Sherry - Jenseits von Gut und Böse von Cognac ================================================================================ Kapitel 5: Unklare Fronten -------------------------- Kapitel 5: Unklare Fronten Hörbuch zur Fanfiktion: Kapitel 5: Unklare Fronten Es dämmerte bereits, als er ihr gemeinsames Haus betrat und sorgsam die Tür hinter sich schloss. Er legte seinen Schlüsselbund in eine Schale auf der schlichten Kommode im Flur und hing seine Jacke an den Garderobenständer. „Atsushi, bist du das?“, rief eine weibliche Stimme und kurz lugte der Kopf seiner Frau aus einen der anliegenden Zimmer. „Ja Schatz, keine Sorge ich bin es.“, bestätigte der junge Familienvater ein wenig müde klingend und begab sich zu seiner Frau in die Küche. Er fand seine Gattin am Esstisch sitzend vor, die Hände um eine Tasse Kaffee geschlungen und ihre grünen Augen ganz auf ihn gerichtet. Ihr rotblondes Haar fiel ihr offen über die Schultern. Der Mann setzte ein Lächeln auf und deutete auf das Getränk. „So einen könnte ich jetzt auch gebrauchen.“, schmunzelte er. Elena deutete auf die Kaffeemaschine, wo eine noch halbvolle Kanne mit dem heißen Gebräu bereitstand. Atsushi ging hinüber, nahm sich eine Tasse aus dem Hängeschrank über ihn und goss sich ebenfalls etwas zu trinken ein. „Wie war dein Tag?“, fragte er gelassen und schlenderte zum Tisch, um sich seiner Frau gegenüber zu setzen. „Es war ganz schön einsam, so ohne dich.“, murmelte Elena ein wenig verträumt, während sie an ihrer Tasse nippte und durch das Fenster in den Vorgarten starrte. Er tat es ihr gleich und beobachtete die Sonne und ihr organgenes Abendlicht, dass auf den Dächern der umliegenden Häuser funkelte. „Kann ich mir vorstellen, aber ich musste heute für einige neue Ideen dringend ins Labor. Tut mir leid, dass ich dir deswegen in unserer Praxis nicht unter die Arme greifen konnte.“, entschuldigte sich Atsushi. „Macht doch nichts. Du bist eben in erster Linie Wissenschaftler. Es war ohnehin nicht viel los. Dafür hatte ich wieder Besuch von meinem Spezial-Patienten.“, informierte ihn die junge Ärztin mit einem leichten Lächeln. Atsushi überlegte einen Moment, begriff dann aber doch schnell. „Achso, den kleinen Jungen meinst du.“, lachte er auf. „War er wieder bei dir, ja?“ Elena nickte. „Und sein Name lautet übrigens Rei. Den hat er mir heute verraten.“ Ihr Mann legte daraufhin, mit einem wohlgesinnten Blick, seinen Kopf zur Seite. „Dir scheint der Bengel ja sehr am Herzen zu liegen. Von unseren meisten Patienten bekomme ich nur zu hören, wie verschwiegen du doch bei ihren Behandlungen bist. Ich schiebe es dabei immer auf deine Schwierigkeiten mit der Sprache, obwohl wir beide ganz genau wissen, dass du fließend Japanisch sprechen kannst.“ „Er ist eben anders.“, argumentierte Elena kühl, die Augen nur halb geöffnet. „Er ist, wie ich, vom gleichen Schlag und sieht mich nicht so an, wie es der Rest tut.“ Die Miene ihres Ehemanns wurde ein wenig ernster. Ihm war klar, was sie damit meinte. „Hat er sich wieder geprügelt?“ „Ja“, entgegnete Elena wohlwissend, dass er mit dieser Frage vielmehr ihre eigenen Gefühle dahinter ergründen wollte. „Er hat sich einmal mehr mit den Kindern aus der Nachbarschaft angelegt, die ihn wegen seiner Herkunft schikanieren. Ich fühle wirklich mit ihm musst du wissen. Genau wie ich, wird er in diesem Land wie ein Aussässiger behandelt.