Sherry - Jenseits von Gut und Böse von Cognac ================================================================================ Kapitel 4: Schleier der Vergangenheit ------------------------------------- Kapitel 4: Schleier der Vergangenheit Hörbuch zur Fanfiktion: Kapitel 4: Schleier der Vergangenheit „ELENA? ELENA?“ Ein stattlicher Mann mit Brille und weißem Kittel stürmte durch die Tür, hinein in die Gemächer seiner Frau. Er sah hinüber zu einer großen aber grazilen Dame mit langen rotblonden Haaren, die ihr elegant über die Schulter fielen. Sie saß auf einem Stuhl vor ihrem Schreibtisch, ihr Ärztemantel auf der Rückenlehne hängend. Elena Miyano stoppte das vor ihr liegende Tonbandgerät, auf das sie bis eben gesprochen hatte und drehte sich zu ihrem Ehemann um. Sie war wunderschön und ihre Augen tiefgrün, doch ihr Gesicht wirkte ausdruckslos. „Was brüllst du denn hier so rum Atsushi? Du weißt doch, dass ich hier mit etwas Wichtigem beschäftigt bin.“ „D-Das Gift.“, keuchte der Wissenschaftler. „Ich habe eine unglaubliche Entdeckung gemacht.“, rief er überwältigt. „Psst, nicht so laut.“, ermahnte ihn die Britin und schritt besorgt zu einem kleinem Bettchen in der Ecke des Raumes, indem ein süßes Baby friedlich schlief. „Du weckst ansonsten noch Shiho auf.“ Die fürsorgliche Mutter beobachtete ihre gerade einmal zwei Monate alte Tochter. „Oh, tut mir leid.“, entschuldigte sich der vielzeitbeschäftigte Vater der Kleinen. „Ist sie nicht das unschuldigste Geschöpf auf der Welt? Meine Augen haben nie etwas Schöneres erblicken dürfen.“, schwärmte Elena, ehe sie sich wieder zu ihm umdrehte. „Was ist das für eine Entdeckung, die du und deine Kollegen gemacht haben?“ Atsushi begann, wie ihre gemeinsame Tochter im Schlaf, zu strahlen. „Es ist ein Wunder. Ich kann mir noch nicht erklären, wie es dazu gekommen ist, doch es würde einen langersehnten Traum der Menschheit Wirklichkeit werden lassen.“, verkündete er heroisch. Die Engländerin warf ihm einen anzweifelnden Blick zu. „Was könnte dieses todbringende Gift schon für Wunder beherbergen.“ Der Wissenschaftler kam auf sie zu und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Den Wunsch nach Unsterblichkeit.“, flüsterte er Elena zu und ließ sie nicht einmal antworten, sondern fuhr sogleich fort: „Es birgt so unglaublich viel Potenzial, mehr als ich mir hätte erträumen können. Es ist zu so viel mehr fähig, als das wozu es vorgesehen ist. Es könnte die Welt nachhaltig verändern.“ Elena wirkte verunsichert, besaß aber eine Ahnung worauf er ansprach. „Du meinst…“ „Ja“, bestätigte ihr Mann und sah hoffnungsvoll zu ihrer gemeinsamen Tochter. „Es könnte die Silver Bullet sein, nach der wir gesucht haben. Ich brauche aber deine Hilfe dabei, denn die Organisation darf unter keinen Umständen von dieser Nebenwirkung des Giftes erfahren. Den Missbrauch, den sie damit betreiben könnten, wäre ansonsten verheerend.“ Seine Frau verschränkte nachdenklich die Arme vor ihrem Bauch. „Und wie willst du das bewerkstelligen? Du kannst nicht einfach die Arbeit an dem Gift einstellen. Denk dran was auf dem Spiel steht.“ „Ich muss es oder sie werden es mit der Zeit selbst herausfinden und dann ist alles verloren. Unsere Lage ist doch ohnehin aussichtslos, du weißt das. Sie werden uns niemals am Leben lassen, wenn sie das bekommen haben, was sie wollen.“ Er sah zu den siebzehn Tonkassetten hinüber, die Elena bereits aufgenommen hatte. „Du musst mir dabei zur Seite stehen. Ich schaffe das nicht ohne dich meine Liebe.“ Er küsste sie flüchtig auf die zarten Lippen. „Bedenke, es ist von großer Bedeutung für die Zukunft unserer Töchter.