Rot wie Blut von abgemeldet (Die Legende der Shichinintai) ================================================================================ Kapitel 7: Drachenblut ---------------------- Noch am selben Abend hatten sie die Hütte des alten Mannes erreicht und saßen nun in muffige Decken gehüllt vor einem knisternden Feuer. Der Alte war nicht sonderlich begeistert gewesen zwei fremde junge Männer bei sich aufzunehmen, allerdings hatte Bankotsu ein überzeugendes Argument gehabt und da Gosaburo Akagawa nicht scharf darauf gewesen war, von Banryū aufgespießt zu werden, hatte er nachgegeben. Die Hütte war nicht sonderlich groß, es gab eine Feuerstelle in der einen Ecke des Raumes, vor welcher ein paar alte Tierfelle ausgebreitet worden waren, etwas, das dem alten Mann wohl als Tisch diente und schließlich ein zerschlissener Futon, welcher auf der anderen Seite des Raumes lag. Einzig eine vergilbte Trennwand teilte die kleine Hütte, aber Bankotsu für seinen Teil war das ziemlich egal, er hätte auch gerne mit fünfzig anderen Männern im selben Raum genächtigt, solange er nur nicht bei so einem Sauwetter im Freien schlafen musste.  Mit einem Brummen drückte er den beiden je eine Schüssel in die Hand und auf Jakotsus fragenden Blick hin meckerte er: "Was denn? Glaubst du, ich hab den Luxus mehr als ein paar Stäbchen zu besitzen?"  Jakotsu schluckte seinen Kommentar herunter, seufzte resigniert und betrachtete dabei das bisschen Kraut, welches kümmerlich in der bräunlichen Brühe schwamm. Bankotsu schien genauso begeistert über das Gebräu zu sein wie über Furunkel am Hintern, war jedoch so kühn um die Schale an die Lippen zu setzen und ein paar Schlucke zu probieren.  Schaudernd setzte er wieder ab. "Brr", murmelte er und wisperte dann Jakotsu zu: "Probier das lieber nicht, das schmeckt nach Arsch."  Dem entkam ein ersticktes Kichern. "Wie schmeckt denn Arsch?"  Ehe Bankotsu jedoch seine Ausführungen zu guter Küche fortsetzen konnte, spürte er einen schmerzhaften Schlag auf den Hinterkopf.  "Sowas Freches, kommt hier zu der unmöglichsten Zeit reingeschneit, bedroht mich mit einer Waffe und ist jetzt auch noch so dreist, über mein Essen zu meckern!", zeterte der Alte mit seiner zittrigen Stimme.  Jakotsu lachte plötzlich los, was ihm von Bankotsu einen feindseligen Blick einbrachte, und trank dann in wenigen Schlucken seine eigene Schüssel leer. "Also, ich finde Euer Essen vorzüglich, Akagawa-san."  "Das hast du jetzt nur gesagt, um mich zu ärgern!", zischte Bankotsu beleidigt, was ihm ein abermaliges "Ruhe! Wenigstens weiß einer von euch Jungspunden, was sich gehört!" einbrachte.  Jakotsu indes lächelte selig und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass tief in ihm drin gerade etwas abgestorben war. Und er konnte nicht sagen, ob es sein Respekt vor alten Männern oder seine Geschmacksnerven oder der Verdauungstrakt war (wahrscheinlich alles zusammen). Er hegte so die leise Vermutung, dass Akagawa keine Geschmacksnerven mehr besaß, wenn er diesen Fraß täglich in sich reinschaufelte, was vermutlich notwendig war, wenn man so fernab jeglicher Zivilisation lebte. Während Bankotsu immer noch vor sich hinschmollte, richtete Akagawa plötzlich das Wort unerwartet an Jakotsu: "Wo habt Ihr eigentlich dieses Schwert her?"  Jakotsu blinzelte verwirrt, da man es eigentlich gewohnt war, dass Bankotsu auf seine viel auffälligere Waffe angesprochen wurde. Jakotsu wich dem Blick aus und sah zu seinem Jakotsutō, welches unscheinbar in seiner ledernen Hülle neben Banryū lag. "Wieso fragt Ihr mich das?" Dabei spürte er den Blick des Alten auf sich ruhen. "Hn, ich kannte mal einen Kerl, der dieselbe Waffe mit sich herumtrug. War ein ziemlich berüchtigter Dämonenjäger. Sein Name war Iwasaki Seizo. War ein sehr stolzer Mann und ein starker Kämpfer und hat eine ähnliche Waffe geführt.”  “Ich bin sicher, es war ein anderes Schwert, Herr”, sagte Jakotsu leise und starrte auf seine Knie.  “Darf ich es mir einmal ansehen?” Plötzlich wirkte der Mann gar nicht mehr senil, sondern sehr überlegt und während er auf Jakotsus gemurmeltes “Wenn Ihr das wünscht, Herr”, hin die Waffe ergriff und sie aus ihrer Hülle zog, warf Bankotsu seinem Gefährten einen neugierigen Seitenblick zu. Jakotsu wirkte mit einem Mal niedergeschlagen, in sich zusammengesunken,das Gesicht hatte einen traurigen Zug angenommen.  “Was ist, kanntest du den Kerl?”, wisperte Bankotsu neugierig, während er mit dem Blick dem Alten folgte, der gerade den Griff und die Verankerung der Klingen begutachtete.  “Nein. Und hör auf mich danach zu fragen.” Bankotsu zuckte verwirrt mit den Schultern. Es war offensichtlich, dass Jakotsu log, aber wenn er nicht darüber sprechen wollte, dann sollte er sich auch nicht gezwungen fühlen. Es ging Bankotsu ja auch nichts an.  Trotzdem ertappte er sich dabei, wie er begann darüber nachzugrübeln, wer dieser Mann in Jakotsus Leben wohl gewesen war, dass es ihn offenbar so trübselig stimmte, an ihn zu denken.  “Doch, ich bin mir sicher, dieses Schwert war das seinige”, ließ sie schließlich beide die Stimme des alten Mannes aufblicken.  “Wie seid Ihr dazu gekommen?”  “Ich bin müde, Herr”, sagte Jakotsu mit verkniffenem Gesichtsausdruck. “Ich möchte jetzt schlafen.”  Das reichte Akagawa schon. Er schenkte dem jungen Mann nur einen wissenden Blick und wies den beiden dann einen Schlafplatz zu. Das war vielleicht nicht der richtige Moment, um über Vergangenes zu sprechen.    ~*~ Als sie sich am nächsten Morgen auf den Weg machten, war Jakotsu sehr schweigsam, die Stimmung war drückend und Bankotsu mehr als genervt. Irgendwann hielt er es nicht mehr aus und raunzte:  “Wir werden gegen einen Drachen kämpfen, das mag zwar eine gute Übung für dich sein, aber steh mir bitte nicht im Weg, ja?”  Jakotsu, welcher das Pferd inzwischen am Zügel führte, da die Wege zu unbefestigt waren zum Reiten, hob den Blick und sah Bankotsu kühl an.  “Das ist mir wohl bewusst, keine Sorge, ich werde versuchen, dir diesmal nicht das Leben zu retten.”  Oh, da war aber jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden. “Tu einfach nur das, was ich dir sage, in Ordnung?”  Bankotsu wertete das Schweigen einfach als Ja.   Nach zwei weiteren Wegstunden sah man sogar bereits Schnee auf dem Boden liegen. Natürlich, hier in den Bergen hatte es schon lange geschneit.  Bankotsu schielte leicht zu seinem Gefährten, welcher nach, wie vor nur seine Zori trug - er selbst trug nur das Leder als Sohlenersatz unter seinen Füßen. Auch wenn er weit abgehärteter war, als Jakotsu, der die letzten Jahre in einem warmen gemütlichen Haus verbracht hatte, dachte er darüber nach, dass sie nicht nur wärmere Kleidung brauchen würden, wenn es bald Winter wurde, sondern auch eine Bleibe bis die härtesten Wintertage überstanden waren. Kurz dachte er daran, einfach in Richtung der südlichen Ryukyu Inseln zu ziehen, wo es sogar im Winter nur mildes Klima gab, doch ihm war nicht wirklich wohl dabei, ein schaukelndes Schiff zu besteigen. Außerdem war der Weg viel zu weit,sie hätten früher dorthin aufbrechen müssen… da kam Bankotsu jedoch ein anderer Gedanke… Bankotsu wollte gerade die eisige Stille durchbrechen als plötzlich ein Beben durch den Boden ging. Es verschwand so schnell, wie es gekommen war. “Was war das?”, murmelte Jakotsu, während er dem Pferd, welches stocksteif stehengeblieben war und aufgeregt die Nüstern blähte, über den Hals tätschelte, um es zu beruhigen. Er hatte einmal ein Erdbeben miterlebt, ein schwaches zwar, doch das Gefühl, das einem bis ins tiefste rüttelte war dasselbe gewesen. “Ich habe keine Ahnung...”, raunte Bankotsu und fügte hinzu, “Wir sollten den Gaul hier anbinden, es hilft uns nicht viel, wenn er plötzlich durchdreht.”  