Rot wie Blut von abgemeldet (Die Legende der Shichinintai) ================================================================================ Kapitel 18: Strafe muss sein ---------------------------- „Na sieh mal einer an, wer da nach hause zurückgekehrt ist.“ Jakotsu hatte sich gerade ins Haus schleichen wollen, doch Bankotsu versperrt ihm den Weg, in dem er sich im Türrahmen aufgebaut hatte. Sein Blick war missbilligend. Mehr als missbilligend, Jakotsu zuckte sogar fast unter ihm zusammen. „Du .. du bist mir doch nicht böse…?“, versuchte er es unsicher und hoffte im Stillen, dass Bankotsu ihn einfach in Ruhe ließ, denn das Matsumoto hier so nah bei ihnen war hatte ihn unglaublich aufgewühlt. So sehr, dass er Hals über Kopf aufgebrochen war ohne Nakamura eine Erklärung zu geben, bloß fort. „Ich dir böse? Wie kommst du nur darauf…“ Jakotsu biss sich schuldbewusst auf die Unterlippe. „Hör mal, es tut mir leid, aber ich muss mich jetzt wirklich um etwas sehr Wichtiges kümmern.“ Damit machte er Anstalten, sich an Bankotsu vorbei zu drücken um ins Haus zu gelangen, doch der versperrte ihm den Weg in dem er abrupt den Arm zum gegenüberliegenden Türrahmen ausstreckte. „Jakotsu, ich weiß nicht, ob dir das vielleicht nicht bewusst ist“, begann er langsam, „aber du hast mich um Erlaubnis zu fragen, wenn du längere Zeit fort bleibst. Und das vorher und nicht per Boten. Du triffst eigenmächtige Entscheidungen, die dir nicht zustehen und das wird Konsequenzen haben. Ich lasse mir von dir nicht mehr auf der Nase herumtanzen.“ Jakotsu starrte Bankotsu einen Moment ungläubig an, doch die Schärfe in seiner Stimme in der unnachgiebige Blick bedeutetem ihm, dass er es völlig ernst meinte. „Was für Konsequenzen?“, hakte Jakotsu nach, dem ein wenig flau im Magen wurde. „20 Peitschenhiebe.“ „Was!? Ist das dein Ernst?“, entfuhr es Jakotsu entgeistert und er starrte den anderen ungläubig an. „Ich bin noch nachsichtig. In der Armee bestrafen sie Ungehorsam mit dem Fünffachen und es tut mir leid, dass du es nun bist, aber ich muss ein für alle Mal ein Exempel statuieren. Geh jetzt hinters Haus. Renkotsu wird deine Strafe vollstrecken.“ „Renkotsu?!“, entfuhr es Jakotsu mit sich überschlagender Stimme, „wieso ausgerechnet der??? Das kannst du mir nicht antun!!!“ „Weil ihr die wenigsten Sympathien füreinander habt und ich sicher sein kann, dass er nicht zu nachsichtig mit dir umgeht. Da mir weder Ginkotsu, noch Mukotsu jemals einen Anlass gegeben haben, an ihrem Gehorsam zu Zweifeln und ich Suikotsu ebenfalls verdeutlichen muss, dass ich einen absoluten Gehorsam erwarte, wird er bei deiner Bestrafung zusehen.“ Mit ungläubigem Blick starrte Jakotsu Bankotsu an. Der schien es wirklich ernst zu meinen. Todernst. War sein Vergehen denn wirklich so schlimm gewesen? Dass er solch eine Strafe verdiente? War er zu weit gegangen? War es wirklich nur das, was Bankotsu so wütend machte? Er war ja kaum wieder zu erkennen. „Also, haben wir uns verstanden?“ „Ja, Rida-sama“, erwiderte Jakotsu förmlich und wandte sich ab um hinters Haus zu gehen um dort seine Strafe anzutreten. Renkotsu schien beinahe guter Laune zu sein, meinte Jakotsu sich einzubilden, allerdings hatte der Erfinder genug Selbstbeherrschung um diesen Umstand nicht nach außen zu tragen. „Knie dich da hin“, meinte er nur teilnahmslos und deutete auf die Stelle, wo sie die Pferde immer anbanden. Ohne ein Wort zu verlieren und den Blick zu Bankotsu gänzlich meidend ging er auf die Knie und stützte sich mit den Handflächen an dem Balken ab. Es war nicht das erste Mal, dass er Peitschenhiebe bekam. Bei Oneesama war das des Öfteren vorgekommen, auch sie hatte Ungehorsam bestraft. Doch ihre Hiebe waren zu verkraften gewesen, denn es steckte kein Gefühl dahinter. Doch