnagelte. Die Klingen schnitten ihm in die Arme, gerade so keine wichtigen Blutgefäße verletzend, er konnte sich nicht mehr bewegen. „Wenn du mich schon tötest, hab wenigstens Gnade für einen schnellen Tod!“, presste er hervor, doch zur Antwort bekam er nur ein nachsichtiges Zungenschnalzen. „Jetzt sei doch nicht so ungeduldig.“ Er spürte irritierenderweise, wie sich der Söldner auf seinen Oberschenkeln niederließ, doch er konnte kaum den Kopf heben, um nachzusehen, was er tat, weil ihm die Klingen sonst tiefer ins Fleisch geschnitten hätten. „Ich will doch noch ein wenig Spaß mit dir haben…“ Eine Hand griff ungeniert zwischen seine Beine, quetschte sein Gemächt. „Hast ja ordentlich was in der Hose.“ Die Stimme klang anerkennend, „zu schade, dass die meisten Kerle in deiner Situation keinen Harten mehr kriegen. Aber ich weiß noch was Tolles, was ich mit dir machen kann, mein Hübscher…“ Der Söldner zückte eine Klinge und Toshibas Blick ging zum Himmel, der mittlerweile im Licht der untergehenden Sonne glühte – wann war eigentlich der Regen verschwunden? – und hoffte, man möge ihm einen schnellen Tod bescheren, doch ihn ereilte kein erlösender Schnitt durch die Kehle. Er spürte, wie sich die nicht ganz so scharfe Klinge des Dolches in den unteren Abdomen bohrte und er schrie gepeinigt auf als sich im nächsten Moment Finger in die Wunde bohrten und beinahe wäre ihm ein erleichtertes Aufstöhnen entwichen, als die Hand sich wieder zurückzog, doch dann bemerkte er mit Schrecken und nackter Panik, was der Söldner da getan hatte. Der rosenrote Mund war zu einem schauerlichen Lächeln verzerrt, als er ihm langsam das Gedärm aus der Wundeöffnung zog. „Nein“, keuchte er nur schwach, „nein, bitte Gnade…“ „Manche Menschen sind so wunderschön, wie du mein Guter… aber wenn man dann in ihr Innerstes blickt, dann sind sie doch alle gleich … ein hässliches Gewirr aus Fleisch, Blut und Gestank…“ während er so im Plauderton mit ihm sprach, zog er ihm quälend langsam die Därme aus dem Leib und Toshiba wünschte sich so sehr, endlich das Bewusstsein zu verlieren, doch diese Gnade wurde ihm nicht gegeben. Irgendwann als der Dünndarm bereits zu einem großen Teil draußen war, hielt der Zug inne und Toshiba spürte Hände an seinen Wangen und Lippen senkten sich herab zu einem Kuss, doch er hatte nichtmal mehr die Kraft zu einem Biss. Und dann wurde ihm die Zunge durchgebissen – mit einem gellenden Schrei, der in einem blutigen Gurgeln unterging bäumte er sich ein letztes Mal auf und Jakotsu beobachtete mit Befriedigung, wie er langsam an seinem eigenen Blut ertrank. Er spuckte das abgebissene Zungenstück aus und leckte sich das Blut von den Lippen. „Ich hab mich ganz schön lange mit dir aufgehalten, schöner Mann“, teilte er dem Leichnam mit, „ich muss jetzt wieder an die Arbeit gehen.“ Dabei zog er die Klingen seines Jakotsutous aus dem Erdboden und den Armen des Mannes und ließ sie zurück in ihre Ursprungsposition federn. Es hatte nichtmal eine Stunde gedauert und auf dem Schlachtfeld war keiner mehr am Leben. Zufrieden ließ Bankotsu den Blick über das Massaker gleiten, das sie angerichtet hatten. Wenn sie einen Auftrag erledigten, dann machten sie es richtig und genau dafür waren sie gefragt und gefürchtet gleichermaßen. Mittlerweile konnten nur noch die besser betuchten Daimyo sich ihren Sold leisten, den Bankotsu so derart hoch angesetzt hatte, dass vermutlich sogar dem Kaiser von Japan die Ohren geschlackert hätten. Aber die Daimyo bezahlten jeden Preis, denn in der Zeit der streitenden Reiche waren Soldaten knapp und knapper und jeder kämpfte verbissen um die Vorherrschaft, um jeden Zentimeter Land. Und sie waren unparteiisch, sie kämpften für den, der die höchste Summe bot und mittlerweile waren sie der gefürchtetse Söldnertrupp zwischen der gesamten Ost- und Südküste. Er sah Suikotsu auf sich zukommen, eine abgehackte Bewegung machend, um Blut und Fleischreste von seinen Klingen zu schütteln, nah hinter ihm trippelte Mukotsu durch die Blutlachen, wobei er dasGesicht verzog, da ihm die ganze ekelhafte Plörre an manchen Stellen bis über die Knöchel reichte. Jakotsu trat irgendwo zwischen den Bäumen heraus, blutbeschmiert und sehr zufrieden wirkend, woraus Bankotsu schloss, dass er den Recken erwischt hatte, dessen Verfolgung er rein aus Spaß an der Freude vorhin aufgenommen hatte. „Das war ja fast schon ein Bisschen langweilig“, bollerte Kyokotsu gut gelaunt, „ich würd gern mal wieder einen Haufen übler Dämonen aufmischen!“ „Bist du je mit irgendwas zufrieden?“, meinte Bankotsu daraufhin belustigt, während sie den Heimweg antraten. Die Stimmung der Männer war ausgelassen, auf eine leicht verstörende Weise in Anbetracht der Tatsache, dass sie hier nicht nur ihren Auftrag erledigt hatten, die Truppen des verfeindeten Daimyo zu zerschlagen, sondern daraus eine regelrechte Schlachterei gemacht hatten. Wo man hinsah, einzelne Körperteile, Gedärme, tiefe Fleischwunden, von denen schon die ersten Fliegen angezogen wurden. Hier hatte jemand gewütet, der nicht nur seinen Sold verdiente, sondern regelrecht Spaß am Töten hatte. Und den hatten sie alle, jeder auf seine eigene Weise.   ~*~ Als sie in ihr Haus einkehrten war das Feuer schon erwärmt, das Badewasser gerichtet worden. Bankotsu hatte irgendwann beschlossen, einen Hausdiener anzustellen, da sie sich selbst nicht mit diesen niederen Tätigkeiten abgeben sollten. Ein schlaksiger Knabe, dem man aufgrund eines kleineren Deliktes die Zunge herausgeschnitten hatte und Bankotsu hatte ihn bewusst gewählt, da der Junge ebensowenig Schreiben konnte und die Gefahr, dass er irgendwelche Geheimnisse weitertratschte somit bei Null war. Außerdem war der Kleine viel zu dankbar, ein Dach über dem Kopf zu haben, als dass er nur auf den Gedanken gekommen wäre. Als Bankotsu wenig später seine eigenen Räume betrat, bemerkte er, dass er nicht alleine war. Er grinste schief. „Wolltest du nicht als erstes baden?“ „Ich hab in Blut gebadet, reicht das nicht?“, schnurrte Jakotsu und schlang von hinten die Arme um ihn. „Ich mag es, wenn du so riechst… nach Blut und Manneskraft …“ „Und nach Dreck und Schweiß“, fügte Bankotsu belustigt hinzu, während er den Kopf leicht entspannt zurücklehnte und Jakotsu an seiner Rüstung herumfummelte, um die Verschlüsse zu lösen. „Ohja…“, raunte der androgyne Mann und vergrub die Nase einen Augenblick schauernd in Bankotsus Haaransatz. „Als ich diesen hübschen Soldaten getötet habe, konnte ich nur daran denken, wie wir miteinander vögeln…“ Eine Hand wanderte Bankotsu in den Schritt und er hob eine Augenbraue. „Du bist ganz schön gierig in der letzten Zeit…“ „Mh… das kommt davon, weil wir so viele Aufträge in der letzten Zeit hatten… schöne Männer zu quälen erregt mich immer so schrecklich…“, dabei presste er seine halbe Erektion gegen den Körper seines Anführers und Liebhabers gleichermaßen. Er löste sich kurz, damit Bankotsu seine Rüstung loswerden konnte; Mit einem leisen Scheppern glitt sie zu Boden. Dann drängte er Bankotsu rücklings gegen die nächste Wand und ging vor ihm auf die Knie, wobei er hektisch begann, seinen Obi zu lösen, den Blick der blauen Augen, in denen er sich immer so gerne verlor, dabei auf sich spürend. Bankotsu stützte sich mit einem Ellenbogen an einer Kommode ab und schloss mit einem leisen, entspannten Stöhnen die Augen als Jakotsu begann, ihm den Schwanz zu lutschen. Genau das brauchte er nach so einem anstrengenden Tag. Locker vergrub er das Haar in der vom Kämpfen wirren Frisur. Jetzt, dachte er. Jetzt war er dort, wo er immer hatte sein wollen. Er war berühmt-berüchtigt als Anführer des stärksten Söldnertrupps im ganzen Land und sein, ihr Ruf, eilte ihnen bereits weit über die Grenzen Japans voraus. Er öffnete ein Augen und blickte gedankenverloren auf Jakotsus Schopf hinab, der ihm so hingebungsvoll den Schwanz blies. Jakotsu, der ihm von Anfang an mit unerschütterlicher Treue gefolgt war, der ihm schlussendlich sogar sein Herz geschenkt hatte. Es hatte niemals Worte darüber gegeben, was sie nun waren, aber zwischen ihnen lag eine tiefe Verbundenheit, die nur der Tod wieder würde auflösen können. Und dafür war er dankbar. So unendlich dankbar. Kapitel 23: Was kann schöner sein als ein Söldnerschwein zu sein? -----------------------------------------------------------------   „Hört ihr Leut' und lasst euch sagen Euer Stündlein hat geschlagen Was kann schöner sein, Als ein Söldnerschwein zu sein?“ Sieben Krüge Sake wurden laut klirrend aneinandergestoßen, begleitet von gröhlenden Liederfetzen, die davon zeugten, dass das nicht die ersten und auch nicht die letzten Krüge an diesem Abend waren, die geleert wurden. Die Siegesfeiern der Shichinintai – und davon gab es viele, denn sie verloren nie etwas – waren legendär, sowohl an den Mengen an Alkohol als auch an dem Verschleiß von Schankmaiden, Huren und Taverneninventar gemessen. Doch die Wirte beschwerten sich in der Regel nicht, denn das Trinkgeld, das die Shichinintai meist da ließen, war ebenso legendär wie ihre Saufgelage selbst. „Auf den Sieg!“, brüllte Bankotsu mit einem deutlichen Lallen in der Stimme und trank einige Schlucke aus dem Krug, ehe er ihn schwappend auf den Tisch knallte, „Und aufs Leben!“ „Auf deinen schiefen Gesang!“, rief Jakotsu überdreht dazwischen. „Auf die schönste aller Huren!“ kam es lüstern von Mukotsu, während er dem drallen Freudenmädchen, das auch schon leicht angetrunken auf seinem Schoß saß, schamlos in eine ihre Brüste biss, was das Mädchen sich giggelnd gefallen ließ und seine Kumpanen zum Lachen brachte. „Auf die Daimyo, die sich jetzt in der Suppenküche anstellen dürfen!“, höhnte Suikotsu dazwischen. „He, was hast du gegen meinen Gesang?!“, rief Bankotsu, woraufhin er Jakotsu in die Seite boxte – der zuckte zusammen „Nix, was hilft!“ Abermals füllte ein brüllendes Lachen den Raum.   „Hast du Geld und hast du Sorgen Will ich dir mein Können borgen Was kann schöner sein, Als ein Söldnerschwein zu sein?“ „So stopf ihm doch jemand das Maul!“, kam es gespielt verzweifelt von Kyokotsu, der sich die Zeigefinger in die Ohren stopfte, woraufhin Bankotsu die nächste Liedzeile erstrecht besonders laut und schief in die Runde brüllte; „Was kann schöner sein im Leben Als zu Nehmen statt zu Geben Was kann schöner sein, Als ein Söldnerschwein zu sein?“   Woraufhin die anderen gröhlend in den Refrain mit einstimmten;   „Was kann schöner sein am Siegen Als für's Töten Geld zu kriegen? Was kann schöner sein, Als ein Söldnerschwein zu sein?“ Während die anderen noch die Liedzeilen schmetterten, zog Jakotsu Bankotsu plötzlich am Kragen zu sich in einen hungrigen und verlangenden Kuss, ganz schamlos, ganz in aller Öffentlichkeit und dieser Kuss wurde gierig erwidert, dabei die gutmütig belustigten Pfiffe ihrer Kameraden ignorierend. „Das hab ich mit Maulstopfen zwar nich gemeint, aber es hilft!“, lachte Kyokotsu donnernd und knallte seinen Krug so heftig auf den Tisch, dass alle anderen stehenden Krüge ein paar Zentimeter weiter rutschten. „He Schankmaid, der Sake wird alle!!!