“ Atsushi schüttelte demonstrativ den Kopf und stellte seinen Kaffee beiseite. „Ich finde du übertreibst. Für die meisten ist es einfach ungewohnt ein so befremdliches Gesicht zu sehen, auch wenn es noch so schön ist wie deins.“ Er musterte sie in der Hoffnung ihr ein kurzes Lächeln abzuringen, doch Fehlanzeige. „Aber unter Kindern ist das nochmal etwas anderes.“, musste Atsushi sich eingestehen. „Was hast du ihm diesmal geraten?“, fuhr er fort und faltete dabei die Hände übereinander, wie ein Psychologe bei einen seiner Therapiesitzungen. Elena legte eine Hand an ihre Wange, bevor sie antwortete. „Ich sagte, er soll zudem stehen was er ist und was ihn ausmacht und sich das auch nicht von anderen nehmen lassen, aber er sollte auch nicht um jeden Preis kämpfen, weil ich künftig nicht immer da sein kann, um seine Wunden zu versorgen.“ Atsushi begriff. „Mach dir mal darum keine Sorgen.“, beruhigte er sie. „So schnell werden wir erst einmal nirgendwo hin umziehen.“ Elena machte ein überraschtes Gesicht, welches man nicht häufig bei ihr sah. „Was meinst du? Hast du ihr Angebot etwa nicht angenommen?“ „Ich habe meine Zusage fürs Erste verschoben, da ich mich ein wenig mehr um dich und Akemi kümmern möchte.“, erklärte der Wissenschaftler. „Es ist wegen den Gerüchten, oder?“, tippte die Ärztin. „Vielleicht auch deswegen.“, gestand Atsushi mit angespannten Mundwinkeln, bei dem was er gleich zur Sprache bringen würde. „Du musst wissen, deine Schwester hat mich heute im Labor angerufen.“, berichtete er. Elena hörte ihm zu und ihr Gesichtsausdruck blieb neutral, als sie sagte: „Ich kann mir denken was jetzt kommt.“, wobei ihre Stimme hingegen ihre Haltung dazu deutlich auf einen Punkt der Ablehnung stellte. „Sie sagte du gehst nicht ans Telefon.“, lenkte Atsushi dagegen. „Natürlich nicht, sie versucht schon von Anfang an, dir das Angebot der Karasuma Group schlecht zu reden und bezeichnet sie als zwielichtig. Dabei hast du auf solche Investoren nur gewartet.“ „Allerdings ist sie nicht die einzige, die so spricht und denkt.“ „Also hast du dich überreden lassen, obwohl sie dich nicht einmal besonders gut leiden kann. Ein Grund mehr, warum ich nicht mit ihr sprechen möchte.“ Die rotblonde Frau verschränkte kompromisslos ihre Arme vor der Brust. „Elena ich bitte dich, sie ist deine Schwester.“ „Nein.“, blieb sie knallhart. „Sie wirft mir ständig vor es sei töricht gewesen einen japanischen Wissenschaftler zu heiraten, hat sich aber selbst mit einem Japaner vermählt und dann noch mit einem, der als FBI-Agent tätig ist und irgendeiner geheimen Verbrecherorganisation hinterherjagt.“ Atsushi war klar, dass seine Frau keine leicht zu knackende Nuss darstellte, gerade wenn es um ihre Schwester ging, mit der sie nur noch selten Kontakt hatte, seit ihre Mutter so frühzeitig verstarb, aber damit lernte er bereits früh umzugehen. „Das ist doch mittlerweile ein alter Hut Elena und darüber hinaus hatten sie bis dato bereits ihr erstes Kind gehabt. Außerdem macht sie das doch alles nur, weil sie sich sorgt. So wie das große Schwestern nun einmal machen.“ „Und du nimmst sie auch noch permanent in Schutz. Wieso tust du das ständig?“ Sie konnte sich nicht erklären, wie es ihrem Mann gelang immer die deseskalierende Achse zwischen ihr und ihrer Schwester zu bilden, wobei sie bereits mehr als nur eine Meinungsverschiedenheit ausgefochten hatten, wenn er sich genau dazwischen befand. Selbst wenn es gegen ihn selbst ging, so konnte er immer beide Seiten der Medaille betrachten, was Elena wirklich an ihn bewunderte. „Einer muss schließlich den sanfteren Part übernehmen.