Schlaflos von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 1: Schlaflos -------------------- Vorwort: "Oh´ nein nun fängt sie schon wieder etwas Neues an und hat doch bereits fünf unvollendete Geschichten!" denken jetzt vielleicht diejenigen von Euch, die mich kennen, und ihr habt recht! Aber was soll ich sagen? Ich bin unverbesserlich! Erwartet bitte keine allzu raschen Up-Dates von mir. Liebe Grüße und viel Spaß bei dieser Geschichte! Eure Ginger __________________________________________________________ Derek hatte bereits alles ausprobiert; Tabletten, Alkohol, Drogen, Sport bis zu totalen Erschöpfung und gerade kam er von einem mehrwöchigen Meditationslehrgang aus einem Kloster in Tibet zurück, doch nichts hatte ihm bislang geholfen! Seit eineinhalb Jahren war es in jeder verdammten Nacht dasselbe Spiel: Er schlief niemals mehr, als höchstens ein bis zwei Stunden am Stück! Und das fing langsam an, ihm an die Substanz zu gehen! Kaum schloss er des nachts die Augen, sah er es wieder vor sich; die brennenden Körper und das panische Durcheinanderrennen. Er hörte die panischen Schreie, das Brüllen der Flammen, das Krachen im Gebälk des Hauses, welches Stück für Stück in sich zusammenstürzte. Er hatte den Geruch brennenden Fleisches in der Nase und beißenden Rauch in seinen Lungen. Und die Hilflosigkeit! Er hatte niemanden retten können, außer sich selbst. Und so war nun auch seine Welt; sie bestand aus ihm und nur aus ihm allein! Sie waren einmal so viele gewesen, doch nun nicht mehr! Wie immer, wenn Derek nicht schlafen konnte, setzte er sich ans Steuer seines mitternachtsblauen Fünfer-BMWs und fuhr durch die Straßen seiner Stadt, denn ebenso wie er selbst, schlief auch Los Angeles nicht. Er betrachtete die unzähligen Lichtpunkte, die an ihm vorbei sausten und in seiner Erschöpfung verschwamm alles was er sah, zu einem bunten Einerlei. Alles, bis auf dieses eine Gesicht am Straßenrand! Nach ihrem Autounfall hatten seine Eltern Stiles nicht viel hinterlassen. Seine Mutter war sofort tot gewesen. Sein Dad hatte im Krankenhaus noch über einen Monat lang um sein Überleben gekämpft, ehe er ihr in den Tod gefolgt war. Die Arztrechnungen und die Bestattungskosten hatten alles aufgezehrt, was an Ersparnissen dagewesen war. Am Ende hatte es noch für ein Busticket nach L.A. gereicht. Stiles war wochenlang wie betäubt durch die Straßen der Großstadt geirrt, hatte teilweise aus dem Müll gelebt, bis ihm zum ersten Mal ein Kerl Geld für seinen Körper angeboten hatte. Er hatte Hunger gehabt und da war es ihm gleichgültig gewesen, woher das Geld kam. Und es war ja auch nicht so, dass er noch eine Familie gehabt hätte, die es kümmern würde, was er so trieb. Also war dies nun sein Leben: Er stand hier am Kantstein und bot sich für ein paar Dollar an, genau so wie all die anderen Jungs links und rechts von ihm, die das Leben hier angespült hatte, wie Treibgut! Die meisten der Kerle in dieser Branche waren Einzelkämpfer, die vermutlich zu allem bereit wären, nur um einen kleinen Vorteil für sich selbst rauszuschlagen. Der einzige Lichtblick und der Grund, warum Stiles nicht schon längst aufgegeben und sich vor einen Zug geworfen hatte war Scott! Scott hatte ihm buchstäblich das Leben gerettet und ihm alles beigebracht, was er selbst über das Business wusste: Wo man stehen konnte, ohne gleich von der Polizei eingesammelt zu werden, welches die üblichen Preise waren, wo die Kleiderkammern, die Obdachloseneinrichtungen mit Duschen, Waschmaschinen, dem gratis Mittagessen und die Sozialarbeiter zu finden waren, die an Jungs wie sie Kondome und saubere Spritzen verteilten. Letztere brauchte Stiles glücklicherweise nicht, denn Scott hatte ihm gründlich den Kopf gewaschen, als er vor einer Weile meinte, mit Drogen anfangen zu müssen, um vergessen zu können: „Spar´s dir und sei nicht so eine Heulsuse, kapiert!“ hatte Scott ihn angebrüllt: „Wir haben hier alle unsere traurigen Geschichten, aber wenn du mit dieser Scheiße anfängst, dann kannst du dir gleich einen Sarg bestellen! Es gibt echt keinen Mist, der durch Drogen nicht noch schlimmer werden würde!“ Und da hatte Stiles es bleiben lassen. Scott und er wohnten momentan in einem kleinen, schäbigen Zimmer in einem leerstehenden Haus mit einem Haufen Junkies, Huren, Straßenkindern und Kleinkriminellen, aber das war okay, denn man ließ sie Ruhe und jeder hier hatte genug mit sich selbst zu tun. Sie teilten sich eine schmutzige Matratze und hatten einen kleinen Campingkocher, so dass sie sich sogar manchmal etwas Warmes zu essen machen konnten. So übel war ihr Leben gar nicht! Scott und er waren kein Paar oder so, sie machten nur manchmal ein bisschen rum, knutschten oder kuschelten sich im Bett aneinander. Sie fickten nicht, denn danach stand keinem von ihnen der Sinn, aber ihr Körperkontakt tat beiden dennoch gut, weil er sie daran erinnerte, dass sie mehr waren, als lediglich Fleisch. In ihrem Job war das wichtig! Doch nun war Scott krank und konnte schon seit einer Woche nicht mehr arbeiten und so musste Stiles für sie beide allein sorgen. Eigentlich wäre das kein Problem gewesen, wenn ihm nicht Isaac, dieses fiese kleine Wiesel ständig die Kundschaft vor der Nase wegschnappen würde. Und genauso war es auch heute wieder, als der dunkelblaue, sauteure BMW neben Stiles am Straßenrand anhielt. Der Kerl, der die Scheibe herunterkurbelte war etwas, was sie hier nicht oft zu Gesicht bekamen: Er war verdammt heiß! Und er winkte ausgerechnet Stiles heran! Die Freier, die sie sonst so hatten waren in der Regel frustrierte Schrankschwestern mit Ehefrau und mehreren Bälgern zuhause, Geschäftsleute, die neben ihren siebzig Arbeitsstunden die Woche keine Zeit für Beziehungsanbahnung hatten und einfach bloß ein bisschen Druck abbauen wollten, oder alte, einsame Kerle, die sonst niemanden mehr hatten. Aber dieser Typ hier war ein ganz anderes Kaliber. Er sah aus, wie ein verdammtes Unterwäschemodell! Es war klar, dass Isaac sich den nicht entgehen lassen wollte. Er versetzte Stiles einen Stoß, so dass dieser auf allen Vieren landete, lehnte sich in das heruntergelassene Autofenster und sagte schnurrend: „Hey, Baby! Du willst ihn nicht, glaub´ mir! Du willst mich! Siehst du die Fresse? Die Leberflecken überall? Die hat er am ganzen Körper! Sieht aus wie ein Dalmatiner! Wahrscheinlich hat er AIDS!“ „Du Arsch!“ zischte Stiles, rappelte sich wieder auf und klopfte sich den Staub ab. Der Typ schaute zwischen den beiden Jungen hin und her und sagte dann zu Isaac: „Verzieh´ dich, Lockenkopf. Ich will den anderen!“ Stiles warf seinem Konkurrenten ein triumphierendes Lächeln zu, als er um die Luxuskarre herum schritt, um zur Beifahrerseite zu gelangen: „Brauchst gar nicht so zu grinsen Stilinski! Der Kerl wird dich vermutlich abstechen, deine Leber essen und den Rest von dir auf dem Müll entsorgen!“ knurrte Isaac gehässig und schlenderte zurück zu seiner Straßenecke. Stiles war unterdessen auf den Beifahrersitz geschlüpft und betrachtete sich seinen Freier noch einmal genauer. Der Kerl sah müde aus, doch abgesehen davon war er umwerfend schön. Stiles versuchte, diesen Umstand zu ignorieren und spulte seinen üblichen Text ab: „Blasen zwanzig, ficken fünfzig, ich mache es nicht ohne und du zahlst für das Zimmer!“ „Ich geb´ dir tausend für die ganze Nacht; fünfhundert vorher und fünfhundert hinterher!“ sagte der Fremde. Stiles war einen kleinen Moment sprachlos. Tausend? Wofür? Höchstwahrscheinlich war es entweder etwas sehr Schräges, etwas Widerliches oder etwas Schmerzhaftes, doch was immer es sein mochte, er würde sich einfach zusammenreißen und es durchziehen. Sofern der Kerl nicht wirklich seine Leber essen wollte, war alles andere egal. Er musste einfach nur an das Geld denken.Von tausend Dollar könnte er Medizin für Scott besorgen, oder ihn vielleicht sogar zu einem richtigen Arzt bringen und nicht zu diesem Quacksalber, zu dem die Jungs immer gingen, wenn sie sich einen Tripper, oder Filzläuse geholt hatten. „Um die Ecke gibt’s ein Stundenhotel, das ganz okay ist! Saubere Laken sind im Preis inbegriffen und es ist nicht zu teuer!“ teilte Stiles mit. Sein Freier schwieg, schlug eine andere als die vorgeschlagene Richtung ein und bald erkannte Stiles, dass es nach Beverly Hills ging: „Wohin fahren wir? Zu dir nachhause?“ fragte er unbehaglich. Er erhielt keine Antwort. Eine von Scotts Überlebensregeln hieß, niemals zu einem Freier nachhause zu gehen, wenn er ihn nicht wenigstens ein bisschen kannte. Doch auf der anderen Seite standen die tausend Dollar, die er gut gebrauchen konnte. Als der Junge neben ihm endlich mal eine Weile still war und aus dem Fenster schaute, wagte Derek einen Blick auf den Beifahrersitz. Schmal, hellbraunes Haar, das ein wenig widerspenstig in alle Richtungen abstand, eine Garderobe, die schon bessere Tage gesehen hatte, bestehend aus Jeansjacke - und hose und einem karierten Flanellhemd über einem verschlissenem weißen T-Shirt. Aber dann waren da ja noch diese Augen. Die waren Derek als erstes aufgefallen. Sie waren anders, als bei den anderen Jungs, die da am Straßenrand herumgestanden hatten. In ihnen lagen Witz, Frechheit und Lebendigkeit. Sie waren der Grund, dass Derek den Wagen angehalten hatte. Doch hätte Derek irgendwem erklären müssen, was er vorhatte, wäre er ins Schwitzen gekommen. Er hatte selbst keine Ahnung. Das `Four Seasons´ in Beverly Hills? Stiles traute seinen Augen nicht. Wollte der Kerl etwa hier absteigen? Tatsächlich! Sein Freier stieg aus und reichte dem Mann vom Parkservice seinen Autoschlüssel: „Kommst du? Ich hab´ nicht die ganze Nacht Zeit!“ fragte er nun ungehalten. Eilig entstieg Stiles dem Fahrzeug und trottete hinter dem schweigsamen und offensichtlich ziemlich schlecht gelaunten Fremden her: „Warte hier!“ sagte dieser in der Lobby und ging an die Rezeption. Wenig später kam er mit einer Schlüsselkarte wieder und bedeutete Stiles, ihm zu folgen. Sie stiegen in den Fahrstuhl und Stiles merkte, wie er immer nervöser wurde, weil er gleich mit diesem eigenartigen Kauz hinter verschlossenen Türen allein sein würde. Das Zimmer war sicher eins der günstigeren, die dieses Hotel zu bieten hatte, doch damit war es noch immer um Längen schöner und größer, als alles, was Stiles in den letzten neun Monaten, seit dem Tod seiner Eltern gesehen hatte. Er blickte sich schüchtern um und versuchte, nicht ZU überwältigt auszusehen: „Darf ich vorher Duschen?“ fragte Stiles, als er das luxuriöse Badezimmer erblickte. Der Fremde nickte. Es war beinahe schon unanständig, wie sehr Stiles das heiße Wasser genoss, welches über seinen Körper rann. In der Tagesstätte für Obdachlose oder im Schwimmbad, wo er sonst duschte, war das Wasser immer bestenfalls lauwarm, meistens jedoch eher kalt. Eine Weile später riss Stiles sich dennoch los und kehrte, mit einem der großen, kuscheligen Handtücher um die Hüften zu seinem Freier zurück, welcher in einem Sessel sitzend, auf ihn gewartet hatte: „Von mir aus kann´s losgehen!“ erklärte Stiles, ließ sein Handtuch fallen, schlug die Tagesdecke des großen Doppelbetts zurück und legte sich mit ein wenig gespreizten Beinen und dem Gesicht nach unten hin: „Was soll das werden?“ fragte der Fremde ärgerlich: „Dafür bist du nicht hier!“ Stiles seufzte. Er hatte es geahnt! Nun kam das dicke Ende! Doch was sollte man machen. Er setzte eine professionelle Miene auf, erhob sich vom Bett, setzte sich, nackt wie er war rittlings auf den Schoß des Fremden und schnurrte: „Okay, Baby! Du bist der Boss! Sag mir, was ich für dich tun soll!“ Der Kerl schob Stiles von sich herunter, erhob sich und warf ihm sein T-Shirt und seine Boxershorts mit der Forderung zu: „Zuerst einmal kannst du das hier wieder anziehen!“ Stirnrunzelnd kam Stiles dieser ungewöhnlichen Forderung nach. Und während er selbst sich anzog, zog Fremde sich aus, so dass sie am Ende beide in T-Shirt und Unterhosen dastanden: „Willst du etwas essen?“ fragte sein Freier nun: „Essen?“ fragte Stiles ratlos. Sein Gegenüber zog ärgerlich die dichten, ausdrucksstarken Brauen zusammen: „Spreche ich irgendwie undeutlich? Ja, ich habe `essen´ gesagt! Ich habe Hunger und werde mir jetzt beim Zimmerservice ein Steak bestellen. Und weil ich höflich bin, biete ich dir auch etwas an. Bist du vielleicht ein bisschen zurückgeblieben?“ „Bin ich nicht!“ sagte Stiles leise und ein wenig ärgerlich. Dann rief er sich jedoch wieder zur Ordnung, beschloss, die raue Ansprache des Fremden nicht an sich heranzulassen und sagte: „Essen wäre schön! Ich nehme dasselbe, wie du!“ Bis ihre Steaks kamen, schaltete der Kerl den Fernseher ein, zappte durch die Kanäle und beachtete Stiles nicht weiter: „Gefalle ich dir plötzlich nicht mehr, oder warum willst du mich nicht ficken?“ erkundigte er sich also. Sein Freier war mittlerweile bei einer Übertragung eines Lacrossespiels hängen geblieben, wendete ihm langsam den Kopf zu und erwiderte: „Mit dir ist alles in Ordnung! Aber ich habe dich nicht mitgenommen, weil ich dich flachlegen will.“ Dann zückte er seine Brieftasche, zog fünf Hundeartdollarscheine daraus hervor und legte sie Stiles in die Hand: „Wie versprochen!“ kommentierte er. Stiles wollte gerade fragen, wofür er denn bitteschön hier sei und so überreichlich bezahlt wurde, als es an der Tür klopfte. Es war der Zimmerservice mit ihrem Essen. Das Steak mit der Kräuterbutter, der Salat und die Süßkartoffelecken rochen himmlisch und sahen unglaublich verführerisch aus. So fürstlich hatte Stiles seit einer Ewigkeit nicht mehr gegessen und dadurch verlor er schlagartig das Interesse an seiner Frage und machte sich über das Essen her. Erst mit gefülltem Magen fragte er sich wieder, was dieser Kerl wohl mit ihm vorhatte. Er hatte immerhin den Bizeps, die breiten Schultern und die riesigen Hände, um jemanden wie Stiles wie einen Zweig zu zerbrechen, also fragte der Junge schließlich: „Und was geschieht nun?“ Der Fremde tupfte sich mit einer Serviette die Mundwinkel, nahm Stiles seinen Teller ab, stellte ihn zurück auf den Teewagen und schob diesen aus dem Zimmer. Dann erst antwortete er auf die Frage: „Jetzt schlafen wir!“ Stiles blickte den Mann ratlos und auch ein wenig misstrauisch an, aber er sagte nichts und schaute dem Fremden dabei zu, wie er unter die Decke schlüpfte: „Kommst du?“ fragte dieser. Stiles nickte. Er hatte wirklich schon einiges mit Freiern erlebt, doch das hier war neu! Er legte sich also neben den Fremden und fragte: „Und nun? Willst...willst du mich halten? Oder von mir gehalten werden, oder so?“ So weit hatte Derek noch gar nicht gedacht: „Uhm...? Ich weiß nicht?“ murmelte er. Dann entschied er: „Nein! Bleib einfach nur hier, und dann wird geschlafen!“ Es klang wie ein Befehl! Und es klang wie unterdrückte Peinlichkeit. Irgendetwas daran rührte Stiles. Er nickte einfach bloß und richtete sich auf seiner Bettseite ein. Die Satinbettwäsche war ein Traum! Und die Matratze fühlte sich an, als sei sie aus kuscheligen Schäfchenwolken gemacht! So bequem hatte er es bereits seit einer Ewigkeit nicht mehr gehabt. Trotzdem würde er in dieser Nacht ein Auge offen halten, denn er war noch immer nicht zu hundert Prozent überzeugt, dass der Fremde ihn nicht im Schlaf erwürgen und sich aus seiner Haut ein neues Paar Schuhe mit passendem Gürtel machen würde. Ehe sein Freier einschlief, sagte er noch: „Wenn du mich im Schlaf beklaust, werde ich dich jagen und ich werde dich finden!“ „Klar doch! Wenn er eine Nutte ist, dann ist er wohl auch ein Dieb!“ brummte Stiles mürrisch und drehte sich auf die andere Seite. Er erhielt keine Antwort, denn der Andere war bereits eingeschlafen. Stiles eigener Schlaf war leicht und das war auch der Grund dafür, dass er sofort hellwach war, als der Fremde neben ihm stöhnend und schwitzend hochschreckte. Und nun begriff Stiles langsam, wofür er hier war. Es war das Gleiche, was Scott in der ersten Zeit auch in vielen Nächten für ihn getan hatte! „Hey, du! Ist in Ordnung!“ flüsterte er und zog den Fremden ohne großes Nachdenken in seine Arme: „Schlaf´ weiter! Du bist in Sicherheit, hörst du?“ Im Licht des Vollmonds, welches durch das große Fenster hereinschien, konnte Stiles das Stirnrunzeln seines Gastgebers sehen und er wiederholte: „Es ist okay! Es war nur ein böser Traum!“ Er hatte sacht damit begonnen, dem Fremden die verschwitzten Haarsträhnen aus der Stirn zu streichen: „Versuch´ einfach, noch ein bisschen zu schlafen. Ich passe auf, ja? Dir wird nichts passieren!“ Die Situation war wirklich eigenartig, denn immerhin kannten sie sich ja gar nicht. Stiles folgte hier einfach bloß seinem Instinkt. Der Fremde sprach kein Wort, doch er beruhigte sich langsam wieder. Er versuchte nicht, Stiles loszuwerden. Im Gegenteil; er begann damit, sich vertrauensvoll in seinem Arm einzurichten und war bald darauf wieder eingeschlafen. Als Derek das nächste Mal erwachte, konnte er es beinahe nicht fassen. Die Sonne schien in das Fenster und stand bereits hoch am Himmel. Der fremde Junge an seiner Seite erwachte nun ebenfalls und murmelte ein verschlafenes: „Morgen!“ Derek nickte. Ein Blick auf die Armbanduhr verriet ihm, dass es halbzehn war. Es war kaum zu glauben! Er musste mindestens neun Stunden ohne Unterbrechung geschlafen haben. Derek erhob sich und verschwand kurz im Bad. Als er wiederkehrte, fragte er den Jungen: „Willst du frühstücken?“ Dieser schüttelte den Kopf: „Nein, es gibt jemanden, nach dem ich unbedingt sehen muss! Er wird sich schon fragen, wo ich so lange stecke.“ erklärte er, erhob sich, zog sich an und machte Anstalten, zu verschwinden. „Warte!“ rief Derek: „Du kriegst doch noch etwas von mir!“ Er griff nach seiner Brieftasche und zog weitere fünfhundert Dollar hervor. Nach kurzem Nachdenken legte er noch weitere zweihundert dazu und reichte sie dem Jungen. Der blickte ihn skeptisch an: „Wofür ist das? Ich habe doch gar nichts getan!“ „Doch hast du!“ versicherte Derek. Dann wollte er noch wissen: „Hast du eine Karte, oder so? Wie kann ich dich erreichen, wenn ich dich brauche?“ Stiles musste lachen. Wofür hielt in dieser Typ? Für irgend so eine Callboy für die oberen zehntausend? Er war doch bloß Dreck, der am Straßenrand herumlag! Er kritzelte seinen Namen und eine Telefonnummer auf einen Block, der auf dem Nachttisch lag: „Das Handy gehört Scott und mir gemeinsam. Nicht wundern, wenn ich mal nicht selbst drangehe!“ „Was ist ein `Stiles´?“ wollte der andere Mann wissen. Der Junge lachte erneut und zeigte mit beiden Daumen auf sich: „Das bin ich!“ „Und wer ist Scott?“ fragte Derek: „Ist er... dein Zuhälter? Oder dein Freund?“ „Weder noch!“ gab Stiles einsilbig zurück: „Melde dich, wenn du mich sehen willst!“ Und mit diesen Worten war er verschwunden. Kapitel 2: Kein Anschluss unter dieser Nummer --------------------------------------------- Der große Haufen Geld brannte Stiles beinahe ein Loch in die Tasche. Er konnte noch immer nicht recht fassen, was letzte Nacht geschehen war: Er hatte eine großartige Mahlzeit genossen, hatte eine Nacht in einem komfortablen Bett zugebracht, noch dazu neben einem wahnsinnig attraktiven Fremden, musste nicht den Arsch hinhalten und war dafür auch noch überreichlich bezahlt worden? Er schob zur Sicherheit noch einmal die Hand in die Hosentasche und befühlte die Scheine, welche bewiesen, dass er das Ganze nicht einfach bloß geträumt hatte. Stiles fragte sich, ob er den Fremden, welcher ihm ja nicht einmal seinen Namen verraten hatte, wohl wirklich wiedersehen würde. Je näher Stiles seinem eigenen, heruntergekommenen Wohnviertel kam, umso nervöser wurde er. Als ob man ihm ansehen könnte, dass er eine Summe mit sich führte, welche in dieser Gegend bereits ausreichend war, um dafür über den Haufen geschossen zu werden. Er war froh, als er bei seiner eigenen Behausung ankam. Er kletterte durch das zerbrochene Seitenfenster in das abrissreife Haus hinein, stieg über einen Haufen Schutt und Sperrmüll und ging dann hinüber zu jenem Zimmer, welches er mit Scott bewohnte. Sein Freund saß aufrecht auf ihrer Matratze und blätterte in einer zerfledderten Zeitschrift. Als er ihn hereinkommen hörte, hob er den Kopf und begann gleich zu schimpfen: „Scheiße, Alter! Wo warst du? Danny hat mir erzählt, dass du gestern mit irgendeinem komischen Kerl mitgefahren bist und danach hat dich niemand mehr gesehen. Ich habe mir sonst was ausgemalt!“ Stiles schloss die Tür, hockte sich neben seinen Freund und drückte ihm strahlend einen lauten Schmatzer auf die Wange: „Entschuldige, Bro! Aber mir geht’ s super! Die letzte Nacht war ein Volltreffer!“ Er zog die Geldscheine aus der Tasche und ließ es über Scott und sich selbst schneien. Seinem Freund fiel die Kinnlade herunter: „Verdammt! Was ist das denn?“ stieß er hervor, sammelte das Geld ein und begann zu zählen: „Hast du jemanden umgelegt, oder was?“ Scott blickte ihn scharf an: „Was musstest du für so einen Haufen Schotter tun? Bist du in Ordnung? War es etwas Schlimmes?“ Stiles grinste: „Überhaupt nicht!“ versicherte er und begann, zu berichten. „Du erzählst mir doch ein Märchen!“ sagte Scott skeptisch: „Was ist wirklich passiert?“ „Genau so war es; ich schwöre!“ entgegnete Stiles. Dann schaute er Scott prüfend an: „Wie geht es dir denn überhaupt. Schon ein bisschen besser?“ Sein Freund zuckte mit den Schultern: „Ja sicher!“ behauptete er. Stiles runzelte die eigene Stirn und streckte unterdessen seine Hand nach der seines Freundes aus: „Bullshit!“ rief er aus: „Du hast Fieber! Ich ziehe jetzt gleich los und besorge dir Medizin! Und etwas richtig Gutes zu essen. Was willst du?“ „Mir geht’s gut!“ behauptete Scott ein weiteres Mal: „Hab´ drüber nachgedacht, heute wieder zu arbeiten.“ Stiles schüttelte den Kopf, drängte Scott in die Matratze und nagelte ihn dann mit seinem Körper dort fest: „Das wirst du schön bleiben lassen, Mister!“ befahl er streng: „Wir haben jetzt ein bisschen Geld und du kannst entspannt hier liegen bleiben, bis du wieder ganz gesund bist. Und vielleicht bucht der Kerl mich ja sogar noch einmal? Immerhin hat er noch zweihundert draufgelegt, auch wenn ich keine Ahnung habe, wieso. Ich gehe jetzt in die Apotheke und besorge einen Haufen Pillen für dich, die dich kurieren werden. Und außerdem werde ich zum `Green Apple´ gehen, um dir dort die scharfe chinesische Hühnersuppe zu besorgen, die du so magst!“ Er senkte seinen Kopf und verteilte kleine Küsse auf Scotts Gesicht. „Du wirst dich noch anstecken. Dann werden wir hier beide verrecken und man findet unsere modernden Kadaver, sobald wir anfangen zu miefen!“ brummte Scott verdrießlich. Stiles kicherte und drückte seinem Freund einen Kuss auf die Lippen: „Macht nichts!“ behauptete er: „Ist doch romantisch! Du und ich? Brüder, vereint noch im Tod!“ „Runter von mir, du Spinner! Geh´ und besorg´ mir meine Suppe!“ schimpfte Scott scherzhaft. Und so machte sich Stiles lachend auf den Weg. Derek hatte im Hotel ein ausgedehntes Frühstück eingenommen und plötzlich kamen ihm die Ereignisse der vergangenen Nacht vollkommen irreal vor. Er hatte einen Stricher von der Straße aufgelesen und mit ihm Seite an Seite geschlafen? Welcher Teufel hatte ihn denn da bloß geritten? Es hätte doch schließlich sonst etwas passieren können! Dieser Junge hätte ihn im Schlaf abstechen können! Und wer wusste schon, welche Krankheiten so jemand wie er hatte? Aber eines musste Derek zugeben: Er fühlte sich heute morgen beinahe so, als könne er Bäume ausreißen! Er war einem Impuls gefolgt, als er den Jungen aufgelesen hatte. Irgendwie hatte er das Gefühl gehabt, dass es richtig wäre. Aber vielleicht forderte der Schlafmangel ja auch ganz einfach seinen Tribut und er verlor langsam, aber sicher seinen Verstand? Aber jetzt war er ja endlich wieder einmal richtig ausgeruht und klar im Kopf. Und wahrscheinlich lag dies gar nicht an diesem Jungen. Vielleicht war es ja das Hotelbett? Es war wirklich komfortabel und ein vollkommen unbelasteter, praktisch jungfräulicher Ort; anders als sein Bett zuhause, welches ihn schon viel zu viele Nächte wachend und sich hin- und herwälzend erlebt hatte, dass mittlerweile ja schon praktisch ein Fluch auf ihm lag. Zur Sicherheit würde er das Zimmer für eine weitere Nacht reservieren und am Abend hierher zurückkehren. Den Zettel mit der Telefonnummer des Jungen mit dem eigenartigen Namen knüllte er achtlos in seine hintere Gesäßtasche. Stiles hatte zweihundert Dollar mitgenommen. Und weil es schon so eine Ewigkeit her war, dass er Geld in der Tasche gehabt hatte, hatte er diesen Betrag im wilden Kaufrausch auch beinahe vollständig ausgegeben. Zunächst hatte er in der Apotheke richtig zugeschlagen. Er hatte die gesamte Palette an Erkältungsmedikamenten erstanden und überdies eine Großpackung Kondome und mehrere Tuben von dem GUTEN Gleitgel. Dann war er im Supermarkt gewesen, um ihre Vorräte an Konserven und anderen haltbaren Lebensmitteln aufzustocken. Und weil er schon ewig keine mehr gehabt hatte, sie im Angebot waren und er einfach nicht widerstehen konnte, packte er auch noch mehrere Päckchen `Reese´s´ ein. Seine letzte Station war dann, wie angekündigt das, `Green Apple´, wo Stiles es nicht bei der versprochenen Hühnersuppe beließ; nein sie brauchten auf jeden Fall auch die Saté-Spieße, die Mini-Frühlingsröllchen, die Fünf Kostbarkeiten und die Sesam-Reis-Bällchen mit frittierten Bananen zum Dessert. Beladen wie ein Alpaka auf einer Anden-Expedition kam er wieder nachhause und genoss, wie Scott beinahe die Augen übergingen. Erst verabreichte er seinem Freund Aspirin, Hustensaft und einen Haufen anderer Segnungen der modernen Pharmazie und dann stopfte er ihn und auch sich selbst erbarmungslos mit asiatischem Essen voll. Und weil sie anschließend das Gefühl hatten, gleich aus allen Nähten zu platzen, machten sie nun erst einmal ein ausgedehntes Nickerchen: „Ich hab´ dich lieb, Bro!“ murmelte Scott im Einschlafen noch zufrieden und kuschelte sich eng an Stiles. Als sie wieder erwachten, war bereits früher Nachmittag und die Sonne schien golden durch die schmutzige, gesprungene Fensterscheibe. Stiles nahm das Handy zur Hand und warf einen Blick auf das Display. Keine verpassten Anrufe und auch keine Textnachrichten! Aber der Akku ließ langsam nach, wie er mit ein klein wenig Besorgnis registrierte, denn ihre Bleibe verfügte ja nicht über Strom. „Wie fühlst du dich jetzt, Kumpel?“ wollte er von Scott wissen. „Besser!“ versicherte dieser: „Was hältst du dann davon, wenn wir uns in den Bus setzen, zur Strandpromenade fahren, dort ein bisschen bummeln, damit du frische Luft bekommst? Auf dem Rückweg könnten wir dann ja bei Malia reinschauen,unsere Schulden begleichen, ihre Steckdose benutzen, vielleicht etwas rauchen... ?“ „Klingt gut! Also bis auf das Rauchen. Ich habe mit meinem kratzigen Hals keine Lust zum kiffen.“ erwiderte Scott. An der Promenade tobte wie immer das Leben: Straßenmusikanten, Künstler, die versuchten, ihre Werke an den Mann zu bringen, Schmuck-, Getränke und Imbissstände strahlten um die Wette. Stiles hatte aus gutem Grund das Geld, welches er vergangene Nacht verdient hatte, zuhause in ihrem Versteck; einem kleinen Loch im Mauerwerk hinter der Fußleiste gelassen, weil er nicht in Versuchung geraten wollte, es hier für irgendeinen Blödsinn auszugeben, oder schlimmer noch, es sich von einem der Taschendiebe abnehmen zu lassen, die hier in großer Zahl herumliefen. Er hatte nur die hundert Mäuse dabei, die er zurückzahlen wollte und sonst nichts. Scott und er setzten sich eine Weile auf die Kaimauer, blickten über den Strand und ließen sich die Sonne auf den Pelz scheinen: „Was hast du denn immer mit diesem Telefon? Wieso starrst du andauernd drauf?“ wollte Scott irgendwann wissen: „Hoffst du, dieser Kerl ruft an? Vergiss´ es! Das wäre doch zu schön, um wahr zu sein! Der wird sich nicht wieder melden!“ Stiles zuckte mit den Achseln und schob das Telefon zurück in seine Hosentasche: „Wie auch immer! Halb fünf!“ stellte er fest: „Malia könnte mittlerweile wach sein?“ Malia war ursprünglich bloß eine Freundin von Scott gewesen, doch inzwischen verstand Stiles sich auch recht gut mit ihr. Er hatte einfach eine Weile gebraucht, um sich mit ihrem, manchmal etwas ruppigen Wesen anzufreunden und hinter die Fassade zu blicken. Sie war im selben Alter wie Scott und Stiles und wenn man Malia fragte was sie beruflich tat, antwortete sie bloß, sie sei eine Geschäftsfrau. Konkret hieß das, wie Stiles mittlerweile wusste, dass sie einerseits von dem Vertrieb von Marihuana lebte und zum anderen ein Studio für Männer mit besonderen Wünschen und Vorlieben in ihrer Wohnung betrieb: „Das solltet ihr zwei euch auch mal überlegen!“ hatte sie einmal zu den beiden Jungs gesagt: „Diese Typen zahlen auf jeden Fall mehr, als das bisschen Spielgeld, dass ihr verdient, wenn ihr eure Ärsche an der Straßenecke anbietet!“ Leider ahnte Stiles, dass ihm jedes Talent dafür fehlte, diese Dienstleistung anzubieten und Scott erst recht, mit seinem lammfrommen Wesen. Malia allerdings war wie gemacht für diese Tätigkeit. Als sie die Tür öffnete, schien sie sich wirklich zu freuen, die beiden Freunde zu sehen. Und als Stiles ihr den Geldschein entgegenstreckte, hob sie staunend eine Augenbraue: „Die Kohle hatte ich ehrlich gesagt schon abgeschrieben. Ich kenne euch zwei Habenichtse doch. Was ist passiert? Is´ Oma tot? Habt ihr geerbt, oder wie?“ „Großzügiger Freier!“ sagte Stiles betont gleichgültig: „In den Stiles sich verliebt hat!“ fügte Scott lachend hinzu: „Lass´ ihn um Himmels Willen eine deiner Steckdosen benutzen, ehe dem Handy der Saft ausgeht und er für ihn nicht mehr erreichbar ist.“ „Schnauze McCall! Du bist doch nur neidisch, weil ich Ein-Zwei für´s schlafen und essen bekommen habe! Und nur zu eurer Information: Der Kerl war heiß! Nicht nur gemessen an unserem bescheidenen Standard, sondern WIRKLICH heiß! Hollywood-heiß!“ „West-Hollywood?“ fragte Malia spöttisch. Stiles zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung, ob er schwul ist. Als ich nackt vor ihm herumgesprungen bin, hat sich bei ihm jedenfalls nichts gerührt und ficken wollte er mich auch nicht. Also vielleicht ist er ja auch straight?“ „So ein Pech!“ zog ihn Malia auf: „Ich bin nicht verliebt!“ knurrte Stiles: „Scott redet Müll. Ich bin doch nicht bescheuert, mich in einen Kunden zu verlieben. Abgesehen davon habe ich an dieser ganzen Sache überhaupt kein Interesse. Ich habe echt andere Sorgen!“ „Welche Sache?“ wollte Malia wissen: „Liebe etwa!“ „Ja, richtig, DIE Sache!“ brummte Stiles: „Ich habe nie verstanden, was das ganze Theater deswegen soll.“ „Armes Baby!“ lachte Malia: „Du versäumst was! Liebe hat was! Ehrlich!“ „Na, du musst es ja wissen!“ gab Stiles zurück: „Wo ist denn eigentlich deine Freundin. Oder ist mal wieder Schluss?“ „Geht dich gar nichts an!“ murrte Malia: „Das mit Lydia und mir brennt eben ein bisschen heißer, als bei den meisten Leuten. Da fliegen dann halt manchmal die Fetzen!“ Malia brühte soeben einen Tee der besonderen Art für sie alle auf: „Eigener Anbau! Ich nehme nur die Blätter. Ganz mild! Und gut gegen deine Erkältung, Scott!“ behauptete sie: „Ich verzichte! Das letzte Mal, als ich deinen Tee getrunken habe, habe ich hinterher stundenlang meine eigene Hand angeglotzt und `Let the sunshine in´ gesungen.“ erklärte Scott fest. „Ich passe auch! Vielleicht ruft der Typ ja doch noch an und dann will ich klar im Kopf sein!“ erklärte Stiles. „Mehr für mich!“ sagte Malia schulterzuckend und schenkte den beiden stattdessen eine Cola ein. Die Drei machten es sich auf Malias großem Futon mit den unzähligen Wurfkissen gemütlich und ihre Gastgeberin wollte wissen, ob ihre Besucher Lust zum Fernsehen hätten. Die beiden Jungs, die dazu nicht allzu oft Gelegenheit hatten nickten begeistert. Malia spendierte eine Runde Lakritzschnüre und ließ einen japanischen Horrorfilm laufen, der Scott und Stiles das Blut in den Adern gefrieren ließ: „Pussies!“ spottete sie mit einem amüsierten Seitenblick auf die Zwei: „Wir sind nun mal nicht alle so tough und butch wie du, Baby!“ erwiderte Scott daraufhin achselzuckend und mit einem schiefen Grinsen. „Wohl wahr!“ bestätigte die junge Frau lachend. Es war bereits dunkel, als der Film aus war und Malia schlug vor: „Wenn ihr wollt, könnt ihr heute Nacht hier bleiben. Ihr habt doch jetzt ein bisschen was auf der hohen Kante und müsst nicht unbedingt raus. Und für Scott und seine Grippe wär´s vielleicht ganz günstig, mal eine Nacht nicht in eurem zugigen Rattennest, sondern in einem richtigen Bett bei Zentralheizung zu schlafen. Ich habe nachher noch zu arbeiten, aber das muss euch nicht stören. Ihr werdet gar nichts davon mitbekommen.“ Weil die beiden Freunde nicht wirklich Lust dazu hatten, zu dieser Stunde noch durch die halbe Stadt zu fahren und weil Scott wieder ein bisschen Temperatur bekommen hatte, nahmen sie das Angebot an und machten sich auch gleich zum schlafen bereit. Malia würde noch lange nicht zu ihnen ins Bett kommen. Sie war ein echtes Nachtschattengewächs und die Jungs hatten schon manches Mal spekuliert, ob sie wohl ein Vampir wäre. Für gewöhnlich stieg sie nämlich erst am frühen Abend aus dem Bett und blieb dafür aber die ganze Nacht auf. Vom Schlafzimmer aus konnten die beiden nun hören, wie die junge Frau ihren Geschäften nachging. Zuerst füllte sie kleine Tütchen mit Gras, welches die gesamte Wohnung mit seinem würzigen Geruch erfüllte. Dann führte sie ein paar Telefonate; kurze und knappe mit ein paar Käufern, die eigentlich nur aus Zahlen bestanden, nämlich Grammzahlen, Preisen und Uhrzeiten, zu denen das Zeug abgeholt werden konnte. Anschließend sprach Malia ganz offensichtlich mit einigen Freiern. Die beiden Freunde konnten nicht alles verstehen, doch das, was sie mitbekamen ließ ihnen die Kiefer herunterklappen und färbte ihre Ohren rot. Und irgendwann klingelte es dann an der Tür und Malia nahm einen Gast mit in ihr Spielzimmer. „Gott, meinst du, dabei wird es immer so laut? Oder legt Malia sich einfach nur heute besonders ins Zeug weil sie weiß, dass wir nebenan sind und weil sie uns ein bisschen schockieren will?“ fragte Stiles in die Dunkelheit hinein: „BIST du denn schockiert?“ fragte Scott mit einem Grinsen in der Stimme: „Weiß nicht? Ein bisschen vielleicht!“ gab Stiles zurück. Dann herrschte plötzlich Stille nebenan: „Oh, Gott, denkst du, Malia hat ihn gekillt?“ wollte Stiles wissen. Sein Freund kicherte: „Das bezweifle ich! Vielleicht bekommt er jetzt seine Belohnung, weil er so tapfer durchgehalten hat, oder so!“ spekulierte er. Stiles schüttelte sich, um die Bilder loszuwerden, die daraufhin in seinem Kopf entstanden. Nach einer Weile hörte er an dessen Atem, dass Scott eingeschlafen war. Stiles selbst bekam hingegen kein Auge zu und nach einer Weile realisierte er auch mit einigem Ärger, woran das lag: Er lauschte immerzu auf das verdammte Telefon, das einfach nicht läuten wollte. Er war ja so ein verdammter Idiot! Stiles drehte sich nach links; er drehte sich nach recht, rollte sich auf den Bauch, dann wieder auf den Rücken und wenn er damit fertig war, dann begann er wieder von vorn. Währenddessen lauschte er auf Malia und ihre nächtlichen Verrichtungen. Eigenartiger Weise hatte sie nun den Staubsauger angestellt, dabei hatte Stiles ihren Kunden noch gar nicht gehen hören? Und da ging ihm ein Licht auf. Möglicherweise war sie es gar nicht selbst, die das Haushaltsgerät betätigte? Das würde jedenfalls erklären, warum es bei ihr immer so pieksauber war, obwohl Stiles sie eigentlich noch nie einen Handschlag im Haushalt hatte tun sehen. Stiles fuhr damit fort, schlaflos im Bett herumzuwühlen und schließlich wurde Scott davon wach: „Kannssu nich schlafen, Kumpel?“ nuschelte er benommen: „Hm!“ machte der Angesprochene bloß und ließ damit Raum für Spekulationen. Scott wälzte sich halb auf den Freund und... hey, moment mal! Was machte seine Hand denn da? „Wie wär´s mit ein bisschen Hilfe unter Brüdern. Wenn du willst, kannst du dabei ja an Mr. Hollywood denken. Und ich wette, hinterher schläfst du wie ein Baby!“ murmelte Scott verschlafen und machte sich mit geschickten Fingern ans Werk. Stiles hielt kichernd Scott Hand fest und entgegnete: „Danke, geht schon, Bro! Und Malia ist bestimmt nicht begeistert, wenn ich ihre lesbischen Laken vollsaue.“ „Lesbische Laken?“ brummte Scott noch, ehe er auch schon wieder eingeschlafen war; mehr auf, als neben Stiles liegend. Und weil sein Freund so schön warm war und wie zuhause roch, beschloss Stiles das blöde Handy endlich zu vergessen. Er legte die Arme um Scott und war bald darauf eingeschlafen. Derek war hochzufrieden. Nach einer Ewigkeit war er endlich mal wieder voller Tatkraft gewesen, hatte in seinem Unternehmen Präsenz gezeigt und das war auch höchste Zeit gewesen, denn gewisse Mitarbeiter hatten in der Zwischenzeit scheinbar vergessen, wer hier der Boss war. Aber er hatte Ennis tüchtig den Arsch aufgerissen und im gezeigt, wo sein Platz war! Was eine Nacht voller Schlaf alles ausrichten konnte, dachte er verwundert, denn er hatte endlich mal wieder das Gefühl gehabt, ganz er selbst zu sein! Und von jetzt an würde alles anders werden! Er saß in seinem Hotelzimmer und war guter Dinge. Gerade hatte er sein Abendessen eingenommen und war nun müde genug, um sich schlafen zu legen. Er kuschelte sich ein, reckte sich noch einmal genüsslich, schloss die Augen und war wenig später eingeschlafen. Und eine halbe Stunde später erwachte er schreiend und verschwitzt aus demselben Alptraum, der ihn bereits seit einer Ewigkeit quälte, nur dass nun alles noch viel schlimmer war, denn er war in einem fremden Zimmer, es war dunkel und er war ALLEIN! Und nun meinte sein verschlafenes Nachtbewusstsein die Präsenz und die Anklage seiner toten Familie zu spüren und er war wie erstarrt. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er wieder soweit bei Verstand war, dass er sich traute, die Hand unter der Bettdecke hervorzustrecken, um nach der Nachttischlampe zu tasten. Mit Licht sah die Welt schon wieder ein kleines bisschen besser aus. Er stand auf, schlüpfte in den Bademantel des Hotels, richtete sich auf dem bequemen Sessel ein und schaltete die Glotze ein. Es lief nichts Gescheites, aber das war vollkommen gleichgültig, denn Derek brauchte lediglich das Geräusch der Stimmen. Er rief den Zimmerservice und orderte ein Flasche Bourbon und als er sie dann hatte, machte er sich gar nicht erst die Mühe, das bereitstehende Glas zu benutzen. Er setzte ganz einfach die Flasche an und trank, bis er den Boden sehen konnte! Danach schlief er nicht, sondern fiel eher in eine Art Bewusstlosigkeit. Aber das war auch okay, denn es war besser als die Träume! Am nächsten Tag erwachte Stiles mit mieser Laune. Er warf einen Blick auf das Display seines Handys, schmiss es dann knurrend auf´s Bett und tapste hinüber ins Bad. Während er seine Blase entleerte, fasste er einen Plan. Er würde auf Mr. Hollywood pfeifen und heute Überstunden schieben. Er würde einfach jeden Kerl mitnehmen, der ihn haben wollte. Er konnte auch so einen Haufen Kohle verdienen. Er würde sich dafür bloß ein bisschen mehr anstrengen müssen! Scott und er machten sich noch rasch einen Kaffee. Als sie Malia allerdings fragten, ob sie auch welchen wolle, wurden die beiden angeknurrt, sie sollten sie gefälligst nicht zu nachtschlafender Zeit stören, denn sonst würde sie ihnen nämlich die Eier abreißen. Sie verschwanden anschließend grußlos, aus Angst um ihre Testikel und Stiles brachte Scott zunächst zurück in ihr ärmliches Zuhause und verordnete ihm einen weiteren Tag Bettruhe, ehe er seinen Plan für den heutigen Tag in die Tat umsetzte. Seine ersten Kunden waren die Übriggebliebenen von letzter Nacht, die von der gestrigen Party immer noch betrunken genug waren, dass sie nicht mehr richtig rechnen konnten, was sich für Stiles am Ende auszahlte. Gegen Mittag waren es dann die Geschäftsleute, was bedeutete schnelle Blowjobs im Auto. Später ging Stiles in einem Obdachlosenasyl duschen, aß etwas, wusch seine Kleider und suchte sich in der Kleiderspendenbox etwas Neues zum Anziehen, ehe er sich wieder an die Straße stellte. Sein blödes Handy hatte während der ganzen Zeit geschwiegen. Dummerweise endete Stiles Erfolgskurs am Nachmittag nun auch noch abrupt, was seine Laune weiter verdunkelte. Bis zum Abend hielt kein einziger Wagen für Stiles und wenn doch, dann kam ihm einer der anderen Jungs zuvor. Es dämmerte bereits als sich endlich ein Kerl seiner erbarmte. Er war Ende fünfzig, untersetzt und hatte fiese, kleine Augen, die Stiles mit einem Blick musterten, dass es diesem eiskalt den Rücken herunterlief. Unter normalen Umständen würde er auf seine Instinkte gehört haben und wäre mit diesem Kerl nirgendwo hingegangen, doch er war irgendwie wütend und trotzig und darum ignorierte er das kleine Stimmchen, dass ihn warnte. Der Kerl war ein Geizkragen, der die Kosten für das Zimmer sparen wollte und Stiles deswegen aufforderte, ihm in eine Gasse zu folgen. Dort wollte er dann plötzlich über den Preis verhandeln: „Ich geb´ dir dreißig für´s Ficken. Ich bezweifle, dass du mehr wert bist!“ sagte der Freier verächtlich. Stiles schnaubte und verdrehte genervt die Augen: „Weißt du was Alter? Vergiss´ es? Das ist mir echt zu doof!“ erklärte er und wendete sich zum Gehen. Doch plötzlich wurde er roh von hinten gepackt und gegen eine Hauswand geschleudert: „Wag´ es nicht, einfach abzuhauen, du dreckige, kleine Nutte!“ brüllte der Kerl. Stiles war immer noch ein klein wenig benommen, da wurde er auch schon wieder gepackt und der Kerl bellte: „Ich muss dir auch überhaupt kein Geld geben, sondern kann mir ganz einfach nehmen, was ich will!“ Und da machte er auch schon Anstalten, seinen Worten Taten folgen zu lassen, indem er sich an Stiles Hosenknöpfen zu schaffen machte. `Scheiße, NEIN! Das würde er nicht zulassen!´, schoss es dem verängstigten Stiles durch den Kopf. Er holte mit dem Ellenbogen aus und dann hörte er, wie er damit dem Kerl hinter sich die Nase brach. Gut! „Fuck!“ brüllte der Freier versuchte, mit einem Ärmel die Blutung zu stoppen: „Na warte, du kleines Miststück! Dafür mache ich dich fertig!“ Er prügelte mit Fäusten auf Stiles ein, welchem es nicht immer gelang, allen Hieben auszuweichen. Schließlich ging der in die Knie. Sein Angreifer trat noch ein paar mal nach, ehe er sich umdrehte und wegrannte. Und als Stiles keuchend und stöhnend in der Gosse lag, klingelte plötzlich sein Handy. Kapitel 3: Florence Nightingale und das kleine Arschloch -------------------------------------------------------- Immer noch an der Erde liegend und vor Schmerz zitternd und stöhnend tastete Stiles nach seinem Handy: „Hallo?“ sagte er gepresst. „Spreche ich mit... uhm... Stiles?“ Die Stimme am anderen Ende klang irritiert. Stiles holte tief Luft und riss sich zusammen, so gut er konnte: „Ja! Ja, ich bin es!“ bestätigte er: „Hi! Wie geht’ s?“ `Hi, wie geht’ s?´ dachte Stiles verstört. `Was redete er denn da?´ „Geht so!“ erwiderte Derek knapp: „Ich brauche dich! Bist du frei... ich meine... uhm... hast du Zeit?“ „Sicher!“ bestätigte Stiles schnell: „Ich habe Zeit für dich! Willst du mich abholen? Ich sag dir die Adresse!“ „Okay!“ bestätigte Derek, ließ sich die Daten geben und dann legten sie auf. Stiles rappelte sich mühsam hoch. Die Welt um ihn herum drehte sich ein wenig, ihm taten sämtliche Knochen weh und er sah höchstwahrscheinlich aus, wie Mettwurst, aber was sollte er machen? Er befühlte sein Gesicht. Ihm lief Blut aus dem Mundwinkel. Er wischte achtlos mit dem Handrücken darüber und gab dann ein scharfes Zischen von sich. Seine Lippe war aufgesprungen und es brannte höllisch. Außerdem hatte er eine aufgescheuerte Wange und eine tüchtige Beule an der Stirn. Stiles war ein wenig schlecht und seine Rippen schmerzten, wegen der Tritte gegen seinen Oberkörper. Er klopfte sich den Staub ab, richtete seine Kleidung und tastete sich dann an einer Hauswand entlang, um sich zurück zur Straße zu schleppen, wo er sich in einen Hauseingang setzte und wartete. Als Stiles versuchte, die Augen zu schließen bereute er es sofort, denn sein Schwindel und die Übelkeit verstärkten sich dadurch und er hatte Angst, das Bewusstsein zu verlieren. Nein, er musste einfach ein bisschen die Zähne zusammenbeißen und dann würde es schon gehen. Er straffte sich und öffnete seine Augen weit. Nach einer Weile hielt der mitternachtblaue BMW am Straßenrand und ihm entstieg der gutaussehende Fremde. Als er Stiles erblickte stutzte er: „Fuck! Wie siehst du denn aus? Was ist passiert? Wer war das?“ wollte er wissen: „Berufsrisiko!“ sagte Stiles lediglich achselzuckend, erhob sich mühsam, schleppte sich mit einem gequälten Lächeln zu seinem Kunden hinüber und sagte: „Denk´ nicht drüber nach, Baby! Ich steig´ vorher unter die Dusche und dann geht’ s wieder!“ Er legte Derek eine Hand auf die Brust, schenkte ihm einen koketten Blick und wollte wissen: „Was kann ich für dich tun, Daddy? Willst du mich heute ficken? Oder willst du es einfach wieder so, wie beim letzten Mal?“ „Bist du eigentlich irre, Junge? Selbst wenn ich es wirklich auf einen Fick abgesehen hätte, wird mir bei dieser Daddy-Nummer einfach nur schlecht!“ bellte Derek: „Und hast du eigentlich eine Ahnung, wie du aussiehst? Ich bringe dich jetzt zur Polizei, damit du gegen den Kerl Anzeige erstatten kannst, der dir das angetan hat und danach fahre ich dich ins Krankenhaus!“ Stiles trat einen Schritt zurück und rief: „Ich gehe doch nicht zu den Cops, Alter! Was soll ich denen denn erzählen? Ein Freier wollte nicht zahlen und hat es dann mit Selbstbedienung versucht? Ich wette, meine Story wird den Bullen die Tränen des Mitgefühls in die Augen treiben und dann machen sie sich gleich auf die Suche nach dem Schurken, der so gemein zu mir war, richtig? Scheiße, nein! Die kassieren mich sofort! Und Krankenhaus? Glaubst du echt, einer wie ich ist krankenversichert? Vergiss´ es! Du kannst mich jetzt entweder mitnehmen und meine Dienste in Anspruch nehmen, oder du kannst dich verpissen!“ „Hey, du kleines Arschloch! Ich will dir doch bloß helfen, weil du aussiehst wie Scheiße!“ bellte Derek. „Oh, besten Dank auch, Mann! Du willst mir helfen? Wer bist du? Florence-`fucking´-Nightingale? Ich brauche keine Hilfe!“ schimpfte Stiles. Derek funkelte ihn zornig an und erwiderte: „Du kannst mich mal, du kleiner Penner. Ich brauche dich nicht, hörst du? Jungs wie dich gibt’ s wie Sand am Meer! Ich suche mir einfach einen anderen! Vielleicht den kleinen, Blondgelockten von neulich“ „Mach´ doch! Isaac hat übrigens Analwarzen, wie ich gehört habe!“ entgegnete Stiles giftig, wirbelte herum und legte einen divaesquen Abgang hin. Dummerweise kam er nicht weit, denn bereits nach wenigen Schritten ging er in die Knie und erbrach sich auf das Straßenpflaster. Derek drehte sich nach dem Jungen um, verdrehte genervt die Augen, ging dann zu Stiles hinüber, zoge ein Papiertaschentuch aus seiner Jackentasche und reichte es Stiles, damit dieser sich den Mund abwischen konnte. Dann half er ihm vorsichtig auf und sagte: „Du hast eine Kopfverletzung, Mann! Wenn du schon nicht ins Krankenhaus willst, dann lass´ mich dich wenigstens nachhause fahren, ja?“ Der Junge blickte zu ihm auf und hatte ein verdächtiges Glitzern in den Augen. Er nickte bloß und ließ sich widerstandslos von dem Älteren zu seinem Wagen bringen. Als sie in Stiles Wohngegend ankamen, runzelte Derek die Stirn. Erst recht, als Stiles auf ein, mit Brettern vernageltes, abbruchreifes Gebäude deutete und behauptete: „Hier ist es! Hier wohne ich! Danke für´ s bringen!“ Derek lebte bereits sein Leben lang in L.A., doch in dieser gottverlassenen Gegend war er wirklich noch nie zuvor gewesen. „Ich begleitete dich nach drinnen, um sicher zu gehen, dass du heil ins Bett kommst!“ bestimmte er. Stiles gab ein bitteres, kleines Lachen von sich: „Ich glaube kaum, dass ein schwerreicher Junge wie du so eine Müllkippe betreten möchte. Außerdem willst du deine Luxuskarre hier doch wohl nicht stehen lassen, oder?“ „Für fünf Minuten wird es doch wohl gehen!“ erwiderte Derek, hoffte innerlich, dass er Recht behalten möge und verließ sich auf seine Alarmanlage, die einen mörderischen Lärm schlagen würde, sobald jemand seinem Baby auch nur zu nahe käme. Als er hinter Stiles her über einen Haufen Müll durch ein zerbrochenes Fenster in das Haus stieg, fragte Derek sich kurz, wie lang eigentlich seine letzte Tetanusimpfung zurücklag? „Echt jetzt? Hier lebst du? Ich meine... ist es überhaupt sicher? Hier herrscht doch Einsturzgefahr, oder nicht?“ fragte er. Stiles warf einen bösen Blick über seine Schulter und knurrte: „Sorry! Es vielleicht nicht das `Four Seasons´, aber immerhin regnet es uns nicht ins Bett!“ „Uns?“ fragte Derek noch, da hatte Stiles schon eine der Türen geöffnet und sie betraten ein Zimmer, in welchem ein Junge in Stiles Alter auf dem Bett lag und erschrocken aufsprang, als er den Verletzten erblickte: „Scheiße, Mann! Wie siehst du denn aus? Was ist passiert?“ Dann fuhr er zornig zu Derek herum und wollte wissen: „War der das etwa?“ „Ruhig Scotty! Er hat mich bloß nachhause gefahren.“ beschwichtigte Stiles seinen Freund. Scott musterte den Fremden in seinem Zuhause: „Du musst `Hollywood´ sein! Verdammt! Du bist ja WIRKLICH richtig heiß. Ich habe gedacht, Stiles hätte übertrieben, wegen der ganzen Kohle und so!“ „`Hollywood´?“ fragte Derek: „Na ja, du hast dich nicht vorgestellt.“ rechtfertigte sich Stiles. Der Angesprochene rollte genervt mit den Augen: „Derek! Sehr erfreut!“ schnappte er. Scott hatte mittlerweile einen Stuhl für Stiles herangezogen und ihn darauf platziert. Er untersuchte die Verletzungen im Gesicht, zog Stiles dann sein T-Shirt über den Kopf und hielt erschrocken die Luft an, als er die dunkelblau verfärbten Rippen auf der linken Seite sah. Scott ignorierte für einen Moment die Tatsache, dass sie nicht unter sich waren und hauchte einen zarten Kuss auf den malträtierten Oberkörper: „Wie ist denn das nur passiert, Bro?“ fragte er sanft: „Mach´ dir keine Sorgen, Scotty! Eine Nacht voll Schlaf und ich bin wieder der Alte!“ behauptete Stiles und nahm die Hände seines Freundes in die eigenen. Da meldete sich Derek aus dem Hintergrund: „Er hat sich erbrochen. Ich denke, er hat eine Gehirnerschütterung. Vielleicht kannst DU deinen Freund ja überzeugen, in ein Krankenhaus zu gehen?“ Scott blickte Stiles fragend an, doch dieser schüttelte energisch den Kopf: „Können wir uns nicht leisten! Ist auch hinausgeworfenes Geld! Bloß damit die mir sagen können, was ich schon weiß, nämlich dass ich eins über die Rübe bekommen habe? Die können gar nichts machen! Das heilt von allein!“ „Und was, wenn dein Schädel gebrochen ist?“ warf Derek ein: „Ist er nicht! Was redest du denn da?“ zischte Stiles, doch da blickte Scott ihn schon an, wie ein getretener Welpe: „Was ist, wenn du hier schläfst und du fällst plötzlich ins Koma, oder so? Ich kann ja nicht mal einen Krankenwagen hierher rufen! Oder was wenn dein Herz einfach zu schlagen aufhört? Ich weiß nicht mehr, wie Wiederbelebung funktioniert! Scheiße, Mann! Ich brauche dich doch!“ jammerte Scott: „Bist du jetzt stolz auf dich, Hollywood?“ schimpfte Stiles: „Du hast meinem Freund Angst gemacht!“ Derek seufzte genervt: „Er sorgt sich zu Recht! Und weißt du, was wir jetzt machen? Ich nehme dich mit zu mir und dann schläfst du dort! Das hatte ich sowieso vor. Ich beherrsche CPR und ein Krankenwagen ist in fünf Minuten da!“ Scott nickte heftig: „Ja, machen wir es so!“ bestimmte er. „Und habe ich dazu auch noch etwas zu sagen?“ erkundigte sich Stiles gereizt. „Nö!“ erwiderte Scott und half seinem Freund in ein sauberes T-Shirt. Dann wandte er sich Derek zu und erklärte: „Wenn ihm bei dir etwas zustößt oder du ihm etwas antust, dann werde ich dich ausfindig machen und umlegen! So, und nachdem das nun gesagt ist, darfst du ihn mitnehmen.“ „Is´ klar!“ erwiderte Derek Augen rollend und bedeutete Stiles mit einem Kopfnicken, ihm zu folgen. Dieser verabschiedete sich noch mit einer Umarmung von seinem Freund und trottete dann hinter Derek her zu dessen Wagen, der wie durch ein Wunder immer noch unberührt und unbeschadet auf sie wartete. Stiles war nicht überrascht, dass die Fahrt nach Beverly Hills ging, aber als der Wagen vor jenem riesigen, schmiedeeisernen Tor hielt, welches den Zugang zu einem schlichtweg gewaltigen Anwesen darstellte machte er dann doch große Augen. Es war ja schon klar gewesen, dass dieser Derek Geld hatte, aber das er offensichtlich `Richie Rich´ war, kam dann doch überraschend für Stiles Dereks Haus war ein gewaltiger, moderner Palast aus Glas und Stein mit einem Pool davor, beinahe so groß wie das Mittelmeer! Englischer Rasen, beinahe bis zum Horizont! `Jede Menge Platz, um sich allein zu fühlen, was, reicher Junge?´, dachte Stiles bei sich. Sie betraten eine riesigen Eingangshalle: Boden, Wände und Decke; alles in blütenweißem Marmor gehalten; kühl, schlicht und gradlinig, wie der Bewohner des Hauses! Den einzigen Farbfleck bildete ein dicker, persischer, unbezahlbarer Knüpfteppich. Drinnen wurden sie von einem Butler begrüßt; stilecht im Livrée. Stiles meinte zu träumen. „Sie dürfen sich für heute zurückziehen, Greenburg!“ sagte Derek, woraufhin der Bedienstete sich mit einer kleinen Verbeugung verabschiedete: „Deine Bude ist der absolute Wahnsinn! Darf ich mich umschauen?“ wollte Stiles wissen „Heute nicht! Morgen kriegst du die Tour, aber nur, falls du dich dann besser fühlen solltest!“ bestimmte Derek: „Willst du etwas trinken?“ „Bier!“ erwiderte Stiles. Derek zog genervt eine seiner kräftigen Augenbrauen in die Höhe: „Du bekommst ´ne Limo!“ Als er mit Stiles Getränk zurückkehrte, wollte er wissen: „Hast du auch Hunger? Das, was du vorhin auf die Straße gekotzt hast sah so aus, als läge deine letzte Mahlzeit schon ein bisschen zurück. Stiles errötete ein klein wenig bei der Erinnerung daran, dass Derek ihn so gesehen hatte: „Ein Sandwich vielleicht?“ antwortete er schüchtern: „Kommt sofort! Setz dich auf´s Sofa!“ Es klang beinahe wie ein Befehl und wenn Stiles nicht so angeschlagen gewesen wäre, hätte er sicher eine freche Antwort zur Hand gehabt, doch so gehorchte er ganz einfach. Das `Sandwich´ war dann nicht ganz das, womit Stiles gerechnet hatte: Pastrami auf französischem Weißbrot, garniert mit einer Remouladensoße und Minigürkchen und dazu ein Schälchen mit frischem Obst. Der Junge nahm es beinahe ehrfürchtig entgegen und murmelte ein Dankeschön. Derek hatte sich auch selbst ein Sandwich gemacht und nun nahmen sie schweigend ihre Mahlzeit ein. Hinterher reichte Derek Stiles einen Seidenpyjama und erklärte: „Wird Zeit, dass du endlich ins Bett kommst!“ Der Junge hätte beinahe laut losgelacht: „Ehe ich das Ding anziehe, würde ich gern erst einmal unter die Dusche, um mir die Gosse abzuspülen. Darf ich?“ wollte er wissen. „Aber lass´ die Tür offen!“ forderte Derek: „Wieso, Baby? Willst du vielleicht nachkommen?“ flirtete Stiles: „Nein, ich habe bloß keine Lust, meine Tür eintreten zu müssen, falls du doch noch bewusstlos wirst!“ brummte Derek. Stiles schnaubte ein wenig beleidigt und ließ sich dann das Gästebad zeigen. Zwanzig Minuten später kehrte er dann sauber und in dem Pyjama, der ihm mindestens eine Nummer zu groß war zurück zu Derek und folgte diesem in sein Schlafzimmer. „Jetzt wirst du erst mal versorgt! Setzen!“ herrschte Derek ihn an: „Du hältst dich dich wohl wirklich für so etwas wie eine Krankenschwester, was Baby?“ witzelte Stiles: „Klappe! Stillhalten!“ bellte Derek und verteilte eine Salbe auf Stiles Schürfwunde im Gesicht und auf seiner aufgesprungenen Lippe. Dann griff er nach einer anderen Tube, welche eine Creme gegen Hämatome enthielt und forderte: „Mach´ dich frei!“ „Du willst meine Titten sehen?“ fragte Stiles mit sexy Augenaufschlag. Derek stöhnte: „Ja klar! Ich kann mich kaum noch halten! Und jetzt mach´ schon!“ Stiles schmollte: „Was hast du eigentlich gegen mich? Ich gelte im Allgemeinen als ziemlich süß. Und nur als Hinweis: Ich habe eine geschickte Zunge und keinen Würgereflex!“ Der Ältere seufzte: „Ich werde bei Gelegenheit dran denken. Und jetzt hör auf zu quatschen und halt still!“ Er bestrich den riesigen, blauen Fleck auf Stiles Brustkorb großzügig mit der Salbe: „Ich wette du hast ein bis zwei gebrochene Rippen!“ kommentierte er: „Scheiß´ drauf!“ erwiderte Stiles schulterzuckend. Derek schüttelte den Kopf und wollte wissen: „Wie geht’s deinem Schädel?“ „Brummt, wie ein Bienenstock!“ antwortete Stiles: „Dann nimmst du jetzt die hier!“ verlangte Derek und ließ zwei Pillen in Stiles Hand gleiten: „Was is´ n das?“ fragte Stiles misstrauisch: „Cyankalie!“ knurrte Derek genervt: „Es ist Aspirin! Was hast du denn gedacht?“ Er reichte dem Jungen eine Wasserflasche. Es widersprach wirklich sämtlichen Regeln seines Berufsstandes, Tabletten von einem Freier zu nehmen. Stiles öffnete dennoch den Mund, warf die Pillen ein und spülte großzügig nach. Nun legten sich die beiden Männer nebeneinander ins Bett und Stiles öffnete die Arme. Derek blickte ihn verständnislos an, doch Stiles ließ sich nicht irritieren: „Deshalb wolltest du mich doch sehen, oder nicht? Weil du Alpträume hast und nicht schlafen kannst. Nun komm´ schon her! Ich kann dir helfen und ich verrat´s auch keinem.“ Der Blick, den der Ältere ihm zuwarf war finster, dennoch legte Derek sich ohne Widerrede in Stiles Armbeuge und schlang ihm einen Arm um seinen Oberkörper, wobei er sehr genau darauf achtete, die angeschlagenen Rippen nicht zu berühren. Einmal wurde der Junge in dieser Nacht davon wach, dass Derek im Schlaf leise jammerte und nach seiner Mutter rief, doch als Stiles ihm sacht durch das Haar und über den Oberkörper streichelte, wurde der Schlafende beinahe schlagartig wieder ruhig und so schlummerte auch Stiles schnell wieder ein. Kapitel 4: Mein Freund Harvey ----------------------------- Derek erwachte vom Vogelgezwitscher vor dem Fenster und weil ihn die Sonne auf der Nase kitzelte. Und erst da wurde es ihm bewusst: Sonne? Er schlug die Augen auf und konnte es nicht fassen. Er hatte wirklich die ganze Nacht durchgeschlafen, ohne auch nur einmal zwischendrin aufzuwachen? Es grenzte beinahe an ein Wunder! Scheinbar hatte er sich in der Nacht noch nicht einmal wirklich bewegt, denn er lag immer noch genauso da, wie er sich am Abend gebettet hatte; mit dem Kopf an Stiles Schulter. Für den verletzten Jungen musste dies mit Sicherheit schrecklich unbequem gewesen sein und dennoch hatte er eigenartigerweise im Schlaf nicht versucht, seine Last abzuschütteln. Trotzdem erhob Derek sich nun so vorsichtig er konnte und riskierte dann einen genauen Blick auf den Schlafenden. Stiles Mund war leicht geöffnet. Die Wunde an seiner Lippe hatte sich in der Nacht scheinbar wieder geöffnet, denn er hatte ein wenig getrocknetes Blut im Mundwinkel und die Beule an seiner Stirn hatte sich mittlerweile gelb-grünlich verfärbt. In seinem entspannten Zustand und insbesondere mit seinen gegenwärtigen Blessuren sah Stiles sehr jung und irgendwie unschuldig aus. Es war in diesem Augenblick für Derek kaum vorstellbar, dass jemand mit so einem Gesicht tagtäglich draußen auf der Straße stand und seinen Körper an wildfremde Kerle verkaufte. Derek hatte Stiles nicht einmal gefragt, wie alt dieser eigentlich war und betete inständig, dass er wenigstens bereits volljährig sein möge. „Wie hast du geschlafen?“ nuschelte Stiles und der Ältere zuckte ertappt zusammen: „Gut!“ antwortete Derek knapp. Natürlich war die Untertreibung des Jahrtausends. Er hatte geschlafen, wie ein Baby! Er hatte geschlafen, wie ein Stein! Er hatte geschlafen, wie ein Toter! Er hatte geschlafen, wie in Abrahams verdammtem Schoß! „Schön!“ erwiderte Stiles, reckte sich und stöhnte gleich darauf auf, denn er hatte offenbar seine angeschlagenen Rippen vergessen. „Wie fühlst du dich heute Morgen?“ fragte Derek also: „Prima!“ behauptete Stiles. Dieser Junge konnte lügen, ohne rot zu werden, stellte Derek fest. In diesem Moment klopfte es sacht an der Tür: „Herein!“ rief Derek. Es war dieser Butler Greenburg, welcher fragte: „Was möchten sie und ihr Gast frühstücken, Mr. Hale?“ „Ich hätte gern ein französisches Omelett mit Pilzen.“ erwiderte Derek und blickte Stiles fragend an. Der zuckte schüchtern mit den Schultern und weil er nicht so dreist sein wollte irgendwelche Sonderwünsche anzumelden, entschied er sich ganz einfach für dasselbe. Greenburg zog sich zurück und Stiles bemerkte überrascht: „Er hat nicht einmal mit der Wimper gezuckt, obwohl ich hier mit dir liege. Heißt das, du hast öfter männliche Übernachtungsgäste?“ Derek gab eine kleines, genervtes Seufzen von sich: „Habe ich nicht, aber selbst wenn: Er ist ein Butler! Die oberste Regel in seines Berufsstandes lautet Diskretion.“ „Und macht es dir gar nichts aus, dass er denken könnte, du und ich...?“ fragte Stiles. „Dass du und ich... WAS?“ hakte Derek mürrisch nach. Stiles rollte mit den Augen: „Na was denkst du wohl?“ „Es ist völlig egal, was Greenburg denkt!“ gab Derek zurück: „Ich wohne hier und kann machen, was ich will!“ Plötzlich wurde Stiles etwas klar: „Er hat dich Mr. Hale genannt!“ Derek stöhnte: „Du bist DEREK HALE, der Dot-Com-Milliardär!“ stellte Stiles fassungslos fest. Dann schob er sanft hinterher: „Das mit deiner Familie tut mir übrigens leid!“ Man musste schon die letzten eineinhalb Jahre in einer Höhle gelebt, oder im Koma gelegen haben, um nichts über den Mordanschlag auf die Familie Hale gehört zu haben. Es war wochenlang in allen Medien gewesen. Und vor Stiles saß also tatsächlich Derek Hale, der einzige Überlebende dieses furchtbaren Massakers. Kein Wunder, dass er nicht schlafen konnte! Derek hatte unzufrieden die Arme vor der Brust verschränkt. Ganz offensichtlich passte es ihm ganz und gar nicht, dass Stiles nun wusste wer er war, also versicherte dieser: „Hey! Keine Angst! Ich bin diskret! Ich renne jetzt nicht zu den Paparazzi und erzähle ihnen: `Ich bin der Stricher, den Derek Hale bezahlt!´ , oder so etwas.“ „Da entgeht dir aber ein Vermögen!“ knurrte Derek bitter: „Ich habeschon immer versucht, mein Gesicht aus den Medien herauszuhalten, aber seit meine Familie tot ist, lassen diese Schmeißfliegen lassen einfach nicht locker. Sogar auf der Beerdigung sind sie über mich hergefallen. Danach haben sie mir monatelang vor meinem Grundstück aufgelauert, als ob es auf der Welt keine interessanteren Dinge gebe, als wann ich komme und gehe, wen ich bei mir habe, was ich anhabe, oder ob ich einen Burger esse! Ich brauchte einen Gerichtsbeschluss, um dieses Gesindel wieder loszuwerden!“ Stiles griff vorsichtig nach Dereks Hand und verschränkte ihre Finger: „Klingt Scheiße! Aber nur damit du es weißt: Ich würde nicht zu den Medien gehen! Du warst sehr nett zu mir. Ich habe echt kein Interesse daran, dir zu schaden.