“ Als sich ihre Lippen trennten, beide leicht gerötet im Gesicht mehr vor Lust als vor Scham, raunte Bankotsu Jakotsu gegen die Lippen: „Na, wofür war das denn jetzt?“ „Hast ihn doch gehört“, erwiderte der androgyne Mann atemlos mit einem saloppen Kopfrucken in Richtung Kyokotsu, „das Maul wollt ich dir stopfen-“ weiter kam er nicht, da Bankotsu ihm zur Strafe in die Unterlippe biss und Jakotsu ließ sich das gefallen, er ließ sich alles gefallen, weil er diesem Mann vollkommen verfallen war mit Leib und Seele. War er schon immer gewesen. Und seit diesem einen Moment, in dem Bankotsu ihm sein tiefstes Vertrauen geschenkt hatte, sogar noch ein Stückchenmehr… Die Tage ihrer Wanderschaft nachdem Bankotsu das Anwesen seiner Familie niedergebrannt hatte, war er still und in sich gekehrt, das war ihnen allen aufgefallen. Jakotsu nur machte sich wohl am meisten Sorgen von allen. Diese niedergeschlagene, fast schon schwermütige Stimmung, das passte nicht zu ihm. Allerdings wusste er auch, dass Bankotsu, wenn er bei so einer Laune war auf nichts ansprang, ihm gut zureden funktionierte meistens erst dann, wenn er mindestens angetrunken war und so zermarterte Jakotsu sich das Hirn, was er tun könnte. Dass es schon seit sie aufgebrochen waren, regnete, macht es nicht besser und vor allem war die allgemeine Stimmung bei ihnen allen irgendwie schlecht. Nicht so, wie es sein sollte, wenn man ein altes Leben hinter sich und ein neues vor sich hatte. Außerdem hatte er den dunklen Verdacht, dass Bankotsu seine Brustverletzung noch mehr zu schaffen machte, als er zugeben wollte und das verschaffte wiederum Jakotsu schlechte Laune, weil er sich auch noch permanent Sorgen machen musste. „Ban-chan“, raunte er irgendwann als er zu ihm aufgeholt hatte, „Lass uns doch in den nächsten Gasthof einkehren, das Wetter ist scheußlich und es geht dir nicht gut.“ „Wag es noch einmal, mich in der Öffentlichkeit ‚Ban-chan‘ zu nennen und du landest kopfüber in der nächsten und größten Schlammgrube, die ich auf diesem beschissenen, gottverfluchten Weg hier finden kann“, schnauzte Bankotsu und Jakotsu verzog das Gesicht. Bitte, dann eben kein neuer Kosename, passend zu den zärtlichen Gefühlen, die sie neuerdings teilten. Eigentlich. Manchmal war er sich bei Bankotsu da nicht so sicher. Aber er wollte nicht in so einem Moment mit ihm herum diskutieren, das würde vermutlich mit mehreren blauen Augen ausgehen. „Bitte“, meinte er daher nur schulterzuckend und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie gekränkt er war, „aber lass uns trotzdem den nächsten Gasthof aufsuchen, wir sind alle durchgeweicht und die Nacht bricht bald herein. Sie erreichten den nächsten Gasthof schließlich gerade noch rechtzeitig, bevor es völlig dunkel wurde und für ein paar Taler mehr bekamen sie abends ein reichliches Mal und heißes Badewasser – ein Luxus, den Bankotsu normalerweise für überflüssig hielt. Bis zum Abendmahl gingen sie also nun alle getrennte Wege und das war auch bitter nötig, irgendwann ging man sich gegenseitig auf den Sack, wenn man zu viel Zeit miteinander verbrachte – was sie ja zwangsläufig taten. Jakotsu hatte erst gebadet und sich dann hingelegt um ein Schläfchen zu halten bis zum Abendmahl und als er erwachte fühlte er sich ein wenig frischer als noch wenige Stunden zuvor. Insgeheim hegte er die Hoffnung, dass auch Bankotsu bei etwas besserer Laune war – und wenn nicht, dann würden sich sicher Mittel und Wege finden lassen, ihm zu besserer Laune zu verhelfen, fügte er in Gedanken ein wenig lüstern hinzu und betrat wenig später recht gut gelaunt den Schankraum. Die dunklen Augen glitten suchend durch den einigermaßen überschaubaren Raum, bis er seine Gefährten erspähte. Beim Näherkommen jedoch wurde seine Miene finsterer. Da war ein Weib an ihrem Tisch, um genau zu sagen an Bankotsu dran, den diese Aufdringlichkeit offensichtlich nicht zu stören schien. Unbewusst ballte Jakotsu eine Hand zur Faust und als er in Hörweite kam, hörte er nur ein glockenhelles, affektiertes Lachen und irgendwelche einschmeichelnden Worte, die zweifelsohne zwei Gründe hatten: Bankotsu hatte viel Geld und Bankotsu sah verdammt gut aus. Und das war noch nichtmal das schlimmste; Ganz offensichtlich hatte dieses Weib etwas geschafft, was er nicht geschafft hatte, nämlich Bankotsu irgendwie für den Moment aus der Schwermut herauszuholen. Leicht säuerlich ließ er sich wenig später an den Tisch fallen und erdolchte sowohl Bankotsu als auch dessen Feinsliebchen dabei mit seinen Blicken. Bankotsu schien davon keine Notiz zu nehmen – er ignorierte ihn entweder oder merkte es schlicht und ergreifend nicht. Und aus die Eifersucht in Jakotsu überschwappte, da machte er nicht, wie es seinem Wesen sonst wohl entsprochen hätte, eine Szene, nein. Er stand mit einem Ruck auf und entschwand sang- und klanglos aus dem Schankraum. Lediglich Renkotsu schien bemerkt zu haben, was hier gerade stillschweigend geschehen war. Auf dem Zimmer angekommen, dass er sich auch noch mit Bankotsu teilte, war an Schlaf jedoch erstmal nicht zu denken. Er war viel zu wütend zum Schlafen. Es war noch gar nicht so lange her, da hatte er Bankotsu ganz offen seine Liebe gestanden, da hatten sie so innig miteinander geschlafen, wie nie zuvor und jetzt war das alles fortgewischt wegen einer Dirne? Er starrte aus dem Fenster, irgendetwas suchend, worauf er seinen Zorn lenken konnte, und merkte gar nicht, wie ihm die Tränen dabei in die Augen traten. War er am Ende naiv gewesen, zu glauben, dass Bankotsu jetzt ihm gehörte? Nach allem, was siedurchgemacht hatten, vor allem in der letzten Zeit? Zorn wich Traurigkeit. Eifersucht tat weh. Ob Bankotsu sich so gefühlt haben musste, jedesmal, wenn er ihn mit Suikotsu gehört hatte?, schoss es ihm durch den Kopf. Nein, dachte er trotzig, das war etwas vollkommen anderes! Sollte Bankotsu heute Nacht jemals noch den Weg hier herauf finden, dann würde er ihm gehörig den Kopf zurecht rücken! Jakotsu war eingedöst und schreckte hoch als sich die Schiebetüre bewegte.. „Jakotsu, warum bist du vorhin so schnell verschwunden?“, ereilte ihn auch gleich die leicht lallende Frage seines Anführers. „Dreimal darfst du raten“, erwiderte er finster, ohne den Blick in die Richtung des anderen zu werfen. Verständnisloses Schweigen kam ihm entgegen und schließlich fauchte er: „Entschuldige, wenn ich es mir nicht mit ansehen wollte, wie sich mein Liebster mit einer Dirne vergnügt!“ Es schien einen Moment zu dauern, ehe Bankotsu ein Licht aufging. „Jakotsu… das war doch keine Dirne, sondern die Dienerin einer Fürstin, die nach ein bisschen Sake ein paar nützliche Informationen preis gegeben hat… aber das war nicht das, was du hören wolltest“, schlussfolgerte er als ihm stures Schweigen entgegenschlug. Einen Moment glaubte Jakotsu schon, dass Bankotsu es einfach, wie es sonst so seine Art war, wenn Jakotsu schmollte, auf sich beruhen ließ, doch stattdessen hörte er Schritte näher kommen und einen Augenblick später stieg ihm Bankotsus Duft in die Nase; Eine Mischung aus Badeöl, feuchter Waldwiese und Sake und dieser ganz speziellen Eigennote, die ihn immer schwach werden ließ. Doch wenn er sich jetzt gegen einen Streit wappnete, wurde er überrascht. Bankotsu legte die Hände auf seine Schultern um sanft darüber zu streichen und murmelte: „Ich habe dich gekränkt.“ „Schön, dass du das siehst“, entgegnete Jakotsu bitter, den diese Berührung bereits einknicken ließ. „Das lag nicht in meiner Absicht“, räumte sein Anführer (und Geliebter) ein und im nächsten Moment spürte er wie sich Lippen verzeihungsheischend in seinen Nacken pressten. Jakotsu atmete resigniert auf als diese Zärtlichkeit auch sein Inneres erreichte. Er konnte Bankotsu einfach nie lange böse sein, egal was er anstellte. Seine eigene Hand wanderte zu der Bankotsus, welche noch immer auf seiner Schulter ruhte. „Als ich sagte, es geht dir nicht gut, da sagte ich das nicht, weil ich dich einer Schwäche bezichtigen wollte“, erklärte er dann, „ich sagte es, weil die letzten Tage viel waren – für uns alle viel waren, aber für dich noch ein Stückchen mehr, weil du deine Vergangenheit in den Flammen zurück gelassen hast. Ich will doch … ich wollte dir doch …“ Seine Stimme erstarb und ihm fehlte die Formulierung. Eine ganze Weile schwiegen sie in der Nähe des anderen. Dann senkten sich Bankotsus Lippen erneut in seinen Nacken und blieben dort einen Moment ruhen, er murmelte gegen die weiße Haut: „Du bist viel feinfühliger als ich, warst du immer schon…“ Wieder ein Moment der Stille und Jakotsu hatte das Gefühl, dass Bankotsu gerade innerlich mit etwas rang, das von unheimlich großer Bedeutung war und das Herz schlug ihm bis zum Halse. Würde er ihm vielleicht endlich einmal sagen, dass er ihn liebte? Er hatte diese Worte nie von Bankotsu eingefordert, weil er wusste, wie schwer der sich mit sowas tat, aber… was Bankotsu sagte, war das schönste Liebesgeständnis, das er sich hätte erträumen können. „Ich … also, wenn du … dann würde ich, also dann…“ Er brach ab und stöhnte hilflos auf und schien sich kurz zu sammeln. „Wenn du das möchtest, dann werde ich das nächste Mal … auf dem Rücken liegen…“ Jakotsu brauchte einen Moment, bis die Worte in seinem Gehirn ankamen und sein Herz begann in seiner Brust zu rasen, während er in Windeseile in Gedanken durchging, ob es noch eine andere Interpretationsmöglichkeit für Bankotsus Worte gab. Bankotsu indes, den das seine gesamte Willensaufbringung gekostet zu haben schien, hatte sich von ihm gelöst und stattdessen neben ihn auf den gepolsterten Fenstersims gesetzt. Im schwachen Schein des Mondlichts erkannte Jakotsu die Röte, die sich auf das ebenmäßige Gesicht gelegt hatte und er musste arg blinzeln, damit ihm jetzt nicht die Tränen in die Augen stiegen vor Rührung. Nun rang er selbst mit den Worten. „Takeshi…“, flüsterte er dann und rückte näher zu ihm hin, um ihn im nächsten Moment in einen liebevollen Kuss zu ziehen. Vergessen waren der Ärger und die Eifersucht und die Anstrengungen der letzten Tage. Der Kuss wurde erwidert, beinahe erleichtert darüber, dass Jakotsu keine großen Worte verlor, denn er war feinfühlig genug, um zu merken, welch große Überwindung das einen Mann wie Bankotsu gekostet haben musste, ihm solch einen Kontrollverlust anzubieten. Eine Sache, die viele Männer ablehnten weil sie glaubten, es sei weniger männlich als der Nehmende zu sein. Und da wurde ihm bewusst, wieviel er dem anderen eigentlich wirklich bedeuten musste. Der Kuss, der so unschuldig angefangen hatte, hielt sich und wurde mit der Weile intensiver, er spürte, wie Bankotsus Zunge sich in seinen Mund drängte und er nahm sie willkommen, erwiderte den Druck und das Spiel,bis er irgendwann allein vom Küssen spürte, wie Erregung in seinen Schoß rieselte. Er spürte, wie Bankotsu ihn leicht zurück drängte, mehr aus Gewohnheit wohl und er lächelte in den Kuss hinein – anfangs wollte er ihm die Kontrolle noch lassen, doch nach und nach so geschickt entziehen, dass er gar nicht merkte, wie ihm geschah. Irgendwie waren sie auf den breiten Futon gelangt, der nahe des Fensters ausgebreitet war. Oh, wie erregend war dieser Gedanke plötzlich, Bankotsu nehmen zu dürfen; Jakotsu stöhnte leise in den Kuss hinein und fuhr mit der Hand in den dunklen Haaransatz. Dabei stahlen sich die Finger locker zwischen die Flechten des Zopfes, welcher auch schon bessere Zeiten erlebt hatte, um geschickt ein paar Strähnen heraus zu zuppeln – Bankotsu bekam daraufhin eine Gänsehaut und als sie wenig später den Kuss brachen, verband ihre rot geküssten Lippen ein Speichelfaden. Nur ein kurzer Moment des Atemschöpfens und sie verschmolzen erneut in einem Kuss; Jakotsu spürte die Polsterung der Fensterbank in seinem Rücken und erschauerte als er die Hand seines Liebhabers an der nackten Haut des Oberschenkels spürte, wo sie sich verlangend und geschickt zwischen die Stofffalten seines Yukata geschoben hatte. Jakotsu ergriff seine Hand sanft, um sie sich zu den Lippen zu führen – er hauchte einen Kuss auf die Fingerspitzen und sie sahen sich in die Augen. „Drehst du dich bitte um?