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Rot wie Blut

Die Legende der Shichinintai
von

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Takanagas Waffenkunst

Als Bankotsu am nächsten Tag erwachte, bemerkte er nach einem kurzen Blick durch das Fenster, dass es schneite. 

Der erste Schnee. Er hatte schlecht geschlafen - Erinnerungsfetzen hatten ihn geplagt und er hatte migräneartige Kopfschmerzen. 

Mit einem Stöhnen vergrub er den Kopf unter der Bettdecke und rollte sich in Embryonalhaltung zusammen. Heute Morgen war es ungemütlich kalt. Sie waren nun schon etwa drei Tage hier und zuvor war immer geheizt worden. Haruyama hatte sich gewissenhaft um so etwas gekümmert. Bankotsu glaubte mittlerweile nicht mehr, dass von dem kauzigen Riesen irgendeine Gefahr ausging. Man konnte zwar nicht wirklich mit ihm sprechen, aber wenn man etwas zu ihm sagte, so verstand er einen wenigstens. 

Ein angenehmer Kontrast zu der Quasselstrippe Jakotsu und dem sonderbaren Mönch, von dem er nicht wusste, was er von ihm halten sollte. Irgendetwas an ihm hatte sein Interesse geweckt.

Bankotsu stöhnte leise und zog sich die Bettdecke wieder vom Gesicht.  Schlafen konnte er jetzt ohnehin nicht mehr, also konnte er genauso gut aufstehen. Wenn sie schon den Winter über hier blieben, dann konnte er die Zeit auch sinnvoll nutzen. 
 

Und außerdem, fiel ihm ein, als er aufstand und erst einmal fröstelte, sollte er um wärmere Kleidung bitten, hier oben war es nämlich wieder ein ganzes Stück kälter. 

Kurze Zeit später begann er, das Anwesen zu durchkämmen.

Bankotsu wusste, dass es unhöflich war, einfach so nach eigenem Gutdünken durch eine fremde Wohnstätte zu streunen, ein schlechtes Gewissen empfand er jedoch nicht dabei. 

Und seine vergessenen Manieren sollten sich nämlich schon bald bezahlt machen - in einem der Räume, wohl ein altes Ankleidezimmer, befanden sich mehrere Wandschränke, die er aufs Geratewohl hin aufzog. Im ersten befanden sich mehrere alte Mönchskutten, die allerdings sicher seit einer langen Zeit schon nicht mehr angefasst worden waren. Die Motten, die ihm entgegen flogen, bewegten ihn dazu, die Schiebetüren schnell wieder zuzustoßen. Im zweiten Schrank wurde er allerdings fündig. Überwürfe aus Pelz, Kopfbedeckungen und andere Winterkleidung kamen zum Vorschein und nach kurzer Zeit entschied er sich für einen abgegriffenen warmen Überwurf mit grauem Pelz.Kurzerhand zog er auch etwas für Jakotsu aus dem Schrank - der Junge sollte sich unbedingt angewöhnen, Hosen zu tragen, dachte Bankotsu bei sich, sonst würde er diesen

Winter nicht überleben. 
 

Aus der Ferne war plötzlich ein Knall zu hören und Bankotsu spitzte die Ohren. Das hatte ganz nach einer ... Explosion geklungen? 

Als er sich einige Schritte von der Wohnstätte entfernt hatte, um die Quelle der Explosion ergründen zu können, blieb er stehen und schirmte sich mit einer Hand die Augen ab.

Kurzerhand entschloss er sich, dem Weg zu folgen, auf welchem man noch ganz schwache Fußspuren erkennen konnte. Fußspuren und irgendeine seltsame Schleifspur. 

Eine Weile folgte er diesem Weg, ehe wieder ein Knall zu hören war - augenblicklich sah Bankotsu auf und bemerkte am Himmel ein helles Leuchten, das allerdings schnell wieder verebbte. 

Ob dieser Mönch wohl dahintersteckte? Er konnte sich nicht vorstellen, wer hier in der Umgebung sonst noch leben sollte, außer ein paar wilden Tieren. 