“ Derek schaute ihn skeptisch an und zog vorsichtig seine Hand wieder aus der von Stiles: „Du kennst mich überhaupt nicht und ich bedeute dir nichts, also warum sollte ich dir das glauben? Es ist ja nicht so, dass du die Kohle nicht gebrauchen könntest.“ „Ich bin so aber nicht!“ erwiderte Stiles ein klein wenig verletzt „Außerdem: Du kennst mich überhaupt nicht und ich bedeute dir nichts und trotzdem hast du mich gestern nicht blutend am Straßenrand liegen lassen, sondern hast mir geholfen.“ Derek zuckte mit den Schultern und setzte gerade dazu an etwas zu erwidern, als es erneut an der Tür klopfte. Greenburg trat ein und hatte ihr Frühstück dabei. Ohne, dass sie selbst irgendetwas tun mussten, wurden sie rundum versorgt. Der Butler stellte ihnen kleine Tischchen auf den Schoß, auf welchen er die dampfenden Teller platzierte. Dazu erhielten sie Orangensaft welcher aussah, als sei er extra frisch für sie gepresst worden und einen Milchkaffee im hohen Glas und festem Milchschaum darauf und einem Strohalmlöffel darin. Ein Traum! Derek nahm das alles als vollkommene Selbstverständlichkeit hin, während Stiles den Mund nicht mehr zu bekam. Er nahm eine Gabel voll von dem Omelett und hätte fast geweint. Vermutlich hatte er noch nie etwas Besseres gegessen: „Dein Butler kocht gut!“ kommentierte er. Derek musste lachen: „Greenburg kocht nicht, Stiles! Das war der Koch!“ Stiles blickte ihn fassungslos an: „Du hast einen eigenen Koch? Nur für dich allein? Und der hockt hier einfach so dumm herum, falls du mal Appetit auf Filet Mignon bekommst, oder wie?“ „Na ja... JA!“ gab Derek verlegen zu: „Dafür bezahle ich ihn ja schließlich auch gut!“ „Und hast du noch mehr Personal?“ wollte Stiles wissen. Derek zuckte unbehaglich mit den Schultern: „Das hier ist ein großes Haus! Das kann ich schließlich nicht allein in Stand halten!“ rechtfertigte er sich: „Ich habe Reinigungspersonal, Gärtner, Handwerker, einen Personal-Trainer... und zeitweise beschäftige ich auch Bodyguards.“ Stiles spottete lachend: „Unsere Leben sind sich ja so ähnlich!“ Dann wollte er wissen: „Aber wozu braucht ein großer Junge wie du denn Bodyguards? Du bist gebaut, wie ein Preisboxer, oder so!“ Er kniff nachdenklich die Augen zu: „Es ist wegen dem, was deiner Familie passiert ist, richtig? Aber sind die Leute, die das getan haben nicht hinter Gitter gekommen?“ Statt einer Antwort zuckte Derek lediglich mit den Schultern und Stiles hatte das deutliche Gefühl, dass er besser nicht weiter nachhakte. Stattdessen forderte er: „Na komm´! Zeig´ mir dein Schloss, Prinz Charming! Und lass´ nichts aus! Ich will sehen, wie die besseren Menschen so leben!“ „Es gibt keine `besseren Menschen´, Stiles; bloß dieselben Arschlöcher mit dickere Geldbörsen. Menschen sind Bestien, egal in welchen Kreisen du verkehrst!“ behauptete Derek knurrend. Stiles schob kichernd ihre Tabletts beiseite, hockte sich ungefragt rittlings auf Dereks Schoß und entgegnete: „Du bist zu süß, um so bitter zu sein, mein Großer!“ Dann begann er, sacht am Hals des Älteren zu knabbern. Derek ergriff die Arme des jungen Mannes; nicht eben sanft, schob dessen Oberkörper so weit von sich fort, dass er ihm ins Gesicht schauen konnte und schimpfte: „Sag´ mal, was glaubst du eigentlich, was du da machst?“ „Ich helfe dir, ein bisschen lockerer zu werden. Ehrlich, ich kann das!“ versicherte Stiles und rieb seinen Schoß gegen Dereks Becken: „Entspann´ dich und lass´ mich einfach machen. Ich schwöre dir, du wirst deinen Spaß haben!“ Derek hob den jungen Mann von seinem Schoß und sagte scharf: „Ich bin allergisch gegen Spaß, also lass´ es bleiben!“ Stiles legte den Kopf schief und fragte stirnrunzelnd: „Stehst du eigentlich nicht auf Kerle, oder was ist dein Problem?“ „Wofür ist das denn wichtig?“ schnappte Derek genervt: „Ich frage mich nur langsam, ob´s an mir liegt. Ich meine... ich bin da, ich bin willig, du kannst es dir mehr als leisten...! Stimmt etwas nicht mit mir? Rieche ich komisch? Findest du mich nicht attraktiv, oder woran liegt´s?“ Derek zog finster die dichten, dunklen Augenbrauen zusammen: „Ich habe doch schon gesagt, das mit dir alles in Ordnung ist. Ich zahle bloß nicht... DAFÜR!“ „Aha!“ machte Stiles: „Du bezahlst also dafür, dass jemand dir Rührei macht, dafür dass man deinen Müll hinter dir wegräumt und dir die Unterwäsche für den nächsten Tag raus legt, aber nicht für deine Orgasmen, hm? DA ziehst du also die Grenze?“ „Schnauze Stiles! Niemand legt mir meine Unterwäsche raus. Und Prostitution ist nun mal nicht mein Ding. Sie ist erbärmlich!“ „Ach echt?“ rief Stiles ärgerlich und verletzt: „Weißt du was? Dann fick´ dich doch einfach selbst! Ich verschwinde jedenfalls!“ Er sprang auf, schlüpfte aus dem luxuriösen, geliehenen Satinpyjama und schnappte sich seine Jeans. Derek war mittlerweile hinter ihm her gehechtet, hatte ihn an den Schultern gepackt und zu sich herumgedreht: „Ach komm´ schon, Stiles!“ sagte er mit Kreide in der Stimme, denn schließlich brauchte er den Jungen noch: „So meinte ich das doch gar nicht. Nicht DU bist erbärmlich, sondern die Typen, die zu dir kommen. Ich meine... es hat doch wohl einen Grund, dass sie keinen finden, der es freiwillig mit ihnen macht, oder nicht? Komm´ schon! Sei ehrlich!“ Stiles schüttelte ärgerlich den Kopf: „Was weißt du schon, reicher Junge? Du hast doch überhaupt keine Ahnung, wovon du eigentlich sprichst! Du lebst hier oben auf deinem Olymp und blickst auf uns arme Sterblichen hinab!“ schimpfte er unversöhnlich: „Aber es ist nun mal nicht jeder ein griechischer Gott! Sicher, manche meiner Kunden sind echte Arschgeigen und andere kommen einfach zu mir, um ein bisschen Druck loszuwerden, aber viele sind auch einfach nur traurige, einsame Männer die sich wünschen, dass jemand mal einen Augenblick lang lieb zu ihnen ist. Jeder möchte doch hin und wieder einfach nur berührt werden. Und mir ist es egal, ob sie alt sind, fett oder hässlich. Ich... sehe den Menschen hinter der Fassade!“ Derek senkte verlegen den Kopf: „Ich habe dich verletzt! Das tut mir leid, Stiles! Du hast vollkommen recht! Was weiß ich schon? Ich bin ein dämlicher, reicher Snob und habe im Grunde keine Ahnung von deinem Leben. Verzeihst du mir?“ Stiles sah immer noch ein wenig säuerlich aus und knurrte: „Fällt schwer, es nicht zu tun, bei DEINEM Augenaufschlag, Hollywood!“ Derek lächelte. Er hatte wirklich ein spektakuläres Lächeln Unfair! „Bleibst du noch? Und willst du jetzt das Haus sehen? Ich habe Schlangen im Keller!“ säuselte er. Stiles krauste die Nase: „Huh? Dann solltest du einen Kammerjäger kommen lassen, oder nicht?“ Derek lachte: „Es sind Haustiere, Stiles. Boas! Die längste von ihnen ist über drei Meter lang!“ „Andere Leute haben Welpen, Wellensittiche oder Häschen.“ erwiderte Stiles ein wenig angewidert. „Also Häschen habe ich auch. Irgendwas müssen die Schlangen schließlich fressen.“ gab Derek schulterzuckend zurück. „Das ist echt widerlich!“ rief Stiles aus. Dann bestimmte er gnädig „Also gut, du darfst mir jetzt dein Haus zeigen.“ Wie erwartet, war das Haus gewaltig und wirklich von Derek bewohnt wurde wohl nur ein sehr kleiner Bereich, nämlich das Schlafzimmer, in welchem sie genächtigt hatten, eine kleine Küche, ein angeschlossenes Wohnzimmer und ein Bad. Darüber hinaus gab es aber noch etliche Gästezimmer, einen riesigen Salon, der eigentlich schon eher einem Ballsaal glich, in welchem Derek große Empfänge geben konnte, wenn er wollte. Und Stiles fragte sich flüchtig, ob dieser Einsiedler das wohl jemals tat? Dahinter lag ein riesiges Esszimmer mit einer endlos langen Tafel. Im Oberen Stock befand sich ein Fitnessraum, der praktisch über alles verfügte, was das Sportlerherz begehrte. Außerdem gab es einen Kinosaal für etwa dreißig Personen und eine riesige Bibliothek, die neben vielen modernen Romanen auch eine Unzahl an uralten, wertvoll aussehenden, ledergebundenen Wälzern enthielt: „Das ist der Wahnsinn!“ rief Stiles fassungslos aus: „Der absolute Himmel!“ „Echt? DAS beeindruckt dich? Dass ich viele Bücher habe? Liest du denn überhaupt, Stiles?“ wollte Derek wissen. Der Junge blinzelte ihn misstrauisch an: „In welche Richtung zielt deine Frage, reicher Junge? Willst du wissen, ob ich das Alphabet beherrsche, oder wie? Ich habe zufällig die Highschool mit einem Einser-Durchschnitt verlassen und mir stand eine glänzende Zukunft am College bevor!“ stellte er klar: „Was ist dann passiert?“ hakte Derek nach: „Das Leben!“ erwiderte Stiles einsilbig: „Du bist nicht der Einzige, dem das Schicksal ein Bein gestellt hat!“ Derek blickte den jungen Mann forschend an. Er hätte gern mehr erfahren, doch der feindselige Unterton in dessen Stimme riet ihm, es bleiben zu lassen. Stattdessen zogen sie vom ersten Stock aus direkt in den Keller um, um die angekündigten Schlangen zu bewundern. Und Derek hatte nicht gelogen: Die drei waren riesig! „Na, ihr Süßen!“ sagte ihr Herrchen mit deplatzierter Zärtlichkeit und öffnete das Terrarium. Stiles zog sich vorsichtshalber in eine Ecke, weit entfernt von den Ungeheuern zurück. „Was denn? Hast du etwa Angst? Komm´ ruhig näher! Die drei sind vollkommen harmlos!“ versicherte Derek. Eine ungesicherte und ziemlich leichtsinnige Behauptung, fand Stiles und lehnte dankend ab. Und ihn packte das kalte Grausen, als er sah wie ausgerechnet die größte der Schlangen nun ihre Behausung verließ, Dereks Arm hinauf wanderte und sich dann um seinen Nacken wand: „Cora ist die zutraulichste von den dreien!“ erklärte Derek verliebt und streichelte die glatte Haut: „Der Kleinere, helle ist Peter und die dritte heißt Laura!“ „Aha!“ piepste Stiles und drückte sich ängstlich gegen die Wand. Als Derek es sah lachte er: „Du musst ehrlich keine Angst haben. Würgeschlangen tun Menschen nichts!“ „Na sicher!“ schnappte Stiles: „Darum nennt man sie ja auch WÜRGEschlangen; weil sie so lieb und kuschelig sind! Drollige Namen hast du übrigens für sie ausgesucht. Als wären es Menschen, oder so.“ „Es sind die Namen meiner Schwestern und meines Onkels. Willst du sie mal anfassen, Stiles?“ wollte Derek wissen. Das war nun wirklich das Allerletzte, was Stiles wollte, also rief er schrill: „Sehe ich für dich etwa so aus, als wollte ich diese glitschigen Dinger berühren?“ „Schlangen sind überhaupt nicht glitschig!“ verteidigte Derek seine Schätzchen: „Ihre Haut ist ganz trocken und ihre Körper bestehen praktisch nur aus Muskeln. Die brauchen sie, um ihre Nahrung durch den Verdauungstrakt zu transportieren.“ Stiles hatte begonnen ein wenig grün im Gesicht auszusehen, doch davon hatte Derek nichts mitbekommen, denn er war voll und ganz auf seine possierlichen Haustierchen konzentriert: „Und siehst du diese zuckenden Zungen? Es ist wirklich Wahnsinn, was Schlangen damit in ihrer Umwelt wahrnehmen können. Der menschliche Geruchssinn ist ein Witz dagegen!“ Stiles gab einen würgenden Laut von sich und Derek lachte: „Ich sehe schon; du und die Reptilien, ihr werdet so schnell keine Freunde, richtig?“ Er beförderte Cora zurück zu ihren Artgenossen und als er das Terrarium wieder verschlossen hatte, atmete Stiles endlich ein wenig auf. „Jetzt würde ich gern dein Schlangenfutter sehen! Vielleicht beruhigt es mich ein wenig, wenn ich mir hiernach etwas Süßes und Flauschiges anschauen kann?“ Derek grinste nachsichtig und nickte. Sie gingen wieder nach oben und dort durch einen Wintergarten hinaus in den Garten. Wenigstens war der Todestrakt für die kleinen Fellknäulchen richtig schön, was Stiles ein wenig dafür entschädigte, dass sie am Ende gefressen werden würden. Es handelte sich um ein eingezäuntes Gehege mit jeder Menge Futter; Heu, Getreide und reichlich Obst und Gemüse. Trinken konnten die Tierchen aus einem kleinen Brunnen und sie hatten mehrere Häuschen, in welche sie sich zum Schlafen oder bei schlechtem Wetter zurückziehen konnten: „Verdammt, wie viel fressen deine wechselwarmen Haustiere denn am Tag? Das müssen doch mindestens fünfzig Kaninchen sein!“ staunte Stiles. Derek sah ein wenig verlegen aus: „Im Schnitt vertilgt jede Schlange etwa ein Kaninchen im Monat! Aber wusstest du, dass Kaninchen sogar dann noch schwanger werden können, wenn sie es längst sind? Eigentlich müsste ich hier mal hart durchgreifen, ein paar von ihnen töten, oder wegschaffen, oder was auch immer, aber irgendwie bringe ich es nicht fertig.“ Stiles kicherte: „So tough bist du also gar nicht! Du hast die kleinen Nager schon irgendwie gern, oder? Zumindest hast du ihnen ein hübsches Zuhause bauen lassen!“ stellte er fest. Derek zuckte mit einem kleinen Grinsen die Achseln und wollte dann wissen: „Willst du zu ihnen rein, Stiles? Oder hast du vor kleinen Häschen etwa auch Angst?“ „Arsch!“ erwiderte Stiles schmunzelnd, betrat das Gehege, hockte sich im Schneidersitz an die Erde und wartete ab. Kaninchen kamen aus allen Richtungen angehoppelt, eines bezaubernder, als das andere und sie beschnupperten den Fremdkörper in ihrem Zuhause, ehe sie wieder ihren Geschäften nachgingen. Eines war jedoch anders, als die anderen. Es war weiß, mit beigefarbenen Öhrchen und Pfötchen und hatte hellbraune Augen. Es war wunderschön! Und nun rieb es sein Kinn an Stiles Knie, um ihn als Seins zu markieren, hopste ihm dann auf den Schoß und machte es sich dort so richtig gemütlich: „Hey, kleiner Freund!“ sagte Stiles zärtlich und kraulte sacht das seidige Fell: „Du bist ja lieb.“ Er warf einen hilflosen Blick aus runden Kinderaugen über seine Schulter auf Derek und dieser seufzte: „In Ordnung Stiles! Dieser kleine Kerl wird niemals als Schlangenfutter enden. Versprochen! Willst du ihn mitnehmen?“ Stiles blickte ihn ungläubig an: „Und was mache ich dann mit dem kleinen Harvey? Lasse ich ihn mit den Ratten Freundschaft schließen, die bei mir zuhause herumrennen, oder wie? Du hast unsere Bude doch gesehen! Dort sollte sich überhaupt nichts Lebendiges aufhalten!“ „Na dann besuchst du es eben, wenn du bei mir bist!“ erwiderte Derek und wurde schlagartig ein wenig bleich: „Also ich meine wenn... uhm... beziehungsweise falls... du weißt schon… du nochmal wiederkommen willst!“ Stiles grinste amüsiert und Derek knurrte mürrisch: „Spar´s dir, Stiles! Und überhaupt: Harvey? Das ist aber auch ein drolliger, menschlicher Name für so ein Tierchen, oder nicht?“ „Na ja, so wie in diesem alten Film. `Mein Freund Harvey´! Ein Typ unterhält sich die ganze Zeit mit einem großen, weißen Kaninchen! Kennst du den denn nicht?“ wollte Stiles wissen, nahm das Häschen hoch, vergrub sein Gesicht in dessen Fell und rieb zärtlich seine Stupsnase an ihm. Dann verkündete er: „Ich schätze ich muss wohl bald mal wieder los. Ich will nach Scott sehen und dann muss ich noch ein bisschen arbeiten. Und du musst doch bestimmt auch noch in deine Firma und ein paar weitere Millionen scheffeln, oder nicht?“ Derek musste ein wenig schlucken, weil jener Junge, der gerade vor ihm saß und wie ein Zehnjähriger mit einem Kaninchen schmuste nun wieder davon sprach, hinaus auf die Straße zu gehen, wo es Freier gab, die ihn zusammenschlugen, weil sie nicht einmal den Spottpreis für ihn zahlen wollten, zu dem er bereit war, sich herzugeben! Derek versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und erwiderte: „Das ist das Gute, wenn du der Chef bist: Du kannst kommen und gehen, wann du willst. Und seit das mit meiner Schlaflosigkeit angefangen hat setze ich kein Meeting mehr vor zwölf Uhr mittags an, also habe ich noch ein wenig Zeit. Wenn du es nicht ganz so eilig hast, setze ich dich nachher auf dem Weg zuhause ab. Wir können ja erst mal wieder hineingehen... vielleicht noch etwas trinken, oder so? Du darfst Harvey auch mitnehmen, wenn du willst.“ Sie kehrten zurück in den Wintergarten und diesen erklärte Stiles still für sich zum schönsten Raum in Dereks Palast, also gleich nach der Bibliothek selbstverständlich, denn anders als die anderen Räume die eher kühl, schlicht und gradlinig waren, besaß der Wintergarten sehr viel Wärme und Atmosphäre. In seiner Mitte gab es einen Zimmerbrunnen, auf dem eine große Kugel aus Rosenquarz ruhte, die vom Wasser bewegt und gedreht wurde. Das leise Plätschern, welches der Brunnen von sich gab, war ungemein beruhigend. Um ihn herum gab es mehrere weidengeflochtene Pfauenthrone mit kleinen Beistelltischchen, und in großen, schweren Terracottatöpfen, die überall verteilt waren wuchsen gewaltige Farne. Die beiden Männer ließen sich in den Sesseln nieder und Stiles war immer noch völlig hingerissen von seinem neuen, pelzigen Freund, welcher seine Liebkosungen geduldig über sich ergehen ließ. Derek beobachtete die innige Interaktion von Mensch und Tier und wollte irgendwann wissen: „Deinen... uhm... Job... machst du den eigentlich schon lange?“ Stiles blickte überrascht auf und schüttelte den Kopf: „Nein, nicht lange. Seit etwa einem Jahr.“ „Und wie alt bist, Stiles?“ hakte der Ältere nun unbehaglich nach. Der Junge lachte: „Alt genug, also keine Sorge! Ich bin neunzehn!“ Derek atmete tatsächlich ein klein wenig auf. Neunzehn war immer noch jung, aber immerhin war ein halbwegs erwachsen. Er fuhr fort: „Du hast mir vorhin eine Frage gestellt. Ich weiß nicht, warum ich mich so angestellt habe, denn eigentlich kann ich´s dir auch sagen: Ich mag Männer! Und Frauen mag ich auch! Und du, Stiles? Wenn du es nicht gerade... beruflich tust? Welches Geschlecht ziehst du da vor?“ Stiles schwieg und machte aus irgendeinem Grund ein unbehagliches Gesicht: Derek interpretierte es falsch und schnappte ein wenig verletzt: „Fein! Du musst es mir ja auch nicht verraten!“ Stiles seufzte: „Sei nicht so! Ich würde es dir ja sagen, aber ich weiß es selbst nicht so genau!“ Derek blickte ihn verständnislos an: „Wie meinst du das? Wie kannst du das nicht wissen? Ich meine... mit wem schläfst du denn... privat?“ Stiles zuckte ein wenig mit den Schultern und da ging Derek ein Licht auf: „Soll das bedeuten, du hattest noch nie Sex, einfach weil du Lust auf jemanden gehabt hast? Hast du es bislang etwa immer nur gegen Geld gemacht? FUCK! Dann bist du ja praktisch noch Jungfrau!“ Da musste Stiles schallend lachen, so dass das Kaninchen in seinem Schoß ein wenig zusammenzuckte: „Du bist echt ein Spinner! Ich hab´ mit Sicherheit schon Sachen gemacht, die du dir nicht träumen lassen würdest. Ich bin ja so was von keine Jungfrau mehr.“ „Wie du meinst!“ erwiderte Derek achselzuckend: „Aber warum suchst du dir denn nicht jemanden, mit dem du es einfach nur zum Spaß machst? Jemanden, den du gern hast! Zum Beispiel diesen Jungen, mit dem du zusammenwohnst.“ Greenburg kam und servierte ihnen eine hausgemachte Limonade. Stiles nahm einen Schluck und schüttelte dann den Kopf: „So ist das mit uns beiden nicht! Ich liebe Scotty, aber nicht auf diese Art. Und wenn ich ehrlich bin, dann habe ich gar keine große Lust auf Sex!“ Derek schaute ihn mit großen Augen an: „Was? Warum denn nicht?“ fragte er beinahe entsetzt: „Wenn du mich fragst, dann ist es so ziemlich die beste Sache, die es gibt!“ „Ach ja?“ hakte Stiles nach: „Und warum gibt es dann niemanden, der nachts bei dir schläft?“ „Weil ich kein Interesse an einer festen Bindung habe! Und für jemanden in meiner Position ist es gar nicht so einfach jemanden zu finden, mit dem ich unverbindlichen Spaß haben kann, ohne dass ich darüber gleich am nächsten Tag alles in der Zeitung lesen muss!“ Stiles schenkte ihm ein ungezogenes Grinsen, doch Derek schüttelte den Kopf: „Wenn ich es tue, dann mit jemanden, der es aus denselben Gründen tut wie ich, Stiles, nämlich weil er oder sie es will!“ sagte er ernst: „Und du sagst doch selbst, dass diese Sache dir eigentlich nichts bedeutet. Auch wenn du mir immer noch nicht verraten hast, warum eigentlich nicht.“ Stiles lachte und es klang ein klein wenig bitter: „Durch meine Arbeit habe ich Einblick in ein paar ziemlich kranke Köpfe erhalten. Da kann einem wirklich der Appetit vergehen!“ „Was verlangen diese Kerle denn von dir?“ fragte Derek unbehaglich. Statt einer Antwort schüttelte Stiles lediglich den Kopf. Er hatte einfach keine Lust, es zu sagen. Und schon gar nicht wollte er laut aussprechen, was er bereits zu tun bereit gewesen war. Derek schien es sich dennoch irgendwie denken zu können, zumindest hakte er nicht weiter nach und dafür war Stiles dankbar. Um diesem heiklen Thema zukehren zu können, fingen sie an, über Bücher zu sprechen. Stiles erklärte ausführlich, warum die französischen Existenzialisten und ihr Entwurf von Freiheit ihn deprimierten Derek führte aus, dass ihm an den Klassikern der russischen Literatur gefiel, weil sie episch und von einer gewissen Schwermut geprägt seien. Und innerlich schüttelte Derek den Kopf: Was machte ein Junge wie dieser; sensibel, clever und belesen, denn bloß auf der Straße? Irgendwann fiel Dereks Blick auf seine Armbanduhr, welche ihm verriet, dass nun doch langsam an der Zeit war, sich auf den Weg zur Arbeit zu machen. Er drückte dem verblüfften Greenburg Stiles Kaninchen mit dem Hinweis in die Hand, dass es ein Upgrade erhalten hatte, vom Nutztier zum Familienmitglied und dass der Butler von nun an für dessen Sicherheit bürge! Wie versprochen fuhr Derek Stiles auf dem Weg in die Firma zuhause vorbei und drückte dem verblüfften Jungen bevor dieser aussteigen konnte ein weiteres Mal tausend Dollar in die Hand: „Was soll das, Derek? Wofür ist das!“ wollte Stiles wissen: „Ich war doch nicht bei dir, weil du mich gebucht hast, sondern wegen meiner Gehirnerschütterung, also behalte dein Geld!“ Er hielt ihm das Bündel Geldscheine hin, doch anstatt danach zu greifen, schloss Derek die Finger des Jungen darum und versicherte: „Das war doch unsere Deal, oder nicht? Tausend, damit du die Nacht bei mir verbringst! Du hast genau das für mich getan, was ich von dir gewollt habe und es war wirklich jeden Cent wert, Stiles!“ Ein wenig zögerlich fügte Derek hinzu: „Und du kannst es doch auch gut gebrauchen, oder nicht? Dann musst du erst mal nicht arbeiten und kannst dich in Ruhe auskurieren!“ Stiles sah aus, als ob er noch etwas sagen wollte, doch er tat es nicht. Stattdessen drückte er Derek einen kleinen Kuss auf die Wange, bedankte und verabschiedete sich und dann war er verschwunden. ______________________________________ Nachwort: Bei den Haustierschilderungen hat´s mich ein wenig fortgerissen. ;-) Ich hoffe, es langweilt euch nicht! Liebe Grüße Eure Ginger Kapitel 5: Der Boyfriend-Deal ----------------------------- Derek war gerade mal seit einer halbe Stunde in seinen Büro, als Deucalion Barnes hereinplatzte, ohne anzuklopfen! Und damit war er der Einzige im ganzen Unternehmen, der sich so ein Benehmen erlauben durfte, denn er war Geschäftspartner, Berater, alter Freund der Familie und väterlicher Begleiter in Personalunion: „Hey, mein Junge! Du siehst ja blendend aus!“ rief er fröhlich aus: „Ich glaube, ich habe dich seit einer Ewigkeit nicht mehr so munter und zufrieden gesehen! Ohne deine Augenringe hätte ich dich ja beinahe nicht wiedererkannt. Was ist passiert?“ Deucalion nahm auf der Kante von Dereks Schreibtisch Platz: „Danke Deuc! Ja, ich schlafe mittlerweile besser! Du musst dir also bitte keine Sorgen mehr um mich machen.“ gab der Jüngere zurück: „Mache ich trotzdem. Das weißt du doch! Erica fragt übrigens nach dir. Sie sagt, ich soll dir auf den Zahn fühlen, ob es endlich mal wieder eine junge Frau oder einen jungen Mann in deinem Leben gibt. Sie liegt mir ständig in den Ohren, dass wir jemanden für dich finden müssen. Jede Woche kommt sie mit einem neuen Vorschlag um die Ecke, mit wem wir dich verkuppeln sollten. Sie plant übrigens demnächst eine Party, zu der sie einige mögliche Kandidatinnen und Kandidaten einladen will und fragt, wann es dir passt. Derek , der lieber eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt und UND einen Prostata-Check im selben Augenblick über sich ergehen lassen würde, als bei so einer saudoofen Kuppelei den begehrten Junggesellen zu mimen, dachte fieberhaft über einen höflichen Weg nach, wie er dem entgehen könnte und schließlich log er: „Nicht nötig! Ich habe jemanden kennengelernt. Einen wirklich netten, jungen Mann! Also alles gut! Sag´ Erica, sie kann aufhören, sich Gedanken zu machen, in Ordnung?“ bat Derek, in der Hoffnung, damit die Gefahr gebannt zu haben, doch es wurde bloß schlimmer: „Na wunderbar!“ rief Deucalion begeistert aus: „Dann müsst ihr am Freitag zum Essen vorbeikommen. Dieses Boywonder will ich unbedingt treffen, dass es nach dieser langen Zeit endlich geschafft hat, dein Herz zu erobern.“ Derek riss erschrocken die Augen weit auf und winkte dann rasch ab: „Nein, Deuc! Dafür ist es noch viel zu früh. Wir haben haben uns doch gerade erst kennengelernt und wissen noch gar nicht, ob das mit uns was Ernstes wird. Das lassen wir besser bleiben, ja?“ „Papperlapapp!“ rief Deucalion aus und seine Worte duldeten keine Widerrede: „Du und deine ewige Zurückhaltung! Wenn dein neuer Freund dafür sorgen kann, dass du endlich mal wieder ein bisschen Farbe im Gesicht bekommst und des nachts die Augen zumachst, dann halt ihn bloß fest! Also Freitag um neunzehn Uhr dann! Das ist mein letztes Wort!“ Der Ältere erhob sich. Im Hinausgehen rieb er sich die Hände und rief begeistert aus: „Erica freut sich ein Loch in der Bauch, wenn ich ihr davon erzähle!“ Als der Freund draußen war, schlug Derek stöhnend seinen Kopf auf die Schreibtischplatte und fragte sich, was er da bloß angestellt hatte und wie zum Teufel er sich aus dieser Misere wieder herauswinden konnte? Scott wirkte angespannt, als Stiles ihre Bruchbude betrat, doch als er seinen Freund erblickte, hellte sich seine Miene schlagartig auf: „Gott sei Dank! Da bist du! Geht’s dir gut? Hat Hollywood dich schlafen lassen, oder hat er deinen hilflosen Zustand etwa schamlos ausgenutzt?“ „Mir geht’s super! Derek war der perfekte Gentleman!“ versicherte Stiles: „Und willst du mal was Cooles sehen?“ Er drückte Scott die zehn Einhundert-Dollar-Noten in die Hand, die er in der Hosentasche versteckt hatte. Scott schaute ihn verblüfft an: „Er hat dir nochmal tausend gegeben? Aber wofür?“ „Die Antwort ist zwar wenig schmeichelhaft für mich, aber egal! Scheinbar bin ich für diesen Kerl auf der Welt das einzig wirksame Schlafmittel! Und dafür ist er eben bereit, gut zu bezahlen. Aber die Kohle tut ihm schließlich auch nicht weh, denn weißt du, wer er ist? Er ist DEREK HALE! DER Derek Hale!“ „Ich WUSSTE doch, dass ich diese Visage schon mal irgendwo gesehen habe!“ rief Scott aus: „Bedeutet das also, dass du nun für alle Zeiten ausgesorgt hast und er jetzt dein ständiger Sugar-Daddy ist, oder was?“ Stiles zuckte mit den Achseln: „Ich habe keine Ahnung, was es bedeutet. Auf jeden Fall braucht er mich momentan und er hat deutlich gemacht, dass er mich wiedersehen will, aber etwas Konkretes haben wir noch nicht ausgemacht. Aber ich habe jetzt ein Haustier bei ihm!“ Scott schenkte ihm einen verdutzten Blick, also erzählte Stiles ihm vom kleinen, flauschigen Harvey. Sein Freund schüttelte ungläubig den Kopf: „Komischer Kauz, dieser Derek! Das Ganze klingt reichlich merkwürdig, wenn du mich fragst!“ „Es klingt zu gut, um wahr zu sein meinst du wohl! Darum versteife ich mich auch nicht auf diese Sache. Irgendwann wird der arme reiche Junge das Trauma wegen seiner toten Familie ja mal überwunden haben und dann auch wieder bestens ohne mich durchschlafen können. Und spätestens dann wird er mich wegwerfen, wie den Fisch von gestern. Ich denke, wir sollten es genießen, solange es anhält und in der Zwischenzeit ein bisschen was auf die hohe Kante legen für schwere Zeiten. Und unsere Ärsche haben sich einen kleinen Urlaub von der Arbeit verdient, finde ich.“ „Wir?“ fragte Scott skeptisch: „Was habe ich damit zu tun? Ich habe schließlich nichts für dieses Geld getan!“ „Was quatschst du denn da?“ erwiderte Stiles entrüstet: „Ich habe es schon einmal gesagt: Was Mein ist, ist auch Dein! Wir teilen! So war es von Anfang an! Und mit Derek ist es doch leicht verdientes Geld. Ich verdiene es praktisch im Schlaf, also will ich nie wieder so etwas Dummes von dir hören, verstanden?“ „Wenn du meinst!“ gab Scott unsicher zurück. Dann forderte er: „Und jetzt lass´ mich deine Verletzungen sehen!“ „Du willst mit mir Doktor spielen, Süßer?“ fragte Stiles mit vielsagendem Grinsen und ließ sich neben Scott auf die Matratze sinken: „So ist es, du Flittchen! Und nun schön obenrum freimachen, damit der Onkel Doktor sich das alles ganz genau anschauen kann!“ befahl Scott schmunzelnd und hockte sich auf den Schoß des Freundes. Der Bluterguss auf Stiles Rippen hatte sich eher noch weiter verdunkelt und intensiviert, anstatt zurückzugehen: „Tut es weh?“ wollte Scott wissen: „Nur wenn ich auf blöde Fragen antworte!“ erwiderte Stiles munter: „Zieh´nicht so ein Gesicht und mach´ dir keine Sorgen, Ma! Mir geht’s gut! Ich bin zäher, als ich aussehe!“ „Ob´s dir gut geht, oder nicht entscheide immer noch ich!“ behauptete Scott, untersuchte nun mit sanften, zärtlichen Fingern die Beule am Kopf, die Abschürfung im Gesicht und die aufgesprungene Lippe und begann, kleine, heilungsfördernde Küsse auf den Verletzungen zu verteilen. Stiles nahm Scotts Gesicht in seine Hände und versicherte: „Ich BIN in Ordnung, Kumpel! Ehrlich!“ Er zog seinem Freund vorsichtig das T-Shirt über den Kopf: „Komm´ her!“ verlangte Stiles sanft. Sie legten sich nebeneinander, blickten sich in die Augen und begannen damit, einander mit den Fingerspitzen zu streicheln, sich vorsichtig zu küssen und irgendwann schliefen sie ganz einfach zufrieden ineinander verschlungen ein. Als sie wieder erwachten, war bereits früher Nachmittag und Stiles schlug vor: „Wenn wir jetzt schon so stinkreich sind, dann sollten auch endlich mal einen drauf machen, oder nicht? Lass´ uns die Mädchen anrufen, mit ihnen essen gehen und dann ein bisschen bummeln, oder so? Wie ganz normale Leute! Was meinst du dazu?“ „WAS IST!“ bellte Malia in den Hörer: „Arbeitest du gerade?“ fragte Stiles schüchtern: „Das würde ich so wirklich nicht sagen. Ich amüsiere mich, also komm´ schnell zur Sache, Stilinski!“ murrte die junge Frau. „Denkst du, ihr Zwei seid in einer Dreiviertelstunde damit fertig, magische, anmutige, sapphische Liebe zu machen? Scott und ich haben Lust, etwas mit euch zu unternehmen!“ Malia blickte Lydia an, die mitgehört hatte und nun nickte: „Also gut, ihr Pfeifen! Aber gebt uns lieber eineinhalb Stunden. Wir Ladies brauchen nämlich ein wenig mehr, als den kurzen Purzelbaum im Heu, den ihr Kerle Sex nennt!“ „In Ordnung! Wir holen euch ab. Grüß´ Lydia von mir!“ sagte Stiles, zu eingeschüchtert, um sich gegen diese Unverschämtheit zur Wehr zu setzen. Statt einer Antwort erhielt er bloß ein: „Pft! Wie auch immer!“ gefolgt vom Klicken in der Leitung. „Sie ist so ein Sonnenscheinchen!“ kommentierte er Scott gegenüber und legte das Telefon beiseite. Eineinhalb Stunden später saßen Scott und Stiles bei Malia auf dem Sofa. Lydia war eine Königin und so wurde sie von Malia auch behandelt. Ganz offensichtlich betete die oft einschüchternde, dominante, chronisch schlecht gelaunte Kratzbürste den Boden an, auf dem die süße Erdbeerblondine wandelte. Niemand sonst schaffte es, dass Malia ihm so brav aus der Hand fraß, wie ihre Geliebte. Außer die beiden stritten miteinander! Dann flogen nämlich die Fetzen! Aber heute waren beide Frauen auffallend zahm. Offensichtlich waren sie gerade voll und ganz auf ihre Kosten gekommen und deswegen ganz ausgeglichen. Lydia war gerade dabei, den Flurschaden zu beseitigen, den das Liebesspiel an ihrem Outfit angerichtet hatte. Sie trug ein schlichtes, aber elegantes, altrosafarbenes, knielanges Kleid im Stil der dreißiger Jahre, legte ihr Haar mittels Lockenstab ihn vollkommene Wellen und dekorierte es danach mit hübschen, silbernen, strassbeklebten Spangen. Sie betonte ihren Porzellanteint mit beinahe weißem Puder, legte einen kühlen, roten Lippenstift auf, betrachtete sich dann prüfend im Spiegel und richtete dann noch den einen oder anderen winzigen, für jeden anderen unsichtbaren Makel, welcher sie von der der Vollkommenheit trennte. Lydia arbeite für gewöhnlich als Burlesqe-Tänzerin in einem edlen Nachtclub und Perfektion war da alles! Malia war da sehr viel leichter mit ihrem Äußeren zufrieden. Sie schlüpfte in Hotpants und eine weite großkarierte Flanellbluse, welche sie am Bauch knotete, strich mit einem Kamm ein paar mal fahrig durch das kinnlange, widerspenstige Haar, tuschte ihre Wimpern und fertig war sie! Lydia schüttelte bei dem Anblick gutmütig den Kopf, sagte jedoch nichts dazu. Schließlich waren die vier startklar und ihr erstes Ziel war ein italienisches Restaurant, in welchem sie eine beinahe schon unanständige Menge an Pasta verdrückten. Später gingen sie an die Strandpromenade, gönnten sich ein Eis zum Nachtisch und fuhren ein paar Runden mit einem dieser altmodischen Karussells. In diesem Augenblick waren sie einmal KEINE sexuellen Dienstleister, sondern einfach eine Gruppe von jungen Leuten, die ihren Spaß hatte und das Leben genoss. Irgendwann hockten sie sich auf die Kaimauer; Scott an Stiles gelehnt und Lydia in den Armen von Malia und sie schauten der Sonne dabei zu, wie sie in einem kitschigen, flammendroten Spektakel im Ozean versank. Als es dunkel wurde, setzte sich die kleine Gruppe in einen Bus und sie fuhren zu einen Nachtclub. Malia und Lydia tanzten dort so heiß miteinander, dass sich schon bald ein kleiner Kreis von Bewunderern um sie scharte. Als ein Kerl seine frechen Pfötchen nach den beiden Schönheiten ausstreckte, wollten Scott und Stiles galant zu ihrer Rettung eilen, doch da hatte Malia es bereits geregelt. So bald würde dieser Typ wohl kein Interesse mehr an sexueller Belästigung haben! Und plötzlich spürte Stiles das vibrieren seines Handys in seiner Hosentasche. Eigentlich wollte er gar nicht dran gehen, doch als er erkannte, dass es Derek war hob er ab, während er sich durch die Menschenmassen nach draußen kämpfte, damit er etwas verstehen konnte: „Wo bist du? Uhm... arbeitest du gerade?“ erkundigte sich der Ältere beinahe schüchtern: „Nein, ich habe frei. Ich feiere gerade. Ich habe nämlich neuerdings einen sehr großzügigen Freier und kann es mir leisten, ein bisschen faul zu sein!“ antwortete Stiles fröhlich. Ein unzufriedenes Knurren ertönte vom anderen Ende der Leitung: „Ich meine... uhm... ich meine, ich habe einen `spendablen Kunden´?“ Erneutes Knurren. Stiles versuchte es noch einmal: „Einen freigiebigen Freund? Scheiße, warum sagst DU mir nicht einfach, wie du bezeichnet werden möchtest? Und überhaupt: Rufst du aus einem bestimmten Grund an? Möchtest du vielleicht, dass ich dir heute Nacht wieder Gesellschaft leiste, Baby?“ Schweigen in der Leitung und dann ein bescheidenes: „Nein, lass´ nur! Du hast ja gerade Spaß. Da will ich nicht stören.“ Stiles kicherte: „Ich wäre nicht ans Telefon gegangen, wenn ich es nicht gewollt hätte! Also raus mit der Sprache! Was kann ich für dich tun?“ Es folgten ein paar Laute des Unbehagens, ehe Derek erklärte: „Ja, es wäre schön, wenn du heute wieder bei mir schlafen könntest, aber du musst nicht sofort kommen. Amüsier´ dich noch ein bisschen. Ich bin ja wach!“ Ein bitteres Lachen: „Außerdem würde ich gern etwas mit dir besprechen, wenn du kommst. Ich habe nämlich ein geschäftliches Angebot für dich. Nimm´ dir aber bitte ein Taxi auf dem Weg zu mir! Es ist gefährlich nachts! Ich zahle natürlich auch dafür.“ „Klar doch! Beverly Hills ist wirklich ein heißes Pflaster! Wenn ich da einfach so spät nachts aus dem Bus steigen würde, wäre sicherlich die Gefahr gegeben, dass mir irgend so ein Millionär mit Fußfetisch seine Knarre ins Kreuz drückt, weil er meine Turnschuhe stehlen will!“ lachte Stiles. Derek antwortete mit einem kleinen genervten Seufzer. Stiles war neugierig, was der Andere wohl mit ihm besprechen wollte, doch er hielt sich mit seiner Frage vorerst noch zurück. Er würde es schon noch früh genug erfahren! Jetzt kehrte er erst mal zu seinen Freunden zurück und feierte noch ein bisschen und zwei Stunden später fuhr er schließlich mit dem Taxi bei Dereks Anwesen vor. Greenburg empfing ihn an der Pforte, gab dem Taxifahrer sein Geld und führte Stiles in Salon, wo Derek scheinbar schon sehnsüchtig auf ihn wartete. Er hielt ein ziemlich gut gefülltes Glas Whiskey in der Hand und sah todmüde aus, wie er da zusammengesunken auf dem weißen Ledersofa hockte. Stiles bekam ein schlechtes Gewissen, weil er nach dem Anruf nicht gleich aufgebrochen war: „Hey, schöner Mann! Was hältst du davon, wenn wir direkt schlafen gehen und du mir deinen geschäftlichen Vorschlag morgen früh erklärst?“ schlug er vor. Greenburg nahm dies als Zeichen, sich diskret zurückzuziehen. Derek schüttelte heftig den Kopf: „Wenn ich dich nicht sofort frage, dann wirst vermutlich nicht einmal du mir dabei helfen können, heute Nacht ein Auge zuzutun.“ „Na da bin ich jetzt aber wirklich gespannt!“ erwiderte Stiles, setzte sich frech rittlings auf Dereks Schoß, deutete auf das Glas in seiner Hand und wollte wissen: „Kriege ich auch was?“ Überraschenderweise vertrieb Derek ihn nicht sogleich von seinem selbstgewählten Sitzplatz, sondern erklärte bloß: „Kommt nicht in Frage! Du bist noch nicht einundzwanzig!“ Stiles legte den Kopf in den Nacken und lachte herzhaft: „Ist ja süß, Baby!“ kommentierte er vergnügt, nahm Derek sein Glas aus der Hand und stürzte den Inhalt in einem Zug herunter: „Du bist echt ein verdammt frecher kleiner Kerl! Hat dir das eigentlich schon mal jemand gesagt?“ knurrte Derek: „Und nun steig von mir runter, damit wir geschäftlich werden können!“ Stiles kam der Aufforderung nach, jedoch nicht, ohne gleichzeitig zu betonen, dass dies Neuland für ihn sei, denn normalerweise würde er die Kerle besteigen, gerade WENN es geschäftlich wurde. Derek seufzte theatralisch und kommentierte: „Ich fange an, mich zu fragen, ob das wirklich eine so gute Idee ist, oder ob ich mir besser etwas anderes einfallen lasse?“ Er begann, das Dilemma zu schildern, in welchem er sich gegenwärtig befand. „Habe ich dich richtig verstanden? Du willst also mich, den Stricher aus der Gosse deinem Geschäftsfreund als deinen Lebensabschnittsgefährten vorstellen, damit dieser aufhört, dich daran zu erinnern, dass deine biologische Uhr tickt und du über´s heiraten nachdenken solltest?“ fragte Stiles lachend: „Du hast doch einen Knall!“ Derek schenkte ihm einen unglücklichen Blick: „Heißt das etwa, du machst es nicht?“ „Hast du denn keine Angst, dass ich bei dieser Verabredung komplett blamieren könnte, indem ich zum Beispiel rülpse oder in der Nase bohre? Oder indem ich beim Essen etwas völlig Unangebrachtes und Unflätiges sage, wie zum Beispiel `Blow-Job´, oder so?“ „Warum solltest du denn beim Essen `Blow-Job´ sagen?“ fragte Derek verständnislos: Stiles grinste diabolisch: „Na ja, zum Beispiel könnte ich mir folgendes Szenario vorstellen: Mir schmeckt es so richtig gut, darum reibe ich mir genüsslich den Bauch, rülpse, lasse meinen Flatulenzen freien Lauf und sage dann lauter als nötig: `Fuck! Verfluchte Scheiße nochmal, dieses Filet Mignon war besser, als ein verfickter Blow-Job!´ Das könnte doch immerhin passieren, oder nicht?“ Derek lachte: „Wer über Worte wie `unflätig´ in seinem Wortschatz verfügt, Blähungen vornehm `Flatulenzen´ nennt und weiß, was ein Filet Mignon ist, der wird doch wohl EINEN Abend überstehen, an welchem man `Bitte´ und `Danke´ sagt, aufrecht sitzt, höfliche Konversation macht und gerade sitzt, oder nicht?“ „Wer weiß?“ fragte Stiles mit dem Schalk im Nacken: „Hast du schon mal `Pretty Woman´ gesehen? Das kann auch schief gehen!“ „Kriege ich jetzt vielleicht mal eine vernünftige Antwort?“ wollte Derek wissen: „Machst du es nun?“ Stiles erkannte, dass es seinem Gönner wirklich wichtig zu sein schien und so nickte er schließlich ganz brav: „Geht klar! Ich mach´s! Mach´ dir keine Sorgen!“ „In Ordnung!“ erwiderte Derek erleichtert: „Dann lass´ uns über Geld reden! Sind Tausend dafür okay?“ Der Jüngere wirkte unbehaglich: „Ist schon in Ordnung, Derek! Ich tue es gratis! Es klingt doch so, als würde es Spaß machen.“ Derek schüttelte heftig den Kopf: „Nein, das kommt gar nicht in Frage. Du kannst das Geld schließlich gut gebrauchen, oder nicht? Und immerhin kostet es dich deine Zeit und du rettest mir damit wirklich den Arsch!“ Stiles lag eine freche Bemerkung auf der Zunge, auf welche Weise er Dereks Arsch ansonsten noch dienlich sein könnte, doch die verkniff er sich lieber. „Hast du eigentlich was zum Anziehen?“ wollte Derek nun wissen. „Sitze ich etwa nackt vor dir?“ fragte der Jüngere ratlos: „Abendgarderobe, Stiles!“ brummte Derek. „Sorry, mein Ballkleid ist gerade in der Wäsche, aber ich kann ja mal in der Kleiderkammer der Wohlfahrt nachsehen, ob sie gerade einen Armani-Anzug in meiner Größe da haben!“ gab Stiles trocken zurück. „Also werden wir vorher nochmal einkaufen gehen!“ bestimmte Derek. „Ist so viel Aufwand wirklich nötig. Kann ich nicht einfach was von dir anziehen, oder so? Oder meine `gute´ Jeans!“ versuchte es der Jüngere noch einmal: „Meine Klamotten passen dir nicht, Jeans kommen nicht in Frage und ein neuer Anzug zahlt sich bestimmt auch später noch aus, denn ich denke, es dürfte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich dich in dieser Angelegenheit buchen muss. Ich meine natürlich, vorausgesetzt du machst mit!“ Derek blickte sein Gegenüber hoffnungsvoll an: „Na sicher! Warum nicht!“ entgegnete Stiles leichthin. Dann wollte er wissen: „Warum löst diese Sache dich eigentlich einen derartigen Stress bei dir aus; Derek? Dieser Mann ist doch bloß irgendein Kollege, oder nicht? Du bist wegen ihm ja total verspannt und aus dem Häuschen!“ Der Ältere sah seltsam ertappt aus: „Deuc ist der Letzte, der sich für mich irgendwie wie Familie anfühlt. Ich will ihn nicht enttäuschen und er soll sich keine Sorgen wegen mir machen!“ Stiles dachte an Scott und nickte verständnisvoll. Dann sprang er unvermittelt vom Sofa auf, zog Derek hinter sich her ins Schlafzimmer, versuchte dort ihm das T-Shirt auszuziehen und erklärte schnurrend: „Na komm´ schon Baby! Ich helfe dir jetzt dabei, wieder ein bisschen lockerer zu werden, in Ordnung? Ich kann das! Ehrlich!“ „Ich habe dir doch gesagt, dafür bezahle ich dich nicht!“ seufzte Derek gequält: „Ich habe ja auch kein Geld von dir verlangt, richtig?“ gab der Jüngere zurück: „Außerdem habe ich ausnahmsweise mal nicht vom ficken gesprochen! Vertrau´ mir einfach, Kumpel!“ Und tatsächlich ließ Derek sich nun widerwillig das Shirt über den Kopf ziehen. Stiles pfiff anerkennend und ließ seine Hände über die breite Brust und den Wachbrettbuch fahren: „Oh, Mann! Du bist echt verdammt heiß, Hollywood! Vielleicht bezahle ICH DICH ja eines Tages für Sex! Was meinst du dazu?“ „Du kannst dir mich nicht leisten!“ murmelte Derek und wurde tatsächlich ein wenig rot. „Du bist richtig süß!“ stellte Stiles grinsend fest, küsste den Älteren auf die Wange, gab ihm einen kleinen Klaps auf den Po und forderte dann energisch: „Und jetzt hinlegen! Auf den Bauch!“ Überrumpelt leistete Derek der Aufforderung Folge und ärgerte sich beinahe schon über seine eigene Gehorsamkeit. Dieser kleine Frechdachs! Stiles hatte sich unterdessen eine Tube Handcreme vom Nachttisch gegriffen, verteilte eine großzügige Menge davon auf Dereks Rückseite, hockte sich auf dessen Gesäß und begann mit geschickten Fingern eine ausgiebige Massage. Es dauerte nicht lange, bis Derek das wohlige Gefühl hatte, überhaupt keine Knochen mehr zu haben. Er fühlte sich wahnsinnig entspannt. Und um ehrlich zu sein war er auch ein klitzekleines bisschen angeturnt, doch darüber wollte er lieber gar nicht nachdenken. „Danke!“ murmelte er, als Stiles sein Kunstwerk schließlich vollendet hatte: „Nichts zu danken!“ behauptete Stiles: „Gehört alles zum Boyfriend-Deal. Und jetzt wird endlich geschlafen!“ Er wurde nur noch schnell seine Jeans los und platzierte sich dann neben Derek, so dass dieser sich bequem in seiner Umarmung einrichten konnte. Wenig später waren sie beide eingeschlafen. Kapitel 6: Armer reicher Junge ------------------------------ Heute Nachmittag würde Stiles mit Derek einkaufen gehen! Hierfür hatte er sich um drei Uhr mit ihm am `Rodeo Drive´ verabredet, doch jetzt war er erst mal mit einer Tüte Frühstücksbagels auf dem Heimweg. Stiles war ein wenig aufgekratzt und auch bestens gelaunt, weil er ein weiteres Mal mit Tausend Dollar in der Tasche nachhause trabte, doch in ihrem Zimmerchen empfing ihn ein mürrisch aussehender Scott, der mit vor der Brust verschränkten Armen auf ihrer Matratze hockte: „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“ wollte Stiles wissen: „Das war UNSER Abend!“ brummte Scott bloß: „Huh?“ machte Stiles verständnislos: „Ist es etwa, weil ich letzte Nacht noch zu Derek gefahren bin? Aber es war doch sowieso schon spät und wir wären sicher sowieso bald nachhause gegangen.!“ „Vielleicht kann ich ja AUCH nicht schlafen, wenn du nicht hier bist. Jede Nacht bist du nun bei ihm.“ murmelte Scott in seinen nicht vorhandenen Bart. „Ach komm´ schon Scotty! Dafür haben wir Geld und müssen nicht anschaffen gehen! Stattdessen können wir unsere Tage gemeinsam genießen! Ist das nichts?“ fragte Stiles geknickt, hockte sich neben seinen Freund und zog das neueste Bündel Scheine hervor: „Aber ich habe doch bloß dich auf der Welt! Ich will dich nicht verlieren!“ erwiderte Scott traurig. Stiles schlang die Arme um seinen besten Freund: „Aber du verlierst mich doch gar nicht! Bist du etwa eifersüchtig? Das musst du nicht! Wir sind Brüder! Wir gehören zusammen!“ versicherte er aufrichtig. Dann berichtete er von dem geschäftlichen Angebot, welches Derek ihm letzte Nacht unterbreitet hatte: „Siehst du!“ erwiderte Scott hitzig: „Erst sollst du die Nächte bei ihm verbringen, dann sollst du bei so einem blöden Abendessen seinen Lover spielen, später wirst du bei ihm einziehen und ihn dann irgendwann auch noch zum Schein heiraten und ich bleibe mutterseelenallein in dieser Bruchbude zurück! Ich meine... ein heißer Milliardär bewirft dich mit Geld. Was habe ich dir denn im Gegenzug zu bieten? Nichts!“ „Was redest du denn da? Heiraten? Hast du etwa Fieber? Du bist mein allerbester Freund! Du hast mich gerettet, als ich nicht mehr weiter wusste. Ich hab´ dich wahnsinnig lieb, du Trottel! Ich lasse dich doch nicht im Stich! Wir gehören zusammen! Du und ich! Für immer! Egal, was sonst noch passiert!“ Scott hatte ein kleines bisschen zu heulen begonnen, also küsste Stiles ihn auf die Nase, zog ihn an sich und versicherte: „Das mit Derek ist ein gute Sache. Für uns beide Bro! Nun werden bessere Zeiten für uns anbrechen. Das spüre ich!“ Scott schaute ihn unsicher an und nickte dann. Er wirkte immer noch keineswegs überzeugt. Später am Nachmittag betraten Derek und Stiles eine kleine, wahnsinnig edel wirkende Boutique auf dem Rodeo Drive, von der Derek erklärte, dass er eigentlich immer hier einkaufe. Verwirrt realisierte Stiles, wie die Türen hinter ihnen abgeschlossen wurden, doch das schien Derek überhaupt nicht zu beunruhigen. Stattdessen begrüßte er die gruselige Verkäuferin mit dem kurzen, feuerroten Bürstenhaarschnitt und den eisblauen Augen wie eine alte Freundin: „Victoria! Donnerwetter! Du siehst fantastisch aus!“ „Und du erst, Derek! Zum Niederknien!“ behauptete die Rothaarige und Derek und die Frau umarmten sich auf die `Reiche-Leute-Art´; ohne sich zu berühren und indem sie links und rechts Küsse in die Luft hauchten. Mit einer ungehaltenen Geste winkte die einschüchternde Ladenbesitzerin einem hübschen, hochgewachsenen, schlanken, langgliedrigen Mädchen mit langen, dunkelbraunen Haaren und großen dunklen Augen; offenbar das Zeichen, dass sie etwas zum Trinken heranschaffen sollte, denn sie parierte sofort und kam mit einem Sektkühler gefüllt mit Eis, der eine echte Flasche Champagner enthielt und mehreren Sektflöten auf einem silbernen Tablett herbeigeeilt. Das Mädchen hielt den Blick gesenkt, schenkte ein, und verteilte die Gläser an Derek, Stiles und ihre Vorgesetzte. Ihr selbst war es offenbar nicht gestattet, sich etwas von dem teuren Gesöff zu nehmen, denn sie zog sie sich mit dem leeren Tablett artig wieder zurück. Diese junge Frau erinnerte Stiles an eine eingeschüchterte Gazelle. „Mein Freund hier braucht einen Anzug!“ erklärte Derek nun sein Anliegen: „Armani, richtig, Stiles!“ Der Angesprochene machte ein unbehagliches Gesicht und zuckte die Achseln. Zugegeben, diese Victoria verstand es gut zu verbergen, was sie in Wirklichkeit dachte. Da war nur ein kurzes Aufblitzen in ihrem Gesicht zu sehen gewesen, ehe sie es wieder hinter der professionellen Maske versteckt hatte, doch es reichte aus, dass Stiles sehr deutlich bewusst wurde, was er in Wirklichkeit war: Er war Dreck! Seine mottenzerfressenen Stoffturnschuhe, seine Kleidung, die bessere Tage gesehen hatte, sein Haar, das wieder einmal einen frischen Schnitt vertrage konnte; all das waren deutliche Indizien dafür, dass er in so einem Nobelschuppen überhaupt nichts zu suchen hatte, nicht einmal als Reinigungskraft und diese Frau wusste es und tolerierte ihn hier lediglich wegen Dereks Kreditkarte. Trotzdem warf Stiles nun versuchsweise einen flüchtigen Blick auf ein paar Anzüge und die dazugehörigen Preisschilder und diese bewirkten, dass ihm augenblicklich alles Blut aus dem Kopf wich und er ganz blass wurde. Er zupfte Derek schüchtern am Ärmel und fragte flüsternd: „Bist du dir wirklich ganz sicher, dass wir HIER das Richtige finden?“ „Sicher bin ich sicher!“ bestätigte Derek und da war auch schon Victoria mit drei Anzüge zur Auswahl wieder bei ihnen. Ihre verhuschte, gazellenartige Assistentin hatte unterdessen passende Oberhemden, Krawatten, Fliegen und Schuhe herangeschafft und mit all´ dem wurde Stiles nun in die großzügige Umkleidekabine verfrachtet. In dem ersten Anzug fand Stiles, er sähe aus wie ein Mitglied der Mafia. Er war hellgrau, aus einem changierenden, seidigen Material und höchstwahrscheinlich war es sogar tatsächlich Seide. Er saß, wie angegossen. Der zweite Anzug war ein anthrazitfarbener Zweireiher mit Weste in welchem Stiles sich `ready for Wall Street´ fühlte. Kleider machten wohl wirklich Leute. Der dritte Anzug war ein Smoking und Stiles sah darin aus, wie ein magerer James Bond. Folgerichtig zückte er nun auch den geladenen Zeigefinger und richtete ihn auf sein eigenes Spiegelbild. „Lass´ den Blödsinn, Stiles!“ forderte Derek, der natürlich genau diesen Augenblick wählen musste, um den Vorhang zurückzuziehen, um sich das Ergebnis anzuschauen. An Victoria gerichtet verkündete er: „Ich denke, wir nehmen Variante zwei und drei, richtig, Stiles?“ „Bist du irre?“ rief Stiles entsetzt aus: „Gleich zwei Anzüge? Das wird doch ein Vermögen kosten!“ Derek hatte ganz offenbar beschlossen, ihn zu ignorieren und reichte Victoria seine goldene Mastercard. Stiles gelang es, einen flüchtigen Blick auf den Beleg zu werfen. Dieser kleine Spaß war Derek gerade offenbar beinahe fünfzehntausend Dollar wert gewesen. Stiles verzichtete lieber darauf, sich auszurechnen, wie lange Scott und er von diesem Geld leben konnten. Ihm wurde ein bisschen schlecht! „War das wirklich nötig?“ wollte er wissen, als er wieder neben Derek im BMW saß: „Mir ist das unglaublich unangenehm! Und ich trage doch normalerweise gar keine Anzüge!“ Derek warf einen Blick auf die Beifahrerseite und grinste: „Aber das solltest du, Stiles, denn du siehst echt verdammt heiß darin aus.“ Dem Jüngeren fiel die Kinnlade herunter. Es war das allererste Mal, dass Derek andeutete, dass das, was er sah ihm möglicherweise gefiel und Stiles war selbst überrascht, als er realisierte, wie dringend er das hatte hören wollen. Überrascht und auch ein wenig beunruhigt! Um sein Unbehagen zu überspielen, fragte er ein wenig ruppiger als notwendig: „Wo soll ich denn mit diesen Anzügen überhaupt hin? Du hast unsere Bude doch gesehen! Wir haben nicht einmal einen Kleiderschrank. Dass Mäuse in den Taschen eines Designeranzugs ihre Jungen großziehen ist ja wohl kaum im Sinne des Erfinders, oder?“ Der größere, ältere, stärkere und auch in beinahe jeder anderen Weise überlegene Derek zuckte tatsächlich ein wenig zusammen ob der scharfen Ansprache. Kleinlaut entgegnete er: „Für dieses Problem habe ich möglicherweise eine Lösung. Ich habe da etwas gemacht... ich... uhm... ich würde es dir gern zeigen!“ Stiles musterte ihn skeptisch und war gespannt, was nun kommen mochte. Sie fuhren noch drei Blocks weiter und dann hielten sie: „Hier ist es!“ erklärte Derek. „Und WAS ist hier, zum Teufel?“ fragte Stiles, denn alles was er sah waren ein paar Apartmenthäuser. „Komm´ mit! Ich zeige es dir!“ forderte Derek und stieg aus: „Und nimm deine neuen Sachen mit!“ Die Kleider über dem Arm, trabte Stiles ihm unsicher hinterher. Derek schloss eine der Haustüren auf, sie nahmen den Fahrstuhl in den vierten Stock und betraten dort ein möbliertes Apartment: „Und?“ fragte Derek: „Gefällt es dir?“ „Es ist nett.“ bestätigte Stiles: „Gibt es einen besonderen Grund, warum ich mir das anschauen sollte?“ Derek drückte ihm einen Schlüssel in die Hand: „Es ist deines, wenn du willst!“ erklärte. Eine ganze Weile fiel Stiles dazu rein gar nichts ein. Dann fragte er: „Sag mal, bist du komplett übergeschnappt? Du schenkst mir ein Apartment?“ Derek sah verlegen aus: „Also das nicht gerade.“ erklärte er kleinlaut: „Es ist bloß gemietet, aber du kannst hier wohnen, solange du möchtest.“ „Du spinnst trotzdem!“ stellte Stiles überrumpelt fest: „Ich meine... wir kennen uns doch kaum und du gibst mir ein ZUHAUSE? Das ist schon irgendwie verrückt, das ist dir klar, oder nicht?“ Derek schüttelte den Kopf: „Nicht aus meiner Sicht, Stiles! Du ahnst sicher nicht, was es für mich bedeutet, was du für mich tust. Die paar Mäuse, die ich dir dafür zahle wiegen es mit Sicherheit nicht auf, dass ich endlich wieder schlafen kann! Wahrscheinlich rettest du damit sogar mein Leben. Und hier bist du wenigstens in Sicherheit, denn immerhin brauche ich dich noch! Du siehst also, es ist der reine Eigennutz!“ „Ich kann es trotzdem nicht annehmen!“ erklärte Stiles: „Was ist denn mit Scott? Wir gehören zusammen! Ich lebe lieber MIT ihm im Müll, als ohne ihn in einem Schloss!“ Derek lachte: „Dann zieht er eben auch hier ein! Ich habe rein gar nichts dagegen. Ich habe sogar extra dafür gesorgt, dass es zwei voll eingerichtete Schlafzimmer gibt!“ Wieder blickte Stiles Derek eine Weile ratlos an, schlang dann seine Arme um dessen Hals und küsste ihn auf die Lippen. Derek wollte gerade ansetzen zu schimpfen, dass das zwischen ihnen nichts Sexuelles sei, als er realisierte, dass Stiles weinte: „Hey, Kleiner! Was ist mit dir?“ fragte er also stattdessen sanft. Stiles hätte es ihm gern erklärt, doch irgendwie verstand er es selbst nicht so recht, also zuckte er lediglich ratlos mit den Schultern. Seit seine Eltern gestorben waren, hatte er sich irgendwie über Wasser gehalten und jeder neue Tag war ebenso auch ein neues Schlachtfeld gewesen, und nun sollte es plötzlich so leicht sein? Ein neues Heim, genug Geld und er musste nicht einmal irgendetwas Schreckliches dafür tun, sondern bloß Dinge, die er vermutlich auch ohne jede Gegenleistung gemacht hätte, weil er diesen eigenartigen reichen Jungen mittlerweile richtig gern hatte. Halb erwartete Stiles, dass jeden Augenblick eine pummelige Hexe auftauchen und – Bibbidi-Bobbidi-Boo – für ihn, das arme, kleine Aschenputtel einen Kürbis in eine Kutsche verwandeln würde, um ihn zu seinem großen Ball ins Schloss des Prinzen zu befördern. „Danke!“ murmelte Stiles lediglich und wollte dann wissen: „Willst du dann heute Nacht hier schlafen? Oder soll ich wieder zu dir kommen?“ Derek hätte zu beidem nur zu allzu gern Ja gesagt, doch anstatt dessen erwiderte er: „Nein lass´ nur! Ich schaffe es vielleicht auch mal eine Nacht ohne dich. Richte dich mit deinem Freund hier in Ruhe ein. Ich hole dich dann morgen gegen fünf ab, wir gehen zu diesem Abendessen und danach können wir dann ja vielleicht bei mir schlafen, wenn es dir passt. Feiert ihr nur euren Einzug! Ich fahre euch beiden dann gleich euer Zeug hierher, in Ordnung?“ Stiles konnte es immer noch nicht fassen und suchte nach dem Haken an dieser ganzen Sache. Er sagte ein weiteres Mal bloß leise: „Vielen Dank!“ „Eine Badewanne!“ rief Scott schrill vor Begeisterung, als er und Stiles eine Weile später wieder unter sich waren und ihr neues Heim besichtigten, denn Derek hatte sie lediglich bis vor die Tür gefahren und war dann verschwunden: „Diese reichen Leute sind doch wirklich komplett verrückt. Ich meine, wer schenkt denn einem anderen einfach so ein Zuhause?“ „Es ist nicht geschenkt!“ sagte Stiles scharf: „Wir sollten uns lieber nicht daran gewöhnen, sondern es einfach so lange genießen, bis mein Gönner es sich irgendwann wieder anders überlegt, Scott.“ „Warum bist du denn so komisch?“ wollte Scott wissen: „Freust du dich nicht?“ „Doch, ich freue mich!“ erwiderte Stiles: „Ich will mich nur davor schützen, mich an etwas zu gewöhnen, was ein Mindesthaltbarkeitsdatum hat!“ „Also ich werde das hier jedenfalls genießen bis zur letzten Sekunde!“ versicherte Scott: „Und ich werde jeden Tag in die Wanne steigen! Weißt du, wie lange ich das nicht mehr gemach habe? Jedenfalls wenn ich die Male nicht mitzähle, wo ich bei diesem einen Kunden war, der es gern mit mir in seinem Whirlpool getrieben hat.“ Irgendwie wusste Stiles selbst nicht so ganz genau, was ihn eigentlich so unzufrieden machte, wo er doch eigentlich überglücklich sein müsste? Derek wälzte sich unzufrieden in seinem Bett herum. Heute wollte es ihm scheinbar nicht einmal gelingen wenigstens für kurze Zeit einzuschlafen, um dann nach einer Weile schreiend aus einem seiner patentierten Alpträume aufzuwachen. Oh, ja, er brauchten Stiles! Er mochte es sich nicht einmal ausmalen, was passieren würde, wenn dieser eines Tages die Schnauze voll davon haben würde, ihm nachts das Händchen zu halten. Irgendwie wusste Derek, dass er sich dann nicht beliebig irgendwen anders in sein Bett holen konnte, mit dem es ebenso gut funktionieren würde. Nein, das mit ihm und diesem Jungen war auf seltsame Weise Schicksal gewesen! Nach einer Weile gab Derek es auf, schlafen zu wollen. Er setzte sich in seinen Wintergarten und wälzte das Fotoalbum seiner Familie, welches man aus den Trümmern des abgebrannten Hauses hatte retten können. Mit dem Zeigefinger strich er zärtlich über die vermissten Gesichter und spürte ein verdächtiges Brennen hinter seinen Augen. „Brauchen sie mich heute noch, Sir?“ Greenburg hatte sich ganz lautlos genähert und Derek war bei der unerwarteten Ansprache unwillkürlich zusammengezuckt: „Nein, sie dürfen sich zurückziehen!“ antwortete er und der Butler wendete sich zum Gehen, doch dann drehte er sich noch einmal um und wollte wissen: „Der junge Herr wird uns heute wohl nicht mehr besuchen, wie?“ Derek schüttelte den Kopf und bestätigte müde: „Nein, heute nicht!“ „Dann schlafen sie gut, Sir!“ erwiderte der Butler mit einer Mischung aus Schüchternheit und Mitgefühl, ehe er sich endgültig zurückzog. Eine Ewigkeit später, als Derek es einfach nicht mehr aushielt, nahm er drei Schlaftabletten, die er mit reichlich Whiskey herunterspülte, bis die Welt um ihn herum verschwamm. Das nächste, was er sah war Greenburg, der sich über ihn beugte und seine Lippen auf die seinen presste. Hektisch richtete Derek sich auf, blickte sich verwirrt nach allen Seiten um und wollte wissen: „WAS... was zur Hölle ist passiert?“ „Sie hatten einen Atemstillstand, Sir! Die... die Schlaftabletten! Ich wollte gerade einen Notruf absetzen! Ein Arzt sollte sie untersuchen!“ stammelte der Butler gleichermaßen verlegen und besorgt. „Nein! Kein Arzt!“ forderte Derek barsch und rappelte sich auf: „Ich bin in Ordnung!“ „Aber Sir...!“ versuchte Greenburg es noch einmal, doch Derek schüttelte bloß energisch den Kopf und bat stattdessen: „Bringen sie mir bitte einfach einen starken Kaffee, in Ordnung?“ Der Butler blickte ihn sorgenvoll an, doch er nickte und entfernte sich. Derek blickte aus dem Fenster. Die Sonne ging gerade auf und plötzlich war da dieser kurze Moment, in welchem er sich wünschte, Greenburg hätte ihn nicht rechtzeitig gefunden und sein Kampf wäre vorüber. Im Büro erschien Derek heute erst spät und erledigte lediglich das Notwendigste. Körperlich fühlte er sich grauenhaft und war daher froh, als es Zeit wurde Schluss zu machen und Stiles abzuholen. Dieser öffnete ihm gutgelaunt, doch als er sah, in welchem Zustand sich Derek befand, wurde er sofort ernst: „Alter! Was ist denn mit dir passiert? Fischvergiftung, oder was? Du siehst ja aus, wie ein Zombie!“ „Es ist nichts!“ behauptete Derek. „Bullshit!“ rief Stiles energisch aus: „Du erzählst mir jetzt auf der Stelle, was du angestellt hast, Mister!“ „Ich will aber nicht!“ murmelte Derek wie ein trotziger Vierjähriger. Stiles ließ sich davon nicht beeindrucken. Er zog Derek ins innere des Appartments und schenkte seinem Gegenüber `den Blick´! Den hatte er vo seinem Vater gelernt. Sehr oft hatte dieser Blick Verdächtige dazu gebracht, einzuknicken und vor Sheriff Stilinski auszupacken. Und das eine oder andere Mal hatte er auch dazu geführt, dass Stiles vor seinem Dad als reuiger Sünder sein Untaten eingestanden hatte. Und auch hier und heute bei Derek verfehlte der Blick seine Wirkung nicht und der Ältere gestand, was er letzte Nacht getan hatte, um endlich ein wenig Ruhe zu finden und auch, wie knapp er mit dem Leben davongekommen war. Stiles schluckte: „Scheiße Mann!“ brachte er entsetzt hervor, hockte sich auf Dereks Schoß und legte schützend die Arme um ihn: „Was machst du denn für Sachen, Hollywood? Du hast doch so viel, wofür es sich zu leben lohnt! Und diese Schlaflosigkeit wirst du schon noch in den Griff bekommen! Das verspreche ich dir! Ich helf´ dir auch dabei ! Ich bin für dich da, wenn du meine Hilfe brauchst, ja? Du musst nur etwas sagen!“ Er drückte dem Älteren einen Kuss auf die Wange und wollte wissen: „Willst du das Abendessen dann lieber absagen?“ Derek schüttelte den Kopf: „Das können wir so kurzfristig nicht bringen. Ich komme klar! Außerdem will ich diese Scharade hinter mich bringen. Ich lüge meinen Freund nicht gern an.“ „Also gut! Dann werde ich mich jetzt für dich hübsch machen, mein Prinz! In welchem Anzug willst du mich sehen?“ wollte Stiles wissen. Derek entschied sich für den anthrazitfarbenen Zweireiher, denn ein Smoking erschien ihm dann doch etwas übertrieben und wenig später waren die beiden Männer startklar und saßen nebeneinander in Dereks Wagen. Bei einem Blick auf den Fahrersitz stellte Stiles fest: „So übernächtigt und fertig, wie du aussiehst können wir da aber nicht aufschlagen! Dieser Freund von dir muss ja denken, ich sei ein Vampir, der dir bei exzessivem Sex das Leben aus dem Leib saugt!