“, flüsterte Jakotsu dann – wenn Bankotsu sich über diese Bitte wunderte, so äußerte er es nicht, und als er ihr schließlich nachgekommen war, begann er sanft den wirren Zopf zu lösen, ganz langsam, beinahe feierlich und ehrerbietig, denn er liebte sie so sehr, diese Haare. Er liebte die kräftige Struktur, ihren Glanz, der ihn an feuchtes Rabengefieder erinnerte, der Duft, der in ihnen haftete und wie es sich unten in sanften Wellen aushing. Als Jakotsu den Zopf schließlich gelöst hatte, begann er vorsichtig, mit den Fingern hindurch zu gleiten, um die Strähnen ein wenig aufzulockern. Zugegeben, wäre Jakotsu nicht, dann wäre Bankotsus Haar wohl längst nicht so wunderschön und gepflegt, weil der keinen Nutzen darin sah, sich stundenlang mit Körperpflege aufzuhalten, aber er hatte es aufgegeben, mit Jakotsu darüber zu diskutieren, weil er in Diskussionen dieser Art immer den Kürzeren zog. Als die Strähnen irgendwann wie Wasser durch seine Finger glitten, hielt er inne und presste sein Gesicht in die geliebte Mähne, um den Duft zu inhalieren und erschauerte leicht. Sein Haar noch immer zusammengefasst in Händen haltend, küsste er schließlich Bankotsus Nacken und ließ die Lippen einen Moment dort verharren, ehe er schmetterlingsgleiche Küsse auf die Reise schickte. Dabei wanden sich seine Arme still um Bankotsus Leib, den er, so kraftvoll und zierlich gleichermaßen, so liebte. Er wollte es langsam angehen, ganz langsam. Damit Bankotsu die Anspannung verlor und die Angst. Natürlich hätte sein Gefährte das niemals zugegeben, aber Jakotsu wusste auch so, dass Bankotsu Angst hatte, denn er kannte das nicht, die Kontrolle so fahren zu lassen, vor allem nicht bewusst. Er war ihr Anführer, er konnte, wollte sich keinen Kontrollverlust erlauben und dass er Jakotsu das nun schenkte … abermals überrollte ihn eine Welle von Rührung und Zuneigung und ein Keuchen löste ihn wieder ein wenig aus seinem süßen Gedankenhonig; Unbewusst hatte er sich an einer Stelle an Bankotsus Hals festgesaugt und malträtierte diese sanft. Knabbernd, beißend, leckend, saugend, küssend; Es war eine Schwachstelle, eine sehr große Schwachstelle, die er schon recht früh entdeckt hatte. Jakotsu lächelte still gegen Bankotsus Haut, während seine Hände langsam in den Schoß seines Liebhabers glitten. Sanft griff er zu, noch über dem Stoff und spürte einen Anflug von Härte. Begann zu massieren, was er spürte, langsam und genießend, denn er liebte dieses Gefühl in seiner Hand und zu seiner Freude entspannte sich Bankotsu zusehends, er ließ sich mit dem Rücken leicht gegen ihn sinken, sodass Jakotsu ihn umfangen konnte. Nach und nach spürte er die Härte in seiner Hand zunehmen und er hörte an Bankotsus tief gehenden Atemzügen, dass er sein Tun genoss. Ich liebe ihn so sehr, dachte er dabei, so sehr dass es wehtut, so sehr, dass ich sterben würde für ihn und während er diesen Gedanken dachte, hatten seine Hände den Obi des anderen geöffnet und waren nun dabei, ihm das Kleidungsstück von den Schultern zu streifen. Irgendwann löste er sich von Bankotsus Rückseite, so geschickt, dass der auf den Futon sank und er kam ihm nach und sie verschmolzen wieder in einem dieser atemraubenden Küsse. Und während sie sich so innig küssten, drängte Jakotsu ihn auf den Bauch, küsste seine Schulterblätter, während er ihm über die Seiten strich und stellte mit Freude fest, dass Bankotsu das eine Gänsehaut bescherte. „Was wird das…?“, murmelte Bankotsu träge und Jakotsu lächelte gegen seine Haut. „Wart es ab, mein Schöner…“ Er löste seine Lippen von der geliebten Haut, während die Hände geschickt begannen, die zum Teil verspannten Muskeln zu massieren und erntete dafür ein wohliges Brummen, was wohl gleichsam Entspannung, wie Zustimmung signalisierte.. „Makoto, lass dir die Hände vergolden…“, brachte Bankotsu irgendwann seufzend hervor, was diesemein erheitertes Lachen entlockte und er konnte nicht widerstehen und die Lippen pressten sich abermals auf die leicht gebräunte Haut, suchten sich eine Stelle, an der sie sich festsaugen konnten, während Jakotsus Hände ganz still und heimlich die Verschnürungen an seines Liebsten Beinkleidern löste, um diese langsam herab zu ziehen. Als er ihn davon befreit hatte, setzten sich seine Küsse fort, doch diesmal wanderten sie tiefer. Hinab zum Steiß und mit seinen feinen Sinnen bemerkte Jakotsu freudig, dass Bankotsus Atem flacher ging und zu gerne hätte er jetzt dessen Gesicht gesehen, auf das sich sicherlich wieder eine so niedliche Röte gelegt hatte, wie es zu dem starken Anführer gar nicht passen mochte. Er küsste eine der festen Backen, lauschte auf das Rascheln des Lakens, das davon zeugte, dass Bankotsu seine Finger hineinkrallen musste, dass es ihn auch wenn er kaum ein Geräusch von sich gab erregte. Jakotsu konnte der Versuchung nicht widerstehen ihm spielerisch hineinzubeißen, woraufhin sein Liebhaber empfindlich zuckte. Er streichelte ihm leicht mit einer Hand über die Seite, während er auch dieser Stelle ein bleibendes Mal verpasste. Auch, wenn es ihn gereizt hätte, noch tiefer zu gehen, löste er sich und ließ die Lippen abermals hoch wandern zu seinem Nacken, wo er dann flüsterte: „Alles in Ordnung?“ Bankotsu gab nur irgendein gemurmeltes Geräusch von sich, das Jakotsu als Ja wertete und er staunte insgeheim über die passive Selbstbeherrschung, die er so von seinem Liebhaber nicht kannte. Dessen Hals und Nacken mit Küssen bedeckend raunte er: „Dreh dich um…“ und als der andere das getan hatte, fanden sie erneut zu einem Kuss, hungriger und sehnsüchtiger noch als zuvor, weil Jakotsu plötzlich wieder so eine Welle von Zuneigung überrollte und Bankotsu, so spürte er nun eindeutig, war erregt, sehr sogar und noch während sie sich küssten, fasste er zwischen ihre Körper, um dessen Männlichkeit zu umfassen und langsam und geschmeidig zu massieren, dabei ein unterdrücktes Keuchen erntend. Als sich ihre Lippen trennten, verband sie noch ein Speichelfaden und einen Augenblick sahen sie sich tief in die Augen, ehe Jakotsu sich löste und wieder an diesem geliebten Körper herabglitt, sich spielerisch an den Knospen aufhaltend, bis sie sich hart entgegenreckten, Nabel und Lenden passierend, ehe er schließlich am Ziel anlangte. Er presste seine Lippen küssend an jene Stelle kurz über dem Ansatz des Schaftes, immer dabei lauschend auf die Atmung seines Liebhabers, knabberte schließlich zart seitlich an der Länge hinauf, hauchte einen Kuss auf die geschwollene Eichel, stülpte einen Moment spielerisch die Lippen darum und das Wimmern, das er daher erntete, ließ sich die kleinen Härchen in Jakotsus Nacken aufstellen. Abermals knabberte er sich denselben Weg zurück, küsste die zarte Haut am Ansatz, an den Hoden, leckte und saugte sanft daran und spürte mit Freude die Hand die sich in sein Haar verirrte, darin ruhelos herumgeisternd und dabei wohl mehr unbewusst seine Frisur lösend, die während des heutigen Tages ohnehin schon in Mitleidenschaft gezogen worden war. Schließlich verschlang er die Erregung seines Liebhabers, die sich inzwischen steif und sehnsüchtig zuckend ihm entgegenreckte und Bankotsu kam einmal mehr in den Genuss dieser unglaublich geschickten Zunge und er konnte sich ein leises Aufstöhnen nicht mehr zurückhalten. „Makoto…“, murmelte er ohne zu wissen, was er überhaupt sagen wollte, denn das was da gerade in ihm war, war so fremd und so ängstigend und wundervoll zugleich, dass er gar nicht so recht wusste, wie ihm geschah. Bildete sich ein, das was Makoto da tat und er tat es ja nicht zum ersten Mal für ihn, noch nie so intensiv wahrgenommen zu haben, wie in diesem Moment, so lehnte er leicht überfordert den Arm, der sich nicht in der seidigen Haarpracht des anderen vergraben hatte, über die Augen und atmete durch den Mund, weil er das Gefühl hatte, sonst nicht genügend Luft zu bekommen. Er genoss die Lust, die Jakotsu ihm schenkte und doch war er nervös. Er wollte auf keinen Fall einen Rückzieher machen, allerdings bescherte ihm der Gedanke an das was später noch kam, gewaltiges Herzrasen und er biss sich auf den Lippen herum, teils vor Nervosität, teils vor Lust und er spürte die Hitze in seinem Gesicht, seinem ganzen Körper … Jakotsus Zunge tänzelte tiefer, leckte, saugte an seinen Hoden, anders als zuvor jedoch stoppte sie nicht dort. Bankotsu zuckte gewaltig zusammen, schrie unterdrückt heiser auf in untypisch hoher Tonlage. „Jakotsu, n-nicht … hah…!