Erlief einen Hügel hinauf und während diesem Aufstieg wurde die Baumpopulation langsam, aber stetig immer sparsamer. Auf der Spitze des Hügels angekommen, stand er auf einem nahezu freien Platz, der sich über mehrere Kilometer erstreckte. 

Und dort entdeckte er tatsächlich in einiger Entfernung den Mönch und den Hünen, vor einer seltsamen Apparatur. 

Takanaga sagte irgendetwas zu Haruyama und blickte sehr ernst dabei drein. Die Reaktion des Hünen war nicht zu deuten, aber offenbar schien er verstanden zu haben und reichte seinem Herrn einen kleinen Beutel, auf dessen Inhalt Bankotsu nun neugierig war. 

Zuerst zögernd kam er näher und dann rief er laut, da er nicht wollte, dass man dachte er spioniere ihnen hinterher: "Hier steckt Ihr also, Houshi-sama, ich hatte mich schon gewundert." 

Takanaga blickte auf und sah Bankotsu mit einem undeutbaren Blick an.

"Ich habe einiges zu tun. Dass Ihr hier seid, überrascht mich wenig, Ihr tragt schon eine gewisse Neugier in Eurer Aura." 

Bankotsu verzog das Gesicht, beschloss allerdings, diesen Seitenhieb über sich ergehen zu lassen,immerhin hatte er ihn gewisserweise verdient, und meinte stattdessen:

"Darf ich fragen, was genau Ihr hier tut?" 

Takanaga schien zu zögern, abzuwägen, aber befand die Sache schließlich als nicht brisant genug, dass er es ihm nicht erzählen konnte und antwortete schließlich: "Seht Ihr diese Apparatur?" 

Bankotsu folgte seinem Blick und nickte. Allerdings konnte er sich nicht so wirklich etwas darunter vorstellen.

"Man nennt es Kanone. Den Knall, den Ihr vorhin wahrscheinlich gehört habt, kommt von dem Schwarzpulver. Der dabei entstehende Druck wird dazu genutzt, ein Geschoss schneller und effektiver zu seinen Feinden zu befördern, als man es mit Pfeil und Bogen, Katapulten und Schleudern je könnte." 

Bankotsu bekam große Augen. "Das ... bringt ja jedem Shōgun, der darüber verfügt, immense Vorteile! Habt ihr das ganz allein gebaut, Houshi-sama? Das ist der absolute Wahnsinn!" 

Ehrfürchtig ging Bankotsu einmal um die Apparatur herum und Takanaga erwiderte etwas steif: "Es ist noch sehr verbesserungswürdig. Die Explosion bei der Zündung ist noch zu unkontrolliert und somit begibt sich jeder, der diese Waffe führen würde, in potentielle Gefahr - nicht, dass ich vorhätte, dieses Wissen mit irgendjemandem zu teilen." 

Das hatte Bankotsu auch nicht angenommen. Er konnte sich bei dem eigenbrötlerischen Mönch irgendwie nicht wirklich vorstellen, dass dieser solche Maschinen rein des Profits wegen entwarf und austüftelte. 

"Erklärt mir nochmal das mit dem Schwarzpulver." 

„Es wird gezündet und durch den Funken entsteht eine chemische Reaktion. Der Druck in dem kleinen Hohlraum vor dem Geschoss reicht aus, um selbiges abzufeuern, sodass es ernsthaften Schaden anrichten kann." 

Irrte er sich oder begannen die Augen des Mönchs bei diesen Ausführungen zu leuchten? 

"Es gibt noch andere Ausführungen von Schwarzpulverwaffen. Pistolen zum Beispiel - die Chinesen haben sie hierher gebracht und die haben sie von den Europäern: Sie werden mit einer Lunte gezündet, sehr mühselig und für einen Nahkampf nicht unbedingt geeignet, aber dafür sehr effektiv. Solch eine kleine Eisenkugel vermag sich durch Fleisch und Knochen zu fressen wie ein hartnäckiger Parasit.“ 

"Ihr interessiert Euch wohl sehr für die Kriegskunst?", hakte Bankotsu nach und freute sich, endlich so etwas, wie ein Gespräch mit dem Mönch führen zu können. 