Widerwillig musste Jakotsu ihm beipflichten und so suchte er eine Stelle, an welcher das Tier einigermaßen geschützt stand und band die Zügel an einem tief hängenden stabilen Ast fest.  Sorge, dass jemand es stehlen könnte, hatten sie keine. Wer außer ihnen sollte hier auch schon unterwegs sein? Wer außer ihnen sollte schon auf die Idee kommen, einen Wasserdrachen zu erlegen?  Während sie daraufhin ihren Weg fortsetzten, meinte Jakotsu irgendwann: “Sag mal, was wissen wir eigentlich über Wasserdrachen?”  Man konnte sehen, dass Jakotsu sich nicht gerade wohl zu fühlen schien, auch wenn er bisher erstaunlich ruhig geblieben war.  “Nicht viel, außer, dass sie in kalten bis eisigen Gewässern leben - wie der Bergsee, den wir suchen...”  “Wie groß sind die Viecher?”  “Mh, die größten Exemplare waren meines Wissens nach an die 20 Shaku lang, aber das kommt glaube ich hauptsächlich auf den Lebensraum an...”  “Inwiefern...?”  “Na - großer See, großer Drache, kleiner See, kleiner Drache. Die Mistviecher sind anpassungsfähig... Jakotsu, ich hab jetzt wirklich keinen Nerv Tierkunde mit dir durchzugehen.”  “Oh. Achso. Gomen nasai...”  Gerade begannen sie eine sehr steile Anhöhe zu erklimmen und Bankotsu hatte schon das Gefühl, Wasser riechen zu können.  “Und... sind... sind die sehr angriffslustig?”  Bankotsu grinste fies, “Nur, wenn sie so einen zarten Leckerbissen wie dich vor der Nase haben, da kann man doch gar nicht widerstehen. Also, so als Drache meine ich”, fügte er noch schnell hinzu, als ihm die Zweideutigkeit seiner eigenen Worte gewahr wurde.  Jakotsu jedoch schien für Zweideutigkeiten und Anzüglichkeiten momentan keinen Sinn zu haben, ihm war die Begegnung mit dem Krähendämon und den Spinnendämonen noch zu deutlich vor Augen.  Bald hatten sie die kleine Anhöhe erklommen und da erstreckte er sich, der See. Weit und klar, auf der Seite, von der sie gekommen waren, fiel es steil ab, ungefähr drei Meter, die man locker herunterklettern konnte und dann ging es in einen kleinen Strand über, welcher fast weiß war und soweit der Blick reichte wurde der See von schlickhaltigem Ufer gesäumt. Nicht befestigt genug, als dass man darauf hätte laufen können, dazu waren auch die dichten, ob des Wassers fauligen Bäume im Weg.  Die Fläche des Strandes war nicht sonderlich groß und sollte es zu einem Kampf auf Herz und Nieren kommen, dann kämen sie wohl ganz schön ins Schwitzen. Bankotsu ging schon im Geiste alle Eventualitäten durch. “Ähm, Bankotsu...”, flüsterte sein Gefährte, der ihm soeben umständlich hinterher geklettert war.  “Mh, was ist denn, ich versuche nachzudenken...”  “Wie... kriegen wir das Vieh eigentlich dazu, sich uns zu zeigen? Wer weiß, vielleicht sind die ja scheu, oder so...”  Bankotsu seufzte genervt, “Mensch, Jakotsu, man kann auch blöde Fragen stellen. Drachen sind sehr mächtige Geschöpfe und wenn jemand in ihr Revier eindringt, dann kann ich mir kaum vorstellen, dass sie sehr erfreut darüber sind, außerdem...”, der junge Mann leckte sich über die Lippen, “Ganz abgesehen davon, wer freut sich schon darüber, dass er getötet wird um zu einer Rüstung verarbeitet zu werden?”  Daraufhin schwieg Jakotsu. Der Andere hatte ja Recht, ein bisschen logisches Denken war wirklich nicht zu viel verlangt. Er schob es einfach auf die Nervosität. Und auf die Kälte.  