hier … das war etwas vollkommen anderes. Für Bankotsu hegte er eine gewisse Zuneigung und für Renkotsu empfand er nichts als Abscheu. Schlimmer hätte es nicht sein können. „Ich fange jetzt an“, teilte Renkotsu genauso emotionslos mit und Jakotsu spannte die Muskeln an um sich gegen den kommenden Schlag zu wappnen. Er hörte, wie die Peitsche durch die Luft sauste und schließlich mit einem hässlichen Klatschen einen brennenden Striemen auf seiner Haut hinterließ. Er stieß nur ein Zischen aus, denn er hatte sich fest vorgenommen, dass kein Schmerzensschrei seine Lippen verlassen würde. Den zweiten Schlag ertrug er noch. Auch den, dritten, vierten, fünften und sechsten. Und dann begann seine Haut sich taub anzufühlen – aus dem Augenwinkel sah er, wie Bankotsu sich abrupt abwandte und in Richtung Haus verschwand. Feigling, dachte er und zuckte unter dem nächsten Schlag, der weitaus stärker gekommen war als die ersten zusammen. Eines musste er Renkotsu lassen, er hatte eine wirklich gute Technik, so zu treffen, dass es am meisten wehtat. Wie viele noch? Jakotsu konnte nicht zählen, hatte er nie gekonnt. Der nächste Schlag traf und er war so schwer, dass seine Haut aufriss und Jakotsu nun doch nicht mehr verhindern konnte, dass ein gequälter Schrei seine Kehle verließ. Bankotsu hatte sich schließlich abwenden müssen, weil dieser Anblick mehr war als er ertragen konnte und er hatte schon beinahe die Schiebetür hinter sich geschlossen als dieser Schrei ertönte, der alles in ihm zu Eis werden ließ. „Verdammt“, fluchte er und schmiss die Tür hinter sich mit solcher Kraft zu, dass sie zurückfederte und wieder einen Spalt aufging. Die Schmerzensschreie waren sogar bis ins Haus zu hören und Bankotsu fühlte sich wie der letzte Mensch auf Erden, aber er wusste auch, dass, wenn er sich als Anführer dieser Männer behaupten wollte, wovon die meisten um Einiges älter waren als er, dann musste er in gewissen Momenten hart durchgreifen. Und das war so ein Moment. Die Peitschenhiebe, die folgten waren stärker und unbarmherziger als all das, was er bei Oneesama hatte ertragen müssen, längst floss ihm warmes Blut über den Rücken, er schrie und weinte vor Schmerz als hätte er jede Selbstbeherrschung vergessen und ihm schwanden bereits die Sinne. Ein weiterer Schlag riss eine tiefe Fleischwunde in seinen Rücken, noch einer raubte ihm beinahe die Sinne – nur mit Mühe konnte er sich noch an dem Holzbalken festhalten, er krallte sich regelrecht hinein, als hinge sein Leben von diesem Balken ab. In den letzten Schlag schien Renkotsu noch einmal seine gesamte Kraft zu bündeln; Jakotsu stieß einen letzten gequälten Schrei aus und dann wollten ihm seine Arme nicht mehr gehorchen; Er glitt von dem Holz ab und sank halb ohnmächtig zu Boden, wo er zitternd von Schock und Blutverlust liegen blieb. Er bekam nicht mehr mit, wie Renkotsu sich einfach umwandte als habe er seine Schuldigkeit getan. Er bemerkte auch nicht, wie sich Schritte näherten, hörte das Fluchen, das Suikotsu beim Anblick seiner Wunden ausstieß mehr unterbewusst. „Kannst du aufstehen?“, drang Suikotsus Stimme an sein Ohr, doch er war zu keiner Antwort fähig. Suikotsu versuchte ihn vorsichtig auf die Beine zu ziehen, ohne versehentlich in eine seiner Verletzungen zu greifen und ihm damit noch mehr Schmerzen zu verursachen. Doch es hatte keinen Zweck, kaum hatten seine Füße den Boden berührt, sackte er wieder zusammen.   ~*~ Irgendwann hatten die Hiebe und die Schreie aufgehört. Bankotsu lauschte und war beinahe erleichtert, dass es endlich vorbei war. Jetzt, wo die Bestrafung vollzogen worden war, konnten sie den Ärger vergessen. Bankotsu wollte ja nicht nachtragend sein. Er hörte Suikotsus schweren Schritt auf dem Gang draußen, doch etwas irritierte ihn – war Jakotsu nicht mit ihm hineingekommen? Ein zweiter Schritt fehlte. Bankotsu bekam plötzlich ein ganz flaues Gefühl in der Magengegend. Er nahm sich vor, selbst nach dem Rechten zu sehen und sprang schließlich auf, doch er hatte kaum einen Fuß hinaus auf den Gang gesetzt als er plötzlich erstarrte. Durch das einfallende Licht konnte er die Blutflecken auf dem Boden sehr gut sehen. Und es waren nicht nur ein paar Tropfen, es war eine beinahe durchgehende Spur, die nur hin- und wieder kleine Unterbrechungen vorwies. „Was zum…“, stieß er aus, dann eilte er im Laufschritt ins obere Stockwerk. Die Blutspur führte jedoch nicht in Jakotsus, sondern in Suikotsus Zimmer – dort, wo dieser auch einen abgetrennten Behandlungsbereich hatte. Dass er es so eilig gehabt hatte, dass er Jakotsu nicht zuerst in sein eigenes Zimmer bringen und was er brauchte dann holen konnte, war ein schlechtes Zeichen. Bankotsu riss die Tür förmlich auf. Suikotsu war gerade dabei, irgendein Gebräu anzumischen und er wirkte recht gestresst dabei und auch das war kein gutes Zeichen, da Suikotsu seine ärztliche Tätigkeit ansonsten immer mit Ruhe und Gewissenhaftigkeit ausführte. „Was ist hier los?“, forderte er mit Schärfe in der Stimme, mit der er seine Besorgnis überspielen wollte. Doch Suikotsu beachtete ihn gar nicht, sondern ging schnell zu Jakotsu zurück. Dann tunkte er einen kleinen Schwamm in eine Bankotsu unbekannte Substanz, umfasste mit geübtem Griff Jakotsus Kopf, sodass er leicht seitlich lag und schob ihm dann den kleinen Schwamm in den Mund. „Das ist Opium, das wird dir gegen die Schmerzen helfen“, erklärte er dabei ruhig. Dem jüngeren Söldner fielen dabei die Augen langsam zu. Suikotsu kontrollierte noch einmal, ob er so lag, damit er sich nicht irgendwie verschlucken oder ersticken konnte und erhob sich dann. Er sah Bankotsu nicht einmal an, als er zu seinem Arbeitstisch ging. „Was glaubst du denn, was hier los ist, Rida-sama?“, sagte er dabei mit solch eisiger Stimme, dass es Bankotsu kalt den Rücken herunter lief. „Renkotsu hat deinen Befehl sehr gewissenhaft ausgeführt. Aber es steht mir nicht zu, deine Führungsqualitäten in Frage zu stellen. Wie du schon sagtest. Du bist unser Anführer und wir schulden dir Gehorsam.“ Dabei fing er an, ein paar Kräuter und Pflanzen, die Bankotsu noch nie in seinem Leben gesehen hatte, zusammen zu mörsern. „Sui…“, begann Bankotsu und wirkte plötzlich irgendwie verunsichert, doch der Arzt unterbrach ihn. „Du hättest mich die Strafe ausführen lassen sollen. Ich hätte wenigstens so zugeschlagen, dass nicht allzu viele hässliche Narben zurück bleiben und die Wunden nicht so tief gehen, dass man eine Infektion und Fieber befürchten muss.“ Dabei kippte er die Kräuter in eine Alkohollösung, deren Geruch Bankotsu bis dahin riechen konnte, wo er stand. „Ist es … ist es wirklich so schlimm?“, wollte er gepresst wissen. „Sieh es dir an“, erwiderte Suikotsu knapp, während er die Alkoholkräuterlösung gründlich durchmischte. Bankotsu trat langsam an den Futon heran, auf welchem Jakotsu lag. Er lag auf dem Bauch, der Kopf war zu Bankotsus entgegengesetzter Seite abgewandt, das Haar, welches nur lose mit einer Spange zusammengesteckt war fiel ihm wirr übers Gesicht und die Spitzen, die sich aus der Frisur gelöst hatten waren blutverklebt. „Das … das hab ich so nicht gewollt …“ „Tja, aber offensichtlich hat Renkotsu so seine eigene Auffassung von der Bestrafung durch Peitschenhiebe. Du hättest ihm vielleicht vorher sagen sollen, dass er Jakotsu nicht ganz umbringen soll. Er hätte nur einmal versehentlich das Rückgrat treffen müssen und es hätte böse ausgehen können.“ „Suikotsu, das hab ich so nicht gewollt!