“, lächelte Atsushi warmherzig „Du besitzt eben das britische Temperament deiner Mutter, genau wie Mary.“ Er suchte die Nähe ihrer Hand und hielt sie fest. „Schätze das liegt der Familie Sera im Blut.“, ließ sich Elena von ihm erweichen. „Aber es ist auch schön zu hören, dass du lieber für deine Familie da sein willst.“ Sie ergriff die Hand ihres Gatten und lächelte vielsagend. „Vor allem da diese Familie bald Zuwachs bekommen wird.“ Demonstrativ strich sie sich über den Bauch, ehe sie Atsushi einen liebevollen Kuss schenkte. Schnellen Schrittes gingen die beiden Männer durch den breiten -von Oberlichtern gesäumten- Gang, bis einer von ihnen, zielstrebig vorrausgehend, die großen Türen am Ende des Flures aufstieß. Um sie herum wuselten die weißen Kittelträger umher und waren so mit ihren Tätigkeiten beschäftigt, dass sie die genau im Gegensatz zu ihnen, gekleideten Personen in Schwarz, gar nicht wahrnahmen. „Was machen wir hier?“, fragte Wodka unschlüssig, da sie extra einen Umweg nehmen mussten, um diesen ungeplanten Abstecher bei der Forschungsabteilung einlegen zu können. „Halt die Klappe.“, sprach Gin giftig und durchforstete den Hauptsaal. „Wo steckst du alter Zausel?“, knurrte er gereizt, die Augen zu Schlitzen geformt. Wodka wusste nicht, wen sein Partner damit meinte, wagte es aber auch nicht erneut eine leichtfertig gestellte Frage in den Raum zu werfen. Ihm war aufgefallen, wie häufig es Gin in die Arzneimittelfabrik zog. Zu häufig, wenn man bedachte, wie auffällig das nach außen hin erscheinen musste. Sich wiederholende Muster waren potenzielle Gefahren, denn sie boten ein gefundenes Fressen für Interpol, dem CIA oder gar dem FBI. Wodka registriere, wie sich Gin in Bewegung setzte, direkt auf einen weißhaarigen Mann in Wissenschaftlerkutte zusteuernd. Hastig lief er ihm hinterher. „Was ist das?“, prangerte Gin das Stück Papier in seinen Händen an, welches er aus seinem Mantel hervorgezogen und nun dem alten Mann unter die Nase hielt. „Ein Bericht zu den Entwicklungen vom Apoptoxin.“, erklärte Pernod gelassen und sparte sich sogleich die typischen Floskeln einer gezwungenen Begrüßung. „Falsch.“, widersprach ihm der blonde Hüne. „Es ist eine Einschätzung DEINERSEITS.“ „Läuft das nicht auf ein und dasselbe hinaus.“, trotzte ihm der Forschungsleiter. Gins Nasenflügel weiteten sich und er trat bedrohlich nah an Pernod heran. „Er habe doch unmissverständlich klar gemacht, dass ich nur von der Wissenschaftlerin, die für den „Detektiv in Kinderschuhen“ zuständig ist, auf den Laufenden gehalten werden möchte.“, zischte er scharf. „Von dir war da keine Rede.“ Er bohrte seine kalten Augen in den Leib Pernods. „Fräulein Miyano ist sehr beschäftigt, da ihre Versuche gut voran gehen und daher habe ich mich bereit erklärt, ihr ein wenig unter die Arme zu greifen.“ Gin schnaubte verächtlich. „Du scheinst dir ungemein viele Gedanken um das junge Ding zu machen Pernod.“ „Das gleiche kann ich von dir behaupten Gin.“, kam es vom Forschungsleiter zurück, der dem Killer mutig die Stirn bot, obwohl der Blonde ihn um mindestens zwei Köpfe überragte. Der erst noch stürmische Betrieb um die beiden herum flaute abrupt ab und immer mehr Blicke fielen auf die Person Gins und Pernods. Die Geräuschkulisse verstummte und einige Wissenschaftler und Assistenten blieben sogar einfach, auf ihren Weg von A nach B, stehen. „Hey, hat jemand gesagt ihr sollt eine Pause einlegen? Zurück an die Arbeit!