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Rot wie Blut

Die Legende der Shichinintai
von

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Suikotsu

„Herr, Herr! Da sind Fremde, die Euch sprechen wollen!“ Hayato sah missbilligend von seinen Unterlagen auf.

„Sojiro“, sagte er langsam und unausgeglichen, „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass ich nicht gestört werden will, wenn ich gerade an meinen Aufzeichnungen arbeite. Das erfordert höchste Konzentration.“

Der Junge hielt einen Moment inne, verunsichert, weil er bemerkte, dass die böse Seite des Arztes wieder dominanter war. Das war in den letzten Monaten sehr schlimm geworden.

„I-ich dachte, dass…“

„Ja, du dachtest“, grollte Hayato und legte brüsk seine Tintenfeder weg, um von dem kleinen Schreibtisch auf zu stehen.

„Was wollen sie?“

„Herr, das solltet Ihr vielleicht lieber selbst-“

„Bist du eigentlich zu irgendwas zu gebrauchen!“, wurde der Junge zurecht gestutzt, welcher in sich zusammen sank.

„Sie warten unten im Vorraum.“

Hayato lag schon eine sehr unfreundliche Abweisung auf der Zunge. Doch dann sah er, wer ihn da besuchte und seine Züge wurden weich, nur einen kurzen Augenblick.

„Jakotsu! Was – was macht Ihr denn hier?“

Jakotsu, welcher es sich im Vergleich zu seinem riesenhaften Gefährten, der irgendwie wie bestellt und nicht abgeholt mitten im Raum stand und sich nicht rührte, auf einem Diwan bequem gemacht hatte, lächelte müde als er den Arzt erblickte.

Das Lächeln erstarb jedoch schnell und wich einer kummervollen Miene und Hayato biss sich heimlich auf die Zunge, weil seine verborgene Leidenschaft, sein Beschützerinstinkt, den er diesem Mann gegenüber damals schon empfunden hatte, sofort ansprang.

„Bankotsu ist krank. Und er will sich nur von dir behandeln lassen. Du musst mit uns kommen, andernfalls könnte es sein, dass er … dass er …“

Jakotsu sprach es nicht aus, aber die bleiche Miene des jungen Mannes sprach Bände.

„Was fehlt ihm?“

Jakotsu zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht. Er hat Fieber und zittert ständig, als wär er von einem Dämon besessen… Bitte, wir müssen sofort aufbrechen…“

„Ich kann hier nicht einfach weg…“, wandte Hayato zögerlich ein und fühlte sich hin- und hergerissen. „Ich habe hier Verantwortung…“

„Und du stehst in unserer Schuld!“, erwiderte Jakotsu eisig und sah ihn durchdringend an und Hayato liefen Schauer über den Körper. Schauer, weil er diese Härte, diese Kälte von Jakotsu nicht kannte, und Schauer, weil ihm dieser Blick direkt in die Lendengegend rieselte, ohne, dass er etwas dagegen tun konnte. Seine teuflische Seite lechzte nicht erst seit heute nach dem jungen Mann, der ihm damals zum Abschied so ein lustvolles Geschenk gemacht hatte.

Hayato seufzte unausgeglichen. „Sojiro, sorg dafür, dass unsere Gäste etwas zu Essen bekommen. Ich werde in der Zwischenzeit meine Sachen zusammen packen“, fügte er mit einem erklärenden Blick auf seine Besucher hinzu. Es würde nicht lange dauern. Sicher nicht. In ein paar Tagen wäre er bestimmt zurück. Dachte er.

 

~*~

 

 
 

Es war Winter, aber warum war ihm nur so heiß? Bankotsu lief durch einen Wald. Er trug eine edle Rüstung, deren Gewicht er auf den Schultern lasten spürte und in seinem Bein steckte ein Pfeil. Ein Pfeil? Wo kam dieser Pfeil her? Sie mussten fliehen! Sie machten Jagd auf sie. Bankotsu verspürte eine grauenvolle Angst, doch es war keine Angst um sich selbst – es war die Angst um seine Gefährten. Die Angst, versagt zu haben, denn keiner von ihnen war hier, in seiner Nähe.