Der Boden vibrierte inzwischen beinahe durchgehend, für Bankotsu ein sicheres Zeichen, dass sie hier wirklich richtig waren, aber nun stand er vor einem ganz anderen Problem und zwar einem, das Jakotsu schon angeschnitten hatte. Wie bekamen sie das Wesen nun dazu, sich zu zeigen? Sie konnten sich ja schlecht hinstellen sagen ‘Lieber Drache, hättest du bitte die Freundlichkeit aus deinem See zu steigen, wir wollen auch nicht viel von deiner kostbaren Zeit in Anspruch nehmen, da wir vorhaben, dich zur Strecke zu bringen?’  Bankotsu verzog kurz das Gesicht bei diesem lächerlichen Gedanken, wurde jedoch sofort wieder Ernst.  "Was ist?", fragte Jakotsu nervös, als er Bankotsus ernsten Blick bemerkte.  "Wenn du mal aufhören würdest zu nerven, dann könnte ich mich auch ein bisschen besser konzentrieren", meckerte dieser zurück, woraufhin der Ältere einen Schmollmund zog.  "Du bist schon die ganze Zeit so gereizt, gib doch einfach zu, dass du genauso wenig Ahnung hast, wie ich, was wir jetzt machen sollen!"  "Ich hab sehr wohl Ahnung, was wir jetzt machen sollen!"  "Achja, dann rück mal raus damit!"  "Ich... Du lässt mir ja auch keine Möglichkeit, meine Gedanken mal in Worte zu fassen mit deinem ständigen dummen Geplapper!"  "Dummes Geplapper?", fauchte der junge Mann beleidigt und stemmte die Hände in die Hüften, "Dafür bin ich wenigstens nicht streitsüchtig wie ein Waschweib! Ich versuche die ganze Zeit es dir großartigem Anführer recht zu machen und alles, was ich kassiere ist ein verdammter Arschtritt! Nicht, dass das unter gewissen Umständen nicht reizvoll sein könnte, aber es geht hier ums Prinzip!"  Wütend trat Jakotsu in einen Haufen mit Flusskieseln, welche unter leichtem Geplätscher in das seichte Wasser des Seeufers rieselten, nur um kurz darauf schmerzhaft das Gesicht zu verziehen.  "Du und nicht streitsüchtig?", schnaubte der junge Anführer höhnisch, "blöde Zicke, an dir ist echt ein Weib verloren gegangen."  "Jetzt reichts!", fauchte Jakotsu stocksauer und wandte sich um, um demonstrativ beleidigt zurück zu jener Stelle zu stampfen, von welcher sie gekommen waren.  "Wo willst du hin?"  "Zurück zu Akagawa-san, ich halte es keine Sekunde länger aus mit-"  Ein lautes Platschen und eine plötzliche Wasserfontäne, die sie beide völlig durchnässte ließ ihn innehalten, das Vibrieren des Bodens hatte zugenommen und war einem Brummen gewichen und nun starrten beide Männer dem Wesen in die Augen, wegen dem sie ursprünglich hergekommen waren.  Es hatte sich aufgestellt wie eine Kobra, kurz bevor sie zuschnappte, die blaulilafarbenen Schuppen des schlangenhaften Körpers glänzten vor Wasser und Schlick und der riesenhafte Kopf war mindestens so breit, wie Bankotsu hoch und so lang, wie sie beide zusammen waren.  Die blassblauen Augen mit dem grünlichen Rand musterten sie ruhig und schlagartig befiel Bankotsu das Gefühl, dass der Drache es wusste. Er wusste, dass sie gekommen waren um ihn zu töten und sein Blick schien ihm zu sagen, ‚Was, hast du etwas geglaubt, es würde so einfach, mich zu töten, ein Wesen, alt wie die Zeit? Hast du geglaubt, du bräuchtest einfach nur hierherkommen, an diesen einsamen See und meine Ruhe stören, ich lege mich dir hin zur Schlachtung?‘ „Bankotsu…“, wisperte Jakotsu erstickt. „… lass uns … lass uns einfach wieder gehen, ja…“ Einen Moment. Nur einen kurzen Moment war Bankotsu geneigt, Jakotsus Bitte nachzugeben. Einfach umzukehren und das verdammte Geld für die verdammte Rüstung zu zahlen. Doch dann dachte er daran, dass kurz vor dem Ziel aufzugeben noch nie sein Stil gewesen war, er dachte an den Ruhm und das Ansehen, das ihm das Erlegen eines so mächtigen Geschöpfes bringen könnte und die verdammte Rüstung wurde Zweitrangig. Bankotsu verengte den Blick und dachte, ‚Verzeiht mir, ehrenwerter Drache, aber ich muss es tun.