Takanaga schnalzte mit der Zunge und blickte kurz in den Himmel, denn dickere Flocken hatten begonnen auf die Erde zu rieseln. 

"Haruyama, wir sind hier fertig", sagte er dann zu dem Hünen, welcher das als Zeichen verstand, die Apparatur zum Transport fertig zu machen.  Dann wandte er sich an Bankotsu.

"Das ist so nicht ganz richtig. Die Kriegsführung an sich ist mir, auch dank meiner Stellung, wie Ihr Euch sicherlich denken könnt, seit jeher verwehrt geblieben. Es ist mehr ... die Technik und ihr Fortschritt. Es ist unglaublich, wie zurückgeblieben Japan im Vergleich zu Europa ist." 

"Europa? Wo ist das?" 

Takanaga kräuselte leicht verächtlich die Lippen und erwiderte dann: "Ein großer Kontinent, den Ihr erreicht, wenn Ihr nur weit genug nach Westen reist. Nicht so groß wie Asien, und sehr rau und barbarisch. Aber dennoch kann man ihnen den technischen Fortschritt nicht absprechen." 

Bankotsu klebte förmlich an seinen Lippen. "Seid Ihr schon einmal dort gewesen?" 

Takanaga lenkte seinen Blick in die Ferne. "Nein. Wie stellt Ihr Euch das vor? Ich bin in einem Kloster aufgewachsen und habe abstinent gelebt, da blieb keine Zeit Reichtümer für solch eine große und vor allem gefährliche Reise anzuhäufen." 

"Woher wisst Ihr dann davon?" 

"Ihr seid sehr neugierig, Bankotsu." 

"Ich weiß, verzeiht - also, was ist nun?" 

"Als ich ein Knabe war, hatten wir in dem Kloster, in dem ich lebte, europäische Gäste auf der Durchreise." 

"Ach, so ist das ...", murmelte Bankotsu, dem plötzlich bewusst wurde, dass er überhaupt keine Vorstellung davon hatte, wie groß die Welt, in der sie lebten, wirklich war. In seinem Denken hatten bisher ausschließlich Japan und ein paar Nachbarstaaten existiert. Natürlich wusste er schon rein von der Logik her, dass das unmöglich die ganze Welt sein konnte, aber er hatte eben nie weiter gedacht. 

Plötzlich fiel ihm etwas ein. "Houshi-sama?" 

"Ja?" 

"Dieser abgebrannte Teil der Tempelanlagen ... war das ein Experiment von Euch, das schiefgegangen ist oder ...?" 

Bildete sich Bankotsu das ein oder wurde der ansonsten so harte und verkniffene Blick des Mönchs für einen kurzen Augenblick schmerzlich? 

"So etwas ... in der Art", lautete die Antwort. 

 

~*~
 

"Also, wenn Bankotsu wirklich vorhat, den Winter über hierzubleiben, werden wir uns zu einem großen Teil wahrscheinlich von gefrorenen Schnecken ernähren dürfen", maulte Jakotsu leise vor sich hin, als er das erste Mal die Speisekammer sah. Er konnte zwar nicht sonderlich gut kochen, aber für das Nötigste reichte es und seine Kenntnisse reichten ebenfalls aus, um ihm zu sagen, dass das bisschen Trockenfleisch und Trockenobst niemals ausreichen würde um vier Personen, von denen eine für zwei aß, durch einen harten Winter zu bringen. 

Kopfschüttelnd besah er sich das "Desaster" mit in die Hüften gestemmten Händen. 

"Haruyama, ehrlich mal, wie kommt ihr hier an Lebensmittel?" 

Der Hüne antwortete nicht sofort, murmelte dann: "Manchmal kommen Händler. Kamen aber schon lang nicht mehr." 

Jakotsu legte den Kopf schief. "Und warum?" 

Haruyama zuckte mit den Schultern, was so wirkte, als höbe sich ein kleiner Berg in die Höhe.

"Denken, es sei verflucht hier. Kein guter Ort." 

Und aus dem sollte mal einer schlau werden. 