“ Jakotsu hatte seine Schenkel gepackt und sie sanft nach oben gedrückt, um ihn lecken zu können, was beinahe schon wieder zu viel war für den jungen Anführer, der dort noch niemals auf solche Weise berührt worden war und die Gefühle drohten ihn zu überrollen. Er fühlte sich auf eine überwältigende Weise schmutzig, ausgeliefert und geil zugleich und die Laute, die er von sich gab, rieselten Jakotsu direkt in den Schritt und allein das gab ihm schon tiefe Befriedigung. Er ließ sich Zeit, seinen Liebsten auf diese Weise zu verwöhnen, so lange, bis der nicht mehr wusste, wo oben und unten war und sich unruhig losgelöst stöhnend auf dem Futon wand. Jakotsu ließ nun von ihm ab und lächelte. Er griff nach Bankotsus Männlichkeit und fuhr ein paar Mal daran langsam auf und ab, verwischte ein wenig den ersten Lustsaft, der ausgetreten war und entlockte ihm abermals einen dieser wunderschönen Laute. Schließlich küsste er ihn und seineLippen wurden so hilflos-hungrig entgegengenommen, wie selten zuvor. Jakotsu stöhnte leise in den Kuss hinein, während es in seinen eigenen Lenden zuckte und löste sich nur widerwillig. „Warte kurz…“, hauchte er gegen die leicht geschwollenen Lippen, ehe er sich löste, um das Fläschchen mit dem Öl zu holen, das er in seinem wenigen Gepäck aufbewahrte, das er mit sich führte. Bankotsu sah ihm nach mit verklärtem Blick, die Gedanken waren bereits dicker als Honig und ebenso zähfließend. Genausoweit hatte Jakotsu ihn haben wollen. Er befreite sich schließlich und endlich von der eigenen restlichen Kleidung, die er noch trug und kniete dann wieder bei seinem Liebsten nieder, versuchte dessen Blick zu fangen, doch der hatte momentan offensichtlich Mühe diesen zu fokussieren. Jakotsu lächelte verliebt, während er sich etwas von dem Öl auf die Hände gab. Dann rieb er die Hände etwas gegeneinander, damit das Öl sich nicht so kalt anfühlte und um Bankotsu nicht zu erschrecken berührte er erst wieder seine Männlichkeit, rieb einige Male daran auf und ab, bis er schließlich tiefer glitt. Er drückte sanft mit zwei Fingern gegen den zuvor schon leicht gelockerten Muskelring, spielerisch, ohne einzudringen, auch wenn er gerade nichts lieber getan hätte, spürte ein reflexartiges Zusammenziehen und begann damit, ihn sanft dort zu massieren, ließ den Finger nur hin und wieder bis zum ersten Fingerglied in ihn eindringen, eine Berührung, so zart, die Bankotsu kaum bemerkte. Als Jakotsu das eine Weile lang getan hatte, ließ er einen Finger schließlich zur Gänze in ihn eindringen und erschauerte als diese Hitze ihn willkommen hieß; Stellte sich vor, wie es erst war, richtig in ihn einzudringen und musste unterdrückt aufstöhnen bei der Vorstellung. Jakotsus Blick war die ganze Zeit auf Bankotsus Gesicht gerichtet um auch ja jede Veränderung und Reaktion zu bemerken. Bankotsu hielt still, seine Atmung ging jedoch abgehackt. Als Jakotsu schließlich einen zweiten Finger dazu nahm, verspannte sich der Muskel erneut und um ihn abzulenken legte er die freie Hand an die Männlichkeit seines Liebhabers um sie sanft zu massieren; Er wollte immerhin nicht, dass er zu früh kam. Und als er schließlich spürte, dass die Muskeln gelockert waren, da begann Jakotsu zu tasten. Nach diesem Punkt, diesem speziellen Punkt, der die härtesten und stärksten Männer vor Lust zum Schreien und Wimmern brachte. Bankotsu hatte sich gerade an diese sonderbare Gefühl von Jakotsus tastenden Fingern in seinem Inneren gewöhnt als ihn plötzlich ein Stromschlag durchfuhr, der ihm einen Aufschrei entlockte von ungekannter Intensität, der ihn das Kreuz zuckend durchdrücken ließ. „Gottverdammt, was tust du da, was ist das?“, brachte er japsend hervor und Jakotsu konnte das zufriedene Grinsen nicht von seinen Lippen wischen. Er glitt leicht an Bankotsus Seite, mit den Fingern immer noch die feine Erhebung massierend, die er ertastet hatte und streichelte mit der freien Hand beruhigend über die erhitzte Stirn, denn ihm war sehr wohl klar, wenn man all das, was sie hier taten zum ersten Mal empfand konnte es überfordernd sein, vor allem, wenn man es nie zuvor gewohnt war, die Zügel aus der Hand zu geben. „Das ist Magie“, raunte er dann verspielt, worauf er ein gekeuchtes „Idiot“, erntete. „Genieße es, mein Liebling“, wisperte Jakotsu mit vor Lust trunkenen Augen, während er einen dritten Finger dazu brachte um ihn weiter zu dehnen und er ging dabei so geduldig und sorgsam vor, dass Bankotsu kein einziges Mal auch nur ein unangenehmes Ziehen spürte. Da zahlte sich Jakotsus jahrelange Erfahrung aus. Als Jakotsu ihn lange genug gedehnt hatte, zog er die Finger langsam zurück und griff erneut zu dem Öl und Bankotsus Puls begann zu rasen, denn er wusste was jetzt kam. Jakotsu rieb seine eigene Erregung ausgiebig mit Öl ein, stöhnte dabei leise, weil die bisher unbeachtet geblieben war und gab schließlich erneut etwas auf die Finger, um seinen Liebsten geschmeidig zu machen. Dann kam er langsam über ihn und plötzlich war es Jakotsu, der nervös war. Er schluckte als er in das vor Erregung und Hilflosigkeit gerötete Gesicht sah, ein Anblick so fremd wie Schnee im Sommer. Er küsste Bankotsu auf die bebenden Lippen, während er ihm über die Stirn strich, ihm ein wenig die Haare aus dem Gesicht wischte. „Geht’s dir gut?“, wisperte er gegen die vom Küssen roten Lippen und lächelte als er ein schwaches Nicken zur Antwort erhielt. Dann platzierte er mit zitternden Fingern seine eigene Erregung an der Pforte seines Liebsten und drang ganz langsam in ihn ein, während er eine Hand an dessen Erregung legte, damit er sich auf das Gefühl der Befriedigung konzentrierte und nicht auf das etwas unangenehme erste Eindringen. Jakotsu biss sich dabei auf die Unterlippe und konnte ein Stöhnen nicht mehr zurückhalten; Das Gefühl, IN Bankotsu zu sein, dem Mann, den er so sehr liebte, mehr als alles auf der Welt, war überwältigend. Nichtsdestotrotz beachtete er jede Regung und mochte sie auch noch so fein sein. Bankotsus Atmung ging schneller, flatternd, er hatte die Augen zugekniffen und sich ebenfalls auf die Unterlippe gebissen; Die Größe war schon etwas anders als die Finger, die ihn wenig zuvor noch verwöhnt hatten und Jakotsu spürte leichte, reflexartige Muskelkontraktionen um seine Männlichkeit – jedoch keine Verkrampfungen, sonst hätte er sofort aufgehört. Als er zur Gänze in ihm versunken war, hielt er inne, damit er sich an das ausgefüllte Gefühlgewöhnen konnte und Bankotsu rollte ein leicht hilfloses „Makoto…“, von den Lippen und einen Moment traf Jakotsu der Blick dieser wundervollen tiefblauen Augen und das Herz ging ihm auf, so sehr, dass ihm eine Träne die Wange heruntergekrochen kam. „Schh, ist gleich vorbei“, flüsterte er beruhigend und küsste seinem Liebsten die Lippen, bedeckte, dann sein ganzes Gesicht mit schmetterlingsgleichen Küssen, „versuch dich zu entspannen…“ Jakotsu spürte wie sich die Hände des anderen um seinen Körper wanden um einen Halt zu finden und er spürte gerade jetzt beinahe körperlich, wie sehr Bankotsu ihm eigentlich vertrauen musste, um so weit gehen zu können. Das hier, das war etwas, das nur ihnen gehörte und Jakotsu wollte niemals wieder einem anderen Mann Bedeutung in seinem Leben geben. Langsam, ganz langsam begann er sich zu bewegen als er keine Muskelkontraktionen mehr spürte; Bankotsus Finger krallten sich fester in seinen Rücken, als klammerte er sich an ihm fest, während seine Beine beinahe automatisch einen Weg um seine Hüften fanden. Während dieser ersten geschmeidigen Bewegungen, so zart wie sanfte Wellen, die an den Strand brandeten dauerten die Schmetterlingsküsse an, so lange, bis Bankotsu von sich aus seine Lippen suchte und abermals verschmolzen sie in einem Kuss, noch inniger, noch länger und atemraubender als zuvor und der Kuss dauerte an und Jakotsu spürte wie Bankotsu sich nach und nach entspannte. Dadurch ermutigt zog er das Tempo leicht an, unterdrückt in den Kuss dabei stöhnend, denn selbst ihm war das beinahe zu viel, diese innige, vertraute Nähe und als Bankotsu plötzlich zuckend den Kuss löste um seiner Stimme Klang zu geben, weil er wieder diesen magischen Punkt in ihm getroffen hatte, da bekam er eine Gänsehaut, ein ergriffenes Gefühl tief in seinem Herzen. „Ich liebe dich so sehr“, flüsterte er gegen die bebenden Lippen, „So sehr, Takeshi…“ Der Rest seiner Worte ging in einem Stöhnen unter und langsam wurden seine Bewegungen etwas schneller; Der Körper unter ihm ging geschmeidig mit seinen Bewegungen mit, strahlte eine unglaubliche Hitze ab, die auf Jakotsu überging und er bemühte sich, diesen Punkt wieder und wieder zu treffen, bis Bankotsu, der sonst eher ein stiller Liebhaber war, stöhnend und wimmernd und völlig losgelöst von allem Irdenen unter ihm lag, bis ihm selbst bereits der Schweiß auf der Stirn stand, sich Hitze und ihrer beider Stimmen vermischten und sie für einen Augenblick zu einem Ganzen wurden. Irgendwann existierten nur noch sie beide, sie und die Empfindungen der wohlig-erschöpften Körper, die nun endlich auf ihren Höhepunkt zutrieben. Jakotsu biss sich auf die Unterlippe, als er spürte, wie sich alles in ihm zusammenzog, während seine Hand den Weg zwischen ihre schwitzigen Körper fand und sich um die mittlerweile vor bereits ausgetretener Lust glitschige Erregung seines Liebhabers legte. Er brauchte gerade mal zehn Sekunden, bis Bankotsu kam; Mit einem losgelösten Schrei und den Rücken durchdrückend, presste er sich enger an ihn und Jakotsu spürte die feuchte Hitze zwischen ihren Körpern, während er durch die Muskelkontraktion eingekerkert wurde; Er brauchte gerade einmal zwei, drei Stöße noch, bis er selbst kam. Tief in dem geliebten Körper und dieser Orgasmus, der über ihn hereinbrach war so heftig, so intensiv, wie selten zuvor. Jakotsu brach über Bankotsu zusammen, keuchend, vollkommen erledigt, aber so glücklich wie nie zuvor in seinem Leben. Das Herz hämmerte immer noch hart gegen den Brustkorb als er mit einem Seufzen ihre Verbindung löste und Bankotsu spürte den warmen Lustsaft aus seinem Körper quellen und noch nie zuvor in seinem Leben hatte er sich so verletzlich und gleichsam mit jemandem so verbunden gefühlt, nie zuvor hatte er jemandem so viel von sich offenbart, nie, niemals zuvor hatte er derart die Kontrolle verloren. „Ban-chan…“, drang eine Stimme in seine verschwommenen Gedanken und als er nicht reagierte, zogen zwei Hände sein Gesicht in eine bestimmte Richtung. Jakotsus zarter Kuss erreichte seine Lippen und seine tröstende, leicht besorgte Stimme: „Takeshi, du zitterst ja…“ Bankotsu wollte antworten, doch er brachte kein Wort über die Lippen, spürte, wie Tränen um Freiheit kämpften und war nicht mehr im Stande, sie zurück zu halten. Jakotsu umfing ihn wortlos, vergrub eine Hand in seinem Haar, während die andere seinen Leib umfasste und er gab ihm Halt und Wärme und Sicherheit und Nähe und er wusste so gut, was in Bankotsu nun vorgehen mochte. In allem, was Bankotsu bisher in seinem Leben getan hatte, hatte er die Kontrolle behalten. Das erste Mal hatte er sich wohl wirklich fallen lassen und jetzt … jetzt war er so überwältigt und überfordert von all diesen eigenen, neuen und fremden Empfindungen, dass er all dem Raum geben musste und Jakotsu hielt ihn einfach nur, küsste sein Gesicht hin- und wieder ganz sanft und streichelte ihm durch das wirre Haar und ließ die Lippen schließlich darin ruhen. „Schh…“, wisperte er, „ist ja gut, ich bin hier … ich lass dich nicht allein …“ Eine ganze Weile hatten sie so verbracht, umschlungen in dem dunklen Zimmer und irgendwann, da hatte Bankotsu begonnen zu sprechen. Er hatte ihm von seiner Kindheit erzählt. Von seinem Trauma und dem Leben, das er hinter sich gelassen hatte. Endlich, endlich war der Damm gebrochen…     „Ich nehme gerne von den Armen Kann mich Ihrer nicht erbarmen Was kann schöner sein, Als ein Söldnerschwein zu sein?“     Jakotsus Blick lag eine ganze Weile zärtlich auf seinem Geliebten, während dieser mittlerweile schon recht betrunken mit Suikotsu und Mukotsu gemeinsam um den Titel schlechtester Sänger Japans kämpfte. Diese eine Nacht, in der Bankotsu ihm alles offenbart hatte, hatte sich tief in sein Herz eingebrannt. Und deshalb würde er ihm immer folgen. Bis ans Ende der Welt und bis in den Tod.   „Ich habe weder Stolz noch Ehre   Nur nach Gold ich mich verzehre   Was kann schöner sein,   Als ein Söldnerschwein zu sein?