‘ Und im nächsten Moment da spürte er den Zorn dieses uralten Wesens. Es griff an, bevor sie es tun konnten. Mit einem erbosten Fauchen ließ er seinen Kopf nach vorne schnellen und Bankotsu spürte den Luftzug und konnte sich gerade noch so zur Seite werfen. Mit einem geschickten halben Salto landete er wieder auf den Füßen, während sein Blick zu seiner Banryū flackerte, welche knapp zwei Meter von ihm entfernt im Schlick lag. Er sprang auf, versuchte seine Waffe zu erreichen, doch der Drache war zu schnell. Plötzlich wurde der junge Mann von einem steinharten Wasserstrahl getroffen, der ihn von den Füßen riss und schmerzhaft gegen die felsige Wand schmetterte. Bankotsu sah schwarze Punkte vor seinen Augen tanzen und alles verschwamm vor seinem Blick und einen Augenblick, da war es ihm als wäre er aus der Zeit hinaus katapultiert worden, als wäre es der Zauber des Drachen, eine Warnung, die nicht ihrem Kampf galt – alles war nur ein verschwommener Schleier aus Blut. Er wollte sich schoneiner seligen Bewusstlosigkeit hingeben, doch dann registrierte er Jakotsus erschrockenen Aufschrei, der ihn wieder in die Gegenwart katapultierte. Er hatte jetzt keine Zeit um auszuruhen, sein einziger Gedanke galt Jakotsu, der dem Ungetüm nun hilflos ausgeliefert war.  Jakotsu indes hatte es geschafft, ein paar Meter Abstand zwischen sich und den Drachen zu bekommen und hatte aus überschaubarer Entfernung mit ansehen müssen, wie es seinen Gefährten von den Füßen gerissen hatte. Es war viel zu schnell gegangen, als dass er irgendeinen klaren Gedanken hätte fassen können. Einen Moment hatte es so ausgesehen als würde Bankotsu ohnmächtig und egoistischerweise hatte Jakotsu sich mehr Gedanken um sich selbst gemacht in diesem Moment, da er ohne Bankotsu sicherlich einen mehr als jämmerlichen Gegner für den Drachen darstellen würde. Doch da stellte er erleichtert fest, dass Bankotsu sich auch schon wieder aufrappelte – was hatte er auch anderes erwartet, sein Anführer war hart im Nehmen – härter als er vermutlich. Bankotsu jedoch schien in jenem Moment keine Bedrohung mehr in den Augen des Drachen darzustellen, denn er sah die drohenden Augen nun auf ihn gerichtet und Jakotsu bemerkte, wie ihm die Beine zitterten. Er konnte später nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, was da in diesem Moment von ihm Besitz ergriff. Vielleicht hatten Bankotsus Schelte in den letzten Tagen ihn härter gemacht, verbissener, oder es war einfach die Tatsache, dass es hier um sein und vielmehr um Bankotsus Leben ging. Er wurde ruhig.  Beinahe gelassen hob er den Arm, um sein Schwert aus der ledernen Halterung zu ziehen. Nun war der Drache vollständig auf ihn fixiert, er zischte, kalte Wassertropfen trafen den jungen Mann im Gesicht.  "So", sagte Jakotsu leise, als er das Schwert herauszog, "worauf wartest du, komm doch..."  Der Drache sah ihn an. Lange und intensiv, doch er wandte den Blick nicht ab. Wenn er jetzt wieder davon lief, dann würde er immer wieder davon laufen, dann konnte er nie mehr in den Spiegel sehen. Er schloss die Augen und er hörte ein leises Rauschen in seinen Ohren, das Rauschen von Wasser und eine unverständliche Stimme, die zu ihm sprach in einer alten vergessenen Sprache und er wusste, es war der Drache, der dort sprach. Schließlich öffnete er die Augen wieder in dem Bewusstsein, seine letzte Chance zur Umkehr vertan zu haben und in dem Wissen, dass das vielleicht die letzte falsche Entscheidung sein könnte, die er in seinem Leben treffen würde. Und da spürte er das erste Mal, wie