“ Sie sah ihm eine Zeit lang schweigend in die Augen und schien zu überlegen. Ihr Blick huschte zum Kinderbett und dann wieder zurück in seine blauen Augen. „Zeig es mir.“, verlangte sie anschließend und folgte ihrem Mann hinaus aus dem Zimmer. Shiho starrte gebannt durch die Linse ihres Mikroskops. „Ja, genau so.“, murmelte sie, während sie dabei zusah, wie das mit Apoptoxin induzierte Gewebe seine eigenen Zellen in rasanter Geschwindigkeit absterben ließ. „Es funktioniert tatsächlich.“, stellte sie fasziniert fest. Nachdem sie von der Führungsetage grünes Licht zu Fortsetzung ihrer Forschung bekam, hatte sie sich unverzüglich daran gemacht, ihre Theorie in die Praxis umzuwandeln und die Apoptose an ersten Proben zu testen. Ihre Wirksamkeit überstieg sogar die eigenen Erwartungen der engagierten und ehrgeizigen jungen Frau. Der nächste Schritt wäre nun, der Versuch an Nagetieren, um festzustellen, dass das Ergebnis bei größeren lebenden Organismen dasselbe wäre. Zufrieden mit ihrer Leistung wandte sie sich vom Experimentiertisch ab und ging zu ihrem Computer, um die erneuten Fortschritte festzuhalten. Wenn es ihr gelingen würde Gin und die anderen hohen Mitglieder der Organisation zufrieden zu stellen, wenn ihr Soll erfüllt wäre und sie das fertige Gift in Händen halten würde, hätte sie vielleicht die Stellung und das nötige Druckmittel ihre und Akemis Freiheit zu erlangen. Sie beugte sich über ihre Tastatur und schrieb flink einige Zeilen nieder. Während sie so dastand und, wie so oft, vertieft in ihrer Arbeit alles andere ausblendete, betrat eine zweite Person ihr Labor, ohne dass sie es mitbekam. Der Mann, der sich einfach so Zutritt verschafft hatte, sah der rotblonden Wissenschaftlerin angetan dabei zu, wie sie ihr Gesäß in seine Richtung hielt. Zu verlockend, um wiederstehen zu können. Shiho erschrak, als sie eine Hand an ihrem Hinterteil spürte und drehte sich hektisch um. Vor ihr stand der karge rundliche Uchida, der Kerl, der sie an ihrem ersten Tag in der Forschungsabteilung herumgeführt hatte. Er sagte nichts, sondern grinste sie nur aufdringlich an. Sein verwaschener Blick wanderte von Shihos entgeisterten Augen hinunter zu ihrem Vorbau. Die Aussicht, die sich ihm dabei bot, schien ihm sehr zu gefallen. „Was zum Teufel fällt ihnen ein.“, fuhr sie den älteren Herren entrüstet an. „Ach, j-jetzt stell… dich mal nicht so an.“, lallte er und kam ihr noch etwas näher. Shiho konnte die Fahne, die er hinter sich herzog, wittern und schob ihn angewidert von sich. Was wollte er überhaupt hier? „Sie haben getrunken und das während ihrer Arbeit. Das werde ich dem Forschungsleiter Pernod berichten.“, verkündete sie streng, musste aber ein Wanken in ihrer Stimme unterdrücken. Etwas dergleichen war ihr bisher noch nie passiert. Außerdem war ihr Uchida in seinem derzeitigen Zustand nicht geheuer. Männer ließen sich zu so einiges verleiten, wenn sie unter dem Einfluss von zu viel Alkohol standen und waren dann zu allem fähig. Ein Grund, warum die rotblonde Frau selbst, nichts mit derartigen Getränken zu tun hatte. Für sie war es immer wichtiger gewesen bei klarem Verstand zu bleiben. Uchida rümpfte beleidigt die Nase. Ihm schien der scharfe Ton der jungen Dame nicht gerade zuzusagen. „Du glaubst wohl du kannst dir jetzt alles erlauben, seitdem man dich für eine große Nummer in der Abteilung hält.“ Er wedelte mit dem Zeigefinger vor ihrem Gesicht. „D-Doch ich durchschaue dich, du Flittchen.