“ Bankotsu drehte sich bereits alles, als er den nächsten Sakekrug orderte. Heute kannte er kein Maß, heute hatten sie allen Grund, zu feiern. Jakotsus Kuss kurz zuvor hatte ein herrliches Verlangen ausgelöst und er schwor sich, wenn er nicht zu besoffen war, würde er ihn nachher nochmal ordentlich rannehmen. Einen Moment lag sein Blick ein wenig glasig und verträumt auf dem femininen, jungen Mann, der nun schon seit beinahe drei Jahren an seiner Seite war. Der seiner Seele die Einsamkeit genommen hatte. Und ja… vielleicht liebte er ihn sogar, so genau hatte er darüber bisher nicht nachgedacht. Vielleicht … vielleicht sagte er es ihm irgendwann sogar. Irgendwann, nicht jetzt. Sie hatten ja schließlich Zeit. Bankotsu schloss einen kurzen Moment die Augen, weil ihm ein wenig schwindelig war vom Alkohol und dachte, dass er es doch eigentlich doch recht gut getroffen hatte. Ruhm, Geld, Kameraden, denen er sein Leben anvertrauen würde, jedem einzelnen von ihnen. Und Liebe. Etwas, zu dem er sich niemals im Stande geglaubt hatte, empfinden zu können.   „Rauben, Plündern, Weiber nehmen Ich muss mich für gar nichts schämen Was kann schöner sein, Als ein Söldnerschwein zu sein?“ „Schließ deine Hand darum“, sagte Suikotsu ernst und legte ihm ein kleines Holzstäbchen auf die Handinnenfläche. Mit verkniffener Miene versuchte der junge Anführer diese einfache Bewegung auszuführen, aber seine Finger krümmten sich nur minimal nach oben, weiter wollten sie ihm nicht gehorchen. Er presste die Kiefer so fest aufeinander vor Anstrengung, dass sie ihm bereits schmerzten, doch nichts tat sich. Ein leises Gefühl der Panik stieg in ihm hoch. War seine Hand nun lahm, nur wegen…? „Keine Sorge“, sagte Suikotsu ruhig, „Das wird vermutlich wieder. Du hast dir ein Band gerissen, sei froh, dass es nur das ist, das hätte wesentlich schlimmer ausgehen können. Du musst den Arm zwei Monate komplett ruhig halten. Und das meine ich buchstäblich. Keine Kämpfe, nicht einmal Banryu tragen – wenn du dich nicht daran hältst, wird dein Arm vielleicht lahm werden und das willst du doch nicht, oder?“ „Aber – aber ich kann doch nicht zwei Monate wie ein Krüppel mit so einem blöden Verband rumlaufen, wie sieht das denn aus…?“ „Geht das jetzt schon wieder los?“, warf Jakotsu, der vorhin bleich geworden war gereizt ein. „Du hast dich gerademal von deiner Verletzung aus dem Kampf mit Kyokotsu erholt, was, wenn ich dich daran erinnern darf, auch lange genug gedauert hat, weil ein gewisser Herr die Füße nicht still halten konnte! Willst du wirklich einen lahmen Arm riskieren nur aus Stolz? Verdammt, das Vieh hätte dich UMBRINGEN können, Suikotsu hat ganz Recht, wir sollten froh sein, dass es nur der Arm war!“ Bankotsu schnappte nach Luft um zu antworten, ließ es jedoch bleiben als er Jakotsus Miene bemerkte, kalt vor Zorn und bleich vor Sorge und er wollte ihm nicht noch mehr Kummer machen, also stieß er nur ein frustriertes Schnauben aus und ließ die Behandlung stillschweigend über sich ergehen. Wie schaffte er es eigentlich ständig, sich derart dumm zu verletzen, dass er sich damit selbst für Wochen außer Gefecht setzte? Was war er denn bitte für ein Anführer, wenn er nicht einmal auf sich selbst aufpassen konnte? Dabei war der Auftrag auf den ersten Blick so einfach gewesen. Ein Daimyo hatte sie gerufen, weil ein Youkai oder etwas Derartiges die umliegenden Dörfer terrorisierte. Der Youkai hatte sich herausgestellt als ein ausgewachsener Vogel Ruck, ein menschenfressender Vogel von der Größe, dass er mühelos einen Elefanten packen und forttragen konnte. Und Bankotsu hatte den Fehlergemacht, dieses Vieh gewaltig zu unterschätzen und als er einmal so plötzlich hatte ausweichen müssen, dass er seine Schritte und Bewegungen für das Zehntel einer Sekunde nicht mehr koordinieren konnte, da war es geschehen; Er musste seinen Arm mit der schweren Banryu irgendwie falsch belastet haben, denn ein plötzlicher Schmerz war ihm durch den ganzen Arm geschossen und er hatte sie nicht länger halten können – das Vieh hatte daraufhin seine Chance genutzt und nach ihm geschnappt – damit es ihm oder Jakotsu, der in seiner unmittelbaren Nähe war in diesem Moment, mit dem scharfen Schnabel keine schlimmeren Verletzungen zufügte, hatte Bankotsu den Arm hochgerissen – der ja ohnehin nicht mehr zu gebrauchen gewesen war – und der Vogel hatte sich darin verkeilt. Beinahe hatte er schon seine Knochen knacken hören, doch dem gemeinsamen Einsatz von Ginkotsu und Kyokotsu war es zu verdanken, dass das nicht passiert war, dass er ihm am Ende den Arm nicht abgerissen hatte. Auf seine Gefährten war Verlass, alle zusammen hatten sie es schließlich irgendwie geschafft, dieses Monster zu besiegen und zur Strecke zu bringen. Aber für Bankotsu hatte sich einmal mehr ganz deutlich gezeigt, dass auch er seine Grenzen hatte und dass es fatal war, sie nicht zu kennen. Ganz untypisch für Bankotsu schwieg er und hielt vollkommen still, während Suikotsu seinen Arm so fest und geschickt verband, dass er an den Körper gepresst fixiert war, damit er nicht versehentlich irgendeine unbedachte Bewegung machte. Er war nie der Typ für Selbstzweifel gewesen, doch in der letzten Zeit, da klopften sie irgendwie immer öfter an die Tür. Er zweifelte an dem Weg, den er eingeschlagen hatte, zweifelte an seinen eigenen Fähigkeiten, zweifelte, ob er den anderen ein guter Anführer sein konnte, so wie er es geschworen hatte. Jakotsu war feinfühlig genug, zu merken, dass Bankotsus Stimmung von Trotz in Resignation umschlug und das war besorgniserregend, da sein Anführer hin- und wieder im Stillen einen Hang zum Selbstmitleid hatte – er brauchte da nur an diesen Moment zu denken, als er ihn wieder hatte einsammeln müssen, weil er seine Kräfte überschätzt hatte, damals kurz nach dem Kampf gegen Kyokotsu. Er biss sich auf die Unterlippe. Er … nein, sie durften nicht zulassen, dass es wieder soweit kam. Glücklicherweise war der Daimyo, für den sie den Auftrag ausgeführt hatten, ihnen so dankbar und hatte auch noch wegen Bankotsus schwerer Verletzung solche Schuldgefühle, dass er sie in dem luxuriösesten Gasthaus einquartierte, das diese Gegend zu bieten hatte; Sie sollten ruhig bleiben, bis Bankotsu genesen war. Nachdem Suikotsu ihm ein leichtes Schmerzmittel gegeben hatte, sagte er: „Du brauchst jetzt etwas Ruhe, du hast viel Blut verloren…“ Und so wurde er allein gelassen. Anstatt zu schlafen, setzte er sich mit finsterer Miene auf die gepolsterte Fensterbank und sah ein wenig dem Treiben unten auf dem Hof zu. Er war erschöpft, aber schlafen wollte er nicht. Wer wusste, ob er mit diesem dämlichen Verband überhaupt allein wieder hochkommen und diese Demütigung wollte er sich präventiv ersparen. Nach einer Stunde etwa klopfte es leise und die Schiebetüre öffnete sich. Er sah nichtmal hin, er erkannte auch so an den Schritten, dass es Mukotsu war. Der setzte sich unaufgefordert ihm gegenüber und drückte ihm ein Sakeschälchen in die Hand, welches er kurz darauf mit dem Reisschnaps befüllte. „Istn Geschenk von diesem geleckten Daimyo“, erklärte der Giftmischer dann, „soll der beste Sake der Region hier sein. Dachte, das tut dir vielleicht gerade ganz gut.“ Bankotsu sah trübselig auf das Schälchen mit der klaren Flüssigkeit in seiner gesunden Hand. Dann hob er es wortlos und stürzte es in einem Schluck herunter ohne eine Miene zu verziehen, obwohl ihm der beißende Geschmack bis in die Nase stieg. Mukotsu schenkte ihm nach und die Prozedur wiederholte sich. „Wir haben alle was abbekommen, Bankotsu“, begann der Giftmischer dann irgendwann behutsam. „Ohne deinen Einsatz hätte er Jakotsu vermutlich glatt den Kopf abgebissen…“ Achja, da war ja noch etwas gewesen. Vermutlich zerfloss Jakotsu in Schuldgefühlen und beanspruchte die volle Aufmerksamkeit für sich. Aber ihm sollte das ganz recht sein, er hatte es noch nie leiden können auf diese Weise im Mittelpunkt zu stehen. Bankotsu grabschte nach der Sakeflasche um direkt daraus ein paar tiefe Schlucke zu nehmen. Mukotsu ließ ihn; Wenn Bankotsu zu viel trank, dann schlief er früher oder später irgendwann an Ort und Stelle ein und wenn Bankotsu schlief, konnte er zumindest nicht in Selbstmitleid zerfließen. Diese Anwandlung ihres Anführers kannten sie alle, auch wenn Bankotsu glaubte, es recht gut verbergen zu können. Nun, um ehrlich zu sein, Mukotsu hatte dem Sake ein kleines harmloses Pülverchen beigemischt, das den Schlaf förderte, ohne dass es Wechselwirkungen mit dem Alkohol gab. Denn Schlaf war das, was der junge Mann nun brauchte. Und tatsächlich konnte er beobachten, wie Bankotsu nach einer Weile die Lider herabsanken und er griff umsichtig nach dem Sakekrug, damit der ihm nicht aus der Hand glitt und auf dem Boden zerbrach um ihn behutsam hinzustellen, sodass man ihn nicht versehentlich umstoßen konnte.Nachdem der Giftmischer sich versichert hatte, dass sein Anführer so auf die Seite gesunken war, dass er nicht versehentlich im Schlaf von der Fensterbank plumpste erhob er sich und verließ den Raum.   Ich lebe gern in Saus und Braus Und geb' mein Gold für Huren aus Was kann schöner sein, Als ein Söldnerschwein zu sein? Bankotsu wurde von irgendeinem leckeren Duft geweckt. Träge blinzelte er und schaute irritiert an die Decke. Hatte er nicht vorher noch auf der Fensterbank gesessen? „Na, da biste ja wieder“, ließ ihn Kyokotsus fröhliche Stimme den Kopf zur Seite drehen. „Ich hab dir was zu Essen mitgebracht, die kochen hier wirklich ganz erstklassig.“ „Ich hab keinen Hunger“, murmelte Bankotsu lustlos und machte die Augen wieder zu – auf die andere Seite drehen ging ja schlecht wegen dem nutzlosen Arm. „Oh, das is aber blöd“, erwiderte Kyokotsu mit ungebrochen guter Laune und Bankotsu hätte ihn am liebsten dafür erwürgt, „es gibt nämlich dein Lieblingsessen. Sicher, dassde nix willst?“ Erneut stieg ihm der Duft in die Nase und Bankotsu biss sich auf die Unterlippe. Eigentlich war er schon hungrig, aber zum Essen musste er sich aufsetzen und das schaffte er momentan nicht ganz so gut allein, beziehungsweise schaffte er es nicht, ohne lächerlich dabei auszusehen. Kyokotsu schien seinen Gedanken erraten zu haben und zog ihn im nächsten Moment ungefragt behutsam in die Höhe, noch ehe Bankotsu protestieren konnte. „Na komm“, redete der Riese ihm gut zu und stellte ihm eines dieser kleinen Stehtablette vor die Nase, damit er mit einer Hand essen konnte. Jasminreis mit frischem gedünsteten Gemüse und feinstem Entenfleisch in einer ganz speziellen Soße, die Bankotsu schon als Kind das Wasser im Mund zusammenlaufen hatte lassen. „Jetz iss“, ermunterte ihn der Hüne grinsend, „oder willste, dass ich dich fütter?“ Plötzlich musste Bankotsu lachen, „Himmel, bewahre!“   Ist ein starker Arm von Nöten Werd' ich eure Feinde töten Was kann schöner sein, Als ein Söldnerschwein zu sein? Das nächste Mal als er erwachte, war Renkotsu bei ihm. Er hatte Pergament vor sich ausgebreitet, auf dem er gerademit einem Tuschepinsel fein säuberlichetwas zeichnete. Bankotsu beobachtete ihn eine Weile, ehe er auf sich aufmerksam machte. „Was machst du da?