„Bankotsu!“, rief eine Stimme plötzlich und Bankotsu konnte nicht sagen wessen Stimme es war, „Bankotsu, es regnet!“

Was? Regen? Bankotsu sah zum Himmel und er sah eine Wolke, die näher kam und als sie näher kam, sah er dass es Pfeile waren, unbarmherzig und gnadenlos und sie schlugen ein tausendfach in seinem Körper, doch Bankotsu fühlte keinen Schmerz und als es dunkel wurde um ihn her, da fragte er sich, ob sich so sterben anfühlte…

 

 

~*~
 

Eine angenehme feuchte Kühle lag auf seiner Stirn. Bankotsu wollte die Augen nicht aufschlagen aus Angst, sie zu verscheuchen. Er hörte Stimmen, gedämpft. Sie sollten doch bitte ruhig sein.

„Man nennt es Grippe. Die verursacht Fieber und Schmerzen in der Lunge und den Schüttelfrost, den Ihr gesehen habt.“

„Wird er wieder gesund?“ Das war Jakotsu. Er klang müde. Wieso klang er nur so schrecklich müde?

Schlaf kam wieder über Bankotsu, noch ehe er die Augen geöffnet hatte.
 

Als er erneut erwachte, war es Morgen. Das glaubte er zumindest an dem Winkel erkennen zu können, wie die Sonne in die Fenster schien. Bankotsu lag auf seinem Futon und spürte, wie noch kalter Schweiß auf seinem Körper lag. Und er fühlte sich schwach. So elendig schwach. Er wandte den Kopf zur Seite, um aus dem Fenster sehen zu können. Draußen war der Schnee etwas geschmolzen, es schien wärmer zu werden. War der Winter schon vergangen? In solch einer kurzen Zeit?

Die Schiebetür öffnete sich und an den Schritten erkannte er, dass es Jakotsu war, der herein kam.

„Oh, du bist wach“, sagte dieser erleichtert, als er bemerkte, dass Bankotsu die Augen offen hatte, und setzte sich neben ihn. Dabei griff er zu der mitgebrachten Wasserschüssel und wrang ein Tuch aus, um Bankotsu damit die Stirn zu tupfen.

„Ein Glück, ich … wir waren wirklich in Sorge. Aber Suikotsu konnte dein Leben retten.“

„Sui … kotsu?“

„Hayato … du hast doch nach ihm verlangt…“

„Du bist den … den ganzen Weg alleine zurück, nur weil… das … das ist doch gefährlich…“

„Du solltest nicht so viel sprechen. Ginkotsu hat mich begleitet. Und Suikotsu wird jetzt bleiben. Ich dachte, ich sag dir das, weil du dir das doch von Anfang an gewünscht hast.“

„Suikotsu… das ist jetzt sein Name? Dann hat seine dunkle Seite…“

Jakotsu zuckte mit den Schultern. „Nicht vollständig. Manchmal ist Hayato noch da, aber … aber es gibt da einen Grund für Suikotsu, die Übermacht zu behalten, hier zu bleiben.“

Was das für ein Grund war, das würde Bankotsu jedoch nicht von ihm erfahren. Es war Suikotsus tiefes Verlangen, nach ihm, Jakotsu. Wenn Bankotsu davon gewusst hätte, dann hätte er sich vielleicht doch noch einmal anders überlegt. Und Jakotsu hatte gemerkt, dass er selbst das nicht mehr wollte. Er genoss die Lust, die animalische Wildheit, die von Suikotsu ausging, denn er half ihm, sich lebendig zu fühlen und im Gegenzug verlieh er dem Monster in Hayato Macht. Jedes Mal, wenn sie es trieben und das hatten sie oft getan in den letzten Tagen, meistens dann, wenn die Sorge um Bankotsu übermenschlich geworden war, da dieser sich im Delirium befand, die Anspannung zu groß wurde, um noch einen weiteren klaren Gedanken zu fassen, oder wenn der rasende Zorn, der in Suikotsu lebte, Überhand nahm und ausbrechen musste. Es hatte viele Gelegenheiten gegeben und Jakotsu gefiel der Gedanke, dass er allein Suikotsu kontrollieren konnte. Für Bankotsu. Und für sich selbst.