die Kraft seines Jakotsutō mit ihm arbeitete, wie sie in ihn floss und seinen Arm führte und er wusste, das war die Macht dieser Waffe, die Macht, die nur sein Vater hatte beherrschen können, der Mann, der für ihn gestorben war und ein berechnender, sadistischer Ausdruck legte sich auf sein Gesicht. Er hatte keine Furcht mehr und er hörte Bankotsu nicht, der zischte: "Jakotsu, mach keine Dummheiten." Sein Gesicht war blutüberströmt, doch er stand und er hatte seine Waffe wieder und da schnellte der Kopf des Drachen nach vorne und drohte, Jakotsu mit der Wucht seines Körpers zu zerquetschen, doch der wich so leichtfüßig aus, dass Bankotsu einen Moment tatsächlich vergaß, dass er Jakotsu hatte zur Hilfe eilen wollen. So starrte er nur ein wenig ungläubig auf das Schauspiel, das sich ihm bot. Und der Drache griff erneut an, diesmal war es sein stachelbewehrter Schwanz, der so dicht neben Jakotsu einschlug, dass er einen Teil seines Kimono zerriss und da löste er sich endlich aus seiner Starre und brüllte, „He, du Mistvieh, ich bin auch noch da!!!“ Der Drache änderte sein Ziel und schnellte nun auf Bankotsu zu, welcher Banryū hob, bereit zum Angriff, doch Jakotsutō war schneller. Bankotsu sah die Klingen nicht mal, er hörte nur das Sirren durch die Luft und einen zusammenhanglosen Moment fragte er sich, wie es möglich war, dass ein solch altes Schwert so scharf war, dass es die Luft zum Sirren brachte. Mit all seiner Kraft stieß er zu, spürte vorerst einen Widerstand, blieb standhaft bis er erleichtert spürte, wie die kräftige Schuppenpanzerung des Drachens nachgab. Im selben Moment trennten vier von acht Klingen Jakotsutōs den Kopf des Drachen vom Rest seines Körpers.  Das Wesen riss die Augen auf und ein letztes wütendes und gleichzeitig schmerzerfülltes, ohrenbetäubendes Brüllen verließ seine Kehle, dass Bankotsu am liebsten Banryū zur Seite geworfen und sich die Hände auf die Ohren gepresst hätte. Doch dazu hatte er keine Gelegenheit mehr, denn er musste im nächsten Moment dem schweren herabfallenden Kopf des Ungetüms ausweichen, welcher ihn mühelos hätte zerquetschen können. Der See begann sich rotgolden zu färben und Bankotsu bemerkte fasziniert, wie schön Drachenblut war - in einem impulsiven Moment griff er nach dem Wasserschlauch, den er am Körper trug, leerte den Rest aus und hielt ihn unter Rumpf des Drachen, aus welchem das golden schimmernde Blut sprudelte, wie aus einer Quelle. Es knirschte und klirrte, als die Klingen Jakotsutōs zu Boden fielen, ungeordnet, als wäre ihr Herr ihnen nicht mehr mächtig und Jakotsu starrte schwer atmend auf das Bild, das sich ihm bot. Der meterlange Körper des Drachen, aus dessen Rumpf fröhlich noch das Blut sprudelte, der Kopf, keine zwei Meter vom Körper entfernt und unmittelbar daneben stand Bankotsu, der warum auch immer das Blut des Drachen in ihrem Trinkschlauch auffing. Das Bild könnte nicht makaberer sein. Als der Schlauch voll war, verkorkte Bankotsu ihn wieder und fing dann den Blick seines Gefährten auf, welcher dort stand inmitten der ungeordnet herumliegenden Klingen, mit den Knöcheln im blutigen Wasser und Blutspritzern auf der Wange und er bemerkte, dass er noch nie so schön ausgesehen hatte. Sein Blick war eine Mischung aus Stolz, Unglauben und heimlichen Hingerissensein.  "Jakotsu...", murmelte er und kam langsam auf ihn zu. "Jakotsu, das..."  "... Ich wollte nicht... U-und deine Stirn", Jakotsu erbleichte, als er das Blut sah, das Bankotsu aus einer Wunde auf seiner Stirn geströmt war  “Du bist verletzt...”  Nur hilfloses Gestammele, er schien nicht so recht bei sich zu sein, schien nicht so recht glauben zu können, was er selbst da getan hatte.  "Jakotsu", meinte Bankotsu dann bestimmend, wandte dabei den Blick ab und kratzte sich leicht am Hinterkopf, den Schmerz in seiner Stirn ignorierend. "Ich... wollte dir eigentlich nur sagen, dass... Naja, dass du..." Bankotsu stöhnte. Das konnte doch nicht so schwer sein, Jakotsu etwas Anerkennung zu zeigen, schließlich fasste er sich ein Herz. "Jakotsu, ich bin stolz auf dich. Das... hätte ich nicht von dir erwartet..."  Plötzlich verließ ein Schluchzen die Kehle Jakotsus und Bankotsu fasste sich ein Herz und zog diesen in eine kurze, tröstende Umarmung. "Ja, das schon eher..."  Jakotsu hatte innerhalb eines Tages den Weg zum Dorf zurückgelegt, während Bankotsu bei dem Kadaver des Drachen geblieben war um mögliche Aasfresser zu verscheuchen - die Wunde Bankotsus musste vorerst provisorisch versorgt werden, das hieß, dass sie sie mit dem Wasser des Sees ausgewaschen hatten – was schlimmer hätte sein können, da die magische Aura des Drachen ihn rein gehalten hatte und das Blut, das hineingeflossen war, offensichtlich eine heilende Wirkung zu haben schien. Mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck hatte der Händler Jakotsu später angestarrt, welcher ihm so völlig anders vorkam. Irgendwie... weniger weich und er wagte es nicht, ihm zu widersprechen, als Jakotsu völlig entnervt die Fingerknöchel knacken ließ und knurrte, wenn er nicht sofort spurte, dann würde was passieren, das hätte er noch nicht erlebt. Und in dem Moment hatte der androgyne junge Mann keinen Zweifel aufkommen lassen, dass er es ernst meinte.   Daraufhin hatte der Händler seinen Laden geschlossen und in Windeseile einige Helfer zusammengetrommelt, welche ihm beim Hautabziehen und Transport helfen sollten. Jakotsu selbst verzichtete jedoch darauf, noch einmal ganz mit nach oben zu dem See zu kommen, sondern ließ sich in der Gaststätte, in der Bankotsu und er Quartier bezogen hatten, ein Bad ein. Bankotsu würde schon selbst nachhause finden.    ~*~ Als Bankotsu schließlich am Abend zurückkehrte merkten sie beide, dass sie wieder einträchtig waren, kein Streit und keine Spannung lagen in der Luft. Und vielleicht war es eben dies, was Jakotsu später dazu bewog in die Stille hineinzusagen:  "Er war mein Vater." Bankotsu horchte auf und auch, wenn er nicht antwortete, so spürte Jakotsu, dass er ihm zuhörte.  "Seizo Iwasaki war mein Vater...  meine Familie gehörte der gehobenen Mittelschicht an, mein Vater hatte sich als Dämonenjäger einen Ruf gemacht, das war alles noch vor meiner Geburt.Meine Mutter starb …" Jakotsu zögerte einen Moment, schien sich nicht so recht wohl zu fühlen, ehrlich zu sein in dieser Sache, „an der französischen Krankheit. Und falls du dir die Frage stellst, ja sie war meinem Vater untreu, ich glaube nicht, dass es jemals ein schlimmeres Flittchen als sie gegeben hat.“ Seine Worte trieften vor Abscheu und Bankotsu bekam eine leise Ahnung, woher dieser Frauenhass zeugte, der Jakotsu beherrschte.  Jakotsu starrte aus dem Fenster während er sprach und unbewusst krallten sich seine Finger in den Stoff seines Yukata.  "Naja, ich hab ja schon erzählt … irgendwann... überfiel eine Horde Dämonen das Dorf, in dem wir lebten, sie mordeten und plünderten und ach... es floss soviel Blut... Ich weiß noch, wie mein Vater meinem großen Bruder zugerufen hat 'Lauf mit Makoto fort, hinter die Hügel zum Wasserfall, dort seid ihr sicher. Ich hab geschrien, als er mich fortzog und ich weiß noch, wie er dabei geweint hat."  Jakotsu wischte sich ärgerlich über die Augen. "Irgendwann hab ich es geschafft, mich loszureißen und ich bin zurück gerannt, nur um zu sehen, wie er alleine gegen mindestens 20 von diesen widerlichen Monstern gekämpft hat. Und... Bankotsu, er hätte wahrscheinlich gewonnen, wenn ich nicht gewesen wäre!”  