“, wollte er ein Gähnen unterdrückend, wissen. Renkotsu sah auf und streckte sich einen Moment, da er vom Sitzen einen leicht steifen Nacken bekommen hatte. „Mir ist nur etwas eingefallen“, erwiderte er schließlich, „Für den Fall, dass dein Arm nicht wieder wird, kann ich dir eine Metallverstärkung bauen, die die kaputte Sehne ersetzt. Nicht, dass wir damit rechnen müssten, Suikotsu hat dir ja gute Heilungschancen prophezeit. Aber ich dachte … nur für den Fall der Fälle.“ Renkotsu lächelte eines seiner dünnlippigen Lächeln. „Solange du keinen zweiten Ginkotsu aus mir machst…“ Bankotsu wusste nicht, an was genau es lag, dass er in diesem Moment beschloss, Renkotsu zu seinem Stellvertreter zu machen. Vielleicht war es seine ruhige, besonnene Art oder sein Scharfsinn. Immerhin war auch er der einzige gewesen, der im Kampf gegen den Vogel Ruck keine Blessuren davon getragen hatte, obwohl er nicht weniger gekämpft hatte als die anderen. Aber aus irgendeinem Grund gab es Bankotsu Ruhe, zu wissen, dass Renkotsu die Dinge unter Kontrolle hatte, sollte er selbst mal ernsthaft außer Gefecht gesetzt sein.   Lieber sterb' ich aufrecht stehend Als auf Knien um Gnade flehend Was kann schöner sein, Als ein Söldnerschwein zu sein? Als Renkotsu schon lange fort war, versank er nach und nach wieder in Schwermut. Dieser handlungsunfähige Zustand setzte ihm zu, dass er nicht einmal die einfachsten Handgriffe erledigen konnte, obwohl er ja nichtmal wirklich schwerkrank war. Alles nur wegen diesem blöden Arm, alles nur wegen seiner eigenen Unbedachtsamkeit. Als Bankotsu nach einem langen Schlaf wieder erwachte, lag die Schwermut auf ihm wie eine TonneFels. Ginkotsu war bei ihm im Raum. Hatte sich in der Nähe seines Futons in den Schneidersitz gesetzt und schaute ihn einfach nur an. Nichts war in dessen Miene zu deuten. „Was willst du?“, murmelte Bankotsu und drehte sich umständlich auf die Seite mit dem gesunden Arm – von seinem Gefährten weg. „Gin weiß, wie Bankotsu-san sich fühlt“, erklang dann die blecherne, aber irgendwie ruhige Stimme. „Ach, weißt du das“, murmelte Bankotsu niedergeschlagen. „Gin war schwer verletzt im Krieg von Kaneda. Hätte sterben sollen, wollte sterben, weil Körper nicht mehr funktioniert hat. Renkotsu hat Gin gerettet, Ren ist sehr klug.“ „Das stimmt wohl…“, murmelte Bankotsu abwesend, doch irgendwie waren diese Erzählungen seines merkwürdigen Freundes auf eine noch merkwürdigere Weise beruhigend. „Was Gin sagen will“, fuhr der andere fort und Bankotsu spürte wie ihm eine große Hand tröstend und erstaunlich sanft über den Oberarm streichelte, „Nicht anfangen zu zweifeln. Fängst du an, zu zweifeln, dann hörst du nie mehr damit auf. Und Gin ist sehr stolz, Bankotsu-san zum Anführer zu haben.“ Bankotsu biss sich auf die Unterlippe, weil ihm plötzlich die Tränen in die Augen stiegen und er fühlte sich gerade wie ein dummes, kleines Kind. Ginkotsu schwieg, streichelte ihm nur sanft über Arm, Schulter und übers Haar und tatsächlich hatte diese simple, kindliche Geste, der einfache, jedoch unerwartet einfühlsame Verstand des Maschinenmannes, eine Lebensgeister zurückbringende Wirkung.   Zahlst du mir mein Söldnerleben Weiß ich auf dich Acht zu geben Was kann schöner sein, Als ein Söldnerschwein zu sein? Jakotsus Art, ihn aufzumuntern war ganz anderer Natur. „Jetzt hör aber auf, dich hier in deinem Selbstmitleid zu suhlen“, maulte er und zog die Vorhänge auf, sodass ein wenig Sonnenlicht hereinkam, „wir haben so wundervolles Wetter, du bist nur verwundet und nicht schwer krank und mit deinen Beinen stimmt alles, also kannst du auch mal an die Luft. Suikotsu sagt das würde dir sogar gut tun.“ „Ich hab aber keine Lust.“ Jakotsu, welcher die Hände in die Hüften gestemmt hatte, gab seine Haltung auf und meinte seufzend: „Jetzt komm. Wenn du hier drin hockst, wirst du auch nicht schneller gesund…“ Dabei kam er langsam zu ihm hin und setzte sich zu ihm auf die gepolsterte Fensterbank. Dann ergriff er seine Hand. „Ich weiß doch, dass du dich ärgerst, mir würde es wahrscheinlich nicht anders gehen, aber … du hast mir das Leben gerettet. Wärst du nicht dazwischen gegangen hätt ich jetzt ein schickes Loch im Gesicht…“ Jakotsu schwieg einen Moment, dann grinste er. „Oh, ich weiß was, das dich unter Garantie aufheitern wird…“ „Und was?“, erwiderte Bankotsu gelangweilt, doch Jakotsu war schon von der Fensterbank heruntergeglitten und ließ die Hände flink über seine Oberschenkel geistern, bis hin zu den Verschnürungen der Beinkleidung, welche er langsam löste…   Doch sollt' dein Feind mir mehr Gold geben So lass' ich dich nicht weiterleben Was kann schöner sein, Als ein Söldnerschwein zu sein? Suikotsu sah auf als die Türe zu Bankotsus Zimmer sich öffnete – und zu seinem Erstaunen schien es Jakotsu tatsächlich irgendwie geschafft zu haben, Bankotsu aus seinem selbstmitleidigen Siff heraus zu holen. Einen Moment fragte er sich, wie er das zum Teufel wohl geschafft hatte, doch da fielen ihm Jakotsus zufriedenes Grinsen und die zerstrubbelten Haare sowie die geröteten Wangen seines Anführers auf und die Sache war klar.   Was kann schöner sein im Leben Als zu Nehmen statt zu Geben Was kann schöner sein, Als ein Söldnerschwein zu sein?   Was kann schöner sein am Siegen Als für's Töten Geld zu kriegen? Was kann schöner sein, Als ein Söldnerschwein zu sein? Bankotsu schreckte mit einem lautlosen Schrei senkrecht aus dem Schlaf. Die Augen weit aufgerissen ins Dunkel starrend, der Puls rasend, der kalte Schweiß auf der Stirn. Es war als habe sich eine Klaue aus Eis um sein Herz gelegt und eine grauenvolle Vorahnung schwelte in ihm, ähnlich der, die ihn damals dazu gebracht hatte, zu dem Haus zurück zu kehren, in dem seine Familie hingeschlachtet worden war. Mit zitternder Hand fuhr er sich durch das offene Haar, sein Blick suchte Jakotsus zierliche Silhouette. Er schlief noch friedlich. Ahnte nichts von dem Grauen. Bankotsu ließ sich langsam zurück auf den Futon sinken und schlang die Arme um den schlafenden Körper. Jakotsu gab ein leises Geräusch von sich, erwachte jedoch nicht. Die Lippen in dem geliebten weichen Haar vergraben, fand er keinen Schlaf. Aber aus irgendeinem Grund wollte er diesen lebenden, wirklichen Körper festhalten. Als könne er damit etwas aufhalten, das schon längst nicht mehr aufzuhalten war… Kapitel 24: Das Bündnis der zehn Heere -------------------------------------- „Es versammeln sich unter der Fahne des Waffenstillstands die ehrenwerten Daimyo Hashimoto-sama, Nobusaka-sama, Kashiwagi-sama, Ikumoto-sama, Arisugawa-sama, Mudoki-sama, Shiro-sama, Monou-sama, Hattori-sama, Mori-sama“, intonierte der offiziell bestellte, neutrale Wortführer mit fester Stimme. Der Versammlungsort war inoffiziell und er war geheim. Eigens für diese Zusammenkunft errichtet, an welcher nur die Daimyo selbst und deren Schreiber teilnahmen, sogar die Leibdiener hatte man fortgeschickt. Die Mienen der Männer waren steinern, entschlossen und abwartend. „Meine Herren“, eröffnete der Daimyo Hashimoto, welcher diese Zusammenkunft initiiert hatte, „ich gehe davon aus, alle, die wir hier versammelt sind, sind uns einig, dass etwas getan werden muss.“ Zustimmendes Murmeln. Der Wortführer begann etwas von einer Schriftrolle zu verlesen. „Der zehnte des ersten Monats im Jahre 1481: Der Daimyo Ikumoto-sama verpflichtete die Shichinintai in der Schlacht gegen das Heer des Damiyo Mori-sama. Das Heer des ehrenwerten Daimyo Mori-sama wurde hingeschlachtet bis zum letzten Manne, nicht in der Notwendigkeit des Siegens, allein in der Freude an Blut und Mord. Sie machten auch nicht Halt vor den Männern des Ikumoto-sama, welche nicht schnell genug hinfortkamen. Ihr Anführer äußerte sich dahingehend, nichts erwähnt zu haben davon, dass nach dem Heer des Mori-sama geendet werden sollte. Die Schäden waren immens. Der 20. des dritten Monats im Jahre 1481: Die Heere der ehrenwerten Daimyo Nobusaka-sama, Mudoki-sama und Hattori-sama wurden ausgelöscht bishin zum letzten Manne, gleichsam wurden infolgedessen 20 000 Hektar fruchtbares Land des letzteren zur Unbrauchbarkeit niedergebrannt. Der dritte des vierten Monats im Jahre 1481: Die Armee des ehrenwerten Daimyo Arisugawa-sama wird kampflos zu erheblichen Teilen Opfer eines Giftanschlages, die Männer, die jenem entgehen konnten, wurden beinahe auf einen Schlag enthauptet, nachdem man ihnen die Genitalien abgeschnitten hatte. Infolgedessen waren 10 000 Hektar Land des Daimyo Arisugawa-sama verseucht und unfruchtbar geworden. Der elfte des vierten Monats im Jahre 1482: Als der ehrenwerte Daimyo Shiro-sama den Shichinintai den Auftrag erteilt, das Dorf Musashi von einer Plage von Harpyien-Yokai zu befreien, werden nicht nur dieselbigen vernichtet, im Zuge dessen auch das ganze Dorf nahezu dem Erdboden gleichgemacht.“ Der Daimyo Hashimoto hob die Hand, um den Wortführer zu unterbrechen. „Dies ist, ehrenwerte Herren, wie Ihr und ich wisst, lediglich eine geringe Auswahl an Grausamkeit und Zerstörung, die die Shichinintai im Osten dieses Landes angerichtet haben und ihre Macht breitet sich immer weiter aus.“ „Das sind doch keine Menschen“, warf der Damiyo Hattori-sama, ein kampferprobter, verlebter Daimyo mit knurrender Stimme ein, „wenn nicht wenigstens der Große ein Yokai ist, dann lauf ich im Kimono durch Edo.“ Verhaltenes Lachen, das so schnell erstarb wie es gekommen war. „Jedenfalls hört man Gerüchte, dass ihr Anführer mit Yokai paktiert und deshalb trägt er die Farbe eines grausamen Himmels in den Augen“, schloss der Damiyo Ikumoto sich dieser Aussage an. „Außerdem gibt es Beobachtungen, nach denen ihr Anführer mit einem seiner Kameraden ganz schamlos in der Öffentlichkeit empörungswürdige Intimitäten austauscht“, grollte der Daimyo Nobusaka mit gerümpfter Nase. „Mich wunderts, was Ihr Euren Spionen sagt, was sie beobachten sollen, wenn sie Euch sowas berichten“, kam es leicht spöttisch von Mudoki, was verhaltenes Gelächter und einen eisigen Blick von Nobusaka zu Mudoki zur Folge hatte. „Was schlagt Ihr also vor?“, wollte Arisugawa schließlich von Hashimoto wissen. „Ein Bündnis von zehn Heeren. Der Waffenstillstand bleibt aufrecht erhalten solange bis die Shichinintai vernichtet sind und für weitere zehn Tage danach. Sie nutzten bisher unsere verfeindeten Lager für ihre Zwecke und so werden wir ihnen entgegentreten.“ Unruhiges Gemurmel machte sich breit. „Und wie bei allen Göttern wollt Ihr das anstellen?“, erwiderte Musashi erregt, „Ihr wisst doch selbst alle, zu was diese Männer in der Lage sind!“ „Zehn Heere sind viele Männer“, erwiderte Hashimoto ruhig, „so vielen werden nicht einmal die Shichinintai Herr werden. Am Ende sind auch sie nur Menschen und am Ende werden sie unserer Übermacht unterliegen.“   ~*~ „Puh, ist das kalt geworden“, meinte Jakotsu fröstelnd und rieb die Hände gegeneinander. „Würd mich nicht wundern, wenns bald schneit“, fügte Renkotsu mit einem Blick zum Himmel hinzu. „Der Schnee ist mir ziemlich egal“, knurrte Bankotsu, „Solang der Boden nicht wieder so gefroren ist, dass man sich bei der geringsten Bewegung elegant aufs Maul legt.