“ „Exzessivem.... WAS?“ fragte Derek entsetzt, doch Stiles hörte ihm gar nicht zu, sondern hatte stattdessen sein Handy gezückt und jemanden angerufen. Als er wieder aufgelegt hatte, nannte er dem Älteren eine Adresse und erklärte, dass sie dort erst noch einen kleinen Zwischenstopp einlegen müssten. Zwar hatte Derek keine Ahnung, was der Blödsinn sollte, allerdings war er irgendwie auch zu müde, sich zu wehren. „Na du Loser!“ wurde Stiles von Malia begrüßt, die daraufhin Derek scharf ins Visier nahm und feststellte: „Das ist also Hollywood, ja? Mensch, Stilinski; du weißt schon, dass dieser Kerl in einer ganz anderen Liga spielt, als du, oder?“ „Weiß ich und es ist reizend von dir, das zu bemerken, Bitch!“ lachte Stiles: „Und wo ist nun die Zauberkünstlerin?“ „Baby!“ rief Malia in den hinteren Teil der Wohnung und da kam auch schon Lydia mit kleinen, würdevollen Schritten auf sie zu, wie die erdbeerblonde Göttin der Vollkommenheit: „Derek Hale! Sehr erfreut!“ sagte sie wohlerzogen und streckte dem Fremden ihre kleine weiße Hand entgegen. Derek erstarrte, weil er nun erkannt worden war, doch Stiles versicherte: „Lydia ist diskret, Süßer! Du hast nichts zu befürchten. Und jetzt wird sich dich ein wenig herrichten, stimmt´s nicht, meine Schöne?“ Lydia nickte, nahm sanft Dereks Kinn in ihre Hand, drehte sein Gesicht ein wenig nach links und rechts und stellte dann fest: „Das sollte kein Problem sein, bei so gutem Material!“ Der verdutzte Derek wurde in einen Stuhl am Fenster platziert und dann öffnete Lydia ein Schminkköfferchen und ließ ihre Magie wirken. Kunstvoll übermalte sie die grauen Schatten unter Dereks Augen mit mehreren Lagen verschiedenfarbigem Make-Up und am Ende musste der auf diese Weise Behandelte eingestehen, dass er aussah, als habe er gerade zwei Wochen Urlaub hinter sich. Als sie aufbrechen wollten, blickte sich Derek schüchtern und unsicher in der Runde um und wollte von Lydia wissen: „Was schulde ich dir dafür?“ „Ich lasse mich gern in Naturalien bezahlen und würde ein mintfarbenes Schächtelchen mit weißer Schleife nicht zurückweisen! Aber andererseits war es mir auch ein Vergnügen, reicher Junge, also vergiss´ es!“ Und damit waren die beiden Männer entlassen. „Mintfarbenes Schächtelchen?“ fragte Derek verwirrt, als sie wieder im Wagen saßen. Stiles kicherte: „Wer von uns beiden gehört denn hier zu den oberen Zehntausend? Ich oder Du? Sie hat von Tiffanys gesprochen! Aber das war sicher nur ein Scherz, also denk´ nicht drüber nach!“ „Sicher?“ fragte Derek verunsichert: „Aber sie hat es doch wirklich gut gemacht.“ „Und ist es in deiner Welt immer so? Jemand macht etwas Nettes für dich und du bezahlst ihn dafür?“ wollte Stiles wissen. Derek zuckte mit den Schultern und er sah aus, als schäme er sich ein bisschen: „Na ja... ja! Meistens schon!“ bekannte er. Stiles schüttelte den Kopf und wollte etwas erwidern, doch da hielten sie auch schon vor dem Schloss von Deucalion Barnes und seiner jungen Verlobten. Kapitel 7: Daddy Issues ----------------------- Stiles wollte schon aussteigen, doch Derek hielt ihn zurück und erklärte: „Ich hab´ noch etwas für dich; um dein Outfit zu vervollständigen und als Dankeschön, weil du dieses Bauerntheater mit mir durchziehst!“ Er reichte seinem Beifahrer eine hübsche kleine Schachtel. Stiles öffnete sie und ihm gingen beinahe die Augen über: „Eine Cartier?“ rief er aus: „Ich hoffe, du sagst mir, dass du sie bei deinem letzten Ibiza-Urlaub von einem Typen gekauft hast, der an der Strandpromenade auf einer Wolldecke gesessen hat?“ Derek nahm die Uhr aus der Schachtel und legte sie seinem Beifahrer an: „Sie ist nicht von einer Wolldecke, Stiles! Sie ist aus einem Laden. Aber so teuer war sie gar nicht! Ehrlich!“ „Nee, is´ klar!“ sagte Stiles Augen rollend: „Eine Luxusuhr vom Discounter, richtig? Verarsch´ mich doch nicht! Wieso machst du denn so was, Mann? Wieso gibst du so viel Kohle aus?“ „Weil ich sie gesehen und gedacht habe, sie würde gut an dir aussehen. Kannst du nicht einfach sagen: `Die ist ja hübsch! Danke, Derek!´ und dann vergessen wir die Sache? Wieso machst du so ein Theater?“ „Weil ich zum Arschloch werde, wenn ich verlegen bin!“ erwiderte Stiles mit einem kleinen, ertappten Lächeln: „Ach, so ist das.“ Derek musste ein klein wenig lachen. Und nun beugte Stiles sich zu ihm hinüber, küsste ihn auf die Wange und erklärte: „Sie ist WIRKLICH hübsch! Danke, Derek!“ Der Gönner lächelte und wollte wissen: „Bereit für eine kleine Schmierenkomödie?“ Stiles nickte, sie stiegen aus und er griff nach Dereks Hand, weil frisch Verliebte das nun einmal so machten. Überrascht stellte Stiles fest, dass er ein klein wenig nervös war, als sie an der Tür klingelten. Es war ihm irgendwie wichtig, seine Sache gut zu machen und ihre Gastgeber zu überzeugen. Derek zuliebe! Er war verwundert zu sehen, dass nicht irgendjemand vom Personal öffnete, sondern der Hausherr selbst an die Tür kam. Dereks väterlicher Freund war ein wirklich einschüchternder Kerl. Er war zwar auf keinen Fall größer, als Stiles selbst, aber dennoch wirkte er so. Er trug eine edle, dunkelgraue Stoffhose mit Bundfalten und eine dazu passenden Weste, über einem leichten, hautengen, magentafarbenen Seidenstrickpullover, unter welchem sich der gestählte Oberkörper des Mannes deutlich abzeichnete. Stiles schätzte ihn auf Mitte vierzig bis höchstens fünfzig. Er hatte ein markantes, attraktives Gesicht mit vielen Mimikfältchen und großen, dunklen, graublauen Augen. Der Hausherr beäugte den Gast, den Derek mitgebracht hatte eindringlich und drückte dessen Hand ein wenig zu fest und zu lange, so dass es beinahe ein wenig schmerzte. Unter seinem Blick hatte Stiles augenblicklich das Gefühl zu zerbröseln. Er war entlarvt, noch bevor er auch nur ein einziges Wort gesagt hatte; so viel war klar! Und nun fing dieser Deucalion auch noch an zu sprechen: „Sie sind also der junge Mann, der unserem guten Derek, den Kopf verdreht hat, richtig? Sie müssen uns unbedingt verraten, wie sie das Kunststück vollbracht haben?“ Stiles schwitzte in diesem Augenblick gerade sein Hemd durch, doch zum Glück war er ja wenigstens nicht auf den Mund gefallen und so behauptete er dreist: „Ich schätze, du konntest ganz einfach meinem jungenhaften Charme, gepaart mit meinem fantastischen Aussehen nicht widerstehen, ist das nicht richtig, mein Liebling?“ Und dann küsste er überrumpelten Derek. Und zwar so richtig, mit Zungeneinsatz und allem! Das sollte doch eigentlich ausreichen, um den furchterregenden Kerl zu überzeugen, richtig. Doch Deucalion glotzte ihm immer noch aus diesen riesigen Augen mitten in sein Herz. Glücklicherweise eilte nun ein Engel zu Stiles Rettung herbei, denn hinter Deucalion tauchte eine junge Frau auf, bei der es sich nur um Deucalions Verlobte Erica handeln konnte. Sie war einfach umwerfend mit ihrer wilden, blonden Lockenmähne, der selbstbewussten Körperhaltung einer Raubkatze und einem Lächeln, so strahlend, dass man eine Sonnenbrille brauchte. Ihre Augen waren wie die von Stiles; braun, doch im richtigen Licht mit einem goldenen Schimmer. Diese junge Frau versprühte so viel sexuelle Energie, dass man meinte, die Luft um sie herum würde flimmern: „Also wirklich! Was machst du denn da, du Riesenesel? Wieso lässt du unsere Gäste nicht hinein, sondern stehst im Türrahmen, wie Zerberus?“ schalt sie Deucalion und schob ihn kurzerhand energisch beiseite. An Stiles und Derek gerichtet sagte sie fröhlich: „Kommt doch rein, ihr Zwei! Wir freuen uns so, euch zu sehen!“ Kaum waren die beiden Männer der Einladung gefolgt, hatte Erica Stiles auch schon untergehakt und stellte nun anerkennend fest: „Du bist ja wirklich hinreißend, mein Lieber. Da hat unser Derek aber ein richtig gutes Auge bewiesen!“ Stiles errötete tatsächlich ein klein wenig und murmelte: „Das macht bloß der teure Anzug, in den er mich gesteckt hat, damit ich euch gefalle. Der Rest an mir ist absoluter Durchschnitt! Wirklich!“ „So süß!“ kicherte Erica kopfschüttelnd und schob Stiles in einen prächtigen Salon. Auch in Deucalions Haus roch es verdächtig nach viel Geld und dennoch war es ganz anders gestaltet, als Dereks kühler, minimalistisch eingerichteter Palast. Hier gab es viel zu sehen, ohne dass es überladen wirkte: Edle Antiquitäten, Plastiken aus Marmor, oder Bronze und Ölgemälde an den Wänden! Sie hatten auf zwei, mit hellblauer Seide bezogenen Sofas Platz genommen und Deucalion schenkte für sich und Derek gerade ein Glas Whiskey auf Eis ein. Dann erkundigte er sich: „Wollen sie auch, Stiles?“ Der Angesprochene schüttelte den Kopf, denn er hielt es für ratsam, zunächst noch nüchtern zu bleiben: „Wasser wenn sie haben!“ sagte er schüchtern. Offenbar war das die falsche Antwort, denn Deucalion zog streng die Augenbraue hoch, reichte Stiles aber klaglos ein kleines, teuer aussehendes Fläschchen Tafelwasser und ein Glas. Erica erhielt dasselbe. Offenbar kannte ihr Verlobter ihre Bestellung, ohne Fragen zu müssen. Nun hatte sich auch Deucalion sich gesetzt, nahm seinen Blick allerdings keine Minute lang von Stiles und wollte schließlich wissen: „Und was machen sie beruflich, Stiles?“ Derek und er hatten gewusst, dass diese Frage zwangsläufig kommen würde und sie hatten sich ein wenig vorbereitet: „Ich gehe auf die `UC L.A.´ und habe dort in erster Linie Kriminalistik- und Literaturwissenschaftsseminare belegt.“ Die Lüge ging Stiles leicht von den Lippen, denn sie fühlte sich beinahe wie die Wahrheit an, weil es so ja auch genau geplant gewesen war, bevor die Hölle über sein Leben hereingebrochen war, welche ihm seine Eltern genommen hatte. „Zahlen ihre Eltern für das College?“ fragte Deucalion weiter. „Stipendium! Und ich jobbe nebenbei als Kellner.“ behauptete Stiles: „Ich fürchte, ich entstamme einer langen Ahnenreihe von armen Schluckern!“ „Na, was für ein Glück, dass sie nun jemanden wie unseren Derek kennengelernt haben. Er kann ihnen doch sicherlich ein paar Türen öffnen, nicht wahr?“ Deuclions Tonfall ließ keinen Zweifel daran, was er damit andeuten wollte und jeder im Raum hatte es deutlich gehört. Stiles wollte etwas sagen, um sich zu rechtfertigen. Derek wollte etwas sagen, um Stiles zu verteidigen. Doch wieder war es Erica, die zu Stiles Rettung eilte: „Also wirklich Liebling! Du bist unmöglich! Ich weiß ja, dass du unseren lieben Derek um jeden Preis beschützen willst, aber er ist ein großer Junge und wir freuen uns sehr, dass er endlich jemand Netten kennengelernt hat, richtig?“ Ihr Tonfall war scharf und nun forderte sie sogar noch: „Und nun wirst du dich bei unserem Gast entschuldigen richtig, großer, böser Wolf?“ Und tatsächlich sagte Deucalion nun: „Es tut mir sehr leid, Stiles. Ich wollte natürlich nicht behaupten, dass sie Derek bloß ausnutzen wollen. In unserer Position muss man ein wenig aufpassen, wem man sein Vertrauen schenkt, aber ich bin sicher, Derek weiß was er tut.“ Es klang beinahe aufrichtig und Stiles staunte, wie gut Erica, die höchstens halb so alt war wie ihr Verlobter, diesen im Griff hatte. Er folgte bei ihr, wie ein gehorsames Hündchen, während dieser Mann bei Stiles selbst beinahe den Verlust seiner Blasenkontrolle auslöste, so sehr schüchterte er ihn ein. Derek nahm nun Stiles Hand und bekräftigte: „Stiles und ich kommen klar! Er hat mich noch nie um irgendwelche Gefallen oder gar Geld gebeten und du hast selbst gesagt, ich sehe besser aus, seit das mit uns angefangen hat, also sei gefälligst nett, Deuc!“ Stiles lächelte Derek dankbar an und legte den Kopf auf seine Schulter. Das hatte nichts mit Schauspielerei zu tun, sondern er suchte tatsächlich gerade ein wenig Halt, nachdem er so in die Mangel genommen worden war. Und Derek spielte mit und drückte ihm einen kleinen Kuss auf die Schläfe. Stiles hatte schon so ziemlich alles gemacht und das mit so ziemlich jedem, also warum bitteschön wurde er in diesem Moment bei einem kleinen, unschuldigen Küsschen rot? Zum Glück kam nun die Hausdame, um mitzuteilen, dass der erste Gang fertig sei. Sie zogen in das Esszimmer um, wo Derek neben Deucalion auf der einen Seite der Tafel platziert wurde, während Stiles der Platz neben Erica zugewiesen wurde, deren Abstinenz nach dem Wasser nun offenbar beendet war, denn sie schwärmte von dem kalifornischen Weißwein, der zum ersten Gang gereicht wurde und schenkte sowohl sich selbst, als auch Stiles sogleich großzügig ein, ehe dieser Protest einlegen konnte. Stiles hatte einen Bärenhunger, denn seit dem Frühstück hatte er nichts mehr gehabt und so war er ein wenig enttäuscht von dem, was er auf seinem Teller vorfand, nämlich einen einzelnen, zugegeben großen Scampi mit mehreren Klecksen Soße unterschiedlicher Art. Alles war hübsch angerichtet und zumindest für das Auge eine Freude, doch befand sich der Scampi zu allem Überfluss noch in seinem Panzer, weshalb Stiles sich überhaupt erst einmal auf den Tellern seiner Tischnachbarn abgucken musste, wie man das köstliche Fleisch auf die `Feine-Leute-Art´aus seinem Exoskelett befreite. Vor lauter Frust brach Stiles nun mit seinem Vorsatz, nüchtern zu bleiben und hatte bereits das zweite Glas Wein intus, als der zweite Gang serviert wurde. Dieser bestand aus einer kleinen handvoll Blattsalat mit einer Vinaigrette, über welchen ein wenig Hartkäse gehobelt worden war. Das war zwar durchaus schmackhaft, aber SALAT? Mal Ehrlich, wer sollte davon satt werden? Und so ließ Stiles sich ein weiteres Mal von dem einheimischen Rebensaft einschenken! Erst beim Hauptgang war Stiles sich sicher, dass er nicht hungrig vom Tisch aufstehen müsste: T-Bone-Steak, karamellisierte Möhrchen und frittierte Kartoffelspalten! Keine Sekunde zu spät, denn langsam bemerkte Stiles, wie ihm der Wein zu Kopfe stieg. Während des Essens sprachen Derek und Deucalion über das Geschäft und Erica rollte genervt mit den Augen, bis Stiles sie fragte, was sie denn wohl beruflich täte. Wie sich herausstellte, studierte die junge Frau Jura und arbeitete nebenher in der Kanzlei ihres Vaters. Erica berichtete leidenschaftlich davon, wie brillant ihr Vater sei. Er sei DER Strafverteidiger in Kalifornien; eine echte Institution, ein wahres Genie! Stiles mit seiner guten Menschenkenntnis blieb nicht verborgen, dass hier eine junge Frau saß, die Daddy um jeden Preis stolz machen wollte. Er konnte sich einen kleinen belustigten Seitenblick auf ihren so viel älteren Verlobten nicht verkneifen. Dann fragte Erica: „Du hast also Seminare in Kriminalistik belegt? Das werde ich im nächsten Semester auch tun. Das ist unwahrscheinlich nützlich im Strafrecht. Erzähl´ doch mal ein bisschen!“ Derek hielt in seinem Gespräch inne und warf Stiles einen ängstlichen Blick zu, doch dieser schenkte ihm lediglich ein schiefes Grinsen. Und dann referierte der Sheriffssohn ausführlich über alles, was er wusste, von Ballistik, über Faserspuranalyse, bis hin zu Gerichtsmedizin und Derek atmete erleichtert auf. Zum Dessert wurde Creme Catalan gereicht und Stiles kamen beinahe die Tränen: „Fantastisch, oder nicht?“ fragte Erica begeistert: „Deucs Köchin ist ein Genie! Und insbesondere für Nachspeisen hat sie ein Händchen. Und das ist mein Glück, denn ich LIEBE süßes Zeug!“ Der böse Deucalion sah mit einem Mal ganz zahm aus, lächelte seine schöne Gefährtin über den Tisch hinweg an und bedeckte zärtlich ihre Hand mit der seinen. Stiles genoss jeden Bissen des sahnigen Himmels schweigend und mit Andacht. Wenn das mit mit Derek und ihm irgendwann vorbei wäre, weil dieser ihn nicht mehr brauchte, dann würde er immerhin ein paar unglaubliche Erinnerungen zurückbehalten und dieser Nachtisch war eine davon. Nach dem Essen ging es wieder hinüber in den Salon, wo jemand vom Personal bereits ein Feuer im Kamin gemacht hatte. `Logisch!´, dachte Stiles, wischte sich den Schweiß von der Stirn und zog sein Jackett aus: `In Los Angeles konnte es im Sommer schon mal sehr frostig werden! Diese reichen Leute hatten doch einen Knall!´ Aber immer war es hübsch und romantisch und ohne großes Nachdenken kuschelte sich Stiles auf dem Sofa in Dereks Seite. „Ihr seht wirklich gut zusammen aus.“ stellte Erica entzückt fest: „Wirst du Stiles eigentlich nächste Woche zu der Party bei Chris mitbringen, Derek?“ Bei der Frage zuckte der Angesprochene ein wenig zusammen: „Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen. Und du weißt doch, dass ich solche Events nicht unbedingt liebe, Süße!“ „Ach´ komm´ schon! Du kannst dich nicht immer drücken! Und diesmal wird es ja anders sein! Du wirst nicht wie ein Mauerblümchen allein in einer Ecke sitzen, sondern dein heißer Freund wird auf deinem Schoß hocken, richtig, Stiles? Und vielleicht will er ja auch ein paar seiner Freunde mitbringen?“ Derek wurde immer kleiner in seinem Sitz und er fragte Stiles: „Du hast doch bestimmt keine Lust auf so ein Event, oder?“ „Doch sicher! Wenn du da hinwillst, bin ich dabei, aber wenn du lieber zuhause bleiben würdest, ist das auch in Ordnung.“ sagte Stiles in der Absicht, Derek ein Hintertürchen für eine Absage offen zu halten, doch Erica interpretierte seine Worte ganz anders: „Fein! Dann ist es abgemacht! Ich werde Chris Bescheid sagen, dass ihr kommt. Und werdet ihr noch jemanden mitbringen?“ Derek sah gequält aus und zuckte mit den Schultern. Stiles fühlte mit ihm und erwiderte: „Darüber werden wir noch in Ruhe sprechen und geben dir Bescheid, in Ordnung?“ Er rieb seine Wange entschuldigend an der dreitagebärtigen von Derek wie ein Kätzchen und schaute ihn süß an. Beinahe war Stiles selbst überrascht, dass das wirkte und Derek ein kleines Lächeln abrang. Deucalion spendierte eine weitere Runde Whiskey und diesmal griff Stiles, trotz Dereks strengem Blick zu. Sie sprachen über Bücher und Stiles hatte schon wieder das Gefühl, Deucalion würde ihm auf den Zahn fühlen; diesmal wegen seiner Behauptung Literaturwissenschaft zu studieren. Doch Stiles war nicht bange! Er hatte mit vier Jahren das Lesen gelernt und seither das geschriebene Wort verschlungen, in welcher Form auch immer es ihm zwischen die Finger gekommen war. Offenbar weil er so nicht weiterkam, fragte Deucalion Stiles nun über seine Herkunft aus. Verdammt! Er hätte doch die Finger vom Alkohol lassen sollen! Stiles beschloss, sehr vage in seinen Aussagen zu bleiben: „Ich komme aus einer Kleinstadt hier in Kalifornien. Nach der High-School bin ich für´s College nach Los Angeles gekommen.“ „Und was machen ihre Eltern beruflich, Stiles!“ forschte Deucalion weiter. `Warum wollte der Kerl denn diese ganzen Sachen über ihn wissen?´ dachte Stiles genervt: „Meine Mutter hat eine kleine Kunstgalerie geleitet, bis ich geboren wurde und mein Vater ist der Sheriff meiner Heimatstadt.“ „Und wie heißt ihre Heimatstadt, Stiles?“ wollte Deucalion nun wissen. Stiles wurde langsam ärgerlich und fragte: „Wieso? Wollen sie sie besuchen? Davon kann ich eigentlich nur abraten! Es ist ein winziges, völlig uninteressantes Kaff, dass nicht einmal einen eigenen Bahnhof besitzt. Es hat keine Touristenattraktionen, ist praktisch ringsherum von Wald umgeben und keiner, der nicht gerade dort lebt, verirrt sich jemals dort hin!“ „Wieso machen sie denn so ein Geheimnis daraus?“ hakte Deucalion nach, doch da schaltete sich Derek ein: „Das reicht jetzt mit dem Verhör, Deuc! Entweder du lässt es jetzt gut sein, oder wir gehen auf der Stelle!“ Erica boxte ihrem Verlobten in den Oberarm und dabei war sie nicht eben zimperlich. Ihr Tonfall klang scharf, als sie erklärte: „Mein Liebster macht das, weil er dich liebt und sich um dich sorgt, Derek. Er hat nur eine extra-ekelhafte Art, dir das zu zeigen. Und jetzt ist endgültig Schluss damit, kapiert?“ Deucalion nickte und die Vier wechselten thematisch in ungefährlichere Gefilde, wie Filme, Kunst und Tagespolitik, doch irgendwie war die Stimmung ab diesem Zeitpunkt ruiniert und nach einer weiteren halben Stunde brachen Derek und Stiles auf. Als die Gastgeber wieder unter sich waren, wollte Erica von ihrem Verlobten wissen: „Wieso warst du heute Abend bloß so unmöglich? Endlich hat Derek jemanden gefunden und er hat es so sehr verdient! Warum hast du diesem Jungen so in die Mangel genommen? Was sollte das?“ Deucalion zuckte unbehaglich mit den Schultern und erwiderte: „An dieser Sache ist irgendetwas faul! Das spüre ich in meinen Eingeweiden! Und Derek steht bereits unmittelbar am Abgrund! Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um diesen einen finalen Hieb zu verhindern, der ihn endgültig in die Tiefe stürzen lässt. Hast du gehört, wie ausweichend dieser Stiles reagiert hat, als ich ihn nach dem Kennenlernen der Zwei befragt habe. Normalerweise haben Paare an dieser Stelle eine Geschichte parat, die sie erzählen. Höchstwahrscheinlich hat dieser Bengel das von langer Hand geplant, sich an Derek herangemacht weil er wusste, wer er ist und er bloß an sein Geld wollte. Hast du nicht den Anzug und die Uhr gesehen? Wie sollte sich ein armes Sheriffssöhnchen, das noch auf´s College geht so etwas leisten können? Also hat Derek dafür bezahlt. Wer weiß, für was er noch alles zahlt? Ich liebe diesen Jungen, aber er ist einfach ein gutmütiger Idiot, der sich leicht ausnutzen lässt!“ „Oh´ halt die Klappe, Deuc!“ schimpfte Erica: „Was ist so schlimm, wenn Derek diesem Jungen hübsche Sachen kauft? Deswegen kann Stiles ihn doch trotzdem von Herzen gern haben. Misch dich da gefälligst nicht ein. Und falls dich MEINE Meinung interessiert: Ich fand diesen jungen Mann ausgesprochen liebenswert: Intelligent, lustig, ein angenehmer Gesprächspartner...! Du sorgst dich umsonst, Liebling!“ „Wir werden sehen!“ erwiderte Deucalion und leerte sein Whiskeyglas mit einem Ausdruck von Endgültigkeit. Kapitel 8: Hingabe ------------------ Da sie beide nicht mehr ganz nüchtern waren, ließen Stiles und Derek den Wagen stehen und nahmen ein Taxi zu Dereks Palast. Und obwohl es schon spät war, als sie ankamen fragte Stiles, den plötzlich die Sehnsucht überkam, ob er Harvey besuchen dürfe. Eigenartiger Weise sah Derek bei dieser Frage ein wenig ertappt aus: „Oh, nein!“ rief Stiles aus: „Du hast ihn doch nicht versehentlich an einen deiner Riesenwürmer im Keller verfüttert, oder?“ Derek schüttelte heftig den Kopf: „Nein, natürlich nicht. Was denkst du denn von mir? Aber ich habe... na ja,...ach sieh´ einfach selbst!“ Er nahm Stiles bei der Hand und zog ihn in ein Zimmerchen neben seinem Schlafzimmer, wo ein großer Käfig stand. Das Kaninchen hatte geschlafen, doch als es die Eindringlinge in seinem Zuhause bemerkte, hob es das Köpfchen und blickte sich neugierig um. „Du hast ihn bei dir im Haus einziehen lassen? Wieso denn das?“ fragte Stiles amüsiert, hockte sich vor den Käfig, öffnete die Tür und Harvey hoppelte heraus und nahm sogleich im Schoß des jungen Mannes Platz: „Das soll eigentlich nur eine Übergangslösung sein.“ erwiderte Derek ein wenig verlegen: „Ich dachte jetzt, wo du eine richtige Wohnung hast, könntest du sie doch auch zu dir nehmen? Ich habe schon alles besorgt, was du brauchen wirst; Futter, Heu, den Käfig, Einstreu, einen Transportkorb und so weiter. Hast du Lust?“ „Sie?“ fragte Stiles verwirrt und kraulte hingebungsvoll das weiche Fell: „Ja, es hat sich herausgestellt, dass Harvey ein Mädchen ist. Und außerdem ist sie schwanger!“ erwiderte Derek. Stiles Augen begannen zu leuchten. Er nahm das Häschen vorsichtig hoch und fragte: „Du bekommst Babys, mein Kleines? Dann werde ich ja Onkel! Und willst du dann bei mir wohnen, Harvey? Als alleinerziehende Mama wirst du ein bisschen Unterstützung brauchen, oder nicht?“ Er rieb seine Stupsnase an dem weichen Fell. „Willst du ihr nach den neuesten Erkenntnissen nicht lieber einen passenderen Namen geben?“ erkundigte sich Derek, doch Stiles schüttelte den Kopf: „Nein, sie heißt Harvey und dabei bleibt´s! Stimmt´s nicht, Süße? Aber jetzt lasse ich dich wieder schlafen. Schwangere Mädchen brauchen ihre Ruhe, richtig?“ Stiles setzte das Tier sanft wieder in seinen Stall und streichelte es noch einige Male hingebungsvoll, ehe er das Türchen wieder schloss. Derek beobachte die Szene und plötzlich war da so ein merkwürdiges kleines Ziehen in seiner Brust und er begann aus irgendeinem Grund zu lächeln, wie ein Idiot. Als er dessen gewahr wurde beeilte er sich, es unverzüglich wieder abzuschütteln. Die beiden Männer zogen in den Salon um und Derek wollte wissen, ob Stiles noch etwas trinken wolle. Der Jüngere entschied sich für Limonade und Derek schloss sich an. Für heute hatten sie beide genug Alkohol gehabt. Sie hockten sich nebeneinander auf das Sofa und Derek erklärte unbehaglich: „Dass Deuc so ekelhaft zu dir war tut mir echt leid. Er ist einfach sehr klug und ein ausgezeichneter Menschenkenner, weißt du? Er wird gespürt haben, dass wir nicht ganz aufrichtig zu ihm gewesen sind und du musstest es eben ausbaden, dabei ist es doch eigentlich meine Lüge gewesen, die wir da erzählt haben. Ich möchte mich bei dir entschuldigen!“ „Nicht schlimm!“ versicherte Stiles grinsend: „Der Abend hat auch seine guten Seiten gehabt. Diese Erica ist wirklich nett, das Essen war fantastisch und als Bonus konnte ich mit dir knutschen!“ Derek schüttelte den Kopf mit einem kleinen, nachsichtigen Lächeln und kommentierte: „Ja, das war wirklich ungezogen von dir! Warum hast du das gemacht?“ Stiles kicherte leise und entgegnete: „Ganz einfach; weil ich es wollte und weil du dich nicht wehren konntest.“ Dann wandte er seinen Oberkörper Derek zu, legte ihm die Hand auf das Knie und ließ sie langsam das Bein empor wandern: „Apropos: Was hältst du davon, wenn wir noch ein wenig länger so tun, als ob wir ein Paar wären und hinüber in dein Schlafzimmer gingen?“ „Wie oft muss ich dir denn noch sagen, dass ich nicht für Sex bezahle, hm Stiles?“ fragte der Angesprochene gequält: „Und du hast doch selbst gesagt, dass die ganze Sache dir eigentlich gar keinen Spaß macht, also was soll das dann?“ Stiles ließ sich nicht beirren, hockte sich rittlings auf Dereks Schoß und erwiderte schnurrend: „Ich will doch gar kein Geld dafür. Und DU hast doch gesagt, es sei die Beste Sache der Welt. Also komm´ schon, Großer; zeig´ mir, was daran so toll sein soll!“ Vielleicht hatte sein Alkoholspiegel etwas mit dem zu tun, was Derek als nächstes sagen würde. Möglicherweise spielte es auch eine Rolle, dass ihm Sex fehlte, da er sich seit dem Tod seiner Familie auf niemanden mehr hatte einlassen können. Aber es lag definitiv NICHT daran, wie unverschämt Stiles gerade sein Hinterteil gegen Dereks Schritt rieb und versicherte: „Komm´ schon Derek! Es wird dir gefallen! Ich kenne ein paar hübsche Tricks und werde dich zum Stöhnen und Schwitzen bringen, wenn du mich lässt! Ich kann einen Kerl ziemlich glücklich machen!Ehrlich!“ Nein, daran lag es definitiv nicht, dass Derek nun endlich nachgab! Es hatte viel mehr damit zu tun, wie Stiles Augen leuchteten, wenn er ein kleines Häschen im Arm hielt. Es hatte damit zu tun, wie Stiles Gesicht vor einer Weile aus dem abscheulichen nächtlichen Einerlei der Großstadt hervorgestochen hatte, wie eine wundervolle Signalbarke, so dass Derek seinen Wagen angehalten und ihn mitgenommen hatte. „In Ordnung Stiles. Wenn du es wirklich willst; wenn du dir ganz sicher bist, dann tun wir es. Aber wir spielen dann vollkommen nach meinen Regeln, kapiert?“ Mit diesen Worten erhob er sich und hob Stiles auf seinem Schoß gleich mit sich hoch. Der Jüngere kicherte überrumpelt, hielt sich schnell an Dereks Nacken fest und wollte wissen: „Ach ja? Und was bedeutet das?“ Derek hatte ihn mittlerweile hinüber ins Schlafzimmer getragen und setzte ihn ab: „Es bedeutet, du wirst mich einfach machen lassen. Keine Tricks, um mich glücklich zu machen und nichts von dem, was du sonst so tust. Ich will nämlich, dass du spürst wie es sein kein, wenn man nicht einfach nur den Bedürfnissen eines Anderen dient. Denkst du, du kriegst es hin, dich mir vollständig zu überlassen?“ Plötzlich sah Stiles gar nicht mehr so selbstbewusst aus. Er musterte Derek misstrauisch: „Du wirst mir keine Fesseln anlegen, oder so, richtig?“ versicherte er sich. Derek schüttelte den Kopf und versprach: „Nein, Stiles, keine Fesseln und nichts, was dir in irgendeiner Weise wehtun, oder Angst machen wird, versprochen! Ich denke, es wird dir gefallen.“ Stiles nickte leicht und sein Herz hämmerte aufgeregt gegen seinen Brustkorb. Derek lächelte aufmunternd, streifte erst das Jackett und dann die Weste von Stiles Schulter, so dass diese zu Boden fielen und machte sich dann daran, ohne Eile das Hemd des Jüngeren Knopf für Knopf zu öffnen. Stiles stand ganz still und fragte unsicher: „Soll ich irgendetwas tun?“ Derek schüttelte den Kopf: „Nein, überhaupt nichts. Denkst du, du hältst das aus?“ Stiles zuckte unschlüssig mit den Schultern und versprach: „Ich werd´s versuchen.“ Als Stiles obenherum nackt war, machte sich Derek daran, sich sein eigenes Jackett und Hemd auszuziehen. Stiles juckte es so sehr in den Fingern, den vollkommenen, gestählten Torso, oder die muskulösen Arme zu berühren, doch er wollte nicht riskieren, dass Derek dies hier abbräche, noch bevor es richtig begonnen hatte, bloß weil er nicht brav gewesen war, also hielt er weiterhin still. Es gefiel ihm, wie Derek sich gerade über die Lippen leckte, während er ihn hungrig mit den Augen verschlang. Nun kam der Ältere ihm sehr nah, ließ die Finger durch Stiles Haar fahren, fuhr mit zarten Berührungen seine Gesichtszüge nach, lächelte zärtlich und küsste ihn schließlich weich. Dereks Hände fuhren über Stiles Oberkörper; seine Schultern, seinen Rücken, seine Seiten, den Bauch und die Brust. Sie waren groß, warm und freundlich und Stiles schloss die Augen und schmolz den Berührungen ein klein wenig entgegen. Die Hände wanderten hinab zu seinem Hosenverschluss, öffneten geschickt Knopf und Reißverschluss und arbeiteten sich dann unter den Hosenbund. Als sie auf Stiles nacktem Gesäß lagen, gab dieser ein kleines, zufriedenes Seufzen von sich und er vergrub sein Gesicht vertrauensvoll an Dereks Hals. Derek streifte Hose und Boxershorts in einem Zug von den Hüften des Jüngeren, so dass dieser nur noch hinaussteigen musste. Als dann auch Derek selbst sich von seinen restlichen Kleidern befreit hatte, führte er Stiles hinüber zum Bett. Dieser schluckte ein wenig und wollte wissen: „Hast du eigentlich Kondome da?“ Derek lächelte und versicherte: „Natürlich. Ich habe alles da, aber noch brauchen wir nichts davon. Hab´ keine Angst!“ Stiles legte sich auf den Rücken, verschränkte die Arme oberhalb des Kopfes und blickte erwartungsvoll zu Derek hinauf. Dieser ließ sich vorsichtig auf den Körper des Jüngeren nieder und verdrängte die aufkommenden Bilder davon, was dieser wohl schon alles mit seinen diversen Freiern erlebt und getan hatte, ebenso wie er den Gedanken an sexuell übertragbare Krankheiten beiseite schob. Er selbst war schließlich auch noch nie ein Kind von Traurigkeit gewesen! Er hatte weitaus mehr Liebhaber beiderlei Geschlechts gehabt, als viele andere Leute die er kannte, nur dass er stets das Privileg gehabt hatte, selbst frei zu entscheiden, wer sein Bett teilte. Er betrachtete den Jungen unter sich und stellte fest: „Du bist schön, Stiles!“ Der Angesprochene schenkte ihm ein schüchternes Lächeln und versicherte ein wenig heiser: „Das bist du auch.“ Es war noch gar nicht viel passiert, doch es hatte jetzt schon länger gedauert, als viele der Nummern, welche Stiles mit Freiern gehabt hatte und er fragte sich, was Derek wohl mit ihm vorhaben mochte und warum er nicht einfach loslegte? Der Ältere hatte sich mittlerweile mit seinem ganzen Gewicht auf ihm niedergelassen und Stiles mochte, wie sich das anfühlte. Nun verschloss Derek ihre Lippen zu einem Kuss, der sanft begann und dann hungriger, tiefer und fordernder wurde und das mochte Stiles auch. Er ließ ganz einfach die fremde Zunge ein und ließ es geschehen. Als sich der Mund schließlich wieder von seinem löste, vermisste er ihn auch schon, doch er wurde offenbar gerade an anderer Stelle gebraucht, denn Stiles fühlte Dereks warmen Atem an seiner Wange und dann dessen Zungenspitze, welche die Windungen seiner Ohrmuschel umspielte, ehe sie sich ihren weg hinab zu seinem Hals suchte. Der Jüngere legte den Kopf weit in den Nacken und entblößte seine weiße Gurgel, als Zeichen seiner absoluten Kapitulation und Hingabe. Das Vertrauen welches sich auf diese Weise ausdrückte, wirkte beim Älteren wie ein Aphrodisiakum. Er griff nach Stiles Handgelenken und hielt sie fest, auch wenn dieser versicherte: „Ich laufe dir nicht weg, Derek!“ Stiles erschauerte unter dem Mund, der an seiner Kehle leckte, knabberte und saugte. Dann wanderte der Kopf eine Etage tiefer. Stiles hätte vor diesem Tag sicherlich behauptet, an den Brustspitzen vollkommen unempfindlich zu sein, wenn man ihn danach befragt hätte, doch wie sich in diesem Augenblick herausstellen sollte, hätte er damit nicht falscher liegen können! Es hatte sich bloß noch keiner die Mühe gemacht, sich mit dieser Region seines Körpers einmal ausgiebig zu beschäftigen. Bis heute! Während Lippen, Zunge und Zähne Dereks sich liebevoll und vor allem ausdauernd diesen beiden kleinen zart rosafarbenen Knöpfchen widmeten, stellte sich Stiles die Frage, ob es wohl möglich wäre, allein dadurch bereits zu kommen. Was mit einem kleinen Keuchen begann, wurde schnell ein Wimmern und schließlich ein lustvolles Schreien, während sich die Finger des Jüngeren in das Laken krallten. Stiles konnte selbst kaum fassen, was er gerade für Töne von sich gab und dabei waren sie hier doch immer noch beim Vorspiel. Als Dereks Zunge sich nun seinem Nabel zuwandte, breitete sich Hitze in Stiles Bauch aus. Er war nun hart, wahnsinnig ungeduldig und hatte noch nie etwas so dringend nötig gehabt, wie die Erlösung durch einen Orgasmus, doch dieser Umstand ließ Derek scheinbar vollkommen kalt, denn Stiles Genitalien erfuhren hier nicht das kleinste bisschen Beachtung und er wusste nicht, wie lange er diese Passivität noch ertragen konnte. Wusste Derek denn gar nicht, dass er so was von bereit war für... was auch immer? Oder war es ihm einfach bloß egal? „Fuck, Derek! Ich halt´s nicht mehr aus. Bitte, nimm´ mich jetzt endlich!“ forderte er also verzweifelt, was dazu führte, dass Derek jegliche Aktivität einstellte, sich neben ihn legte und einfach bloß anschaute. Das war das Schlimmste, was hätte passieren können und Stiles wäre beinahe in Tränen ausgebrochen. Aber nun beugte sich Derek zu einem Kuss zu ihm herüber und versicherte: „Hab´ keine Sorge, Stiles! Du kriegst alles von mir, was du brauchst. Hab einfach ein klein wenig mehr Geduld, ja? Dann wird alles noch viel besser!“ Der Ältere hieß ihn, sich hinzuknien und sich am Kopfende des Bettes festzuhalten. Derek selbst begab sich an seine Rückseite und Stiles konnte die Erektion des Anderen spüren, die seinen Arsch leicht streifte. Ein vielversprechender Anfang, doch Stiles Warten sollte noch lange kein Ende haben. Anstatt nun endlich zur Sache zu kommen, verteilte Derek kleine, zärtliche Küsse und Bisse in Stiles Nacken, während seine Finger sich wieder den bereits gereizten Nippeln zuwandten und diese streichelten, ein wenig kniffen und zwirbelten, was Stiles beinahe das letzte bisschen seines Verstandes kostete. Er spreizte die Beine ein wenig und schob das Gesäß hervor, um noch einmal zu unterstreichen, wie wahnsinnig bereit er war, doch Derek war gnadenlos! Während sich die eine Hand weiterhin mit seinen Brustspitzen beschäftigt war, wanderte die andere nach unten zwischen Stiles Beine. Doch anstatt ihm endlich Erleichterung zu verschaffen, berührte Derek seinen Schwanz allenfalls zufällig mit dem Handrücken, während er ausgiebig seine Leisten und die Innenseite seiner Oberschenkel streichelte. Stiles spielte kurz mit dem Gedanken, Derek auf´s Bett zu werfen, sich auf ihn zu hocken und sich einfach zu holen, was er so dringend brauchte, doch andererseits waren das Warten und sich Verzehren nicht nur Qual, sondern auch höchste Lust, also geduldete er sich eben noch ein bisschen länger. Derek leckte und küsste sich gerade seinen Weg Stiles Wirbelsäule hinab, während seine Hände damit beschäftigt waren, sein Gesäß zu massieren. Das Gesicht des Jüngeren, sein Hals und sein gesamter Oberkörper waren von einer erregten Röte überzogen, seine Augen waren halb geschlossen und er seufzte, stöhnte und wimmerte vor Erregung. Als sie angefangen hatten, hatte Derek eine kleine Verunsicherung gespürt. Was, wenn Stiles ihm etwas vormachen würde, weil es für ihn nun einmal zu Geschäft gehörte, Männern das Gefühl zu geben, dass es ihm gefiel? Doch dies hier war echt, dessen war er sich mittlerweile sicher und Derek genoss jedes Seufzen, Keuchen und sich Winden des Jüngeren! Er langte in die Nachttischschublade. Erstaunt und auch ein wenig nervös registrierte Stiles, das Derek sich einen Latexhandschuh überzog. Es erinnerte ihn an einen seiner Kunden, der es liebte, schräge Doktorspielchen mit ihm zu spielen. Stiles hasste das: „Was hast du vor?“ fragte er also plötzlich etwas verunsichert. „Wir müssen dich doch ein wenig vorbereiten!“ erwiderte Derek und ein liebevolles Lächeln umspielte sein Lippen. Zwar hatte Stiles keine Ahnung, wovon Derek sprechen mochte, aber es konnte nichts Böses sein, so wie er ihn anschaute. Derek hatte Gleitgel auf seine behandschuhte Hand gegeben und mit geübten Fingern massierte er nun sanft den Damm und den Muskelring des Jüngeren, bis beide sich ganz weich und nachgiebig anfühlten. Dann erst fuhr er zunächst mit einem und dann mit zwei Fingern in ihn, um ihn ein wenig zu dehnen. Diese Mühe hatte sich noch nie einer gemacht und auch wenn es sich gut anfühlte, war Stiles sich nicht sicher, ob so ein Aufwand notwendig, oder nicht doch eher Zeitverschwendung war. Er fand auch, er sei doch nun lange schon genug ein braver Junge gewesen und er wollte jetzt bitte, bitte endlich seine Belohnung bekommen. Also warf er einen fragenden Blick über seine Schulter und zu seiner Erleichterung nickte Derek leicht, zog seine Finger aus ihm zurück, wurde den Handschuh los und streifte sich ein Kondom über. Er zog den Kopf des Jüngeren zu sich herum, damit er ihn küssen konnte, während er sich vorsichtig in ihn schob. Dann hielt Derek kurz in ihm inne, bis er wirklich sicher sein konnte, dass Stiles für ihn bereit war, ehe er damit begann, sich in ihm zu bewegen. Stiles war jedoch mittlerweile bereits so übererregt, dass es nun nur noch bloß weniger Stöße bedurfte, ehe heftig kam. Als Derek es gewahr wurde, wollte er wissen: „War´s das schon? Soll ich lieber aufhören?“ Blitzschnell langte Stiles nach hinten nach Dereks Hüften, um ihn in sich festzuhalten und drohte: „Untersteh´ dich! Wenn du jetzt aufhörst, dann spreche ich nie wieder ein Wort mit dir!“ Derek kicherte ein wenig und hielt still, bis die Kontraktionen von Stiles Beckenbodenmuskulatur ein wenig nachließen, ehe er sich wieder in ihm zu bewegen begann. Stiles begriff nun auch langsam, wofür die Vorbereitung gut gewesen war. Für gewöhnlich war es so, wenn er sich ficken ließ, dass es ein wenig brannte, zog und sich nach einer Weile so anfühlte, als würde da etwas stecken, wo es absolut nichts zu suchen hatte und letztlich war er dann froh, wenn er es hinter sich hatte, doch so war es heute ganz und gar nicht. Im Gegenteil! Stiles konnte nicht genug von diesem Gefühl bekommen und betete zu jener Gottheit, die sich für diese Dinge zuständig fühlte, dass Derek möglichst noch eine Ewigkeit durchhalten möge. Seltsamerweise veränderte Derek ein paar Mal leicht ihre Position und schien irgendwie nicht ganz zufrieden zu sein, auch wenn Stiles nicht wirklich verstand wieso nichtxxdxddddddxcxx, denn es fühlte sich doch wunderbar an? Und dann verstand er es plötzlich doch, denn nun streifte Derek mit jedem Stoß einen Punkt in ihm, der ihn beinahe Sterne sehen ließ! Er ahnte, dass es sich um seine Prostata handeln musste und er hatte gerüchteweise gehört, dass es besonders gut sein sollte, wenn dieser Punkt mit einbezogen wurde, doch er hatte es immer für einen Mythos gehalten, denn schließlich hatte er bereits eine Menge Sex gehabt und niemals etwas davon gespürt. Bis jetzt! Und weil es sich so unglaublich gut anfühlte, begann Stiles nun, Derek bei jedem Stoß entgegen zu kommen und es dauerte nun nicht lange, bis er seinen zweiten Orgasmus hatte, diesmal noch heftiger, als beim ersten Mal und in mehreren Schüben und anschließend sackte er erschöpft ein wenig in sich zusammen: „Willst du diesmal, dass ich aufhöre?“ wollte Derek von dem Jüngeren wissen, der nun ein wenig zitterte. Wieder winkte Stiles ab: „NEIN! Nein... weitermachen! Bitte!“ verlangte er atemlos: „Aber können wir die Stellung wechseln. Ich kann mich einfach nicht mehr aufrecht halten. Außerdem möchte ich dein Gesicht währenddessen sehen.“ Derek wartete wieder einen kleinen Moment, um den Orgasmus abebben zu lassen und zog sich dann aus Stiles zurück. Dieser legte sich auf den Rücken, legte eines seiner Beine über Dereks Schulter und schlang ihm das andere um die Hüfte. Kaum war Derek wieder in dem Jüngeren, beugte er sich erst einmal zu einem Kuss zu herunter und versicherte: „Es ist schön mit dir, Stiles!“ ehe er wieder damit begann, sein Becken zu bewegen. Natürlich hätte Stiles das Kompliment zurückgeben können, doch zu sagen `Es ist schön!´ erschien ihm viel zu schwach. Er lächelte stattdessen und schlang die Arme um Dereks Taille. Die Ermüdung ließ ihn sich weich und nachgiebig fühlen, so als habe er gar keine Knochen mehr. Er überließ sich nun ganz und gar Derek, der zunächst noch sanft in ihn stieß, dessen Bewegungen jedoch immer härter wurden, je näher er seinem eigenen Orgasmus kam und als er seinen Höhepunkt schließlich erreichte, kam auch Stiles noch einmal, weniger intensiv zwar, als die beiden Male zuvor, aber dafür konnten sie es dieses Mal gemeinsam erleben. Derek ließ ich neben Stiles fallen. Auf den Lippen hatte er ein zufriedenes Grinsen und sein Körper glänzte vom Schweiß. Stiles fand ihn in diesem Moment einfach atemberaubend schön. „Du bist der Wahnsinn!“ rief der Ältere atemlos aus. Stiles hatte keine Ahnung, wovon Derek sprechen mochte, denn schließlich hatte er gar nichts getan: „Das eben war...“ begann er, doch er hatte keine Ahnung, wie der Satz weitergehen sollte, weil die Sprache einfach keine würdigen Worte hatte, um das zu beschreiben, was er gerade erlebt und empfunden hatte und so warf er sich einfach an Dereks Brust und schlang die Arme um ihn: „Hey, Kleiner!“ fragte Derek besorgt: „Ist alles in Ordnung mit dir?“ Stiles nickte bloß. Es war so verdammt peinlich, denn ohne es zu wollen, oder selbst zu begreifen hatte er ein wenig zu heulen begonnen. „Hab´ ich dir etwa weh getan. Oder schlimme Erinnerungen geweckt, oder so?“ Derek klang nun wirklich bestürzt, also versicherte Stiles schnell: „Nein, Derek! Nichts dergleichen! Es war.... es war ganz einfach bloß... es war VOLLKOMMEN!“ Gott, konnte diese Situation noch peinlicher werden? Wieso schwärmte er Derek denn jetzt etwas vor, wie eine dumme, kleine Jungfrau? Er war ja so ein Idiot! Derek würde ihn mit Sicherheit gleich schallend auslachen und er hätte es auch vollkommen verdient! Nur tat Derek nichts dergleichen, sondern bestätigte stattdessen: „Ja, das war es, Stiles! Es war vollkommen. Ich bin dir so dankbar! Dein Vertrauen und deine Hingabe zu spüren war so schön und es hat mich unheimlich angemacht.“ Er küsste Stiles auf den Scheitel und schloss ihn fest in die Arme. Und Stiles spürte etwas, was er schon seit langer Zeit nicht mehr gefühlt hatte: Er fühlte sich sicher! Natürlich war das nur ein temporärer Zustand und sicher hatte es auch bloß damit zu tun, dass sein Körper gerade mit Glückshormonen geflutet war, aber dennoch genoss Stiles diese kurze Auszeit, und schlief, gehalten von starken Armen ganz einfach ein. Kapitel 9: Danach ----------------- Derek erwachte am folgenden Morgen ein wenig früher als Stiles und betrachtete den jungen Mann, welcher immer noch nackt in seinen Armen schlief mit gemischten Gefühlen. Das was vergangene Nacht zwischen ihnen geschehen war, war eigenartig, unerwartet und irgendwie auch erfreulich gewesen, aber Derek war sich nicht darüber im Klaren, was es nun für sie bedeutete? Immerhin waren sie beide ziemlich betrunken gewesen. Machte ihn das Geschehene nun etwa zu einem von Stiles Freiern? Bei dem Gedanken wurde ihm ganz schlecht! Der Junge öffnete die Augen und Derek wartete mit ein wenig Herzklopfen auf seine Reaktion: „Hey!“ murmelte dieser verschlafen, beugte ich zu Derek hinüber und es sah aus, als wolle er ihn küssen, doch im letzten Moment hielt er inne und fragte unsicher: „Ist es okay?“ Derek nickte und kam Stiles mit seinen Lippen sogar ein Stückchen entgegen. Ihr Kuss war schüchtern und verlegen, nur Lippen, die Lippen streiften; keine Leidenschaft, keine Zungen, nichts von dem, was es vergangene Nacht noch zwischen ihnen gegeben hatte! „Willst du vielleicht Frühstück?“ erkundigte sich Derek eilig. Stiles nickte dankbar: „Letzte Nacht war irgendwie... nun, ja...!“ stammelte er ein klein wenig errötend: „Also... uhm... ich habe jedenfalls Hunger, wie ein Wolf!“ Derek lachte verlegen und bekannte: „Ja, ich auch! Was hältst du von English Breakfast? Bohnen, Eier, Schinken, Butter und Toast?“ „Klingt nach einer Menge Cholesterin. Ich will es!“ stimmte Stiles mit einem schüchternen Grinsen zu. Derek zog sich also einen Bademantel über, machte sich auf den Weg in seine Küche, um ihre Bestellung aufzugeben, kehrte dann ins Schlafzimmer zurück, hockte sich auf das Bett und blickte Stiles an, als ob er etwas zu sagen hätte: „Was?“ fragte der Jüngere verunsichert. Derek hatte das Gefühl, sie beide müssten nun unbedingt reden, doch auf der anderen Seite hatte er keine Ahnung, wie er anfangen, was er sagen oder fragen könnte, also schüttelte er lediglich ratlos den Kopf. Stiles schien es ähnlich zu gehen, denn er blickten ihn ebenfalls hilflos an und die Atmosphäre zwischen ihnen wurde seltsam und irgendwie ungemütlich. Irgendwann wollte der Junge wissen: „Willst du vielleicht lieber, dass ich jetzt verschwinde, Derek?“ Nein, das wollte Derek nun wirklich nicht! Er wollte das Stiles blieb und dass es wieder ganz normal und unkompliziert zwischen ihnen wäre: „Aber das Frühstück!“ erwiderte er darum schüchtern: „Bleib´ noch zum Frühstück, ja Stiles?“ Stiles lächelte ein wenig gequält, nickte dann, sie zogen sich etwas über und gingen hinüber ins Esszimmer, wo bereits für sie gedeckt war. Obwohl er so großen Hunger gehabt hatte und das Essen wieder einmal großartig war, bekam Stiles nicht viel hinunter. Anschließend hätte er gern noch gefragt, wann er und Derek sich wiedersehen würden, doch er traute sich nicht. Er traute sich nicht einmal zu fragen, ob er duschen dürfte und so schlüpfte er so wie er war ein weiteres Mal in den teuren Anzug, der sich nun noch merkwürdiger und fremder anfühlte, als am Abend zuvor und wollte sich dann einfach zum Gehen wenden. „Warte!“ rief Derek, schaute ihn unbehaglich an und fügte schüchtern hinzu: „Du bekommst doch noch etwas von mir!“ Stiles wusste, dass Derek von dem versprochenen Geld für den Besuch bei diesem Deucalion und möglicherweise auch von weiteren tausend Dollar für das Schlafen in Dereks Bett sprach, doch nach dem, was zwischen ihnen beiden vergangene Nacht geschehen war, wäre Stiles nicht in der Lage gewesen, seine Hand zu öffnen und die Scheine entgegenzunehmen und so schüttelte er heftig den Kopf und erwiderte: „Nein, Derek, bitte nicht!“ Er hatte sich noch nie so sehr wie eine Nutte gefühlt, wie in diesem Moment! Erstaunlicherweise kam von Derek kein Protest. Dieser wollte lediglich wissen: „Und wie kommst du nachhause?“ „Ich kann laufen!“ erklärte Stiles, denn aus irgendeine Grund wollte er plötzlich einfach nur weg von hier. „Den ganzen Weg von Beverly Hills? Da bist du doch stundenlang unterwegs! Kommt nicht in Frage! Ich fahre dich!“ erwiderte der Ältere entschlossen, doch Stiles behauptete rasch: „Es macht mir nichts aus! Ich bin gut zu Fuß!“ Derek wirkte unglücklich: „Wenn du nicht mit mir fahren willst, dann werde ich dir jetzt ein Taxi rufen. Keine Widerrede!“ erklärte er fest. Und ohne eine Antwort abzuwarten hatte er auch schon sein Telefon gezückt und die Nummer gewählt. Derek begleitete Stiles noch nach draußen und trug für ihn den Käfig mit dem Kaninchen darin, damit dieser ihn mit nachhause nehmen konnte. Er drückte dem verdutzten Taxifahrer, einem kleinen, dunkelhäutigen Mann mit Turban, zweihundert Mäuse in die Hand und forderte: „Bitte bringen sie den jungen Mann wohin er möchte!“ Dann hätte Derek eigentlich gehen können, doch er blieb einen Moment vor Stiles stehen, legte ihm warm und zärtlich eine Hand an die Wange, sah aus, als wolle er nun endlich etwas sagen, schwieg jedoch weiterhin, drückte Stiles einen kleinen Kuss auf die Stirn und sein einziges Wort an ihn war ein: „Lebe wohl!“ Nicht `Auf Wiedersehen´, dass hatte Stiles sehr wohl realisiert und er spürte das böse, kleine, altvertraute Brennen hinter seinen Augäpfeln. Das war es dann ja wohl gewesen, richtig? Stiles sprang rasch ins Taxi, gab dem Fahrer seine neue Adresse, doch erst als der Wagen das prächtige Anwesen verlassen hatte, gab er sich selbst die Erlaubnis loszulassen. Er gab keinen Laut von sich, aber sein ganzer Körper bebte, sein Gesicht war schnell nass von seinen Tränen und er wischte sie mit dem Ärmel seines sauteuren Anzugs fort. Bis er Zuhause ankam, hatte er sich wieder einigermaßen im Griff und begegnete in ihrem Wohnzimmer einem schuldbewusst dreinblickenden Scott: „Hey Bro!“ murmelte dieser unbehaglich: „Ich hab´ da was gemacht.“ Scott holte einen Karton mit einer Spielekonsole hervor: „Ich hab´ das hier von deinem Geld gekauft, aber ich schwöre, ich zahle dir jeden Cent zurück! Ich werd´ heute noch arbeiten gehen! Verzeihst du mir?“ „Du bist ein Spinner, Scotty!“ schimpfte Stiles liebevoll: „Es gibt nichts zu verzeihen und du wirst nicht arbeiten gehen, solange das Geld noch reicht. Ich habe dir doch gesagt, was Mein ist, ist auch Dein! Es war total okay, dass du das Ding gekauft hast! Ich freue mich sogar richtig! So etwas hatte ich schon ewig nicht mehr.“ Scott blickte seinen besten Freund einen Moment lang prüfend an und als er sicher war, dass dieser es ernst meinte, erwiderte er: „Cool! Wollen wir das Ding dann gleich einweihen?“ Stiles schüttelte den Kopf: „Müde!“ behauptete er: „Aber üb´ schon mal ein bisschen, damit du später gegen mich eine Chance hast! Ich bin nämlich der ungeschlagene Meister musst du wissen!“ Damit zog er sich in sein Zimmer zurück. Stiles nahm die kleine Harvey aus ihrem Käfig, legte sich mit ihr auf´s Bett, platzierte das Tierchen auf seiner Brust und kraulte ihr das seidige Fell. Ohne dass Stiles es wirklich wollte, blitzten immer wieder Erinnerungen an die vergangen Nacht in seinem Bewusstsein auf, um ihn zu foltern. Es war so unwahrscheinlich schön gewesen! Es war klar, dass es danach vorbei sein musste, denn so war sein Leben nun einmal: Er verlor! Und nun hatte er den Himmel gesehen. Das konnte ja gar nicht gut gehen! Stiles weinte wieder ein wenig und sein kleines Häschen tröstete ihn, indem es damit begann, ihm eifrig das Gesicht zu putzen. „Ich hab´ dich auch lieb, meine Kleine!“ murmelte der Junge in den weißen Pelz. Nach einer Weile setzte er Harvey wieder in ihren Stall, versorgte sie mit frischem Wasser, Trockenfutter, Heu und Gemüse und beschloss dann, rasch duschen zu gehen. Er musste diesen Geruch loswerden; den Geruch von fremdem Schweiß und seinem eigenen Saft, der ihn daran erinnerte, was gestern geschehen war. In T-Shirt und Jogginghose legte er sich dann wieder ins Bett und schlief ein. Am frühen Nachmittag erwachte er davon, dass Scott sich zu ihm gelegt hatte, ihm nun die Nase küsste und wissen wollte: „Was ist eigentlich los mit dir, Kumpel? Hast du dich mit Hollywood gestritten, oder wie? Sollten wir nun besser unsere Sachen packen und von hier verschwinden? Werden sonst ein paar Typen kommen und uns die Kniescheiben brechen? Sag´ es lieber gleich!“ Stiles seufzte. Dann schüttelte er den Kopf: „Nein, nichts dergleichen.“ erwiderte er: „Aber ich glaube, ich habe einen schlimmen Fehler gemacht!“ Scott schaute seinen Freund prüfend an: „Was kannst du bei einem Abendessen denn so Schlimmes ausgefressen haben? Hast du die falsche Gabel benutzt, oder wie?“ „Ach Blödsinn!“ brummte Stiles: „Es ging vielmehr um das, was hinterher passiert ist!“ „Ihr habt gefickt!“ stellte Scott schlicht fest: „Na und? So etwas tun du und ich doch dauernd! War´s nicht gut? Hast du deinen Orgasmus vorgetäuscht, oder was?“ Er blickte den Freund prüfend an: „Du hast dich doch nicht etwa dazu überreden lassen, das Gummi wegzulassen, oder? Dann müssen wir schnell zum Doc und du musst eine PEP-Behandlung durchziehen. Scheiße Mann! Was habe ich dir denn gesagt? Niemals bareback! Egal wie heiß sie aussehen und wie sehr sie behaupten, sie hätten ES nicht!“ „Jetzt halt doch mal die Klappe, Scott!“ murrte Stiles: „Wir haben ein Kondom benutzt! Und der Sex war... „ Stiles Augen füllten sich wieder mit Tränen. „Shit!“ erwiderte Scott und seine Augen wurden groß und rund: „Also hast du dich verliebt, richtig?“ Stiles zog sich die Decke über den Kopf: „Gar nicht!“ behauptete er. „Verdammt!“ murmelte Scott leise vor sich hin: „Verliebt? Das ist ja noch schlimmer als vögeln ohne Gummi! Dagegen gibt es keine Pillen. Was hast du dir denn bloß dabei gedacht?“ Unter seiner Bettdecke konnte Scott Stiles schluchzen hören. Er entzog dem Freund seinen Sichtschutz, schlang die Arme um ihn, begann sanft, sein Gesicht mit kleinen Küssen zu bedecken und versicherte: „Das wird schon wieder! Das kriegen wir wieder hin!“ Derek stand unter der Dusche, dachte an die vergangene Nacht zurück und Hitze überlief seinen Körper. Er schloss die Augen und begann damit, es sich selbst zu machen, wobei sich ein eigenartiger Gefühlscocktail aus Lust und Schuld in seiner Brust breitmachte. Er empfand eine Art Beklommenheit, welche ihn den ganzen Vormittag nicht verlassen wollte. So war es auch noch, als ihm später in der Firma Deucalion über den Weg lief. Der war wirklich der letzte, den er jetzt sehen wollte! Derek war immer noch ärgerlich darüber, wie sein alter Freund gestern mit Stiles umgegangen war, doch Deuc schien davon nichts zu spüren. Er folgte Derek unbeirrt in sein Büro und hockte sich auf dessen Schreibtischkante, wie er es so gerne tat: „Was?“ fragte Derek ärgerlich, als er merkte, dass es nichts brachte, furchtbar beschäftigt zu tun und weil er spürte, wie er von einem Blick seines väterlichen Freundes und Geschäftspartners förmlich durchbohrt wurde, obwohl er selbst den Augenkontakt mied. „Das war nun also dein kleiner Freund, Der? Und wie ernst ist diese Sache mit euch beiden nun?“ wollte Deucalion wissen: „WAS HAST DU DIR EIGENTLICH DABEI GEDACHT, STILES SO ANZUGEHEN?“ polterte Derek los: „HÄTTE ICH GEAHNT, DASS DU SOETWAS VORHAST, HÄTTE ICH IHN DIR NIEMALS VORGESTELLT! DU WARST ECHT UNMÖGLICH, MANN!“ Deucalion zuckte nicht einmal mit der Wimper, als er auf diese Weise angebrüllt wurde. Betont ruhig, als wolle er ein trotziges Kind beruhigen erwiderte er: „Ich habe deiner Mutter vor ihrem viel zu frühen Tod etwas versprochen: Ich habe ihr gesagt, ich würde auf dich aufpassen und genau das werde ich auch tun! Irgendetwas an diesem Jungen ist faul, Derek! Männer in unserer Position müssen sehr vorsichtig sein, mit wem sie sich zwischen den Laken wälzen. Er mag ein hübscher, cleverer Junge sein, aber ich traue ihm nicht und werde bestimmt nicht dabei zusehen, wie er dich zugrunde richtet, weil du gutmütig und viel zu vertrauensvoll bist!“ „Du wirst dich dich da raus halten, Deuc! Und jetzt verschwinde aus meinem Büro!“ brachte Derek durch zusammengebissene Zähne knurrend hervor. Erstaunlicherweise tat der Ältere nun auch genau das, ohne weitere Gegenrede, was sehr untypisch war, doch Derek konnte ja nicht wissen, dass Deucalion hatte längst einen Plan gefasst hatte, wie er dieser Sache auf den Grund gehen würde. `Sich zwischen den Laken wälzen´ echote es in Dereks Kopf, als er wieder allein in seinem Büro war. Sein alter Freund konnte ja nicht wissen, dass Derek und Stiles dies vor der vergangenen Nacht noch gar nicht getan hatten. Durch Deucs Worte nun daran erinnert, schlug Dereks Herz schlagartig höher. Die Bilder der vergangenen Nacht erzeugten ein Ziehen tief unten in seinem Becken und ein Zucken in seiner Hose und auf der anderen Seite war da wiederum dieses Unbehagen. Derek befragte sich selbst streng, ob es wirklich die gemeinsame Liebesnacht war, die diese körperlichen Reaktionen hervorrief, oder vielmehr der Reiz des Verbotenen und die Unmöglichkeit der Situation zwischen ihm, dem reichen Geschäftsmann und einem Straßenjungen wie Stiles. Der heutige Morgen kam Derek wieder in den Sinn. Sie hatten beide nicht über die vergangene Nacht sprechen können und im Grunde wusste er gar nicht, woran er bei Stiles war? Vielleicht bereute der die ganze Sache ja schon längst? Verdammt! Wieso hatten sie die ganze Angelegenheit nicht einfach professionell gehandhabt. Immerhin brauchte Derek Stiles noch immer, damit er des nachts seinen Schlaf fand! Und wenn er nach der langen Zeit einfach bloß mal wieder Lust auf Sex gehabt hatte, warum hatte er dann nicht eines des unzähligen Angebote angenommen, die ein Mann wie er erhielt, ohne dass es dadurch zu irgendwelchen Komplikationen kommen musste! Aber war es wirklich bloß irgendein Fick gewesen? Eigentlich hatte es sich nach so viel mehr angefühlt, während sie es getan hatten. Derek hatte von Stiles einen Sprung des Vertrauens verlangt und der Junge war ganz einfach gesprungen! Keine Masken, keine Tricks, einfach nur Hingabe und Vertrauen! Im Grunde war Stiles wirklich sehr mutig gewesen, oder nicht? Doch als Derek heute, nüchtern und im Licht des Tages auf die Situation zurückblickte, war er sich all dessen nicht mehr ganz so sicher. Vielleicht war Stiles in seinem Job ja besser, als er angenommen hatte und hatte ihm eben doch bloß etwas vorgespielt? Derek erledigte noch einige Dinge, die im Büro liegengeblieben waren, leitete zwei Meetings, vertagte das dritte, weil er in diesem ein weiteres Mal hätte Deucalion gegenübertreten müssen, worauf er absolut keine Lust hatte und weil er sich überdies sowieso schon längst nicht mehr auf seine Arbeit konzentrieren konnte. Er machte also ganz einfach einen frühen Feierabend und fuhr nachhause. Heute war mal wieder der Tag, um seine Kellerbewohner zu füttern, also ging Derek in den Garten, um drei Kaninchen hierfür auszuwählen. Und unweigerlich musste er dabei an Stiles denken und wie bezaubernd dieser aussah, wenn er so ein kleines Langohr ausgiebig mit seinen Zärtlichkeiten überhäufte. Derek schluckte ein wenig und hielt krampfhaft Ausschau nach irgendwelchen alten, gebrechlichen und vor allem unansehnlichen Häschen. Leider gehörte aber hinreißend zu sein quasi zur Berufsbeschreibung dieser blöden, süßen Pelztierchen! Es war wirklich zum verzweifeln und schließlich grapschte Derek sich einfach die drei erstbesten Kaninchen, um sie seinen Schlangen zum Fraß vorzuwerfen, ohne großartig darüber nachzudenken. Für gewöhnlich schaute er seinen Haustieren ohne große Gefühlsregung, sondern eher mit einer Art kalter Faszination beim Fressen zu, doch aus irgendeinem Grund konnte er das heute nicht. Beinahe angewidert wandte er sich ab, überließ die hungrigen Schlangen sich selbst und ihrer Mahlzeit und verließ den Keller fluchtartig. Scott hatt Stiles dazu überreden können, mit ihm die Spielekonsole einzuweihen. Sie saßen auf dem Teppich vor dem riesigen, supermodernen, hochauflösenden Bildschirm und daddelten, doch es sollte sich schnell zeigen, dass Stiles nicht mit dem Herzen dabei war: „Denkst du etwa immer noch an Hollywood?“ fragte Scott genervt, als sein bester Freund es nun zum dritten Mal zugelassen hatte, das er seinen Akteur tötete: „Du musst endlich damit aufhören, denn der Mistkerl denkt mit Sicherheit auch nicht an dich! Wahrscheinlich hat er schon längst den nächsten Typen im Bett. Du brauchst ihn nicht! Du hast doch mich!“ „Das mit uns ist doch etwas vollkommen anderes!“ murrte Stiles gequält: „Und die letzte Nacht war einfach...“ er ließ sich nach hinten auf den Boden sinken: „Es war der beste Sex meines ganzen Lebens, verstehst du? Er hat sich Zeit gelassen, er hat mich angeschaut, als würde er wirklich mich meinen, er war lieb, er hat mich gestreichelt...! Es hat zum ersten Mal kein Stück weh getan. Aber nicht nur das: Verdammt, der Kerl weiß wirklich, was er tut!“ „Heiraten wird er dich trotzdem nicht! Für diese reichen Typen sind Jungs wie du und ich doch bloß Spielzeuge, die sie wegwerfen, wenn sie ihnen keinen Spaß mehr machen!“ giftete Scott. Stiles blickte ihn prüfend an: „Was hast du eigentlich gegen Derek? Immerhin zahlt er für dieses geile Apartment, für diese Spielekonsole, für unser Essen und so ziemlich alles, was wir momentan besitzen. Wir riskieren dank ihm da draußen nicht mehr unser Leben und unsere Gesundheit, haben es warm und gemütlich. Kurz gesagt geht es uns besser, als seit einer Ewigkeit. Denkst du, ich bin so dumm zu denken, dass Derek eine echte Beziehung mit mir haben will? Und wer sagt denn überhaupt, dass ICH das will? Ich will einfach bloß, dass es so weitergeht wie bisher; dass du und ich Geld, Sicherheit und ein Zuhause haben. Scheiße, ich will einfach bloß, dass er anruft und dass es jetzt noch nicht vorbei ist!!“ Scott sah aus, wie ein trauriger, kleiner Junge, als er murmelte: „Ich würde auf all´ das hier verzichten, wenn du dadurch leiden musst, weißt du? Ich sehe doch, wie traurig er dich macht!“ „Bin ich nicht! Ehrlich!“ beteuerte Stiles: „Mir geht’s spitze!“ In diesem Moment klingelte das Telefon. Kapitel 10: Profis ------------------ „Bist du es, Stiles?“ Dereks Stimme am anderen Ende der Leitung klang angespannt. „Hey! Ja ich bin es!“ versicherte Stiles. Dann herrschte erst einmal wieder Sprachlosigkeit zwischen ihnen. Schließlich rang sich Derek dazu durch zu sagen, weswegen er angerufen hatte: „Hast du Zeit, Stiles? Kann ich dich abholen, damit wir sprechen können?“ „Ja, sicher.“ antwortete der Jüngere ein wenig nervös, denn Dereks Tonfall verriet nicht, in welche Richtung dieses Gespräch gehen würde. Er würde es wohl einfach abwarten müssen. Sie machten aus, dass Derek in einer halben Stunde bei ihm sein würde und legten dann einfach auf. „Na großartig!“ ätzte Scott: „Dein blöder Milliardär pfeift und du kommst angelaufen, wie ein braves Hündchen. Also, ich hätte ihn wenigstens einen Tag zappeln lassen!“ „Sei nicht so!“ forderte Stiles gequält: „Doch! Einer muss schließlich auf dich aufpassen!