„Wie lange … war ich in diesem Zustand?“

„Beinahe zehn Tage“, entgegnete Jakotsu behutsam, „aber du warst mehr im Delirium als wirklich da …“

Zehn Tage! Bankotsu wurde ganz anders. Zwei Wochen war er seinen Gefährten zur Last gefallen.

„Hast du Hunger?“

Jetzt erst bemerkte Bankotsu das Loch in seinem Bauch.

„Ohja, sehr sogar…“, nuschelte er und sah leidend zu Jakotsu hoch, welcher grinste. „Ich gehe dir etwas Suppe holen, wir haben noch genug über von gestern.“

„Die hast aber nicht du gekocht, oder?“

„Was? Was gibt’s an meinem Essen auszusetzen, du unmöglicher Kerl!“, schnaubte Jakotsu leicht beleidigt, „gut, sag nichts, mein Essen ist scheußlich. Aber ich kann dich beruhigen, Suikotsu hat das gekocht. Er kocht wirklich überraschend gut, ich meine in Anbetracht dessen, dass er während der ganzen Zeit vor sich hinflucht und einen mit Küchenutensilien bewirft, wenn man ihn stört.“

Bankotsu musste leise lachen. Jakotsu erwiderte ein schiefes Lächeln und stand dann auf um seinem Anführer etwas Essbares zu organisieren.

Er war wirklich erleichtert. Er hatte es zwar angedeutet, aber wie schlimm es tatsächlich um Bankotsu gestanden hatte … wenn er zurück dachte, wurde ihm immer noch übel und er hatte eine ganze Weile mit dem Gedanken kämpfen müssen, was wäre, wenn sein Freund … Er schüttelte den Kopf. Sie mussten jetzt nach vorne sehen. Dass Bankotsu Hunger hatte, war schon ein sehr gutes Zeichen – er wirkte sehr ausgezehrt durch die Krankheit und das bei seiner ohnehin schon eher zierlichen Konstitution.

 

~*~
 

„Was hab ich noch verpasst?“, verlangte Bankotsu zu wissen, während er dabei war, Suppe in sich reinzuschaufeln.

„Man sagt, dass es bald Krieg geben wird“, antwortete Renkotsu, der vor einer kurzen Weile das Zimmer betreten hatte, um nach Bankotsu zu sehen. Den Blick, den er zuvor noch aus dem Fenster gerichtet hatte, wandte er dann wieder zu Bankotsu.

Der ließ die Schüssel sinken und erwiderte nachdenklich, „Das bedeutet, dass die Kriegsherren starke Männer anheuern müssen.“

Renkotsu nickte, „und weil die Pest so stark gewütet hat letztes Jahr, ist es schwierig, in kurzer Zeit viele Männer zu bekommen.“

Ein Leuchten trat in Bankotsus Augen. „So ein Krieg zwischen Feudalherren ist genau das richtige für uns – wir werden uns einen Namen machen und bald werden wir-“

„Du wirst so schnell gar nichts!“, schnappte Jakotsu böse, während er Renkotsu einen strafenden Blick zuwarf, der diesen einfach ignorierte und den seinen wieder aus dem Fenster wandte. „Du wirst erstmal wieder gesund und dann kannst du immer noch darüber nachdenken, wann du dich das nächste Mal in irgendeine Schlacht stürzt!“

„Mir geht’s schon wieder gut, benimm dich nicht wie eine Glucke…“

„Ich benehme mich nicht wie eine Glucke, entschuldige bitte, wenn ich mir Sorgen um dein verdammtes Leben machte!“, brauste Jakotsu auf und stapfte aus dem Raum, wobei er die Tür hinter sich so heftig zustieß, dass Putz von der Decke rieselte und Bankotsu zusammen zuckte.

„Du liebes Bisschen“, murmelte er, „der hat ja wieder eine Laune.“

„Lass ihn“, meinte Renkotsu gelangweilt, „der kriegt sich schon wieder ein. Ich glaube, dass ist seine etwas merkwürdige Art, dir zu zeigen, dass er dich gern hat.“

Bankotsu seufzte, „ich kann eben einfach nicht untätig rumsitzen: Das macht mich wahnsinnig.“

„Du bist zu ungeduldig mit dir selbst, Bankotsu“, beschied Renkotsu und ließ seinen musternden Blick auf dem anderen ruhen. „Du solltest dich auf die Suche nach deiner inneren Ruhe begeben. Dann wird auch das hier alles erträglicher.“

„Innere Ruhe, so ein Blödsinn…“, murmelte Bankotsu unleidlich.