“, bellte Wodka ihnen zu, um deren Aufmerksamkeit vom seinem Partner abzulenken. Langsam setzten sich die Laboranten wieder in Bewegung, obwohl einige Augen weiterhin zu den Männern in Schwarz hinüber sahen. Es kam nicht oft vor, dass jemand, selbst ein alter Hase wie Pernod, sich einer Autorität über alle Grenzen hinweg, wie Gin eine war, entgegenstellte. „Gib Acht alter Mann.“, flüsterte der Blonde, damit niemand sonst mithören konnte. Diese Botschaft war allein für Pernods Ohren bestimmt. „Die Würde eines Forschungsleiters lastet schwer. Nicht das du daran zerbrichst. In Laboren kommt es ständig zu unerklärlichen Unfällen wie du weißt. Denk nur zurück an die Eltern der Kleinen, die du so zu beschützen versuchst.“, hauchte Gin bedrohlich mit seinem frostigen Atem. Pernod war bemüht nicht die Beherrschung zu verlieren. Gin hatte seine Achillesverse aufgespürt. Sein gebrechlicher Körper begann zu zittern. Ihm war klar worauf sein Gegenüber hinauswollte, dass er nur auf etwas Unüberlegtes seinerseits wartete. Irgendetwas, das ihm einen Grund liefern könnte gegen ihn vorzugehen. „Achja, das hätte ich beinahe schon vergessen. Die Miyanos waren ja gute Freunde von dir. Das ist bestimmt auch der Grund, warum du ihr so nahe stehst. Ich kann dich aber beruhigen, ich werde genauso lieb zu ihr sein.“, trat Gin unverfroren nach. Er hatte Pernod durchschaut und wusste jetzt, wie er ihn aus der Reserve locken konnte. Es war, wie wenn ein Löwe die humpelnde Antilope in einer Herde erspähte und sich an ihr festbiss. „Du musst dich nicht schuldig fühlen für das, was damals passiert ist. Als sie bei lebendigen Leibe verbrannten. DU hattest damit ja nicht das Geringste zu tun.“, grinste Gin provokant. Der Unfall, der kein Unfall war. Pernod wusste, dass Gin irgendetwas damit zu tun haben musste. Vielleicht wollte er ihm sogar klar machen, dass er selbst dahinter steckte, aber Pernod rein gar nichts dagegen ausrichten konnte. >Dieser Verbrecher<, dachte sich der Forschungsleiter und reagierte bestürzt, als genau zu diesem Zeitpunkt Shiho im großen Hauptsaal auftauchte. Wahrscheinlich war sie hier, um die vereinbarten Mäuse für ihre Testdurchläufe bei ihm abzuholen. Ein äußerst fatales Timing. Ehe Pernod etwas dagegen unternehmen konnte, so hatte sein Blick Gin bereits alles verraten und er drehte sich ebenfalls nach der jungen schönen Wissenschaftlerin um. Er lächelte finster, als er dem Leiter, wie einem guten Freund, auf die Schulter klopfte. Den Bericht in seinen Händen steckte er dabei in den Kittel des alten Mannes. „Ich hoffe doch, dass Thema hat sich jetzt geklärt. Pass gut auf dich auf Pernod.“ Damit ließ der Hüne ihn einfach stehen und trat an Shiho heran, die sich mit zwei Forschern über ihre Arbeit unterhielt, welche aber schnell das Weite suchten, als sie Gin hinter ihr anmarschieren sahen. Die Rotblonde war zuerst verwirrt, drehte sich allerdings um, als ein großer Schatten auf ihr fiel. „Was für ein Zufall, sie gerade jetzt hier anzutreffen Miss Miyano. Ich hörte ihre Forschung läuft auch weiterhin zufriedenstellend für uns.