“ behauptete Scott und begann damit, seinen besten Freund niederzuringen. Als ihm dies gelungen war, hielt er dessen Handgelenke fest, legte sich auf ihn und erklärte: „Vielleicht lasse ich dich ja gar nicht gehen. Dann kann Hollywood sich vor unserer Tür die Beine in den Bauch stehen!“ „Du musst nicht eifersüchtig sein!“ versicherte Stiles aufrichtig und küsste Scott sanft: „Wer ist hier eifersüchtig?“ entrüstete sich der Angesprochene, wurde ein wenig blass um die Nase und war mit einem Satz wieder von Stiles heruntergestiegen. Dieser jedoch rückte von hinten an den Freund heran, so dass Scott zwischen seinen Beinen saß, legte die Arme um ihn und begann, dessen Nacken zu küssen: „Ich liebe dich Scotty, weißt du? Du bist mein Bruder!“ erklärte Stiles feierlich: „Ich bin aber nicht eifersüchtig!“ versicherte Scott noch einmal trotzig: „Kein Stück!“ „Sicher doch!“ erwiderte Stiles, drückte seinen Freund noch einmal fest an sich, ehe er sich erhob, um sich etwas zum Anziehen aus dem Schrank zu holen. In Jeans und T-Shirt allein würde er sich nach allem was war zu nackt vor Derek fühlen, spürte er. Am Liebsten hätte er einen dicken Pulli übergezogen, der ihn schützen würde wie eine mittelalterliche Rüstung, doch dafür war es heute beim besten Willen zu warm und so entschied Stiles sich für einen Kompromiss; ein kariertes Flanellhemd, welches er offen über dem T-Shirt trug. Damit fühlte er sich einigermaßen gewappnet für was immer jetzt kommen mochte. Als es an der Tür klingelte, machte Stiles Herz einen kleinen Hüpfer. Er rannte los, um zu öffnen und ließ einen Augen rollenden Scott hinter sich. Derek wollte nicht hinaufkommen, also kam Stiles zu ihm hinunter und schlüpfte neben ihn ins Auto. „Hi!“ sagte er schüchtern „Hi!“ antwortete Derek beklommen: „Gehst du mit mir einen Kaffee trinken, damit wir reden können.“ Stiles stimmte zu und wie sich zeigen sollte, meinte Derek mit `wir reden´ dass er selbst sprach, während Stiles lediglich die Rolle des Zuhörers zukam. Jeder von ihnen hatte eine dampfende Schale Milchkaffee vor sich stehen und Stiles blickte an Derek vorbei aus dem großen Kaffeehausfensters auf die Straße, während er entsetzt auf das lauschte, was dieser ihm zu sagen hatte: „Versteh´ mich nicht falsch, Stiles; die letzte Nacht war toll, wirklich, aber vielleicht sollten wir das Ganze zwischen uns lieber professionell halten, denkst du nicht?“ leitete Derek seine kleine Rede ein: „Ich habe mir das alles schon ganz genau überlegt: Ich werde dir ein Festgehalt zahlen, damit du etwas hast, mit dem du regelmäßig rechnen und deine Zukunft planen kannst. Du wärst dann mein Angestellter, so wie mein Gärtner, mein Butler und all´ die Anderen! Du bekommst einen Vertrag, hast eine Kündigungsfrist und alles. Und keine Angst; deswegen musst du mir natürlich nicht ständig zur Verfügung stehen, oder so. Wir werden vereinbaren, wie viele Nächte im Monat du frei hast und so weiter. Du wirst sehen, ich bin ein fairer Arbeitgeber. Du wärst dann sogar krankenversichert. Wie klingt das?“ Es war deutlich zu hören, wie begeistert Derek von seiner eigenen Idee war. Stiles brauchte ein wenig, um darauf zu antworten, denn ihm war das Blut in den Adern gefroren und er hatte dieses weiße Rauschen in seinem Kopf. Mühsam wandte er seinen Blick wieder Derek zu: „Wie das klingt?“ fragte er tonlos: „Es klingt, als hättest du das alles sehr gut durchdacht!“ Derek war ein wenig irritiert wegen Stiles verhaltener Reaktion. Er hatte ihm hier doch soeben ein sehr faires Angebot gemacht, oder etwa nicht? „Die Konditionen sind alle noch verhandelbar!“ versicherte er daher schnell: „Wenn dir irgendetwas nicht passt, dann ändern wir den Vertrag, bis du damit einverstanden bist. Ehrlich, das ist gar kein Problem!“ Stiles schüttelte langsam den Kopf: „Nicht nötig, Boss! Du hast dir bestimmt ganz tolle Vertragsbedingungen überlegt. Wo muss ich unterschreiben.“ Derek war klar, dass hier etwas nicht stimmte, doch ihm war rätselhaft, was das sein mochte. Schließlich schlug er vor: „Also gut! Dann lass uns kurz in mein Büro fahren, und den Vertrag aufsetzen.“ Stiles folgte ihm ohne großen Protest und während Derek an seinem Computer das Schriftstück entwarf, flegelte der Junge sich mit vor der Brust verschränkten Armen in ein weiches, großes, teures Ledersofa, welches eine Ecke von Dereks Büro einnahm. Nachdem Derek eine Dreiviertelstunde lang schweigend an dem Vertragswerk herum gefeilt hatte, schien er endlich zufrieden damit und druckte ein Exemplar, um es Stiles zur Ansicht hinüberzureichen. Dieser erhob sich, nahm die drei Blätter an sich und schickte sich an, diese sogleich zu unterschreiben. „Moment!“ rief Derek aus und hielt die Hand des Jungen mit dem Kugelschreiber in den Fingern fest: „Du musst es doch erst lesen und mir sagen, was wir vielleicht noch ändern müssen!“ „Nö, kein Interesse!“ entgegnete Stiles trotzig und machte einen weiteren Versuch, blind zu unterschreiben, woraufhin Derek ihm die Seiten entzog: „So geht das aber nicht!“ erklärte er fest: „Wenn du es nicht lesen willst, dann werde ich es dir eben vorlesen!“ Und so begann Derek damit, Stiles seinen `Arbeitsvertrag´ zu erläutern: Krankenversicherung, freies Wohnrecht für ihn und Scott in dem Apartment, welches sie nun bewohnten, Arbeitszeiten, Kündigungsfristen, Vergütung, Aufgaben, Vertragsende, ein Dienstwagen, der auch für private Zwecke nutzbar wäre und so weiter. „Du willst mir also ein Auto geben?“ fragte Stiles mürrisch: „Wieso?“ „Na ja, damit du mich besuchen kannst. Und außerdem braucht ein junger Mann doch einen fahrbaren Untersatz, oder nicht?“ erwiderte Derek, der immer noch nicht verstand, warum Stiles eigentlich so übellaunig wirkte. Vielleicht war er ja mit den Vertragsklauseln nicht einverstanden? Oder er hatte sie noch nicht so richtig verstanden? Und so hakte Derek noch einmal nach. „Und mit den Arbeitszeiten bist du einverstanden? Du würdest dann von Sonntag- bis Donnerstagnacht mit mir in einem Bett schlafen, damit ich fit für meine Arbeitstage bin. Das kann entweder bei dir sein, oder bei mir zuhause. Natürlich kannst du auch mal Urlaub nehmen, oder einzelne Nächte freinehmen, wenn du etwas anderes vorhast. Und Freitag- und Samstagnacht hättest du dann regulär frei. Ist das akzeptabel, Stiles?“ Der Junge zuckte mit den Achseln und erwiderte einsilbig: „Ist in Ordnung!“ „Und das Geld? Ich hatte an dreißigtausend monatlich gedacht. Ist das auch okay für dich? Das ist nicht beleidigend, oder?“ erkundigt Derek sich unsicher. Stiles lachte verächtlich und der Ältere sagte schnell: „Sag´ mir eine Zahl! Ich bin auch bereit, dir mehr zu zahlen.“ „Dann will ich eine Fantastilliarde!“ knurrte Stiles sarkastisch: „Mensch Derek! Dir fehlt echt jedes Verhältnis zum Geld, oder? Dreißigtausend? Soviel hat mein Dad als Kleinstadtsheriff nicht mal in einem Jahr verdient! Was soll ich denn bitte mit so viel Geld anfangen?“ „Das ist gar nicht so viel, wenn an sich erst einmal an einen gewissen Lebensstadard gewöhnt hat. Und du fütterst doch auch noch Scott mit durch! Und was ist mit diesen beiden Freundinnen von euch? Du kannst sie dann öfter mal einladen, oder ihnen schöne Geschenke machen, oder so.“ erwiderte Derek kleinlaut: „Außerdem will ich doch, dass du weißt, wie viel mir das bedeutet, was du für mich tust. Aus meiner Sicht ist das nämlich unbezahlbar!“ Er sah so hinreißend aufrichtig und lieb aus, dass Stiles beinahe eingeknickt wäre, doch dann sprach Derek weiter und dieser Impuls ging vorüber: „Im nächsten Abschnitt, sind deine Aufgaben festgehalten, Stiles. Du sollst, wie schon gesagt, die Nächte mit mir verbringen. Überdies gehört es zu deinen Aufgaben, meinen Liebhaber bei gesellschaftlichen Anlässen zu spielen. Bist du damit einverstanden?“ Stiles blickte ihn verächtlich an: „Und wie sieht es mit sexuellen Dienstleistungen aus? Wie ist das geregelt? Ficken einmal wöchentlich und alle zwei Tage ein Blow-Job? Oder machen wir das abhängig vom Bedarf?“ fragte er eisig. Derek errötete: „Aber Stiles! Ich habe dir doch gesagt, ich bezahle nicht für Sex! Und letzte Nacht... das war schön, aber wir waren beide betrunken und ich denke, das sollte sich besser nicht wiederholen!“ „Ach so ist das.“ Stiles Stimme ließ die Zimmertemperatur um ein paar Grad fallen: „Ich bin also bloß dein beischlafloser Beischläfer, richtig?“ „Du bist sauer.“ stellte Derek ungemein einsichtig fest: „Sauer? Ich?“ schnappte Stiles giftig: „Aber nicht doch! Ich bin doch bloß PROFESSIONELL und kläre mit dir die Einzelheiten deines tollen Arbeitsvertrags!“ „Heißt dass etwa, du willst den Job nicht!“ fragte Derek ängstlich und verwirrt: „Ich verstehe dich gerade wirklich nicht.“ Ob Stiles diesen Job wollte? Nein, er wollte ihn überhaupt nicht! Aber zu Derek zu sagen `Schmier´ dir dein Geld in die Haare, krieg´ deine Schlafprobleme selbst in den Griff und ein schönes Leben noch!´war eben auch keine Option, denn Scotty hatte ja so Recht, verdammte Axt; Stiles war verliebt und zwar so richtig! Und wenn dieses schräge Arbeitsverhältnis nun einmal der einzige Weg war bei Derek zu sein, dann würde er es eben tun, auch wenn es ihm sein kleines Herzchen in klitzelkleine Krümel zerbröseln würde! „Dass du es nicht verstehst, ist mehr als deutlich geworden!“ sagte Stiles bitter, riss Derek den Vertrag aus der Hand, schnappte sich einen Kugelschreiber und setzte seinen Namen an die entsprechende Stelle: „Jetzt du!“ forderte der Jüngere und schob Derek den Kontrakt hinüber. Dieser sah aus, als verstünde er die Welt nicht mehr und Stiles war hin und hergerissen zwischen Rührung und dem Impuls, seinem neuen Arbeitgeber einen Baseballschläger über die Rübe zu ziehen! „Und du bist dir wirklich ganz sicher?“ fragte Derek zaghaft. Stiles rollte entnervt mit den Augen: „Ich habe dir doch gerade mit meiner Unterschrift meine Seele verschrieben, oder nicht? Was brauchst du denn noch? Eine Parade mit Blaskapelle? Jetzt unterschreib´ schon!“ Derek blickte ihn noch einen Moment unschlüssig an, ehe er der den Stift ergriff und der Forderung tatsächlich nachkam. Stiles streckte seine Rechte aus und sie besiegelten den Pakt mit einem Handschlag. „Hast du jetzt ein bisschen Zeit? Ich würde mit dir nun gern noch zwei Dinge mit dir erledigen.“ erkundigte sich Derek: „Sicher, ich bin ja jetzt dein!“ gab Stiles achselzuckend zurück. Derek zuckte bei dieser Formulierung ein wenig zusammen, weil diese ihn sich fühlen ließ, als sei er ein Sklavenhalter, doch er sagte nichts dazu. Sie verließen das Bürogebäude wieder und gingen zusammen zu Dereks Wagen. Ihr erster Weg führte sie zu einer Bank, wo für Stiles ein Konto eröffnet wurde, auf welches sein Gehalt überwiesen werden konnte. Danach suchten sie ein Autohaus auf, um für Stiles den vertraglich festgelegten Dienstwagen zu erwerben. Der Verkäufer führte ihnen Dutzende großartiger, neuer Sportwagen vor, was bei Derek vermutlich in den nächsten Minuten einen spontanen Orgasmus auslösen würde, so lüstern, wie er die Autos anstarrte. Stiles hingegen schliefen bei dem Anblick eher vor Langeweile die Füße ein. Der Autohändler fing langsam an, verzweifelt auszusehen und fuhr damit fort, den beiden Männern das Sortiment anzupreisen und nach einer Weile entdeckte Stiles schließlich doch noch etwas, das sein Herz höher schlagen ließ. Auf der anderen Seite eines Zauns, wo nur Gebrauchtwagen herumstanden! Derek kniff fassungslos die Augen zusammen: „Du meinst doch nicht etwa den mintfarbenen Jeep, oder?“ „Doch, genau den!“ bekräftigte Stiles mit einem heftigen Nicken: „Nein den wollen sie nicht!“ behauptete der Verkäufer: „Die Karre ist fast zwanzig Jahre alt! Die hat nur noch Schrottwert. Damit haben sie nur Scherereien. Sie wollen den hier“ Er deutete auf einen fetten SUV in Gold. Mit dieser Übergriffigkeit des Verkäufers war Stiles Entscheidung dann endgültig gefallen: „Ich nehme den Jeep, oder keinen!“ sagte er fest. Derek seufzte und fragte den Autohändler: „Wie viel wollen sie für den?“ Man konnte sehen, dass es dem Verkäufer das Herz brach, weil ihm hier gerade ein Riesengeschäft entging: „Fünfhundert!“ erwiderte und schien den Tränen nah. Stiles hatte kein Mitgefühl mit ihm. Er hätte ihm besser nicht sagen sollen, was er wollte und was gut für ihn wäre, denn davon hatte er für heute schon dank Derek mehr als genug gehabt! Sie marschierten also zu dem betagten Jeep hinüber, Stiles streichelte über die Motorhaube und sagte zärtlich: „Na, altes Mädchen? Ich denke, wir werden gute Freunde, was meinst du?“ „Ich denke, sie wird dich umbringen!“ murrte Derek: „Ist es überhaupt sicher, eine Probefahrt in dem Ding zu machen?“ „Stell´ dich nicht so an, reicher Junge! Ich hatte genau dasselbe Modell in einem anderen Leben schon einmal. Und ich habe diesen Wagen geliebt! Ich werde mir nur irgendwo ein paar Rolle Klebeband besorgen müssen.“ erklärte Stiles begeistert und stieg ein. Dereks Miene spiegelte zu gleichen Teilen Entsetzen und Ratlosigkeit, als er auf den Beifahrersitz erklomm: „Klebeband?“ fragte er. Statt einer Antwort grinste Stiles lediglich, startete den Wagen und dessen Motor startete entgegen allen Erwartungen völlig problemlos. Der Motor schnurrte wie ein zufriedenes Kätzchen, als sie beide eine kleine Probefahrt um den Block machten: „Das ist ist toll! Dieses Auto macht mich wirklich glücklich!“ erklärte Stiles begeistert, als sie wieder an ihrem Ausgangspunkt angekommen waren. Und Derek, der heilfroh war, dass sie nun endlich wenigstens eine Sache gefunden hatten, die Stiles besäftigte, verkniff sich jede weitere Bemerkung darüber, dass diese Schrottkarre keine fünf Cent wert sei und zahlte anstandslos die geforderte Summe. Anschließend fragte er Stiles schüchtern: „Und... uhm... wirst du eigentlich heute bei mir schlafen!“ Dieser blickte ihn überrascht an: „Es ist Montag und ich habe ich doch gerade vertraglich dazu verpflichtet, von Sonntag bis Donnerstag mit dir im selben Bett zu schlafen, oder nicht? Ich will doch an meinem ersten Arbeitstag bei meinem Chef nicht gleich einen schlechten Eindruck machen, indem ich nicht auftauche!“ „Und soll ich dann zu dir nachhause kommen, oder... ?“ fragte Derek verunsichert und irgendwie auch ein kleines bisschen gekränkt. Sicher, er selbst hatte diesen Arbeitsvertrag gewollt, doch nun sprach Stiles von Arbeit und Pflicht und das passte Derek dann auch wieder nicht. „Ich komme später zu dir!“ versprach Stiles: „Aber jetzt werde ich erst mal mit Scott zu Abend essen. Ich denke, er vermisst mich ein wenig, weil ich in letzter Zeit viel mit dir unterwegs gewesen bin. Das ist er nicht gewöhnt.“ Als er erkannte, dass Derek ein wenig schmollte, ließ Stiles sich zu einem kleinen Küsschen auf die Wange seines Arbeitgebers hinreißen: „Um spätestens zehn Uhr bin ich bei dir! Ist das in Ordnung?“ Derek nickte, sie verabschiedeten sich und Stiles machte sich mit seinem neuen Auto auf den Heimweg. Unterwegs hielt er noch kurz an einem Supermarkt, denn er würde heute die Küche in ihrem Apartment offiziell einweihen, indem er für Scott groß kochte. Ihm war klar, wenn er sich nicht von seinem besten Freund weitere Schimpftiraden gegen Derek anhören wollte, dann würde er ihn wohl mit einer guten Mahlzeit bestechen müssen! Scott war wieder mit der Spielekonsole beschäftigt und so in sein Spiel vertieft, dass er zusammenzuckte, als Stiles hereinkam. Dieser begrüßte seinen Freund in bester Ehefrauenmanier und einem Kuss auf den Mund mit den Worten: „Hey Schatz! Wie war dein Tag? Gleich gibt es Essen! Willst du so lange ein Bier?“ Stiles wollte schon in der Küche verschwinden, doch Scott hielt ihn fest, zog ihn auf seinen Schoß und forderte: „Hey, warte doch mal! Was wollte Hollywood von dir? Habt ihr etwa schon wieder gevögelt?“ „Nein, haben wir nicht. Und Derek hat auch ziemlich deutlich gemacht, dass das nicht mehr passieren wird.“ gab Stiles betont gleichgültig zurück. Scott blickte ihn stirnrunzelnd an: „Aha? Und wieso nicht?“ wollte er wissen. Also berichtete Stiles in aller Kürze, alles über sein neues Angestelltenverhältnis und verschwand dann eilig mit den Lebensmitteln in der Küche. Kaum hatte er die braunen Papiertüten ausgepackt, stand Scott auch schon wieder neben ihm und fragte ungläubig: „Der Geldsack hat dich also einen Vertrag unterschreiben lassen?“ „Nenn´ ihn nicht so, Scotty! Hilf mir lieber Kochen!“ forderte Stiles: „Ich wollte uns gebackenes Hühnchen und Spinatsalat machen.“ Er begann den Teig anzurühren, in welchem die Hähnchenteile frittiert werden sollten. Als er es nicht mehr aushielt, wie Scotts Blick ihn durchbohrte, fügte Stiles rasch hinzu: „Es ist okay, Mann! Ehrlich! Besser als okay! Weißt du, wie viel er mir zahlt? Dreißigtausend im Monat. Das bedeutet, du und ich haben ausgesorgt! Selbst wenn er in einem Jahr seine Psyche wieder im Griff haben sollte und auch ohne mich schlafen kann, habe ich bis dahin so viel verdient, dass wir zwei noch ewig davon leben können! Das ist doch cool, oder nicht?“ „Und wie wird es dir dabei gehen?“ fragte Scott ernst: „Mir wird es gut gehen!“ behauptete sein bester Freund: „Ich habe doch dich!“ Er schmiegte sich an Scott heran und forderte: „Mach dir keine Sorgen um mich! Wir beide werden ein wunderbares Leben haben! Das ist alles, woran ich gerade denken will!“ „Kommt nicht in Frage! Ich werde dir doch nicht andauernd auf der Tasche liegen, wie ein Parasit. Also wenn du das Ganze nur für mich getan hast, dann mach es wieder rückgängig!“ forderte Scott und verschränkte die Arme vor der Brust: „Mach deswegen nicht so ein Theater, Scott!“ verlangte Stiles und schlang die Arme um ihn: „Dieses Geld von Derek ist doch praktisch geschenkt! Ich verdiene es, indem ich Zeit mit jemandem verbringe, den ich auch noch gern habe. Und ich verdiene es praktisch im Schlaf! Und damit du siehst, das ich es ernst meine, kommen in den nächsten Tagen zwei Bankkarten mit der Post; eine mit meinem und eine mit deinem Namen darauf, damit du mich nicht wie ein armer Bittsteller jedes Mal fragen musst, wenn du Geld brauchst. Du nimmst es dir einfach!“ „Kann nicht!“ erwiderte Scott unbehaglich: „Ausgeschlossen!“ „Mach mich nicht traurig! Ich will es so! Du hast mich damals gerettet, als ich am Ende war und nicht weiter wusste. Ich stehe in deiner Schuld. Und kannst du mir verraten, was ich allein mit dreißigtausend Dollar im Monat anstellen soll? Biittee, Bro! Lass´ mich nicht betteln!“ gab Stiles zurück und klimperte süß mit den Wimpern. Scott konnte nicht anders, als ein wenig zu kichern: „Also gut! Aber wenn du das irgendwann nicht mehr willst, dann wirst du es sagen, ja? Ich will nicht, dass das blöde Geld irgendwann zwischen uns steht. Immerhin bist du der allerwichtigste Mensch in meinem Leben!“ „Wir es nicht! Versprochen!“ versicherte Stiles: „Und nun lass´ mich kochen, denn ich habe Hunger und ich habe Derek versprochen, dass ich um zehn bei ihm sein werde.“ Als die Uhr zehn am Abend zeigte und von Stiles immer noch keine Spur war, wurde Derek nervös. Was wenn der Junge es sich anders überlegt hatte? Immerhin hatte Stiles sich ja wirklich eigenartig und nicht eben erfreut über sein heutiges Angebot gezeigt? Vielmehr war er sogar regelrecht wütend gewesen, auch wenn Derek immer noch nicht verstand, wieso eigentlich? Derek setzte sich in einen Sessel, wurde von Minute zu Minute nervöser und ungeduldiger, begann sich die Haare zu raufen und plötzlich war da diese Enge in seiner Brust, und dieses Rauschen in seinen Ohren. War das etwa ein Herzinfarkt? Als Stiles um zwanzig nach zehn begleitet von Greenburg in Dereks Salon erschien und erkannte, was vor sich ging, eilte er sofort herbei, kniete sich vor ihn hin, strich mit den Fingern durch das schwarze Haar und sagte sanft: „Hey, reicher Junge! Tut mir leid, dass es länger gedauert hat. Der Wagen hatte ein paar Startprobleme. Aber nun bin ich ja da. Lass´ uns schlafen gehen, ja?“ „Irgendetwas stimmt nicht mit mir!“ keuchte Derek mit weit aufgerissenen Augen. „Das ist gleich wieder vorbei, Derek! Du hast bloß eine Panikattacke!“ versicherte Stiles ruhig. Er nahm Dereks Hände in seine eigenen, küsste sie und führte den Älteren in sein Schlafzimmer. „Hast du wirklich gedacht, ich würde nicht kommen?“ wollte Stiles wissen und versprach: „Du musst keine Angst haben. Ich lasse dich nicht im Stich. Ich bin so lange für dich da, wie du mich brauchst!“ Derek fühlte sich töricht. Eine Panikattacke wegen zwanzig Minuten Verspätung? Das war so unglaublich lächerlich und beschämend! Er war ein echter Witz! Doch er war wahnsinnig dankbar, wie Stiles Mit ihm umging. Die ganze Aggression des Nachmittags war wie weggeblasen. Stattdessen war der Jüngere lieb, sanft und fürsorglich, half Derek in seinen Pyjama, ließ ihn im Bett in seiner Armbeuge schlafen und streichelte ihm das Gesicht, das Haar, den Rücken und den Arme, bis sein Herz wieder ruhig und gleichmäßig schlug. „Guter Junge!“ lobte ihn Stiles und klang wie eine Mutter: „Und nun schlaf´einfach, in Ordnung. Ich bin ja jetzt hier! Du bist sicher!“ Sicherlich war dies eine merkwürdige Situation und auch Stiles Worte muteten ein wenig eigenartig an. Aber auf der anderen Seite war es genau das, was Derek hören musste und er schlief ganz einfach ein. Kapitel 11: Party Animals ------------------------- „Wer ist dieser Chris noch mal? Und wieso eigentlich diese Party?“ erkundigte sich Stiles an diesem Donnerstagmorgen beim Frühstück in Dereks Esszimmer. „Chris ist ein alter Freund von Deucalion und meiner Mutter. Und es ist eine Housewarming-Party, denn er ist... sozusagen umgezogen. Er hat sich nämlich von seiner Frau getrennt; eine ziemlich hässliche Scheidung und die Party ist in erster Linie dazu gedacht, ihn wieder ein wenig aufzurichten und außerdem, um zu sehen wie viele Freunde er nun noch hat, denn du weißt ja, wie das nach Scheidungen oft ist: Die Leute beziehen eine der beiden Positionen! Seine Ex-Frau hast du übrigens schon einmal kurz kennengelernt. Ihr gehört der Laden, wo wir die Anzüge für dich gekauft haben.“ Stiles blickte überrascht von seinem Bagel auf: „Etwa die gruselige Rothaarige, die versucht hat, meine Seele mit einem Blick aus ihren stahlblauen Augen tiefzugefrieren?“ entfuhr es Stiles völlig ungefiltert, woraufhin er Derek ein wenig ängstlich musterte, weil er so unverschämt über eine Freundin von ihm gesprochen hatte. Derek lachte jedoch bloß und bestätigte: „Ja, ich gebe zu, Victoria kann ein wenig einschüchternd wirken. Das Mädchen, das ihr im Laden geholfen hat, war übrigens ihre gemeinsame Tochter Allison. Sie wird morgen vielleicht auch dort sein.“ Dann wollte Derek wissen: „Wie sieht es eigentlich aus? Wirst du nun auch deine Freunde zu der Party mitbringen? Ich würde Chris vorher gern Bescheid geben, zu wievielt wir kommen.“ „War dieser Vorschlag etwa wirklich ernst gemeint? Und was, wenn sie sich daneben benehmen?“ fragte Stiles vorsichtig: „Ich meine, Scott wird sicher brav sein und Lydia hat von uns Vieren wahrscheinlich die besten Umgangsformen, aber für Malia kann ich nicht die Hand ins Feuer legen. Sie kann eine echte Göre sein.“ Derek lachte: „Bei den Partys von Chris fließt der Nektar immer reichlich und je betrunkener die Leute sind, umso schlechter wird auch ihr Benehmen. Deine Freundin müsste sich schon sehr bemühen, um dort unangenehm aufzufallen.“ versicherte er: „Außerdem haben wir, die engeren Freunde von Chris alle Angst, es könnte da morgen zu leer werden und das wiederum könnte den armen Kerl in seiner gegenwärtigen Verfassung ganz schön aus der Bahn werfen. Insofern... je mehr Leute kommen, um so besser, egal ob sie in der Nase bohren, direkt aus der Punschschale trinken, oder was auch immer.“ „Ich habe eigentlich mehr Angst, dass Malia schmutzige Witze erzählen, oder eine Schlägerei anfangen könnte, aber wenn du meinst? Ich frage die drei heute und gebe dir am Abend Bescheid.“ versprach Stiles also. Dann erkundigte er sich vorsichtig: „Und wird dein Freund Deucalion dann wohl auch wieder über mich herfallen, wie eine Hyäne?“ „Das sollte er sich nicht einfallen lassen und wenn doch, dann sag´ mir Bescheid! Dann werde ich ihm noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, wohin er es sich stecken kann!“ erwiderte Derek ärgerlich: „Ich finde sein gluckenhaftes Getue mir gegenüber ziemlich beleidigend. Als hätte ich keine Ahnung, was ich tue und mit wem und als bräuchte ich ihn als mein Kindermädchen! Und für dich tut es mir richtig leid, dass du das ausbaden musst!“ „Ich schätze, im Grunde will er sicher nur ein guter Freund sein. Er macht sich Sorgen um dich, nach allem was du durchgemacht hast.“ spekulierte Stiles und nahm den letzten Bissen von seinem Bagel, ehe er sich zum Aufbruch bereit machte. Zwischen Stiles und Derek hatte sich in den letzten Tagen schnell so etwas wie Routine eingestellt. Stiles kam an den Abenden zu Derek nachhause, sie sprachen noch ein paar Worte, sahen vielleicht noch ein wenig fern und dann ging es ins Bett; nur schlafen, kein Sex, wie vereinbart! Morgens bestand Derek dann darauf, dass Stiles eine Kleinigkeit mit ihm frühstückte, weil er fand, dass der Jüngere viel zu dünn und das Frühstück nun einmal die wichtigste Mahlzeit des Tages sei. Danach machte sich Derek dann auf ins Büro und Stiles hatte frei. Dieses Arrangement war wirklich nicht schlecht. Also zumindest bis auf die Nächte! Wenn Derek nämlich schon lange friedlich schlief, lag Stiles noch ewig wach, betrachtete seinen schönen, unerreichbaren Bettnachbarn, sog dessen Duft ein und erinnerte sich daran, wie es gewesen war, mit ihm zu schlafen. Und während er so dalag und innerlich beinahe verbrannte von all dem ungestillten Verlangen, stellte er sich vor, wie wundervoll und wie anders alles zwischen ihnen beiden sein könnte, wenn Derek nicht bedauerlicherweise ein kompletter Idiot wäre. Und so kam es, dass Stiles zuhause allmorgendlich erst einmal zu dem noch schlafenden Scott unter die Bettdecke kroch; geil, traurig und hundemüde, um dort noch ein kleines Nickerchen zu machen. Als Stiles sich heute an dessen Rückseite kuschelte, stellte Scott verschlafen fest,: „Du Ärmster! Der Kerl lässt dich offensichtlich immer noch nicht ran, was?“ Er drehte sich zu seinem besten Freund herum, hauchte einen kleinen Kuss auf dessen Lippen und versprach: „Ich kümmere mich schnell darum! Keine Ding, Bro!“ ehe er mit dem Kopf unter die Decke tauchte. Vielleicht hätte Stiles es unterbinden sollen, denn so weit war es zwischen ihnen vorher immerhin noch nie gekommen, andererseits war es genau das, was er gerade nötig hatte, also lehnte er sich zurück und genoss die freundschaftliche Hilfestellung. Scott war ziemlich geschickt und so dauerte es nicht lang, bis Stiles kam. Danach erschien der Kopf seines Kumpels wieder bei ihm am Kopfende des Bettes. Scott schien keine große Sache daraus machen zu wollen. Er kehrte Stiles erneut seine Rückseite zu, zog dessen Arm um den eigenen Körper und war im Nu wieder eingeschlafen. Wenn das so war, dann beschloss eben auch Stiles nicht allzu viel darüber nachzudenken. Er vergrub zufrieden seine Nase in Scotts Nacken, atmete den beruhigenden, vertrauten Geruch ein und döste ebenfalls rasch ein. Als Scott später beim Frühstück saß, hockte sich Stiles auf eine Tasse Kaffee an seine Seite und erkundigte sich, ob sein Freund denn wohl Lust hätte, ihn und Derek morgen zu dieser Feier zu begleiten. „Ich soll Partycrasher bei so einer Reiche-Leute-Sache spielen, mich unwohl fühlen und Austern essen? Wenn ich nämlich komischen Glibber in meinem Mund haben will, der wie Sperma schmeckt, dann halte ich mich doch lieber ans Original!“ erwiderte Scott zwinkernd. Stiles verzog das Gesicht, errötete ein wenig in Erinnerung an das, was vorhin in Scotts Bett zwischen ihnen geschehen war und erwiderte schnell: „Keiner wird dich zwingen, Austern zu essen. Und ein Partycrasher wärst du auch nicht. Du bist ganz offiziell eingeladen und die Mädchen können auch kommen, wenn sie wollen, hat Derek gesagt. Also was ist nun? Das wird vielleicht ganz witzig, wenn wir alle dort sind! Wir könnten so tun, als ob wir feine Leute wären, uns was Hübsches anziehen, den kleinen Finger abspreizen, wenn wir Tee aus einer dieser lächerlich-kleinen Tassen trinken, unsere Zigarren mit brennenden Geldscheinen anzünden... Spaß eben!“ Das schien Scott zu überzeugen und er ließ sich darauf ein mitzukommen, wenn Malia und Lydia auch dabei wären. Stiles schlug vor, dass sie die Mädchen ja erst einmal fragen könnten, ob sie den heutigen Tag mit ihnen am Venice-Beach verbringen würden. Rücksicht nehmend auf Malias vampiristischen Schlafrhythmus, schickte er lediglich eine Kurznachricht, anstatt anzurufen und die adressierte er zur Sicherheit an Lydia. Und es geschahen wohl noch Zeichen und Wunder, denn die Antwort kam prompt und besagte, dass die beiden Grazien um Zwei Uhr bereit seien abgeholt zu werden; für Malia eigentlich noch nachtschlafende Zeit wusste Stiles. Lydia musste wohl ein Machtwort gesprochen haben. „Wieso hat dein Sugar-Daddy dir eigentlich kein richtiges Auto gekauft, sondern bloß so einen scheißhässlichen Rosteimer? Bringst du es etwa nicht im Bett, oder wo liegt das Problem?“ maulte Malia mit gerümpfter Nase, als sie in Stiles Jeep stieg. Sie sah übernächtigt aus, ihr standen die Haare zu Berge und es war nicht zu übersehen, dass sie miese Laune hatte. „Mach dich gefälligst nicht über Roscoe II lustig! Und nur zu deiner Information, Sonnenschein: Derek hätte mir jedes Auto gekauft, denn ich bin verdammt nochmal eine Granate im Bett, aber ich wollte nun mal dieses.“ gab Stiles empört zurück. Dass er zurzeit gewissermaßen ein sexueller Hungerleider war, musste er ihr ja nicht auf die Nase binden. Freundlicherweise verpetzte Scott ihn nicht. „Ich wusste immer schon, dass du ein Idiot bist, Stilinski!“ schimpfte Malia und legte auf der Rückbank den Kopf in Lydis Schoß, um sich ihr zerzaustes Haar kraulen zu lassen. Mitten an einem Wochentag war es am Strand trotz des herrlichen Wetters angenehm leer. Sie suchten sich ein hübsches Plätzchen und richteten sich dort ein. Lydia ließ sich von Malia einen großen Sonnenschirm aufstellen, denn selbstverständlich waren solch niedere Tätigkeiten unter der Würde einer Königin wie sie: „Es fehlt mir gerade noch, dass die Sonne mir meinen Porzellanteint ruiniert und ich am ganzen Körper Sommersprossen bekomme. Das versaut mir total das Geschäft!“ kommentierte sie, zog sich ihr hellblaues Sommerkleid über den Kopf unter welchem sie einen altrosafarbenenen Badeanzug im Stile der 50er Jahren trug. Ihr erdbeerblondes Haar fiel ihr in vollkommenen Wasserwellen über die makellosen, weißen, runden Schultern, als sie sich würdevoll auf ihrem Handtuch im Schatten niederließ. Malia ließ ebenfalls die Hüllen fallen und flegelte sich dann, lediglich mit einer Bikinihose bekleidet daneben. Lydia schüttelte gutmütig den Kopf, zog eine Haarbürste aus ihrer Strandtasche und begann dann mit zärtlichen Bürstenstrichen die zerzauste Mähne ihrer Liebsten in Ordnung zu bringen: „Du weißt doch, was letztes Mal passiert ist, als du dich oben ohne gesonnt hast, oder?“ fragte sie: „So ein Strandcop kam mit seinem albernen Golfwagen angesaust und wollte dir ein Bußgeld aufdrücken!“ „Und wieso dürfen diese Zwei da ihre kümmerlichen Titten zeigen und ich nicht?“ knurrte Malia und deutete auf Scott und Stiles in ihren Badeshorts, die sich neben den Mädchen ausgebreitet hatten: „Was ist denn bitteschön so gefährlich an weiblichen Brüsten, dass man sie verstecken muss? Das ist frauenfeindliche Kacke und da mache ich nicht mit! Ich will nahtlos braun werden!“ Lydia zuckte mit den Schultern. Sie hatte es längst aufgegeben, Malia verändern zu wollen, denn die marschierte eben nach ihrer eigenen Musik. Und im Grunde liebte Lydia sie genau dafür! Scott und Stiles schmierten sich gegenseitig mit Sonnencreme ein. Einem vorbeilaufendem Kerl, der sie dafür als `Schwuchteln´ beschimpfte, stellte Malia kurzerhand ein Bein und lachte ihn dann schallend aus, als er bei seinem Sturz mit dem Gesicht in seinen eigenen Eisbecher fiel. Der Typ rappelte sich auf, wischte sich die Schweinerei mit seinem T-Shirt weg und betitelte Malia als: „Blöde Fotze!“ „Selber Fotze! Sieh´ bloß zu, dass du weiterkommst! Du hast zehn Sekunden, um zu verschwinden, sonst reiße ich dir den Arsch bis zum Kragen auf!“ knurrte Malia kämpferisch, denn sie war heute in Höchstform. Scott, Stiles und Lydia hatten Mühe, sie davon abzuhalten, auf den Typen loszugehen Der Fremde seinerseits sichtlich eingeschüchtert, murmelte noch etwas Unverständliches, aber fraglos Beleidigendes vor sich hin, während er sich rasch entfernte. „Muss das eigentlich wirklich immer wieder sein?“ erkundigte sich Lydia genervt: „Ständig fängst du Streit an!“ Beleidigt verschränkte Malia die Arme vor der Brust und rechtfertigte sich, indem sie sagte: „Er hat doch angefangen! Und soll so ein homophobes Arschloch etwa einfach ungeschoren davonkommen? Wie soll er denn sonst lernen, dass er sich mit uns besser nicht anlegen sollte, wenn wir immer nur die andere Wange hinhalten?“ „Aber früher oder später wirst du an einen geraten, der sich das nicht einfach so bieten lässt! Du könntest ernsthaft verletzt werden.“ wandte Lydia besänftigend ein: „Keine Sorge, Süße! Mir geschieht schon nichts!“ behauptete ihre Geliebte selbstsicher: „Mein Schlagarm ist bestens trainiert. Ich kann mich wehren!“ „Und was, wenn so ein Typ mal seine Knarre zückt? Was tust du dann?“ erwiderte Lydia unwirsch. Malia zuckte mit den Achseln und antwortete gleichgültig: „Wir müssen alle mal abtreten, oder nicht?“ Als sie jedoch die Bestürzung auf Lydias Gesicht sah, die diese Äußerung hervorrief, schlang sie schnell von hinten die Arme um sie und versicherte: „Ich bin stark und ich passe gut auf mich auf. Versprochen, Baby!“ Immer noch ein wenig verstimmt schmiegte die Erdbeerblondine an ihre Freundin an. Was konnte sie auch tun? Malia würde sich nun einmal nicht ändern. Stiles betete innerlich, dass dieser Wildfang wenigstens morgen auf dieser Party keine Schlägerei anfangen möge. Eigentlich hatte er das Derek gegenüber bloß spaßeshalber und als Übertreibung gesagt, aber nun war er sich nicht mehr so sicher. Nach diesem kleinen Zwischenfall verlief wenigstens der heutige Tag jedoch glücklicherweise vollkommen friedlich und entspannt. Die vier Freunde lagen eine ganze Weile einfach so im warmen Sand, genossen die Sonne, die frische Luft, das Rauschen des Meeres und die Ruhe. Malia ließ einen Joint kreisen, holte ein wenig Schlaf nach, später gingen alle bis auf Lydia, die angab, sich nicht die Frisur ruinieren zu wollen ein wenig ins Wasser und als sie zu ihre Rastplatz zurückkehrten traute Stiles sich, die Mädchen zu fragen ob sie morgen zur Party mitkämen: „Und was sollen wir da?“ fragte Malia misstrauisch. „Na euch ein bisschen amüsieren! Was sonst?“ entgegnete Stiles: „Bestimmt wird es etwas Gutes zu Essen und zu Trinken geben und ihr könnt euch die `die bessere Gesellschaft´ mal aus der Nähe anschauen. Wer hat Lust?“ „Na, ich weiß nicht.“ erwiderte Malia stirnrunzelnd: „Ich habe für so einen Anlass überhaupt nichts anzuziehen.“ „Dann gehen wir jetzt einkaufen. Auf meinem Konto sind schließlich dreißigtausend Mäuse, die faul darauf warten, in Umlauf gebracht zu werden!“ rief Stiles fröhlich aus. So ein Angebot musste man den Mädchen natürlich nicht zweimal machen und so machten sie sich ein wenig später auf den Weg. In einer Boutique am Rodeo-Drive, vor welcher sie den schrottreifen Jeep geparkt hatten, wurden die vier jungen Menschen von den beiden anwesenden Verkäuferinnen zunächst einmal misstrauisch belauert. Natürlich fragten sie sich, was Leute, die solch ein Auto fuhren und die so gekleidet waren hierher verschlug und ob sie überhaupt liquide wären? Lydia achtete jedoch gar nicht darauf. Sie war im siebten Himmel und probierte sich einmal quer durch die gesamte Abendgarderobe. Malia war da wesentlich zurückhaltender und stellte gleich mal klar: „Aber ich werde kein Kleid anziehen!“ „Oh, doch, das wirst du!“ bestimmte Lydia und hatte auch schon drei unterschiedliche Modelle zur Hand, mit denen sie ihre Freundin nicht eben sanft in eine freie Umkleidekabine schob. Stiles selbst würde sich heute nichts kaufen beschloss er, sondern er würde den klassischen Smoking tragen, den er kürzlich mit Derek gekauft hatte, denn immerhin hatte er diesem darin ja so gut gefallen. Aber er machte sich nun mit Feuereifer daran, für Scott einen Anzug auszusuchen. Sein Freund entschied sich schließlich für ein sehr modernes Modell. Sowohl Jackett als auch Hose waren eher Skinny, der Stoff seidig, leicht changierend und in einem ins fliederfarbene spielenden Blauton. Dazu wählte er ein weißes Hemd und eine, farblich zum Anzug passende Fliege. Stiles stellte mit einem schiefen Grinsen fest: „Du siehst echt heiß aus, Kumpel!“ und zog den Freund mit einem Ruck an sich. Scott schenkte ihm sein patentiert-zauberhaftes, schüchternes Grinsen und erntete dafür einen kleinen Kuss von Stiles. Schließlich fand sogar Malia ein Kleid, dass sie nicht total hasste, weil es viel von ihren schönen, langen Beinen zeigte. Es war schwarz, mit dezent eingewebtem Silbergarn, langärmlig, hauteng und wirklich raffiniert geschnitten; der Rock war vorne kurz, hinten lang und obenherum war es genau umgekehrt; vorne war es hochgeschlossen, dafür war der Rücken beinahe bis zum Steiß ausgeschnitten. „Und du siehst auch heiß aus!“ urteilte Stiles machte ein kleines Tänzchen mit Malia durch das Geschäft: „Zwing´ mich nicht, dir weh zu tun, Stilinski!“ erwiderte die junge Frau, doch ihr Tonfall strafte ihre Worte Lügen, denn sie klang eher wie ein verlegenes Kind und Stiles liebte sie dafür. Lydia fiel die Entscheidung am allerschwersten, denn immerhin war die Auswahl so groß und all´ die Kleider waren so verdammt schön! Aber auch wenn Stiles versicherte, sie könne auch mehrere nehmen, beschränkte sie sich dennoch am Ende auf ein einziges und sie sah ganz wundervoll darin aus. Es hatte einen angenehmen, kühlen, hellen Grünton, der ausgezeichnet mit ihrer Haarfarbe und ihrem Teint harmonierte. Es war ein Corsagenkleid mit ausgestellten Taftrock, welcher Lydia knapp bis an die Fesseln reichte. Zufrieden betrachtete Stiles seine Freunde. Sie sahen allesamt fantastisch aus und wenn sie alle morgen auf dieser Party herausstachen, dann sicherlich bloß aus diesem Grund! Als es ans Zahlen ging, nahm die Verkäuferin misstrauisch Stiles Mastercard entgegen und verlangte, einen Ausweis zu sehen. Stiles machte kein große Theater deswegen, sondern zwinkerte ihr lediglich neckisch zu. Ihm war dieser kleine Spaß fast zweitausend Dollar wert, aber dafür machte er damit seine Freunde glücklich und er hatte ohnehin vielmehr Geld, als er realistischer Weise ausgeben konnte, also war es irgendwie okay, wie er fand. Im Anschluss an ihre Shoppingtour lud er seine Freunde zum Abendessen in ein Diner ein, wo er sie darauf einschwor, sich morgen gut zu benehmen und sich niemandem gegenüber zu verplappern, denn was es die anderen Partygäste betraf, waren Derek und er ein Liebespaar. Er ließ die drei sogar feierlich den Pinkie-Eid ablegen, um ganz sicher zu gehen, dass sie nicht plaudern würden. Denn welcher Mensch der eine Seele besaß, würde schon den Kleiner-Finger-Schwur brechen? Nach dem Essen verabschiedeten sich die Freunde von einander, Stiles setzte die Mädchen und Scott jeweils zuhause ab und machte sich ein weiteres Mal auf den Weg zum Haus seines `Arbeitgebers´. „Ich wollte euch alle ganz stilecht mit meiner Limousine abholen.“ verkündete Derek am Freitagmorgen beim Frühstück: „Denkst du, das würde deinen Freunden gefallen?“ Stile blickte überrascht von seinem Morgenkaffee auf versicherte: „Ich bin scher, sie würden es lieben. Aber Moment mal: Du hast eine eigene Limousine?“ „Ich habe sogar einen ganzen Fuhrpark, bestehend aus zwölf verschiedenen Autos, außerdem noch einen Helikopter, einen Jet und ein Boot. Und nun sag´ schon, was du denkst: Ich bin ein verkommener, dekadenter, reicher Snob. Wie sehr hasst du mich dafür?“ wollte Derek wissen. Stiles grinste und griff über den Tisch nach Dereks Hand: „Es ist eigentlich unverzeihlich, aber ich könnte mich dazu durchringen, dir die Absolution zu erteilen, wenn du mich irgendwann auf deinem Boot mitnimmst! Wie gefällt dir das?“ „Das klingt nach einem Deal!“ erwiderte Derek und zeigte dieses strahlende Lächeln, zu dem er zwar körperlich fähig war, welches er jedoch leider immer nur in homöopathischen Dosen an seine Umwelt abgab. Stiles sprang beinahe das Herz aus der Brust. Der Tag verstrich wie im Flug und dann wurde es irgendwann auch schon Zeit, sich für die Party fertig zu machen. Stiles und Scott verschwanden nacheinander im Bad, zogen sich ihre Anzüge an und trafen einander dann zufällig vor dem großen Spiegel in ihrem Flur. Scott legte einen Arm um seinen besten Freund und stellte fest: „Wir zwei sehen verdammt gut zusammen aus. Wir wären ein echt schönes Paar, denkst du nicht, Bro?“ Stiles betrachtete ihrer beider Spiegelbilder und bestätigte grinsend: „Ein echtes Power-Couple: Schön, schlau und nicht aufzuhalten! Eine dreifache Bedrohung!“ In diesem Moment schickte Derek eine Nachricht auf sein Handy. Die Limousine stünde vor dem Haus und sie sollten runterkommen. Aus irgendeinem blöden Grund hatte Stiles angenommen, Derek würde selbst fahren, doch so war es natürlich nicht, sondern es war Greenburg, welcher am Steuer saß und nun rasch ausstieg, um ihnen die Wagentür zu öffnen. Derek wartete hinten auf sie und reichte den Freunden je ein Glas Champagner. Dann fuhren sie die Mädchen abholen und als sie allesamt in der Limousine saßen, stellte Derek anerkennend fest: „Donnerwetter! Ihr seht alle wirklich umwerfend aus.“ Umwerfend sah allerdings auch Derek selbst aus, stellte Stiles im Stillen fest. Auch er hatte sich nämlich für einen Smoking entschieden und neben diesem Luxuskörper konnte Stiles, mager wie er nun einmal war eigentlich nur abstinken. Diesen Kerl hatten die Götter doch höchstwahrscheinlich erschaffen, bloß um arme, kleine Sterbliche wie ihn selbst um den Verstand zu bringen, dachte Stiles frustriert. Scott und die Mädchen wirkten aufgeregt, schauten sich neugierig in der Limousine um und Derek erklärte ihnen alles. Er fuhr einen Bildschirm herunter, auf welchem sie fernsehen konnten und präsentierte eine aufwendige Musikanlage und den Kühlschrank, in welchem sich noch weitere Champagnerflaschen befanden. Stiles selbst konnte nicht die Begeisterung seiner Freunde aufbringen und fragte sich, ob er etwa jetzt schon abgestumpft war gegen all den Luxus, der ihn neuerdings umgab? Dann stellte er noch etwas anderes fest; etwas, dass ihn wirklich überraschte: Derek wirkte irgendwie stolz, wie ein kleiner Junge, der sein Spielzeug präsentierte, als er den jungen Leuten sein Fahrzeug vorstellte. Es schien ihn richtig zu freuen, wie es sie entzückte. Und da wurde Stiles etwas klar: Derek war einsam! Er hatte diese Art Freunde nicht, wie Stiles sie hatte; Leute mit denen herumhängen und Spaß haben konnte. Als hätte das viele Geld eine unsichtbare Mauer um ihn errichtet, die ihn von der Welt und den ganz normalen Leuten fernhielt. Dieser Verdacht vertiefte sich, als sie schließlich ihr Ziel erreichten. Chris Argent lebte im Penthouse eines Luxusapartmentgebäudes in Beverly Hills. Sie erreichten es über einen Fahrstuhl, welcher mittels eines livrierten Aufzugpagen mit Sicherheitsschlüssel bedient wurde. Diese reichen Leute verstanden es wirklich, Grenzen zwischen sich und dem Gesindel, wie Stiles und seine Freunden es waren zu ziehen, dachte dieser mit ein wenig Bitterkeit. Nur dass sie an diesen einen Abend durch Derek eben eine goldene Eintrittskarte für diese andere Welt hatten. Oben angekommen blickten die Neuankömmlinge sich neugierig um. Es gab ein paar bekannte Gesichter, wie Stiles feststellte; Schauspieler, Leistungssportler und andere Prominente. Er versuchte, davon nicht allzu beeindruckt, oder eingeschüchtert zu wirken. Und nun kam ein Mann auf sie zu, der sich als ihr Gastgeber entpuppte. Aus irgendeinem Grund waren seine Augen ebenso hell und einschüchternd, wie diejenigen seiner Ex-Frau Victoria; und vielleicht, aber auch nur vielleicht nicht ganz so kalt. Das Gesicht von Chris Argent hatte etwas raubtierhaftes, mit diesen Augen und dem listigen Lächeln, welches riesige, ebenmäßige Zähne entblößte, die das Herz jedes Elfenbeinjägers hätten höher schlagen lassen. Argent zog Derek in eine herzhafte Umarmung, küsste ihn links und rechts und wandte sich dann Scott und Stiles zu, um ohne Umschweife zu fragen: „Und? Welcher von den beiden Jungs ist nun der Märchenprinz, der es geschafft hat dein versteinertes Herz zu erobern, Hale?“ Derek nahm Stiles Hand in seine eigene, verschränkte ihre Finger und hauchte ihm einen Kuss auf die Schläfe: „Das hier ist Stiles!“ stellte er vor und während er den Jüngeren betrachtete, bekam sein Gesichtsausdruck tatsächlich etwas sehr Zärtliches. `Konnte das wirklich bloß gespielt sein?´ fragte sich Stiles eine törichte Sekunde lang, ehe er den lächerlichen Gedanken energisch abschüttelte. Nein, Derek hatte nun wirklich keinen Zweifel daran gelassen, was das zwischen ihnen war; nämlich eine Geschäftsbeziehung! Und wenn Stiles kein vollkommener Idiot war, dann würde er sich auch an die gesetzten Grenzen halten, weil es ihn sonst nämlich das Herz kosten würde. Er schüttelte dem Gastgeber die Hand und bedankte sich artig für die Einladung. „Es ist mir ein Vergnügen!“ erwiderte Argent und wollte dann wissen: „Und wen habt ihr mir noch mitgebracht?“ Derek stellte Scott, Malia uns Lydia als Freunde von Stiles vor. Chris schüttelte Scott die Hand und küsste den Ladys galant die Hände und erklärte schnurrend: „Ich bin entzückt!“ „Spar´ dir die Charmeoffensive, alter Freund! Die Damen spielen nicht für dein Team!“ erklärte Derek grinsend: „Aber ich bin doch bloß höflich!“ entgegnete Chris gespielt entrüstet. An alle gerichtet erklärte er: „Seid mir herzlich willkommen! Wenn ihr etwas trinken wollt, wendet euch vertrauensvoll an Finstock an der Bar. Sollte euch der Sinn allerdings nach irischem Whiskey, oder kubanischen Zigarren stehen; dann haltet euch an mich!“ Malias Augen begannen zu leuchten: „Bin dabei!“ verkündete sie, hakte sich bei Chris unter und folgte ihm zu einigen bequemen Sofas, wo bereits einige Männer bei Kartenspiel saßen. Sie ließ sich von Chris ein Glas mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit voll schenken und schnitt mit dem dafür vorgesehenen Gerät die Spitze einer Zigarre ab, ehe sie sie anzündete. Sie war ganz in ihrem Element und Stiles wusste, dass er sich um sie keine Gedanken mehr machen musste. Scott und Lydia hingegen begaben sich an die Bar, bestellten Cocktails, ließen sich dort nieder und damit waren Derek und Stiles plötzlich allein: „Willst du vielleicht mal die Dachterrasse sehen? Von dort aus hat man einen tollen Blick über beinahe die ganze Stadt.“ schlug Derek vor. Stiles nickte und folgte im eine Wendeltreppe hinauf. Hier oben war es wirklich hübsch und romantisch. Es handelte sich um einen richtigen Dachgarten. Überall standen Terracottatöpfe mit blühendem Buschwerk herum, der Boden war mit blendend weißen Kieseln bestreut, es gab kleine Nischen mit korbgeflochtenen Sitzgelegenheiten und der Blick über die Dächer der Stadt war in der Tat grandios. Die beiden Männer ließen sich auf eine der Korbbänke nieder und genossen die Aussicht, als Stiles unvermittelt die Arme um Derek schlang und ihn küsste: „Spiel mit!“ raunte er dem Überrumpelten zu: „Dein Freund Deucalion steuert gerade auf uns zu.“ Stiles legte sich richtig ins Zeug, natürlich um eine überzeugende Performance abzugeben; aber auch allein schon deshalb, weil er den Moment, in welchem er Derek legal küssen und berühren durfte voll und ganz auskosten wollte. Er schloss die Augen, krabbelte rittlings auf Dereks Schoß und küsste ihn tief und innig. Beinahe vergaß er darüber, warum sie dies hier überhaupt taten und zuckte ein wenig zusammen, als die tiefe Stimme Deucalions mit dem britischen Akzent hinter ihnen ertönte: „Na, ihr zwei Turteltäubchen. Störe ich etwa?“ Derek wendete sich dem Freund zu und erwiderte: „Kommt ganz darauf an: Kommst du mit friedlichen Absichten?“ „Ich habe immer nur dein Wohl im Sinne, mein Junge!“ versicherte der Ältere aufrichtig und zog sich einen Stuhl heran: „Die Frage ist nur, ob du auch wirklich weißt, was das Beste für mich ist?“ gab Derek säuerlich zurück. Stiles war mittlerweile von Dereks Schoß heruntergestiegen, hatte sich stattdessen neben ihn gesetzt, suchte hinter ihm ein wenig in Deckung und klammerte sich ein wenig nervös an dessen Bizeps. „Du hast vollkommen Recht, Derek! Ich denke, ich muss mich bei euch entschuldigen und zwar bei euch beiden! Du bist zu mir mit einer guten Nachricht gekommen, hast mir erzählt, dass du dich verliebt hast und ich hätte anders reagieren sollen. Ich hätte mich mit dir freuen sollen und zu deinem Freund hätte ich netter sein müssen. Es tut mir leid!“ Deucalion sah vollkommen aufrichtig aus, als er dass sagte und Derek schien es ein wenig zu besänftigen, doch Stiles traute dem Frieden noch nicht recht. Er nickte bloß und hielt sich weiterhin an Derek fest. Dieser begann nun mit Deucalion ein Gespräch, in welchem es um den Gastgeber und andere Partygäste ging, zu welchem Stiles nichts beitragen konnte, weswegen er einfach schwieg und lauschte. Irgendwann erklärte Deucalion durstig zu sein und Derek bot sich an, für sie alle etwas zu Trinken von der Bar zu besorgen. Dadurch war Stiles nun allein mit dem einschüchternden Kerl und dieser setzte sich neben ihn auf die enge Korbbank und sagte in ruhigem, ganz und gar nicht unfreundlichen Tonfall: „Jetzt hör mir mal zu, mein Junge! Ich weiß genau, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt. Ich kann dir überhaupt nicht verdenken, dass jemand wie Derek für einen Burschen aus einfachen Verhältnissen der Hauptgewinn und die einzige Chance ist, auch mal zu ein wenig Geld zu kommen. Darum mache ich dir heute ein wirklich faires Angebot, Stiles: Du bekommst von mir eine Millionen Dollar, wenn du Derek nie wieder siehst, steuerfrei und in bar! Und? Wie klingt das?“ Stiles wurde schlagartig blass. Nachdem er sich ein wenig gefasst hatte, zischte er böse: „Kommt nicht in Frage! Vergiss´ es!“ „Du solltest es dir wirklich nochmal überlegen, Stiles! Denkst du wirklich, dass du mehr aus Derek herausholen kannst in der kurzen Zeit, die ich brauchen werde, um dich als Schwindler zu entlarven? Du nimmst mein Geld besser, denn sonst stehst du am Ende nämlich ohne alles da und all´ deine Bemühungen waren umsonst!“ erwiderte der Ältere ruhig. Stiles schüttelte traurig den Kopf: „Ich weiß, dass reiche Leute wie du sich das nicht vorstellen können, Deucalion, aber ich will euer blödes Geld überhaupt nicht! Ich habe von Derek nie etwas verlangt und ich habe ihn auch niemals angelogen! Ich habe auch ganz sicher nicht vor, ihm weh zu tun. Im Gegenteil, im Moment bin ich der Einzige, der ihm helfen kann, ein wenig zur Ruhe zu kommen! Wenn du es also wirklich gut mit ihm meinst, dann lässt du uns beide in Ruhe! Ich werde mich jedenfalls nicht von dir vertreiben lassen und du kannst mich weder kaufen, noch mir drohen! Verstehst du mich?“ Deucalion kam Stiles unangenehm nah und sein Lächeln hatte etwas Böses, als er erwiderte: „Ich hoffe für dich, dass das die Wahrheit und deine Loyalität gegenüber Derek nicht bloß Theater ist. Derek steht am Rande eines Abgrund und ich werde nicht zulassen, dass jemand ihn hinabstößt! Ich würde alles für ihn tun, Stiles! Ich würde sogar für ihn töten! Verstehst DU MICH“ Stiles blickte sein Gegenüber mit großen Augen an. Er rückte ein wenig ab und bemühte sich um Festigkeit in der Stimme, als er antwortete: „Derek bedeutet mir etwas! Wahrscheinlich sehr viel mehr, als er selbst weiß! Das ist alles, was ich dazu sagen kann.“ In diesem Moment kam Derek mit den Getränken wieder: „Da bin ich wieder. Wovon redet ihr gerade?“ fragte er stirnrunzelnd: „Von dir, mein Lieber!“ erwiderte Deucalion freundlich: „Dein Freund hat mir gerade versichert, wie sehr du ihm am Herzen liegst und ich habe gesagt, dass es mir genauso geht.“ Er zwinkerte Stiles verschwörerisch zu, was diesem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Der Junge sprang von dem Bänkchen auf, nahm dankbar das von Derek mitgebrachte Bier entgegen und stürzte es direkt aus der Flasche in zwei langen Zügen hinunter. Derek blickte den Jüngeren prüfend an, weil er scheinbar spürte, dass etwas in der Luft lag. Doch weil Stiles keine Anstalten machte, etwas zu sagen, berichtete Derek schließlich: „Da unten wird mittlerweile getanzt. Es ist wirklich nett und deine Freundin Lydia kann sich vor Angeboten kaum retten.“ Stiles war kein großer Tänzer; zumindest nicht, wenn es um Gesellschaftstanz ging. In der Schule hatten sie zwar Unterricht gehabt, doch irgendwie war er immer schon zu nervös und zu ungeschickt gewesen, um es seinen Tanzpartnerinnen recht zu machen. In diesem Augenblick jedoch wäre Stiles jedes Mittel recht gewesen, um so weit wie möglich von Deucalion wegzukommen, immerhin hatte dieser doch gerade sein Leben bedroht, oder hatte er da etwas falsch verstanden? Und darum fragte Stiles nun: „Dann lass´ uns bitte tanzen, ja Liebling?“ Derek sah überrascht aus, doch er stimmte zu und so verließen sie die Dachterrasse und damit auch Deucalion und kehrten zur eigentlichen Party zurück. Im Vorbeigehen bekam Stiles mit, dass Malia den Gastgeber und die anderen Männer um sie herum grölend zum Lachen brachte, indem sie, wie bereits befürchtet einen sehr schmutzigen Witz zum Besten gab, denn das konnte seine Freundin nun einmal richtig gut! Sie konnte die dreckigsten Späße machen, ohne rot zu werden, oder auch nur mit der Wimper zu zucken. Doch anders, als Stiles befürchtete hatte, kam das in dieser Gesellschaft richtig gut an. Lydia tanzte und wirkte dabei sehr zufrieden und Scott unterhielt sich an der Bar mit einem Mädchen, welches Stiles bei näherem hinsehen als Allison, die Tochter von Chris und Victoria Argent wiedererkannte. Seinen Freunden ging es also gut und sie amüsierten sich bestens und das wollte Stiles nun auch endlich tun, also begab er sich mit dem schönsten Mann im Raum auf die improvisierte Tanzfläche. Und wie sich zeigen sollte war das Problem, das Stiles bislang mit dem Tanzen gehabt hatte das Führen. Hier und heute übernahm Derek diesen Part und plötzlich war alles ein Kinderspiel! Stiles schmiegte sich an seinen Tanzpartner an, verlor sich in den großen, grünen Augen, vergaß Deucalion und das unangenehme Gespräch, welches sie soeben geführt hatten und so wurde es tatsächlich doch noch ein sehr schöner Abend. Derek war seltsam anhänglich, doch das konnte Stiles nur recht sein, denn es war schlieblich genau das, was auch er selbst sich wünschte. Sie tanzten viele Male mit einander, kuschelten und küssten sich und am Morgen, gegen drei Uhr, als sich die Reihen schon sehr gelichtet hatten und Stiles das Gefühl hatte, beinahe schon im Stehen einschlafen zu müssen, dachte Derek scheinbar immer noch nicht an Aufbruch. Erst als Stiles ankündigte, dass er sich auch ein Taxi nehmen könne, konnte der Ältere sich endlich losreißen und versicherte er würde sie aber selbstverständlich mit der Limousine wieder nachhause fahren, wie versprochen. Malia und Chris verabschiedeten sich beinahe wie alte Freunde von einander. Dem Gastgeber war anzusehen, dass er an der Seite der jungen Frau einen sehr erfreulichen Abend gehabt hatte. Wahrscheinlich hatte er im Vorfeld ähnliche Befürchtungen wie seine Freunde gehabt, nämlich dass keiner zu seiner Feier kommen könnte, doch erstens war dies nicht eingetreten und zweitens hatte der Abend ihm sogar noch eine neue Freundschaft eingebracht. Was konnte man sich mehr wünschen? Als sie ein weiteres Mal in der Limousine saßen und der getreue Greenburg sie durch die nächtlichen Straßen fuhr, war den Partygästen anzusehen, dass sie allesat reif für´s Bett waren. Die Mädchen wurden zuerst zuhause abgesetzt und dann hieß es auch für Scott und Stiles, gute Nacht zu sagen. Als die Freunde aussteigen wollten, warf Stiles noch einmal einen Blick zurück auf Derek und kurz war da so ein schwer zu deutender Ausdruck auf dessen Gesicht, der Stiles mit ein wenig Unbehagen erfüllte und so kehrte er noch einmal kurz um, gab dem Älteren einen letzten, kleinen Kuss und versicherte: „Wir sehen uns Sonntagabend! Es war sehr schön heute!“ Kapitel 12: A deal is a deal ---------------------------- Stiles und Scott hatten ein wunderbar faules Wochenende miteinander verlebt. Beinahe den ganzen Samstag hatten sie sich Schlachten an der Spielekonsole geliefert, Pizza direkt aus dem Karton gefuttert, ein bisschen Gras geraucht und sich dann, getrieben vom Kifferhunger eine ungesunde Menge Weingummi einverleibt. Irgendwann waren sie halb neben-, halb aufeinander auf dem Sofa eingeschlafen und am nächsten Morgen war das lustige Lotterleben einfach so weitergegangen. Sie hatten überzuckerte Cerealien aus derselben großen Schale gefuttert; einmal um Abwasch zu sparen, aber auch weil es lustiger war, wenn sie einen Wettbewerb daraus machten, sich gegenseitig die kleinen Marshmallows wegzuschnappen. Nach diesem Frühstück waren sie selbst zum Spielen zu faul gewesen und hatten stattdessen lieber alle sechs Star Wars-Filme geschaut und thailändisches Essen bestellt. Das ganze Wochenende hatten die beiden Freunde weder einen Fuß vor die Tür gesetzt, noch hatten sie daran gedacht zu Duschen, oder mal ein Fenster zu öffnen. Es war der Himmel auf Erden gewesen! Seit seine Eltern verstorben waren, hatte Stiles sich nicht mehr derart unbeschwert gefühlt. Doch jetzt war der Sonntagabend gekommen und die Pflicht rief. Stiles stieg nun also doch noch unter die Dusche, zog sich frische Kleider an, verabschiedete sich von Scott und machte sich auf den Weg. Freundlicherweise sprang sein Jeep ohne Probleme an und so kam er um kurz nach neun bei Dereks Anwesen an. An der Tür wurde er bereits von einem nervös wirkenden Greenburg mit den Worten: „Es ist gut, dass sie jetzt da sind, Sir!“ begrüßt. Automatisch stellten sich bei Stiles die Nackenhaare auf. Es war nicht die Art des Butlers, sich derart frei zu äußern und wahrscheinlich verstieß es sogar, gegen seine Berufsehre, oder was auch immer, also was zum Teufel war hier los ? Er ging nicht, er rannte, um sich in dem großen Haus auf die Suche nach Derek zu machen. „Nein, Sir! Hier entlang!“ rief Greenburg hinter ihm her und führte Stiles in den Salon, wo sie Derek am Boden vor dem Sofa sitzend vorfanden, barfuß, in Trainingshose und Unterhemd. Er wirkte angespannt und zappelig, er schwitzte, seine Gesichtszüge schienen irgendwie verzerrt und die Haut spannte sich blass und wächsern darüber. Als Derek Stiles erblickte, versuchte er sich trotzdem an so etwas wie einem Lächeln, doch glich es viel mehr einer Maske der Verzweiflung: „Du bist da!“ sagte er leise. Stiles kniete sich bestürzt vor ihn hin und nahm die Hände des Älteren in seine eigenen: „Ja, mein Lieber! Ich bin hier! Was ist denn mit dir passiert, hm?“ Derek blickte ihn ratlos an, als sei die Frage irgendwie zu schwer für ihn, bis Greenberg aus dem Hintergrund schüchtern erklärte: „Ich denke, Mr. Hale hat seit zwei Tagen keine einzige Sekunde geschlafen!“ Stiles legte dem Gepeinigten sanft eine Hand an die bärtige Wange, streichelte ihn und versprach: „Jetzt wird alles wieder gut, hörst du? Wir gehen jetzt einfach ins Bett, ja?“ Derek schüttelte heftig den Kopf: „Nicht ins Bett!“ flüsterte er: „Das Bett ist verflucht!“ Stiles Unbehagen steigerte sich schlagartig zur nächsten Alarmstufe: Angst! Derek wirkte in diesem Moment beinahe schon ein wenig irre, oder nicht? `Es ist bloß der Schlafentzug!´ sagte er sich schnell. `Das Hirn kann dann nicht vernünftig arbeiten!´ Stiles war klar, dass Derek, derart angespannt wie er gegenwärtig war, sicher keinen Schlaf finden würde, also musste er sich wohl etwas einfallen lassen, wenn er ihm helfen wollte: „Komm, Liebling! Du wirst jetzt erst einmal ein schönes Bad nehmen und dann sehen wir weiter!“ erklärte er, erhob sich und half Derek auf die Füße. Greenburg gegenüber behauptete er: „Sie können sich jetzt zurückziehen. Wir kommen schon klar!“ Heimlich betete er, dass dies die Wahrheit sein möge. Derek folgte Stiles ohne Widerstand ins Bad. Als das Wasser einlief, beäugte er den Jüngeren skeptisch, während dieser sich abmühte, ihn aus seinen Kleidern zu schälen: „Du musst schon ein bisschen mithelfen!“ schimpfte Stiles, weil Derek nicht freiwillig die Arme hob, als ihm das Unterhemd ausgezogen werden sollte. Schwerfällig kam Derek der Forderung dann doch noch nach. Stiles bemühte sich, überall hinzuschauen, nur nicht auf den schönen, nackten Mann vor ihm, als er die Wassertemperatur checkte und einen duftenden Badezusatz hineingab. Da Derek sich nun, als alles bereit war nicht von sich aus in die Wanne begab, trat Stiles seufzend hinter ihn und schob ihn ein wenig an. Schließlich saß Derek im Becken, klamm, mit angezogenen Schultern und kerzengerade. Nach Entspannung sah das nun wirklich nicht aus. Und was nun? Nach kurzem Nachdenken beschloss Stiles Derek zu folgen: „Rutsch´ mal vor!“ forderte er, nachdem er sich ausgezogenen hatte. Derek schenkte Stiles einen misstrauischen Blick, ohne etwas zu sagen: „Komm´ schon, großer Junge! Denkst du echt, ich wollte deinen geschwächten Zustand ausnutzen, um über dich herzufallen? Trau mir ein bisschen mehr zu, ja?“ stöhnte Stiles genervt. Tatsächlich rutschte Derek nun ein Stück nach vorn. Stiles kletterte hinter ihn und begann sogleich damit, seinem todmüden Vordermann sanft den Nacken und die Schultern zu massieren. Und tatsächlich wurde Derek ganz langsam ein klein wenig lockerer. Nun hieß Stiles ihn, den Kopf in den Nacken zu legen und wusch ihm das Haar, was er mit einer ausgiebigen Kopfhautmassage verband. Nach dieser Vorarbeit gelang es Stiles schließlich, Derek dazu zu bewegen, sich zurückzulehnen. Dann legte er die Arme um den Älteren und begann in großen, sanften Bewegungen dessen Brust und Bauch zu streicheln: „Siehst du, Süßer? Du bist ganz sicher bei mir!“ flüsterte Stiles und ließ noch einmal warmes Wasser nachlaufen. Eine halbe Stunde später hatte Stiles endlich das Gefühl, Derek könnte nun bereit sein, ein bisschen Schlaf zu finden. Er erhob sich, trocknete erst sich selbst ab und breitete dann ein großes Badelaken für Derek aus: „Mir ist schwindelig!“ bemerkte dieser kläglich. Stiles nickte mitfühlend und streckte die Arme mit dem Handtuch aus: „Kein Wunder! Aber du hast es gleich geschafft. Und nun komm´! Ich fange dich notfalls auf, falls du fällst. Derek schaute ihn ein wenig zweifelnd an, doch er stieg tapfer aus der Wanne, ließ sich von Stiles in das Handtuch einwickeln und ins Schlafzimmer führen, doch vor dem Bett scheute er: „Nicht hier!