„Du bist heute gerade erst wieder zu Bewusstsein gekommen“, erwiderte der ehemalige Mönch unbeeindruckt, denn Bankotsu verhielt sich gerade mehr wie ein bockiges Kind als seines Alters entsprechend, „mir ist es gleich, aber ich glaube, wenn du so stur bleibst, dann bekommst du es mit Suikotsu zu tun und den habe ich in den letzten Tagen nicht als den geduldigsten Menschen kennengelernt. Und da er dein Arzt ist, wirst du gar keine andere Wahl haben, als dich zu beugen.“

Die Worte hatten so resolut geklungen, dass Bankotsu in sich zusammen sank. Aber er gab keine Widerworte mehr.
 

Renkotsu stand auf. „So, ich werde dich nun etwas alleine lassen. Ich habe noch zu tun, und du brauchst Erholung. Bankotsu brummte nur etwas Unleidliches vor sich hin und als Renkotsu den Raum verließ, legte er sich zurück auf seinen Futon. Er fühlte sich tatsächlich matter und ausgelaugter, als er hatte zugeben wollen. Vielleicht sollte er einfach noch eine Weile schlafen und morgen … ja, morgen fühlte er sich bestimmt wieder besser.

 

~*~
 

Es waren einige Wochen vergangen und Bankotsu war wieder auf dem Damm, als sie plötzlich überraschenden Besuch bekamen.

„Bankotsu“, meinte Jakotsu atemlos, „Da sind ein paar offiziell aussehende Männer, die wollen mit dir sprechen!“

Bankotsu runzelte die Stirn und stand schließlich auf um nach draußen zu gehen. Offiziell aussehend, gut, entweder hatten die Leute endlich bemerkt, dass hier wieder jemand wohnte und das ohne Steuern zu zahlen oder, und das war etwas, worauf Bankotsu eher hoffte, es waren die Männer des Daimyo der Krieger für seine Sache anheuern wollte. Er hatte da die letzten Male, als sie in der Stadt gewesen waren, so ein paar Gerüchte aufgeschnappt.
 

Bankotsus Blick flog sofort über die Männer. Sie sahen amtlich aus, trugen offizielle Kleidung, aber wie Untergebene eines Daimyo wirkten sie nicht.

„Seid Ihr der Herr des Hauses?“, richtete der eine, ein älterer Mann mit schmalem Gesicht und einem abfälligen Blick das Wort an ihn. Bankotsu straffte die Gestalt. „Wer will das wissen?“

„Die Verwaltung des Bezirks, in das dieses Anwesen fällt. Uns wurde nicht gemeldet, dass dieses Haus in jemandes Besitz übergegangen ist. Ihr wisst, dass Hausbesetzung unter Geldstrafe steht.“

„Nun“, sagte Bankotsu kühl, „Ich bin kein Hausbesetzer. Dieses Haus und das umgrenzende Land stehen seit Generationen im Besitz meiner Familie.“

Die Männer warfen sich bedeutungsvolle Blicke zu und der, der als erstes gesprochen hatte, fragte ihn dann mit einem durchdringenden Blick: „Wie ist Euer Name, Herr?“

Bankotsu hob an, dem Mann seinen richtigen Namen zu nennen, hielt jedoch dann einen Moment inne. Was, wenn man ihn immer noch verdächtigte, der Mörder seiner Familie zu sein? Man hatte ihn damals gesehen. Das konnte er nicht riskieren. Also sagte er: „Mein Name ist Segawa Hideo, ich überlebte als einziger das Massaker an meiner Familie.“

„Der älteste Sohn Segawas!“, entfuhr es einem der anderen Männer verblüfft. „Man hat niemals eine Leiche gefunden – verzeiht, man hielt Euch für tot!“

Der erste jedoch wollte sich nicht so leicht überzeugen lassen. „Verzeiht, aber dies kann ein jeder von sich behaupten, der auch nur gerüchteweise von dieser Tragödie gehört hat. Könnt Ihr beweisen, dass Ihr der seid, der Ihr vorgebt, zu sein? Und wo habt Ihr Euch so lange aufgehalten, warum habt Ihr nicht gleich Euren Besitz geltend gemacht? Und wieso habt Ihr Euch nicht im Bezirk gemeldet?“

Bankotsu ahnte schon, dass dieser Mann sich nicht so leicht narren ließ. Das würde vielleicht schwieriger werden, als gedacht.