Jakotsu schien kurz nachzudenken, dann klatschte er in die Hände. "Weißt du was? Ich bin es Leid, hier herumzusitzen und zu warten, bis etwas passiert. Lass uns in die Wälder gehen und sehen, ob wir irgendetwas erwischen." 

Sagte ein junger Mann, der keine Ahnung von der Jagd hatte, aber nun gut.  Haruyama schien kurz nachzudenken, dann nickte er. Ihm gefiel die Vorstellung mit dem hübschen Knaben ganz alleine zu sein. Außerdem konnte er ihn ja gar nicht alleine gehen lassen, es trieben sich immerhin viele ausgehungerte Wölfe herum. 
 

Wenig später stapften sie Seite an Seite durch den Schnee. Oder besser gesagt, Haruyama schritt langsam aus und Jakotsu trippelte mal vor, mal neben ihm, mal hinter ihm her. 

Es hatte aufgehört zu schneien und frische, klare Winterluft kitzelte ihre Nasen. 

Jakotsu atmete einmal tief ein, sodass ihm die Lungen schmerzten. Normalerweise war er eher der Typ Mensch, der sich im Winter in den warmen Behausungen aufhielt, aber gerade das hier tat ihm gut. Irgendwie fühlte er sich frei, etwas, das er lange Zeit vermisst hatte. 

Und irgendwie erschien ihm die Zeit, die er bei seiner Oneesama im Bordell verbracht hatte, plötzlich so unwirklich, wie als wäre es in einem längst vergangenen Leben gewesen. 

Er lächelte kaum merklich. Er hatte jetzt Bankotsu.
 

Plötzlich musste er lachen, als ihm etwas auffiel. "Haruyama, ich glaube, mit deinem Gestampfe verjagst du die ganzen Tiere." 

Selbiger blieb stehen und zuckte schuldbewusst mit den Schultern, verzog den Mund zu etwas, das wohl ein Grinsen darstellen sollte. 

Jakotsu verschränkte die Arme am Hinterkopf. "Naja, kann man nichts machen. Ich hab ohnehin keine Ahnung vom Jagen…" 
 

Er wollte munter weiter plaudern, als Haruyama plötzlich die Hand hob, um ihn zum Schweigen anzuhalten. 

Jakotsu blickte den Hünen verwundert an. 

Und dann hörte er es auch; Irgendetwas schien näher zu kommen und es hörte sich aus der Ferne so an, als pflügte es sich energisch durch den Schnee. 

"Haruyama, was ist das?", murmelte Jakotsu nervös und im nächsten Moment konnte er die Wölbung unter der Schneedecke erkennen, die rapide näher kam. Wie ein riesenhafter Wurm oder Maulwurf. 

Jakotsu warf dem Hünen einen nervösen Blick zu, doch der starrte konzentriert auf die Wölbung - und plötzlich war ein sehr unangenehm lautes, in den Ohren schmerzendes Kreischen zu hören, als es aus der Schneedecke hervorbrach. 

Jakotsu schrie auf - mehr vor Ekel, als vor Schreck, denn es handelte sich um einen überdimensional großen, weißen, am Kopf leicht rot gesprenkelten Wurm, der das kreisrunde, scharf bezahnte Maul weit aufgerissen hatte und Jakotsu erkannte einen Augenblick zu spät, dass ihm aus zwei Drüsen eine unheimlich ätzende Säure entgegen schoss. Er kniff gerade noch so die Augen zusammen,

machte sich auf das Schlimmste gefasst, doch - Haruyama kam ihm zuvor. Mit dem rechten Arm, welcher fast komplett mit Metall verstärkt war, schirmte er ihn ab, während Jakotsu machte, dass er aus der Schusslinie kam.Der junge Mann zog scharf die Luft ein als er bemerkte, wie sich das Gift begann, durch das Metall zu fressen. 

Haruyama allerdings schien dem keine Beachtung zu schenken. Mit einer Schnelligkeit, die äußerstbeeindruckend war für einen Mann von seiner Größe und Konstitution, stürzte er sich in Richtung des Yōkai und packte ihn umgehend am Genick (Jakotsu konnte gar nicht erkennen, dass er überhaupt

eines hatte), nur um mit einer Bewegung seiner bloßen Hände selbiges entzwei zu brechen. 