“, gluckste er genervt. „Ich weiß nicht wovon sie da reden, aber wenn sie nicht sofort verschwinden…“ „Andere arbeiten seit Jahren für die Organisation und haben so viel in diese Abteilung investiert, dafür geopfert und dann taucht so ein junges hübsches Ding von heute auf morgen auf und wird prompt als zukünftige Forschungsleiterin gehandelt.“ Uchida warf ihr seine Worte regelrecht an den Kopf und gestikulierte dabei wild, während er vom einen Bein auf das andere schwankte. „Was?“ Shiho hörte diese Neuigkeit zum ersten Mal. Wollte man sie wirklich als Nachfolgerin von Pernod auserwählen? Uchida stampfte wütend mit dem Fuß auf den Boden. „Ich bin dazu bestimmt, der zukünftige Leiter dieser Abteilung zu werden und das lasse ich mir bestimmt nicht von so einem Gör ruinieren, das noch Grün hinter den Ohren ist, hast du mich gehört?“ Shiho verschränkte ihre Arme. Daher wehte also der Wind. Er war selbst scharf auf den obersten Posten und sah sie als Gefahr an, diesen zu bekommen. „Wenn es Pernod für an der Zeit hält sich von seinen Tätigkeiten zurückzuziehen, wird er bestimmt der Person mit den besten Qualitäten seinen Platz an der Forschungsspitze anvertrauen.“, argumentierte sie gelassen. „Achja, die besten Qualitäten.“, wieder sah Uchida auf Shihos Oberweite. Er musste hicksen. Anscheinend hatte er schon einige Flaschen intus. „Verrate mir doch einfach dein kleines versautes Geheimnis. Wie oft musstest du es dem alten Knacker besorgen, damit er dir den Job in Aussicht stellt?“ Uchida streckte seine Hand aus, um seiner Aussage auf anstößige Art und Weise Ausdruck zu verleihen, doch hatte der betrunkene Wissenschaftler die Rechnung ohne Shiho gemacht. Ehe er sie nochmal unsittlich berühren konnte, griff die Rotblonde nach einem leeren Erlenmeyerkolben, der auf dem Tisch neben ihr stand und schlug mit diesem auf den Kopf von Uchida. Das Glas zersplitterte bei dem Schlag und der getroffene Mann schrie auf, als ein brennender Schmerz über sein Gesicht zog. Er taumelte nach hinten und hielt sich seine Hände an Stirn und Wange, wo die Splitter des Kolbens ihm mehrere tiefe Schnitte beschert hatten. Das Blut lief über sein linkes Auge, sodass er gezwungen war es zu schließen. Langsam tröpfelte die rote Flüssigkeit auf seinen weißen Kittel und den Laborboden zu seinen Füßen. „Du blödes Miststück.“, fluchte Uchida. „Brauchst dich gar nicht so zu zieren du…“ Ein Aufjammern seinerseits ließ seinen Satz unvollständig. Shiho Herz schlug ihr bis zum Hals und sie konnte ihrem Gegenüber ansehen, dass seine Verletzung unglaublich wehtat, doch habe er die Qualen sehr wohl verdient. „Raus hier jetzt oder sie haben schon morgen ihre Kündigung auf dem Tisch liegen.“, drohte sie ihm und deutete zur Tür. Vorsichtshalber griff sie schon nach dem nächsten freien Kolben. Das sie sich so zu wehren wusste, schüchterte Uchida in der Tat ein wenig ein, doch würde er sich sicherlich nicht ein zweites Mal so überrumpeln lassen. „Pernod wird dich nicht ewig beschützen. Ohne ihn wärst du ein nichts und längst von der Bildfläche verschwunden. Forschungsleiterin wirst du jedenfalls nur über meine Leiche.“, wetterte Uchida, als er langsam den Rückzug antrat. „Das ließe sich arrangieren.