“, wiederholte Bankotsu etwas lauter und mit einem Anflug von Verzweiflung in der Stimme. Suikotsu tränkte ein sauberes Leinentuch mit der Lösung und begann damit die Wunden zu säubern. Bankotsu wusste aus eigener Erfahrung, wie sehr Suikotsus Desinfektionsgemisch schon bei winzigen Verletzungen schmerzen konnte, er wollte sich gar nicht ausmalen… aber das Opium schien Jakotsu so weit betäubt zu haben, dass er nichts spürte. „Vor mir musst du dich nicht rechtfertigen“, erwiderte der Arzt erstaunlich ruhig, „aber vor ihm vielleicht.“   ~*~ Bankotsu konnte die ganze darauffolgende Nacht nicht schlafen. Er hatte Jakotsu bestrafen wollen, aber doch nicht sein Leben in Gefahr bringen! Wenn er trotz Suikotsus gewissenhafter Versorgung nun doch Fieber bekam? Wenn er daran starb? Die Wunden waren tief, die Möglichkeit war gar nicht so unwahrscheinlich. Das würde Bankotsu sich niemals verzeihen können. Wäre er doch nur dabei geblieben und hätte sich nicht wie der letzte Feigling abgewendet, dann hätte er noch eingreifen können. Er erwartete Gehorsam von seinen Männern, aber er hatte genauso die Verantwortung für sie. Und dieser Verantwortung war er in Jakotsus Fall alles andere als gerecht geworden. Gerade Jakotsu, den er doch heimlich auf diese gewisse Art so lieb hatte. Und er konnte auch Renkotsu nicht zur Verantwortung ziehen, weil der nur aufgrund seines unvollständig ausformulierten Befehles gehandelt hatte. „Ich bin so ein Rindvieh“, murmelte er zum wiederholten Male in dieser Nacht an seine Decke gewandt und wälzte sich auf die andere Seite. Schließlich gab er es auf und schlich nach unten in den Wohnraum, wo er noch Licht brennen sah. Es war Mukotsu, der über irgendwelchen Pergamenten brütete. Richtig. Er hatte ja mal erwähnt, dass er alle Gifte, die er kannte, genauestens katalogisieren wollte und das nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Es war ein Wunder, dass Mukotsu es dennoch schaffte, seinem Versprechen nahzukommen und den gesamten Haushalt zu machen (bis aufs Kochen, dafür war ja Suikotsu zuständig). „Findest du keinen Schlaf?“, fragte Mukotsu ruhig, während er die Augen nicht von seinem Pergament hob. Dabei kratzte die Schreibfehler unaufhörlich über das Papier. Bankotsu goss sich etwas von der auf dem Tisch stehenden Wasserkaraffe in ein Trinkschälchen und seufzte dann. „Du hast ja keine Vorstellung…“ „Darf ich mir eine Bemerkung erlauben?“ „Nur zu…“, murmelte Bankotsu dumpf und stützte das Kinn in der Handfläche ab. „Du hast die vollen Konsequenzen deiner Anordnung nicht durchdacht. Nimm es als Lehrgeld und hör auf dich zu grämen, ändern kannst dus ja doch nicht mehr. Der Jakotsu, der ist hart im Nehmen, der kommt schon wieder hoch.“ „Das vielleicht, aber ob er mir jemals verzeiht…“   ~*~ Bankotsu schlich sich am nächsten Tag zu Jakotsu als Suikotsu mit dem Frühstück beschäftigt war. Er hatte die knappe Information erhalten, dass Jakotsu leichtes, jedoch nicht bedenkliches Fieber bekommen hatte. Dennoch wollte er nach ihm sehen, sich selbst von seinem Zustand, für den im Grunde er verantwortlich war, ein Bild machen. Leise schob er die Türe auf und hinter sich wieder zu. Jakotsu sollte die nächsten Tage sicherheitshalber in Suikotsus Nähe bleiben, damit der sofort handeln konnte, falls sein Zustand sich verschlechterte. Etwas unschlüssig stand er im Raum, ehe er sich schließlich einen Ruck gab und zu Jakotsu herüber ging. Der lag auf dem Bauch, den Kopf seitlich in Bankotsus Richtung gewandt. Er schien wach zu sein, doch er sah ihn nicht an, als er auf ihn zukam. Bankotsu kniete sich hin und schaute seinen verletzten Freund eine Weile an, ehe er sich einen Ruck gab, etwas zu sagen. „Wie fühlst du dich?