„Er holte tief Luft und sagte dann: Ich … habe den Dämon gejagt, der Besitz von meinem Bruder Takeshi ergriff und meine Familie auf dem Gewissen hat und habe mir geschworen, nicht eher zu ruhen, bis ich ihn nicht zur Strecke gebracht habe. Und das ist mir vor nicht sehr langer Zeit gelungen und da ich nun meinen Frieden wieder habe, bin ich zurückgekehrt – mit meinem Kampfgefährten. Beweisen kann ich es Euch nicht, doch stellt mir jede erdenkliche Frage zu meiner Familie und ich werde sie Euch beantworten können.“

Abermals warfen die Männer sich Blicke zu.

„Nun gut“, erwiderte der erste Mann schließlich sich räuspernd, „Habt Ihr Räumlichkeiten, in die wir uns begeben können? Dies wird wohl etwas länger dauern. Ich bin verpflichtet, einen Bericht abzuliefern…“

Bankotsu widerstrebte es, diese Männer in sein Haus zu lassen, doch schließlich willigte er ein ohne eine Miene zu verziehen.
 

~*~
 

„Es war nicht sonderlich klug, ihnen zu erzählen, dass du dein eigener Bruder bist“, wurde er später von Renkotsu zurecht gewiesen.

„Und wieso nicht?“, erwiderte Bankotsu unwillig. „Das ist die einzige Lüge, die mir auf die Schnelle eingefallen ist, was hätte ich denn sagen sollen – die Wahrheit? Die hätten mir doch nie ein Wort geglaubt!“

„Ist dir schonmal in den Sinn gekommen, dass dein Bruder noch leben könnte? Du sagst selbst, dass man nur seine Leiche niemals gefunden hat. Wenn er nun zurück kommt und diesen Besitz hier beansprucht?“

„Dann werde ich ihn töten ehe es so weit kommt“, sagte Bankotsu plötzlich mit einer Härte in der Stimme, die ihn selbst erschreckte. Wann war es geschehen, dass er keine Wärme mehr übrig hatte für seinen Bruder, der vielleicht als einziger noch am Leben war? Der Zeitpunkt, an dem er zu Bankotsu wurde, als er alles verloren hatte, das musste es gewesen sein. Da war nichts mehr, keine Emotion, wenn er an Vergangenes dachte. Renkotsu urteilte nicht über seine Worte, das rechnete er ihm hoch an.

 

~*~
 

Diese Nacht hatte Bankotsu wieder einen Traum. Doch diesmal träumte er nicht von Verderben, diesmal träumte er von Ruhm und Stärke. Und von einer Zahl. Sieben. Sieben, immer die Sieben. Als er am nächsten Morgen aufwachte, da taute es. Und plötzlich verspürte er tiefe Gewissheit. Sieben mussten sie sein. Sieben Männer, Sieben Krieger, Sieben Söldner. Sieben war eine starke Zahl und er würde sie führen. Und sie würden in die Geschichte Japans eingehen.

 

~*~

 

 
 

„Das ist unsere Gelegenheit, uns unter Beweis zu stellen!“, erklärte Bankotsu und sah seine Gefährten mit einem Funkeln in den Augen an. „Sie haben ein Kopfgeld auf diese Diebesbande ausgesetzt, weil niemand sich traut, sich gegen sie aufzulehnen.“

„Diebesbande“, spie Suikotsu verächtlich aus.

„Sie terrorisieren die umliegenden Dörfer“, fügte Renkotsu an, der sich umgehört hatte. Als Mönch fiel er nicht weiter auf, wenn er sich unter die Menschen mischte und Informationen filterte. Auch gaben ihm die Menschen schneller und bereitwilliger Auskunft.