“, hielt Shiho dagegen, gestärkt durch die defensive Haltung ihres sich entfernenden Gegenübers. Als er ohne etwas weiter zu erwidern verschwunden war, stellte die Rotblonde den Kolben zurück an seinen Platz, bevor sie erschöpft zusammensackte. Shiho presste ihren Rücken gegen einen der Schränke und zog ihre Beinen an sich heran, um diese mit ihren Armen zu umschließen. Sie hatte es geschafft. Ihre Maske gegenüber äußeren Einflüssen hat zum ersten Mal Stand gehalten und sie konnte Uchida tapfer die Stirn bieten. Innerlich lag sie aber in Scherben, genau wie der Erlenmeyerkolben zu ihren Füßen. Es war mitten in der Nacht. Wer wäre ihr zur Hilfe geeilt, wenn sie nicht die Stärke aufgebracht hätte, ihr Problem selbst zu lösen? Niemand. Das die Schwachen von den Starken unterdrückt und ausgebeutet werden, war eine der Lektionen, nach denen die Mitglieder der Organisation lebten. Habe den Mut und die Kraft es zu unterbinden oder lebe damit. Nein, sie werde nicht damit leben. Sie würde kämpfen, zu den Starken zählen und das würde sie den Männern in Schwarz beweisen. Sie war schon lange nicht mehr das hilflose Mädchen aus ihrer Zeit in Amerika. Shiho rappelte sich auf und richtete ihr Outfit wieder her. Sie schaute zu Tür, in der Uchida verschwunden war. Stimmte es wirklich was dieser Kerl von sich gegeben hatte? Das Pernod oder jemand anderes sie als die nächste Forschungsleiterin einsetzen wollte? Sie begegnete dieser Kunde mit gemischten Gefühlen. Bekäme sie einen eigenen Codenamen, dann wäre sie offiziell eine von ihnen. Shiho pustete eine Strähne aus ihrem Gesicht. Wenn dieser Dreckskerl Uchida diesen Posten so unbedingt wollte, dann solle er ihn doch haben. Für sie würde es keinen Unterschied machen. Ihre Zukunft sollte und werde nicht in der Organisation enden. Als Uchida das Labor von Shiho verlassen hatte, begab er sich fluchend zur nächsten Toilette, um sich zu waschen und seine Wunde zu reinigen. Das werde er ihr noch gebührend heimzahlen, darauf könne sie sich verlassen, prophezeite der Mann kleinlaut. Während er so von dannen Schritt, bemerkte er die große schwarze Gestalt nicht, die nahe der Labortür lehnte, aus der er gekommen war und ihm nun hinterher sah. Die Augen Gins verfolgten den Wissenschaftler mordlüsternd, ehe er sich von der Wand abstieß und in die entgegengesetzte Richtung in der stillen Dunkelheit abtauchte. Shuichi Akai, alias Dai Moroboshi betrat eine abgeschiedene Kneipe in Kawasaki. Es war nur ein kleines recht unscheinbar wirkendes Etablissement, aber genau der richtige Ort für das Treffen, um das man ihn ersucht hatte. Kaum war die Tür hinter ihm zugefallen, sah er sich nach seiner Kontaktperson um, mit der er hier verabredet war. Er erblickte sie recht bald, wie sie vom Eingang abgewandt, in einer der Sitznischen saß und wahrscheinlich schon des längerem auf ihn wartete, da sie alle paar Sekunden auf ihre Armbanduhr sah. Stillschweigend schlenderte Dai auf sie zu und setzte sich auf die gepolsterte Sitzreihe, die sich genau hinter ihr befand, sodass sie nun mit dem Rücken zueinander saßen. Rye zog ein Päckchen Zigaretten aus seiner Manteltasche und steckte sich eine davon in den Mund, bevor er sie mit seinem Zippo anzündete. Er nahm einen kräftigen Zug und ließ das Feuerzeug zuschnappen, ehe er es sorgfältig vor sich auf dem Tisch platzierte. Eine junge Kellnerin, mit dunkler Schürze um die Taille geschnürt, kam an seinen Platz und erkundigte sich, ob er denn gerne etwas zu trinken hätte. Der Undercover-FBI-Agent bat sie um ein großes Bier. Seine Bedienung notierte die Bestellung, wobei ihre Augen mehr auf dem Mann vor ihr lagen, statt auf dem kleinen Stück Papier in ihren Händen und verschwand gleich darauf wieder. Dai lehnte sich ein wenig zurück, starrte aber angespannt geradeaus. Sein Hintermann hat seine Anwesenheit bereits anhand seiner Stimme festgestellt und neigte leicht den Kopf zur Seite Auch wenn die Versuchung groß war ihn nach so langer Zeit anzusehen, so durfte jedoch keiner Wissen, dass sie miteinander zu tun hatten und sich unterhielten. „Ich dachte schon du würdest nicht kommen.