“ Jakotsu jedoch drehte nur den Kopf auf die andere Seite und beendete damit das Gespräch ehe es überhaupt begonnen hatte. Bankotsus Blick fiel unwillkürlich auf den Verband, durch welchen ein wenig Restblut gesickert war. „Jakotsu…“, hob er an und wusste nicht einmal, was er sagen sollte. „Bist … bist du hungrig? Soll ich dir was bringen? Oder brauchst du etwas anderes?“ „Ich bin wirklich sehr müde, Bankotsu. Ich möchte nur schlafen.“ Mit einem resignierten Seufzen erhob Bankotsu sich. Das war ja fabelhaft gelaufen. Vielleicht sollte er Jakotsu einfach noch ein paar Tage Zeit geben, sich zu erholen. Wenn er wieder auf der Höhe war, vielleicht konnten sie dann ja vernünftig miteinander reden. Als er die Treppe herunter ging, wartete Mukotsu unten auf ihn. „Da ist ein Bote.“ Im Stillen war Bankotsu dankbar, so fand er wenigstens eine Möglichkeit, sich abzulenken. Der Mann hatte geduldig auf der Veranda gewartet. Bankotsu erkannte an seiner Kleidung, dass er einem Fürsten dienen musste. Das Zeichen, das er trug war ihm jedoch unbekannt. „Habt Dank für Eure Zeit, Herr. Ich überbringe eine Nachricht von meinem Fürsten Kashiwagi. Er läd Euch höflichst in sein Anwesen ein, um einen Auftrag mit Euch zu besprechen. Geld spielt keine Rolle“, fügte der Mann hinzu, als er Bankotsus zerstreuten Gesichtsausdruck bemerkte. Dass dieser zerstreute Gesichtsausdruck jedoch nur daher rührte, dass bei ihnen gerade der Haussegen schief hing, konnte er ja nicht wissen. „In Ordnung. Ich werde mit Euch kommen.“   ~*~ Fürst Kashiwagi empfing ihn in einem geschmackvoll eingerichteten Raum, wo er meist seine Besprechungen abhielt. Nachdem Diener Tee und Kleingebäck gebracht hatten, ließ man sie alleine. Bankotsu ließ den Blick unauffällig über die Züge des Fürsten gleiten. Es war schwer, sein Alter einzuschätzen, jedoch hatte er ähnlich wie Jakotsu eine sehr androgyne Erscheinung mit einem leicht femininen Touch. Man mochte glauben, er war jung, doch seine Ausstrahlung und Souveränität ließen einen im nächsten Moment dann wieder zweifeln. „Ich möchte Euch noch einmal danken, dass Ihr meiner Einladung so schnell gefolgt seid, Bankotsu-san.“ „Was kann ich für Euch tun, Herr?“ Bankotsu hasste eigentlich dieses ganze Getue nach Etikette, aber er musste irgendwie einen guten, souveränen Eindruck hinterlassen und da passte das Benehmen, das sie teilweise zuhause an den Tag legten, nicht wirklich. „Nun… Ihr habt sicherlich vernommen, dass der Fürst Nobusaka und ich…“ Er hüstelte, „nicht gerade in Liebe zu einander entflammt sind.“ Dabei blitzte es in seinen Augen irgendwie schelmisch und irgendwie erinnerte er Bankotsu in diesem Moment an Jakotsu. Aber ja. Dass die beiden Fürsten, deren Ländereien aneinander grenzten, keine großen Sympathien füreinander hegten, war weitreichend bekannt. „Nun, ich bringe es auf den Punkt“, fuhr der Fürst fort. „Ich habe den werten Nobusaka schon seit einer geraumen Weile im Verdacht, dass er in meinen Ländereien wildern lässt. Was ich ihm natürlich nicht beweisen kann. Und weil Ihr mich gerade so skeptisch anseht: Es beschränkt sich nicht auf bloßes Wildern. Junge Wälder sind zerstört, Bäume regelrecht ausgerissen, Äcker so beschädigt, dass die Ernte verdirbt, sogar Vieh grausam abgeschlachtet… meine Pachtbauern sind zurecht aufgebracht, denn ihre Existenz hängt davon ab. Und meine Pachteinnahmen.“ Bankotsu nickte langsam. „Und Ihr wollt, dass wir dem auf den Grund gehen.“ „Man berichtet nur Erfolge von Euch und Euren Männern. Und für Diskretion würde ich Euch einen höheren Sold zahlen als den, den Ihr veranschlagt hättet. Selbstverständlich werdet Ihr eine großzügige Anzahlung erhalten, um Eure Unkosten zu decken. Die volle Summe nach Erfolg des Auftrages.“   ~*~ „Hältst du es für eine sehr gute Idee, allein zu gehen?