Dann ließ er ihn fallen. 

Jakotsu starrte ihn mit großen, bewundernden Augen an. "Das war ... wirklich beeindruckend, Haruyama!", sagte er anerkennend. Der Hüne zuckte mit den Schultern. Für ihn war das nichts Besonderes. 

"Vorsichtig", brummte er, "verstecken sich unter Schnee." 

"Das hab ich gemerkt", murmelte der junge Mann, immer noch die Hand auf die Brust pressend. 

"Glaubst du, wir erwischen heute überhaupt noch etwas?" 

Haruyama zeigte auf den Dämon zu ihren Füßen. "Kann man essen, wenn man Kopf vorher wegschneidet." 

Jakotsu grauste es. "Also wirklich, ich finde die Viecher in ihrer normalen Form schon widerlich, da werd ich sowas sicher nicht essen.“ 

Der Große zuckte mit den Schultern und stapfte dann weiter und Jakotsu setzte sich in Bewegung, um ihm zu folgen. 

 

~*~
 

Als Bankotsu und Renkotsu zurückkehrten, war Jakotsu immer noch nicht da. Der junge Mann runzelte die Stirn. Jetzt machte er sich doch irgendwie Sorgen. War es möglich, dass Haruyama Jakotsu etwas angetan hatte? Der sah ja aus, als könne er so einer zierlichen Person mir nichts, dir nichts das Genick brechen.

Er schüttelte sich. Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Andererseits … stille Wasser waren tief und schmutzig. 

Takanaga, der seinen Blick bemerkte, schien seine Gedanken zu erraten. "Habt keine Sorge. Haruyama mag zwar gleichsam eine Schwäche für hübsche Knaben wie für junge Mädchen haben, aber er würde niemals jemandem etwas zu Leide tun. Zumindest nicht, wenn ich es ihm nicht ausdrücklich befehlen würde." 

Takanaga ging zum Kamin, um die Glut des Feuers wieder zu entfachen und Holz nachzulegen. Er blies hinein und schon bald begannen frische Flammen an den leicht feuchten Scheiten zu lecken. 

Bankotsu beobachtete ihn dabei schweigsam, dann meinte er: "Was macht Euch da so sicher? Ich meine, er wirkt wirklich ... naja..."

Bankotsu zuckte mit den Schultern, als ihm kein passendes Adjektiv einfiel und der Mönch ergänzte: "Furchteinflößend?" 

Bankotsu kratzte sich am Hinterkopf und hockte sich dann vor die Feuerstelle, um seine Hände zu wärmen. "Das nicht mal unbedingt", murmelte er gedämpft. "Ich meine weniger seine Erscheinung, es ist sein Wesen, er ... ich werd aus ihm nicht schlau. Er spricht kaum, man ahnt einfach nicht, was er denkt. Als wäre er ein großes Kind, das die Welt nicht so recht versteht." 

Takanaga schenkte ihm ein schmallippiges Lächeln. "Das ist es, was ihn gefährlich macht, wollt Ihr das sagen?" 

Bankotsu nickte bekräftigend. "Ja, genau das." 

Der junge Mann hatte sich inzwischen in den Schneidersitz niedergelassen, während Takanaga im Raum umherging und die Öllampen entzündete, damit sie angenehmeres Licht hatten. 
 

Nur das Knistern des Feuers war eine Weile zu hören.  Irgendwann reichte der Mönch dem jungen Anführer ein Schälchen mit warmem Sake und selbiger fragte sich, wo er das so schnell hergezaubert hatte. 

Bankotsu nippte daran. Plötzlich meinte er: "Was haltet Ihr davon, wenn Ihr und der Riese uns begleitet? Wir wollen uns als Söldner einen Namen machen. Eure Kunst mit dem Feuer ist wirklich eine wahre Bereicherung und der Hüne wird auch gut zu uns passen. Er ist stark. Stärke ist immer gut. Und wir sind ja so gesehen alle Ausgestoßene. Wir haben alle unsere Geschichte, die wir mit herumtragen. Auch, wenn Ihr mir nicht sagen wolltet, was Euch hier in die Abgeschiedenheit verschlagen hat, bin ich doch überzeugt davon, dass Ihr zu uns passen würdet." 