„Ihr Versteck liegt in den Bergen, sagt man und das macht es so schwierig, an sie heran zu kommen.Man gerät schnell in einen Hinterhalt. Und sie entführen die Frauen und jungen Mädchen, die sich alleine zu weit fort wagen und halten Sie sich zum Lustvertreib.“

„Widerlich“, rümpfte Bankotsu die Nase. „Wenn wir diese Bande aufmischen, dann wird man auf uns aufmerksam. Ich denk dabei nichtmal an das Geld.“

„Solltest du aber“, wandte Jakotsu energisch ein, der dieses Gespräch mit vor der Brust verschränkten Armen bisher still verfolgt hatte, „wenn wir uns schon in Gefahr begeben, dann soll wenigstens was dabei rausspringen. Im Gegensatz zu dir ist mir irgendwelcher Ruhm egal, ich will das Geld.“

„Ist da jemand feige?“, schnurrte Suikotsu spöttisch und Jakotsu warf ihm einen bitterbösen Blick zu. „Ich bin nicht feige, ich mag es nur, zu wissen, dass ich mir die Hände nicht umsonst schmutzig mache. Und dass ich vielleicht nicht sterbe.“

„Jakotsu, krieg dich ein“, meinte Bankotsu gebieterisch und hob eine Hand, „wenn wir nur darüber nachdenken, wie wir gerade so überleben können, dann ist alles sinnlos. Wir müssen größer denken, weiter….“ Er warf Renkotsu einen etwas hilflosen Blick zu, welcher sachlich ausführte: „Wir investieren in uns selbst. Das bedeutet, Opfer bringen. Dass jemand wie Jakotsu das nicht versteht, war uns von vorneherein klar.“ Dabei ruhten die kühlen, schmalen Augen abfällig auf dem jungen Mann im rosa Yukata. Und das brachte Jakotsu fast zur Weißglut.

„Du kannst mich mal, Renkotsu!“, fuhr er schließlich auf, doch ehe er sich weiter ereifern konnte, herrschte Bankotsu ihn an, „Ruhe jetzt! Renkotsu hat Recht, wir müssen größer denken. Und vielleicht verstehst du das auch mal, Jakotsu, dann würde hier auch Frieden herrschen.“

Jakotsu schnappte nach Luft und schwieg dann ein eisiges Schweigen. Bankotsu hatte so das dumpfe Gefühl, dass er das noch bereuen würde, aber er war nunmal der Anführer, klare Ansagen mussten sein, auch wenn das bedeutete, dass er den Zorn von jemandem auf sich zog, dessen Zorn er eigentlich nicht auf sich ziehen wollte, weil der ihm heimlich in vertraulichen Stunden so oft diese lustvollen Glücksmomente bescherte, die er nicht missen wollte.

Es war zu dumm, dass die Liebe zwischen Renkotsu und Jakotsu in den Monaten, die sie mittlerweile zusammen waren, nicht sonderlich gewachsen war. Und das war manchmal sehr anstrengend, da ziemlich oft die Fetzen flogen zwischen den beiden. Es war nicht von der Hand zu weisen, dass Jakotsu sich darüber ärgerte wie viel klüger und gebildeter Renkotsu war und es war nicht von der Hand zu weisen, wie wenig Renkotsu für Jakotsus Naivität und sein ungebildetes Betragen übrig hatte, denn Jakotsu konnte weder Lesen und Schreiben, noch Rechnen. Dummerweise regte sich Jakotsu in regelmäßigen Abständen darüber auf, dass Bankotsu Renkotsus Gegenwart oft den Vorzug gab, da dieser die meisten klügeren konstruktiven Beiträge zu ihrem Vorankommen lieferte.

Und jetzt wollte Bankotsu auch noch ihre Zahl auf sieben erhöhen, das gefiel ihm noch weniger. Aber Jakotsu musste sich fügen, das wussten sie alle, denn er wusste, genauso, wie sie alle nicht, wo er sonst hinsollte.

Und um ehrlich zu sein und es fiel Bankotsu wirklich schwer, das zuzugeben, Jakotsu hatte sich in der letzten Zeit zu so einem erstaunlich guten Kämpfer mit seinem Schlangenschwert entwickelt, dass er ihn als Gefährten genauso wenig missen wollte, wie das Waffengenie Renkotsu.

Er musste sich dringend etwas einfallen lassen, um den beiden Vertrauen zueinander einzuimpfen…



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