“ murmelte er unbehaglich: „Das Bett weiß es!“ Stiles fragte lieber gar nicht erst, was das bedeutete, denn er ahnte, dass er die Erklärung, die Dereks verwirrter Kopf ersinnen würde auch nicht verstehen könnte. Zum Glück wusste er aus seiner Zeit in der Obdachlosigkeit, dass er tatsächlich überall schlafen konnte. Sie mussten dazu nicht ins Bett gehen. Er suchte für Derek und sich also lediglich T-Shirts und Boxershorts aus dem Kleiderschrank heraus und dann zogen sie um in den Salon. Stiles entfernte die großen Polsterkissen seitlich und hinten am Sofa, so dass die Liegefläche für ihn und Derek größer wurde und richtete für sie beide dann dort das Nachtlager ein. Als er mit seinem Werk zufrieden war, sagte er aufmunternd: „Na komm´ mein Großer! Jetzt wird geschlafen!“ Wie ein artiger Junge kroch Derek neben ihn auf das improvisierte Lager und wurde von Stiles von hinten umarmt: „Gute Nacht, Derek! Schlaf gut!“ flüsterte er, küsste den Älteren in den Nacken und es dauerte nun tatsächlich nicht lange, ehe Stiles an Dereks gleichmäßiger Atmung hören konnte, dass dieser eingeschlafen war. Zweimal wurde Derek in dieser Nacht wach; beim ersten Mal mit einem erstickten Schrei auf den Lippen und beim zweiten setzte er sich abrupt auf und blickte sich verwirrt um. Beide Male riss es Stiles aus seinem leichten Schlaf und er versorgte den Gequälten mit sanften Worten und liebevollen Streicheleinheiten, bis dieser wieder in der Lage war weiterzuschlafen. Als Derek am Folgetag erwachte, wurde ihm sofort klar, dass es schon verdammt spät sein musste, so hoch wie die Sonne bereits stand. Neben sich auf dem Sofa hockte Stiles und las in einem Buch. „Wie spät ist es, zum Teufel?“ fragte er aufgebracht und mit vom Schlafen kratziger Stimme: „Dir auch einen guten Morgen, Sonnenschein!“ schnappte Stiles sarkastisch, ob der unfreundlichen Begrüßung: „Es ist halb zwölf.“ „Was? Aber wieso hast du mich den nicht geweckt? Ich muss ins Büro. Ich habe Termine!“ rief Derek aufgebracht: „Reg´ dich ab! Greenburg hat dich krank gemeldet. In deiner Firma weiß man Bescheid und sie werden auch mal einen Tag ohne dich auskommen.“ versicherte Stiles beruhigend. Derek schenkte ihm einen ungläubigen Blick: „Greenburg wäre niemals so eigenmächtig!“ stellte er klar. „Stimmt! Ich habe ihm ja auch den Auftrag dazu erteilt!“ entgegnete Stiles völlig selbstverständlich. „Du, hast WAS? Mit welchem Recht?“ fauchte der Ältere und seine kräftigen Augenbrauen lagen beinahe auf den wütend funkelnden, grünen Augen auf. Er sah in diesem Moment ein bisschen wie ein zorniges Raubtier aus. Davon ließ Stiles sich jedoch überhaupt nicht beeindrucken, denn auch er selbst hatte eine ziemliche Wut im Bauch: „Du glaubst also echt, dass du in der Position bist, zu meckern? Dann hör mir jetzt mal gut zu, Mister!“ sagte er scharf: „Du bist nicht der einzige, der einen Job hat. Ich habe auch einen, wie du weißt, denn du hast ihn mir schließlich gegeben. Mein Job ist es, dafür zu sorgen, dass du ausreichend ausruhst und nicht an Schlafmangel stirbst, verstehst du? Aber wenn es dir nicht passt, wie ich meinen Job mache, dann kündige mir doch und such dir jemand anderen für diesen Scheiß!“ Stiles war zum Ende seiner kleinen Ansprache immer lauter geworden und das einzige, was Derek dazu einfiel war ein Kleinlautes: „Aber ich sterbe doch nicht!“ „Ach nein? Sagt wer?“ bellte Stiles: „Weißt du eigentlich, was Schlafentzug deinem Körper antut? Der erhöhte Cortisolspiegel schwächt dein Immunsystem und macht dich anfälliger für Infekte und bösartige Zellveränderungen bis hin zu Krebs. Auch dein Herz kann Schaden nehmen. Es kann sogar zu einem Infarkt kommen, Mann! Und deine Hirnleistung leidet extrem, was dich anfälliger für Unfälle macht. Und jetzt sag mir bitte nicht, dass sei nicht wahr, denn vielleicht erinnerst du dich noch daran, dass du gestern Abend ganz schön wirres Zeug geredet hast? Das hat beinahe schon ein bisschen schizophren geklungen. Also? Noch Fragen?“ Derek nickte und erwiderte: „Eine Frage hätte ich schon: Warum bist du denn bloß so wütend auf mich!“ Er klang wie ein verschüchterter Junge. Stiles kniff ärgerlich die Augen zusammen: „Das weißt du echt nicht? Weil du so ein verdammter Idiot bist natürlich! Darum!“ „Also hör mal!“ rief Derek empört aus, doch weiter kam er nicht, denn Stiles war noch noch längst nicht fertig: „Wie konntest du es bloß so weit kommen lassen? Wenn es dir so mies geht, wieso zur Hölle rufst du mich dann nicht an, oder kommst zu mir? Ich meine,... wie blöd muss man sein...? Weißt du nicht, dass ich sofort zu dir gekommen wäre, wenn ich auch nur die leiseste Ahnung gehabt hätte?“ Abrupt wandte Stiles sich ab und verschränkte die Arme vor der Brust. Ratlos starrte Derek seinen Rücken an und nach einer Weile überkam ihn eine Erkenntnis: „Weinst du, Stiles!“ „Pah!“ machte der Angesprochene mit verdächtig belegter Stimme: „Warum sollte ich denn weinen? Is´ doch schließlich dein Leben, oder nicht? Mir doch egal!“ Derek rutschte an den Jungen heran und zog ihn in seinen Arm: „Was ist denn mit dir?“ fragte er unbehaglich. Stiles fühlte sich ertappt und sein erster Impuls war es, Derek fortzustoßen und wegzulaufen, doch er folgte lieber dem zweiten, der da war, die Arme um Derek zu legen und zu sagen: „Verdammt, du hast mir richtig Angst gemacht, so fertig, wie du gestern warst! Ich war ganz kurz davor, einen Krankenwagen zu rufen, weißt du das? Ich will nicht, dass dir etwas Schlimmes zustoßt!“ „Oh!“ machte Derek bloß. Er streichelte Stiles das Haar und hielt ihn fest. Irgendwann sagte er leise: „Danke, dass du dir Sorgen machst. Aber du bist ja nun einmal nicht jede Nacht bei mir und ich muss irgendwie damit klar kommen! Wir haben einen Vertrag und als Geschäftsmann weiß ich: Ein Deal ist ein Deal!“ Stiles knirschte mit den Zähnen: „Zeig´ mir den blöden Vertrag, doch noch einmal!“ forderte er. Derek erhob sich stirnrunzelnd und fragte sich, was jetzt wohl kommen mochte. In seiner perfekten Ordnung fand er das Gesuchte mit einem Handgriff und reichte dem Jüngeren sein Exemplar des Vertrages. Stiles erster Impuls war es, das verhasste Schriftstück einfach zu zerreißen, doch diese Botschaft wäre wohl zu missverständlich gewesen. Stattdessen schnappte er sich einen Kugelschreiber vom Couchtisch, strich den Passus über seine freien Nächte und schrieb stattdessen an den Rand: `Der Angestellte verpflichtet sich, jede Nacht für den Auftraggeber da zu sein; so lange und so oft dieser ihn brauchst! Du kannst auf mich zählen, Derek!´ Dann malte er ein Herzchen und das Datum dahinter und unterschrieb mit vollem Namen. „Wer ist Mieczyslaw Stilinski?“ wollte Derek wissen, nachdem er die Änderungen in Augenschein genommen hatte. Stiles funkelte ihn finster an: „Das bin ich. Aber nenn´ mich bloß niemals so!“ Derek nickte und erklärte dann: „Dein Angebot ist sehr lieb, Stiles, aber ich kann das doch nicht von dir verlangen! Das grenzt ja an Sklaverei!“ „Macht dein ganzes Geld dich eigentlich blöd, oder was?“ fragte Stiles unzufrieden: „Das tun Freunde doch für einander! Du brauchst Hilfe. Ich kann dir helfen, also tue ich es eben. Und du hilfst mir doch auch so wahnsinnig! Dank dir haben mein bester Freund und ich ein schönes zuhause und keine Angst mehr, zu verhungern. Du kannst dir sicher nicht vorstellen, was das für mich bedeutet.“ Derek blickte Stiles nachdenklich an und wollte dann wissen: „Darf ich dann auch eine Kleinigkeit an unserem Vertrag ändern und die Summe, die hier steht verdoppeln?“ Stiles sah aus irgendeinem Grund plötzlich aus, als habe er ihm ins Gesicht geschlagen. Derek hatte keine Ahnung, warum der Junge plötzlich aufsprang und wie ein Tiger im Käfig auf und ab lief. Irgendwann hielt Stiles in seiner Bewegung inne und so fuhr heftig herum, dass Derek zusammenzuckte: „IST DAS EIGENTLICH DEINE GROßZÜGIGE ART, MIR ZU SAGEN DASS EINER WIE DU UND EINER WIE ICH NIE FREUNDE SEIN KÖNNEN, WEIL ICH BLOß MÜLL VON DER STRAßE BIN, ODER WAS SOLL DAS?“ brüllte er. „Aber Stiles...?“ erwiderte Derek erschrocken: „Ich will dir doch bloß etwas Gutes tun; weiter nichts! Und Geld ist nun einmal das Einzige, was ich habe!“ „Das stimmt doch gar nicht!“ knurrte Stiles: „Da ist doch noch so viel mehr! Doch wahrscheinlich weißt du selbst nicht einmal etwas davon! Du kennst dich ja überhaupt nicht! Du mauerst dich lieber selbst ein, in ein Verlies aus Goldbarren! Was stimmt bloß nicht mit dir?“ Seit seine Familie tot war, gab es niemanden mehr, der Derek anbrüllte, oder in dieser Deutlichkeit mit ihm sprach. Selbst Deucalion nahm von Zeit zu Zeit ein Blatt vor den Mund. Es gab auch niemanden, der es wagen würde, etwas über seinen Kopf hinweg zu entscheiden, so wie Stiles es heute morgen getan hatte, als er Greenburg dazu angestiftet hatte, einfach in seiner Firma anzurufen und ihn krank zu melden. Derek musste einen Augenblick in sich hineinhorchen, um zu ergründen, wie er sich damit fühlte. Er war mehr als verblüfft, als er die Antwort auf diese Frage gefunden hatte, insbesondere angesichts dessen, dass Stiles ihn in diesem Moment anschaute, als wolle er ihn ermorden. Er fühlte sich... warm! Es gefiel ihm, das jemand mit ihm umging, als sei er ein echter Mensch und nicht bloß eine Menge Macht und Geld. Und Derek lächelte. „Was gibt es denn da zu Grinsen, Hale? Machst du dich etwa lustig über mich?“ empörte sich Stiles. Derek schüttelte den Kopf: „Überhaupt nicht!“ versicherte er schnell: „Es ist nur... du bist einfach großartig, Stiles!“ Dem Jungen fiel die Kinnlade herunter. Kapitel 13: Vergangenheit und Zukunft ------------------------------------- Beim Frühstück blickte Derek immer wieder verstohlen zu Stiles hinüber, bis dieser sich irgendwann ein wenig genervt erkundigte: „Ist irgendwas?“ Ertappt schüttelte der Ältere den Kopf. Nach einer Weile schob er hinterher: „Wegen letzter Nacht... Danke nochmal!“ Stiles blickte auf und grinste: „Jederzeit!“ Dann wurde seine Miene jedoch ganz plötzlich wieder ernst: „Ich würde übrigens gern noch eine kleine Sache mit dir besprechen“ Er wirkte dabei irgendwie verlegen. Derek musterte ihn stirnrunzelnd und Stiles bat: „Nach dem Essen, in Ordnung?“ Und so setzten sie sich nach dem Frühstück hinüber ins den Salon, wo Stiles sich in eine Ecke des Sofas quetschte und nervös mit seinen Fingern spielte. Auch Derek begann nun ein wenig unruhig zu werden, doch er wartete geduldig ab, bis der Junge bereit war. „Ich habe mir da etwas überlegt.“ begann Stiles nach einer Weile schüchtern, wobei er dem Blick seines Gegenübers auswich: „Etwas wegen meiner Zukunft!“ Wieder eine Pause: „Ich würde mich gern hier in L.A. am College einschreiben. Die Fristen laufen noch einen Monat und es wäre wirklich mein Wunsch! Wie denkst du darüber, Derek? Also, wenn du findest, dass es sich nicht mit meinem... uhm... Arbeitsverhältnis bei dir verträgt, dann lasse ich es natürlich, aber ich würde es wirklich gern tun!“ Erst jetzt traute er sich aufzuschauen. Derek strahlte über das ganze Gesicht: „Das ist alles? Ich hatte schon Angst und habe sonst was erwartet! Aber das ist doch eine wunderbare Idee, Kleiner! Tu es! Bewirb dich! Ich freue mich für dich! Und wenn du dabei finanzielle Unterstützung brauchst...?“ Stiles atmete erleichtert auf und rückte an Derek heran, um ihn zu umarmen: „Nicht nötig!“ versicherte er: „Du bezahlst mich doch bereits reichlich. Damit kann ich mein Studium mehr als finanzieren. Danke, dass du nichts dagegen hast!“ „Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Du bist nicht mein Leibeigener, Stiles! Dein Leben gehört dir und du musst mich doch nicht um Erlaubnis fragen. Und im Grunde ist es doch sogar gut für uns, denn es macht unsere Lüge gegenüber Deucalion ein bisschen kleiner. Außerdem bist du so wahnsinnig schlau. Du solltest also UNBEDINGT studieren! Ich freue mich ehrlich über deine Entscheidung!“ Eine Weile blieben sie aneinander geschmiegt sitzen, etwas, was sie für gewöhnlich lediglich taten, wenn es ans Schlafen ging, oder wenn sie irgendwem etwas vormachen mussten, doch dies hier gerade war echt. Es war Ausdruck von Freundschaft und Verbundenheit und Stiles genoss jede Sekunde, ehe er erklärte: „Jetzt muss ich es nur noch Scott irgendwie beibringen. Ich denke, er wartet bereits auf mich. Irgendetwas sagt mir, dass er die Neuigkeiten nicht ganz so freudig aufnehmen wird.“ Er seufzte und wollte dann wissen: „Wie machen wir es heute Abend? Kommst du da zu mir nachhause? Ich will Scott nicht schon wieder allein lassen.“ Derek war einverstanden. Sie verabschiedeten sich und er brachte seinen Gast noch zur Tür. Scott lag mit einer Tüte Chips vor der Glotze und schaute sich gelangweilt spanische Telenovelas an. Als Stiles hereinkam, lächelte er. „Hey, Bro! Wie hast du geschlafen?“ erkundigte dieser sich bei dem Freund und flegelte sich gemütlich neben ihn: „Wie ein Baby! Und du?“ fragte Scott zurück. Stiles berichtete von der vergangenen Nacht, davon in welch fürchterlichen Zustand Derek gewesen sei und dass er darum kurzerhand ihren Vertrag geändert habe. „Das heißt, du wirst nun jede Nacht bei ihm schlafen?“ fragte Scott missmutig. Stiles schüttelte den Kopf: „Heute Nacht kommt er zum Beispiel hierher. Aber er braucht mich eben und zwar mehr, als er selbst zugeben will. Ich mache mir echte Sorgen um ihn. Du hättest ihn gestern sehen sollen. Er war vollkommen fertig und verstört.“ „Liebst du ihn?“ wollte Scott wissen. Stiles zuckte unzufrieden mit den Schultern und so bohrte sein bester Freund noch ein wenig weiter: „Und liebt ER DICH?“ „Ich schätze, ich bin ihm zwar nicht vollkommen egal, aber Liebe...? Nein, eher nicht!“ antwortete Stiles mit einem traurigen Kopfschütteln. „Armes Baby! Aber dafür liebe ich dich immerhin!“ schnurrte Scott zärtlich und zog den Freund auf sich: „Hey! Nicht! Du bist voller Chipskrümel!“ beschwerte sich Stiles sich kichernd: „Die pieksen!“ „Du kannst sie mir ja von Bauch und Brust lecken!“ bot sein Freund grinsend an. Stiles schenkte ihm einen wissenden Blick: „Und du bist sicher, dass du willst, dass ich das tue und nicht lieber dieses Mädchen?“ Scott verschluckte sich fast an seinen Knabbereien und als er endlich nicht mehr hustete, fragte er entsetzt mit hochrotem Kopf: „Welches Mädchen denn?“ „Was glaubst du denn, von welchem Mädchen ich spreche? Das Mädchen, dass dir auf der Party von Chris ihre Telefonnummer gegeben, welche du seitdem hundert Mal täglich anglotzt, ohne die Kleine anzurufen. Denk´ bloß nicht, dass hätte ich nicht bemerkt! Wie heißt sie noch gleich? Allison?“ erwiderte Stiles mit wissendem Blick. „Ach, hör´ schon auf!“ murrte Scott: „Was denkst denn bloß? Ich werde Allison doch nicht anrufen!“ „Und wieso nicht?“ fragte sein Kumpel ratlos: „Sie ist doch total süß und ihr habt euch gut verstanden! Immerhin habt ihr den ganzen Abend lang miteinander geredet!“ Scott vergrub unbehaglich sein Gesicht an Stiles Hals und murmelte: „Aber sie ist ein Mädchen! Und ich bin doch eigentlich... du weißt schon! Ich war doch noch nie mit einem Mädchen zusammen. Und wenn sie erst einmal erfährt, wie ich mein Geld verdient habe, wird sie mir mit Sicherheit sowieso angewidert vor die Füße kotzen!“ Stiles blickte auf seinen Freund hinab und erwiderte dann schulterzuckend: „Ist doch egal, dass du noch nie mit einem Mädchen geschlafen hast. Nur, weil du dich von Kerlen für´s ficken hast bezahlen lassen, heißt das doch noch lange nicht, dass du schwul bist! Und wer sagt, dass du dieser Allison erzählen musst, dass du angeschafft hast? Du und ich, wir haben die Chance auf einen echten Neuanfang und die sollten wir endlich nutzen! Und genau darüber würde ich gern mit dir reden. Ich habe nämlich auch etwas Neues vor und möchte deine Meinung dazu wissen.“ Scott wirkte überhaupt nicht begeistert, als er von Stiles College-Plänen erfuhr: „Dann sehen wir uns ja überhaupt nicht mehr!“ klagte er: „Und was mache ich in der Zwischenzeit, während du im Unterricht sitzt, oder deinem reichen Gönner zu Diensten bist? Zuhause sitzen, mir die Nägel lackieren und für Teleshopping-Produkte DEIN GELD ausgeben, oder wie hast du dir das vorgestellt?“ „Aber das habe ich doch gerade gesagt! Die Uhr ist auf Null zurückgedreht! Du kannst neu beginnen und alles machen, was du immer schon tun wolltest. Vielleicht willst du arbeiten gehen, oder eine Ausbildung beginnen? Oder du kommst mit mir auf´s College?“ entgegnete Stiles ein kleines bisschen enttäuscht von der Reaktion seines Freundes. Scott lachte bitter: „Das mag für dich ja alles schön und gut sein, aber mein Leben ist eine Einbahnstraße, verstehst du? Alles was ich kann, ist meinen Arsch verkaufen! Ich habe ja nicht einmal einen Highschool-Abschluss!“ „Oh!“ machte Stiles erstaunt und auch ein wenig erschüttert. Wie war es möglich, dass er so etwas Wichtiges nicht von seinem besten Freund wusste? Allerdings war er keineswegs bereit, Scotts Argumentation zu folgen. Er hatte eine Idee und so schlug er aufgeregt vor: „Dann ist es das! Du wirst wieder auf die Highschool gehen und deinen Abschluss machen. Dafür ist es noch längst nicht zu spät!“ Scotts Miene verschloss sich: „Geht nicht!“ behauptete er und setze sich auf, wobei er den Freund, welcher immer noch auf ihm gelegen hatte, ein wenig unsanft abschüttelte,. „Warum geht das nicht?“ fragte Stiles verständnislos und richtete sich ebenfalls auf. Scott schwieg eine halbe Ewigkeit lang. Sein Freund dachte bereits, dass er gar nicht mehr mit der Sprache herausrücken würde, als er doch noch unvermittelt in die Stille hinein sagte: „Ich bin dumm, verstehst du? Ich kann nicht einmal lesen, Stiles! In dem Heim, in dem ich groß geworden bin, hat es niemanden interessiert, was aus uns Kindern wird. Ich habe mein Leben doch längst verkackt!“ Stiles nahm sanft das Gesicht seines Freundes in seine Hände und hauchte ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen: „Bro! Du bist alles, aber doch nicht dumm!“ versicherte ernsthaft: „Du bist wundervoll! Du bist lieb, lustig, schlau, sexy und verdammt noch mal der beste Freund, den ein Mann sich nur wünschen kann! Du hast die Hölle hinter dir und hast es trotzdem geschafft, ein echter Engel zu bleiben! Das schaffen nur ganz besondere Menschen und ich will nicht hören, wie du dich selbst niedermachst!“ Er küsste die Tränen fort, die sich in Scotts Augenwinkeln gebildet hatten und versicherte: „Ich kann dir das Lesen und Schreiben beibringen! Es ist echt nicht so schwer, wie es dir vielleicht vorkommt. Du wirst es im Nu gelernt haben. Wir fangen heute noch damit an, in Ordnung? Und sobald du das Lesen und Schreiben gelernt hast, werden wir eine Schule für die finden und ich werde dir Nachhilfe geben. Ich war damals ziemlich gut in der Schule und hatte überall bloß Einsen; also mal abgesehen von Sport vielleicht. Das wird ganz toll werden, du wirst sehen! Aber erst mal wirst du diese Allison anrufen!“ Er zeigte mit dem Finger in Richtung Telefon. „Ich soll dir also nicht nur weiterhin auf der Tasche liegen, sondern dir auch noch deine Freizeit stehlen, während du versucht ein wenig Wissen in meinen Holzkopf zu prügeln? Was meinst du, wie mies ich mich dabei fühle? Lass´ mich wenigstens einen Job suchen, um etwas zum Haushaltseinkommen beizusteuern!“ erwiderte Scott trotzig und schniefend. „Also erstens ist jede Minute, die ich mit dir verbringe ein Geschenk für mich, denn zufällig liebe ich dich, du Blödmann!“ antwortete Stiles mit liebevoller Strenge: „Und zweitens werde ich nur erlauben, dass du arbeitest, wenn du nebenher trotzdem noch das Unterrichtspensum schaffst, denn das geht nun einmal vor! Und ich kann es mir schließlich neuerdings leisten, ein Kind zur Schule zu schicken!“ „Ich bin aber kein Kind! Und was meinst du bitteschön mit `Erlauben´?“ ereiferte sich Scott: „Du kannst mir nicht verbieten, arbeiten zu gehen! Bist du etwa mein Boss?“ Stiles grinste listig: „Das vielleicht nicht, aber ich bin dein älterer Bruder und damit habe ICH das Kommando!“ „Du bist nicht einmal zwei Monate älter!“ gab Scott trotzig zurück, doch Stiles behauptete: „Das sind entscheidende sieben Wochen! Lass´ es uns so machen, ja? Biii-ttee Bro!“ Scott ärgerte sich selbst, weil er sich von dem wahnsinnig süßen Lächeln seines Freundes anstecken ließ. Und Stiles hatte es ernst gemeint, als er sagte, sie würden sofort mit dem Unterricht beginnen. Bis zum Nachmittag klebte an jedem Ding in der Wohnung der Freunde ein Zettel, auf welchen in Druckbuchstaben der Name des Gegenstandes geschrieben stand – zu Übungszwecken! Und Scott war da bereits in der Lage, einfache Sätze zu lesen; stockend zwar, aber immerhin! Es gab ihm die Zuversicht, dass er es tatsächlich irgendwann vollständig beherrschen könnte. Stiles war ein verdammt guter Lehrer. Außerdem hatte Scott ein Date mit Allison für den nächsten Tag. Er hatte sie auf ein Picknick am Santa Monica Pier eingeladen Gegen acht Uhr kam Derek in ihre Wohnung. Stiles hatte für ihn und Scott gekocht. Es war nicht Besonderes, bloß Pasta Pesto und ein gemischter Salat, aber immerhin hatte er das Pesto selbst gemacht und seinen beiden Männern schmeckte es großartig. Ehe es danach ins Bett ging, machten es die Drei sich mit Mikrowellenpopcorn im Wohnzimmer vor der Glotze gemütlich. Sie schauten einen albernen Teenagerfilm aus den Achtzigern. Michael J. Fox mimte da einen dürren Loser, der sich in einen Werwolf verwandelte und daraufhin über Nacht zum Star seiner Schule und einem gefeierten Basketball-As wurde. So ein Blödsinn! Danach folgte Derek Stiles in sein Schlafzimmer, während Scott, der nun tatsächlich Feuer gefangen hatte, noch wach blieb, um ein paar Schreibübungen zu machen. Nachdem es Derek und Stiles heute irgendwie nicht gleich gelingen wollte einzuschlafen, fragte Stiles irgendwann in die Dunkelheit hinein: „Erzählst du mir von deiner Familie, Derek? Was waren sie für Menschen? Und wie kommt es, dass du damals als einziger das Feuer überlebt hast? Hast du deswegen diese wiederkehrenden Alpträume? Sind es Erinnerungen, die dich heimsuchen?“ Der Ältere versteifte sich bei diesen unangenehmen Fragen auf der Stelle „Darüber spreche ich nicht!“ antwortete er unterkühlt. Stiles setzte sich auf, schaltete die Nachttischlampe ein und nahm seinen Bettnachbarn kühl ins Visier: „Und wieso nicht? Du denkst doch nicht etwa immer noch, ich könnte deine Geheimnisse an die Regenbogenpresse verkaufen, oder? Zum Beispiel unter folgender Schlagzeile: `Das Leben und Sterben der Hale-Dynastie – Jetzt spricht Derek Hales männliche Hure!´ Ich dachte echt, du vertraust mir mittlerweile ein bisschen!“ „Also erstens solltest du mindestens einen Buch-Deal aushandeln, falls du wirklich so etwas planen solltest, denn sonst lohnt sich diese ganze Sache nicht!“ brummte Derek unzufrieden und richtete sich ebenfalls auf: „Und zweitens: Nein, ich denke nicht, dass du mir so etwas antun würdest. Ich vertraue dir, Stiles. Immerhin schlafe ich mit dir in einem Bett. Welchen Vertrauensbeweis brauchst du noch? Aber darum geht es auch gar nicht! Ich kann nicht über meine Familie, oder das Feuer sprechen. Es... es tut einfach zu weh! Ich will diese ganze Sache einfach nur vergessen, verstehst du das nicht?“ „Das verstehe ich sogar leider viel zu gut!“ versicherte Stiles traurig: „Ich bin nur überzeugt, dass das nicht funktioniert! Der Schock darüber, dass meine Eltern damals so plötzlich verstorben sind, hat mich ganz einfach umgehauen. Wann immer die Erinnerungen an sie hochkamen, habe ich sie sofort verdrängt, weil ich dachte, ich überlebe den Verlust sonst einfach nicht. Aber dann habe ich irgendwann doch damit angefangen, Scott von ihnen zu erzählen und da wurde es tatsächlich besser. Über Mum und Dad zu sprechen, mich an sie zu erinnern bewirkt, dass ich das Gefühl habe, dass sie nicht so ganz verschwunden sind. Etwas bleibt von ihnen...“ Stiles Stimme brach und seine Augen füllten sich mit Tränen. Er setzte noch einmal an: „... Etwas bleibt von ihnen, solange ich an sie denke!“ „Du hast mir nie etwas von deiner Vergangenheit erzählt!“ stellte Derek fest und nahm Stiles Hände in seine eigenen: „Dann machen wir jetzt einen Deal!“ schlug der Jüngere vor, atmete tief durch und straffte sich: „Wir erzählen uns gegenseitig etwas von unseren Familien. Und nun bist du dran, Kumpel!“ Derek starrte angestrengt über Stiles rechte Schulter an die Wand und schwieg so beharrlich, dass sein Gegenüber gar nicht mehr mit einer Antwort, welcher Art auch immer rechnete. Und so kam es, dass er erschrocken zusammenzuckte, als Derek schließlich doch noch zu sprechen begann: „Mein Vater war der sanfteste Mensch, den du dir vorstellen kannst. Er hatte stets eine Engelsgeduld mit uns Kindern, ganz gleich was wir angestellt hatten. Er hat stundenlang mit uns gespielt, gezeichnet oder uns vorgelesen. Das Familienunternehmen hat er mit meiner Mutter zusammen geführt, bis mein Onkel es später übernommen hat.“ Aus den Medien wusste Stiles, dass Derek zwar mit seiner eigenen Computerfirma ein Riesenvermögen gemacht und damit das Unternehmen seiner Familie noch überflügelt hatte, doch er entstammte dennoch einer langen Ahnenreihe des Geldadels. Was vor über zweihundert Jahren Jahren mit einem einzelnen Geschäft für Kolonialwaren begonnen hatte, war im Laufe der Zeit zu einer überaus erfolgreichen, landesweit verbreiteten Supermarktkette geworden, die ein Vermögen einbrachte, bis Derek sie nach dem Tod seiner Familie abgestoßen hatte. Seitdem ging es mit dem Unternehmen, welches immer noch den Traditionsnamen `Hale´führte irgendwie den Bach hinunter. „Mein Vater war kein Geschäftsmann im wirklichen Sinne.“ fuhr Derek fort. Seine Sprechweise war monoton, so als habe sein Bericht überhaupt nichts mit ihm zu tun, doch an seinem matten Lächeln konnte Stiles erkennen, dass dies keineswegs der Wahrheit entsprach: „Dad kümmerte sich viel lieber um seine zahlreichen Wohltätigkeitsprojekte und so weiter, aber immerhin hat er ein großartiges Händchen bei der Partnerinnenwahl bewiesen. Meine Mutter war eine fantastische Frau; eine echte Anführerin mit Ellenbogen und Cleverness! Thalia Hale konnte wirklich ungemütlich werden! Auch mit uns Kindern war sie oft streng und im Geschäftsleben machte ihr niemand etwas vor. Das Geschäft allerdings war nie so erfolgreich, wie von dem Moment an, als sie eingestiegen ist. Doch so unnachgiebig sie im Arbeitsleben auch gewesen sein mochte, meinem Vater gegenüber war sie eine liebevolle Gefährtin. Die beiden haben sich über alles geliebt und ich habe meine Eltern nie auch nur ein einziges unfreundliches Wort miteinander wechseln hören. Die Zwei gehörten einfach zusammen. Es war Bestimmung, verstehst du?“ Stiles nickte. Er verstand, denn er dachte dabei an seine eigenen Eltern. „Und dann war da mein Onkel Peter! Von ihm hast du sicherlich aus den Medien gehört.“ fuhr Derek fort. Und das hatte Stiles tatsächlich. Die Hale-Familie, obwohl so reich und mächtig, hatte sich immer sehr aus der Öffentlichkeit ferngehalten. Die einzige Ausnahme bildete Peter Hale. Die Klatschspalten waren immer wieder voll gewesen von den wildesten Geschichten, welche sich um diesen Mann rankten. Er soll etwas mit beiden Hilton-Schwestern gehabt haben und zwar zur selben Zeit! Bei seinen legendären Partys soll es zugegangen sein wie im alten Rom; Sex, Drogen, Schlägereien und einmal wurde sogar ein Hotelzimmer in Brand gesteckt. Dann war da diese Blitzhochzeit mit irgendeinem Hollywood-Sternchen, dessen Namen Stiles bereits wieder vergessen hatte, welche gleich am nächsten Tag, als beide wieder nüchtern waren annulliert worden war. Und dennoch hatten die Klatschblätter wochenlang kein anderes Thema. „Natürlich war Peter kein Engel!“ fuhr Derek fort: „Aber die meisten Geschichten, die man über ihn lesen konnte, waren heillos übertrieben. Sicher, er hatte Affären, liebte Sex, schnelle Autos und Alkohol. Er war eben einfach eine von diesen `Larger-Than-Life-Persönlichkeiten´. Wir sind praktisch zusammen aufgewachsen. Er war nur wenige Jahre älter als ich und nachdem meine Großeltern gestorben waren, hat meine Mutter ihren Bruder aufgenommen und großgezogen. In Peters Schatten groß zu werden konnte manchmal ein Alptraum sein. Ich war ein wirklich hässlicher Teenager und er hat mir regelmäßig die Mädchen ausgespannt. Aber dennoch habe ich ihn geliebt. Mit seinem Charme und seinem Humor hat er einen vieles einfach vergessen lassen. Er war mein Idol und wahrscheinlich der beste Freund, den ich jemals hatte.“ „Du bist irgendwann mal hässlich gewesen?“ schaltete sich nun Stiles grinsend ein: „Weißt du, dass es unheimlich beruhigend ist, zu hören, dass der schönste Mann unter der Sonne auch mal eine abstoßende Episode hatte? Da fühle ich mich gleich ein kleines bisschen weniger eingeschüchtert von dir.“ Derek lächelte und legte einen Arm um die Schulter des Jüngeren, ehe er fortfuhr: „Mit Peter fühlte sich das Leben leicht an. Er hatte so etwas Unbeschwertes und Unverwüstliches an sich; das mir irgendwie Halt und Sicherheit gegeben hat. Und deswegen ist es für mich auch immer noch so schwer zu glauben, dass er wirklich tot sein soll, denn irgendwie war er mehr Legende als Mann! Und wenn er jetzt hier wäre, würde er mich schallend dafür auslachen, dass ich so über ihn spreche.“ Stiles gab Derek einen kleinen Kuss auf die Wange und kommentierte: „Ich wünscht, ich hätte ihn kennengelernt.“ Derek lachte: „Ich bin froh, dass du das nicht hast, denn er hätte unter Garantie alles daran gesetzt, dich flachzulegen!“ Stiles blickte überrascht auf: „Dein Onkel war schwul?“ Derek schmunzelte in sich hinein: „Peter hat in kein Schema gepasst. Wie gesagt liebte er Sex! Frauen fand er großartig, aber für süße, schlaue, lustige Jungs wie dich hatte er definitiv auch eine Schwäche.“ Stiles lächelte verlegen. Derek fand also, dass er süß sei? Wärme breitete sich auf seinem Gesicht aus. Derek berichtete noch eine Weile von seinen zahlreichen Geschwister; sechs an der Zahl und Stiles konnte sich Bemerkung nicht verkneifen, dass seine Eltern sich wohl WIRKLICH sehr geliebt haben mussten. Insbesondere schwärmte Derek von seiner jüngsten Schwester und ein unglaubliches Strahlen lag auf seinem Gesicht, als er von ihr erzählte: „Cora war mein größter Schatz! Praktisch vom Tag ihrer Geburt an hat sie immer meine Nähe gesucht. Von all meinen Geschwistern war sie mir sicherlich am Ähnlichsten. Sie war nicht so ein Sonnenschein wie Peter und die Anderen, aber wir beide haben uns immer verstanden. Sie und meine Mutter haben sich andauernd gestritten. Da flogen die Fetzen, kann ich dir sagen! Und wenn Cora hinterher Trost suchte, oder sich auskotzen wollte, dann kam sie zu mir. Am Tag des Feuers waren wir auch zusammen.“ Hier schlug Dereks Stimmung um. Sein ganzer Körper spannte sich an und sein Lächeln gefror: „Ich habe ihre Hand gehalten und wir haben versucht in Freie zu gelangen. Plötzlich hat sie sich losgerissen. Sie wollte unsere Familienkatze retten. Ich habe sie gesucht Stiles! Ich habe nach ihr gerufen, doch da war der ganze Qualm, das Brüllen der Flammen, die Hitze... ! Ich dachte ich würde ersticken, oder verbrennen, also bin ich schließlich allein nach draußen gerannt. Ich hatte gehofft, sie und die blöde Katze seien schon dort, doch sie hat es nicht geschafft. NIEMEND hat es geschafft. Ich war ganz allein!“ In Dereks Miene spiegelte sich Verzweiflung. Sein Schmerz wirkte, als sei er ganz frisch und dann kamen endlich die lange zurückgehaltenen Tränen: „Sie... sie war erst vierzehn Jahre alt! Sie war mein Baby und... und ich habe sie sterben lassen!“ stammelte Derek mit erstickter Stimme und brach darauf in ein herzzerreißendes, markerschütterndes Wehklagen und Schluchzen aus. Stiles wickelte sich mit allem was er hatte und war; seinen Armen, Beinen und dem Leib um den hilflos bebenden Körper, um einen Kokon für ihn zu sein, in dem der Trauernde sich verbergen konnte. Stiles wiederholte mantraartig immer wieder: „Es ist nicht deine Schuld, Derek! Du hättest es nicht verhindern können! Ich bin bei dir! Du bist nicht mehr allein!“ Derek kam ihm vor wie jemand, der überhaupt keine Erfahrung darin hatte, seinen Schmerz auszudrücken. Die Tränen des Älteren flossen nicht einfach; nein, sie suchten sich unter großen Schmerzen ihren Weg an die Oberfläche. Es schien den großen, starken Kerl beinahe zu zerreißen! Stiles kam es vor, als habe er Derek bis zu diesem Tag überhaupt nicht gekannt. Erst heute konnte er ermessen, was dieser alles verloren hatte und falls Stiles bis jetzt noch Zweifel gehabt hatte, ob er ihn liebte, so waren diese in dieser Minute verschwunden. Er liebte ihn mit allem, was er hatte; mit jeder einzelnen Faser seines Körpers und er wollte ihm all´ die unmöglichen Dinge geben, die Derek so nötig brauchte: Sicherheit, Liebe, Familie und ein warmes Zuhause... Doch alles was Stiles für ihn hatte, war dieser `Faking-It´-Deal und die Nächte gemeinsam im selben Bett, welche bloß ein Geschäft waren und nicht Liebe! Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis Derek sich wieder einigermaßen gefangen hatten. Eine Zeit lang war er sogar derart außer sich gewesen, dass man annehmen könnte, er würde ersticken, doch Stiles machte sich keine Sorgen. Dies hier war ein Reinigungsprozess, wusste er. Und der hatte gerade erst begonnen! Schließlich versiegten endlich die Tränen und zurück blieb ein Derek, der zwar einerseits unendlich erschöpft wirkte, doch andererseits schien er wie von einer tonnenschweren Last befreit. Nie hatte Stiles die schönen Gesichtszüge so gelöst und weich gesehen: „Das hast du sehr gut gemacht! Ich bin stolz auf dich!“ flüsterte er dem Älteren zu und hauchte ihm einen Kuss auf die Schläfe: „Und nun lass´ uns ein wenig schlafen!“ Er zog Derek neben sich und breitete eine Decke über sie beide. Kapitel 14: Normal ist die Parole --------------------------------- Derek und Stiles saßen allein am Tisch, denn wie so oft schlief Scott lieber ausgiebig aus, anstatt mit ihnen zu Frühstücken. Beide Männer hatten abgesehen von einem `Guten Morgen´ bislang noch kein Wort miteinander gewechselt, seit sie vor einer halben Stunde aus den Federn gekrochen waren. Stiles entging natürlich nicht, dass sein Gegenüber ganz offensichtlich nach Kräften bemüht war, möglichst vollständig in seinem Kaffeebecher zu verschwinden und schließlich konnte er Derek nicht länger leiden sehen. Stiles erhob sich und nahm auf dem Schoß des Älteren Platz und versicherte: „Das, was letzte Nacht geschehen ist, ist nichts, was dir peinlich sein müsste, Baby! Du hast doch bloß ein kleines bisschen geweint und das war auch schon alles. Das muss auch bei harten Jungs wie dir mal sein; ehrlich! Scott und ich tun das ständig!“ „ICH aber nicht!“ erwiderte Derek mürrisch. „Bloß weil bislang niemand zum Trösten da war, aber das ist jetzt vorbei!“ stellte Stiles klar und strich dem Älteren durch das Haar: „Jetzt bin ICH nämlich hier und bei mir darfst du jederzeit heulen! Ich verrat´s auch keinem!“ Derek gab einen unzufrieden Laut von sich: „Es ist peinlich!“ brummte er leise. „Ich weiß, dass du das denkst, Dummchen, aber dafür gibt es absolut keinen Grund! Im Gegenteil! Du warst gestern ganz toll und mutig! Endlich hast du dich deinen Dämonen gestellt. Ich bin stolz auf dich!“ Stiles drückte dem Älteren einen Kuss auf die Stirn: „Und nun sei kein Snob, reicher Junge und iss deine Pfannkuchen! Es mag ja sein, dass dein verwöhnter Luxusgaumen Besseres gewöhnt und dass dies nur eine Fertigmischung ist, aber dafür habe ich sie mit Liebe für dich zusammengerührt, also Mund auf!“ Stiles grinste und begann Derek zu füttern. Der Ältere lächelte auch und schnappte sich brav den hingehaltenen, vor Sirup triefenden Happen: „Guter Junge!“ lobte ihn Stiles. Und damit war das Thema `Unangemessenes-Verhalten-für-echte-Kerle´ Gott sei Dank fürs Erste von Tisch! Nach dem Frühstück machte Derek sich für´s Büro fertig und er und Stiles verabredeten sich für den Abend in seinem Palast, ehe er schließlich verschwand. Als Scott eineinhalb Stunden später schlaftrunken in die Küchen getapst kam, fand er dort einen Stiles vor, welcher ihm den Rücken zuwandte und hoch konzentriert mit irgendetwas Wichtigem beschäftigt zu sein schien: „Und? Was hast du denn da Gutes für Daddy, du dreckiges, kleines Flittchen?“ begrüßte Scott seinen besten Freund schnurrend, packte mit beiden Händen nach dessen kleinem, in Jeans gekleideten Arsch und küsste seinen Nacken. „Guten Morgen, du Lustmolch!“ erwiderte Stiles fröhlich: „Ja richtig, das hier ist für dich, aber es ist nicht für jetzt! Das ist dein Picknick für heute Nachmittag, denn schließlich geht Liebe durch den Magen und ich will, dass dieses Mädchen sich Hals über Kopf in dich verliebt! Aber wenn du jetzt Hunger hast, dann ich habe noch ein wenig Pfannkuchenteig übrig.“ Er stellte die Pfanne auf den Herd, gab ein wenig Butterschmalz hinein und wollte dann wissen: „Weißt du eigentlich schon, was du nachher anziehen wirst?“ „Nichts!“ erwiderte Scott: „Uhm... also, ich meine... ich werde Allison wohl absagen. Ich hab´s mir anders überlegt. Ich habe keine Lust auf dieses Treffen.“ Stiles fuhr herum wie ein Wirbelwind und stemmte die Fäuste in Seiten: „Wie bitte? Was ist los? Du hast KEINE LUST? Hast du jetzt den Verstand verloren, oder wie? Das kommt gar nicht in Frage, Freundchen! Es wird nicht gekniffen! Ich habe immerhin Gurkensandwiches für euch gemacht!“ „Ich kneife nicht!“ behauptete Scott: „Um mich geht es dabei auch überhaupt nicht, sondern bloß um sie! Allison ist ein echt nettes Mädchen; behütet, gebildet, aus gutem Hause...! Kannst du mir vielleicht mal verraten, was sie da mit jemandem wie MIR anfangen soll? Ich habe mit Sicherheit zehnmal so viele Schwänze in meinem Leben gesehen wie sie, doch abgesehen davon habe nicht die kleinste Sache im Leben vorzuweisen! Ich besitze keinen roten Heller, habe keinen Schulabschluss, keinen Job und wenn´s richtig blöd gelaufen ist, dann habe ich mir vielleicht sogar irgendetwas Ekliges bei einem Freier eingefangen, dass nun unerkannt in meinem Körper schlummert und das ich schlimmstenfalls heute an sie weitergeben werde! Wenn ich Allison wirklich mag, wieso sollte ich ihr dann all das zumuten? Das wäre doch wirklich nicht fair! Warum soll ich ihr nicht lieber die Chance geben, jemand Besseren zu finden, bevor es zwischen uns beiden ernst wird?“ „Jetzt sei kein Idiot, Alter!“ schimpfte Stiles: „Du wirst heute an Allison überhaupt nichts weitergeben, denn es ist doch erst euer erstes Date! Und wenn ich eine Sache über Mädchen wie sie weiß, dann dass dieses mit Sicherheit nicht im Bett endet. Weißt du, was wir machen? In den nächsten Tagen lassen du und ich uns auf alles Mögliche testen, nur um ganz sicher zu gehen, einverstanden? Und zu dem anderen Blödsinn, den du mir gerade erzählt hast, sage ich: Du magst kein reicher Kerl mit großartiger Karriere sein, aber du hast ein riesiges, wundervolles Herz. Und wenn Allison die Frau ist, von der ich hoffe, dass sie sie ist, dann wird dies das einzige sein, was für sie wichtig ist! Ich sage ja gar nicht, dass es leicht werden wird, ihr beizubringen, wie dein bisheriges Leben gewesen ist und dabei würde ich auch sehr behutsam und geschickt vorgehen, aber am Ende bin ich sicher, sie kommt irgendwie damit klar! Und nun schau dir an, was ich für euer Picknick vorbereitet habe!“ Neben den bereits erwähnten Gurkensandwiches hatte Stiles kleine Hähnchenspieße mit Mozzarella und Cherrytomaten hergestellt, einige herrliche, kalifornische Trauben in flüssige Schokolade getaucht und aus einer reifen Wassermelone Herzen und Sterne ausgeschnitten. Scott hatte Tränen in den Augen, als er all dies erblickte: „Ist das toll! Du bist der beste Freund der Welt!“ schniefte er gerührt. „Ich liebe dich, Mann! Und ich will, dass du einen richtig tollen Tag hast!“ erwiderte Stiles bloß schulterzuckend und drückte Scott seinen Teller mit den Pfannkuchen in die Hand. Scott frühstückte und damit er bis zu seinem Date vor Aufregung nicht den Verstand verlor, holten er und Stiles die Spielekonsole hervor und sie zockten, bis es Zeit wurde aufzubrechen. Ein paar Mal wäre Scott am liebsten wieder aus dem Bus gesprungen, doch er hielt tapfer durch und als er ankam, wartete Allison bereits am verabredeten Treffpunkt beim Santa Monica Pier und wirkte genau so aufgeregt wie er selbst. Sie sah unheimlich süß aus, wie sie mit ihren Haaren spielte, weil sie nicht wusste, wohin mit ihren Händen. Scott schlug das Herz bis zum Hals: „Hey!“ murmelte er und kratzte sich am Hinterkopf: „Hey!“ machte auch Allison und umarmte Scott schüchtern: „Ganz schön voll hier, was?“ „Ist es doch immer. Findest du es blöd hier? Willst du vielleicht lieber woanders hingehen?“ erkundigte sich Scott verunsichert. Allison schüttelte den Kopf, nahm Scott bei der Hand und sie marschierten los. Tatsächlich gelang es den beiden jungen Leuten auf Anhieb, auf dem überfüllten Pier eine der weißen Bänke für sich zu reservieren und Scott präsentierte den Inhalt seines Picknickkorbes, der eigentlich ein Rucksack war und drohte den Seevögeln, die sich sofort interessiert um sie scharten mit den Fäusten. Allison kicherte begeistert, als die ganze Herrlichkeit erblickte und fragte: „Wow! Sag´ bloß, du kannst kochen? Das sieht echt toll aus!“ „Ich würde gern sagen, dass ICH das für dich gemacht hätte, aber eigentlich ist dies hier Stiles Art, uns beiden einen schönen Tag zu wünschen.“ bekannte Scott verlegen. Er würde Allison noch so oft anlügen müssen, da wollte er nicht schon beim Essen damit anfangen. Er reichte seiner Begleiterin eine Limo, einen Pappteller und baute die Vorratsdosen mit den Köstlichkeiten vor ihr auf, damit sie sich bedienen konnte. Allison kostete und erwiderte strahlend: „Dann sag deinem Freund vielen Dank für seine Mühe und dass er gern öfter für uns beide kochen darf, denn das hier ist echt lecker!“ „Ich werd´s ihm ausrichten!“ versicherte Scott grinsend und probierte einen der Hähnchenspieße. Die Sonne schien warm auf die beiden hinab, während sie auf den Pazifik blickten, sich an dem Picknick labte und dabei das bunte Treiben um sich herum vollständig ausblendeten. Scott lauschte auf Allisons Erzählungen über ihre Familie; darüber wie schwierig ihr Verhältnis zu ihrer Mutter sei, wie sehr sie ihren Dad bewundere und wie abgrundtief sie ihren Großvater zu Lebzeiten verabscheut hatte. Scott selbst hielt sich lieber bedeckt, denn was konnte er auch schon erzählen? Dass seine Mutter schon seit einer Ewigkeit tot war und sein Vater sich einen Dreck um ihn scherte, weshalb er seit seinem sechsten Lebensjahr zwischen verschiedenen Pflegefamilien und Heimen herumgereicht worden war, wo er Prügel und Missbrauch erlebt hatte und dass er mit dreizehn beschlossen hatte, wenn er schon den Arsch hinhalten müsse, dass er sich dann wenigstens dafür bezahlen lassen könne? Das waren wohl eher nicht die Themen, über die man unverbindlich und nett beim ersten Date plaudern konnte, also hielt er die Klappe. „Rede ich eigentlich zu viel?“ fragte Allison irgendwann verunsichert. Scott lächelte: „Ich höre dir gern zu!“ versicherte er schnell, rückte ein wenig näher an seine Begleiterin heran, nahm all seinen Mut zusammen und legte zaghaft einen Arm um sie. Allison grinste und legte zufrieden ihren Kopf an seiner Schulter ab: „Es ist echt schön hier.“ fand sie. Scott spürte in diesem Moment ein völlig neues und unbekanntes Kribbeln im ganzen Leib. Seine Haut schien zu glühen, überall dort, wo Allisons Körper den seinen berührte. Davon redeten also immer alle, wenn sie von Verliebtheit sprachen! Irgendwann hatte Scott das Gefühl, es einfach nicht mehr aushalten zu können. Es war ganz einfach zu aufregend und intensiv: „Hast du Lust, Karussell zu fahren?“ fragte er deshalb. „Gern!“ versicherte Allison und sprang von der Bank auf. Stiles hatte darauf bestanden, dass Scott hundert Dollar mitnähme, damit er Allison überall einladen könnte, denn er war der Meinung, dass man das eben so mache, auch wenn Frauen heutzutage in allen anderen Fragen gleichberechtigt seien. Natürlich hatte sein bester Freund seine Weisheiten über Frauen bloß aus Filmen, aber Scott wollte lieber auf Nummer sicher gehen und nichts falsch machen und so lief er los, um zwei Tickets zu lösen. Wenig später hockten er und Allison nebeneinander auf zwei dieser bemalten Holzpferdchen, die sich im Kreis und gleichzeitig auf und ab bewegten, als die Fahrt los ging, während im Hintergrund eine altmodische Drehorgelmusik spielte und sie drehten mehrere Runden, bis Allison irgendwann lachend zugab, dass ihr langsam schlecht wurde. Danach liefen sie den Pier auf und ab, schauten sich die bunten Buden, die Menschen und die Schausteller an, drehten noch eine Runde auf dem Riesenrad, stellten sich für die Achterbahn an und als ihnen der Trubel am Pier irgendwann zu viel wurde, gingen sie hinunter zum Strand und stapften Hand in Hand durch den warmen, sonnenbeschienenen Sand. Sie waren bereits ein ganzes Stück gelaufen und um sie herum waren nur noch wenige Menschen, als Allison irgendwann stirnrunzelnd fragte: „Hörst du das auch? Es klingt wie ein Jaulen, oder nicht?“ Scott lauschte angestrengt und zunächst hörte er nichts, abgesehen vom Rauschen der Wellen und den Motorbooten in der Ferne, doch dann vernahm auch er das leise Fiepen nicht weit von ihnen: „Es kommt von da vorn aus dem Gebüsch!“ stellte er fest und beide liefen hinüber, um nachzusehen. Verborgen hinter ein paar Zweigen hockte ein junger Hund, der nun, da er entdeckt worden war, leise zu Knurren begonnen hatte. Das arme Kerlchen war in erbarmungswürdigem Zustand. Das hellbraune, gelockte Fell war verklebt von getrocknetem Blut, welches aus teilweise bereits eitrigen Wunden ausgetreten war und der kleine Körper war vollkommen abgemagert. „Um Himmels Willen! Das sieht ja richtig böse aus! Was machen wir denn mit dem armen Kleinen?“ rief Allison entsetzt aus: „Wir können ihn jedenfalls nicht einfach hier lassen, denn allein überlebt er mit Sicherheit nicht. Aber er sieht aus, als hätte er einiges hinter sich, so als sei er schwer misshandelt worden. Er wird uns sicher nicht einfach so erlauben, ihn mitzunehmen. Wir müssen erst sein Vertrauen gewinnen.“ stellte Scott fest, holte eine Flasche Mineralwasser aus seinem Rucksack, gab etwas davon in eine leere Vorratsdose und stellte diese behutsam vor den Hund hin. Das Tier musterte die beiden Menschen misstrauisch, traute sich dann aber doch an das Wasser heran und begann gierig zu trinken. Scott musste die Dose zweimal nachfüllen, ehe der Durst der armen Kreatur gelöscht war: „Bestimmt hast du auch Hunger, was Kleiner?“ fragte Scott sanft, kraulte zaghaft den pelzigen Kopf und bot dem Tier dann Reste der Hähnchenspieße an, über welche dieses sich sogleich hungrig hermachte. Nachdem sie nun ihre Freundschaft besiegelt hatten, zog Scott seine Jeansjacke aus und wagte es, den kleinen, zitternden Körper darin einzuwickeln und hochzunehmen: „Wir sollten ihn zu einem Tierarzt bringen!“ schlug Scott vor und Allison begann, mit ihrem Handy zu suchen: „Da ist einer eineinhalb Meilen von hier. Wir können meinen Wagen nehmen!“ erwiderte sie. Also trugen sie den Hund zum Auto und machten sich auf den Weg. Der Tierarzt war ein attraktiver, kahlköpfiger Afroamerikaner in den Vierzigern. Er musterte die beiden jungen Leute auf seiner Türschwelle mit einem eindringlichen und irgendwie mysteriösem Blick und sagte: „Eigentlich wollte ich gerade Feierabend machen, aber es sieht wohl so aus, als hätten wir es hier mit einem Notfall zu tun, was? Wo habt ihr Zwei den armen Burschen denn gefunden?“ Gemeinsam berichteten Allison und Scott, wie sie zu dem Vierbeiner gekommen waren, während sie dem Veterinär ins Innere der Praxis folgten. Scott setzte das Tier auf den metallenen Behandlungstisch und nahm ihm die Jeansjacke wieder ab, damit der Arzt ihn sich anschauen konnte, doch kaum, dass dieser sich dem Hund näherte, begann der auch schon zu Knurren, sein Fell aufzustellen und die Zähne zu blecken: „Hör mal, Kumpel! Das ist aber nicht lieb!“ sagte Scott ruhig und kraulte den kleinen Kopf besänftigend: „Der nette Doktor will dir doch nur helfen!“ Und tatsächlich erlaubte das Tier dem Arzt nun, beruhigt durch Scotts Streicheleinheiten, ihn zu untersuchen: „Du hast ein Händchen für Tiere!“ stellte der Veterinär anerkennend fest, doch Scott beeilte sich zu sagen: „Nein, nein, es liegt wohl nur daran, dass ich den Kleinen hier mit Futter bestochen habe!“ Der Tierarzt schüttelte den Kopf und erwiderte bestimmt: „Nein, ich denke, es ist mehr als das. Du suchst nicht zufällig einen Job, oder?“ Scotts Kopf schnellte hoch: „Doch, Sir, das tue ich!“ versicherte er schnell. „Du kannst mich Alan nennen.“ erwiderte der Tierarzt lächelnd: „Ich suche jemanden, der mir hier in der Praxis zur Hand geht… die Käfige sauber hält, ans Telefon geht, mir in den Sprechstunden bei den Tieren hilft und so weiter. Der Junge, der das bisher gemacht hat war leider sehr unzuverlässig und de Tiere haben ihm nicht vertraut, also musste ihm kündigen. Ich kann leider nicht viel zahlen, aber vielleicht hast du ja trotzdem Interesse?“ Scott nickte heftig und strahlte über das ganze Gesicht: „Das klingt toll!“ versicherte er. Oh, ja, Scott wollte den Job! Er wollte ihn sogar beinahe so sehr, wie er Allison wollte. Eine normale Arbeit für einen normalen Jungen und eigenes Geld, dass er nicht dadurch verdiente, dass er seinen Körper verkaufen musste. Scott wurde beinahe schwindelig vor Glück! „Fein!“ sagte Alan: „Dann komm´ doch einfach morgen gegen zehn Uhr vorbei, wir machen den Vertrag und danach kannst du auch schon anfangen. Einverstanden?“ Er hielt dem Jüngeren die Hand hin und Scott schlug begeistert ein: „Einverstanden!“ bestätigte er: „Ich freue mich!“ „Und euren Hund behalte ich über Nacht zur Beobachtung hier. Wir können ja morgen entscheiden, was mit ihm geschehen soll.“ erklärte Alan und legte dem Tier den letzten Verband an. „Wie viel Geld bekommen sie eigentlich von uns für die Behandlung?“ fragte Scott unbehaglich, weil er ahnte, dass die vierundsechzig Dollar, die er noch in der Tasche hatte dafür nicht ausreichen würden, doch der Tierarzt winkte ab: „Du kannst es bei mir abarbeiten. Mach´ dir darüber keine Gedanken!“ versicherte er und wollte dann wissen: „Wie soll euer kleiner Freund denn eigentlich heißen? Ich muss schließlich irgendeinen Namen an den Käfig schreiben.“ „Skippy.“ antwortete Allison spontan: „Ich finde, er sieht aus, wie ein Skippy.“ Scott lächelte: „Einverstanden! Du bist der Boss. Aber dir ist schon klar, dass er uns gehört, sobald wir ihm einen Namen geben, oder?“ Er schüttelte den Kopf: „Ts, ts! Du hast es ja wirklich ganz schön eilig, meine Liebe! Also ich hätte mit der Familienplanung ja wenigstens bis zu unserem ZWEITEN Date gewartet.“ Allison kicherte und boxte Scott in den Oberarm: „Ich weiß eben, was ich will, wenn ich es sehe!“ erklärte sie schlagfertig: „Und nun verabschiede dich von Skippy, denn unser Date ist nämlich noch nicht vorbei!“ Scott streichelte den Hund zum Abschied, trug ihm auf, lieb zu sein und sich gut zu benehmen, bis sie sich morgen wiedersehen würden und bedankte sich bei Alan überschwänglich für das Jobangebot. Wieder vor der Tür wollte er von Allison wissen: „Und was schlägst du nun für den zweiten Teil unseres Dates vor?“ Allison dachte einen Augenblick darüber nach und entschied dann: „Wir holen uns irgendwo einen Burger und dann setzen wir uns an den Strand und betrachten den Sonnenuntergang, ehe du mir wie ein Gentleman Gute Nacht sagen wirst!“ „Das klingt annehmbar!“ stimmte Scott zu: „Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie ein Gentleman Gute Nacht sagt. Mit einem Handkuss vielleicht und einem nasalen `Gehabt euch Wohl Mylady´?“ Allison kicherte und bestätigte: „Ja, etwas in der Art!“ „Einverstanden! Ich werde mich vorbildlich benehmen!“ versprach Scott und fing schon mal damit an, indem er seiner Begleiterin galant den Arm reichte. Als sie nebeneinander im Sand saßen, ihre Burger und eine Portion Curly-Fries verspeisten und das farbenprächtige Spektakel am Himmel bewunderten erkundigte sich Allison unvermittelt: „Wie kommt es eigentlich, dass du einfach so spontan diesen Job bei dem Tierarzt annehmen konntest. Hast du denn keine anderen Verpflichtungen?“ Bei Scott schellten sämtliche Alarmglocken! Jetzt musste er sehr vorsichtig sein, was er sagte, wenn er nicht dem Mädchen, das ihm so sehr gefiel gestehen wollte, dass er sich noch bis vor einigen Wochen gegen Geld von fremden Kerlen hatte ficken lassen: „Ich war sowieso gerade auf Jobsuche. Es passte mir ganz gut!“ antwortete er also ausweichend. „Und was ist mit deinem alten Job?“ hakte Allison nach. Scott geriet ein wenig ins Schwitzen: „Der... der hat mir nicht mehr gefallen!“ druckste er herum: „Du sprichst wirklich nicht gern über dich selbst, wie?“ stellte Allison fest. Sie klang ein klein wenig verletzt. Scott blickte sie mit flehendem Welpenblick an: „Es ist nicht so einfach. Ichversuche gerade, ein neues Leben zu beginnen und spreche nicht gern über die Vergangenheit. Hast du noch ein bisschen Geduld mit mir? Ich verspreche, eines Tages erzähle ich dir alles von mir, aber ich brauche noch ein kleines bisschen Zeit!“ Allisons Blick war ein wenig misstrauisch: „Aber du hast nicht mit Drogen gehandelt, oder so etwas?“ wollte sie wissen. Scott schenkte ihr ein kleines Lächeln: „Nichts dergleichen. Ich bin auch kein Dieb, oder ein Mörder. Ich verspreche dir, dass ich in meiner Vergangenheit niemandem Schaden zugefügt habe. Reicht dir die Antwort für´s Erste?“ Allison nickte, erwiderte sein Lächeln und legte einen sanften Kuss auf Scotts Wange, was diesen sofort schüchtern erröten ließ, wie eine dumme, albere Jungfrau: „Du bist irgendwie wirklich verdammt süß!“ stellte sie fest. Scott senkte verlegen den Kopf und erwiderte schmunzelnd: „Das bist du auch!“ Nachdem die Sonne im Meer versunken war, begleitete Scott Allison zum Auto und er hatte wirklich die besten Absichten und wollte sich wie ein Gentleman verhalten, doch scheinbar hatte Allison diesbezüglich indes ihre Meinung geändert, denn sie schlang ihre Arme um den überrumpelten Scott, drängte ihn gegen den Wagen und küsste ihn tief, leidenschaftlich, so dass Scott die Knie weich wurden. Ebenso plötzlich, wie der Kuss begonnen hatte, wurde er von Allison allerdings auch wieder beendet. Sie löste sich von Scott, schenkte ihm ein schelmisches Lächeln und fragte: „Wann sehen wir uns wieder?“ Scott atmete erleichtert aus. Sie mochte ihn! Sie wollte sich noch einmal mit ihm treffen! „Ich könnte dich morgen nach der Arbeit anrufen?“ schlug er, immer noch ein wenig überwältigt von dem Kuss vor. „Ich freue mich darauf!“ erwiderte Allison, sprang in ihren Wagen und brauste davon. Stiles war den ganzen Tag total nervös gewesen. Er hoffte und betete, dass Scotts Rendezvous gut verlaufen sein mochte. Immerhin war er die Person, welche ihm auf der Welt am meisten bedeutete. Scott war mehr als ein Bruder und alles was Stiles für ihn wollte, war ein kleines bisschen Glück! Als Derek Stiles am Abend anrief und Scott immer noch nicht wieder zuhause war, war dies eine willkommene Ablenkung. „Wollen wir vielleicht heute Abend zusammen essen gehen?“ erkundigte sich sein Arbeitgeber slash Beischläfer: „Mein Koch hat heute frei und ich habe Lust auf Fusionsküche.“ „Fusionsküche? Klingt nach Chemiebaukasten. Was ist das denn überhaupt?“ fragte Stiles in den Hörer. Derek lachte: „Keine Angst! Das ist lecker! Damit ist einfach nur die Fusion verschiedener Landesküchen gemeint. Was ist nun? Kommst du mit?“ „Muss ich mich dafür herausputzen? Darauf habe ich nämlich heute echt keine Lust!“ gab Stiles zu: „Keine Sorge! Es ist kein elitärer Edelschuppen, eher so ein moderner Hipster-Laden. Wenn du mit einem blödem Motto-T-Shirt, Nerd-Brille und bunten Turnschuhen da aufschlägst, dann liegst du voll im Trend! Du kannst aber auch einfach in Jeans und Flanellhemd kommen und wirst trotzdem bedient.“ versicherte Derek: „Also gut. Bin dabei! Ich hoffe nur, es ist wirklich gut, denn ich habe einen Bärenhunger weil ich set dem Frühstück keinen Bissen mehr heruntergebracht habe!“ erwiderte Stiles, ließ sich die Adresse geben und machte sich mit Roscoe II, seinem wunderbaren neuen Auto auf den Weg. Derek saß bereits am Tisch und war in Bundfaltenhose und azurblauem Oberhemd für seine Verhältnisse beinahe leger gekleidet, da Stiles ihn sonst eigentlich nur im Anzug kannte. Dennoch stach der reiche Junge in dieser trendig-modernen Umgebung heraus, wie ein bunter Hund. Als er Stiles erblickte strahlte er, erhob sich, begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Wange und rückte ihm sogar den Stuhl zurecht. Beinahe so, als seien sie ein ganz normales Paar. Und Stiles war hierbei scheinbar das Mädchen, stellte er belustigt fest, denn irgendwie fand er es süß, dass Derek so ein altmodischer, verschrobener Kauz war. Fusionsküche stellte sich als DIE Entdeckung des Tages heraus! Sie bestellten eine bunte Auswahl aus der Speisekarte und Stiles überfraß sich dabei hoffnungslos, weil das Essen einfach so unverschämt gut war. Nach dem Dessert fing Stiles allerdings damit an, unruhig auf seinem Stuhl herumzurutschen: „Was ist los?“ fragte Derek irgendwann genervt: „Hast du einen Bienenschwarm in der Hose, oder warum zappelst du hier herum?“ „Ich würde so gern einmal Scott anrufen, um zu hören, wie sein Date mit Allison gelaufen ist!“ antwortete Stiles kleinlaut: „Kann ich dein Handy benutzen?“ Kopfschüttelnd reichte Derek ihm das Telefon: „Ich verstehe wirklich nicht, wieso ihr beide euch immer noch ein Handy teilt! Ich werde dir morgen ein eigenes besorgen. Du und Scott, ihr seid doch keine siamesischen Zwillinge!“ Scott ging beim ersten Klingeln an den Apparat und am Klang seiner Stimme, als er nur `Hallo´ sagte konnte Stiles bereits hören, dass die Verabredung seines Freundes ganz offensichtlich ein Volltreffer gewesen sein musste. Da begann Scott auch bereits in bunten Farben zu schildern, was er mit Allison erlebt hatte. Er schloss schließlich mit den Worten: „Es war sooo schön! Ich glaube, ich bin verliebt!“ Stiles strahlte über das ganze Gesicht und er versicherte: „Ich freue mich für dich, Bro!“ „Also geht es deinem Freund gut und wir können nun zu mir fahren?“ erkundigte sich Derek, wirklich aufrichtig um Geduld bemüht. Stiles nickte, doch die Art und Weise, wie er auf seinen armen, hübschen Lippen herum kaute, strafte ihn Lügen: „Was ist denn jetzt noch?“ fragte Derek gereizt. Stiles senkte verlegen den Kopf: „Ich habe irgendwie Angst, dass mein Kaninchen krank sein könnte. Seitgestern reißt es sich bereits ständig büschelweise sein Bauchfell heraus!“ Da musste Derek lachen: „Harvey ist nicht krank! Das ist ganz normal. Es liegt an ihrer Schwangerschaft. Sie wird jetzt jeden Moment ihre Jungen zur Welt bringen und nutzt das Fell, um ihr Nest auszukleiden.“ Stiles blickte ihn mit großen Kinderaugen an: „Sie bekommt JETZT ihre Babys? Aber was, wenn sie mich braucht? Was, wenn etwas schief läuft? Was, wenn sie stirbt?“ fragte er bestürzt. Derek seufzte: „Weißt du, was wir jetzt machen, Kleiner? Wir fahren ganz einfach zu DIR nachhause und schlafen heute wieder dort! Dann kannst du nach deinem Häschen sehen und dir von Scott alles über seine Verabredung erzählen lassen. Vorher gibst du doch eh´ keine Ruhe!“ Stiles grinste entschuldigend und Derek tat furchtbar griesgrämig, doch insgeheim fand er es eigentlich bezaubernd. Sie machten einen Umweg über Dereks Zuhause, damit dieser ein paar Kleider zum Wechseln einpacken konnten und fuhren dann hinüber zu Stiles Apartment. Sie nahmen dabei Stiles Jeep, was ein großes Zugeständnis von Derek war, weil er sich ungern in der klapprigen Karre sehen ließ und er tat dies auch bloß deswegen, weil er selbst ein Taxi ins Restaurant genommen hatte. Bei ihrer Ankunft bekam der erstaunte Scott erst einmal einen flüchtigen Kuss auf die Nase und wurde dann links liegen gelassen, denn Stiles erster Weg führte ihn in sein Zimmer zu Harveys Stall. Von dem Tier selbst war nicht einmal das Schwänzchen zu sehen, denn es hatte sich ganz und gar in einem luftigen Kokon aus Heu verborgen. Stiles wusste, dass er keine Ruhe finden würde, ehe er nicht sicher sein konnte, dass es der kleinen Häsin gut ging und so öffnete er den Stall und schob das Heu ein wenig beiseite. Darunter hockte Harvey und sie fauchte und knurrte böse. Und unter ihr entdeckte Stiles vier winzige, nackte Kaninchenbabys, deren Augen noch immer geschlossen waren. Stiles machte ein paar hohe, spitze Laute des Entzückens, ehe er die kleine Familie schließlich wieder zudeckte und in die Küche lief, um ein paar besondere Leckerbisschen für die frischgebackene Mutter aus dem Gemüsefach zu holen: „Das ist für dich, mein Schatz!“ flüsterte er sanft, legte das Grünzeug in den Käfig und versprach dann: „Aber jetzt lasse ich dich in Ruhe, Mami!“ Derek hatte die Szene belustigt verfolgt und verschwand dann kurz im Bad. In dieser Zeit ließ sich Stiles von seinem besten Freund einen ausführlichen Bericht des heutigen Tages geben. Als Stiles nun von dem Job erfuhr, den Scott quasi nebenbei ergattert hatte fing er an, zu jubeln und wie ein Irrer auf und ab zu hüpfen. Und Scott, dem da erst so richtig bewusst wurde, wie großartig das Ganze war, schloss sich ihm ganz einfach an: „Ihr Zwei seid SO PEINLICH!“ erklärte Derek kopfschüttelnd, mit der Zahnbürste im Mundwinkel, doch das kratzte die beiden Jungs nicht im Geringsten und am Ende brachen sie kichernd auf dem Fußboden zusammen. Später als sie nebeneinander im Bett lagen, wollte Derek von Stiles wissen: „Hast du morgen Abend eigentlich schon etwas vor?“ Stiles hob den Kopf und erkundigte sich neugierig: „Was ist denn morgen Abend?“ Derek wirkte plötzlich irgendwie seltsam verlegen: „Och nichts. Nur so eine dumme Bürosache.“ murmelte er unbehaglich: „Es wird einen kleinen Umtrunk geben, und so. Ich habe eigentlich gar keine Lust dazu, aber meine Anwesenheit wird anscheinend erwartet. Und da alle dich für meinen Partner halten, werden sie wohl auch wollen, dass du ebenfalls kommst.“ Er schob schnell hinterher: „Aber wenn du keine Lust hast, dann musst du natürlich nicht!“ Stiles grinste auf ihn hinab: „Was soll der Blödsinn, Derek? Natürlich werde ich kommen; frisch rasiert und herausgeputzt, damit ich dich nicht blamiere! Das ist doch mein Job, für den du mich fürstlich bezahlst! Außerdem mag ich es, deinen Lover zu spielen! Es gibt mir die Möglichkeit, dich ganz legal ein bisschen zu befummeln!“ Er gab Derek einen kleinen Kuss auf die Lippen und streichelte mit der Hand über seinen Oberkörper. Dieser erwiderte das Lächeln und kommentierte: „Na, ganz offensichtlich lässt du dich davon auch jetzt nicht abhalten!