Takanaga nippte an seinem eigenen Schälchen und sagte dann, den Blick in das Feuer gerichtet: "Eine solche Truppe bräuchte einen starken Führer." 

"Er ist hier vor Euch." 

Bankotsu bemerkte, wie abermals ein schmales Lächeln um die Lippen des Mönches tanzte und er fühlte sich verspottet. 

"Wie kann ich wissen, ob Ihr ein geeigneter Führer seid? Ihr seid noch ein halbes Kind." 

Und das war etwas, was Bankotsu noch nie gerne gehört hatte. 

Er nippte abermals an seinem Sake. "Keh. Ich bin einer der stärksten Kämpfer, denen Ihr je begegnenkonntet." 

"Was ein jeder von sich behaupten kann. Nein, ich meine, was macht Euch so einzigartig, dass man es eine Ehre nennen könnte, unter Euch zu dienen? Wie wollt Ihr Euch beweisen?" 

Bankotsus Miene wurde nachdenklich. So gesehen ... waren die Einwände des anderen berechtigt. Wie wollte er sich beweisen? Nachdem Jakotsu einfach so mit ihm gekommen war hatte er irgendwie angenommen, dass es selbstverständlich war, dass das jeder andere ebenso tun würde. 

Er schnalzte mit der Zunge und trank sein Schälchen leer.

"Ich will es Euch gerne beweisen. Sagt mir wie, und ich tue es." 

"Wieso ist es Euch so wichtig, dass ich mich Euch anschließe?" 

"Weil ich starke und verlässliche Gefährten suche. Weil völlig alleine noch nie jemand reich geworden ist. Und denkt nur mal an den Ruhm!“ Und nach einem Moment des Schweigens fügte er hinzu, wobei er Takanaga direkt in die Augen starrte: „Zumal ich mir ziemlich sicher bin, dass auch an Euren Händen bereits Blut klebt…“

Takanaga erwiderte den Blick und erwiderte dann bedacht: „Was macht Euch da sicher?“

Bankotsu zuckte mit den Schultern und lächelte schmal: „Nur so ein Gefühl.“
 

"Ich bin ehrlich zu Euch", sagte er schließlich und Bankotsu blickte ihn erwartungsvoll an, "es ist schlichtweg nicht meine Art, mich mit vielen Menschen zu umgeben und auch, wenn ich Euer Angebot auf eine gewisse Weise durchaus interessant finde, muss ich ablehnen." 

Bankotsu verengte die Augen und griff dann zur Sakeflasche, um sich nachzufüllen. 

"Wollt Ihr wirklich für alle Ewigkeiten hier versauern?" 

"Wollt Ihr für alle Ewigkeit als Ronin durch das Land ziehen?" 

Bankotsu prallte einen Augenblick zurück, wie von einer Mauer. Einen Moment war er sprachlos. Tatsächlich. Dann sagte er zögerlich und es war doch eine leichte Verunsicherung aus seiner Stimme herauszuhören: "Nun ja ... Für alle Ewigkeit sicherlich nicht. Ich wollte ... Wenn wir genug Geld haben, wenn wir uns einen Namen gemacht haben, Haus und Hof und Dienerschaft kaufen. Nicht direkt in der Stadt, irgendwo leicht abgeschieden. Mich niederlassen ... ja ... aber erst, wenn wir im ganzen Land bekannt sind." 
 

Und da loderte es für einen Augenblick auf. Nicht das Feuer im Kamin, sondern das, was Takanaga im Grunde seines Herzens zu einer Entscheidung brachte. Das Feuer in Bankotsus Augen. Ein unergründliches, heißes Feuer, das jeden verschlingen würde, der sich ihm in den Weg stellte. Das keine Auflehnung duldete, keine Untreue, keine Schwäche und das seine Feinde fraß, um nur noch Staub und Asche zurückzulassen. Das eine solche ungeheure Zerstörungsmacht zu besitzen schien, dass er einen Moment tatsächlich die Lippen ehrfürchtig einen Spalt öffnete, nur um sie dann wieder zu schließen. 