“ Die anderen lachten verhalten, denn ihrem glorreichen, furchteinflößenden Anführer war das das letzte Jahr einmal passiert und zu allem Überfluss nichtmal während eines Kampfes oder im Lauf, sondern direkt aus dem Stand (dass er dabei eigentlich nur Jakotsu ein wenig verträumt hinterhergestarrt hatte, wurde jedoch dezent unbeachtet gelassen). Bankotsu hatte damals schon gewusst, dass ihn das bis an sein Lebensende verfolgen würde. „Ich hoffe jedenfalls, dass wir für diese Horde Yokai nicht so lange brauchen, wie für die Viecher neulich. Ich hab wenig Lust, im Schnee nachhause zu laufen“, warf Jakotsu wieder ein, welcher den Versuch, seine Hände ein wenig zu erwärmen schließlich aufgegeben hatte. „Du bist ganz schön verwöhnt“, meinte Bankotsu belustigt mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Ach komm, wir können uns unsere Aufträge doch aussuchen mittlerweile bei den horrenden Summen, die wir verlangen.“ „Wäre mir neu, dass du ne Ahnung von Zahlen hast“, spottete Renkotsu und zeigte ein seltenes schmallippiges Lächeln. Jakotsu streckte ihm die Zunge raus. „Ich weiß, wie viele Annehmlichkeiten und schöne Kleider ich mir leisten kann mit meinem Anteil, das genügt.“ „Und lässt dich dabei regelmäßig von den Händlern übern Tisch ziehen.“ „Was wissen wir eigentlich über die Yokai, die wir vernichten sollen?“, wollte Mukotsu wissen. „Irgendeine niedere Art Pumadämon. Eigentlich hätte es gereicht, wenn drei von uns sich um die gekümmert hätten, aber Hashimoto hat ausdrücklich uns alle angefordert.“ Bankotsu zuckte mit den Schultern. „Ist mir eigentlich wurscht, je mehr von uns gehen, desto höher der Sold, von daher sehen wirs einfach als leicht verdientes Geld.“ „Was ist mit dir, mein Freund, du bist so still in den letzten Tagen?“, sprach Renkotsu Ginkotsu an, der, wie so oft in der letzten Zeit schweigend neben ihnen hertrottete. „Gin hat … schlechte Träume“, gab der Große dann zu. „Vom Krieg?“ „Nicht vom Krieg. Vom Ende.“ „Was für ein Ende, wie meinst du das?“ Doch Ginkotsu hüllte sich in Schweigen. Renkotsu ließ den Blick noch einen Moment nachdenklich auf seinem Freund ruhen und versank dann in eigene Gedanken. Aus irgendeinem Grund hatte er heute Morgen an das Mädchen gedacht, das er zurück gelassen hatte, vor so vielen Jahren. Das ihn gebeten hatte, sie zu ehelichen. Er wusste nicht, was der Anlass war für diesen Gedanken, denn er hatte sehr lange nicht mehr an sie gedacht. Aber zu seiner Überraschung spürte er irgendwie ein gewisses Bedauern, dass er es nicht getan hatte. Auch Suikotsu war ungewöhnlich in Gedanken versunken. Irgendetwas war da in ihm. Etwas, das zu erstarken schien, die gute Seite, die er verloren geglaubt, die ihn vor etwas warnen wollte. Doch er kämpfte sie nieder, seit langem schon, auch wenn es ihn oft schweißnass aus dem Schlaf schrecken ließ, Schattengestalten im Zimmer umhertanzten, die bis zum Morgengrauen nicht vergehen mochten. Er dachte oft daran, wie er mit Jakotsu das Lager geteilt hatte, wie der ihm ein wenig die dunklen Stunden seines wirren Geistes erträglicher gemacht hatte, zu einer Zeit als er sich noch nicht an Bankotsu versprochen hatte mit Haut und Haar. Doch er nahm es hin, denn er wusste, dass sein Ende bald kam. Auf die eine oder die andere Weise. „Hier stinkts nach Dämon“, meinte Kyokotsu irgendwann und Bankotsu pflichtete ihm bei: „Dort vorne ist das Tal, in dem die Höhlen versteckt liegen. Der Zugang ist eine halbe Meile Richtung Westen.“ Die Luft war klar und kalt als sie sich wenig später an den Abstieg machten. Bald war Kyokotsu nicht mehr der einzige, der die dämonische Präsenz wahrnahm, auch die anderen spürten etwas. Renkotsu war derjenige, der dachte, irgendetwas stimmt hier nicht. Und Bankotsu war der, der dieses Gefühl ignorierte. Jakotsu war der, der sich plötzlich auf eine vergessen geglaubte Weise unbehaglich fühlte. Und Suikotsu nahm es hin und Ginkotsu hatte längst seinen Frieden mit der Welt geschlossen und Kyokotsu sah nur die Herausforderung und Mukotsu spürte die Kälte plötzlich wie nie zuvor in seinem Leben. Sie erspähten die Dämonen, bevor die sie erspähten. Damit war der Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Ein Haufen sehr aggressiver Yokai von erstaunlich geringer Zahl, doch genug um sie eine Weile zu beschäftigen. Als sie ausgelöscht waren, alle bis zum letzten Dämon, lag der Gestank von Dämonenblut in der Luft und von Innereien, denn Suikotsu hatte sich mal wieder nach Herzenslust ausgetobt. Sie hatten sich einen kurzen Moment zur Ruhe gesetzt. Machten Witze darüber, wie einfach sie esgehabt hatten und wie blöd diese Daimyo gewesen waren, sie alle anzufordern, wo es doch für ein wesentlich geringeren Sold auch getan gewesen wäre. Sie alle spürten in diesem Moment ganz deutlich die Freundschaft, die Verbundenheit und das Vertrauen, das sie verband. Und doch fühlte jeder von ihnen sich plötzlich alleine. Jakotsu warf Bankotsu einen Blick zu, ließ ihn eine Weile auf ihm ruhen, bis er verschwamm. Warum nur hatte er plötzlich das Gefühl, das war der letzte Tag, den sie gemeinsam noch hatten? Plötzlich war in der Ferne Hufgetrappel zu vernehmen. Langsam nur näher kommend, doch die felsige, karge Umgebung trug das Echo weit voraus. Vermutlich, dachte Bankotsu, war es dieser Hashimoto, der sich mal wieder selbst davon überzeugen wollte, dass sie ihre Arbeit richtig erledigt hatten, wie er es so häufig zu tun pflegte. Das war nichts Ungewöhnliches. Was allerdings ungewöhnlich war, das bemerkten sie alle nach einer gewissen Zeit, war, dass der Daimyo mit erstaunlich vielen Männern geritten kommen musste, beachtete man die Intensität der Huftritte, deren Echo ihnen vorauseilte. Bankotsu sah nach oben und erspähte Hashimoto schließlich. Gekleidet in traditioneller Kriegermontur, mit seinen Insignien und Ehrungen. Ungewöhnlich. Ebenso ungewöhnlich, wie die Anzahl der Männer, die sich neben ihm und scheinbar auch hinter ihm aufgestellt hatten. Irgendetwas in Hashimotos Blick gefiel Bankotsu nicht. Er erspähte eine Bewegung aus dem Augenwinkel und rechts von Hashimoto kam der Daimyo Arisugawa geritten, ebenfalls geleitet von einer Vielzahl seiner Männer – wie viele sie hinter sich hatten, konnten sie von hier unten nicht sehen, aber die Huftritte, die nicht abreißen wollten, sprachen eine Sprache für sich. Und zu ihnen gesellten sich weitere Damiyo mit ihren Heeren, bis sie das Tal U-förmig umstellt hatten. Es waren die mächtigsten unter ihnen und einem jeden hatten die Shichinintai in den letzten Jahren mindestens einen Dienst erwiesen. Die Gefährten sahen sich einen Moment zweifelnd an. Es fing an zu schneien. Bankotsu konnte den eigenen Atem sehen. Dann erhob er die Stimme laut zu den versammelten Daimyo, sodass sie von den Felswänden zurück geworfen wurde: „Was hat das hier zu bedeuten!?“ „Könnt Ihr Euch es nicht denken?“, dröhnte Hashimoto mit kalter und hasserfüllter Stimme und Bankotsu war es, als könne er auch eine Spur Genugtuung heraushören. „Ihr und Euer Trupp von mordgierigen Verbrechern, Ihr seid nicht länger hinnehmbar. Wir werden für Ausgeglichenheit sorgen, indem wir sicherstellen, dass keiner Euch jemals wieder wird anheuern können und werden die Dinge zukünftig unter uns ausmachen.“ Etwas in Bankotsu zog sich zusammen als ihn langsam die Erkenntnis traf. Er schloss einen Moment die Augen, spürte die Blicke seiner Freunde und Kameraden auf sich. Als er die Augen wieder öffnete sah er die schräg in den Himmel deutenden gespannten Langbögen der Soldaten. Er wusste, was das bedeutete. Vor ganz langer Zeit, da hatte er davon geträumt. Dieser Fiebertraum, den er sich nie hatte erklären können. Jetzt war alles so klar. Bankotsu wirkte einen Moment wie festgewachsen. Dann ereilte die anderen Shichinintai ein Befehl, ein einziges Wort, das zu hören von Bankotsu ihnen allen einen eisigen Schauer über den Rücken rinnen ließ. „Lauft!“   ~*~ Ein Regen an Pfeilen ging auf sie hernieder, prasselnd und dröhnend laut. Bankotsu spürte, wie einer hart in seinem Oberschenkel einschlug, ihn leicht straucheln ließ, und einer in seiner Schulter und seinem Arm und nur Ginkotsu, welcher sich im Rennen schützend über ihn, Jakotsu und Mukotsu beugte, verhinderte wohl, dass die Geschosse sofort Herz und Lungen durchbohrten. Bankotsu spürte die Pfeile nicht, er ließ sie, wo sie waren, denn jetzt, jetzt ging es um etwas Wichtigeres als ein paar verirrte Pfeile, jetzt ging es ums Überleben und Bankotsu erinnerte sich daran, dass er vor langer Zeit schon einmal gelernt hatte, dass er nicht unsterblich war. Sein Blick glitt gehetzt und flüchtig zu seinen Gefährten: Jakotsu steckten Pfeile in Hüfte, der Schulter, im Unterschenkel, im Laufen brach er die Schäfte ab, damit sie ihn nicht behinderten - sie alle hatten etwas abbekommen, Ginkotsu jedoch mit seiner Metallpanzerung hatte das meiste davon abfangen können ohne tiefere Verletzungen davon zu tragen. Vielleicht, dachte er, vielleicht gibt es noch Hoffnung. Vielleicht, vielleicht können wir kämpfen und so viele von diesen Verrätern wie möglich mit in den Tod nehmen, wenn es schon sein musste. Wie hatte er sich nur in einen solchen Hinterhalt locken lassen können? Wie nur hatte er seine Gefährten so im Stich lassen können? Wie hatte er als Anführer nur so versagen können? Bankotsu biss die Kiefer aufeinander bis es schmerzte. Hätte er gewusst, dass es etwas geändert hätte, hätte er sich ohne zu Zögern für seine Freunde geopfert. Die berittenen Soldaten brauchen nicht lange, um den Abhang herunter zu gelangen und sie schließlich einzuholen und gegen die Schnelligkeit von Pferden hatten sie keine Chance. So stellten sie sich ihnen und sie töteten unzählige Soldaten, ehe sie die Kräfte verließen, das erste Mal in ihrem Söldnerleben stieß jeder von ihnen an seine Grenzen; Bankotsu war irgendwann kaum mehr in der Lage, Banryu zu halten und ein plötzlicher Hieb mit einem Morgenstern gegen den Oberarm, riss sie ihm endgültig aus den Händen; Verbissen wehrte er sich mit Fäusten, mit Leib und Seele und versuchte gleichzeitig zu sehen, was mit seinen Gefährten geschehen war; Mukotsu hatte man mit einem Hieb in die Beinsehne niedergestreckt und gefesselt, der gab keine Gegenwehr mehr, während sich gleich zehn Mann auf Kyokotsu gestürzt hatten, welcher tobte und brüllte und mindestens zweien von ihnen den Schädel knackte wie eine Walnussschale, doch gegen diese Übermacht brach sogar der Riese ein. Wir haben verloren, dachte Bankotsu, während mit einem Mal alle Kraft aus ihm wich. Verloren. Es brauchte nur noch einen lächerlich leichten Stoß eines der Soldaten und er fiel in den Schnee und stand nicht mehr auf. Die Kälte kroch in seinen Körper und er hoffte, sie mochten es schnell tun, doch diese Gnade sollte ihnen nicht gewährt sein. Die Hufe eines Streitrosses schoben sich in sein Gesichtsfeld. „Ihr wart einmal ein großer Mann, Bankotsu. Kaum zu glauben, so wie Ihr jetzt schwach und blutend im Dreck liegt. Was für ein jämmerlicher Anblick.