“, begann Gin ihre Unterredung mit einer dunklen und betörenden Stimme. Shiho war sich nicht so sicher, ob dies wirklich auf einen Zufall zurückzuführen war, denn hatte sie Gin, seit ihrem -im wahrsten Sinne des Wortes- ersten Zusammenstoß, immer häufiger in der Nähe der Labore gesehen. Sein Interesse an ihrem Gift muss größer sein, als sie bisher angenommen hatte. „Äh ja, das kann man so sagen. Da es mir nun gelungen ist, dass Gift physisch herzustellen, bin ich gerade dabei die Wirksamkeit an Labormäusen zu testen.“, berichtete sie wahrheitsgemäß. „Ausgezeichnet. Sie leisten wirklich gute Arbeit. Lassen sie sich von niemanden weiß machen, dies sei anders, verstanden?“ Gin spielte bewusst seine Beobachtungen von ihr und Uchida vor einigen Tagen an, was Shiho jedoch unmöglich wissen und damit erkennen konnte. „V-Vielen Dank.“ Sie verbeugte sich flüchtig. „Wie wäre es, wenn ich bald persönlich eine ihrer Testreihen in Augenschein nehme. Mein Wort und mein Meinungsbild haben eine große Wirkung.“ Er kam ihr etwas näher, was in Shiho ein merkwürdiges Kribbeln auslöste. Ihr kam es gelegen, dass Gin sich anbot ihr bereitwillig in die Karten zu spielen, doch irgendwie war da noch was anderes. Dieser Mann verströmte etwas das… Er war… Er schien mehr in ihr zu sehen, als bloß ein Mittel zum Zweck, so wie es alle anderen taten. Das sie einfach nur nützlich für die Organisation sei und mehr nicht. Gin regte in ihr das Gefühl, dass er auch die Person hinter dem Gift sah. Der Mensch der SIE war. „Oh, n-na gut, wie sie möchten.“, nahm sie sein Angebot, wenn auch verzögert, an. Gin nickte stumm und schenkte ihr ein kurzes, aber kontrolliertes Lächeln, ehe er mit Wodka von dannen zog. >Diese Ausstrahlung< Shiho musste wieder zu klarem Verstand kommen und sich ins Gedächtnis zurückrufen, wozu sie Gin eigentlich benutzen wollte. Er war ein Mann in Schwarz und sie hatte allein Interesse an seinen Einfluss, der ihr und Akemi die Freiheit ermöglichen könnte, mehr nicht. Pernod kam zu Shiho hinüber, da sie sich eine Weile nicht geregt hatte. „Alles in Ordnung?“, fragte er vorsichtig und dennoch erschrak die junge Frau, als er plötzlich neben ihr stand. „Ja natürlich, wieso sollte nicht alles in Ordnung sein?“, stellte sie die Gegenfrage. „Ich meine, du wirkst so abwesend und dann die Sache mit Gin.“ Shiho runzelte die Stirn. „Nichts für ungut, aber ich glaube ich kann auch alleine für mich sorgen und selbst damit klarkommen. Ich brauche keinen Aufpasser.“, erwiderte sie schroff. Dachte Pernod etwa, sie hätte sich nicht im Griff und könnte das nicht alleine klären? „Sie haben als Forschungsleiter auch noch andere Dinge zu erledigen und handeln sich nur unnötigen Ärger ein, wenn sie mir ständig beistehen wollen. Ich möchte nicht, dass sie sich wegen mir Probleme einheimsen.“ Sie wendete ihren Blick ab. Pernod wollte etwas einwenden, doch Shiho wollte sich nicht weiter unterhalten. Für sie gab es nichts zu diskutieren. Keiner sollte für sie einstecken müssen. Sie war stark genug ihr Leben alleine zu stemmen und sie sollte sich jetzt besser wieder an die Arbeit machen. „Ich hole die Mäuse doch lieber erst morgen ab.“ Damit ging sie fort und ließ Pernod allein zurück. Shiho war auf dem Weg zurück in ihr Labor, als ihr auf dem Flur Uchida entgegenkam. Nicht auch noch der, fluchte sie klangheimlich in sich hinein. >Ganz ruhig Shiho, ignoriere den Kerl und gehe einfach an ihn vorbei<, sprach sie zu sich selbst, als Uchida immer näher kam. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen und wich seinem stechenden Blick aus, der an ihr haftete, wie ein lästiger Kleber. Somit bemerkte sie allerdings auch nicht, wie der Wissenschaftler, als sie auf gleicher Augenhöhe waren, mit seinem Arm ausholte und den Stapel Akten in ihren Händen zu Boden beförderte. „Pass doch ein bisschen besser auf.“, beschwerte sich Uchida übertreiben. „Das war doch nicht meine Schuld.“, wehrte sich Shiho gegen sein nicht gerechtfertigtes barsches Auftreten. „Der Gang ist breit genug für vier Personen. Sie hätten einfach an mir vorbeigehen können, ohne mir auf die Pelle zu rücken. Denken sie ich weiß nicht, dass das Absicht war. Nehmen sie gefälligst etwas mehr Rücksicht.“, wetterte die Rotblonde zurück. Sie hatte es satt, von Leuten wie Uchida herumgeschubst zu werden. Er war mit Abstand das genaue Gegenteil von Gin. „Pah, als lasse ich mich von niederen Mitarbeiterinnen belehren.“, feixte Uchida und sah zu ihren Füßen, wo die Akten über den schwarzen Fußboden verteilt lagen. „Willst du das nicht lieber aufheben? Gehört doch bestimmt zu deiner so wichtigen Forschung.“ >Dieser miese…< Shiho schluckte ihre angesammelte Wut so gut es ging hinunter und beugte sich nach vorn, um ihre Unterlagen wieder an sich zu bringen. Uchida sah sich kurz um, um festzustellen, dass niemand in der Nähe war. Als er sich sicher war, dass sie ungestört waren, packte er Shiho gewaltsam am Hals und drückte sie mit seinem massigen Körper gegen eine der Seitenwände. Die junge Frau wollte aufschreien, doch Uchida presste seine Hand auf ihren Mund. „Dir habe ich es zu verdanken, dass mich der alte Pernod für einen Monat strafversetzt hat. Nur weil ich ein bisschen was getrunken hatte.“ Er drückte ihren Kopf stärker gegen das Mauerwerk und näherte sich ihrem Ohr. „Damit hast du den Krieg erklärt und im Krieg ist bekanntlich alles erlaubt.“ Er verstärkte den Griff an ihrem Körper. Shiho war völlig überrumpelt, doch strampelte und widersetzte sie sich so gut sie konnte, aber ihr gelang es nicht sich frei zu kämpfen. „Ja, wehre dich ruhig ein bisschen. Das gefällt mir.“, leckte sich Uchida die Lippen. „Ich sagte dir doch, ich werde mich rächen für die feige Nummer mit dem Erlenmeyerkolben.“ Er nahm ihr Gesicht von der Wand und zerrte die Rotblonde in Richtung eines Lagerraums. „Mach es uns beide nicht so schwer. Wenn du artig bist, darfst du deinen mickrigen Posten behalten, wenn ich neuer Forschungsleiter bin.“ Uchida war sich seiner Sache sehr sicher und unterschätze dabei abermals Shihos Fähigkeiten. Er wiegte sich in falscher Sicherheit, als das er sie nun ausreichend eingeschüchtert hätte und diese fatale Fehleinschätzung wollte Shiho sich jetzt zunutze machen. Wo sie anfangs noch sich auf das heftigste gewehrt hatte, so war sie, trotz allem Ekel vor diesem Widerling, immer ruhiger geworden, sodass Uchida seinen Griff ebenfalls unbewusst gelockert hatte, um auf Dauer weniger Kraft gegen sie aufbringen zu müssen. Als der Moment dann am günstigsten war, biss sie ihn -für Uchida nicht vorhersehbar- in den Zeige- und Mittelfinger und das mit all der Kraft, die ihr Kiefer aufbringen konnte. Dieses Mal war es ihr ganz und gar gleich, wie laut ihr Angreifer darauffolgend aufschrie. Wenn Shiho gekonnt hätte, hätte sie dem Schwein am liebsten die ganze Hand abgebissen, damit er sich künftig weder an irgendjemanden vergehen, noch sonst etwas in der Forschungsabteilung zustande bringen könnte. Ihr erstes Manöver erzielte seine gewünschte Wirkung und Uchida ließ sie los, doch hielt die Ablenkung nicht so lange an, wie erhofft. „Du willst es also wirklich wissen ja?