War Bankotsu etwa derjenige, auf den er gewartet hatte? 
 

Er wollte Bankotsu nicht das Gefühl vermitteln, dass er ihn bereits hatte. Deshalb sagte er langsam: "Entweder Ihr habt mich überzeugt, bis der Winter vorüber ist, oder Ihr zieht ohne mich von dannen und kehrt nie wieder an diesen Ort zurück." 

Bankotsus Miene hellte sich auf. Das schien dem jungen Mann tatsächlich zu genügen. 

"Ich werde Euch nicht enttäuschen, darauf habt Ihr mein Wort - und um zu beweisen, wie ernst es mir ist, trinken wir noch einen darauf!" 
 

Es wäre wohl eine Weile so weitergegangen, wenn sie nicht beide im nächsten Moment das dumpfe Zuschlagen einer Schiebetür bemerkt hätten. 

Den Schritten nach zu urteilen ließ es keinen Zweifel daran, dass es sich hierbei um Haruyama und Jakotsu handelte. 

Im Zimmer, in dem sie sich befanden, schob sich die Türe auf und ein ziemlich euphorisch wirkender Jakotsu mit wirrer, tropfender Frisur und von der Kälte geröteten Wangen trat ein. 

"Bankotsu, es ist absolut unglaublich - wir haben einen Hirsch erwischt, einen richtigen, riesigen Hirsch - wenn wir das Fleisch in Salz einlegen, reicht das bestimmt für eine ganze Woche!" 

Der junge Mann kam in das Zimmer hinein und schüttelte sich leicht, wobei Takanaga, der ein paar Tropfen abbekam, leicht das Gesicht verzog, und fuhr dann fort, während er seinen nassen Überwurf aufhängte: "Das war absolut unglaublich! Haruyama hat das Viech mit seinen bloßen Händen erledigt, das hätte ich dem gar nicht zugetraut! Ich habe noch nie jemanden wie ihn kennengelernt, der so wahnsinnig stark ist, Bankotsu, das hättest du sehen müssen!" 
 

Bankotsu verzog spöttisch das Gesicht. "Ihr seid euch wohl näher gekommen?" 

Auch wenn Spaß in den Worten war, so wurden sie dennoch aus einem ernsten Grund ausgesprochen. Irgendwie missfiel es Bankotsu, dass Jakotsu für den Hünen plötzlich so eineBegeisterung entwickelte. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, dass er jemandem wie Haruyama tatsächlich etwas abgewinnen könnte, aber bei Jakotsu wusste man ja nie. Der war immer so sprunghaft. Und irgendwie war da noch was, was ihn an Jakotsu gerade ziemlich störte. 

"Ach, Bankotsu, lass doch die blöden Witze!", sagte Jakotsu, dem der leicht eifersüchtige Unterton schlichtweg entgangen war, unbeschwert. Und plötzlich fiel Bankotsu auf, was ihn störte: Jakotsu in Hosen, Männerkleidung tragend. 

Das war irgendwie befremdlich, er wirkte fast wie ein Mädchen in Männerkleidern. 

Oder täuschte das nur, weil er ihn anders kennengelernt hatte? 
 

Fehlten nur noch Rüstung und Katana und er würde als perfekter Aristokrat durchgehen. 

Jetzt ... machte es ihn fast sogar noch anziehender, da man ihn als das sah, was er war; nicht als verdrehter, leicht verrückter Kerl, sondern als verboten hübscher junger Mann mit schneeweißer Haut und hohen Wangenknochen, wie sie sich manche Samurai gerne fürs Bett hielten.  Das war ja schlimmer als vorher. 
 

Bankotsus Blick klebte immer noch an Jakotsus Körper, als dieser sich zu ihnen hinunter ans Feuer kniete, um sich die Hände zu wärmen. 

"Wo ist Haruyama?", fragte Takanaga steif, der in Bankotsus Blicken gelesen hatte, wie in einem offenen Buch. 

"Der wollte den Hirsch zum Ausbluten aufhängen." 