“, wollte Renkotsu stirnrunzelnd wissen als Bankotsu sie über ihren neuen Auftrag ins Bilde setzte. „Ich werde nicht allein gehen, Mukotsu wird mich begleiten.“ „Was, warum ausgerechnet ich?“, wollte dieser ein wenig verdutzt wissen. „Weil ich kein Aufsehen erregen will. Renkotsu, ich schätze deine Waffenfertigkeit, aber deine ganzen Schießdinger machen unglaublichen Lärm.“ „Du meinst Kanonen“, berichtigte Renkotsu trocken, Bankotsu überging ihn. „Ginkotsu ist nicht gerade dafür geeignet, leise durch den Wald zu schleichen, Jakotsu fällt aufgrund seiner Verletzungen aus-“ dabei warf er Renkotsu einen vorwurfsvollen Blick zu, den dieser ungerührt erwiderte. „Suikotsu weiß ich momentan lieber bei Jakotsu als irgendwo anders, unkonzentriert ist der mir keine Hilfe. Und Mukotsu, deine Fähigkeiten sind unauffällig und wirkungsvoll, weshalb du mich begleiten wirst.“ Der kleine Söldner nickte und entfernte sich um alles, was er benötigte zusammen zu suchen. Und Bankotsu atmete im Stillen auf, dass man wohl keinen Verdacht geschöpft hatte als er Suikotsus Unbrauchbarkeit bei diesem Auftrag erwähnt hatte. In Wahrheit wollte er diesen nämlich einfach nur nicht in seiner Nähe haben momentan. Im Grunde wusste er, dass es kindisch war, aber zwischen ihm und dem Arzt herrschten momentan diverse Spannungen und die wollte er gerade jetzt nicht unbedingt vertiefen. Ein wenig Abstand wäre vermutlich nicht unvorteilhaft. Sie brachen noch am selben Tag auf. Fürst Kashiwagi hatte ihm alle Informationen mitgegeben, die er benötigte um dieser Angelegenheit auf die Schliche zu gehen. Dass er dafür Söldner engagierte war gar nicht so blöd, denn wenn er den anderen Fürsten öffentlich etwas bezichtigte, egal ob er schuldig war, oder nicht, dann käme das eine ungeheuren Beleidigung gleich. „Was haben wir eigentlich für Anhaltspunkte?“, wollte Mukotsu wissen als sie schon eine Weile unterwegs waren und ließ die Augen über das Gelände gleiten. Bankotsu fand es bemerkenswert, dass der kleine Kerl mit seinen Glubschaugen so eine scharfe Sicht hatte. Keiner von ihnen anderen konnte so weit in der Ferne Dinge erkennen, das hatte sich schon das ein oder andere Mal als äußerst nützlich herausgestellt. Wenn er daran dachte, wie gewaltig er ihn damals unterschätzt hatte, als er vor ihrer Tür gestanden und um Aufnahme gebeten hatte. Sowas würde ihm garantiert nicht noch einmal passieren. „Die Bauern meinten wohl, dass diese Verwüstungen immer nachts geschehen waren oder im Morgengrauen bei Nebel. Natürlich hat keiner was Genaues gesehen, weil sie sich zitternd unterm Bett versteckt haben“, fügte Bankotsu augenrollend hinzu. „So sind sie, die Bauern. Dummer Pöbel, der sich vor seinem eigenen Schatten fürchtet“, fügte Mukotsu gleichgültig hinzu. „Da vorne scheint eine der Stellen zu sein, wo dieser Unbekannte gewütet hat“, meinte der Giftmischer dann und zeigte in Richtung des Waldrandes. „Na, wenn das wirklich dieser Fürst war, dann muss er jemanden haben, der sich ganz schön weit in Kashiwagis Gebiet reintraut. Die Grenze ist fast am anderen Ende dieses Waldes“, erwiderte Bankotsu mit hochgezogenen Augenbrauen, während sie die Pferde in die richtige Richtung lenkten. Langsam fing diese Sache an, ihn zu interessieren. Als sie an jene Stelle gelangten, wurde ihnen zum ersten Mal ansatzweise das Ausmaß dieser Zerstörungswut bewusst. In den jungen Wald war eine richtige Schneise geschlagen worden, allerdings waren die Bäume nur zum Teil ausgerissen, zu einem anderen Teil waren sie einfach gesplittert wie Zahnstocher. Bei einem besonders großen Baum zügelten sie die Pferde und Bankotsu stieg ab, um die Stelle genau zu begutachten. „Also von Hand sind die Beschädigungen sicher nicht reingekommen“, murmelte er vor sich hin. „Irgendeine Waffe…?“ „Vielleicht läuft jemand mit ner zweiten Banryu rum?