“ Stiles kicherte müde, schmiegte sich in die Umarmung des Älteren und erklärte: „Gewöhn´ dich besser gleich dran!“ Derek dachte, dass Stiles längst eingeschlafen sei, als dieser schläfrig gegen seine Brust nuschelte: „Weißt du was? Alles ist gerade total schön!“ Derek lächelte liebevoll auf ihn hinab und küsste ihn auf den Scheitel. Kapitel 15: Die Schlange im Paradies ------------------------------------ Vor lauter Aufregung war Scott eine halbe Stunde zu früh an seinem neuen Arbeitsplatz angekommen und nun stand er unschlüssig vor der Tür herum und traute sich nicht zu klingeln. Er betrachtete das Messingschild, das draußen hing und las mühsam, was dort geschrieben stand: `Alan Deaton, Veterinärmedizin´ und dann noch eine Telefonnummer und die Öffnungszeiten. Er hatte sich so sehr auf das Lesen konzentriert, dass er gar nicht mitbekommen hatte, dass mittlerweile jemand hinter ihm stand: „Willst du mit reinkommen, oder willst du lieber noch ein Weilchen hier herumstehen und das Schild bewundern?“ erkundigte sich Deaton schmunzelnd. Scott zuckte ertappt zusammen und stammelte: „Ich... uhm... ich war zu früh!“ „Das sehe ich, Junge. Und nun lass´ uns hineingehen!“ lachte der Tierarzt. Scott trottete hinter ihm her und sie gingen als Erstes in den hinteren Bereich, wo die tierischen Patienten bereits darauf warteten, begrüßt und versorgt zu werden. Scott schaute sich bei Deaton ab, wie dieser die Käfige säuberte und Futter und Wasser verteilte und tat es ihm gleich, um ihm gleich zu beweisen, dass er eine tüchtige Arbeitskraft und sein Geld wert war. Als sie bei Skippys Käfig anlangten wollte Alan wissen: „Und hast du dir schon überlegt, was mit dem kleinen Kerl geschehen soll? Wirst du ihn mitnehmen, oder in ein Tierheim bringen?“ Scott stellten sich bei dem Wort `Heim´ die Nackenhaare auf, denn aus Erfahrung wusste er, wie übel es bereits einem Kind in einem Heim ergehen konnte. Was dann erst in einem Tierheim los sein mochte, wollte er sich daher lieber nicht einmal vorstellen, also sagte er schnell: „Ich denke, ich werde ihn mitnehmen. Ich weiß zwar nicht, wie mein Mitbewohner das findet, denn sein Kaninchen hat gerade Junge bekommen, aber ich will sicher gehen, dass Skippy es gut hat. Außerdem habe ich als Kind immer schon einen Hund gewollt, aber... uhm... es ging nicht.“ Er öffnete den Käfig, um den kleinen Kerl zu streicheln und dieser begann sogleich aufgeregt, Scotts Hand abzulecken, um ihn seiner Liebe und seiner Dankbarkeit zu versichern. „Na wunderbar! Und hier ist es ja auch kein Problem, falls du ihn zur Arbeit mitbringen willst! Und wegen des Kaninchens würde ich mir nicht allzu große Sorgen machen, denn die können sehr wehrhaft sein, insbesondere, wenn sie Junge haben.“ erwiderte Alan: „Was hältst du davon, wenn wir Skippy gleich als Übungsobjekt verwenden und du bei ihm den Verbandswechsel vornimmst!?“ Scott schaute den Älteren mit großen Augen an. Er hatte das Gefühl, sich nun des neuen Arbeitsplatzes würdig erweisen zu müssen, den er erhalten hatte, also hob er vorsichtig den kleinen Hund aus dem Käfig und redete ihm beruhigend zu, als er ihn hinüber in den Behandlungsraum trug und auf den Metalltisch setzte. Er nahm die Verbände ab und inspizierte die Verletzungen: „Diese beiden Stellen sehen gut aus!“ urteilte Scott schließlich: „Die würde ich nicht wieder verbinden, denn sie haben sich bereits geschlossen und da sollte besser ein wenig Luft drankommen. Aber die anderen drei eitern noch. Ich würde vielleicht ein desinfizierendes Medikament darauf geben, ehe ich es wieder verbinde?“ Er blickte den Älteren fragend an, doch dieser nickte nur wohlwollend, reichte ihm eine Tube mit einer Salbe, also machte Scott es genau so, wie er es gerade beschrieben hatte. „Das hast du sehr gut hinbekommen, Junge! Ich hätte es genau so gemacht.“ lobte ihn der Tierarzt hinterher: „Und nun werfen wir einen Blick auf deinen Arbeitsvertrag, in Ordnung?“ Sie gingen hinüber in Alans Büro, wo dieser Scott ein Schriftstück unter die Nase hielt: „Ich habe ja bereits angekündigt, dass ich nicht viel zahlen kann. Der Mindestlohn beträgt zurzeit fünfzehn Dollar hier bei uns in Kalifornien. Ich könnte dir vielleicht fünfzehn fünfzig pro Stunde zahlen. Bist du damit einverstanden? Ich fürchte, mehr geht leider im Augenblick nicht!“ erkundigte sich der Veterinär bedauernd. Scott lächelte, denn um Geld mussten Stiles und er sich schließlich gegenwärtig keine Sorgen machen. Das war ja auch nicht der Grund, warum er den Job wollte, sondern weil er wusste, dass er diese Tätigkeit lieben würde. Außerdem wäre sie etwas, wovon er jedem ohne Scham berichten könnte, wenn er gefragt würde, was er eigentlich beruflich mache. Und Scott hoffte, sich auf diese Weise beweisen zu können, dass er noch zu mehr taugte, als dazu seinen Körper an irgendwelche Kerle zu verkaufen: „Das Geld ist in Ordnung!“ versicherte er daher. „Und die Arbeitsstunden würde ich mit dir gern flexibel vereinbaren. Ich hatte an zwanzig bis dreißig Stunden pro Woche gedacht, je nach Bedarf. Ist das auch okay für dich?“ wollte der Tierarzt wissen. Scott nickte und gab vor, den Vertrag zu lesen, ehe er seinen Namen darunter setzte. Deaton unterschrieb ebenfalls und damit schien die Sache besiegelt. Doch dann geschah etwas, mit dem Scott nicht gerechnet hatte. „Ich bin mit der Aktenführung ein wenig hinterher.“ erklärte Alan: „Ich würde dich daher gern darum bitten, dass du als Erstes die Ablage nach Datum erledigst, Scott, so dass die aktuellen Sachen zu oberst sind!“ Er deutete auf mehrere Papierstapel auf seinem Schreibtisch. Scott wurde bleich: „Von... von Bürotätigkeiten war nie die Rede! Es... tut mir wirklich leid.. aber... uhm... wenn ich das gewusst hätte... Ich... ich glaube, ich kann den Job doch nicht machen!“ stammelte er. Dann drehte er sich hektisch herum und rannte davon, so schnell ihn seine Beine trugen. Mittlerweile blind vor Tränen stolperte er auf dem Weg nach draußen, rappelte sich jedoch wieder hoch und weg war er. Deaton starrte ihm verwundert einen Moment hinter, ehe er dem Jungen folgte und es dauerte einen ganzen Häuserblock lang, bis er ihn endlich eingeholt hatte. Er schnappte ihn bei den Schultern und drehte ihn zu sich herum und blickte ihn fragend an. Scott zog den Kopf ein, als erwarte er Schläge und wischte sich mit dem Ärmel über die feuchten Augen. „Soll ich raten?“ fragte Deaton sanft und reichte ihm ein Papiertaschentuch: „Du kannst nicht lesen und schreiben, oder?“ „Ich lerne es gerade, Sir.“ erklärte Scott mit hängendem Kopf: „Ich bin so dumm! Wie habe ich nur glauben können, dass jemand wie ich so einen wichtigen Job machen könnte? Ich habe nicht einmal einen Highschoolabschluss! Sie finden sicher jemand Besseren, als mich!“ „Ich habe doch gesagt, du sollst mich Alan nennen!“ erwiderte Deaton: „Und nun komm´ wieder mit in die Praxis, bevor Junkies da rein marschieren und meinen Medizinschrank und die Kasse plündern, denn ich konnte in der Eile nicht die Tür abschließen!“ Scott blickte ihn verständnislos an: „Wollen sie... ich, ich meine willst du etwa immer noch, dass ich für dich arbeite?“ fragte er ungläubig: „Ich habe doch gerade eben zugegeben, dass ich ein Idiot ohne Schulabschluss bin!“ „Unsinn! Es gibt sicher einen guten Grund dafür, dass du die Schule nicht beenden konntest und wenn wir uns irgendwann etwas besser kennen, dann hast du ja vielleicht Lust, mir davon zu erzählen, aber ich weiß jetzt schon ganz genau, dass du kein Idiot bist, Scott. Ich habe nämlich eine ausgezeichnete Intuition in Bezug auf Menschen und dieser vertraue ich und darum will ich auch, dass du für mich arbeitest. Und was macht es schon, dass du nicht gut Lesen und Schreiben kannst? Ich habe dich schließlich nicht als Bibliothekar angestellt, oder? Wir finden vorerst Aufgaben für dich, bei denen du nicht viel lesen musst. Und nun komm´!“ Er hatte eine Hand auf Scotts Schulter gelegt und schob ihn sanft zurück in Richtung Praxis. Zum Glück hatte niemand in der Zwischenzeit versucht, etwas zu stehlen, stellte Scott erleichtert fest, denn dafür wollte er nun wirklich nicht verantwortlich sein. Er blickte unbehaglich zu Deaton hinüber und fragte noch einmal: „Und du bist dir wirklich sicher, dass du dir so eine Last wie mich aufbürden willst?“ Der Tierarzt lachte leise: „Ich bin mir sicher, du wirst mir eine große Hilfe sein. Und nun lass´ uns anfangen, Geld zu verdienen. Ich habe hinten einen Papagei sitzen, der nicht fressen will und wir Zwei finden jetzt heraus, warum nicht!“ Nachdem Scott und Derek am Morgen aus dem Haus waren, hatte Stiles seine beiden Anzüge aus dem Schrank geholt, außen an die Schranktüren gehängt und unterzog sie nun einer kritischen Prüfung. War es dekadent zu denken, er könne keinen von beiden heute Abend anziehen? Immerhin war er ja in beiden schon gesehen worden und in Dereks Welt gehörte es ja wohl zum guten Ton, dass man reichlich Auswahl im Kleiderschrank hatte und nicht immer dasselbe trug, oder nicht? Außerdem wollte Stiles seinen Arbeitgeber überraschen und ihm eine Freude machen, also musste er Wohl oder Übel heute shoppen gehen, richtig? Ihm war jedoch klar, dass er allein mit Sicherheit tüchtig ins Klo greifen würde und da fiel ihm bloß Eine ein, die als ideale Einkaufsberaterin in Frage käme. Zum Glück stimmte Lydia begeistert zu, denn ein Make-Over war für sie stets ein Riesenspaß. Stiles ahnte jedoch, dass ihm selbst diese Sache vermutlich weniger Freude machen würde, weil seine Freundin nun damit begann, Namen von Boutiquen aufzuzählen, denen sie unbedingt ihre Aufwartung machen mussten und weil aufgeregt und detailliert beschrieb, in welchen Kleidungsstücken sie Stiles gern sehen würde. Das klang nach Arbeit! Und es klang, als würde es ein Kampf werden, sich hier seine Selbstbestimmung in Modefragen bewahren zu können! „Also gut, aber nichts zu ausgefallenes, und ich gehe bloß in einen einzigen Laden!“ verhandelte Stiles also die Konditionen ihres Vorhabens: „Wie du meinst!“ erwiderte Lydia säuerlich: „Aber mach´ mich hinterher nicht dafür verantwortlich, falls die gewünschte Wirkung ausbleibt, wenn du mir so die Hände bindest.“ Sie verabredeten, dass sie zunächst einmal ausgiebig bei Lydia zuhause frühstücken würden, denn diese erklärte, dass sie ihre Magie nicht wirken könne, wenn sie unterzuckert sei. Auf der Fahrt zu ihr hielt Stiles also bei einem Bäcker, besorgte ein paar Bagels und stand eine halbe Stunde später bei der Freundin vor der Tür. Lydias Einzimmerwohnung war ein bezauberndes Puppenhaus, eingerichtet in Zartrosa- und Grautönen. Überall gab es ausgewählte Dekorartikel, hübsche Bilder, Postkarten, süße Kinkerlitzchen und elegante Vintage-Möbel zu bewundern, ohne dass es überladen wirkte, was auf so engem Raum ein echtes Kunststück war. Jeder, der hier hereinkam erkannte sofort: Hier lebte eine Frau mit Geschmack! Anfänglich hatte Stiles sich noch gefragt, warum sie und Malia nicht zusammenzogen, doch als er die beiden besser kennengelernt hatte, hatte es sich von selbst erklärt: Beide Damen hatten ein ziemlich hitziges Temperament und um sich nicht an die Gurgel zu gehen, mussten sie sich eben von Zeit zu Zeit aus dem Weg gehen. Stiles umarmte die Freundin zur Begrüßung und drückte ihr die Tüte mit den Bagels in Hand, welche diese abwesend und stirnrunzelnd entgegennahm. Lydia musterte Stiles so ausgiebig, bis dieser sich nach einer Weile fühlte, als würde er bloß noch in seiner Unterwäsche dastehen: „Umdrehen und Hemd hoch!“ forderte sie schließlich und der überrumpelte Stiles gehorchte zu seinem eigenen Ärger ohne Widerrede, wie ein gut erzogenes Hündchen: „Arsch und Schultern!“ erklärte dann Lydia scheinbar zusammenhanglos. „Wie bitte?“ fragte Stiles verdutzt und drehte sich sich zu der Erdbeerblondine herum: „Das sind deine Schokoladenseiten: Deine Schultern und dein Arsch! Die sollten wir mit deinem Outfit hervorheben. Ansonsten ist ja auch nicht viel an dir dran.“ „WIE BITTE?“ wiederholte Stiles entrüstet: „An mir ist alles dran, was man braucht! Nase, Zehen, Knie, Testikel, alles...! Ich habe jedenfalls noch keine Beschwerden gehört.“ Lydia rollte gelangweilt mit den Augen: „Wenn du meinst? Ich dachte, du willst meine Hilfe?“ „Hilfe wobei?“ wollte Stiles wissen: „Dabei, mein Selbstbewusstsein zu untergraben? Also das kriege ich auch allein schon ganz gut hin.“ „Im Gegenteil, mein Lieber!“ versicherte Lydia: „Wenn ich mit dir fertig bin, dann wirst du dich fühlen, wie ein Millionen Dollar! Aber jetzt wird erst einmal gegessen! Ich fürchte, ich muss mich für diese Mission ein wenig stärken.“ Die Königin hatte gesprochen, also wurde es auch so gemacht! Etwa eine Stunde später betraten die Beiden eine Herrenboutique, welche Lydia für vielversprechend hielt und sie schnappte sich auch gleich einen der Verkäufer, welcher ihnen behilflich sein sollte. Es handelte sich um einen, beinahe bis auf das Skelett abgehungerten, hochgewachsenen Jungen in ihrem Alter, mit Undercut, hellrosa gefärbtem Deckhaar, Skinny-Jeans in derselben Farbe und einem langen, tief ausgeschnittenen, blau-weiß-gestreiften Shirt, welches mehr von seiner mageren Hühnerbrust enthüllte, als Stiles je hatte sehen wollen. Der Verkäufer hatte die Eleganz eines Balletttänzers, als er mit einem, irgendwie arrogant wirkenden Lächeln zu ihnen herüber geschwebt kam. An irgendetwas erinnerte ihn dieser Typ, Stiles kam nur nicht gleich darauf, an was? „Mein Freund hier muss heute Abend den bestmöglichen Eindruck machen, in Gesellschaft von ein paar reichen, wichtigen Leuten. Dafür suchen wir nun die passende Garderobe. Geld spielt keine große Rolle. Was habt ihr ihm denn so anzubieten?“ fragte Lydia ganz direkt. Ganz kurz huschte ein Ausdruck über das Gesicht des Verkäufers, der soviel besagte wie: `Ich soll DAS DA in ein menschliches Wesen verwandeln?´, doch Pinkie war ein Profi, also fasste er sich rasch wieder und begann damit, Stiles eingehend von allen Seiten zu begutachten. Unter dem abschätzigen Blick fühlte Stiles sich fett und widerlich, ganz so, als sei er ´Swamp Thing´ und würde hier auf dem sorgfältig gebohnerten Dielenboden schlammige Fußspuren hinterlassen. „Arsch und Schultern!“ lautete Pinkies abschließendes Urteil und Lydia triumphierte: „Es geht doch nichts über die Meinung eines Profis!“ „Ihr verarscht mich doch!“ brummte Stiles, doch er wurde nicht mehr gehört, denn Lydia und der Verkäufer waren bereits in verschiedene Richtungen verschwunden, um unzählige Kleidungsstücke herbeizuschleppen, welche er dann ohne Widerrede mit in eine Kabine nehmen und anprobieren musste: „So kann ich da unmöglich auftauchen?“ erklärte Stiles, als er mit angewidertem Gesicht sein erstes Outfit präsentierte; einen brombeerfarbenen, weiß karierten Anzug, Slim-fit und dabei so eng, dass er sich nicht traute auszuatmen, damit die Knöpfe nicht abrissen und in alle Richtungen sprangen: „Gar nicht schlecht!“ fand Lydia und der Verkäufer versicherte: „Das war in der vergangenen Saison in Paris der letzte Schrei.“ „Ich sehe aus, wie ein riesiges Kreuzworträtsel!“ murrte Stiles beim Blick in den Spiegel und fügte grollend hinzu: „Ich hätte etwas gesagt, wenn ich wie ein riesiges Kreuzworträtsel hätte aussehen wollen; will ich aber nicht! Ich will GUT aussehen, um einem wirklich tollen Kerl eine Freude zu machen. Kriegen wir das hin, Leute?“ „Probier´ diese Kombination doch mal. Ein bisschen moderner, aber darin ist man trotzdem in jeder Gesellschaft gut angezogen!“ schlug der Verkäufer großzügig vor, um Kompromissbereitschaft zu signalisieren und plötzlich wusste Stiles, an wen er ihn erinnerte; nämlich an `Pink Panther´, die Zeichentrickfigur aus den sechziger Jahren! Er grinste in sich hinein. Bei dem Outfit, welches Pinkie ihm als gütlichen Vergleich hinhielt, handelte sich um eine schwarze Stoffhose und ein pflaumenfarbenens, leicht changierendes Oberhemd; beides scheinbar in Kindergröße. Das machte der Typ doch mit Absicht, damit er sich fett fühlte! Stiles quetschte sich trotzdem hinein. „Das ist es!“ rief Lydia und der Verkäufer nickte begeistert und klatschte affektiert in die Hände. „Wieso ist die Hose so kurz? Erwarten wir ein Hochwasser?“ empörte sich Stiles: „Außerdem schläft mir hier gerade der Schwanz ein. Ich glaube nicht, dass das gesund ist!“ Lydia lief einmal um ihn herum und wandte dann ein: „Aber dafür kommt dein Arsch darin bestens zur Geltung! Außerdem solltest du dich echt nicht so anstellen, Prinzessin! In meinen Zehen habe ich bereits seit Jahren kein Gefühl mehr, aber dafür sehe ich in diesen Stilettos unheimlich heiß aus! Und sie machen mich zwölf Zentimeter größer!“ Stiles rollte mit den Augen: „Mir doch egal! Ich will diese Hose in mindestens einer Größe mehr, auch wenn mein Arsch dann Matsch ist und das bitteschön ein bisschen plötzlich, bevor ich nie wieder in der Lage bin, einen Orgasmus zu erleben!“ Er drehte sich auf dem Absatz um und warf mit einer divaesquen Bewegung den Kabinenvorhang hinter sich zu, um sich schleunigst wieder aus dieser schwarzen Wurstpelle zu befreien. Unterdessen lief der Pink Panther auf seinen dürren Stelzen los, um seinem pummeligen, schlecht gelaunten, schwierigen Kunden die gewünschte Riesenhose herbeizuschaffen. Größer hieß im Falle dieser Hose auch länger, was Stiles wesentlich besser gefiel und als ihm nun nicht mehr die Genitalien abgeklemmt wurden, war er auch gleich wieder besserer Stimmung und er urteilte: „Das ist schon besser. Ich nehme Hemd und Hose!“ Lydia und der Verkäufer tauschten einen vielsagenden Blick und die Erdbeerblondine erklärte: „Er braucht noch eine Fliege dazu. Mint oder rosa, wenn ihr habt!“ Und der Verkäufer verschwand gehorsam, um das gewünschte zu besorgen. Nun probierte sich Stiles weiter tapfer durch unzählige Hosen, Hemden, Westen, Jacketts und so weiter bis er am Ende mit vier vollen Tragetaschen und um Zweitausendfünfhundert Piepen ärmer das Geschäft verließ. Pinkie blickte ihnen hinterher und tupfte sich mit einem Stofftaschentuch erschöpft die Stirn. Zweifelsohne würde er nach dieser Strapaze jetzt erst mal ein Mineralwasser mit einem Spritzer Zitrone und ein Drittel Müsliriegel zur Stärkung brauchen, dachte Stiles gehässig. Seine Freundin Lydia war da allerdings weit weniger leicht zufrieden zu stellen. Es war bereits später Nachmittag und sie forderte müde: „Und nun lädst du mich auf einen großen Soja-Latte und ein paar Zimtschnecken ein, denn dich zu beraten ist echt kräftezehrend!“ Stiles schaute sie ungläubig an, denn immerhin war er es doch gewesen, der sich von einem katastrophalen Outfit in das nächste hatte quälen müssen, doch er sagte nichts, sondern steuerte ganz einfach bloß den nächsten Coffeeshop an. Immerhin hätte er nun wenigstens etwas zum Anziehen im Schrank, also wären seine Leiden die Sache wert gewesen, oder nicht? Über ihr Café-Glas hinweg fragte Lydia später: „Was wirst du eigentlich mit deinen Haare machen?“ „Was ist los?“ bellte Stiles verstimmt: „Was sollte ich wohl damit machen? Vielleicht eine süße Hochsteckfrisur mit eingearbeiteten Blüten? Was zu Teufel stimmt denn nicht meinen Haaren?“ „Du solltest sie mal wieder schneiden lassen. Der Schnitt ist ja schon ganz herausgewachsen. Diese reichen Typen achten auf so etwas!“ entgegnete Lydia bloß seelenruhig. „Also, Derek ist so etwas scheißegal.“ konterte Stiles mürrisch, denn er fühlte sich leider überhaupt nicht, wie eine Millionen Dollar, wie Lydia es ihm versprochen hatte. Er fühlte sich mangelhaft! Eigentlich hatte Stiles fest vorgehabt, direkt nachhause zu fahren, nachdem er Lydia wie gewünscht bei Malia abgesetzt hatte, aber dann ließen ihm seine blöden Haare doch keine Ruhe und er steuerte tatsächlich einen Friseurladen an. Die Hairstylistin, welche ihn betreute, war von Kopf bis Fuß ein echtes Kunstprodukt. Die blonde Mähne auf ihrem Haupt hätte jeden Löwen vor Neid erblassen lassen, allerdings bestand sie in ihrem Fall zu mindestens dreiundsiebzig Prozent aus Extensions. Überdies hatte die Dame mörderische Acrylkrallen, passenderweise in blutrot, und Stiles fragte sich, wie irgendjemand mit diesen Nägeln seiner Arbeit nachgehen konnte. Oder wie es dieser Frau gelang, so eine einfache Aufgabe zu bewältigen, wie sich ein Sandwich zu belegen? Und nicht auszudenken, was erst geschehen mochte, wenn sie jemandem einen Handjob zu geben versuchte? Stiles schüttelte sich. Er fragte sich, wie man mit diesen Klauen überhaupt irgendetwas tun konnte, ohne sich selbst, oder andere in Lebensgefahr zu bringen und fürchtete sich ein wenig davor, sich von ihr frisieren zu lassen? Das Gesicht der Blondine war ohne nennenswerten Ausdruck und Stiles ahnte, das der Grund hierfür Botox sein musste. Ihre riesigen Silikonbrüste schwebten vor Stiles Gesicht wie Fesselballons, als die Friseurin nachdenklich in seinen Haare herumwuschelte: „Wie wär´s mal mit etwas Neuem? Strähnchen vielleicht? Oder ein Side-Cut?“ fragte sie Kaugummi kauend, produzierte damit eine Blase und ließ diese dann geräuschvoll wieder zerplatzen. „Nur nachschneiden!“ erklärte Stiles unfreundlicher als nötig. Er hatte für einen Tag wirklich genug davon, sich sagen zu lassen, was an ihm alles nicht stimmte und überarbeitet werden könnte. Die Plastikbraut ließ die barsche Ansprache jedoch völlig kalt und sie urteilte: „Du könntest mehr aus dir machen Kleiner! Gutes Aussehen ist ein Haufen Arbeit! Siehste ja an mir!“ „Kein Interesse!“ murrte Stiles: „Ich bleibe lieber Durchschnitt!“ „Wie du meinst.“ erwiderte die Friseurin schulterzuckend und gab Stiles das, was er verlangt hatte: Einen normalen, langweiligen Durchschnittshaarschnitt! Mit diesem hochzufrieden, machte er sich dann auf den Heimweg. Zuhause fütterte Stiles als erstes Harvey, streichelte sie ausgiebig und sah bei den Babys nach dem Rechten. Dann schob sich selbst noch rasch ein Sandwich rein, ehe er damit begann, sich für den Abend aufzubretzeln: Duschen, ein wenig Pampe in die Haare und das Ganze in die gewünschte Form bringen, rasieren, ein Spritzer Eau de Cologne und dann entscheiden, welches neue Outfit es für heute sein sollte. Stiles befand schließlich, dass er es am Besten schlicht halten sollte, um nicht zu sehr herauszustechen. Er wählte daher ein blütenweißes Hemd und eine edle, graue Stoffhose, weil diese Kombination ihm am Elegantesten erschien und gleichzeitig seine angeblichen Schokoladenseiten am besten in Szene setzte. Er legte noch die Cartier an, die Derek ihm geschenkt hatte, band sich einen schmalen, schwarzen Schlips um und zog sich die elegante, schwarze Lederjacke über, welche sein Lieblingsstück des heutigen Einkaufs war. Er schlüpfte in nagelneue, schwarze Halbschuhe, drehte sich vor dem Spiegel und sagte schließlich aufmunternd zu seiner Reflexion: „Also ich würd´s mit dir machen, Stilinski!“ ehe er sich ein Taxi rief und sich auf den Weg machte. Als er dem Fahrzeug im Business District von Downtown L.A. wieder entstieg, schaute er ein wenig eingeschüchtert den Hale-Tower hinauf. Er hatte ein wenig von einer gewaltigen Kathedrale und war auch genau so einschüchternd! Wenn sie nebeneinander im Bett lagen, dann konnte Stiles sich einreden, Derek und er seien Gleiche; einfach nur zwei Männer, die einander gut taten, die Gesellschaft des Anderen genossen und die beinahe so etwas wie Freunde waren, doch hier vor diesem Wolkenkratzer zu stehen machte Stiles eines klar: Derek und er waren keineswegs gleichgestellt und sie würden es auch niemals sein! In diesem Gebäude arbeiteten Tausende von Menschen für einen einzigen Mann und Stiles war bloß einer von ihnen, auch wenn seine Dienste etwas andere sein mochten! Und dieses Gebäude war ja war bloß die Hauptgeschäftsstelle! Es gab Hunderte Filialen auf der ganzen Welt, genau wie diese hier, gefüllt mit den Mitarbeitern der Hale Company. Nein, Stiles war nichts Besonderes; nur ein weiterer Angestellter. Er holte tief Luft und betrat das Foyer. Eigenartiger Weise war der gesamte Vorraum mit fliederfarbenen und silbernen Luftballons dekoriert. Dies schien wohl doch etwas mehr, als ein zwangloser Umtrunk mit ein paar Mitarbeitern zu sein, wie Stiles erwartet hatte. Ein Pförtner erklärte ihm, dass er für die Feierlichkeiten mit dem gläsernen Fahrstuhl in den siebenundzwanzigsten Stock hinauffahren müsse. Oben angekommen war bereits eine riesige Party im Gange. Kellner von einem Cateringservice liefen mit Tabletts herum, auf denen sich Getränke und kleine Snacks befanden. Überdies gab es allerdings noch ein riesiges Buffet und eine üppig ausgestattete Bar, so dass für das leibliche Wohl bestens gesorgt war. Es gab eine kleine Bühne, auf der eine schlanke, hübsche Afroamerikanerin in einem engen roten Paillettenkleid mit ihrer tiefen, rauchigen, wundervollen Stimme Bluesklassikern auf leise und schwermütige Art neues Leben einhauchte. Es waren mindestens hundert Gäste anwesend. In diesem Durcheinander Derek auszumachen erschien beinahe wie eine Unmöglichkeit, doch Stiles entdeckte etwas anderes, nämlich einen riesigen Tisch, der überquoll von Geschenken und ein Spruchband darüber mit der Aufschrift: `Happy Birthday, Derek Hale!´ `So ein Mistkerl!´, dachte Stiles ärgerlich. Wieso hatte er ihm das denn nicht vorher gesagt? In diesem Moment löste sich Derek aus einer Gruppe von Anzugträgern und kam auf Stiles zu. Er sah tatsächlich aufrichtig glücklich aus, ihn zu sehen, legte die Arme um ihn, küsste ihn weich auf die Lippen und versicherte: „Verdammt Stiles! Du siehst echt heiß aus. Warst du etwa extra beim Friseur? Das ist ja süß von dir, aber das wäre doch nicht nötig gewesen!“ Diese warme Begrüßung entwaffnete Stiles im ersten Moment vollkommen und er nahm sich vor, Lydia als Dankeschön zum Essen einladen würde, oder so. Wesentlich sanfter, als er zunächst beabsichtigt hatte, flüsterte Stiles: „Eine Bürosache, ja? Du hättest mir sagen mir sagen müssen, dass heute dein Geburtstag ist! Nun stehe ich wie ein Idiot da und habe nicht einmal ein Geschenk für dich. Was sollen die Leute denken?“ Dereks Lächeln wurde noch ein wenig breiter. Es war ein wunderschöner Anblick, der ein wohliges Ziehen in Stiles Bauch verursachte: „Die Leute werden denken, dass Liebende ihre Geschenke nicht in der Öffentlichkeit bei einer Firmenparty austauschen. Und außerdem bist DU doch das Geschenk, weil du dich für mich schön gemacht und deinen kleinen sexy Knackarsch in diese gutsitzende Hose verpackt hast!“ Derek ließ seine Hand einen kurzen Moment zu eben jenem kleinen sexy Knackarsch hinunter wandern und strich darüber, was kleine Stromstöße über Stiles gesamten Körper schickte. Dann jedoch zog Derek seine Finger wieder fort und bedeute jemandem vom Personal, Stiles seine Jacke abzunehmen. Er führte ihn herum, zum Buffet und zur Bar und als dann für sein leibliches Wohl gesorgt war, stellte er ihm einige der Mitarbeiter und Geschäftspartner vor, die heute hier versammelt waren. Und während der ganzen Zeit hielt Derek seine Hand, hatte einen Arm um ihn gelegt, oder küsste ihn hin und wieder flüchtig. Es war richtig schön! Stiles genoss die bewundernden und teilweise auch ein wenig neidischen Blicke ein kleines bisschen, auch wenn dies hier ja bloß Show war. Immerhin war Derek nicht nur unerhört attraktiv, er fand sich überdies auch noch in den oberen Rängen der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt. Dass so jemand sich überhaupt mit ihm abgab war schon höchst unwahrscheinlich. Dass es ihm überdies nichts ausmachte, die Menschen glauben zu lassen, Stiles sei sein Partner konnte dieser noch immer kaum glauben. Stiles fühlte sich wohl und sicher an Dereks Seite und er erlaubte sich einen kurzen Moment lang davon zu träumen, dass ihre Lüge eines Tages doch noch zur Wahrheit werden könnte. Und dann kam Deucalion! Er war in Begleitung von Erica und beide umarmten das Geburtstagskind überschwänglich. Auch Stiles wurde von beiden freundlich begrüßt und da hätte dieser bereits stutzig werden müssen, denn einer wie Deucalion änderten seine Ansichten über einen Menschen nun mal nicht einfach so. Und da kam auch schon das dicke Ende: Der Ältere winkte eine schönen Blondine heran, welche gerade aus dem Fahrstuhl ausgestiegen war und erklärte munter: „Ich habe eine besondere Überraschung für dich, Derek! Sieh nur, wer pünktlich zu deinem Geburtstag über den großen Teich geflogen ist, damit sie heute bei dir sein kann?“ „Kate!“ rief Derek begeistert und lief der Fremden entgegen. Sie fielen sich lachend um den Hals und wollten sich nun scheinbar eine Ewigkeit lang nicht mehr loslassen. Dann endlich besann Derek sich scheinbar endlich, dass sie ja nicht allein im Raum waren: „Stiles, ich will dir jemanden vorstellen. Das hier ist Kate Argent! Die kleine Schwester von Chris und Allisons Tante! UND ich habe sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen! Kate, das hier ist Stiles, mein... uhm...mein Freund!“ Die Frau lächelte herzlich und streckte Stiles die Hand zur Begrüßung hin. Was niemand außer ihnen beiden ahnte, war die Tatsache, dass Kate Argent ein wenig fester und länger zudrückte, als unbedingt nötig und sie Stiles damit regelrecht wehtat: „Es freut mich sehr, zu sehen, dass unser Derek endlich wieder jemanden gefunden hat!“ behauptete das Miststück, während sie sich nach Kräften bemühte, Stiles den Mittelhandknochen zu zerquetschen. „Wann bist du angekommen, Kate?“ wollte Derek wissen, der nichts davon mitbekam und erst da gab sie Stiles malträtierte Finger wieder frei und antwortete fröhlich: „Gerade eben erst. Ich bin praktisch vom Flughafen direkt hierher! Du wirst schließlich nur einmal dreißig, richtig Baby?“ „Das ist ja wirklich lieb von dir!“ versicherte Derek: „Und nun sorgen wir erst einmal dafür, dass du etwas zu Essen und zu Trinken bekommst. Und dann musst du mir alles über Europa erzählen! Ich habe gehört, du bist für Lagerfeld gelaufen? Stimmt das? Wie ist er denn so!“ „Ein furchtbarer Perfektionist und ein echt schräger Kauz!“ seufzte Kate dramatisch und Erica erklärte: „Also dass will ich auch hören!“ und so steuerten sie zu dritt das Buffet an und Stiles war mit einem Mal vollkommen abgeschrieben! Einer blieb jedoch bei ihm zurück, und das war Deucalion: „Sie sind ein schönes Paar, nicht war, Stile? Kate ist ein Modell.“ berichtete er mit einem gemeinen Grinsen, welches seine Lippen umspielte: „Vor ein paar Jahren konnten die Zwei gar nicht die Finger von einander lassen. Wie ich gehört habe, kamen sie überhaupt nicht mehr aus dem Bett raus, doch Kate war damals noch nicht zu einer festen Bindung bereit. Aber weißt du, was ich jetzt höre, Kleiner? Dích höre das leise Tick-Tack ihrer biologischen Uhr! Und Derek wird eines Tages ein paar Erben für sein Unternehmen brauchen, oder was denkst du? Du legst dich zwar echt ins Zeug, um dir diese einmalige Chance nicht durch die Lappen gehen zu lassen, aber dieses kleine Kunststückchen bringst du ja wohl trotzdem nicht fertig, was Stiles?“ Deucalio lachte leise: „Du sollst wissen, dass dies hier nur der Anfang ist! Wer weiß, welches Kaninchen ich als nächstes aus dem Hut zaubere! Du kannst dieses Spiel nicht gewinnen und am Ende wirst du ohne alles dastehen, mein Junge! Aber du hast Glück, denn ich bin schließlich kein Unmensch! Mein Angebot steht noch, weißt du? Eine Millionen, wenn du auf Nimmerwiedersehen verschwindest und Derek in Ruhe lässt!“ Stiles schüttelte den Kopf und entgegnete: „Ich weiß wirklich nicht, was ich getan habe, damit du mich so hasst, Decalion, aber Geld interessiert mich nicht! Derek braucht mich und ich bin für ihn da. Vielleicht kann einer wie du das nicht verstehen, aber meine Antwort lautet weiterhin Nein! Behalt´ deine blöde Kohle! Und nun lass´ mich einfach in Frieden!“ Er drehte sich auf dem Absatz um und marschierte hinüber zu Derek und den beiden Frauen. Kate berichtete immer noch von Europa; von Mailand, Paris und Berlin, von Naomi, Gisele und Gigi... es war voll und ganz IHRE Show und Erika und Derek hingen quasi an ihren Lippen. Das ging beinahe zwei Stunden so! Stiles interessierte das Ganze einen Scheiß, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und an den richtigen Stellen zu lachen, oder beeindruckt zu tun. Im Grunde war er jedoch voll und ganz mit seinem eigenen Gefühlsleben beschäftigt. Er sich gelangweilt und niedergeschlagen und biss lediglich Derek zuliebe in diesem Moment die Zähne zusammen. Eines wurde Stiles in diesem Moment ganz deutlich: Selbst wenn sein Arbeitgeber irgendwann anfangen würde, mehr als bloß einen Angestellten, oder einen bezahlten Freund, oder was auch immer zu sehen, würde dieser Deucalion mit Sicherheit einen Weg finden, das Ganze im Keim zu ersticken. Er war nicht Cinderella und das Leben war nun mal kein Märchen und darum sollte er auch endlich mal damit anfangen, der Realität ins Auge zu blicken! Stiles griff sich ein Glas Rotwein von einem Tablett, welches soeben an ihm vorüber getragen wurde, in der Hoffnung, das Ganze mit Alkohol im Blut leichter zu ertragen, hakte sich bei Derek unter und schmiegte sich an dessen breiten Bizeps, was das Geburtstagskind scheinbar endlich daran erinnerte, dass Stiles überhaupt noch anwesend war: „Hey, Süßer! Fühlst du dich nicht gut?“ wollte er wissen: „Du bist ein bisschen blass?“ „Es geht schon!“ behauptete Stiles. Er wollte gerade einen Schluck aus seinem Glas nehmen, als Kate bei den Schilderungen ihres fantastischen, schillernden Modellalltags einmal ein wenig zu wild gestikulierte und Stiles damit den Inhalt seines eigenen Weinglases über das neue weiße Hemd kippte. Die dunkelrote Flüssigkeit breitete sich sogleich auf seiner gesamten Brust aus wie Blut. Es klang beinahe aufrichtig, als Kate sagte: „Oh Mann, es tut mir entsetzlich leid! Ich bin so furchtbar ungeschickt! Vielleicht lässt das Hemd sich ja noch retten, wenn du es jetzt gleich auswäschst?“ Stiles war sich trotzdem sicher, dass es reine Absicht von ihr gewesen sein musste. Schließlich hatte er es ja auch gewagt, für einen kurzen Moment Dereks Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und dies war mit Sicherheit die Rache dafür. So ein Miststück! „Das ist ja schade!“ sagte nun auch Derek bedauernd: „Es war so ein schönes Hemd. Ich werde es dir ersetzen! Lass´ mich schnell nachsehen, ob wir hier im Haus nicht irgendwo etwas anderes haben, was du überziehen kannst! Warte kurz hier!“ Stiles hielt ihn am Arm zurück und erklärte niedergeschlagen: „Nein lass´ es! Ich werde einfach nachhause gehen!“ Derek sah bestürzt aus und bot an: „Dann werde ich aber mit dir kommen, in Ordnung?“ Stiles schüttelte heftig den Kopf: „Kommt nicht in Frage! Das hier ist schließlich deine Geburtstagsparty. All´ die Leute hier sind doch nur wegen dir hier. Mach´ dir keine Gedanken um mich! Du hast doch nette Gesellschaft. Hab´ viel Spaß, Baby! Und wenn du später noch vorbeikommen willst, dann hast du ja deinen Schlüssel.“ Er schenkte Kate ein gezwungen-herzliches Lächeln, gab Derek einen Kuss und wandte sich zum Gehen. Diese Bitch mochte vielleicht einen Zickenkrieg wollen, aber Stiles würde da nicht mitmachen! Und wenn Derek seine alten Gefühle für Kate Argent wiederentdeckte, dann gab es ja wohl auch nichts, was er dagegen tun konnte, richtig? „Warte mal!“ rief Derek ihm hinterher und drehte ihn zu sich um: „Bist du wirklich in Ordnung, Stiles?“ „Sicher, Baby!“ beteuerte er: „Bloß ein bisschen müde und ich rieche wie eine Kneipe. Darum würde ich gern duschen, mir etwas Sauberes anziehen und mich dann ins Bett legen.“ Er küsste Derek noch einmal nach allen Regeln der Kunst und verabschiedete sich damit endgültig. Als er an der Garderobe seine Lederjacke abholen wollte, stand urplötzlich Deucalion hinter ihm: „Ts, ts! Wirklich schade um das schöne Hemd! Sieht teuer aus! Und nun willst du uns wirklich schon verlassen, Stiles?“ Stiles schnappte sich seine Jacke und zischte: „Ja, du mich auch, Mann! Und nun geh mir aus dem Weg!“ Er rempelte den Älteren mit einer Schulter an und schob ihn so beiseite und marschierte dann schnurstracks auf den gläsernen Fahrstuhl zu. Er wollte einfach nur noch hier raus! Kapitel 16: Re-Trauma --------------------- Stiles verschloss auf seinem Weg nach unten seine Jacke über dem bekleckerten Hemd, entstieg dem Fahrstuhl und rannte aus dem Gebäude, als sei der Teufel hinter ihm her. Er sprang in das erstbeste Taxi, nahm neben dem Fahrer Platz und forderte: „Bringen sie mich schnell weg von hier!“ „Sicher doch, Stiles! Wo soll es denn hingehen? Vielleicht zu mir nachhause?“ sprach eine leider nur allzu gut bekannte Stimme neben ihm. Oh, verdammt! Stiles hatte in seiner Erregung über das, was soeben auf Dereks Geburtstagsparty geschehen war bislang noch keinen Blick auf den Fahrer geworfen, doch das holte er jetzt erschrocken nach. Neben ihm saß Earl, einer seiner ehemaligen Freier; nicht sehr groß, aber breit, mit riesigen, kräftigen, hässlichen, haarigen Pranken. Den kahlen Kopf versuchte er lächerlicher Weise unter einer Lage fettiger Strähnen seines eigenen Haares zu verstecken, die seitlich an seinem Kopf wuchsen. Doch es waren überhaupt nicht die Äußerlichkeiten, die Stiles immer schon an diesem Mann abgestoßen hatten. Danach hatte er seine Kunden niemals beurteilt. Nein, er hatte Earl nicht gemocht, wegen der Sachen, die dieser stets von ihm verlangt hatte. Manche wachte Stiles immer noch mit rasendem Herzen auf, weil er davon träumte! Und dann war da ja auch noch dieser Geruch! Earl roch irgendwie nach altem Mann, dabei war er doch erst Anfang fünfzig? Es war diese Mischung aus Zigarrenrauch, Leder, Schmieröl und Old Spice. Doch dann gab es da untergründig noch etwas Anderes, etwas Modriges, etwas Böses, das im Hinterhalt auf einen lauerte, weil es einen fressen wollte! Stiles wurde übel davon! Er war damals stets bloß an solchen Tagen mit diese Kerl gegangen, an denen es richtig schlecht lief, wenn er es sich einfach nicht leisten konnte, Nein zu sagen. Und Earl war wirklich der letzte Mensch, den Stiles in dieser Minute sehen wollte! Aber das war nun einmal Murphys Gesetz: Wenn es hässlich kam, dann kam es eben auch richtig hässlich! Das Fahrzeug hatte sich inzwischen langsam in Bewegung gesetzt, doch Stiles forderte: „Halt´ an, Earl. Ich nehme mir ein anderes Taxi!“ „Aber wieso denn?“ fragte der Ältere und entblößte grinsend seine fauligen Zähne: „Nun, wo ich dich gerade wieder gefunden habe, soll ich dich gleich wieder gehen lassen? Nicht doch! Jetzt feiern wir erst mal unser Wiedersehen!“ Er griff mit einer seiner Riesenhände ohne Umschweife nach Stiles Schwanz und versuchte, mitten in der Fahrt einen Kuss von ihm zu erzwingen: „Lass´ den Quatsch, Earl! Ich will das nicht! Willst du uns umbringen? Halt an und lass´ mich raus!“ forderte Stiles, bemüht um Festigkeit in seiner Stimme, damit seine Panik nicht allzu deutlich zu hören wäre. Er versuchte mit einer Hand den festen Griff an seinem Genital zu lösen, während die andere damit beschäftigt war, die widerlichen, ungebetenen Lippen von sich fern zu halten. Damals auf der Straße mochte Earl ein Nein bereits nicht gefallen haben, doch jetzt waren sie in seinem Reich und niemand würde Stiles Schreie hören. Wenn er hier heil herauskommen wollte, würde sich selbst helfen müssen: „Warum stellst du dich denn so an, Prinzessin? Bist du dir neuerdings zu fein für Solche wie mich? Treibst dich in dieser Gegend herum, trägst diesen schicken Zwirn... und was ist das? Ist das eine Cartier? Hast hier wohl einen reichen Sugar-Daddy gefunden, dem du nach Feierabend einen bläst und der dir dafür hübsche Geschenke macht, wie?“ knurrte Earl und versuchte nun Stiles seine Uhr abzunehmen. Vielleicht hätte er sie diesem Schwein auch einfach überlassen sollen, denn es war doch bloß ein Stück Metall, richtig? Doch Derek hatte sie ihm gegeben und deshalb würde Stiles auch darum kämpfen. Ein wildes Gerangel in der Fahrerkabine entstand, der Wagen geriet ins Schlingern und schließlich ließ Earl ihn einfach am linken Straßenrand ausrollen. Zum Glück gab es in dieser Gegend nachts beinahe keinen Verkehr, ansonsten hätte es mit Sicherheit einen Unfall gegeben. Irgendwann gelang Stiles ein Hieb mit dem Ellenbogen gegen Earls Kinn, was diesen einen kurzen Moment lang außer Gefecht setzte. Gerade genug Zeit für Stiles um aus dem Wagen zu springen und loszulaufen. Er wähnte sich bereits in Sicherheit, doch scheinbar war Earl jetzt erst recht sauer. Er wendete mit quietschenden Reifen und hielt nun genau auf Stiles zu. Dieser konnte sich gerade eben noch mit einem verzweifelten Sprung zwischen zwei parkende Autos retten, stolperte dabei allerdings über den Kantstein, vertrat sich den rechten Fuß, schlug der Länge nach hin und schürfte sich beide Handflächen und seine linke Gesichtsseite auf. Stiles nahm sich jedoch nicht die Zeit, sich darum zu kümmern, sondern blickte sich hektisch nach seinem Verfolger um. Earl hatte den Wagen bereits wieder gewendet, doch in diesem Moment ertönte in einiger Entfernung eine Polizeisirene und der Angreifer nahm Reißaus. Stiles atmete erleichtert aus. Sein erster Impuls war es zu der Party zurückzukehren und sich von Derek versorgen zu lassen, doch er konnte ihm doch nicht seinen Geburtstag versauen! Außerdem wollte er Deucalion und dieser Kate nicht das Vergnügen gönnen, ihn in diesem Zustand zu sehen. Stattdessen humpelte er mit weichen Knien in Richtung Hauptstraße und hielt dort ein weiteres Taxi an, nachdem er sich zuvor versichert hatte, dass nicht wieder Earl am Steuer saß. Was er von seiner Fahrerin halten sollte wusste Stiles jedoch auch nicht recht, doch mit dem verstauchten Fuß konnte er es sich auch nicht unbedingt erlauben, wählerisch zu sein. Sie war eine Frau Mitte vierzig, Bürstenhaarschnitt, Gesicht wie eine Bulldogge, übergewichtig und muskulös. Stiles sorgte dafür, dass seine Cartier nicht sichtbar war, schlüpfte auf den Rücksitz und sagte ihr, wo er hinwollte: „Mensch Kleiner! Du siehst aber ganz schön mitgenommen aus. Sicher, dass ich dich nicht lieber in ein Krankenhaus fahren soll? Oder zur Polizei?“ Dies war wieder einmal ein sehr gutes Beispiel dafür, dass man ein Buch nicht nach seinem Deckblatt beurteilen sollte, dachte Stiles beiläufig: Die Stimme der Taxifahrerin war freundlich, mütterlich und Anteil nehmend, was so gar nicht zu dem einschüchternden Äußeren passen wollte und die Bulldoggen-Miene verwandelte sich augenblicklich durch ein freundliches Lächeln. Stiles schüttelte den Kopf und antwortete wie automatisch: „Zuhause ist es okay. Ich habe einen Mitbewohner. Außerdem kommt mein... uhm... Freund später vielleicht noch vorbei.“ „Das ist gut!“ bestätigt sie: „Es sei denn, dein Freund ist der, der dafür verantwortlich ist, dass du dich in diesem Zustand befindest?“ Stiles riss erschrocken die Augen auf und versicherte: „Nein, natürlich nicht! Das war bloß ein alter Bekannter, der das Wort Nein nicht kennt.“ „Hasse diese Typen! Mein Alter war auch so einer! Bin ihn schließlich losgeworden!“ knurrte die Taxifahrerin, nun wieder voll und ganz im Bulldoggen-Modus und ließ damit die Frage offen, ob sie ihn losgeworden war, indem sie ihn im Wald verscharrt hatte, oder aber durch Scheidung: „Alle kastrieren!“ fügte die Frau noch hinzu: „Sicher, dass du ihn nicht anzeigen willst, Junge?“ Stiles seufzte schwer: „Ich will einfach nur auf dem schnellsten Weg nachhause!“ wiederholte er müde und so brachte Miss Bulldogge ihn schnell und sicher auch genau dort hin, gab ihm noch das obligatorische `Pass´ auf dich auf, Kleiner!´ mit auf den Weg, wartete, bis die Haustür hinter ihm zugefallen war und war verschwunden. Stiles war wie betäubt als er die Treppe zu seinem Apartment hinauf humpelte. Er warf erleichtert als die Wohnungstür hinter ihm zufiel, doch er musste entmutigt feststellen, dass Scott gar nicht zuhause war. Natürlich! Er wollte sich doch auch nach der Arbeit noch mit Allison treffen. Sowohl Derek, also auch Scott amüsierten sich also gerade mit einer der Argent-Frauen und Stiles war auf sich allein gestellt! Die Enttäuschung fühlte sich an, wie eine Faust im Magen. In seinem Zimmer zog Stiles sich seine Kleider aus und warf das versaute Hemd zornig in eine Ecke. Er tapste hinüber ins Bad und stieg unter die Dusche, wo er endlos warmes Wasser über seinen Körper laufen ließ, doch irgendwie wollte ihm einfach nicht warm werden. Außerdem hatte er plötzlich das widerliche Gefühl, seine Haut sei übersät von fremden Fingerabdrücken. Das Duschgel brannte zwar mörderisch in den Schürfwunden an seinen Händen und der Wange, dennoch seifte sich Stiles wieder und wieder am ganzen Körper damit ein, spülte den Schaum fort und begann dann von Neuem, bis irgendwann die Flasche leer war. Stiles wickelte sich in ein großes Badelaken und kehrte in sein Zimmer zurück. Er starrte auf sein Bett. Sich allein dort hineinzulegen kam aus irgendeinem Grund nicht in Frage. Er nahm daher sein Kissen und seine Decke und kauerte sich vor Harveys Käfig. Die Häsin erwachte und verließ ihr Nest um nachzusehen, was los war. Als Stiles den Stall öffnete, kam sie auf seinen Schoß gehüpft. Er nahm sie hoch und steckte die Nase in ihr weiches Fell. Dass er zu Weinen begonnen , bemerkte er erst, als Harvey anfing, ihn eifrig zu putzen und die salzige Flüssigkeit fort zu schlecken. Stiles hätte selbst nicht sagen können, was plötzlich mit ihm los war? So etwas, wie das was ihm heute mit Earl passiert war, war doch echt nichts Neues für ihn? Vor gar nicht so langer Zeit war das sein Alltag gewesen. Und er hatte Situationen erlebt, in denen es deutlich übler für ihn ausgegangen war. Also warum saß er jetzt hier und flennte, wie so ein verdammtes, dämliches Baby? Vielleicht weil er sich in letzter Zeit zu sicher gefühlt hatte? Er hatte sich wohl eingebildet, dass ihm so etwas nicht mehr passieren könnte? Er war eben ein Idiot! Stiles beobachtete eine Weile die vier Babykaninchen in ihrem Nest, wie sie immer noch blind zappelten, zuckten und umeinander krabbelten, immer in dem Versuch, unter ihren Geschwistern zu verschwinden, um es warm und sicher zu haben, nun da die Mutter nicht mehr auf ihnen saß und fühlte plötzlich eine Art kaltes Vergnügen an ihrer Verzweiflung und Schutzlosigkeit. `So ist eben das Leben! Besser ihr gewöhnt ein beizeiten daran!´ dachte er grimmig bei sich. Als er sich seine eigenen Gedanken bewusst machte, setzte er Harvey rasch erschrocken zurück in ihren Stall, damit sie sich wieder um ihre Jungen kümmern konnte. Wo war diese furchtbare Bosheit denn plötzlich hergekommen? Stiles rollte sich in sein Handtuch und seine Decke gewickelt vor dem Käfig zusammen und fühlte sich wie wertloser, menschlicher Müll. Er ballte die aufgeschürften Hände zu Fäusten, die daraufhin wieder zu bluten begannen und bewegte seinen verstauchten Fuß, einfach nur um den Schmerz zu fühlen und am Liebsten wäre er aus seiner eigenen, schmutzigen, schmutzigen Haut gefahren! Er wartete eine Ewigkeit darauf, dass Derek endlich zu ihm käme, doch das tat er natürlich nicht. Warum sollte er auch? Er hatte ja jetzt seine schöne Ex wieder; bereit um Derek zu kämpfen und ebenso bereit für die Mutterschaft! Wozu brauchte er da denn noch einen dreckigen, kleinen Stricher, den er in der Gosse gefunden hatte? Erfüllt von Hass auf sich selbst, sein Leben und die ganze Welt schlief Stiles irgendwann ein. „Was ist denn hier los?“ fragte Derek, als er im Morgengrauen Stiles Zimmer betrat und dessen Bewohner als zusammengerolltes Bündel am Boden vor dem Hasenstall liegend vorfand. Lediglich ein nackter Fuß und ein Büschel Haar lugten hervor. Er hockte sich neben den Jungen, kraulte den Kopf und erkundigte sich sanft: „Willst du dich denn nicht lieber ins Bett legen, Kleiner? Der Boden ist doch viel zu hart!“ Im Moment der Berührung zuckte Stiles heftig zusammen, setzte sich ruckartig auf und blickte sich wirr um. Die Schürfwunden im Gesicht waren das Erste, was Derek entdeckte und kurz danach die Hände mit dem getrockneten Blut daran: „Verdammt! Was ist dir denn passiert? War das ein Überfall?“ wollte er wissen. Er versuchte, Stiles an sich zu ziehen, doch der bemühte sich lediglich, in blinder Panik von ihm wegzukommen. Derek hielt in der Bewegung inne und versicherte sanft: „Hey, Kleiner! Ich bin es doch bloß, Derek! Du musst keine Angst haben. Dir geschieht nichts!“ Stiles musterte ihn skeptisch und rieb sich den Schlaf aus den Augen: „Derek?“ fragte er mit kratziger Stimme, als könne er es nicht wirklich glauben. „Ja, Stiles. Ich bin es.“ bestätigte er daher, ohne sich dem verstörten Jungen zu nähern: „Erzählst du mir jetzt, wer dir wehgetan hat?“ Stiles schüttelte langsam den Kopf. Sein Blick war immer noch wirr und ängstlich und Derek bildete sich ein, es übertrüge sich ein Gedanke von dem Jungen auf ihn selbst; etwas in der Art wie: `Es waren einfach zu Viele, die mir wehgetan haben´, oder so. Es machte, dass er sich traurig und hilflos fühlte: „Ich werde Verbandszeug holen und dir einen Tee machen. Ich bin gleich wieder da, Stiles!“ versicherte Derek, denn er hatte das Gefühl, er müsse wenigstens irgendetwas tun! Stiles jedoch schüttelte heftig mit dem Kopf: „Nicht weggehen!“ forderte er kläglich. Derek war für solche Aufgaben wirklich nicht geschaffen! Er konnte sich nicht gut um andere kümmern und er hatte nicht den blassesten Schimmer, was mit Stiles los sein mochte und was ihm zugestoßen sein mochte. Er streckte die Hand aus, und forderte: „Also gut, ich bleibe hier. Aber nun komm´ zu mir, Kleiner! Legen wir dich ins Bett, damit du noch ein bisschen schläfst, einverstanden? Dann geht es dir bestimmt bald wieder besser!“ Stiles erhob sich stöhnend. Sein Handtuch und die Decke fielen zu Boden und er war nackt. Erst als er auf Derek zugehumpelt kam, entdeckte dieser den geschwollenen, blau verfärbten Fuß: „Mensch Stiles! Was ist dir denn bloß passiert? Wir müssen in ein Krankenhaus fahren! Der Fuß könnte gebrochen sein.“ „Nein!“ rief Stiles erschrocken und hielt in der Bewegung inne: „Kein Krankenhaus! Ich will hier bleiben! Ich habe Angst! Bitte zwing mich nicht! BITTE! Bitte nicht... Nein!“ Er jammerte wie ein kleines Kind, sah in diesem Moment auch ein wenig so aus und hatte zu Weinen begonnen. Irgendetwas stimmte hier absolut nicht und Derek hatte keine Ahnung, was er da bloß unternehmen konnte. Ein Krankenhaus wäre sicher auch noch aus anderem Grund nicht die schlechteste Idee, denn ein Arzt konnte Stiles immerhin etwas zur Beruhigung verabreichen, doch irgendwie hatte er das eigenartige Gefühl, den Jungen zu verraten und im Stich zu lassen, wenn er nun doch gegen seinen Willen einen Krankenwagen rief. Und immerhin hatte Stiles IHN doch auch schon in ähnlich desolatem Zustand vorgefunden, wenn er wieder einmal keinen Schlaf hatte finden können. Irgendwie hatte ER es ja auch allein geschafft, ihn wieder auf den Teppich zurück zu holen, oder nicht? Warum sollte es Derek also umgekehrt nicht ebenso gelingen? Nur hatte er leider keine Ahnung, wo er anfangen sollte. Derek fühlte sich dumm und nutzlos. Dann fiel sein Blick auf den Tierkäfig. Die Kaninchenmutter war dabei aufgeregt hin und her zu rennen und an den Gitterstäben herumzukratzen: „Du musst dich ein bisschen beruhigen, Stiles! Sieh´ nur! Du machst Harvey ja ganz nervös und das ist dich nicht gut für sie und die Kleinen!“ sagte er. Es wirkte beinahe wie ein Zauber, denn Stiles war umgehend still und schaute Derek mit großen Augen an: „Soll ich sie vielleicht in den Arm nehmen?“ fragte er unsicher. Derek schüttelte den Kopf: „Dafür bist du zu aufgeregt. Es würde sie nicht beruhigen! Komm´ einfach nur zu mir herüber, Kleiner! Wenn sie sieht, dass es dir gut geht, wird sie sich auch wieder entspannen.“ Er öffnete einladend seine Arme. Stiles nickte kaum merklich und humpelte dann tatsächlich zu ihm hinüber Derek schloss erleichtert dir Arme um den nackten, bebenden Körper und stellte fest, dass die Haut eiskalt war, also schlug er vor: „Lass´ uns ins Bett gehen, in Ordnung, Süßer!“ Stiles hob den Kopf und blickte Derek forschend an: „Du willst mich ficken?“ Dereks Augen weiteten sich vor Entsetzen und er versicherte: „Was? Nein! Natürlich nicht!“ „Also ekelst du dich vor mir!“ stellte der Jüngere unglücklich fest. Derek seufzte: „Nicht doch, Stiles! Ich ekele mich doch nicht vor dir. Was redest du denn bloß? Aber sieh´ dich doch nur an! Du zitterst, du bist verletzt und verwirrt! Welche Art Monster denkt solch einem Moment denn bitte an Sex?“ Stiles lachte bitter auf und es traf Derek wie ein Messer in seinem Fleisch. Er fühlte sich naiv und dumm. Er angelte nach einer Boxershorts und einem T-Shirt für Stiles und half ihm beim Anziehen: „Wir werden jetzt schlafen!“ bestimmte er: „Ich passe auf dich auf! Und wenn es dir besser geht, dann reden wir über alles.“ Sie legten sich ins Bett, Derek wickelte Stiles in seine Decke und zog ihn sacht an sich. Kapitel 17: It´s something in-between -------------------------------------- Derek konnte wieder einmal nicht schlafen, nur heute lag es nicht daran, dass er unter Alpträumen oder Nachtängsten litt. Er blickte hinab auf den schlummernden Jungen an seiner Seite, der sich endlich ein wenig beruhigt hatte. Stundenlang hatte Stiles sich im Schlaf hin- und hergewälzt und in seinen Träumen unverständlich vor sich hin gemurmelt und gejammert. Es war wirklich nicht leicht gewesen, ihn zu beruhigen, doch nun, da Stiles endlich still lag, war Derek dennoch nicht zufrieden. Er hielt den Jungen im Arm, weshalb er selbst sich ebenfalls nicht rühren durfte, da er sonst riskieren würde, den Schlafenden wieder zu wecken. Das Dumme war nur, dass er langsam begann, das Gefühl in seiner rechten Hand zu verlieren! Dies war der Moment, in welchem Derek erstmals vollkommen bewusst wurde, was Stiles da eigentlich Nacht für Nacht für ihn leistete. So oft hatte dieser Junge über seinen Schlaf gewacht und ihm verlässlichen Halt und Trost angeboten, ohne sich jemals über irgendetwas zu beschweren. Bezahlte er Stiles eigentlich genug für seine Dienste? Höchstwahrscheinlich nicht, denn nun, wo er bloß ein einziges Mal selbst tun musste, was sonst immer für ihn getan wurde erkannte Derek, dass es beinahe so etwas wie Schwerstarbeit war. Und im Grunde war es unbezahlbar, denn er verdankte Stiles nicht bloß seinen Schlaf, sondern vielmehr seine Seelenruhe und höchstwahrscheinlich sogar sein Leben. Warum fiel es Stiles eigentlich scheinbar so leicht, diese Dinge zu geben? Er hatte mit Sicherheit bereits eine ganze Menge Mist in seinem Leben erfahren und dennoch war er lustig, freundlich und voll von Liebe? Bereits in der ersten Nacht, als Derek ihn am Straßenrand aufgelesen und mitgenommen hatte, hatte dieser Junge intuitiv begriffen, was Derek von ihm gebraucht hatte und da hatte er selbst es ja noch nicht einmal gewusst! Und nun waren die Rollen bloß einmal eine Nacht lang vertauscht und Derek konnte nur an seine bescheuerte Hand denken, welche ihm hier gerade abstarb. Er war wirklich ein egozentrischer Blödmann! Die Sonne stand mittlerweile hoch am Himmel. Sie strahlte zum Schlafzimmerfenster herein und schien Stiles auf der Nase zu kitzeln, denn dieser grimassierte nun ein wenig und drehte sich dann mit einem knurrenden Laut vom Fenster weg, so dass es Derek schließlich gelang seinen Arm zu befreien, ohne seinen Schutzbefohlenen zu wecken, bevor er hier noch einen dauerhaften Nervenschaden erlitt . Derek rieb sich die Hand, in welche nun nach und nach unter schmerzhaftem Kribbeln Blut und Leben zurückkehrte und es gelang ihm, seine Pein wenigstens halbwegs in Stille und Würde zu ertragen, ohne den Schlafenden durch unflätiges Fluchen letztendlich doch noch aufzuwecken. Immerhin! Als der Schmerz dann endlich wieder nachließ, schmiegte Derek sich sehr vorsichtig wieder von hinten an Stiles heran und legte einen Arm um ihn. Sein Blick fiel auf die Schürfwunde auf dem hübschem Gesicht des Jungen. Wer immer das getan hatte, Derek wünschte, er würde ihn in die Finger bekommen! Er fasste den Beschluss, `Die Waisenkinder´ als Stiles Bodyguards zu engagieren. Garrett und Violet mochten zwar nicht unbedingt die angenehmsten und sympathischsten Vertreter der menschlichen Spezies sein, aber dafür waren sie echte Profis. Damals, direkt nach dem Tod von Dereks Familie hatten sie ihm jedenfalls gute Dienste geleistet. Stiles selbst musste er ja gar nichts davon erzählen, denn es wäre ihm mit Sicherheit nicht recht, wenn man für ihn einen Babysitter anheuerte. Doch Derek konnte sich darauf verlassen, dass diese beiden Personenschützer diskret arbeiten würden. Stiles würde gar nichts davon mitbekommen. Plötzlich gewann Derek eine Erkenntnis, welche ihn selbst überraschte: Er hatte Stiles gern und sorgte sich um ihn! Und dabei ging es nicht bloß darum, dass er ihn nicht verlieren durfte, weil er ihm einen wichtigen Dienst erwies, indem er ihm half zu schlafen. Derek MOCHTE diesen Jungen; das tat er wirklich! Stiles war lustig, stark, frech, verletzlich, clever, außergewöhnlich, unerschrocken und wie auch immer er es anstellte, er brachte Licht und Lebendigkeit in Dereks Leben. Irgendwie war es eigenartig. Schließlich lebten Stiles und er in völlig unterschiedlichen Welten. Dass sie sich überhaupt jemals begegnet waren, grenzte doch bereits an ein Wunder und nun sollte man meinen, dass sie einander nicht viel zu sagen haben dürften, doch das Gegenteil war der Fall; sie griffen mühelos in einander wie zwei Puzzleteile und verstanden sich sogar ohne große Worte. Flüchtig fragte Derek sich, was wohl aus ihm geworden wäre, wenn er Stiles nicht gefunden hätte? Wäre er dann wohl überhaupt noch am Leben? Hätte er vielleicht eine andere Lösung für seine Insomnie gefunden? Er bezweifelte es, nach allem was er bereits erfolglos probiert hatte. Es war eine Weile her, dass es in Dereks Leben jemanden gegeben hatte, um den er sich wirklich von Herzen gesorgt hätte. Er war seit jeher eher ein Eigenbrötler gewesen und es kam noch hinzu, dass das viele Geld, abgesehen von den vielen Vorzügen, die es möglicherweise haben mochte, einen auch wirklich von der Umwelt isolieren konnte. Manchmal fiel es schwer zu unterscheiden, wer seine wahren Freunde waren und wer einfach nur hoffte, von ihm profitieren zu können. Doch immerhin hatte Derek da immer noch seine Familie gehabt, nicht wahr? Und das war ihm auch stets genug gewesen, doch nun waren sie eben alle fort und hatten ihn allein hier zurückgelassen; seine nervtötenden Geschwister, sein lebenslustiger Onkel, seine weise, bewundernswerte Mutter, sein ernster, in sich gekehrter Vater... kein einziger war ihm geblieben! Derek blickte ein weiteres Mal hinab auf den Jungen an seiner Seite. Schlafend sah er wahnsinnig jung aus. Die geschwungenen Lippen waren leicht geöffnet, die markanten Gesichtszüge weich in ihrer Entspannung und das kurze Haar stand wirr in alle Richtungen ab. Derek ertappte sich dabei, wie der Anblick ihn lächeln machte. Es war ein friedlicher Moment, der Junge in seinem Arm hatte endlich Ruhe gefunden und Derek selbst eine Liegeposition, welche ihm bequem und angenehm war und so kam es, dass er schließlich doch noch einmal einschlief. Das Erste, was Stiles beim Erwachen spürte, war sein dröhnender Kopf, dicht gefolgt von den brennenden Schmerzen an den Händen und im Gesicht und einem Puckern in seinem Fuß. Was war hier passiert? Er versuchte, wach genug zu werden, um sich zu erinnern: Gestern Abend, Dereks Geburtstagsparty, Kate Argent und Deucalion, die ihm zugesetzt hatten und dann seine Flucht in das falsche Taxi. Stiles stöhnte und weckte damit nun auch Derek: „Hey, Kleiner! Geht´s dir ein bisschen besser?“ erkundigte dieser sich und streichelte ihm sanft durch das zerwühlte Haar. Stiles rappelte sich mühsam hoch, drehte sich um und blickte auf den Mann neben sich herunter, der ihn bis gerade eben im Arm gehalten hatte. Ihm wurde soeben wieder bewusst, dass er sich in der vergangenen Nacht wie ein Verrückter aufgeführt hatte, auch wenn er gerade gar nicht mehr sagen konnte, wieso eigentlich? So schlimm war das alles doch gar nicht gewesen! Was musste Derek nun bloß von ihm denken? „Das mit gestern.... Tut mir leid, dass du mich so sehen musstest!“ murmelte er verlegen mit kratziger Stimme. Derek setzte sich ebenfalls auf und küsste ihn sacht auf die Stirn: „Ach´ Unsinn! Dir muss überhaupt nichts leid tun! Ich bin bloß froh, dass ich da gewesen bin, um mich um dich zu kümmern, Stiles. Du hast mir echt Angst gemacht. Du warst ja völlig außer dir! Lass´ uns aufstehen und erst einmal duschen Und anschließend erzählst du mir alles, in Ordnung?“ Stiles nickte und sie erhoben sich, doch ihre Pläne wurden durchkreuzt, denn die Dusche lief bereits und vor der Badezimmertür wachte ein kleiner, struppiger, magerer Hund, der die fremden Störenfriede böse ankläffte. Daraufhin wurde das Wasser eilig abgedreht und Scott, mit einem Handtuch um die Hüften und Schaum in den Haaren kam herausgestürmt, nahm das Tier hoch und tadelte ihn: „Aus, Skippy! Willst du wohl deinen Onkel Stiles nicht beschimpfen?“ An die beiden Männer gerichtet, den Blick jedoch nicht von dem Hund nehmend, plapperte Scott drauflos: „Das ist Skippy und eigentlich ist er ganz lieb. Tut mir leid, dass er euch so überfallen hat. Er ist mir sozusagen zugelaufen und wir hatten noch keine Gelegenheit darüber zu sprechen, Stiles, aber ich werde ihn natürlich weggeben, wenn es dir nicht recht ist, dass er hier lebt! Übrigens... was ist eigentlich mit dem Duschgel passiert. Da war doch gestern noch eine volle Flasche und nun ist sie leer. Ich musste Shampoo nehmen...“ Erst da hob er den Kopf und entdeckte, in welchem Zustand Stiles sich befand. Eilig setzte Scott den Hund wieder ab und fiel seinem besten Freund um den Hals, wobei er Derek ein wenig unsanft beiseite schob und fragte: „Scheiße, wer hat das gemacht, Bro? Was ist passiert? Wer hat dir das angetan? Erzähl´s mir!“ „Ich... ich war... ich habe...“ stammelte Stiles, doch weiter kam er nicht, denn er musste weinen. Scott warf einen gleichsam strafenden, wie auch fragenden Blick auf Derek, doch der versicherte: „Ich bin genauso schlau wie du. Warum lassen wir Stiles nicht erst einmal richtig wach werden und dann kann er uns in Ruhe alles erzählen?“ Scott spülte sich also noch eilig die Seife aus den Haaren und verschwand dann in der Küche, um für alle Kaffee und ein spätnachmittägliches Frühstück zu bereiten, denn mittlerweile war es bereits halb fünf am Nachmittag. Unterdessen verschwanden Derek und Stiles im Bad und dies taten sie gemeinsam, weil Derek nicht ganz sicher war, ob er den Jüngeren schon wieder allein und unbeaufsichtigt lassen konnte oder wollte. Er stellte das warme Wasser an, sie schälten sich aus den Kleidern, in welchen sie geschlafen hatten und unter dem Wasserstrahl legte Derek einen Moment lang von hinten beide Arme um Stiles und erlaubte es ihm so, sich anzulehnen und geborgen zu fühlen. Es lag nichts Sexuelles in dieser Geste, Derek wollte Stiles dadurch einfach bloß ein wenig von seiner Sicherheit zurückgeben. Zehn Minuten später saßen beide Männer schließlich bei Scott am Tisch und jeder brütete für sich über seiner Kaffeetasse. Irgendwann wollte Stiles von Scott wissen: „Wann bist du denn eigentlich gestern nachhause gekommen?