“ Bankotsu hörte das Rasseln von Ketten und er versuchte die Hände in Schnee und Dreck krallend, hochzukommen, um dem Mann, der für das alles hier verantwortlich war, in die Augen zu sehen. Ehe er es geschafft hatte, den Kopf zu heben, wurde er brutal von mehreren Armen gepackt und in die Höhe gerissen, man legte ihn in Ketten und seinen Gefährten erging es nicht anders. Bankotsu verdrehte den Hals so weit es ging und konnte aus dem Augenwinkel Jakotsus rosafarbenen Yukata erkennen, der zwischen all dem Weiß und Grau und Dunkel herausstach. Die anderen konnte er nicht sehen, sie hatten sie weit voneinander separiert, nur Suikotsu konnte er einmal fluchen hören, doch es erstarb bald wieder. Sie zerrten sie hinter sich her wie Vieh, einen langen Weg, solange, bis Bankotsu, der immer eine immense Ausdauer gehabt hatte, seine Füße nicht mehr spürte, doch er tat ihnen sicherlich nicht den Gefallen, zu stürzen und sich hinter ihnen her schleifen zu lassen. Er wollte sich seine Würde bewahren, wenigstens etwas, wenn ihm schon das Leben nicht blieb und so ging er mit erhobenem Haupt und hochmütiger Miene, obgleich ihm jeder Muskel, jeder Knochen im Körper schmerzte. Dass man sie nicht sofort umbrachte, war wohl ein Teil der Folter. Das Ungewisse. Ließen sie sie hier Wochen, wenn nicht sogar Monate versauern, oder nur bis zum heutigen Abend oder zum nächsten Morgen? Die rostigen Eisentüren schlugen hinter ihnen zu, nachdem man sie mit Fußfesseln an die Wand gekettet hatte. Und dann ließ man sie allein, eine lange Zeit.   ~*~ Durch das vergitterte Rechteck, oben in der Tür ihres Verlieses eingelassen, dringt eine Ahnung von Fackelschein. Bankotsu hat vergessen, wie sich das warme Tageslicht anfühlt. Er hat vergessen, wie lange er schon hier ist. Hier unten verliert man jegliches Zeitgefühl. Das einzige, das er mit Gewissheit weiß, ist, dass der Tag, an dem er das Sonnenlicht wieder erblickt, der Tag seiner Hinrichtung sein wird. Ein leises Rasseln von Ketten ist zu vernehmen, dann ein Körper, der sich zaghaft und tröstend an den seinen lehnt. Er ist ausgemergelt und glüht vom Fieber der Erschöpfung, dem letzten Aufbegehren vor dem Sterben. Die Ketten reichen gerade so. Er spürt, wie sich Jakotsus linke Hand mit seiner Rechten verhakt. „Hast du Angst, Bankotsu?“, dringt die androgyne Stimme zu ihm herüber. Wie hoffnungslos sie klingt. Aber nicht verängstigt. Wo die anderen sind, das weiß er nicht. Vielleicht sind sie hier im riesigen Dunkel dieses Verlieses, vielleicht sind sie längst tot. „Der Tod macht mir keine Angst“, antwortet er nach einer Weile. „Der Gedanke daran, dich sterben zu sehen, der macht mir Angst.“ Er wird der Letzte sein. Niemand hat es ihm gesagt, aber er weiß es. Und er wird um sie weinen, stolz und mit erhobenem Haupt. Kein Flehen mehr, keine Unterwürfigkeit vor falschen Herren. Sie fürchtensie, weil sie sie nicht mehr kontrollieren können. Weil sie eine Übermacht geworden sind. Lächerliche sieben Mann gegen ein Imperium von Kriegsherren. Bankotsu hat immer gewusst, dass nichts ewig ist. Nicht der Schnee, der im Winter fällt. Nicht die Blätter an den Bäumen. Und auch nicht die Blumen des Frühlings. Nicht der Regen über dem Feld und nicht die Ähren der Frucht. Nicht der Kaiser von Japan und nicht das Weib, bei dem er das erste Mal gelegen hat. Und auch nicht die Shichinintai. Die Sieben Krieger, die beinahe drei Jahre lang ganz Japan in Angst und Schrecken versetzt haben. Bankotsu atmet den Duft von Makotos Haar ein. Der süße, so vertraute Duft von Ylang-Ylang. Dieser Duft wird ihm fehlen. Und Makotos Lachen. Sein schwingender Gang und das Rot seiner Lippen. „Hast du denn Angst?“, will er von Makoto wissen. Makoto schweigt eine ganze Weile, Takeshi spürt ein Beben, das den geschwächten Körper durchläuft. Dann schluchzt er plötzlich auf, schnappatmig und verzweifelt. „Ich werde dich vermissen, Takeshi, so schrecklich vermissen!“ „Ich werde dich auch vermissen“, sagt Takeshi leise und küsst das wirre Haar und lässt die Lippen dort ein letztes Mal ruhen. Und dann ertönen die Schritte. Es ist an der Zeit.   ~*~ Sie haben Bankotsu in Ketten gelegt, die Arme steif nach oben gezurrt, beide Schultergelenke sind ausgekugelt, doch Schmerz, den spürt er schon lange nicht mehr. Starr ist der Blick der tiefblauen Augen auf den Platz gerichtet, auf den seine Kameraden nun geführt werden. Er spürt die Genugtuung der Daimyo und er schwört ihnen ewige Rache. „Seht genau hin, Bankotsu“, höhnt Hashimoto, doch Bankotsu hat nie vorgehabt, wegzusehen. Wie ehrlos hätte er sich gefühlt. Wie unloyal. Zuerst zerren sie Mukotsu auf den Platz. Er kann kaum noch gehen, weil die Wunde in seinem Bein nekrotisch ist. Brutaler als notwendig stoßen sie den kleinen Mann in die Knie und lachen höhnisch als er sich vor Angst bepisst. Das Katana trennt ihm kurz darauf den Kopf vom Rumpf, der kleine Körper landet mit einem leisen Geräusch im Schnee und das Blut sprudelt und verwandelt das unschuldige Weiß des Schnees binnen Sekunden. Bankotsu zuckt nicht einmal zusammen. Als nächstes führen sie Ginkotsu auf den Platz, denn der wehrt sich nicht und fügt sich ganz zahm seinem Schicksal. Bankotsu hat den Eindruck als habe er schon lange seinen Frieden gemacht. Bei Ginkotsu brauchen sie schon mehrere Hiebe, um durch den muskulösen, stahlverstärkten Hals zu kommen, doch auch das ist schließlich geschafft und der zweite Körper blutet in den Schnee. Suikotsu scheint merkwürdig bleich zu sein und in diesem Moment sieht er gar nicht aus wie Suikotsu, sondern wie Kimura Hayato, der Arzt, der er vor langer Zeit einmal gewesen ist. Als man ihn auf die Knie zwingt, scheint er zu erkennen, was er getan hat, wie viele Menschen er getötet hat, wie viele Sünden begangen. Und da erscheint ihm der Tod als willkommen. Er schließt die Augen und ein sanftes Lächeln der Erlösung liegt auf seinen Lippen als man ihm den Kopf sauber vom Rumpf trennt. Renkotsu wirkt erstaunlich gefasst. Nicht der Hauch einer Emotion. Langsam steigen Bankotsu die Tränen in die Augen, doch er schämt sich ihrer nicht. Und er sieht nicht weg. Kein einziges Mal. Renkotsus Blick sucht einen Moment den Seinen und er scheint ihm zu sagen, dass es nicht seine Schuld ist. Denn sie haben es doch alle irgendwie immer gewusst. Dann ist auch er nicht mehr. Mit Kyokotsu haben sie die meisten Probleme, trotz der Strapazen der letzten Stunden und der teilweise erheblichen Verletzungen hat er noch erstaunlich viel Kraft. Doch auch er wird schließlich in die Knie gezwungen. Zehn Mann braucht es dafür. Sein Hals ist so muskulös, dass die Soldaten anfangen zu schwitzen, ehe sie endlich die letzte Sehne durchtrennt haben und es mehr ein Gemetzel wird als eine saubere Hinrichtung. Und dann holen sie Jakotsu. Bankotsus Herz zieht sich zusammen als sich ihre Blicke treffen und in Jakotsus Blick liegt so viel Wärme, so viel Liebe, dass all das erträglicher wird. Wie schön er ist. So unendlich schön, wie am Tag an dem sie sich trafen. In welcher Ferne liegt das jetzt. Zwei Tränen lösen sich und rinnen still über die Wangen. Plötzlich wird ihm bewusst, dass er seinem Makoto nie gesagt hat, wie sehr er ihn liebt. All die Zeit nicht. Dabei hat er ihn doch immer geliebt. Er ist sein Freund. Sein Vertrauter. Sein Halt. Ihre Blicke treffen sich und Bankotsu hat keine Kraft mehr, die Stimme laut zu erheben, so dringt nur mehr ein heiseres, erschöpftes Krächzen aus seiner Kehle als er murmelt „Ich liebe dich, Makoto.“ Zu leise als dass es jemand dort unten hätte verstehen können, doch Makoto lächelt, denn er weiß, was Takeshi gesagt hat. Sie sehen sich in die Augen. Die ganze Zeit. Und als der Kopf vom Rumpf geschlagen wird, als die vertraute Wärme der Augen vom einen Moment auf den anderen erlischt, da brüllt Bankotsu gepeinigt auf, dass seine Stimme schauerlich in den Felsen widerhallt, es ist mehr der Laut eines Tieres, das Todesqualen erleidet und keiner der Männer, die ihn zuvor verhöhnt haben, wagt es plötzlich mehr, auch nur ein Wort des Spottes zu verlieren. Als sie seine Ketten lösen, um ihn dort sterben zu lassen, wo seine Kameraden ihr Leben ließen, da versiegen seine Tränen. Der graue Himmel bricht plötzlich auf. Bankotsu wird ruhig. „Ein letztes Wort?“, ereilt ihn die eiskalte Stimme, von wem, das weiß er nicht und es spielt auch keine Rolle mehr. Bankotsu lächelt. Es ist ein sanftes Lächeln. „Ich verfluche euch“, sagt er irritierend gefasst, „Ich verfluche Euch und Euer aller Nachkommen bis in hundert Generationen. Ein Haufen Feiglinge, das seid Ihr und Ihr habt verdient, wie ein Haufen Feiglinge zu sterben.“ Ein hochmütiger Zug macht sich auf Bankotsus Gesicht breit, einen Moment, da kehrt die alte Stärke zurück und alle Männer, die getroffen werden von diesem Blick, weichen unwillkürlich einen Schritt zurück und können sich nicht erwehren, Ehrfurcht zu empfinden vor diesem Mann. Das Lächeln weicht nicht als er den Kopf hebt, damit der blaue Himmel das letzte ist, was er sieht und nicht diese Männer, denen er die Hölle auf Erden wünscht. Das Licht, das durch die Wolkendecke gebrochen ist, wärmt sein Gesicht und lässt seine Augen tränen. „All das habe ich geliebt“, sagt er, „Alles…“ Und er schließt die Augen nicht einmal dann als der Lufthauch von dem niedersausenden Schwert kündet. Epilog: -------- So geschah es, dass das Bündnis der zehn Heere die Shichinintai letztendlich vernichtete. Wer diese Männer wirklich waren, weiß niemand, aber trotz ihrer Grausamkeit sind sie bereits jetzt Legenden und im ganzen Land, da spricht man von ihnen und man wird in 100 Jahren noch von ihnen sprechen. Ihr Anführer, Bankotsu, der unter dem bürgerlichen Namen Segawa Takeshi zur Welt kam wäre am Tage seiner Hinrichtung, dem 16. des ersten Monats im Jahre 1483, 18 Jahre alt geworden. So unfassbar jung und so hart und grausam schon. Ich habe meinen Bruder totgeglaubt und ich habe getrauert und gereut, denn wir waren als hitzköpfige Knaben im Streit auseinander gegangen. Und als ich ihn endlich wiederfand nach all diesen Jahren, da diente ich in Daimyo Hashimotos Heer und konnte nichts tun als mit ohnmächtigem Grauen zu sehen, was aus ihm geworden war. Ich weiß, dass er es war, denn das Blau seiner Augen ist mir im Leben nie bei einem anderen Menschen wieder begegnet. Ich werde niemals den Blick vergessen in jenem Moment kurz bevor das Katana ihm das Haupt vom Rumpf trennte. Die Zeiten sind nicht besser geworden. Noch immer streiten die Reiche. Noch immer werden Söldner angeheuert, aber an die Stärke und die Grausamkeit der Shichinintai wird keiner von ihnen jemals wieder heranreichen. Sie waren einzig in ihrer Art. Ich wünsche meinem kleinen Bruder Frieden aus dem Tiefsten meines Herzens. Seiner Seele Freiheit, möge sie sich loslösen von dem Schmerz, den er in der viel zu kurzen Zeit seines Lebens erfuhr und Vergebung für seine Sünden. Memoiren des Segawa Hideo, der elfte des fünften Monats im Jahre 1483. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)