“, riet Mukotsu ins Blaue, was ihm ein abfälliges Schnauben einbrachte. „Banryu gibt’s nur einmal. Außerdem ist diese Einschlagstelle viel zu stumpf und zu breit als dass sie von einer Waffe wie einem Schwert oder eine Hellebarde stammen könnte. Solche Waffen schneiden alles entzwei, wenn sie gut gemacht sind, aber sie schlagen nicht solche Löcher.“ Daraufhin zuckte der Giftmischer mit den Schultern. „Mit Waffen kenn ich mich kaum aus, wie du weißt, da bin ich wenig hilfreich.“ Bankotsu erwiderte nichts darauf, da er konzentriert die Stelle nach irgendwelchen Anhaltspunktenabsuchte. Und er wurde fündig. An einer Stelle war der Boden leicht geschwärzt. „Wahnsinn, da hat jemand so eine Schlagkraft, dass er mit seiner Waffe das Holz des Baumes angekokelt hat…“ „Es ist leicht beunruhigend, dass du das so faszinierend findest, wir sollten auf der Hut sein“, murmelte der Giftmischer unbehaglich und sah sich um als würden sie genau in diesem Moment beobachtet werden. „Glaubst du, es handelt sich um einen Dämon?“, fügte er dann hinzu als Bankotsu nicht reagierte. Der erhob sich schließlich. „Es ist gut möglich. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass ein Mensch so etwas fertig bringt, aber von so jemandem müsste man doch irgendwie schonmal gehört haben, meinst du nicht?“ „Vermutlich.“ „Hast du irgendein Gift, das uns im Zweifel gegen einen Dämon hilft?“ „Ist der Himmel blau?“ Bankotsu sah etwas irritiert zum Himmel, woraufhin der andere glucksend meinte, „Das war eine rhetorische Frage, selbstverständlich habe ich die. Sonst hätte ich mich sicherlich niemals auf so eine riskante Mission begeben.“ Bankotsu verzog das Gesicht während er zu seinem Pferd zurückging. „Meine Kraft reicht dir wohl nicht als Sicherheit, hm?“, stichelte er gespielt beleidigt. „Warte einen Moment“, meinte Mukotsu plötzlich und kramte etwas aus einer der Satteltaschen seines Ponys. Dann reichte er Bankotsu ein kleines, merkwürdig riechendes Leinensäckchen. „Was ist das?“ „Myrrhe und Teebaumöl, das überdeckt den menschlichen Geruch für Dämonen. Die ganz niederen zumindest. Hochrangigen bin ich glücklicherweise nicht allzu oft begegnet bisher.“ Bankotsu nahm es kommentarlos entgegen und schob sich das Leinensäckchen zwischen Brustharnisch und Jimbei, während er im Stillen seiner Idee dankte, seine Banryu doch nicht daheim zu lassen, um unauffälliger zu wirken. Die Waffe gab ihm einmal mehr Sicherheit und Stärke.   ~*~ Als Jakotsu erwachte, fühlte er sich seltsam schwummrig. Den Schmerz seiner Wunden spürte er nur unterschwellig. Vermutlich lag das noch an der Restwirkung des Opiums, das Suikotsu ihm eingeflößt hatte. Er war wohl so weggetreten gewesen, dass er nicht einmal wusste, welchen Tag sie heute hatten. Er lag auf dem Bauch, also versuchte er sich mit den Händen ein wenig in die Höhe zu stemmen – ein schmerzerfülltes Zischen entwich ihm, doch er biss die Zähne zusammen. Wäre ja noch schöner, wenn er jetzt wieder die Heulsuse spielte. Suikotsu musste seine Wunden genäht haben. Trotz seiner Fingerfertigkeit würden wohl Narben zurück bleiben. Jakotsu dachte an seine Strafe zurück und ein klammes Gefühl machte sich in seinem Brustkorb breit als er daran dachte, wie wütend Bankotsu auf ihn gewesen sein musste. Er wollte nicht, dass Bankotsu so wütend auf ihn war. Aber was war mit ihm selbst? War er nicht auch wütend? Durfte er überhaupt wütend sein oder hatte er das hinzunehmen? Immerhin waren sie längst nicht mehr alleine und Bankotsu wollte offensichtlich als Anführer keinem seiner Männer einen Vorzug geben. Bankotsu hatte sich überhaupt verändert in der letzten Zeit. Sie beide hatten sich verändert. Vielleicht war es nun wirklich an der Zeit, dass sie getrennte Wege gingen. Vielleicht sollte