“ „Wenn ich gewusst hätte, dass du mich brauchst, wäre ich doch nie so lange weggeblieben!“ rechtfertigte sich sein bester Freund schuldbewusst: „Es tut mir wahnsinnig leid! Wir brauchen wirklich ein zweites Telefon!“ Und während Stiles noch versicherte, dass es so überhaupt nicht gemeint war, fiel Derek etwas ein und er verschwand kurz. Als er wiederkam hatte er ein kleines Päckchen in der Hand und reichte es an Stiles: „Ich habe gestern vergessen, dir dies hier zu geben. Damit habt ihr beide dieses Problem ab sofort nicht mehr.“ In dem Päckchen befand sich ein nagelneues I-Phone und Derek begann ausführlich, dessen Funktionen und Vorzüge aufzuzählen. Stiles blickte seinen Gönner überfordert an, versicherte, dass das doch nicht nötig gewesen wäre, forderte, dass Derek gefälligst nicht so viel Geld für ihn ausgeben solle und bedankte sich schließlich mit einer Umarmung. Dann wollte Stiles von Scott wissen: „Aber wo bist du denn nun die ganze letzte Nacht gewesen?“ „Ich war mit Allison zusammen. Wir waren im Kino, danach Kaffee trinken und dann sind wir einfach bloß so in der Stadt herumgelaufen und haben endlos geredet. Irgendwie konnten wir uns nicht recht voneinander trennen. Ich war erst heute Morgen gegen halb sieben wieder da. Es war echt total schön, aber wenn ich gewusst hätte, dass du mich gebraucht hast... „ wiederholte Scott unbehaglich: „Ist in Ordnung, Scotty!“ versicherte Stiles: „Es freut mich, dass es schön mit Allison. Wie hättest du denn ahnen können, was los war? Und immerhin war Derek ja da.“ Derek nahm Stiles Hand, verschränkte ihre Finger und erklärte sanft: „Und darüber bin ich auch verdammt froh! Aber nun spann´ uns nicht weiter auf die Folter, sondern erzähl´ uns endlich, was denn nun eigentlich vorgefallen ist, nachdem du meine Party verlassen hast?“ „Ach, im Grunde war gar nichts. Alles halb so schlimm!“ behauptete Stiles daraufhin unglaublicher Weise. Derek gab einen leisen, knurrenden Laut von sich: „Bullshit! Ich habe dich letzte Nacht gesehen, erinnerst du dich? Du warst vollkommen außer dir! Und was ist mit deinen Verletzungen? Die kommen doch auch nicht von ungefähr. Also los jetzt! Erzähl schon!“ Stiles seufzte und behauptete: „Die Verletzungen habe ich nur aufgrund meiner eigenen Ungeschicklichkeit.“ Dann begann er zu berichten, wie er am vergangenen Abend in das falsche Taxi gestiegen und was daraufhin geschehen war und endete mit den Worten: „Seht ihr? Halb so schlimm!“ „Bist du Irre?“ polterte Derek los, der nun langsam mit seiner Geduld am Ende war: „Irgend so ein Drecksack versucht dich auszurauben und zu überfahren und du sagst `Halb so schlimm´? Wie ist es denn erst, wenn es wirklich richtig schlimm ist, hm? Du solltest zu den Cops gehen und den Mistkerl anzeigen. Es sollte schließlich nicht so schwer sein, den Täter über sein Taxiunternehmen ausfindig zu machen!“ Scott schloss sich seinem Vorredner an und schimpfte: „Earl, diese Ratte! Ich werde mir irgendwo eine Knarre besorgen und ihm seine schrumpeligen Eier wegschießen!“ „Ach, hört schon auf, ihr Zwei!“ forderte Stiles gequält: „Ich werde NICHT zu den Bullen gehen und DU wirst dich gefälligst von Earl fernhalten, Scotty! Der Typ ist nämlich irre! Ich will diesen ganzen Quatsch einfach bloß vergessen und meine Ruhe haben!“ Scott rutschte von seinem Stuhl hinüber auf Stiles Schoß, blickte ihn an, wie ein frischgeborener Welpe, küsste ihn auf die Nase und säuselte: „Ich mache mir doch nur Sorgen um dich, weil ich dich so, SO doll lieb habe, Blödmann!“ Natürlich schmolz Stiles nun dahin: „Selber Blödmann!“ erwiderte er, schlang die Arme um seinen besten Freund und beide hielten einander eine Weile einfach bloß mit geschlossenen Augen fest. Derek beobachte das Schauspiel von seinem Platz aus und dabei fasste er zwei Beschlüsse: Zum einen würde er nun, nachdem er wusste, was Stiles zugestoßen war definitiv die beiden Bodyguards für ihn engagieren und zum anderen würde er jemanden darauf ansetzen, diesen Earl zu finden. In der Umgebung um den Hale-Tower gab es überall Sicherheitskameras. Es sollte für einen Privatdetektiv also ein Kinderspiel sein, ihn ausfindig zu machen. Stiles wollte diesen Kerl vielleicht nicht anzeigen, doch Derek wollte verdammt sein, wenn er dieses Frettchen einfach so ungeschoren davonkommen lassen würde. Das Schwein würde mindestens ebenso heftig leiden, wie Stiles es getan hatte, dann würde er es sich in Zukunft vielleicht zweimal überlegen, ehe er sich an wehrlosen Jungen vergriff. Natürlich würde Derek Stiles kein Sterbenswörtchen von seinen Plänen verraten, weil er sich lebhaft vorstellen konnte, dass diesem das ganz und gar nicht schmecken würde. Nach dem Essen verkündete Derek, dass er noch einmal ins Büro müsse und wollte von Stiles wissen, ob sie sich gegen neun bei ihm Zuhause treffen wollten: „Ich könnte dem Koch sagen, dass er uns etwas Besonderes machen soll. Und später könnten wir vielleicht einen Film sehen.“ „Du willst heute noch ins Büro? Es ist Samstag!“ fragte Stiles überrascht. Derek hatte tatsächlich noch ein paar Kleinigkeiten in der Firma zu erledigen, doch in erster Linie wollte er natürlich seine Pläne in die Tat umsetzen. Außerdem hatte er das Gefühl, dass es gut für Scott und Stiles wäre, wenn sie beide noch ein wenig ungestörte Zeit für ein einander hätten, also antwortete er ausweichend: „So ist das eben, wenn man der Chef ist! Hast du eigentlich schon einmal Hummer gegessen, Stiles? Wie wär´s mit `Surf and Turf´?“ Der Jüngere schaute ihn ratlos an: „Und wieso willst du mich so verwöhnen? Womit habe ich das denn verdient?“ Derek zuckte unwirsch mit den Achseln und ein rosa Schimmer überlief seine Wangen: „Ich hab´ einfach Lust darauf. Ist das etwa ein Verbrechen?“ brummte er ertappt. Stiles lächelte leise, nahm Dereks Hand und stellte fest: „Du bist lieb!“ Nun verwandelte sich Dereks Gesichtsfarbe endgültig in ein tiefes purpurrot, was er zu verbergen versuchte, indem er tief an seiner Stuhllehne herunterrutschte und zur Ablenkung vorschlug: „Ich könnte den neuen `Avengers´-Film besorgen, wenn du willst?“ Stiles legte den Kopf schief und fragte ungläubig: „Der neue `Avengers´-Film, der erst in zwei Wochen in den Kinos anläuft? Wie kommst du denn da ran?“ Nun grinste Derek: „Ich habe eben Beziehungen. Also? Was sagst du?“ „Klingt toll! Und irgendwie illegal!“ bestätigte Stiles strahlend. „Also ist es abgemacht!“ erwiderte Derek und ließ sich von Stiles zur Tür bringen. Bereits im Gehen fragte er noch: „Sag´ mal, soll ich dir nachher vielleicht Greenburg schicken, damit er dich abholt? „Wie bitte?“ fragte Stiles entsetzt. „Na ja, wegen deines Fußes?“ erwiderte der Ältere kleinlaut: „Vielleicht kannst du ja nicht fahren und ich will nicht, dass du wieder ein Taxi nimmst!“ „Ich nehme den Jeep. Es wird schon gehen!“ versicherte Stiles Augen rollend: „Immerhin fahre ich den Wagen und schiebe ihn nicht bis zu dir!“ „Ich mache mir ja bloß Sorgen!“ erwiderte Derek uncharakteristisch verunsichert. Stiles seufzte schwer: „Es tut mir echt leid, dass du ich letzte Nacht so gesehen hast. Ich habe mich total zum Affen gemacht und es ist mir echt peinlich! Aber ich schwöre, jetzt ist alles wieder gut!“ Derek hielt kurz inne, als wolle er noch etwas sagen, doch dann hauchte er einfach bloß einen kleinen Kuss auf Stiles Lippen, ehe er sich umdrehte und verschwand. Als sie wieder unter sich waren, hockte Scott sich mit seinem neuen Hund im Arm neben Stiles auf das Sofa im Wohnzimmer und Mensch und Tier schauten ihn nun mit großen Kinderaugen fragend an: „Was? Denkst du wirklich, ich würde sagen `Vergiss´ es Kumpel! Du bekommst keinen Hund?´ Wer bin ich denn, es dir zu verbieten?“ Fragte Stiles ratlos: „Du wohnst schließlich genau so hier, wie ich und solange du Skippy von Harvey und ihren Babys fernhältst, ist alles in Ordnung.“ Scott blickte unsicher zu Stiles hinüber: „Ich muss doch wenigstens fragen. Immerhin ist das hier deine Wohnung. Derek hat sie DIR überlassen!“ „Wenn du jemals wieder so etwas Dämliches sagst, dann schwöre ich, werde ich dir den Hintern versohlen!“ schimpfte Stiles empört: „Vielleicht gefällt mir das ja sogar?“ erwiderte Scott zwinkernd, setzte den Hund ab und legte sich quer über die Knie seines besten Freundes „Hey! Runter mit dir, Flittchen! Du bist verdammt schwer!“ schimpfte Stiles lachend und gab Scott einen Klaps auf sein Hinterteil, was aufgeregtes Gebell von Skippy nach sich zog: „Ich schätze, du hast da einen echten Beschützer!“ stellte Stiles schmunzelnd fest, als Scott zu seinem Hund eilte, um diesen wieder zu beruhigen. Dann humpelte er in die Küche und begann in den Schränken zu kramen. Schließlich kehrte er zu Scott zurück und erklärte: „Ich glaube, ich muss noch mal in den Supermarkt?“ „Was hast du vor?“ wollte sein Freund wissen. „Backen!“ gab Stiles zurück: „Denn weißt du, was der Anlass für die Party in Dereks Büro war? Es war sein Geburtstag und der Schuft hat mir vorher kein Sterbenswörtchen verraten! Und weil es völlig sinnlos wäre, einem Milliardär ein Geschenk zu kaufen, denn er hat ja schon alles und noch viel mehr, bekommt er von mir einen selbstgebackenen Geburtstagskuchen.“ Scott nickte verstehend, erklärte aber: „Ich werde für dich losgehen, weil du mit deinem Fuß doch gar nicht richtig laufen kannst. Mach mir einfach eine Einkaufsliste. Ich muss sowieso noch einmal mit Skippy raus.“ Etwa eine Stunde später saßen Stiles und Scott gemütlich nebeneinander im Wohnzimmer. Der Geburtstagskuchen war ein echtes Prachtstück geworden: knartschbunt mit reichlich Zuckerguss, über und über beklebt mit Süßigkeiten und ideal für einen Kindergeburtstag. Und damit Scott nicht leer ausging, hatte Stiles für ihn ebenfalls einen Miniaturausgabe davon gebacken, welchen die beiden Freunde soeben verspeisten. Nebenher ließ Stiles sich einen ausführlichen Bericht darüber geben, was Scott mit Allison erlebt hatte. Er erfuhr alles über ihre bezaubernden Grübchen, wie sie nie wusste, wohin mit ihren Händen, wenn sie verlegen war und dass sie die weichsten, wundervollsten Lippen der Welt besaß. Kein Zweifel, Scott hatte es ganz schön erwischt! „Und wie sieht es mit Derek und dir aus?“ wollte der Freund nun von Stiles wissen: „Ich meine, er macht dir schöne Geschenke, ihr duscht zusammen, er sorgt sich um dich... ? Das ist doch mehr, als bloß ein reines Geschäft, oder nicht?“ Stiles zuckte unschlüssig mit den Schultern: „Ich weiß es selbst nicht. Sicher ist es nicht bloß ein Deal für ihn, aber ich bin auch nicht so dumm anzunehmen, dass wir vielleicht irgendwann ein richtiges Paar werden könnten. Irgendwie sind wir wohl irgendwas dazwischen? Irgendwas, für das es noch keinen Namen gibt?“ Wie verabredet fuhr Stiles um einundzwanzig Uhr bei Dereks Palast vor. Er wurde von Greenburg in Empfang genommen und in das Esszimmer geführt, wo Derek bereits auf ihn wartete. An einer lächerlich langen Tafel mit blendend weißer Tischdecke, auf der zwei große Kerzenleuchter für romantische Beleuchtung sorgten, war bereits an den gegenüberliegenden Stirnseiten für sie beide gedeckt: „Und Kleiner? Ich hoffe, du hast Hunger? Denn gleich gibt es gut und reichlich!“ begrüßte ihn der Gastgeber. Stiles schüttelte ungläubig den Kopf: „Du bist verrückt, weißt du das?“ fragte er lachend: „Wie sollen wir uns denn so unterhalten? Mit Walkie-Talkies etwa?“ „Was hältst du dann zur Abwechslung mal davon, einfach mal die Klappe zu halten und dich auf das Essen zu konzentrieren?“ erwiderte Derek mit einem frechen Grinsen. Stiles schüttelte den Kopf: „Nein, das klingt überhaupt nicht nach mir!“ Er drückte Derek einen Karton mit Schleife darum in die Hand und erklärte gespielt streng: „Das ist für dich, auch wenn du es nach dieser Unverschämtheit eigentlich gar nicht mehr verdient hast!“ „Was ist das?“ wollte Derek wissen: „Das ist der Nachtisch! Herzlichen Glückwunsch nachträglich, Baby!“ antwortete Stiles. Derek öffnete den Karton und gab einen, für ihn ausgesprochen untypischen Laut des Entzückens von sich: „Hast du den etwa für mich gebacken?“ Stiles zückte ein Feuerzeug, entzündete die einzelne Kerze, welche auf dem Kuchen thronte und bestätigte: „Ja habe ich. Es ist ein Zitronenpuffer nach dem Rezept meiner polnischen Großmutter, also würdige es gefälligst entsprechend! Und nun blas´ die Kerze aus und wünsch“ dir etwas!“ Derek grinste und tat, wie ihm geheißen. Das Essen war ein Traum. Auf riesigen Tellern lagen neben den ausgelösten Hummerschwänzen noch in Knoblauch gebratene Jakobsmuscheln, medium gegrillte Filetsteaks vom Rind mit Kräuterbutter, ein kleiner Blattsalat und belgische Pommes Frittes mit hausgemachter Remouladensauce. Stiles wären fast die Tränen gekommen, so gut war alles und die Schrecken der vergangenen Nacht verblassten mit einem Mal vollständig. Nach dem Essen führte Derek Stiles nach oben in den Kinosaal, wo sie den Geburtstagskuchen und verschiedene Sorten Popcorn zum Dessert einnahmen und tatsächlich den neuen Avengers-Film als illegitime Preview anschauten. Der Saal war groß genug für mindestens fünfzig Menschen, doch sie beide saßen ganz allein in einem Zweiersitz in der ersten Reihe und Stiles kuschelte sich an Derek. Dies fühlte sich beinahe wie ein Rendezvous an, dachte der Jüngere gerade zufrieden, als Derek verkündete: „Ich habe übrigens gute Neuigkeiten!“ Er kraulte gedankenverloren Stiles Haar und fuhr fort: „Ich muss für ein paar Tage geschäftlich nach Tokyo.“ Irgendwie erwartete Stiles, dass Derek ihn nun fragen würde, ob er Lust hätte mitzukommen und er freute sich schon, denn er hatte die Vereinigten Staaten noch nie verlassen und hätte große Lust darauf gehabt, doch stattdessen sagte Derek nun: „Und wie es der Zufall so will, hat Kate dort ebenfalls einen Auftrag und sie wird mich begleiten. Du hast also ein paar Tage frei. Klingt das nicht gut?“ Der Ältere klang aufrichtig begeistert, also sagte Stiles: „Oh, toll. Ich wünsche eine gute Reise!“ Er hoffte, Derek würde der falsche Unterton in seiner Stimme nicht auffallen. Oh nein, sie beide waren kein Paar! Sie waren ja nicht einmal nah dran! Kapitel 18: Positiv bleiben! ---------------------------- Triggerwarnung: Erwähnung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder. (Keine detaillierte Beschreibung) Es war Montagmorgen und Stiles und Scott saßen gemeinsam am Frühstückstisch: „Jetzt zieh´ doch nicht so ein Gesicht!“ forderte Scott mitfühlend: „Derek ist doch am Freitag wieder hier. Und bis dahin machen wir Zwei uns einfach eine schöne Zeit, soweit ich nicht arbeiten muss.“ Stiles gab ein unzufriedenes Brummen von sich: „Aber bis dahin hat diese Kate doch längst das, was sie will und ich bin raus! Was, wenn sie es auch noch schafft, dass Derek schlafen kann? Wozu braucht er mich dann noch?“ „Aber ich verdiene doch jetzt auch ein bisschen Geld! Und du hast genug auf dem Konto, dass es eine Weile reichen sollte. In der Zeit kannst du dir in Ruhe einen Job suchen, wenn es hart auf hart kommt. Und bestimmt schmeißt Derek uns auch nicht sofort aus der Wohnung, selbst wenn er dich nicht mehr brauchen sollte. Du liegst ihm am Herzen, das haben wir schließlich in letzter Zeit gesehen.“ versicherte Scott. Stiles ließ seinen Kopf auf die Tischplatte fallen und knurrte: „Denkst du etwa, dass es mir darum geht? Das Geld oder das Apartment? Ich will IHN, verdammt! Ich weiß, wie bescheuert das ist, aber ich LIEBE ihn nun mal!“ Scott kraulte seinem Freund sanft den Nacken: „Aber du weißt doch noch gar nicht, ob Kate wirklich etwas von Derek will? Vielleicht hat dieser Deucalion das auch bloß behauptet, um dir unter die Haut zu gehen und sie hat wirklich bloß zufällig auch gerade jetzt etwas in Tokio zu tun?“ Stiles hob abrupt den Kopf und giftete: „Ja sicher doch! Und die Weihnachtgeschenke bringt ein dicker, alter Alkoholiker im roten Mantel, richtig? Nein, diese Bitch hat ihr Ziel anvisiert und wird alles ausmerzen, was ihr im Weg ist und im Augenblick bin ICH das!“ „Aber wer sagt denn, dass Derek SIE überhaupt noch will?“ versuchte Scott es noch einmal: „Vergiss es Scotty. Du hättest ihn sehen sollen! Er war hingerissen von ihr und ihren tollen Geschichten über den glamourösen Model-Alltag, von ihren langen blonden Haaren, ihrem hübschen Gesicht... Ich kann dagegen echt bloß abstinken! Und mit ihr kann er zusammen sein, ohne Angst vor einem Skandal zu haben, so wie es bei mir wäre, wenn herauskäme, wer und was ich bin. Mit ihr kann er Babys haben! Ich muss jetzt endlich aufhören, mir hier etwas vorzumachen. Er und ich, wir werden niemals eine echte Beziehung führen! Leute wie du und ich existieren in seiner Welt normalerweise überhaupt nicht.“ Kate tat sich an den Austern und dem Champagner gütlich, die für sie beide bereit standen und kommentierte: „Ich hatte schon ganz vergessen, wie angenehm das Reisen in so einem Privatjet sein kann, ohne das ganze Nutzvieh links und rechts, das stinkt, schmatzt, blökt, oder dir auf sonst eine Art auf den Wecker geht. Insbesondere auf so einem Langstreckenflug von fast zwölf Stunden ist das wirklich unbezahlbar.“ „Hm?“ machte Derek abwesend und blickte von einem Stapel Papiere auf. „Na, du bist ja ein fleißiger, kleiner Geschäftsmann!“ neckte sie ihn: „Nur Arbeit und kein Spaß? Das macht einen langweiligen Jungen aus dir, Derek!“ „Entschuldige, Katie! Ich bin wohl kein unterhaltsamer Mitreisender, richtig? Aber bevor ich morgen in diese Aktionärsversammlung hereinspaziere, muss ich diesen ganzen Haufen Geschäftsberichte in- und auswendig kennen, damit ich auf alles vorbereitet bin.“ rechtfertigte sich Derek. Kate lächelte: „Du packst das schon! Immerhin bist du DER Derek Hale!“ versicherte sie: „Aber du siehst angespannt aus, Baby. Wieso machst du nicht ein kleines Päuschen und lässt dir von Tante Kate eine kleine, freundschaftliche Massage geben?“ „Das klingt gut.“ bestätigte Derek grinsend und schob den Papierstapel für´s Erste beiseite. Kate schlüpfte hinter ihn, hieß ihn, sich das Shirt auszuziehen und begann dann mit geschickten Fingern seinen Nacken und die Schultern zu bearbeiten. Sie gab sich wirklich alle Mühe, doch sie merkte schnell, dass Derek nicht bei der Sache war, also fragte sie seufzend: „Was ist denn nun schon wieder? Deine Muskeln sind steinhart und du bist mit deinen Gedanken ja ganz woanders!“ „Tut mir leid!“ erwiderte er entschuldigend: „Ich musste gerade an Stiles denken. Ich habe ihn mit einem unguten Gefühl zurückgelassen. Es ging ihm nämlich nicht so gut.“ Derek konnte nicht sehen, wie Kate hinter ihm mit den Augen rollte. Mit Kreide in der Stimme sagte sie: „Was ist denn mit deinem Süßen? Hattet ihr etwa Streit?“ Derek schüttelte den Kopf: „Nein, eigentlich streiten wir nie, aber es ist etwas vorgefallen! An dem Abend, als er meine Party verlassen hat, da wurde er... nun ja, er wurde gewissermaßen überfallen und das hat ihn ganz schön mitgenommen. Er hat mir zwar versichert, dass er wieder in Ordnung sei und hat uns viel Spaß gewünscht, aber was, wenn er mich dennoch braucht?“ „Aber er hat doch bestimmt Freunde, die sich um ihn kümmern können, oder nicht? Außerdem könnt ihr doch gleich nach der Landung telefonieren. Dann kannst du dich davon überzeugen, dass dein Junge in Ordnung ist!“ versicherte Kate: „Und nun entspann´ dich ein bisschen, damit du bei den Konferenzen in den nächsten Tage fit und konzentriert bist.“ Kate setzte ihre Massage fort. Dies hier könnte schwieriger werden, als sie es sich zuvor ausgerechnet hatte. Dieser Stiles mochte möglicherweise doch ein wenig mehr für Derek sein, als bloß sein Lustknabe und eine nette Abwechslung, aber Kate wollte verdammt sein, wenn sie es zulassen würde, dass diese mickrige, verhungerte, kleine Ratte bekommen würde, was sie im Grunde immer schon IHR zugestanden hatte! Deucalion und sie hatten eine Menge Strippen ziehen müssen, um diese Reise zustande kommen zu lassen und wenn sich sich nur ordentlich ins Zeug legte, dann würde sie Derek diesen faden, dürren, leberfleckigen Jungen am Ende schon noch aus dem System vögeln! Sie würde jedenfalls alle Register ziehen und zur Not hätte sie auch noch einige Asse im Ärmel. Und schließlich sollte es wirklich nicht allzu schwer werden, denn immerhin wusste sie ja, was Derek und sie für eine unglaubliche Chemie hatten. Außerdem war Kate gewohnt, das zu bekommen, was sie wollte! Sie hätte ihn damals gar nicht erst gehen lassen sollen, doch sie war jung und dumm gewesen. Und langsam wurde es Zeit, an die Zukunft zu denken: Derek war der ideale Partner für sie; er hatte eine unglaubliche Menge an Geld, Macht und die besten Verbindungen, sah gut aus, ihre Familien waren einander bereits seit Ewigkeiten verbunden und vor allem war Derek SEXY, WIE DIE HÖLLE. Sie beide hatten das Potenzial, ein echtes Powercouple zu werden und könnten vermutlich die ganze Welt aus den Angeln heben, wenn sie es wollten! An diesem Morgen fuhr Stiles Scott zu seiner Arbeitsstelle; zum einen um einmal zu sehen, wo sein bester Freund nun tätig war, aber vor allem auch, damit dieser Tierarzt sich einmal Harvey und ihren Nachwuchs anschauen konnte. Dr. Deaton stellte fest, dass sowohl Mutter, als auch Babys in hervorragendem Zustand waren. Die vier Kinder seien zur Hälfte Mädchen und zur Hälfte Jungen und falls Stiles sie nicht behalten wolle, sobald sie alt genug seien, um von der Mutter getrennt zu werden, wisse er auch schon ein, oder zwei Personen, an welche man sie abgeben könne. Stiles fragte genauer nach, ob sie dann auch wirklich in ein liebevolles Zuhause kämen, denn wenn er wollen würde, dass die Vier als Schlangenfutter endeten, dann konnte er sie ja auch genauso gut Derek geben. Nachdem ihm jedoch versichert worden war, dass sie es gut haben würden, erklärte Stiles, dass er zu gegebener Zeit darauf zurückkommen werde. Während der gesamten Untersuchung war Skippy schwanzwedelnd um den Behandlungstisch herumgehopst. Ob er bloß Lust auf einen Happen Kaninchen hatte, oder einen Spielkameraden suchte blieb dabei offen, doch die knurrende, fauchende Harvey schien an beidem kein Interesse zu haben und beruhigte sich erst, als sie und ihr Nachwuchs wieder warm und sicher in ihrem Transportkorb verstaut waren. Stiles war erleichtert zu sehen, dass dieser Alan Deaton sich tatsächlich als der anständige Kerl entpuppte, als den Scott ihn beschrieben hatte. Er war wohl zu lange im horizontalen Gewerbe tätig gewesen, weil er sich zunächst nicht hatte vorstellen können, dass der Tierarzt Scott wirklich ohne schmutzige Hintergedanken eingestellt hatte. Er hatte schon Visionen davon gehabt, wie dieser Mann seinen besten Freund eines Tages nach Feierabend in eine düstere Ecke zerren und sich zu Willen machen würde, doch nun, nachdem er Alan kennengelernt hatte, war Stiles vollends beruhigt. Nach dem Tierarztbesuch kehrte Stiles heim, denn er hatte sich für den heutigen Tag ein schweres Projekt vorgenommen. Er wollte endlich seine College-Bewerbung vollenden! Die Frage war bloß, wie man eine mehr als eineinhalbjährige Lücke in seinem Lebenslauf nach dem Highschoolabschluss erklärte, in welcher man als männlicher Prostituierter gearbeitet hatte? Selbstverständlich durch das Auslassen gewisser Details, beschloss er! Stiles schrieb über den tragischen Tod seiner Eltern, welcher ihn mittellos und allein zurückgelassen hatte, weshalb er gearbeitet hatte, um sich selbst durchzubringen. Dabei war es ihm egal ob ihn dies nun wie das arme, bedauernswerte Waisenkind Annie erscheinen ließ. Besser als zu erscheinen, wie eine Nutte, richtig? Nach drei Stunden war Stiles endlich mit seinem Ergebnis zufrieden, tütete das Ganze ein und machte sich auf den Weg, um es eigenhändig im Büro der UCLA abzugeben, nur um sicher zu gehen, dass nichts schief ging! Danach machte er einen ausgedehnten Spaziergang über den Campus, sah sich in einigen Wohnhäusern um und schlich sich sogar in den einen oder anderen Hörsaal, in welchem zur Zeit keine Vorlesungen stattfanden. Er stellte sich vor, wie es wohl wäre, wenn er erst einmal Student hier wäre; ein ganz normaler Junge unter lauter Gleichaltrigen. Und seine Vergangenheit könnte er dann endlich hinter sich lassen. Am Abend rief Scott an; kleinlaut und schuldbewusst und er wollte wissen, ob es wohl in Ordnung sei, wenn er sich noch mit Allison träfe? „Nur für ein Stündchen! Versprochen!“ schob er hastig hinterher. Da musste Stiles lachen und versicherte: „Bloß weil Derek nicht da ist, brauche ich doch kein Kindermädchen! Du kannst wegbleiben, solange du willst! Harvey und ich machen uns einen gemütlichen Abend vor der Glotze. Ich komme klar! Vergiss nur nicht, dass wir morgen um drei etwas vorhaben!“ „Ach ja!“ erwiderte Scott unbehaglich, denn aus irgendeinem Grund hatte er offenbar große Angst vor diesem Arzttermin. Vielleicht ja deshalb, weil Scott nie zuvor im Leben das Gefühl gehabt hatte, etwas zu verlieren zu haben, dachte Stiles traurig? „Ich hab dich lieb, Bro! Spätestens zum Frühstück sehen wir uns!“ versicherte Scott zum Abschied und sie legten auf. Stiles bereitete sich einen süßen Brei aus Maisgries zum Abendessen zu, weil das schon zu Kindertagen Comfort-Food für ihn gewesen war. In einem kleinen Karton machte er ein Nest für Harvey und ihre Babys zurecht und stellte die kleine Familie dann neben sich auf das Sofa. Er schaltete den Fernseher ein und blieb bei einem Tom-Hanks-Doublefeature hängen: Erst `Forrest Gump´und dann `Schlaflos in Seattle´! Die doppelte Portion Tränendrüse! Er aß seinen Brei, kraulte die Häschen und heulte ein wenig. Gegen elf klingelte das Telefon und Stiles Herz machte einen kleinen Hüpfer, als er Dereks Nummer erkannte: „Hey Großer!“ begrüßte er ihn freudig: „Selber hey!“ kam es müde zurück: „Geht es dir gut?“ „Mir geht es super. Harvey und ich machen heute einen Mädelsabend, schauen Herzschmerz-Kino und gleich lackiere ich ihr die Krallen in metallic-rot! Sie freut sich schon. Aber was ist denn mit DIR? Du klingst grauenhaft?“ „Kleiner Spinner!“ lachte Derek matt: „Mach dir keine Sorgen! Mir geht’s gut. Es war nur wirklich ein langer und anstrengender Flug. Kate wollte mich dazu überreden, dass ich noch mit ihr auf so eine Poolparty mit lauter Models gehe. Sie war echt hartnäckig, aber ich wäre lieber tot, als jetzt auf so eine Veranstaltung zu gehen. Der Jetlag macht mich fertig. Ich lasse mir viel lieber später von ihr davon erzählen. Gerade bin ich auf dem Weg ins Hotel und hoffe, dass ich wenigstens ein paar Stunden schlafen kann, ehe mich die Alpträume wieder wach machen.“ „Du hättest mich fragen können, ob ich mit dir komme, weißt du?“ gab Stiles mit einer Spur Trotz in der Stimme zurück: „Das hättest du gewollt?“ fragte Derek verblüfft: „Aber ich dachte, du freust dich viel mehr über ein paar freie Tage? Und ich bin doch geschäftlich hier, Kleiner. Du hättest dich mit Sicherheit wahnsinnig gelangweilt, denn ich werde den ganzen Tag in irgendwelchen Meetings sitzen.“ „Ich hätte mich schon zu amüsieren gewusst. Außerdem haben wir einen Vertrag, in dem steht, dass ich immer für dich da bin, wenn du mich brauchst.“ versicherte Stiles. Derek gab einen missmutigen Laut von sich: „Das klingt aber verdammt nach Sklaverei und ich habe bestimmt nicht die Absicht, dich irgendwie auszubeuten!“ Stiles seufzte: „Für einen im Grunde klugen Mann bist du ganz schön dumm, weißt du das eigentlich, Hale? Denkst du wirklich, Zeit mit dir zu verbringen wäre eine lästige Verpflichtung für mich? Ich sage dir jetzt etwas, von dem ich eigentlich gedacht habe, dass es sich von selbst versteht, doch scheinbar tut es das nicht: Ich habe dich gern, Derek! Ich verbringe auch meine Zeit gern mit dir und würde es auch dann noch tun, wenn du mir kein Geld dafür geben würdest.“ „Nächstes Mal nehme ich dich mit. Versprochen!“ versicherte Derek und klang dabei irgendwie verlegen: „Aber jetzt muss ich eben allein zurechtkommen.“ „Musst du nicht!“ widersprach Stiles: „Ich habe doch jetzt dieses tolle, neue Telefon, dass du mir geschenkt hast, erinnerst du dich. Und wenn die Alpträume kommen, dann wirst du mich einfach anrufen. Oder noch besser... wir skypen!“ „Das kann ich doch nicht machen! Ich werde dich nicht aus dem Schlaf reißen, wie so blöder Fünfjähriger, bloß weil ich böse träume. Kommt überhaupt nicht in Frage!“ murrte der Ältere. Stiles schmunzelte in sich hinein: „Derek?“ fragte er. „Was ist?“ knurrte es zurück: „Ruf´ mich einfach an! Ich werde für dich da sein! Immer!“ versicherte der Jüngere: „Und jetzt lege ich auf. Der Werbeblock ist nämlich vorbei und gleich erfahre ich, ob Tom Hanks und Meg Ryan nun ficken werden, oder nicht. Ciao!“ Derek hatte keine Chance noch etwas zu erwidern, denn da ertönte bereits das Klicken in der Leitung. „Kleiner Spinner!“ murmelte Derek grinsend vor sich hin. Natürlich dachte er gar nicht daran, Stiles mitten in der Nacht aus dem Schlaf zu klingeln, aber das Angebot rührte ihn dennoch. Das Taxi setzte ihn am Hilton Tokio ab und er checkte ein. Kate schüttete soeben ihr sechstes Glas Champagner hinunter. Sie hatte verdammt schlechte Laune! Derek hatte sie beinahe den ganzen Flug über ignoriert und hatte stattdessen lieber gearbeitet und nun wollte er nicht einmal mit ihr feiern gehen. Nun hockte sie allein auf dieser Party, kannte keine Seele und seit einer halben Stunde glotzte sie bereits so ein blondes Bürschchen an, wie ein Stehgeier! Oh, nein, was geschah denn jetzt? Das Bürschchen hatte sich erhoben und kam auf sie zu, denn irgendwas an ihren eisigen Blicken hatte ihn scheinbar glauben lassen, sie sei in irgendeiner Weise interessiert! Der Typ grapschte ungefragt nach ihrer Hand, ließ ein schleimiges: „Darf ich bitten!“ vom Stapel und versuchte, ohne ein `Ja´ abzuwarten, Kate hinter sich her auf die Tanzfläche zu zerren. Jetzt reichte es ihr aber wirklich! Sie packte beherzt nach seinen Eiern und drückte zu. Als das Bürschchen sich dann entsetzt unter Schmerzen krümmte, ließ sie ihn wissen: „Wenn du so etwas noch einmal versuchst, dann reiße ich sie dir ab, kapiert?“ Dann ließ sie den glücklosen Verehrer gehen und schnappte sich eine weitere Flasche Blubberwasser, wobei sie sich nun nicht einmal mehr die Mühe machten, ein Glas zu Hilfe zu nehmen. Scott und Allison lagen auf dem Futon im Schlafzimmer ihres kleinen Apartments und schmusten ein wenig, während zu ihren Füßen Skippy schnarchte. Scott war aus verschiedenen Gründen ziemlich nervös. Bei dem Gedanken an den Arzttermin, den Stiles und er morgen haben würden, wurde ihm ganz schlecht. Sicher, er hatte im Job immer auf Kondome geachtet, doch was war denn mit früher? Da war dieser eine Betreuer im Kinderheim gewesen und dann noch einer seiner sogenannten Stiefväter. Die hatten sich doch einfach genommen, was sie gewollt hatten und darum, ob sie das Kind, welches sie für ihre Zwecke missbrauchten mit irgendwas anstecken könnten, hatten sie sich natürlich einen Dreck geschert. Bestimmt hatte er irgendetwas Schlimmes und wusste gar nichts davon! Scott spürte, dass Allison mittlerweile bereit für mehr war, doch das würde er nicht zulassen, ehe er nicht ganz sicher war, dass er sie dadurch nicht in Gefahr brächte. Und dann gab es da ja auch noch ein anderes Problem! Wenn Scott nämlich mit Allison zusammen war, dann fühlte er sich aus irgendeinem Grund, als sei er noch nie mit einem anderen Menschen intim gewesen. Er fühlte sie sich wie eine gottverdammte Jungfrau, auch wenn das total lächerlich war! Natürlich wollte er sie. Er wollte sie so sehr, doch er fühlte sich linkisch, absolut ahnungslos und hatte enorme Versagensängst. Es war nicht immer übel gewesen, wenn er mit einem Mann zusammen gewesen war. Manche Freier hatten sich geschickt angestellt, sich Mühe gegeben, dass auch er auf seine Kosten käme und einige hatte er sogar attraktiv gefunden. Er hatte immer geglaubt, schwul zu sein und dann war Allison aufgetaucht. Mit ihr war es verwirrend und auch total schön, aber vor allem jagte es ihm eine Heidenangst ein, denn was wusste er schon über Frauen und was denen wohl gefallen mochte? In diesem Moment zog sich Allison ihr T-Shirt über den Kopf und sie trug nichts darunter! Scott blieb die Luft weg. Derek konnte in der Ferne die Umrisse seiner Mutter erkennen. Sie stand auf einer Klippe und er konnte sehen, wie ihre Lippen sich bewegten. Er wusste, dass es etwas sehr Wichtiges sein musste, was sie zu sagen hatte und er wollte es unbedingt hören, also rannte er, doch der Boden unter ihm verwandelte sich in Treibsand und egal wie sehr er sich auch anstrengte, er kam nur minimal voran. Als er sie dann endlich erreicht hatte, war seine Mutter verstummt und sie blickte mit eisigem Blick an ihm vorbei. „Bitte Mum!“ flehte Derek: „Ich muss es wissen!“ Der Blick seiner Mutter richtete sich sehr langsam auf ihn und dann öffnete sich ihr Mund, doch anstelle von Worten, ertönte lediglich ein lang gezogenener, markerschütternder, furchterregender Sirenenschrei. Derek hielt sich die Ohren zu, als urplötzlich eine heftige Sturmböe seine Mutter von der Klippe in einen endlosen Abgrund riss, ehe er sie festhalten konnte. Derek erwachte schwitzend, schreiend und starr vor entsetzen. Selbst in dem dunklen, fremden Hotelzimmer nach dem Lichtschalter zu tasten wagte er im ersten Moment nicht. Warum hatte er auch das verdammte Zimmer abgedunkelt? Draußen vor den blickdichten Vorhängen war schließlich hellichter Vormittag, denn Tokio war sechzehn Stunden vor der Zeit in Los Angeles. Er atmete ein paar Mal tief durch, ehe er endlich bereit aufzustehen. Er holte eine Packung Schlaftabletten aus seinem Koffer, nahm sich eine Flasche Johnny Walker aus der Minibar und gerade, als er sich beides einverleiben wollte, dachte er an das letzte Mal, als er das versucht hatte. Dieses Mal war Greenburg nicht in der Nähe, um ihn ins Leben zurückzuholen. Dann fiel sein Blick auf sein Telefon und schweren Herzens nahm er es zur Hand. „Na, Baby? Böse geträumt?“ fragte Stiles mit kratziger Stimme und grinste zerzaust und müde ihn Dereks Display: „Soll ich dir vielleicht ein Schlaflied singen?“ „WAS? Ich bin doch kein Baby mehr!“ empörte sich Derek: „Und ICH kann nicht singen! Aber wen kümmert´s?“ kicherte Stiles und stimmte `Hush little baby´ an. Es klang zwar ein bisschen schräg, aber ganz und gar nicht furchtbar, zumal nicht für jemanden, den man gerade aus dem Tiefschlaf gerissen hatte und gegen seinen Willen zauberte es ein breites Lächeln auf Dereks Gesicht. Als das Lied verklungen war, redeten sie eine Weile. Stiles ließ sich berichten, wovon Derek geträumt hatte und irgendwie verloren die Traumbilder, nachdem sie einmal laut ausgesprochen worden waren ihren Schrecken. Nach etwa einer halben Stunde bemerkte Derek, dass Stiles beinahe sie Augen zufielen: „Lass´ uns auflegen, damit du noch ein bisschen Schlaf bekommst!“ sagte er also schweren Herzens. „Und was ist mit dir?“ fragte der Jüngere: Derek zuckte mit den Achseln und gab beschämt zu: „Ich würde am liebsten weiter telefonieren, bis es für mich wieder Zeit zum Aufstehen wird, aber was soll´s?“ „Dann würde ich sagen, wir machen Folgendes: Ich lege mich einfach wieder schlafen, aber wir legen nicht auf.“ bestimmte Stiles, kuschelte sich in die Laken und drapierte das Telefon so, dass Derek ihn sehen konnte. „Du bist verrückt, weißt du das?“ fragte ihn Derek mit zärtlichem Lächeln: „Ich weiß!“ erwiderte Stiles: „Schlaf´ jetzt mein Großer!“ Und weil es nun so war, als würden sie tatsächlich in einem Bett liegen, obwohl der halbe Erdball zwischen ihnen lag, konnte Derek tatsächlich wieder einschlafen. Am nächsten Tag um kurz vor drei war Scott so nervös, als würde neuerdings ein Bienenvolk seine Jeans bewohnen. Er zappelte in dem quietschenden Stuhl des Wartezimmers herum und brachte damit sämtliche Anwesenden um den Verstand. Da jedoch Zappelei und Hyperaktivität normalerweise Stiles Spezialität waren, gelang es diesem auch, nicht die Geduld mit seinem besten Freund zu verlieren: „Es wird schon nichts sein, Bro! Keine Sorge! Du musst die Dinge positiv sehen!“ sagte er beruhigend. Scott verzog aufgrund der Wortwahl unbehaglich das Gesicht: „Ha, ha! Positiv also, ja? Findest du das witzig? Bestimmt habe ich längst AIDS und weiß nur noch nichts davon!“ „Ach Blödsinn! Das hast du nicht!“ versicherte Stiles: „Aber selbst wenn, dann ist das trotzdem nicht das Ende der Welt. Es gibt heutzutage gute Medikamente, um das in den Griff zu bekommen. Mach´ dir keine Sorgen!“ Die ältere Frau, die neben ihnen saß und ihr Gespräch belauscht hatte, war ein Stück von ihnen abgerückt, als hätten die beiden Jungs zu ihrer Rechten Flöhe, die jeden Augenblick zu ihr hinüber hüpfen wollten. Stiles schenkte ihr einen finsteren Blick und wollte gerade einen Monolog darüber halten, dass man sich HIV nicht im Bus, oder von der Benutzung derselben Klobrille holen konnte, als Scotts Name aufgerufen wurde. Die Freunde bestanden darauf, gemeinsam dran genommen zu werden und die Sprechstundenhilfe nickte wissend, denn sie hielt sie offensichtlich für ein Pärchen. Nachdem Stiles und Scott schließlich in jede Körperöffnung geschaut worden war und sie von so ziemlich jeder Körperflüssigkeit oder Ausscheidung eine Probe abgegeben hatten, nahm ihr Arzt, ein freundlicher, rauschebärtiger Mann Mitte fünfzig sich endlich die Zeit, mit ihnen zu sprechen: „Also die guten Nachrichten zuerst, meine Herren: Der HIV-Schnelltest war bei ihnen beiden negativ, das bedeutet, sie haben es zu über neunundneunzig Prozent nicht. Zu hundert Prozent wissen wir es dann in vier Wochen, ebenso wie dann alle anderen Ergebnisse vorliegen werden, doch meine Erfahrung, nachdem ich sie beide untersucht habe sagt mir, dass wohl alles gut bei ihnen sein dürfte. Ich habe keine Krankheitsanzeichen an ihnen feststellen können, außer dass sie, Chlamydien haben, Mr. McCall !“ Scotts Augen wurden riesig vor Schreck: „Ich hab´s gewusst! Ich HAB`S gewusst!“ rief er aus: „Und nun? Ist es schlimm? Wie lange habe ich noch, Doc?“ fragte er panisch Der Arzt musste ein wenig lachen: „Wenn alles gut läuft und sie im Straßenverkehr aufpassen, dann gebe ich ihnen noch mindestens fünfzig bis sechzig Jahre junger Mann! Sie nehmen zehn Tage lang ein Antibiotikum und dann sind sie die Chlamydien wieder los. Sie sollten jedoch vielleicht ihren früheren Sexualpartnern Bescheid sagen, dass sie sich auch untersuchen lassen sollten!“ Er zog die Schublade seines Schreibtischs auf, holte einen Lutscher hervor und reichte diesen an Scott mit den Worten: „Bleiben sie positiv, Mr McCall!“ Stiles grinste und drückte seinem verblüfften Freund einen Kuss auf die Wange. Kapitel 19: Unterwegs mit Mädchen --------------------------------- „Und? Gehen wir jetzt feiern, oder wie?“ fragte Stiles, als sie in der Apotheke in der Schlange standen, um das Rezept für Scotts Antibiotikum einzulösen. Sein Freund schüttelte heftig den Kopf: „Ich feiere das erst, wenn ich diese widerliche Sache wieder los bin und wir in einem Monat die endgültigen Testergebnisse haben!“ bestimmte er. Später, als sie wieder zuhause waren und nebeneinander auf dem Sofa hockten, wollte Scott wissen: „Findest du mich jetzt eigentlich eklig?“ Er blickte Stiles elend an und spülte seine erste Tablette mit einem Glas Fruchtpunsch herunter. „Spinner!“ erwiderte sein bester Freund lachend und drückte ihm einen dicken Schmatzer auf die Lippen. „Nicht!“ rief Scott erschrocken aus: „Was, wenn ich dich anstecke?“ Stiles Lachen wurde noch ein wenig lauter: „Wie sollte das denn funktionieren? Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hast du die Chlamydien doch in deinem... na ja, du hast sie zumindest nicht in deinem Mund! Und darum musst du dir auch keine Sorgen machen! Außerdem bleibt dir auf diese Weise ein peinliches Gespräch mit Allison erspart!“ „Und was ist mit früheren Freiern? Meinst du nicht, ich muss es irgendeinem von denen sagen?“ fragte Scott und dabei stand ihm das Grauen angesichts dieser Aussicht ins Gesicht geschrieben: „Spinnst du? Sie machen das doch schließlich auf eigenes Risiko und sollen gefälligst selbst zum Arzt gehen. Du hast doch keine Verantwortung für die Typen!“ gab Stiles entrüstet zurück. Scott zuckte mit den Achseln: „Chlamydien.“ murmelte er vor sich hin: „Davon habe ich vorher überhaupt noch nie etwas gehört.“ „Ich finde, es klingt ganz harmlos. Es könnte auch der Name von etwas Botanischem sein; von einem Zierstrauch vielleicht, oder von irgendeinem aus der Mode gekommenen Gemüse?“ witzelte Stiles. Scott machte ein angewidertes Gesicht: „Lach´ du nur, du Blödmann. Wir unterhalten uns weiter, wenn dir irgendwann mal so eine widerliche Botanik im Arsch wächst!“ Stiles rollte sich kichernd auf Scott und kuschelte sich an ihn: „Ich will doch bloß, dass du anfängst, das Ganze ein wenig lockerer zu sehen. Wie es aussieht haben wir beide ziemlich viel Glück gehabt und das ist schließlich ein Grund, sich zu freuen!“ „Ich hasse dich, Stiles!“ murrte Scott und schlang die Arme um seinen besten Freund. Kate und Derek hatten im Hotel eine Suite mit getrennten Schlafzimmer, aber einem gemeinsamen Wohnbereich gebucht. Dennoch war es so, dass sie einander kaum zu sehen bekamen, weil Derek ständig zu arbeiteten schien, so wie auch jetzt gerade wieder. Der Zimmerservice hatte soeben ihr Essen gebracht, doch Kate saß natürlich wieder einmal allein am Tisch, während die Portion von Derek kalt wurde, weil dieser gerade eine Videokonferenz mit Europa hatte. Und wenn sie dann doch einmal fünf Minuten Zeit für einander hatten, um zu reden, dann sprach Derek unter Garantie immer nur über Stiles; darüber wie lieb dieser sei, wie gut er ihm täte, wie er ihm helfe, nachts zu schlafen, wie süß sein Lächeln wäre... Davon konnte einem doch einfach nur schlecht werden! Kate wusste sie musste diese kleine Made einfach irgendwie loswerden! Und wenn ihr Charme und ihre Reize dafür wirklich nicht ausreichen sollten, dann würden sich zur Not auch andere Wege finden lassen. Ein tragischer Unfall, der Derek untröstlich zurückließe zum Beispiel? Spätestens dann würde Kates Stunde schlagen. Sie würde die Verständnisvolle spielen und Derek sich an ihrem Busen ausweinen lassen, bis der kleine Stiles irgendwann nur noch eine blasse Erinnerung wäre. Mit diesem Plan B war Kate hochzufrieden, doch noch war sie mit ihrem Latein nicht am Ende! Weil Scott nun tagsüber arbeitete, spielte Stiles zuhause erst einmal die brave, kleine Hausfrau, putzte das Bad, bezog die Betten frisch, wusch Wäsche, saugte Staub und reinigte den Käfig seiner kleinen Häschenfamilie. Als das erledigt war, ging er in die Bibliothek und stöberte ein wenig in den Fachbüchern für Kriminalistik, denn er dachte sich, es könnte nicht schaden vorbereitet zu sein, falls die Uni ihn zu einem Vorstellungsgespräch einladen sollte. Am Abend hatte er versprochen, für Scott und Allison zu kochen, um die Frau, die seinem besten Freund so sehr den Kopf verdreht hatte besser kennenzulernen, also ging auf dem Heimweg noch rasch in den Supermarkt. An der Kasse traf er zufällig Danny. Dieser hatte einen Freier im Schlepptau, doch den ließ dieser für einen Augenblick links liegen und begrüßte Stiles freudig mit einer Umarmung: „Hey, Kumpel! Ich hatte schon Angst, Scott und dir sei etwas zugestoßen?“ rief er aus. Danny war früher zwar nicht unbedingt ein Freund gewesen, aber Scott und Stiles hatten ihn dennoch immer irgendwie gern gehabt. Er war netter, als die meisten Jungs im Geschäft. Eigentlich war er sogar ZU nett, um sich zu prostituieren, hatte Stiles manchmal gedacht. Man hatte immer irgendwie das Gefühl, man müsse ihn vor der bösen Welt beschützen. Andererseits war er ein großer, starker Kerl, der nicht vor allzu viel Angst haben musste. Es ging eher um Dannys kleines Herzchen, dass Stiles manches Mal Sorgen bereitet hatte: „Scott und mir geht es gut!“ beantwortet Stiles die Frage: „Wir sind bloß zu ein wenig Geld gekommen und sind deshalb aus dem Business ausgestiegen.“ Danny zog fragend die Augenbrauen hoch: „Habt ihr in der Lotterie gewonnen, oder wie?“ wollte er wissen: „Etwas in der Art.“ erwiderte Stiles geheimnisvoll: „Fein! Du musst es mir ja nicht sagen!“ entgegnete Danny nun ein wenig eingeschnappt. Natürlich hätte Stiles ihm alles erzählen können, doch er hatte irgendwie das Gefühl Dereks Identität und alles, was mit ihm zu tun hatte schützen zu müssen: „Ich kann es dir leider nicht sagen. Tut mir leid!“ murmelte er stattdessen entschuldigend: „Also habt ihr beide ein krummes Ding gedreht!“ stellte Danny: Stiles sagte nichts dazu und machte lediglich ein vielsagendes Gesicht und Danny ließ es auf sich beruhen. Sie unterhielten sich noch ein Weilchen, während sie ihre Einkäufe bezahlten, doch dann wurde Dannys Kunde mit einem Mal ungeduldig und so tauschten sie noch schnell Telefonnummern aus, versprachen, sich bald mal zu treffen und gingen dann wider auseinander. Das Abendessen mit Allison war angenehm. Stiles mochte sie und er mochte es insbesondere, wie sie Scott anschaute: Voller Zuneigung! Ein wenig fühlte es sich an, wie das erste Treffen bei den zukünftigen Schwiegereltern und Stiles gefiel sich gut in der Rolle von Scotts Stiefmutter. Es gab Thai-Curry, welches großes Lob erntete. Stiles hatte sich mit bedacht für dieses Rezept entschieden, denn es war leicht , weil nichts der Erotik so abträglich war, wie ein aufgeblähter Bauch. Außerdem würde die leichte Schärfe das Blut der Liebenden ein wenig erhitzen und schließlich wollte Allison heute zum ersten Mal hier bei Scott übernachten. Stiles stellte sich schon mal darauf ein, mit Ohrstöpseln zu schlafen, um das Liebesgeflüster nicht zu hören. Nach dem Essen saßen sie noch ein Weilchen beisammen und redeten, doch es war dem Paar anzumerken, dass sie darauf brannten sich endlich zurückzuziehen, um unter sich zu sein und so traf es sich ganz gut, dass irgendwann Derek anrief. „Du klingst erschöpft, Baby!“ stellte Stiles fest: „Der Jet-Lag und ein Haufen Arbeit sind schuld. Außerdem ist Kate irgendwie enttäuscht, weil ich keine rechte Zeit für sie habe.“ erklärte Derek: „Aber ich habe ihr versprochen, dass wir am Donnerstag noch einmal einen drauf machen, ehe wir am Freitag wieder in den Flieger steigen werden.“ „Aber warum legst du dich nicht jetzt ein wenig hin und ruhst dich aus!“ fragte Stiles sanft: „Das wird dir sicher gut tun.“ „Geht nicht!“ seufzte Derek: „Hier ist vier Uhr morgens und mein Arbeitstag fängt doch praktisch gerade erst an. Gerade sitze ich hier und überarbeite ein Kundenportfolio und nachher habe ich zwei wichtige Konferenzen und ein Mittagessen mit ein paar unserer Hauptaktionäre. Ich komme frühestens in sieben Stunden ins Bett.“ „In Ordnung, dann ist es hier bei uns drei Uhr morgens. Ich stelle mir den Wecker und warte auf deinen Anruf, damit ich dich dann in den Schlaf quatschen kann!“ bestimmte Stiles: „Nein, das kann ich dir nicht schon wieder antun.“ wehrte sich Derek: „Du brauchst doch auch deinen Schlaf.“ „Keine Widerrede! Ich bin jung und stecke das weg! Um drei Uhr also und wenn DU nicht anrufst, dann rufe ICH DICH an!“ drohte Stiles an: „Und nun sieh´ zu, dass jemand dir einen starken Kaffee bringt, damit du durchhältst. Pass´ gut auf dich auf, Großer. Bis später!“ Er hängte auf, ehe Derek noch etwas hätte erwidern können und dem Geschäftsmann blieb nichts anderes übrig, als sich geschlagen zu geben. Er grinste den Hörer an und schüttelte leicht den Kopf. Dieser kleine Frechdachs gab ihm also einfach so irgendwelche Anweisungen! Na sowas! Doch Derek, der große Über-Boss fand das irgendwie erfrischend. Nachdem sie einmal so angefangen hatten, setzen sie es auch in derselben Weise fort: Gegen Abend rief Derek an, um von seinem Tages zu berichten und Stiles hörte sich alles geduldig an und morgens gegen drei Uhr kalifornischer Zeit, wenn Derek endlich zu Bett ging, nahmen sie Kontakt via Skype auf und hielten ihn solange, bis es für den Geschäftsmann wieder Zeit wurde aufzustehen. Und trotz der großen Entfernung zwischen ihnen beiden funktionierte ihr kleines Arrangement trotzdem irgendwie recht gut. Kate hatte in ihrer Tokio-Woche einige ziemlich stressige Fototermine angenommen und es war immer derselbe Fotograf, ein gewisser Alex Shane, vor dessen Linse sie dann zu posieren hatte. Sie kannte diese dumme, kleine Schwuchtel bereits einige Jahre und konnte ihn einfach nicht leiden, doch das beruhte ohne Zweifel auch auf Gegenseitigkeit. Alex ließ keine Gelegenheit aus, Kate zu provozieren. Bereits am ersten Tag hatte er tatsächlich den Nerv gehabt, sie ein zweites Mal in die Maske zu schicken, mit der Begründung, sie würde müde und alt aussehen. Beim nächsten Fotoshooting hatte er ihr dann auch noch geraten so schnell wie möglich mindestens fünf Kilo abzunehmen, denn so wie sie jetzt aussähe, müsse er die Fotos ja hinterher noch stundenlang mit einem Bildbearbeitungsprogramm retuschieren und das würden die Kunden auf die Dauer auch nicht hinnehmen und dass wäre es dann für ihre Karriere gewesen! Kate hatte das alles mit einem Lächeln und einem charmanten Spruch überspielt, doch am nächsten Tag hatte sie dafür beim Mittagessen Alex Salat mit einer doppelten Dosis Abführmittel gewürzt und da war es plötzlich der Fotofraf gewesen, der gar nicht mehr so taufrisch aussah. Am Besten gefiel es Kate, dass der winselnde, kleine Waschlappen offensichtlich tatsächlich glaubte, er müsse nun sterben, als die Scheißerei einmal losging. Für Kate, die anderen Models und den Rest der Crew hatte das an diesem Tag einen frühen Feierabend bedeutet und Kate hatte sich noch Stunden später beinahe nassgemacht vor Lachen über ihren kleinen Streich. Später im Hotel hatte sie eigentlich Derek davon erzählen wollen, doch sie ahnte bereits, dass dieser das nicht so witzig finden würde wie sie, denn er hatte gelegentlich diese unglaublich langweiligen Gutmenschen-Anwandlungen, aber diese verzärtelte Überempfindlichkeit würde Kate ihm schon noch austreiben, wenn sie erst einmal verheiratet wären. Sie glaubte nicht an das Märchen, dass man den Einen träfe, der perfekt zu einem passte. Männer mussten geformt und erzogen werden! Es war wirklich saudämlich, doch Stiles musste sich eingestehen, wie sehr er Derek vermisste. Er hatte sich daran gewöhnt, mit ihm in einem Bett zu schlafen und ihn jeden Tag um sich zu haben. Irgendwie hatte es Stiles beruhigt, dass bislang nichts darauf hingedeutet hatte, dass Kate auch nur die kleinste Chance hatte, Derek wieder für sich zu gewinnen, doch heute war Donnerstag, der Tag ihres großen Dates und da würde Kate mit Sicherheit noch einmal alle Register ziehen, weil sie wusste, dass ihr die Zeit weglief. Und Stiles war nervös! „Jetzt zieh´ doch nicht so ein Gesicht!“ forderte Scott am Frühstückstisch: „Es gibt gute Neuigkeiten! Deaton hat mir nämlich heute freigegeben, damit ich meinen besten Freund aufmuntern kann und weißt du, was wir tun werden? Wir rufen die Mädchen an und fragen sie, ob sie mit uns an den Strand wollen! Das Wetter soll herrlich werden! Und heute Abend gehen wir dann allesamt aus und tanzen uns den Blues aus dem Leib! Was sagst du dazu?“ „Hm...“ machte Stiles und zog ein Schnäuzchen: „Wenn du meinst?“ Er stütze das Kinn auf die Fäuste und brummte unzufrieden: „Was, wenn Kate am Ende bekommt, was sie will? Es ist total beknackt, aber ich würde mich dann wirklich wie der verlassene Freund fühlen, auch wenn das zwischen uns beiden doch alles bloß Theater ist.“ Scott seufzte: „Das liegt daran, weil es das eben NICHT ist! Du liebst ihn schließlich. Ein gewisser Jemand ist bloß zu blöd, das zu bemerken! Vielleicht solltest DU die Initiative ergreifen und ihm nach seiner Rückkehr sagen, was du empfindest?“ Stiles schüttelte entsetzt den Kopf: „Unmöglich! Damit mache ich doch alles kaputt! Ich habe immerhin einen Vertrag unterschrieben und da wäre das doch total unprofessionell! Ich will, dass Derek weiß, dass er sich auf mich verlassen kann. Ich bin nicht in der Position, irgendwelche Ansprüche anzumelden. Und ich komme mit der Situation klar. Ich habe schließlich alles, was man sich nur wünschen kann, jedenfalls solange diese blöde Bitch nicht alles kaputt macht.“ Scott schenkte ihm einen traurigen Blick, schlang die Arme um ihn und murmelte: „Ich mache mir Sorgen, dass dir das Herz gebrochen wird. Du hast mehr verdient, als diese merkwürdige Scharade zwischen Derek und dir. Du verdienst es, dass jemand zu dir sagt `Ich liebe dich!´“ „Dafür habe ich doch dich!“ erwiderte Stiles mit einem kleinen Grinsen: „Mach´ dir keine Sorgen Bro! Ich passe schon auf mich auf.“ Um ein Uhr holten Scott und Stiles die Mädchen mit dem Jeep ab. Lydia wurde mit Wangenküssen begrüßt, doch als sie dasselbe auch mit Malia versuchen wollten, knurrte diese: „Rührt mich an und ihr erfahrt, was Schmerzen sind!“ „Ignoriert sie einfach! Es ist noch zu früh für sie und außerdem hat sie PMS. Wir lassen sie noch ein bisschen schlafen und füttern sie später mit Schokolade und dann wird das schon!“ behauptete Lydia und wurde dafür angeknurrt. Die vier Freude hielten noch rasch an einem Supermarkt, um für ein Picknick einzukaufen und Scott und Stiles sorgten dafür, dass reichlich Schokolade dabei wäre, um das prämenstruelle Raubtier in ihrer Mitte damit friedlich zu stimmen. Am Strand fanden sie ein sonniges, windstilles, etwas abgelegenes Plätzchen und Malia flegelte sich sogleich auf ihr Handtuch, um erst einmal ein Nickerchen zu machen. Stiles stellte einen Sonnenschirm für Lydia auf, damit die empfindliche Haut der süßen Erdbeerblondine nicht verbrannte, schmierte sich dann mit Sonnencreme ein und legte sich zu Malia, um ebenfalls ein wenig zu ruhen, da seine `Nachtdienste´ inklusive Telefonkonferenz nach Tokio ihn doch ein bisschen müde machten. Scott setzte sich zu Lydia und diese wollte von ihm wissen: „Und? Was gibt es Neues bei euch Jungs?“ „Ich habe jetzt einen Hund!“ erwiderte Scott mit einem jungenhaften Grinsen und kraulte den Kopf von Skippy, welcher besitzergreifend den Schoß seine Herrchens erobert und sich dort breit gemacht hatte. Und unter leichtem Erröten fügte Scott hinzu: „Außerdem habe ich seit neuestem eine Beziehung!“ Lydia lächelte und wollte wissen: „Und? Wo ist der Traumprinz? Warum hast du ihn nicht mitgebracht?“ Scotts Röte intensivierten sich und seine Ohren schienen nun beinahe Feuer zu fangen: „Es ist ein Mädchen!“ gab er zu: „Findest du das schlimm?“ Lydia musste lachen: „Was sollte daran schlimm sein.“ Und mit Blick auf die schlafende Malia fügte sie hinzu: „Ich kann dich sogar sehr gut verstehen.“ „Aber nun bin ich nicht mehr so wie ihr Drei!“ murmelte er unzufrieden: „Und außerdem ist es schwierig. Sie ist die Tochter von Chris Argent, auf dessen Party wir damals gewesen sind, erinnerst du dich? Sie spielt doch in einer völlig anderen Liga als jemand wie ich! Außerdem kann ich ihr nicht die Wahrheit über mich sagen, weil es Stiles und Dereks Geheimnis aufdecken würde. Und welches Mädchen möchte schon mit einem ehemaligen Stricher zusammen sein?“ „Hm...“ machte Lydia: „Durch meine Arbeit im Club kenne ich eine Menge reicher Leute, doch du glaubst gar nicht, was manche von ihnen für ein schlechtes Benehmen an den Tag legen. Einige sind sogar richtige Schweine! Glaub´ mir einfach, wenn ich dir versichere, dass diese Typen mit Sicherheit nicht automatisch die „bessere Gesellschaft“ sind. Aber diese Allison scheint ein wirklich nettes Mädchen zu sein. Ich habe auf der Party kurz mit ihr geredet und ich hatte den Eindruck, dass sie die Menschen nicht nach ihrem Schulabschluss oder nach der Dicke ihrer Brieftasche beurteilt. Wenn ich du wäre, dann würde ich abwarten, bis ihr euch noch ein bisschen besser kennt und du dir sicher bist, dass du ihr vertrauen kannst und dann verrätst du ihr alles über dich, was es zu wissen gibt. Ich bin sicher, dass es für sie kein allzu großes Problem darstellen wird und dass sie es irgendwie verstehen wird, wenn sie dich wirklich liebt.“ Scott blickte die Rothaarige zweifelnd an und antwortete: „Meinst du? Das hoffe ich sehr, aber es fällt mir schwer, das zu glauben.“ Und nach einer kurzen, nachdenklichen Pause fügte er hinzu: „Aber weißt du, was am Schlimmsten ist? Das Ganze ist totales Neuland für mich. Ich weiß doch gar nicht, was Mädchen sich wünschen, wenn man... ES tut? Wie .. na ja...wie sorgt man denn dafür, dass es ihr gefällt.“ Lydia kicherte: „Also wirklich Scott!“ erwiderte sie kopfschüttelnd: „ES? Sprichst du vielleicht von Sex? Für jemanden, der sein halbes Leben von käuflichem Sex gelebt hat, bist du echt ganz schön schamhaft!“ Scott ließ den Kopf hängen: „Aber das mit Allison ist eben ganz anders! Mit ihr WILL ich diese ganzen Dinge tun. Es fühlt sich neu, wundervoll und unschuldig an! Bei den Kerlen war es mir egal, ob es ihnen gefallen hat oder nicht; ich wollte einfach nur das Geld und das war´s und ich war hinterher froh, wenn ich es hinter mir hatte. Von Allison kann ich nicht genug bekommen und wäre am liebsten immer bei ihr, verstehst du? Nur dass ich eben keinen Schimmer habe, ob ich es richtig mache, wenn wir zusammen sind und dass wahnsinnige Angst vor unserem ersten Mal habe.“ „Du hast Glück, denn ich kenne mich in dieser Materie recht gut aus!“ erklärte Lydia selbstbewusst und mit einem vielsagendem Grinsen. Und nun bekam der arme, überrumpelte Scott erst einmal Nachhilfe in Sachen Anatomie, inklusive einer sehr plastischen Abbildung der weiblichen Genitalien, welche die künstlerisch begabte Lydia für ihren Schüler aus feuchtem Sand angefertigt hatte und deren sexuelle Einsatzmöglichkeiten sie nun hingebungs- und lustvoll vorführte. Vor lauter Scham dachte der überforderte Scott ein paar mal darüber nach, sich einzugraben um der peinlichen Situation zu entkommen. Am Abend entschieden die vier Freunde dann tatsächlich zum Tanzen zu gehen und weil Scott natürlich die Sehnsucht überkommen hatte, hatte er Allison ebenfalls dazu eingeladen. Für Stiles, der Angst hatte, sich in Gesellschaft von zwei Paaren wie das fünfte Rad am Wagen vorzukommen und der außerdem ein wenig Ablenkung von der Vorstellung brauchte, was Derek wohl gerade mit Kate trieb fand, war dies genau der rechte Moment, Danny anzurufen und diesen ebenfalls dazu zu bitten. In diesem Moment saß er mit ebendiesem an der Bar und sie unterhielten sich, während die anderen Vier miteinander tanzten. Danny hatte berichtet, dass er ebenfalls darüber nachdachte, aus dem horizontalen Gewerbe auszusteigen, ehe er noch den Rest seines Glaubens an die Menschheit verlöre, nur wisse er nicht, was er stattdessen tun könne, denn von irgendwas müsse man schließlich leben und gelernt habe er ja nichts. Stiles versprach, sich Gedanken zu machen und sich für ihn umzuhören, um für Danny irgendeinen Einstieg in ein seriöses Leben zu finden. Irgendwann kamen die beiden dann auf früher zu sprechen und auf die anderen Jungs von der Straße und Stiles wollte wissen, ob es irgendetwas Neues gäbe. Isaac versuche immer, allen Anderen die Freier auszuspannen, berichete Danny und dann sei da ja auch noch diese Sache mit Mason passiert: Ein Freier habe ihn ausgeraubt und böse zusammengeschlagen und nachdem er wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden war, seien er und sein Freund Corey nach San Francisco abgehauen, um dort einen Neuanfang zu versuchen, weil sie gründlich die Schnauze voll gehabt hätten. Plötzlich änderte sich Dannys Miene und er erklärte stirnrunzelnd: „Übrigens ist vor einer Weile etwas passiert, dass ich schon fast wieder vergessen hatte. Ich weiß nicht, ob es von Bedeutung ist, aber da war vor einer Weile so ein komischer Typ, der jeden nach dir gefragt hat. Er hatte auch ein Foto dabei und hat Geld für Informationen angeboten? Ich kannte den Kerl nicht und es war keiner von den üblichen Freiern. Er wollte alles Mögliche über dich und deine Vergangenheit wissen, doch keiner wusste wirklich etwas, aber weil einige scharf auf das Geld waren, haben sie sich einfach etwas aus den Fingern gesogen.“ Stiles hatte keine Ahnung, was das wohl bedeuten mochte, ließ sich von Danny eine genaue Beschreibung des Fremden geben, doch diese gab ihm leider auch keinen Aufschluss darüber, wer der Mann wohl gewesen sein könnte und diese Sache hinterließ ein verdammt mulmiges Gefühl in Stiles Magen. Derek hatte an diesem Morgen tatsächlich doch noch all die restlichen Kleinigkeiten geschafft, welche für seinen Japan-Aufenthalt geplant und bislang noch unerledigt geblieben waren und nun konnte er sich in seinen letzten Stunden hier in Tokio mit gutem Gewissen ein wenig amüsieren. Kate war bester Laune, obwohl sie in den letzten Tagen zugegebenermaßen ziemlich zu kurz gekommen war, stellte er erleichtert fest. Zunächst besuchten sie ein japanisches Restaurant und genossen ein wenig die Landesküche, dann ging es zum Shoppen, wobei es beinahe den Eindruck machte, dass Kate sich noch einmal von Grund auf neu einkleiden müsste, während Derek eigentlich nur nach einer hübschen Kleinigkeit für Stiles suchte. Am Ende schaffte Kate es, Derek zu überreden, mit ihr Cocktails trinken zu gehen, obwohl er beim Gedanken an den stundenlangen Interkontinentalflug am nächsten Tag eigentlich lieber heute nüchtern bleiben wollte, doch Kate konnte nun einmal sehr überzeugend sein: „Du musst echt mal lockerer werden, Derek und dich mehr amüsieren! Das Leben ist zu kurz und es will gelebt werden!“ zog die ihn auf. Stiles Unruhe würde mit der Zeit immer größer. Wer konnte das nun gewesen sein, der da nach ihm gesucht und mit Geldscheinen um sich geworfen hatte, bloß um ein paar Informationen über ihn auszugraben? Er wollte Derek zwar nicht stören, wenn er nach all der harten Arbeit gemeinsam mit Kate sein kleines bisschen Resturlaub genoss, doch gegen drei Uhr morgens, also zu ihrer üblichen Zeit hielt er es schließlich nicht mehr aus und wählte die Nummer. Und er wurde einfach so weggedrückt? So etwas hatte Derek vorher noch nie getan! Als er es gleich danach noch einmal versuchte, war Dereks Handy ausgeschaltet. Nun war Stiles erst recht beunruhigt! Derek erwachte benommen und mit dröhnendem Schädel im Bett seines Hotelzimmers. Er brauchte einen Moment, ehe er die Situation, in welcher er sich momentan befand, vollständig erfasst hatte: Er hatte keine Erinnerung mehr daran, wie er überhaupt hierher gekommen war, neben dem Bett befanden sich zwei leere Whiskeyflaschen, er selbst war nackt und als er sich umdrehte lag da Kate, ebenfalls ohne ihre Kleider, grinste auf ihn hinab und sagte munter: „Guten Morgen, du Schlafmütze!