“, knurrte der Mann und schlug mit der ausgestreckten Hand zu. Der Treffer fiel härter aus, als Shiho gerechnet hatte und sie fiel zu Boden, während ein höllisches Brennen sich auf ihrer Wange ausbreitete und ihr die Tränen in die Augen trieb. Uchida stand nun über ihr, bereit ein zweites Mal auszuholen, als er von zwei starken Händen von hinten gepackt und mit dem Kopf voran, gegen die Wand geschleudert wurde. Ein dumpfes Geräusch war zu hören, als sein Schädel mit dem Beton kollidierte und Uchida aufjaulte. Anscheinend hatte es genau die Stelle erwischt, die durch die Glassplitter der letzten Auseinandersetzung mit Shiho genäht werden musste. Lauthals jammerte er weiter, als die Wunde wieder aufriss. Wie ein nasser Sack rutschte er zu Boden. Shiho atmete schwer, als sie zu dem Mann hinaufschaute, der ihr zur Hilfe geeilt war. Es war Gin, der sie nichtssagend in die Augen sah und einfach nur da stand. Sie erwiderte ebenfalls nichts, stand sie schließlich noch ziemlich unter Schock, als das ausgeschüttete Adrenalin so langsam in ihr abebbte und sie sich klar wurde, was Uchida noch alles mit ihr angestellt hätte, wäre Gin nicht aufgetaucht. Die Rotblonde hat beim letzten Mal es bei der Rüge gegenüber dem verbotenen Alkoholkonsum belassen, doch dabei würde es dieses Mal definitiv nicht bleiben. Nun war er zu weit gegangen. Shiho wartete einen Moment, dabei darauf achtend, dass Uchida sich nicht wieder aufrappeln und erneut auf sie losgehen würde, doch dieser machte keine Anstalten so schnell wieder aufzustehen. Sicherlich würde es Gin auch nicht so weit kommen lassen. Er musste eine ungeheure Stärke besitzen, wenn er einen Mann um die hundert Kilo mit einem Schwung durch die Luft befördern konnte. Das Blut lief derweil zwischen Uchidas -durch Bissspuren gezeichnete- Finger hindurch, als er versuchte Druck auf seine Verletzung auszuüben. Mit großer Wahrscheinlichkeit drehte sich alles in seinem Kopf, vielleicht sogar eine leichte Gehirnerschütterung, schlussfolgerte Shiho aus ihrer Beobachtung. Auch auf medizinischer Ebene war sie nicht ohne, wenn lange nicht so herausragend, wie in der Biochemie. Sie atmete etwas stockend ein und wieder aus. „D-Danke“, presste sie geschafft hervor. Gin kniete sich zu ihr herunter und reichte ihr eine Hand. „Du musst mir nicht danken.“ Shiho wurde ein wenig Rot, nahm aber die große helfende Hand des Hünen an und stand vorsichtig wieder auf. Ihr Gesicht tat ihr dabei immer noch ziemlich weh. Gin befühlte ihre geschwollene Wange und in Shiho breitete sich eine wohlige Wärme aus. Wie konnte das nur sein? Wie konnte ein Mann nur so kalt und gleichzeitig so warm sein? „Du gehst jetzt besser und lässt dich verarzten. Ich kümmere mich hier um den Rest.“ Er warf einen abfälligen Blick auf das Häufchen Elend vor sich auf dem Boden. Shiho nickte nur und sammelte ihre Akten zusammen, bevor sie an Gin vorbei ging und dabei dem Scheusal Uchida keines weiteren Blickes oder Wortes mehr würdigte. Hoffentlich müsste sie ihn wie wieder zu Gesicht bekommen. Eine Zeit lang tat sich nichts mehr. Gin stand weiterhin über Uchida, dessen Stöhnen mit der Zeit leiser geworden war und der sich bemühte wieder auf die kurzen Beine zu kommen. Der Blonde zündete sich unbekümmert eine Zigarette an und sah ihm dabei zu. „Was für eine armselige Aktion.