“, begann die blonde Frau mit der großen runden Brille auf ihrer Nase, die einst ihrem Vater gehörte. Akai zog erneut an seiner Zigarette und blies einen Schwall an Rauch aus. „Du hättest nicht extra selbst hierher kommen müssen. Dafür haben wir doch unsere Mittelsmänner. André hätte das genauso gut übernehmen können. Er ist immerhin für mich zuständig.“, fiel seine Begrüßung eher klamm aus. „Du willst mich wohl anscheinend nicht mehr sehen.“, erwiderte die Frau wehmütig. „So darfst du das nicht sehen.“, entgegnete er ruhig und nahm dankend das ihm gebrachte Bier von der Kellnerin entgegen. „Es ist einfach gefährlich dich mit mir zu treffen. Ich werde auf Schritt und Tritt beobachtet. Die mir vorgesehene Position verlangt eine genaue Überprüfung meiner Vergangenheit und Gegenwart, wodurch das nicht der beste Zeitpunkt ist, um mich zu einem Treffen mit euch zu drängen.“ „Deine neue Tätigkeit nimmt dich wohl sehr in Anspruch und SIE womöglich auch.“, reagierte die FBI-Agentin ungehalten. „Jodie“, versuchte Shuichi sich zu erklären. „Nein lass gut sein, es geht ohnehin um was anderes, weswegen wir dich kontaktiert haben. James und ich sind in Sorge um dich, nachdem wir von der Ermordung von Scotch gehört haben. Du warst seitdem wie abgetaucht und wir glaubten schon…“ „Ich hätte die Seiten gewechselt?“, funkte das Organisationsmitglied dazwischen. Er verdrehte, für sie selbstverständlich nicht sichtbar, die Augen und seufzte. „Das ist lächerlich und das weißt du auch.“, fügte er hinzu und trank von seinem Bier. „Dir ist klar, dass es sich bei ihm um einen Mitarbeiter der Sicherheitspolizei handelte?“ „Ich habe ihn nicht getötet, falls es das ist, was dir so große Sorgen bereitet.“ Jodie zuckte überrascht zusammen. „Aber unsere Quellen sagten…“ „Bin ich eure Quelle oder jemand anderes?“, konterte Akai scharf, versuchte aber seine nächsten Worte mit etwas mehr Geduld seiner ehemaligen Partnerin entgegen zu bringen. „Er hat sich selbst das Leben genommen, als er erkannte, dass eine Flucht aussichtslos war. Ich habe zwar noch versucht ihn davon abzubringen, doch ein anderes Organisationsmitglied namens Bourbon kam mir dazwischen und so gelang es ihm abzudrücken. Mir blieb gar nichts anders übrig, als für den Erhalt meiner Tarnung, seinen Tod auf meine Kappe zu nehmen.“ Jodie schielte zum Tresen, an denen sich zwei alte Herren bei einem Feierabendbier austauschten. Sie mussten auf der Hut sein. Die Handlanger der Organisation konnten überall sein. „Dann ist deine Rolle als eiskalter Killer im Dienste der Männer in Schwarz also nach wie vor in Takt?“, vergewisserte sie sich lieber noch einmal. „Noch besser als das. Gin will mich bald persönlich treffen. Du weißt, dass er der Kopf der Organisation hier in Japan ist.“ „Vielleicht zahlt sich dein Engagement ja früher aus als wir dachten und du kannst bald zu uns zurückkehren.“, äußerte sich Jodie erfreut. Akai war darüber eher weniger wohlgelaunt. Er drückte den Stummel seiner Zigarette in den Aschenbecher, der in der Mitte des Tisches stand. „Das würde dir sicherlich gefallen, oder? Das sie mich abziehen, weg von IHR.“ Dai erhob sich und bezahlte sein halbgetrunkenes Bier, bevor er ging. Jodie drehte sich etwas überrumpelt zu ihm um und sah zu, wie er die Bar verließ. Sie folgte ihm ein paar Minuten später, als sie sich sicher war, dass keiner Verdacht schöpfen könnte. Auf der Straße ging sie dann einige Meter, bis sie ihn sah, wie er -mit in den Manteltaschen verborgenen Händen- über den Bürgersteig lief. Sie eilte ihm hinterher, ließ aber genug Abstand zwischen ihnen. „Shu, so habe ich das vorhin doch nicht gemeint.