"Ich sehe mal nach, ob er Hilfe braucht", sagte der Mönch und stand im nächsten Moment auf, um das Zimmer zu verlassen. 

Bankotsu hatte kurz genickt und als er hinaus war, wandte er seinen Blick wieder Jakotsu zu. Dieser war nahe an das Feuer gerückt, um das Gesicht zu wärmen.  Bankotsu brummte unwillig und Jakotsu sah ihn daraufhin an.

"Stimmt irgendetwas nicht?" 

"Du hast mir meine Frage vorhin nicht wirklich beantwortet", sagte er leise und Jakotsu schien einen Moment irritiert. "Deine ...?" Dann schien ihm ein Licht aufzugehen. 

"Bankotsu, du bist doch nicht wirklich eifersüchtig?", hakte er dann lächelnd nach. 

Bankotsu wandte den Blick wieder ab und hoffte, dass im Schein des Feuers die leichte Röte unsichtbar wurde, die sich auf seine Wangen gelegt hatte.  Jakotsu redete ja so daher, als sei er ein kleiner Junge und in Gefühls- und Körperangelegenheiten vollkommen ahnungslos. 

Nun gut, er hatte Jakotsu auch nicht wirklich Anlass dazu gegeben, zu denken, dass er ein ernstzunehmender Liebhaber war, aber - verdammt! Warum sah der andere ihn denn plötzlich so an? 
 

Und dann konnte er sich nicht mehr beherrschen. Er verlor kein weiteres Wort, sondern packte Jakotsu grob im Nacken und zog ihn in einen herrischen Kuss.

Jakotsu keuchte überrascht und erwiderte und noch im selben Moment wanderten Bankotsus Hände zu seinen Schultern, nur um ihn mit einem Ruck aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dann war er über ihm, biss ihm in die Unterlippe, dann in den Hals und seine Hände schoben sich unter die Kleidung, um diese unendlich weiche Haut endlich zu spüren und Jakotsu spürte, wie sehr es Bankotsu erregte, denn er spürte die Härte an sich gepresst. 

"Bankotsu", flüsterte er atemlos, als dieser begann, an seinem Gewand zu reißen, um es zu öffnen, und als er nicht hörte, rief er ein weiteres Mal seinen Namen, diesmal energischer und packte ihn gleichzeitig mit beiden Händen an den Wangen, sodass er innehalten und ihm in die Augen sehen musste. 

"Bankotsu, was ist los mit dir?" 

Bankotsu atmete schwer, hatte die Lippen leicht geöffnet und schüttelte abwesend den Kopf. Was los war mit ihm? Er wusste es nicht. Jakotsu zog ihn sanft zu sich, dass er mit der Wange auf dessen halb freigelegter Brust zum Ruhen kam. Er war durcheinander. Das was in ihm war, drohte überzuschwappen. Überfordert schloss er die Augen und sog den sinnlichen Duft dieses betörenden Wesens ein, das ihn gerade im Moment fast um den Verstand brachte. So warm und weich und angenehm. 

"Ich weiß es nicht...", flüsterte er. Er spürte die filigranen Hände, wie sie durch seinen Haaransatz

strichen und fühlte sich plötzlich wirklich wie ein kleiner Junge. 
 

Er schluckte, als er sich einer Sache bewusst wurde. Er sehnte sich so sehr danach, mit Jakotsu zu schlafen, ihn sich zu nehmen und Jakotsu ... Jakotsu brachte ihn mit einer so einfachen Frage dazu, unsicher zu werden. 

Er hatte bereits mit Frauen geschlafen, ja. Mehrmals. Aber Jakotsu ... das war etwas vollkommen anderes. Jakotsu war ein Mann. Und er, Bankotsu, hatte noch keine Erfahrung mit Männern gehabt, während Jakotsu da bereits ein ganzes Spektrum vorzuweisen hatte.

Denn die Erfahrung hatte Jakotsu ihm deutlich voraus und das war das erste Mal, seitdem sie zusammen unterwegs waren, dass Jakotsu ihm etwas deutlich voraus hatte. 

"Ich denke ... ich war tatsächlich eifersüchtig, Makoto …einen lächerlich kurzen Moment…"



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