“, setzte Gin an, nachdem er zweimal an seinem Glimmstängel gezogen hatte. „Ich wusste du bist ein Haufen Abschaum Uchida, aber das du dich derart an Frauen vergreifst, das ist selbst für dich ein neuer Tiefpunkt.“ Der Wissenschaftler stand nun wieder aufrecht, das Blut in mehreren Rinnsalen seine Stirn hinunterlaufend, als er von Gin gegen die Wand gepfercht wurde, mit der eben noch sein Kopf Bekanntschaft gemacht hatte. Mit der flachen Hand schlug er neben sein Ohr, knapp an seinem Gesicht vorbei, gegen den Putz und ließ den kargen Uchida zusammenzucken. „Merk dir eins, Shiho Miyano ist ab sofort unter meinem besonderen Schutz gestellt, ist das klar? Ein solches Verhalten, wie das von vorhin ist somit unentschuldbar.“ Uchida zitterte wie Espenlaub, als Gin ihn eine Ladung Rauch ins Gesicht blies. Er musste husten und rang gleichzeitig nach Luft. „E-Es tut mir so leid. I-Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie…“ „Halt deinen Mund. Ich will dieses Gewinsel nicht hören.“, befahl Gin. Uchida verstummte sofort. „Du bist erbärmlich.“, machte Gin weiter. „Du begehrst sie in Wahrheit, oder? Tja man kann es dir nicht verübeln, doch du weißt, dass du chancenlos bist bei einer Frau wie ihr und daher willst du sie mit Gewalt an dich reißen, als ein Zeichen von Macht. Ist doch so.“ Gin funkelte Uchida niederträchtig an, während der sich wandte, wie ein Wurm. „N-Nein, so ist das nicht. Sie ist…“ Der Hüne packte ihn an der Kehle und der Rest seines Satzes ging buchstäblich die Luft aus. Uchida krächzte gequält. „Weißt du, ich werde es ganz anders angehen.“, flüsterte Gin diabolisch, ganz und gar bereit dazu, seinen finsteren Plan mit ihm zu teilen. „Sie ist begehrenswert oh ja, doch ich werde sie mir nicht einfach nehmen, nein, ich werde dafür sorgen, dass sie sich mir freiwillig hingeben wird. Verstehst du? DAS ist dann wahre Macht, die man über eine Person hat. Indem man den eigenen Willen, zu ihrem Willen macht.“ Er ließ Uchida wieder los, der händeringend nach Sauerstoff schnappte. „E-Es tut mir alles so furchtbar leid. I-Ich verspreche das wird nie wieder vorkommen.“, bettelte der Wissenschaftler. „Natürlich wird es das nicht.“, entgegnete Gin und schnipste die Zigarette beiseite. Blitzschnell packte er Uchida erneut und drückte seine Atemwege zu. Dieser riss panisch die Augen auf, als er realisierte was Gin vorhatte. Immer fester und fester wurde sein brutaler Griff, während die Mordlust in seinen grünen Augen zuckte und sein Opfer sich unter ihm wandte, bis die um sich schlagenden Bewegungen, immer mehr zu wirkungslosen Zuckungen schrumpften. Nach wenigen Sekunden rührte sich nichts mehr und Gin stieß den regungslosen Körper von sich. Wie als würde er den Müll entsorgen, schleifte er Uchidas Leiche zu dem Lagerraum, in den dieser auch Shiho drängen wollte. Er warf ihn hinein und ließ ihn dort einfach liegen. Jemand anderes würde sich später um den Unrat kümmern. Eine kleine Lüge über seinen Verbleib und niemand würde ihn jemals vermissen oder nach ihm suchen. Er wäre wie vom Erdboden verschluckt, so operierte nun einmal die Organisation. „Nimm es nicht persönlich.“, lächelte Gin teuflisch, als er die Tür ins Schloss fallen ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)