“, versuchte sie sich zu entschuldigen, obwohl sie gar nicht wusste, warum sie das überhaupt tat. Insgeheim stimmte es nämlich und konnte man es ihr denn verübeln? Akemi Miyano war immer nur der Schlüssel hinein in die Organisation gewesen, doch sie hatte ihren Freund um die Finger gewickelt und ihn sogar dazu veranlasst, sie zu verlassen. Sie befürchtete, dass Akai sich immer weiter von ihr entfernen würde. „Wie meintest du es dann?“, fragte er sie, immer noch ungeniert voranlaufend. „Je länger du in der Organisation bist, umso höher steigt das Risiko eines Tages in einem Leichensack zu landen und du weißt, dass ich das nicht erleben möchte. Ich könnte es nicht ertragen.“ Die blonde FBI-Agentin versuchte mit ihm Schritt zu halten. „Da mach dir mal keine Sorgen. Ich habe nicht vor so zu Enden und ich lasse auch nicht zu das Akemi so etwas passiert. Mein Entschluss steht fest, dass ich sie am Ende meiner Mission mitnehmen werde, genau wie ihre Schwester.“ „Shu“ Jodie klang nur noch besorgter. „Du kennst sie nicht Jodie, nicht so wie ich. Sie gehört nicht zu diesen Leuten und ich könnte es nicht verantworten, sie einfach zurückzulassen.“ „Viele glauben aber inzwischen, dass du nicht mehr in der Lage bist die Geschehnisse subjektiv zu betrachten. Sie gehen davon aus, dass deine Gefühle zu ihr dein Urteilsvermögen trüben könnten.“, gab die Dame in seinem Rücken zu bedenken. Er blieb abrupt stehen und Jodie tat es ihm gleich, um nicht in ihn hinein zu laufen. Es hatte bereits seit geraumer Zeit genieselt, doch nun hatte sich dieser Niesel zu einem starken Regen entwickelt. Große Wassertropfen prasselten in einer Geräuschkulisse vom Himmel und übersäten die Straße mit Pfützen, die die bunten Lichter des Nachtlebens der Hafenstadt spiegelten. Erstmals drehte sich der Schwarzhaarige zu Jodie um und sah ihr direkt in die Augen. „Siehst du das genauso? Bist du auch der Meinung, dass ich das nicht professionell zu Ende bringen kann?“ Seine grünen Augen wichen nicht von ihr und die blonde Frau war von seinem Anblick so gelähmt, wie durch ein Nervengift, dass durch ihre Adern schießt. Wie lange hatte sie sein sonst so vertrautes Gesicht nicht mehr gesehen. Das Antlitz ihres Geliebten, verloren an eine andere. Als sie ihm keine Antwort gab, wandte er sich wieder von ihr ab. „Du bist der einzige, dem ich es überhaupt zutrauen würde.“, sagte sie rasch, aus Angst er könne fortgehen, ohne dass sie im Stande wäre, ihm das noch auf den Weg zu geben. Sekunden vergingen und nur das Prasseln des Regens erfüllte die Stille. Die Straße war wie leer gefegt. Es gab nur noch sie beide. „Ich muss los. Ich werde am Hafen von Yokohama erwartet. Eine neue Lieferung von großen Wert trifft heute ein. Keine Sorge, ich werde mich bald wieder melden.“ Akai sah sie über seine Schulter hinweg an. „Wenn du willst auch bei dir persönlich.“ Seine Stimme war weicher geworden und sein Blick aufmunternd. Der zunehmende Regen hat die Beiden inzwischen vollkommen durchnässt. Durch ihre mit Wasser benetzten Wangen konnte er nicht sehen, wie ihr heiße Tränen das Gesicht hinunterliefen. Sie nahm seine versöhnende Geste und Form der Entschuldigung an. Auch wenn sein Herz nicht mehr für sie schlug, so würde er ihr doch nie absichtlich Kummer oder Schmerz bereiten wollen. So war er eben nun einmal. Trotz der bösen Hülle mit der sich umgab, um seine Feinde zu täuschen, war sein Kern gut und herzenswarm. „Ich warte auf dich Shu.“, flüsterte sie leise zum Abschied. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)