Verzweifelt fuhr Jakotsu sich durch das offene Haar, wobei er nicht bemerkte wie Bankotsu aufgestanden war und ihm langsam näher kam.  “Ich war vier Jahre alt und ich hatte solche Angst, dass ich nach ihm gerufen hab und das... hat die Aufmerksamkeit der Dämonen auf mich gelenkt...” Jakotsu fiel es zusehends schwer, weiterzusprechen, seine Stimme zitterte, doch er hielt sich tapfer.  “Er... er hat mich beschützt! Er musste mich beschützen und er konnte sich selbst nicht mehr schützen ... Ich weiß noch, wie sein Blut auf mich hinab regnete und danach ... ich weiß nicht mehr, was danach war, es ist alles so verschwommen... Ich erinnere mich auch nicht mehr an ihn, nur sein Gesichtsausdruck zum Zeitpunkt seines Todes ist mir nur zu deutlich im Gedächtnis...”  Sanft schlangen sich Bankotsus Arme um seine zierliche Hüfte, während er weiter sprach und er lehnte sich leicht an seinen Gefährten an.  “Man erzählte mir später, dass ich dieses Schwert an mich gepresst habe, als man mich gefunden hat, obwohl es eigentlich viel zu schwer für mich gewesen sein müsste...”  “Was geschah dann mit dir?”, fragte der Jüngere vorsichtig, streichelte Jakotsu über den Handrücken.  “Soll ich ehrlich sein?“ Jakotsu lachte humorlos auf, „ich erinnere mich kaum. Das Blut, das Morden, das ist alles, was da ist. Was ich weiß habe ich dir bereits erzählt, als wir uns kennengelernt haben, aber diese Schuld… die Schuld, die hab ich nicht vergessen..“ “Wolltest du dich denn nie rächen?”  “Ich hatte solche Angst vor diesen Monstern, dass ich mich in mein Schicksal ergeben habe. Die Mauern des Bordells waren zwar traurig und trist, aber sie haben mir ein Gefühl von Sicherheit vermittelt und schlecht habe ich ja nichtmal verdient. Ich weiß, ich hätte meinen Vater rächen müssen, aber ich tat es nicht.”  Jakotsus Kehle war heiser, schon lange hatte er nicht mehr so viel am Stück erzählt, besonders nicht solche bedeutungsvollen Dinge. Genaugenommen hatte er seine Familiengeschichte noch nie jemandem erzählt.  Eine ganze Weile schwiegen sie. „Weißt du, warum ich Jakotsu als meinen Namen gewählt habe?“ Er wartete keine Antwort ab, „Mein Vater ist im Zeichen der Schlange geboren. Sie war sein Schutzpatron, er hat sie verehrt…“ Eine Weile schwiegen sie, dann flüsterte Jakotsu: „Wann verrätst du mir deinen wahren Namen? Ich sollte ihn kennen, finde ich…“  "Den habe ich, genau wie du abgelegt...", sagte Bankotsu mit einem Anflug von Wehmut in der Stimme.  "Ich erzähl dir meine Geschichte ein andermal, das wäre zu viel Trauriges für einen einzelnen Abend..."  Jakotsu bekam eine Gänsehaut, als Bankotsus Atem seinen Nacken kitzelte, dann drehte er sich um und ihre Blicke trafen sich, Ebenholz und Eisblau und eine Weile starrten sie sich nur an, verloren sich in den Augen des jeweils Anderen, die Gesichter nur erleuchtet vom Flackern der Kerzen.  Schließlich war es Jakotsu der den letzten Abstand überwand, seine Lippen auf die Bankotsus legte, liebevoll und sehnsüchtig. Sein Herz klopfte unerhört laut, wie ein Trommeln auf einem leeren Schlachtfeld. Bankotsu erwiderte diesen Kuss und er fühlte wie ein Zittern durch seinen Körper ging, er schnaufte leise, weil dieser zärtliche Kuss, den sie tauschten, ihn erregte und als sie sich enger aneinander kuschelten, weil keiner diese Nacht alleine in einem Bett verbringen wollte, verirrte sich Jakotsus Hand zwischen ihre Körper und schenkte Bankotsu diese wundervolle, kleine Freude, die er ihm damals schon geschenkt hatte, in der Nacht als sie sich das erste Mal gesehen hatten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)