er bei Nakamura bleiben als sein Geliebter, sein Betthäschen. Wie verlockend dieser Gedanke war, so fühlte er sich gleichsam auch so unendlich falsch an. Jakotsu wollte niemandes Betthäschen mehr sein. Er wollte nicht mehr süß und lieblich für jemanden sein, Liebe ließ sich ohnehin nicht für ihn finden in dieser Welt. Und er fasste einen Entschluss. Er würde nach Bankotsu der Stärkste von ihnen werden. So stark, dass nicht einmal mehr Renkotsu es wagen würde, auch nur ein schlechtes Wort über ihn zu verlieren. Aber zuerst musste noch etwas erledigt werden. Jemand musste beseitigt werden, das letzte Bisschen, das ihn noch mit seiner Vergangenheit verband. Matsumoto musste durch seine Klingen sterben. „Du solltest dich besser nicht zu viel bewegen“, ließ Suikotsus Stimme ihn aus seinen düsteren Rachegedanken schrecken. Der Arzt hatte gerade den Raum betreten, ein Tablett mit einer Schüssel Reis und einer Schale Brühe in den Händen. „Die Wunden sind gut verschlossen, aber die eine ist so tief, dass sie bei zu großer Anstrengung wieder aufreißen könnte.“ „Ich übernehme mich schon nicht“, murmelte Jakotsu, dem plötzlich beim Geruch des Essens das Wasser im Mund zusammen lief. „Das will ich dir auch nicht raten. Ich kanns nämlich nicht leiden, wenn meine Patienten nicht auf mich hören und tun, was sie wollen“, brummte der andere Söldner. „Wann hab ich denn je nicht auf dich gehört?“, erwiderte Jakotsu spöttisch, während er begann, den Reis in sich hinein zu schaufeln. „Bankotsu ist mit Mukotsu zu einem Auftrag aufgebrochen.“ „Alleine mit Mukotsu? Warum denn ausgerechnet mit dem?“ Suikotsu erklärte ihm dasselbe, das Bankotsu zuvor ihnen erklärt hatte. Im Grunde war es Jakotsu eigentlich ganz recht, wenn Bankotsu nicht da war. Er wollte im Moment nicht, dass sein Anführer ihn so schwach sah. Nicht nachdem was geschehen war.   ~*~ Es ging bereits auf die Abenddämmerung zu als sie das erste Mal ein Geräusch vernahmen. Es war schwach, der Verursacher noch weit weg, aber deutlich zu vernehmen, dass es kein Geräusch des Waldes war. Bankotsu und Mukotsu sahen sich an, stiegen dann beide von ihren Pferden und banden sie an einer sicheren Stelle an. Weder wollten sie die Tiere in Gefahr bringen, noch sich selbst allzu schnell verraten. Das Geräusch von splitterndem Holz war erneut zu vernehmen. Bankotsus Herz begann vor Vorfreude schneller zu schlagen. Ein Kampf, das war genau das, was er jetzt brauchte. Sie näherten sich vorsichtig der Geräuschquelle, ihr Weg jedoch endete an einem steilen Abhang, der vorerst kein Weiterkommen zuließ. Das war jedoch überhaupt nicht nötig, denn wie es schien hatten sie den Verursacher endlich gefunden. „Ist das ein Dämon oder ein Mensch?“, japste Mukotsu und Bankotsu herrschte ihn mit einem angespannten „Pscht!“ an ruhig zu sein. Wie gebannt beobachtete er wie ein Koloss von einem Mann mit einem riesigen Morgenstern auf die Bäume einhieb, die ihm im Wege waren, sogar die kleine Brücke, die über das Wasser führte, das sich in der Schlucht in Form eines lieblichen Flüsschens schlängelte, hatte dran glauben müssen. Nachdem er ihn eine Weile beobachtet hatte, stellte er verblüfft fest, dass der Riese gar nichtmal versuchte, leise und vorsichtig zu sein, um ja nicht geschnappt zu werden, sondern mehr beiläufig und lässig wirkte, wie er da so wütete. Er musste sich seiner Kraft sehr sicher sein. Und die war gar nicht unbeachtlich stellte er fest als dieses Ungetüm als bereite es ihm keinerlei Mühe einfach einen Felsen mit seiner Waffe entzwei hieb. Was für ein Gegner für ihn. Was für eine Herausforderung. „Wir folgen ihm“, beschloss Bankotsu dann kurzerhand, während die Dunkelheit langsam über ihnen hereinbrach.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)