“ FUCK! Was zur Hölle war denn hier geschehen? Nachwort: Ich weiß, ihr hasst mich jetzt, aber bitte vertraut mir und habt ein bisschen Geduld mit mir! :-))) Ich hatte heute ein paar neue Ideen für den Plot und ich glaube, es wird gut! Liebe Grüße, Eure Ginger Kapitel 20: Filmriss -------------------- Vorwort: Um Verwirrung vorzubeugen: Ich habe 2 Kapitel auf einmal hochgeladen! LG, Ginger _____________________________________ „Morgen!“ erwiderte Derek und versuchte immer noch, sich einen Reim auf das zu machen, was hier gerade vor sich ging. Es sah nach einer wilden Nacht aus; überall lagen Kleider verstreut, dazu noch die leeren Flaschen, doch Derek konnte sich beim besten Willen an überhaupt nichts erinnern. Ihm war lediglich kotzübel und er hatte das Gefühl, dass ihm gleich der Kopf platzen müsste, so wie es darin gerade pochte und hämmerte. Kate beugte sich zu einem Kuss zu ihm herüber, doch dieser wurde von Derek nicht erwidert: „Was ist denn, Sweetheart? Bereust du etwa, was letzte Nacht geschehen ist?“ wollte sie wissen. Ihre Stimme klang ein wenig spöttisch. `Wenn ich überhaupt noch wüsste, was eigentlich passiert ist?´ dachte Derek bitter, setzte sich auf und schwang die Beine über den Bettrand. Die Antwort auf die Frage blieb er schuldig und so war es Kate, die weitersprach. „Machst du dir etwa Sorgen wegen deines Süßen? Entspann´ dich, Derek! Stiles muss doch gar nichts davon erfahren!“ Hatten Kate und er es also wirklich getan? Derek konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen, denn an Sex mit ihr hatte er doch überhaupt nicht mehr das geringste Interesse gehabt. Warum sollte sich das ändern, bloß weil er vergangene Nacht offenbar unter Alkoholeinfluss gestanden hatte? So betrunken konnte man doch gar nicht sein! Derek blickte sich verstohlen nach Kondomen, oder leeren Verpackungen um, doch da war nichts und einer Sache war Derek sich vollkommen sicher: Nicht einmal im Suff würde er es Ohne machen, also war alles vielleicht gar nicht so schlimm und sie hatten nur ein wenig rumgemacht, oder so? „Was ist los? Sprichst du jetzt etwa nicht mehr mit mir?“ fragte Kate und klang dabei gereizt: „Entschuldige!“ rief Derek aus, sprang abrupt vom Bett auf und stürzte ins Bad; gerade noch rechtzeitig, denn dort kotzte er sich erst einmal gründlich aus. Als er ewig nicht wieder kam, folgte ihm Kate und traf auf einen nackten Derek mit olivgrüner Gesichtsfarbe, welcher die Kloschüssel umarmte: „Oh Mann, Derek! Du siehst grauenhaft aus! Warum hast du denn auch bloß so viel getrunken? Ich habe dir doch immer wieder gesagt, dass du Schluss machen sollst. Du bist selbst Schuld!“ kommentierte sie mitleidlos. Derek blickte unglücklich zu ihr hinauf. Das wirklich Eigenartige war, dass er sich nicht einmal daran erinnern konnte, so furchtbar viel getrunken zu haben. Die letzte wirklich bewusste Erinnerung, die Derek an den gestrigen Tag hatte war die daran, dass Kate die zweite Runde Cocktails vor sie beide hinstellte. Danach war alles bloß noch ein düsterer Abgrund! „Lass´ uns einfach vergessen, was letzte Nacht passiert ist!“ forderte Derek und war sich der Ironie seiner Aussage vollkommen bewusst und so gab er zu: „Ich weiß ohnehin nicht mehr viel davon.“ Das war natürlich eine absolute Untertreibung. Er hätte Kate auch sagen können, dass er sich an rein gar nichts erinnerte, doch irgendwie war ihm das wahnsinnig peinlich und er wollte schließlich auch ihre Gefühle nicht verletzten: „Ich will einfach nur noch nachhause! Lass´ uns packen und dann zum Flughafen fahren. Ich sage nur schnell dem Piloten Bescheid.“erwiderte er. „Bist du irre?“ schimpfte Kate: „Ich gehe nirgendwo hin, ehe ich nicht vernünftig gefrühstückt habe! Und du solltest auch etwas Essen. Am besten etwas, das fettig und schwer ist, um den Restalkohol aufzusaugen.“ Ohne Derek Antwort abzuwarten, rief Kate den Zimmerservice an und bestellte für sie beide. Derek hatte das Bedürfnis, lange und ausgiebig zu duschen, um den Kopf klar zu bekommen, um einen Moment allein zu sein, aber vor allem weil ihm das Ganze überhaupt nicht behagte. Hinterher war ihm immer noch ein wenig flau im Magen, doch wenigstens seine Kopfschmerzen wurden dadurch ein klein wenig besser. Im Hotelbademantel verließ er das Bad schließlich wieder und griff nach seinem Handy, um dem Piloten zu sagen, dass sie in zweieinhalb Stunden startklar sein mussten. Dabei stellte er fest, dass sein Telefon aus war, was eigenartig war, denn er schaltete es niemals ab? Er stellte es wieder ein und war überrascht, dass der Akku noch halbvoll war. Daran hatte es also nicht gelegen. Mit einem Mal musste Derek an Stiles denken: Sie beide hatten gestern gar nicht telefoniert? Vielleicht machte der Kleine sich ja Sorgen um ihn? Möglicherweise hatte er sogar versucht, ihn anzurufen? Derek checkte das und stellte verwundert fest, dass sich Stiles Nummer um drei Uhr morgens unter den abgewiesenen Anrufen fand. Wieso hatte er das getan? Auch daran erinnerte er sich nicht. Er wollte bereits Stiles Nummer wählen, doch irgendwie konnte er jetzt nicht mit ihm telefonieren!Ihm wurde klar, dass er Auge in Auge mit Stiles sprechen musste, um ihm zu erzählen, was geschehen war. Am Telefon ging das nicht und so schrieb er einfach eine kurze Nachricht mit seiner voraussichtlichen Ankunft und der Bitte, ob sich sich am Abend bei Derek zuhause treffen könnten, um zu reden. Ein wenig später saß Derek vor seinem kontinentalen Frühstück, bestehend aus verschiedenen Sorten Gebäck und Brot, mehreren Marmeladen, gekochten Eiern, Butter, Käse- und Wurstaufschnitten, Orangensaft und Kaffee, welches sich so riesig vor ihm auftürmte, wie die Rocky Mountains. „Nun, iss´ schon, Süßer! Was geschehen ist, ist doch kein Weltuntergang! Sag´ Stile einfach nichts davon! Und du wirst sehen, mit etwas im Magen sieht die Welt schon wieder anders aus!“ forderte Kate ungerührt und langte selbst tüchtig zu. Bei ihr gab es seltsamerweise nicht die geringsten Spuren eines Hangovers, stellte Derek fest. Konnte sie Alkohol denn wirklich so viel besser vertragen, als er selbst? Oder hatte sie am Ende gar nicht so viel getrunken, sondern hatte ihn lediglich abgefüllt, um diese gemeinsame Nacht zu arrangieren? Schnell schob Derek diesen absurden Gedanken wieder beiseite und knabberte mit wenig Appetit an seinem Marmeladencroissant. Als Stiles die Kurznachricht erhielt fiel ihm zunächst einmal ein Stein vom Herzen, weil Derek endlich ein Lebenszeichen von sich gab, doch als er die Nachricht öffnete, wären ihm beinahe die Tränen gekommen. Derek wollte ihn sehen, um mit ihm zu reden? Das war mit Sicherheit der Code für `Vielen Dank für deine Dienste, aber ich brauche dich jetzt nicht mehr, weil ich etwas Besseres gefunden habe!´ Stiles ließ das Handy auf den Tisch fallen und rollte sich unglücklich auf dem Sofa zusammen. Als Skippy ins Wohnzimmer kam und ihn so vorfand, schleckte er ihm tröstend ein paar mal über das Gesicht und sprang dann auf´s Sofa, um sich auf ihn zu setzen, als wolle er ihn ausbrüten, wie ein Riesenei. Wie immer, wenn Derek sich unwohl fühlte, hatte er keine Lust zu sprechen, also sorgte er dafür dass im Flieger ein Film nach dem anderen lief und als Kate dann über die Handlung sprechen wollte, gab er lediglich einsilbige, unbefriedigende Antworten. Er wusste selbst, dass er ein Arsch war, sich nach einer gemeinsamen Liebesnacht so zu benehmen, doch er konnte irgendwie nicht aus seiner Haut! In ihm gab es diesen hässlichen Gefühlscocktail aus Ärger, Scham, Schwermut und diffuser Angst und dagegen konnte er rein gar nichts tun. Er konnte Kate nicht einmal anschauen, ohne sich unwohl zu fühlen. Nach einer Weile gab er vor, müde zu sein und zog sich in die Schlafkabine des Jets zurück. Kate blickte Derek ein wenig genervt hinterher. So eine Mimose! Es hatte doch so gut angefangen, aber dann hatte es schließlich doch nicht so gut funktioniert, wie sie sich das ausgerechnet hatte. Aber das würde schon noch werden! Es war ja erst Phase eins ihres Plans und wenn Kate eines hatte, dann war es Geduld! Für sie war das Leben eine Partie Schach und Kate behielt stets das gesamte Brett im Auge! Derek tat natürlich kein Auge zu. Stattdessen blickte er aus dem Flugzeugfenster in den Himmel und hinunter auf den Ozean. Er konnte es kaum erwarten, endlich wieder zuhause zu sein, doch leider schlichen die Minuten nur so dahin. In seinen Gedanken kehrte er zurück zu der Zeit, als Kate und er noch ein Paar gewesen waren. Seine Familie hatte damals noch gelebt und sie hatten sich über diese Verbindung gefreut, weil die Argents und die Hales bereits seit Generationen eng miteinander verbunden gewesen waren. Da hatte auch der Altersunterschied zwischen ihnen niemanden gestört, obwohl Derek damals erst siebzehn und Kate fast einundzwanzig gewesen war. Im Grunde war es genau das, was Derek seinerzeit so aufregend gefunden hatte; denn immerhin war sie bereits eine Frau gewesen und er bloß ein blasser, dürrer Junge. Er hatte es damals kaum glauben können, dass eine wie sie Interesse an jemandem wie ihm haben könnte. Sie war seine Erste gewesen, hatte Erfahrungen gehabt und ihn in die Liebe eingeführt. Außerdem hatte Kate auch damals schon die interessantesten Leute gekannt. Das Leben an ihrer Seite war stets unheimlich aufregend gewesen. Natürlich gab es da auch eine Menge, was seine Eltern nie hatten erfahren dürfen, zum Beispiel, dass Kate ihn in Clubs und auf Partys mitgenommen hatte, in denen er in seinem Alter noch überhaupt nichts zu suchen gehabt hatte, oder dass sie ihn hatte Alkohol und Drogen konsumieren lassen. Das war ihr kleines Geheimnis gewesen! Dereks Familie gegenüber war Kate stets wie ein braves, zuverlässiges Mädchen aufgetreten und seine Eltern hatten nie Bedenken gehabt, sie beide zusammen ausgehen zu lassen. Irgendwann hatte Derek herausgefunden, dass Kate ihm gegenüber niemals treu gewesen war, nicht einmal ganz am Anfang ihrer Beziehung. Eine Weile lang hatte er sich gesagt, dass sie eben so war und dass er vielleicht ja auch damit leben könnte, doch dann war die Sache mit seinem Onkel Peter passiert und das war schließlich der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Und das Schlimmste war gewesen, dass Derek es von einem schuldbewussten Peter und nicht von Kate selbst hatte erfahren müssen! Da hatte er es endlich beendet; kurz vor ihrem zweiten Jahrestag. Eine Weile hatte er den beiden sehr gezürnt, doch dann hatte er zunächst Peter und später dann auch Kate vergeben können. Damals hatte Derek entschieden, dass Beziehungen nichts für ihn wären und er hatte sich nie wieder auf eine ernsthafte Verbindung zu einem anderen Menschen eingelassen, sondern von Affäre zu Affäre gelebt, auch wenn das seiner Familie und später Deucalion, der sich seit dem Tod seiner Eltern offenbar für seinen Ersatzvater hielt, nicht passte. Natürlich war Derek da Stiles und ihre Fake-Beziehung ganz recht gekommen, nur dass diese Deuc ja auch nicht lieb war, doch immerhin hatte er seither damit aufgehört, für ihn irgendwelche Dates zu arrangieren. Derek fragte sich, warum das, was letzte Nacht geschehen war ihn eigentlich so aufregte? Immerhin war es ja nicht wirklich so, dass er jemanden betrogen hätte! Es war ganz einfach unbehaglich, sich nicht an das zu erinnern, was wirklich vorgefallen war. Mit seinem Körper war etwas geschehen und er wusste nichts mehr davon und das hasste er! Doch natürlich war es nicht fair, dass er dies an Kate ausließ, denn es war schließlich seine eigene Schuld. Er hätte eben nicht so viel saufen dürfen! Zu seiner Erleichterung sagte der Pilot in dieser Minute durch, dass sie in einer Stunde am Los Angeles International Airport eintreffen würden. Stiles blickte sich traurig in seinem Apartment um. Ob Derek sie wohl sofort bitten würde, hier auszuziehen? Er hatte zwar mittlerweile genug Geld beisammen, um eine vergleichbare Bleibe für Scott und sich anzumieten, aber er mochte es hier! Dies hier hatte sich nach einer Ewigkeit endlich mal wieder wie ein Zuhause angefühlt; wie Sicherheit! Er nahm seine Jacke und seine Schlüssel und machte sich schweren Schrittes auf den Weg zu Derek, um dem Unvermeidlichen ins Auge zu blicken. Derek hatte noch immer Kopfschmerzen, doch immerhin war ihm mittlerweile nicht mehr schlecht. Und das Greenburg nun Stiles Ankunft ankündigte, war ein Lichtblick am Ende eines langen, miserablen Tages. Jedoch konnte Derek sofort erkennen, dass etwas nicht stimmte: Stiles hatte den Kopf eingezogen und sein Blick war irgendwie glasig und ging an Derek vorbei: „Hey, Kleiner! Alles klar?“ fragte er sorgenvoll, trat auf ihn zu und griff ihn sanft bei den Schultern: „Du hast doch nicht etwa diesen Typen von neulich wieder getroffen, oder?“ Stiles schüttelte missmutig den Kopf. „Aber was ist es dann? Ist irgendetwas passiert?“ fragte Derek weiter: „Noch nicht.“ gab Stiles unglücklich zurück. Derek blickte ihn verwirrt an und schob ihn in Richtung Couch: „Was meinst du damit? Erzähl´s mir!“ Stiles schüttelte erneut den Kopf: „Fang´ du an. Du wolltest mit mir doch über etwas sprechen!“ murmelte er und schlang die Arme um den eigenen, schlanken Oberkörper, als ob er frieren würde. Derek nahm es mit Stirnrunzeln zur Kenntnis und reichte dem Jüngeren eine Decke, in welche dieser sich sogleich einwickelte, wie in einen Kokon: „Eigentlich ist es gar nicht so dramatisch, aber ich dachte trotzdem, dass wir darüber sprechen sollten.“ leitete er seine Rede ein: „Gestern in Tokio ist etwas geschehen.“ „Du hast mit Kate geschlafen!“ stellte Stiles nüchtern fest. Derek wand sich ein wenig unbehaglich: „Ja, irgendwie schon. Denke ich?“ murmelte er. Stiles zog verwirrt die Stirn kraus: „Wie meinst du das? Hast du, oder hast du nicht?“ Derek zuckte mit den Achseln und berichtete dann, wie er gestern mit Kate etwas trinken gewesen war und dann ohne Erinnerung nackt neben ihr in seinem Hotelbett erwacht war: „Das wirklich Merkwürdige ist, dass ich noch nie im Leben einen Filmriss gehabt habe, obwohl ich wirklich schon eine Menge getrunken habe. Das ist eigenartig oder nicht? Und vor allem wundert es mich, dass meine Erinnerungslücke schon nach dem zweiten Drink beginnt. Das reicht nun wirklich nicht, um mir die Lampen auszuknipsen.“ schloss er nachdenklich. Stiles machte ein skeptisches Gesicht und erwiderte dann: „Ja, das ist wirklich eigenartig. Früher haben einige der Jungs von der Straße manchmal solche Geschichten erzählt. Dann hatten Freier ihnen GHB in ihre Drinks gerührt. Ich habe immer wahnsinnig aufgepasst, dass mir so etwas nicht auch einmal passiert.“ „GHB?“ fragte Derek scharf: „Was soll das denn sein?“ „Das sind sogenannte KO-Tropfen, auch als Vergewaltigungsdroge bekannt. Zuviel davon kann Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Atemnot und vor allem Erinnerungslücken verursachen.“ erläuterte Stiles: „SAG´ MAL BIST DU IRRE! DU DENKST, KATE HÄTTE MIR SO ETWAS UNTERGEJUBELT? WAS FÄLLT DIR EIN, SO ETWAS ZU SAGEN? WAS ERLAUBST DU DIR?“ brüllte Derek entrüstet. Stiles war blass geworden und hatte in Erwartung von Schlägen einen Satz nach hinten gemacht: „Ich... ich wollte nicht... Ich meine ich wollte doch nur sagen, dass es so klingt und nicht, dass es auch so war!“ stammelte er. Er zitterte ein wenig. Als Derek die Furcht auf Stiles Gesicht sah, tat es ihm sofort leid, dass er so laut geworden war. Er hatte keine Ahnung, wie er das wieder gut machen sollte: „Tut mir leid, Stiles! Ich... ich wollte dich nicht erschrecken. Es ist nur so, dass diese Sache mir zu schaffen macht. Ich bin es gewohnt, die Kontrolle über jede Situation zu behalten. Nicht zu wissen, was ich getan habe und was passiert ist, ist ein widerliches Gefühl. Aber du kannst ja gar nichts dafür, dass ich mich so habe gehen lassen. Ich wollte meine Wut doch nicht an dir auslassen!“ Stiles schenkte ihm einen misstrauischen Blick. Er war noch immer in die Decke gewickelt. Sie wirkte beinahe wie eine Rüstung: „Liebst du sie?“ wollte er wissen: „Wen? Kate?“ fragte Derek dümmlich: „Nein, natürlich nicht. Ich meine, das habe ich mal; früher! Doch seitdem ist viel Zeit vergangen und ich habe mich verändert. Ich liebe sie nicht mehr! Ich finde sie nicht einmal mehr körperlich anziehend, darum ist es für mich ja auch so schwer zu verstehen, wie das hat passieren können. Aber wie soll ich Kate das erklären? Sie ist immerhin eine Freundin und ich will sie doch nicht verletzen.“ „Tut mir leid, dass dir das passiert ist.“ erwiderte Stiles beinahe zu leise, als das Derek ihn hören konnte. Sein Blick war auf den Boden gerichtet und sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. Dann fügte er etwas lauter hinzu: „Ich war mir sicher, dass du mich heute hierher bestellt hättest, um mir zu sagen, dass du und Kate wieder ein Paar wärt und dass du unseren Vertrag kündigen willst.“ Derek blieb vor Verwunderung einen Moment der Mund offen stehen: „Wie kommst du denn auf so etwas? Auf keinen Fall! Ich brauche dich doch!“ erwiderte er. Dann schob er kleinlaut hinterher: „Verzeihst du mir, dass ich dich so angeschrien habe?“ Stiles nickte und lächelte unsicher. Derek hätte ihn gern in den Arm genommen, um alles wieder gut zu machen, doch irgendwie traute er sich noch nicht recht. Dann fiel ihm etwas ein: „Ich habe ja noch etwas für dich!“ rief er aus, verschwand kurz, kam wenig später mit einem Karton von `Joop´ wieder und reichte ihn Stiles. Dieser öffnete ihn und zog eine Wildlederjacke in tiefem dunkelblau, geschnitten wie eine Jeansjacke hervor. Sie war edel, wunderschön und das Leder war wahnsinnig weich. Stiles roch daran und rieb es gegen sein Gesicht: „Die ist toll! Ich glaube, ich habe noch nie so etwas Schönes besessen!“ erklärte er überwältigt und kam nun doch noch aus seiner Deckenfestung hervor um sanft die Arme um Derek zu legen. Der Ältere atmete erleichtert auf und zog den Jungen fest an sich. Und ohne groß darüber nachzudenken küsste er ihn. Als ihm bewusst wurde, was er da gerade tat, wich er zurück und stammelte: „Himmel, was mache ich denn da? Ich... ich hatte kein Recht! Es tut mir leid!“ Offenbar war er vollkommen verrückt geworden, dachte Derek bestürzt. Erst die Sache mit Kate in der letzten Nacht und nun das hier. Offensichtlich war er ja wohl vollkommen außer Kontrolle geraten! Er blickte Stiles an, welcher verwirrt, unsicher, jung und in diesem Moment auch wahnsinnig verletzlich wirkte. Da traf Derek eine unbequeme, erschreckende und unbehagliche Erkenntnis wie ein Faustschlag im Gesicht: Er hatte sich verliebt! Kapitel 21: Eiertänzer ---------------------- Vorwort: Um Verwirrung vorzubeugen: Ich habe 2 Kapitel auf einmal hochgeladen! LG, Ginger _____________________________________ Derek spürte wie er nervös und seltsam verlegen wurde. Verliebt? Das war wirklich das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte! Und Stiles durfte das auf keinen Fall mitbekommen, denn sicher würde er sich dadurch bedrängt und überfordert fühlen. Wer würde das nicht? Immerhin war das, was es zwischen ihnen gab ein Geschäft und weiter nichts, auch wenn es sich oft anfühlte, als sei es mehr als das. Aber Derek durfte nicht riskieren, dass Stiles sich von ihm abwandte, denn immerhin war er das Einzige, was zwischen ihm und einer schlaflosen, alptraumhaften Hölle stand! Und nun schaute Stiles in zurecht verwirrt und misstrauisch an. Was hatte er sich nur gedacht, ihn einfach so zu küssen? Sicher, es war nicht der erste Kuss zwischen ihnen beiden gewesen, doch davor war es immer bloß Show gewesen, um irgendwen von ihrer angeblichen Beziehung zu überzeugen, oder eine übermütige Spielerei, oder was auch immer. Na ja und dann hatte es ja noch das eine Mal gegeben, wo sie beide zu viel getrunken hatten, doch daran wollte er jetzt lieber gar nicht denken! Derek musste sich nun schnell etwas einfallen lassen, um die Situation zu retten und schließlich sagte er: „Ich habe einen Bärenhunger, aber der Koch hat heute frei. Lass´ uns etwas essen gehen, ja?“ Wirklich sehr raffiniert, dachte Derek ärgerlich über sich selbst. Man merkte ihm wirklich an, dass er ein total ausgebuffter Geschäftsmann war, der es gewohnt war, sich weltgewandt und souverän auf internationalem Parkett zu bewegen! „Essen?“ murmelte Stiles daher auch durcheinander: „Du willst jetzt essen gehen?“ „Ja sicher!“ erwiderte Derek viel zu schnell und übertrieben munter: „Was willst du? Französisch? Italienisch? Spanisch? Tunesisch? Äthiopisch? Alles, nur nicht japanisch, denn das kann ich nicht mehr sehen, seit ich es heute Morgen im hohen Strahl wieder von mir gegeben habe!“ „Ich habe nichts Passendes zum Anziehen hier um groß auszugehen, außer der schönen, neuen Jacke. Außerdem mag ich gerade nicht aus dem Haus. Können wir nicht lieber etwas bestellen, oder so?“ fragte Stiles missmutig. „Etwa Pizza, die lauwarm in einem Pappkarton hier ankommt?“ fragte Derek und der Ekel stand ihm quasi ins Gesicht geschrieben: „Oder einfach bloß ein Sandwich? Das würde mir auch schon reichen.“ versicherte Stiles, doch diese Aussicht schien Derek ebenfalls überhaupt nicht zufrieden zu stellen. Schließlich schlug Stiles vor: „Oder ich koche uns etwas. Was hast du im Haus?“ Derek blickte ihn mit großen Augen an und zuckte mit den Schultern. Stiles seufzte, marschierte hinüber in die offene Küche, die zu Dereks Wohnbereich gehörte und begann Küchenschränke und Kühlschrank zu durchforsten. Er fand ein wenig Schinken, eine Dose Thunfisch, ein paar Eier deren Mindesthaltbarkeitsdatum bereits deutlich überschritten war, und je ein angebrochenes Glas Pickles und Oliven. Er blickte Derek, welcher ihm mittlerweile gefolgt war fragend an: „Ich koche nicht!“ rechtfertigte sich der Milliardär: „Wir können ja mal in die andere Küche gehen. Vielleicht gibt es da ja zufällig irgendetwas?“ Das taten sie Stiles gingen beinahe die Augen über, als er diese Küche erblickte. Sie hatte einfach alles, wovon ein Koch nur träumen konnte; jedes erdenkliche Gerät und genug Geschirr, um ein riesiges Bankett zu geben: „Aber wo ist nun die Vorratskammer?“ wollte Stiles wissen. Erneut konnte Derek bloß mit den Schultern zucken und Stiles sagte verblüfft: „Du weißt es nicht? Aber es ist doch DEIN HAUS, Derek?“ Er stöberte ein wenig herum und fand schließlich, ein wenig versteckt zuerst eine unglaublich gut bestückte Speisekammer und dahinter einen Kühlraum mit einer Kühl- und einer Gefrierabteilung. Stiles kam aus dem Staunen nicht heraus, bei dem Anblick, der sich ihm hier bot: Er fand frische Trüffeln, verschiedene Steaks, sogar welche vom Kobe-Rind, die schätzungsweise fünfhundert Mäuse pro Kilo gekostet haben dürften, exotische Früchte und Gemüse, einen ganzen Tintenfisch, tiefgefrorene Langusten- und Hummerschwänze, geräucherte Fisch- und Wurstwaren und, und, und... Diese Küche war ausgestattet wie ein exklusiver Feinkostladen! Und das alles für eine einzige Person, bloß für den Fall, dass Derek zufällig mal ein besonderer Appetit überkäme? Stiles mochte gar nichts darüber nachdenken für wie viele tausend Dollar hier monatlich Essen verdarb und einfach so weggeworfen wurde! Noch weniger mochte er sich daran erinnern, wie oft Scott und er zu manchen Zeiten hungrig ins Bett gegangen waren, weil ihnen schlichtweg die Kohle ausgegangen war. Ob Derek wohl manchmal über diese Dinge nachdachte? Vermutlich nicht! Er hatte ja nicht einmal gewusst, wo diese Schätze lagerten, welche er bei Bedarf einfach so bei seinem Koch ordern konnte. Sie lebten wirklich in vollkommen unterschiedlichen Welten! Stiles rang ein wenig mit sich und entschied dann, dass ein kurzer Ausflug ins Land der Dekadenz ihn schon nicht gleich vergessen lassen würde, woher er kam und griff nach den Kobe-Steaks, zu denen er getrüffeltes Kartoffelpüree und gegrillten, asiatischen Minispargel reichen würde. Er googelte noch schnell, was er bei der Zubereitung des Fleischs beachten müsste und machte sich dann ans Werk. Als dass Essen dann fertig war und Derek gekostet hatte, gingen ihm fast die Augen über: „Wow! Du könntest meinen Koch mühelos arbeitslos machen! Das hier ist verdammt nochmal besser als Sex!“ Stiles, der Dank Derek mittlerweile wusste, wie gut Sex sich anfühlen konnte, bezweifelte dass stark. Darüber würde er natürlich nicht sprechen, um nicht zu riskieren, dass Derek am Ende noch erriet, wie er in Wirklichkeit für ihn fühlte. Stattdessen gab er zurück: „Nein, nimm´ dem Mann nicht seinen Job! Er ist ein Genie! Dies hier ist bloß deswegen lecker, weil man mit den Wahnsinns-Zutaten und dieser toll ausgestatteten Küche nicht viel falsch machen kann. Jeder Idiot könnte hier etwas Gutes auf den Tisch bringen.“ „Das bezweifle ich, Kleiner. Ich könnte es jedenfalls nicht. Das hast du toll gemacht!“ beharrte Derek. Nach dem Essen urteilte ein vollgefressener Derek, dass er in letzter Zeit sein Training viel zu sehr vernachlässigt hätte und das Gefühl habe, langsam fett zu werden, also ging er vor dem Schlafengehen noch einmal in seinen Kraftraum. Stiles schloss sich ihm an, doch während Derek große Gewichte stemmte und Hanteln schwang, trödelte der Jüngere bloß ein wenig auf dem Laufband und dem Fahrradergometer herum und versuchte sich nicht dabei erwischen zu lassen, wie er den Athleten, der natürlich immer noch in Bestform war, hungrig mit den Augen verschlang. Anschließend gingen sie duschen, selbstverständlich jeder für sich und später im Bett sahen sie noch ein wenig fern, bis sie müde genug waren, um das Licht auszumachen. Nach einer Weile fragte Stiles, dem gerade etwas eingefallen war, vorsichtig in die Dunkelheit hinein: „Schläfst du schon?“ „Bin noch wach!“ versicherte Derek „Ich habe ganz vergessen, dass es bei mir morgen ein wenig später werden kann. Malia feiert ihren einundzwanzigsten Geburtstag. Ist das okay für dich?“ erkundigte sich Stiles ein wenig unsicher. Derek lachte leise: „Natürlich ist das okay! Du bist doch nicht mein Leibeigener! Du bist ein freier Mann und kannst machen, was du willst! Ich wüsche dir viel Spaß!“ „Ich will doch bloß, dass du weißt, dass du immer auf mich zählen kannst.“ schob Stiles hinterher: „Weiß ich doch!“ bestätigte Derek und legte einen Arm um den Jüngeren. Sie schwiegen einen kleinen Moment und Derek dachte schon, Stiles sei eingeschlafen, da erklärte dieser schüchtern: „Malia hat übrigens gesagt, dass ich dich mitbringen könnte wenn du Lust hast, aber du hast bestimmt besseres zu tun, als deinen Feierabend mit ein paar Habenichtsen und Losern zu verbringen, richtig?“ Derek richtete sich erstaunt ein wenig auf und blickte hinab auf das, von Mondlicht beschienene Gesicht von Stiles: „Was redest du denn da bloß? Ihr Vier seid doch keine Loser? Ganz ehrlich? Ich treffe in meinem Alltag verdammt selten so großartige Leute, wie dich und deine Freunde! Die meisten Leute, mit denen ich Geschäfte mache, sind gierige, gewissenlose Haie, mit denen ich am Liebsten nicht einmal dieselbe Luft atmen würde! Ich würde total gern mit dir auf diesen Geburtstag gehen.“ „Echt?“ fragte Stiles verblüfft und glücklich und kuschelte sich nun an ihn, wie ein kleines Kätzchen. Derek musste ein wenig schlucken. Er rang den Impuls in sich nieder, Stiles schon wieder ungefragt zu küssen und strich stattdessen sanft mit den Fingern durch sein Haar. Irgendwann sagte er nachdenklich: „Ich habe irgendwie das Gefühl, ich müsste mich bei dir entschuldigen für das, was immer sich da zwischen Kate und mir abgespielt hat. Wir beide sind zwar nicht wirklich ein Paar, aber meine Freunde halten uns dafür und wenn jemand wie Deucalion davon Wind bekommt, was Kate und ich getan haben, dann wäre dass demütigend für dich. Das möchte ich nicht.“ Derek spürte Stiles Achselzucken: „Mach´ dir darüber keine Gedanken.“ versicherte er: „Mein Ego ist nicht so groß, dass mir das etwas ausmacht und außerdem kümmert es mich auch nicht, was Deucalion über mich denkt.“ Das war allerdings nur die halbe Wahrheit, denn im Grunde machten die Drohungen und Anfeindungen Stiles sehr wohl zu schaffen, doch damit musste er Derek ja nicht belasten, richtig? „Dennoch... es tut mir leid, Stiles!“ versicherte Derek reumütig und schlang von hinten die Arme um ihn . „Schlaf´ jetzt und denk´ nicht mehr darüber nach!“ erwiderte Stiles schläfrig. Und wie er sich so in Dereks Umarmung einrichtete und dabei zufällig sein Gesäß gegen dessen Schritt rieb, musste der Ältere ein weiteres Mal an ihre gemeinsame Liebesnacht vor einiger Zeit denken und als Reaktion darauf schließlich unauffällig sein Becken ein wenig zurückziehen, ehe es hier noch peinlich wurde. Kapitel 22: Familienbande ------------------------- „Was wollen wir deiner Freundin denn eigentlich schenken? Wir können doch nicht ohne ein Geburtstagsgeschenk bei ihr auftauchen!“ stellte Derek beim Frühstück fest. Er schien sich wirklich Gedanken darüber zu machen. Das hatte Stiles überhaupt nicht erwartet, doch es machte ihn irgendwie glücklich, bedeutete es doch, dass Derek an seinem Leben Anteil nahm. Grinsend gab er zurück: „Ich hatte an hübsche Ohrringe oder so gedacht. Irgendwas Schlichtes? Damit liegen wir bestimmt richtig.“ „Was hältst du dann davon, wenn wir gleich zusammen losfahren, kurz bei `Tiffanys´ Halt machen und ich dich danach zuhause absetze, ehe ich ins Büro weiterfahre?“ schlug Derek vor. Nun musste Stiles lachen und erwiderte: „Tiffanys, huh? Weil es schließlich heißt `Diamonds are a girls best friends´, oder wie? Ist das nicht ein wenig übertrieben? Ich hatte eigentlich etwas weniger Kostspieliges wie zum Beispiel Modeschmuck im Sinn.“ Derek machte ein komisches Gesicht: „Ich kann doch nicht mit irgendwelchem billigem Blechtand da ankommen! Deine Freunde wissen doch, dass ich Geld habe. Wie stehe ich dann da? Sie würden mich für geizig halten! Und ich will ihr doch bloß eine kleine Freude machen.“ Stiles grinste zärtlich und drückte Derek einen kleinen Kuss auf die Wange: „Also gut! Machen wir es so. Aber Malia wird ganz schön Augen machen, das sage ich dir gleich!“ erwiderte er und fügte noch hinzu: „Aber ich werde dann noch einen Kuchen backen.“ Und so stiegen sie nach dem Essen in Dereks mitternachtsblauen BMW und hielten an der Filiale der Juwelier-Kette am Beverly Hills Boulevard, um sich auf die Suche nach dem passenden Geschenk zu machen. Derek nahm die Auslage genauestens in Augenschein, legte Stiles seine persönlichen Favoriten zur Beurteilung vor und entschied sich schließlich für schlichte, goldene Diamantstecker mit Radiant-Schliff. Eigentlich hätten sie nun wieder gehen können, doch da blieb Dereks Blick noch an einer hübschen silbernen Haarspange in Blütenform mit kleinen Rubinen hängen: „Also das ist mit Sicherheit nichts für Malia. Viel zu girlie und verspielt! Die reißt uns den Kopf ab, wenn wir mit so etwas ankommen.“ kommentierte Stiles stirnrunzelnd. Derek lachte und erklärte: „Das schätze ich auch, aber die ist ja auch gar nicht für Malia.“ „Du meinst also, die ist für mich?“ witzelte Stiles übertrieben aufgekratzt: „Das ist ja so süß von dir! Ich find´s toll, wenn du mir hübsche Sachen schenkst, Daddy!“ „Lass´ den Quatsch, du kleiner Spinner!“ lachte Derek, stupste Stiles in die Seite und stellte klar: „Das ist auch nicht für dich, sondern es soll ein kleines Gastgeschenk für Lydia werden, denn schließlich schulde ich ihr ja immer noch `eine kleine, mintfarbene Schachtel mit weißem Band´, erinnerst du dich? Das hat sie gesagt, als sie mich damals für den Besuch bei Erica und Deucalion zurechtgemacht hat. Und das hier würde so hübsch zu ihren schönen roten Haaren aussehen.“ „Kleines Gastgeschenk?“ fragte Stiles und warf einen skeptischen Blick auf das Preisschild. „Gönn´ mir doch den kleinen Spaß!“ bat Derek und so erwiderte Stiles schulterzuckend: „Na dann tu es doch einfach! Es ist schließlich dein Geld und Lydia freut sich mit Sicherheit.“ Wie eigenartig, dass Derek scheinbar glaubte, ihn um Erlaubnis bitten zu müssen, dachte Stiles belustigt. Um halb sieben holte Derek Stiles, Scott und Allison ab und sie machten sich auf den Weg zu Malias Apartment. Als sie ankamen, war die Geburtstagsparty bereits in vollem Gange. Malia hatte in ihrem großem Wohnzimmer eine bunte Mischung aus nicht zusammengehörigen Sitzmöbeln im Kreis zusammengeschoben, auf welchen sich bereits eine ganze Reihe an Gästen lümmelte. Zur Überraschung der Neuankömmlinge war Chris Argent einer von ihnen und er schien sich pudelwohl zwischen all den kleinen Gaunern und schrillen Paradiesvögeln zu fühlen, welche Malia ihre Freunde nannte. Er und sie waren, wie sich nun herausstellte seit der Party von Chris damals auf Facebook befreundet und überdies seither beste Poker-Buddies: „So, so...“ sagte Chris gespielt streng zu seiner Tochter: „Das ist also der Junge, mit dem du dich neuerdings ständig triffst, obwohl du es bislang noch nicht für nötig gehalten hast ihn mir einmal offiziell vorzustellen ja? Und wieso enthältst du ihn mir vor? Was stimmt denn bitteschön nicht mit ihm? Ich bin doch nicht deine Mutter, das Miststück, die jeden deiner Schritte kontrollieren will und dich bei jeder sich bietenden Gelegenheit niedermachen will, bis du innerlich tot bist. Ich bin der GUTE Elternteil, der deinen Entscheidungen voll und ganz vertraut und genau weiß, was für ein Mensch du bist, Allison!“ Oha! Da hatte jemand die Scheidung von seiner Ex-Frau aber noch wirklich gut verarbeitet, stellte Stiles innerlich fest. Allison rollte mit den Augen: „Ja, sicher, Dad. Ist schon klar!“ erwiderte sie sarkastisch: „Doch das mit Scott und mir ist doch noch recht frisch. Ich hätte ihn schon noch zum Abendessen eingeladen, damit du ihm auf den Zahn fühlen kannst. Ich wollte vorher nur sicher gehen, dass er mich genug mag, dass er es auf sich nimmt, von dir gnadenlos eingeschüchtert zu werden, Daddy!“ Chris ignorierte den Großteil von Allisons Worten und erwiderte lediglich gebieterisch: „Abendessen klingt gut. Nächsten Freitag, neunzehn Uhr bei mir!“ Es war eine Feststellung und keine Frage und diese richtete sich auch nicht an Allison, sondern direkt an Scott, welcher sich bereits jetzt beinahe in die Hosen machte vor Angst: „Einverstanden, Sir! Sehr gern!“ piepste er artig und gab sein Bestes, dem scharfen Blick aus den stahlblauen Augen Stand zu halten. Nun mischte sich Malia ein, welche die ganze Szene bislang lediglich amüsiert aus einiger Entfernung mit angesehen hatte: „Hey, Chris! Hör gefälligst auf meinen Freunden Angst zu machen, und trink´ lieber noch etwas! Vielleicht macht dich das ein wenig lockerer?“ schlug sie vor und schenkte sein Whiskeyglas noch einmal voll, bis zum Rand. Argent stieß mit dem Geburtstagskind an und schenkte ihr ein schiefes Grinsen. Die Gastgeberin fragte nun auch die anderen Neuankömmlinge nach ihrem Getränkewunsch. Allison und Scott erhielten je ein Bier, Derek, der für´s Erste genug von Alkohol hatte nahm eine Cola und da schloss Stiles sich aus Solidarität an. Er reichte Malia den Kuchentransporter mit der zweistöckigen Geburtstagstorte, welche er gezaubert hatte und konnte sehr wohl die Rührung im Gesicht der Freundin erkennen, ehe sie diese kleine Peinlichkeit rasch mit einem, für sie typischen, flapsigen Spruch beiseite wischte: „Mann, Stilinski! Du bäckst? Du bist ja genau wie die Mutter, die ich nie wollte!“ Sie knuffte dem Freund beherzt in den Oberarm. „Ich liebe dich auch!“ versicherte Stiles, rieb sich seinen malträtierten Bizeps und drückte der Kratzbürste einen dicken Kuss auf die Stirn: „Derek hat übrigens auch eine Kleinigkeit für dich.“ Auf dieses Stichwort hin zückte der Ältere das kleine Schächtelchen, welches für Malia bestimmt war, drückte seine Glückwünsche aus und reichte es ihr ein klein wenig verlegen. Das Geburtstagskind nahm das Päckchen skeptisch entgegen, öffnete es und machte dann ziemlich große Augen: „Sind die etwa echt?“ fragte sie entgeistert. Ehe Derek etwas antworten konnte, war auch schon Lydia zur Stelle, schnappte sich das Geschenk ihrer Geliebten, um es genau in Augenschein zu nehmen und rügte Malia: „Natürlich sind die echt! Und hübsch sind sie auch. Nun benimm´ dich nicht wie ein Trampel und bedank´ dich, Baby!“ Malia grinste breit, umarmte Derek zur Überraschung Aller, sagte artig Danke, ganz so, als würde sie über so etwas wie gute eine Kinderstube verfügen und an Stiles gewandt erklärte sie: „Dein Sugar-Daddy ist echt cool, weißt du das“ Derek wurde ein wenig blass, Stiles hingegen puterrot. Er piekste seiner Freundin in die Seite und murrte: „Lass´ das! Er ist nicht mein Sugar-Daddy, kapiert?“ „Jetzt sei doch nicht so empfindlich! Ich wollte bloß nett sein! Ich finde mein Geschenk wirklich toll!“ erwiderte Malia ein wenig kleinlaut. Ein weiteres Mal ging Lydia dazwischen und erklärte: „Ich muss mich für meine Liebste entschuldigen. Manchmal trifft sie einfach nicht ganz den richtigen Ton. Die Ohrring sind wirklich schön. Du hat einen sehr guten Geschmack, Derek! Vielen Dank!“ Derek ließ ein wenig den Kopf hängen. Stiles tat es leid und es rührte ihn auch ein kleines bisschen. Hier waren gerade zwei völlig unterschiedliche Welten zusammengekracht und der mächtige, reiche, souveräne Geschäftsmann Derek Hale hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er sich auf diesem ungewohnten Parkett bewegen sollte. Stiles beschloss, ihn zu retten, rutschte hinüber auf seinen Schoß, fuhr mit den Fingern sanft durch sein Haar es Älteren und küsste ihn auf die Stirn: „Ich habe dir doch gesagt, es ist zu viel, Baby! Du wolltest ja nicht auf mich hören! Und nun weißt du nicht, was du mit dem zweiten Päckchen machen sollst, dass dir immer noch ein Loch in deine Jacketttasche brennt, richtig?“ „Huh? Noch mehr Geschenke?“ fragte Malia verblüfft: „Was ist es denn? Gibt´s jetzt etwa noch `nen Pelzmantel passend zu den Diamanten, oder was?“ „Klappe Malia! Dieses Geschenk ist überhaupt nicht für dich!“ erwiderte Stiles und nickte Derek aufmunternd zu, so dass dieser sich traute, das zweite mintfarbene Schächtelchen hervorzuziehen und an Lydia weiterzureichen: „Ein Gastgeschenk! Wie aufmerksam!“ sagte diese entzückt, bedankte sich artig, öffnete das Päckchen und lächelte aufrichtig, als sie die ihr Präsent in Augenschein nahm: „Die ist wunderschön!“ kommentierte sie, drehte die Haarspange einen Moment lang in den Händen hin und her und tauschte sie dann gegen jene aus, welche bis jetzt ihr Haar zusammengehalten hatte: „Und? Wie sehe ich aus?“ wollte sie nun von den Anwesenden wissen: „Sie steht dir großartig!“ versicherte Stiles, nachdem er den schönen Rotschopf ausgiebig bewundert hatte. „Hätte ich etwa auch etwas mitbringen sollen?“ mischte sich nun Chris unbehaglich ein: „Hast du doch!“ erwiderte Malia grinsend und hielt ein teure Flasche Whiskey hoch, ehe sie Chris und sich selbst ein Glas davon einschenkte. Wenn das in dem Tempo weiterging, dann würde Argent bald betrunken auf den Tischen tanzen, dachte Stiles amüsiert. Derek versuchte sich ein Bild von ungewohnten Gesellschaft zu machen, in welcher er sich gerade befand und blickte schüchtern in die Runde. Im Raum waren etwa dreißig Leute versammelt. Zum Glück schien niemand hier aufmerksam die Klatschnachrichten zu verfolgen, denn man erkannte ihn offensichtlich nicht. Er hatte sich aber auch heute dem Anlass entsprechend ein wenig anders frisiert und gekleidet, als er das gewöhnlich tat, nur um sicher zu gehen. Die Haare, hatte er heute mit Haarwachs ein wenig wild und fransig gestylt und er trug Jeans und ein petrolfarbenes Shirt mit Knopfleiste, anstatt Anzug oder Stoffhose mit Oberhemd, wie gewöhnlich in der Öffentlichkeit. Und er musste zugeben, dass dieses legere Outfit sich irgendwie recht gut anfühlte. Nichts kniff oder knitterte und kein Hemdkragen mit Schlips würgte ihn. Auf Malia Party wurde viel getrunken; in erster Linie Bier und einige Gäste kifften auch. Wenn dies hier eine der Hollywood-Partys gewesen wäre, die Derek aus seiner Zeit mit Kate noch allzu gut in Erinnerung hatte, dann wären es wohl eher Champagner und Koks gewesen, die gereicht wurden. Doch das war nicht der einzige Unterschied. Die Leute auf Malias Party waren scheinbar einfach nur hier, um sich zu amüsieren. Bei Kates Partys war dies stets anders gewesen; denn da ging es um Sehen und Gesehen werden. Dort lungerten stets schöne, junge Menschen herum, in der bangen Hoffnung, der richtigen Person aufzufallen; all die Starlets, die angehenden Models und die Groupies, die es irgendwie geschafft hatten, sich zu diesen Anlässen Zutritt zu verschaffen, lieferten sich dort freiwillig aus, wie Freiwild. Kate hatte sich stets über diese jungen Menschen lustig gemacht, die vom schönen Schein angezogen wurden, wie die Motten vom Licht und die ihr schönes, junges Fleisch zu Markte trugen und es den Mächtigen, Reichen und Einflussreichen anboten, um dafür jene kleine, einzigartige Chance zu erhalten von der sie alle träumten, nämlich davon entdeckt zu werden. Derek hatten diese jungen Leute irgendwie Leid getan. Und die Raubtiere, welche sie für ihre eigenen Zwecke auszunutzen, hatte er stets zutiefst verabscheut. Hier bei Malia fühlte er sich wohl. Jeder war er selbst, niemand war besser, oder wichtiger als der andere und niemand versuchte, als etwas zu erscheinen, was er nicht war und so konnte auch er selbst sich entspannen. Er musste nicht die öffentliche Figur Derek Hale sein, sondern er war einfach bloß Derek: Sein Magen begann ein wenig zu knurren und er blickte sich suchend um, erblickte aber überall lediglich Schälchen mit Erdnüssen, Kartoffelchips oder anderen Knabbereien, doch weil er nicht zu Abend gegessen hatte, flüsterte er Stiles irgendwann ins Ohr: „Sag´ mal, gibt’s es hier eigentlich auch irgendwann etwas zu essen?“ In diesem Moment klingelte es an der Tür und Stiles erwiderte grinsend: „Wenn du Glück hast, dann könnte es jetzt soweit sein. Die Frage ist nur, ob es dir auch zusagen wird. Malia ist nämlich keine große Köchin, weißt du?“ Und Derek hatte Glück! Malia und ein Typ in Lieferbotenkluft schleppten etwa zwanzig Pappschachteln ins Wohnzimmer und wurden dafür von den Anwesenden mit Pfiffen und Jubelrufen in Empfang genommen. Stiles opferte sich, als die Raubtierfütterung oging und sicherte für seine Freunde und sich, unter Einsatz seines Lebens zwei der Schachteln. Es mochte vielleicht kein Kobe-Rind sein, doch Derek stellte an diesem Abend fest, das lauwarme Pizza aus einem Pappkarton durchaus auch ihren Reiz haben konnte. Der weiche, hefige Boden, der zäh zerlaufende Käse, die Pepperonis und die fettigen, krossen Salamischeiben waren mit Sicherheit das Gegenteil von Haute Cuisine, aber sie hinterließen dennoch ein befriedigendes, warmes Gefühl im Bauch. Später, als alle gesättigt waren, drehte Malia die Musik ein wenig mehr auf und einige Gäste begannen damit, in der Mitte des Raumes ein wenig zu tanzen. Auch Scott und Allison erhoben sich und Stiles versuchte Derek ebenfalls dazu zu überreden, doch der passte lieber und blieb neben Chris sitzen. So erhob sich eben allein und begann damit, sich mit geschlossenen Augen sanft und sinnlich zu den Klängen der Musik zu bewegen. Und weil der Jüngere ihn nicht sehen konnte, konnte Derek es auch wagen, Stiles beim Tanzen zu beobachten. Er musste ein wenig schlucken und bemerkte selbst gar nicht, wie er sich hungrig die Lippen leckte und den Jungen mit seinen Blicken verschlang, bis Chris irgendwann lachend kommentierte: „Na, dich hat´s ja wohl ganz schön erwischt, was? Wie es aussieht, kannst du ja gar nicht genug von dem Kleinen bekommen. Wollt ihr vielleicht lieber allein sein?“ Derek zuckte ertappt ein wenig zusammen: „Aber er ist doch auch irgendwie süß, oder nicht?“ murmelte er errötend: „Wie du weißt bin ich da ein wenig festgelegter als du, aber selbst ich kann sehen, dass Stiles etwas Besonderes ist.“ bestätigte Chris und auf Dereks Gesicht legte sich als Reaktion darauf ein Grinsen, welches sich irgendwo auf dem schmalen Grad zwischen Zufriedenheit und Dümmlichkeit bewegte. Es klingelte erneut an der Tür und Malia verschwand, um zu öffnen. Wenig später war sie wieder da, schnappte sich Scott und Stiles von der Tanzfläche, zog sie hinter sich her und sagte: „Es gibt ein Problem. Ich brauche euch mal eben.“ Im Flur stand Danny mit einem halb bewusstlosen, blutüberströmten Isaac im Arm: „Schafft ihn ins Bad! Ich habe keine Lust, dass er mir den ganzen Teppich einsaut!“ knurrte Malia nicht besonders feinfühlig und Stiles wollte wissen: „Was ist mit ihm passiert?“ Während sie Isaac wie gewünscht ins Badezimmer hieften, erklärte Danny: „Das waren ein paar der anderen Jungs. Ich könnte sie gerade so davon überzeugen, ihn am Leben zu lassen und nun wusste ich nicht, wohin mit ihm.“ „Wartet hier! Ich hole irgendwas sauberes zum Anziehen und Verbandszeug für ihn. Ich habe ja heute auch sonst nichts zu tun!“ erklärte Malia, maulend und ein wenig selbstmitleidig. Wenig später war sie wieder da und verteilte schwarze Latexhandschuhe an die Jungs: „Macht ihn sauber und bringt ihn dann in mein Studio! Dort habe ich eine Liege, wo er sich ausruhen kann.“ forderte sie und überließ die Männer erst einmal wieder sich selbst. Danny, Scott und Stiles streiften die Handschuhe über und schälten Isaac aus seinen blutigen Klamotten, auch wenn dieser versuchte, sich dagegen zu wehren, weil er in seinem Zustand nicht recht einschätzen konnte, wie ihm geschah, denn beide Augen waren zugeschwollen und er hatte ganz offensichtlich auch etliche Tritte gegen den Kopf abbekommen: „Hey, Kumpel!“ redete Stiles nun sanft auf ihn ein: „Wir sind´s bloß, Scott, Danny und Stiles. Wir tun dir nichts. Versprochen! Wir wollen dir nur helfen. Du hast es hinter dir! Keiner tut dir mehr weh, hörst du? Und jetzt steigst du erst mal in die Wanne und wir waschen dich, einverstanden.“ Statt einer sinnvollen Antwort kam lediglich ein Stöhnen von Isaac, doch er hatte scheinbar verstanden, denn er hatte aufgehört sich zu wehren. Weil Stiles nun schon eine Weile fort war, hatte Derek sich auf die Suche nach ihm gemacht. Er fand ihn im Badezimmer, wo er einem ziemlich schwer verletzten Jungen gerade behutsam das Blut aus den Haaren wusch: „Was ist denn hier los?“ fragte er entsetzt: „Ich bin gleich wieder bei dir, Baby!“ versicherte Stiles: „Wir müssen ihn nur schnell verarzten.“ „Kann ich helfen?“ wollte Derek wissen. Stiles musste ein wenig überlegen. Sein erster Impuls war es Nein zu sagen, weil er aus irgendeinem Grund meinte, Derek vor der hässlichen Seite des Lebens der normalsterblichen Menschen beschützen zu müssen, doch dann schüttelte er diesen absurden Gedanken ab und schlug eine Brücke zwischen Erde und Olymp, indem er auf die Einmalhandschuhe deutete und sagte: „Ja, das wäre gut. Du kannst mit anfassen. Isaac ist nämlich schwer in diesem Dämmerzustand.“ Gemeinsam hoben sie also den gesäuberten Verletzten wieder aus der Wanne und setzten ihn auf den Klodeckel, um ihn sanft mit einem Handtuch wieder trocken zu tupfen. Wie es aussah waren die Verletzungen weniger dramatisch, als es zunächst ausgesehen hatte. Isaac war von Kopf bis Fuß übersät mit Hämatomen und er würde ein paar Tage lang nicht aus den Augen gucken können, doch zumindest gab es keine offenen Verletzungen. Das Blut war wohl lediglich aus seiner Nase geschossen, die möglicherweise gebrochen war und mit Sicherheit hatte er auch eine tüchtige Gehirnerschütterung und eventuell ein paar gebrochene Rippen, also nichts weiter Ernstes. Der Verletzte wurde großzügig mit einer Salbe gegen blaue Flecken eingeschmiert und dann wieder angezogen. Die Trainigshose, die Malia für Isaac gebracht hatte, war für den langen Kerl natürlich zu kurz, aber es ging ja auch nicht darum, einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen. Sie zogen ihm auch noch das saubere T-Shirt über und trugen ihn dann mit vereinten Kräften hinüber in Malias `Arbeitszimmer´. Stiles war noch nie hier drinnen gewesen und blickte sich nun verstohlen um. Überall standen die unterschiedlichsten Sextoys und Bestrafungswerkzeuge herum. Bei einigen konnte Stiles nur spekulieren, wofür sie verwendet werden mochten. „Glotz´ nicht so blöd, sondern hilf´ uns lieber!“ knurrte Malia ihn an, während sie versuchte, es Isaac auf einer Chaiselongue in einer Ecke des Raumes bequem zu machen. Stiles riss seinen neugierigen Blick los und hob vorsichtig Isaacs Oberkörper an, damit Danny ein paar weiche Kissen darunter schieben konnte. „Und nun helft mir, ihm das hier einzuflößen!“ forderte Milia. Sie hielt eine Pillenschachtel und ein Glas Wasser in der Hand. „Was ist denn das?“ fragte Scott skeptisch. Malia rollte genervt mit den Augen: „Na, was glaubst du wohl, McCall? Das ist was gegen seine Schmerzen. Denkst du, ich würde ihm in seinem Zustand irgendeine eine Spaßpille geben. An Isaac gewandt knurrte sie: „Na los, Kumpel! Mach´ schon den Mund auf! Ich hab nicht den ganzen Abend Zeit!“ Sie schickte sich an, die Kiefer des Verwundeten gewaltsam aufzusperren, doch der wehrte sich. „Lass´ gut sein, Malia. So wird das nichts!“ mischte sich Stiles ein, nahm ihr das Medikament aus der Hand, setzte sich an Isaacs Kopfende, streichelte dem Verletzten ganz zart die blonden Locken aus der Stirn, nahm eine seiner Hände in die eigene, hielt sie fest und versicherte ihm noch einmal, dass er unter Freunden wäre und auch, dass die Pillen ihm dabei helfen würde, dass alles nicht mehr so furchtbar weh täte. Isaac hatte unter den sanften Berührungen mittlerweile aus seinen verschwollenen Augen zu Weinen begonnen und als Stiles ihn nun ein wenig aufrichtete, um ihn die zwei der Tabletten einnehmen zu lassen, wehrte er sich auch nicht mehr, sondern schluckte sie brav herunter und flüsterte anschließend heiser mit der Stimme eines kleinen Kindes: „Danke Daddy! Ich werde nie wieder ein böser Junge sein! Das verspreche ich dir!“ Die Anwesenden tauschten einen sorgenvollen Blick und Stiles versicherte: „Alles wird gut, Isaac. Hab´ keine Angst, ja? Du bist in Sicherheit!“ Alle bis auf Danny, welcher versprach am Krankenbett Wache zu halten zogen sich zurück, um Isaac ein wenig Ruhe zu gönnen. „Das war der Junge, der dich geschubst und versucht hat und dir zuvorzukommen, an dem Abend, als wir uns zum ersten Mal getroffen haben, richtig?“ stellte Derek fest, nachdem sie die Zimmertür hinter sich geschlossen hatten: Stiles nickte und Derek fragte erstaunt: „Wie kannst du so lieb zu ihm sein, nachdem er dir so übel mitgespielt hat?“ Stiles zuckte mit den Schultern und erwiderte: „Er ist doch im Grunde auch nur ein armer Kerl, der versucht, irgendwie zu überleben. Und hast du gesehen, wie elend er aussah?“ Sie wollten gerade zur Party ins Wohnzimmer zurückkehren, als es erneut an der Tür klingelte. Als Malia öffnete, stand da ein älterer, glatzköpfiger Mann im Anzug, den sie noch nie zuvor gesehen hatte, mit einer dicken Aktentasche in der Hand. Als dieser jedoch Derek erblickte, stutzte er un sagte: „Guten Abend, Mr. Hale. Was für ein eigenartiger Zufall, sie hier zu sehen?“ Derek musste kurz überlegen und fragte dann: „Mr. Jacobs? Sind sie das?“ „Wer zur Hölle sind sie und was wollen sie hier?“ mischte sich Malia ungeduldig ein und blickte fragen zwischen Derek und dem Fremden hin und her: „Mr. Jacobs hat als Anwalt für meine Mutter gearbeitet!“ erklärte Derek stirnrunzelnd. „Das ist richtig!“ erklärte Jacobs: „Doch nicht bloß für sie, sondern ebenso auch für ihren Onkel Peter und er ist auch der Anlass, der mich heute hierher führt. Ich habe nämlich eine Nachricht von ihrem biologischen Vater, Miss Tate und den Auftrag, diese heute, an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag zu überbringen.“ "Was will denn der alte Henry von mir? Und wieso ruft er mich nicht selbst an, wenn er etwas zu sagen hat, sondern schickt mir irgend so einen Anzugträger vorbei, hm?" fragte Malia misstrauisch. „Es gibt da etwas, dass sie wissen müssen, Miss Tate." erwiderte Jacobs kleinlaut: "Der Mann, den sie stets für ihren Vater gehalten haben, ist lediglich ihr Stiefvater. Darf ich wohl bitte eintreten?“ „Wozu? Sie haben eine Nachricht für mich, also rücken sie doch einfach raus mit der Sprache!“ bellte Malia garstig und versuchte damit höchstwahrscheinlich in erster Linie, ihre eigene Bestürzung zu verbergen: „Die Nachricht, die ich für sie habe wurde auf Film aufgenommen. Haben sie eventuell irgendwo einen DVD-Spieler?“ wollte Jacobs wissen. In Malias Gesicht arbeitete es tüchtig: Angst, Neugier und Ärger wechselten sich darin ab, während sie überlegte, was sie tun sollte und schließlich sagte sie: „In meinem Schlafzimmer. Kommen sie mit!“ „Wenn Mr. Hale heute hier ist und sie beide sich kennen, dann wäre es vielleicht sinnvoll, wenn er mitkäme.“ schlug Jacobs aus irgendeinem geheimnisvollen Grund vor. Unbehaglich folgte Derek den beiden also. Scott und Stiles schlossen sich ebenfalls an und Malia hakte Lydia unter, welche gerade in ein Gespräch mit Chris und Allison vertieft gewesen war und zog diese, ihre Proteste ignorierend, ebenfalls wortlos hinter sich her. Im Schlafzimmer wurde der Fernseher eingeschaltet, die DVD eingeschoben und dann erschien auf dem Bildschirm Gesicht eines ausgesprochen attraktiven, dunkelblonden Mannes Mitte dreißig mit einem spitzbübischen Lächeln: Peter Hale! Derek wurde blass beim Anblick seines Onkels, wie er quicklebendig in die Kamera grinste und Stiles, der ahnte wie weh das tun musste, schlang seitlich die Arme um ihn und hielt ihn fest. Nun begann Peter zu sprechen: „Meine Liebe Malia! Wenn du dies hier siehst, dann bedeutet das leider, dass ich gestorben bin, bevor ich mit dir auf deinen einundzwanzigsten Geburtstag anstoßen konnte und glaube mir, das ärgert mich viel mehr als es dich ärgern könnte. Ich vermute, dass alles kommt sehr überraschend für dich, doch ich bin dein wirklicher, biologischer Vater und es ist nicht der Mann, der dich hat aufwachsen sehen und den du Dad genannt hast. Ich wette, du hast nun wahnsinnig viele Fragen und die wichtigste von allen ist sicherlich, warum zur Hölle ich nicht für dich dagewesen bin und für dich gesorgt habe. Glaub´ mir bitte, dass ich das sehr gern getan hätte, doch ich habe überhaupt erst von dir erfahren, als du bereits zwölf Jahre alt gewesen bist. Da hätte ich dann gern mit dir Kontakt aufgenommen, doch deine Mutter hatte die Befürchtung, es könnte ihre Beziehung zu deinem Stiefvater zerstören, wenn ich plötzlich auftauchen würde, denn er hielt dich schließlich für sein leibliches Kind. Sie hat mir glaubhaft versichert, dass sie dich eher töten würde, als es zuzulassen, dass ich dich kennenlerne. Natürlich hätte ich dennoch darum kämpfen können, doch leider habe ich Corinne gut genug gekannt, um ihr zu glauben, dass sie ihren Drohungen hätte Taten folgen lassen. Ich habe deiner Mutter von dem Tag an, seit ich von deiner Existenz erfahren habe monatlich eine großzügige Geldsumme überwiesen, damit es dir wenigstens materiell an nichts mangeln sollte. Leider habe ich Corinne aber ebenfalls gut genug gekannt, um zu befürchten, dass du nie auch nur einen roten Heller von dem Geld gesehen hast. Aus diesem Grund habe ich verfügt, dass du heute, an deinem einundzwanzigsten Geburtstag, wo Corinne es dir nicht mehr wegnehmen kann, die Summe von einer Millionen Dollar erhältst, die sich bislang auf einem Treuhandkonto befunden hat. Liebe Malia, ich weiß, das mag schwer zu glauben sein, doch ich habe dich wirklich lieb gehabt! Ich habe Corinnes Anweisung befolgt und habe nie Kontakt zu dir aufgenommen, doch das heißt nicht, dass ich an deinem Leben keinen Anteil genommen hätte. Ich habe Privatdetektive damit beauftragt, etwas über dich in Erfahrung zu bringen und auch wenn du mich nie gesehen hast, ich war da! Dein Auftritt als `Böser Wolf´ bei eurem Theaterstück in der Junior-Highschool war das größte Bühnenerlebnis meines gesamten Lebens, und sogar noch viel besser als das, was ich einmal in einem Strip-Schuppen in Vegas erlebt habe, doch ich schweife vom Thema ab! An dem Tag, als du dein Highschool-Diplom entgegen genommen hast, habe ich in der letzten Reihe gesessen und geflennt wie ein Baby. Ich war so wahnsinnig stolz und hätte nichts auf der Welt lieber getan, als dich in den Arm zu nehmen und es dir zu sagen. Und als du dann deine Hosen hast fallen lassen, der gesamten Lehrerschaft, dem Jahrgang, den Eltern und dem Direktor deinen nackten Hintern entgegengestreckt und gesagt hast `Fickt euch doch, ihr Penner! Endlich bin ich euch los!´, da war ich wohl der Einzige im Saal, der sich vor Lachen fast nassgemacht hätte! Und nun bleibt mir nur noch eines zu sagen, mein geliebtes Kind, welches ich niemals kennenlernen durfte: Werde glücklich, genieß´ dein Leben, denn ich habe es weiß Gott getan! Vielleicht hilft dir dabei das Geld ein bisschen und lindert den Ärger darüber, dass ich nicht so für dich da gewesen bin, wie es ein Vater hätte tun sollen! Ich hoffe so sehr, dass du immer noch mit der niedlichen Rothaarigen zusammen bist, denn sie ist wirklich ein Hingucker! Du hast Glück, dass ich schon tot bin, denn sonst hätte ich möglicherweise versucht, sie dir auszuspannen. Lebe Wohl! Das Gesicht von Peter Hale verschwand und es auf dem Bildschirm nur noch weißes Rauschen zu sehen. Kapitel 23: Flashback --------------------- Von den Personen in Malias Schlafzimmer fand einen Moment lang niemand die richtigen Worte. Derek war, während das Videotestament seines Onkels lief, in sich zusammengesackt und hatte auf einer Bettkante Platz genommen. Als Stiles erkannte, dass er still zu weinen begonnen hatte, war er hinter ihn getreten und hatte ihm warm und Trost spendend die Hände auf die Schultern gelegt. Doch auch Malia Augen schwammen in Tränen. Sie starrte immer noch mit ausdruckslosem Blick auf den Bildschirm, auf welchem mittlerweile nur noch unzählige Lichtpunkte tanzten und Lydia stand an ihrer Seite und hatte die Arme um sie gelegt. Stiles war verblüfft, denn törichter Weise hatte er irgendwie angenommen, dass seine toughe, oft auch recht barsche Freundin sicherlich gar nicht fähig wäre zu weinen. Der Rechtsanwalt war schließlich derjenige, welcher das Schweigen brach: „Ich habe hier einige Papiere, die sie unterschreiben müssten, Miss Tate und schon gehört das Geld, dass ihr Vater ihnen hinterlassen wollte, ihnen. Überdies habe ich auch noch einige Andenken für sie dabei; Fotos, Briefe und so weiter; Dinge, die ihnen helfen könnten, ihren Vater besser kennenzulernen. Mr. Hale hat gewollt, dass sie das alles bekommen.“ Jacobs legte Malia einen dicken Ordner und einige Papiere vor und reichte ihr einen Kugelschreiber aus echtem Sterlingsilber. Sie wirkte wie in Trance, als sie artig alles unterschrieb, ohne es sich überhaupt durchzulesen. Irgendwann schien es, als würde sie sich selbst aus ihrer Betäubung reißen. Sie straffte die Schultern, schüttelte Lydias Umarmung ab und sagte mit trotzig zur Schau gestellter Munterkeit: „Was sollen die Trauermienen? Dies hier ist eine Party, oder nicht? Also los, feiern wir! Immerhin bin ich jetzt Millionärin und wie sich darüber hinaus herausgestellt hat, hatte ich zusätzlich zu dem Vater und der Mutter, die mich immer nur fertig gemacht und mir mein Leben zur Hölle gemacht haben, auch noch einen Elternteil, der mich geliebt hat, auch wenn der jetzt Futter für die Würmer ist. Yeah!“ Sie verließ das Schlafzimmer mit einem grimmigen Lächeln und die anderen folgten ihr zögerlich. Im Wohnzimmer hatte niemand etwas von den Vorkommnissen des heutigen Abends mitbekommen und die Party war noch immer in vollem Gange. Gerade spielten einige Gäste, die in einem kleinen Kreis zusammen saßen ein Trinkspiel mit braunem Tequila: Sie tranken die Shots in einem Schluck, leckten das Salz von der Haut ihres Sitznachbarn und erhielten den dazugehörigen Limonenschlitz aus dessen Mund, indem sie ihn küssten. Lydia hatte noch schnell den Rechtsanwalt zur Tür gebracht und schloss sich dann Malia an, welche gerade dabei war, wild tanzend den Schock zu vertreiben, der ihr in den Knochen saß. Derek schien sich unterdessen wenigstens wieder ein kleines bisschen gefasst zu haben. Er, Stiles und Scott nahmen wieder auf ihren vorherigen Plätzen bei Allison und Chris Platz: „Wer war denn der Typ gerade und warum macht ihr denn alle solche langen Gesichter? Ist irgendetwas passiert?“ wollte Vater Argent wissen. Ehe jemand anderes antworten konnte, erwiderte Derek: „Wir haben gerade unglaubliche Neuigkeiten erhalten, aber ich mag geraden nicht darüber sprechen, sondern muss das erst mal sacken lassen. Ich erzähle dir ein anderes Mal in Ruhe davon, einverstanden?“ Chris rang ein wenig mit seiner Neugier, erkannte dann jedoch offensichtlich, dass nun nicht der rechte Augenblick war, weiter nachzubohren, zuckte mit den Achseln und steckte sich stattdessen eine Zigarre an. Stiles gesamte Aufmerksamkeit lag gegenwärtig auf Derek, denn der wirkte immer noch recht blass war und ein wenig so, als habe er einen Geist gesehen. Und wenn man es sich genau überlegte, dann war es ja auch genau so gewesen, oder nicht? Stiles schlang die Arme um den Älteren und legte eines seiner Beine quer über dessen Schoß, weil er das Gefühl hatte, ihn schützen und irgendwie ein wenig abschirmen zu müssen. Derek ließ es sich gefallen und so saßen sie eine Weile einfach bloß so da und schauten dem bunten Treiben um sich herum zu. Einige der Gäste tanzten, andere hockten in dunklen Ecken des Raumes und knutschten und die Gruppe, die das Trinkspiel gespielt hatte, hatte sich nun offenbar auf einen jungen Mann in ihrer Mitte eingeschossen, den sie unbedingt betrunken machen wollten. Die Anderen grölten, lachten und johlten, während eines der Mädchen auf seinem Schoß saß und versuchte, ihm mit sanfter Gewalt den Alkohol einzuflößen. Stiles Aufmerksamkeit entging nicht, dass Derek der ganze Trubel nun offenbar zu viel wurde, denn er wurde immer unruhiger und zappeliger in seiner Umarmung und schließlich schlug der Jüngere vor: „Na komm´! Lass´ uns einfach nachhause fahren, in Ordnung, Baby? Du kannst doch sicher eine Pause brauchen, richtig?“ „Ich will dir aber nicht den Abend mit deinen Freunden verderben! Ich kann auch allein gehen und du kommst später nach!“versicherte Derek schnell: „Spinnst du? Kommt nicht in Frage! Ich bleibe bei dir!“ stellte Stiles klar und erhob sich: „Komm´ schon! Wir gehen jetzt.“ Sie verabschiedeten sich von Allison, Scott und Chris und gingen dann hinüber zu Lydia und Malia: „Nimm´ es mir nicht übel, dass wir schon los wollen!“ sagte Derek ein wenig geistesabwesend zu der Cousine, von der er bis zum heutigen Tag noch nicht das geringste geahnt hatte: „Vielen Dank für die Einladung. Wir sollten bald mal reden. Vielleicht morgen? Und... uhm... wenn es dir Recht ist, dann würde ich gern auch mal einen Blick auf die Fotos und so werfen, denn durch das Feuer habe ich die meisten Erinnerungsstücke an meine Onkel verloren. Es würde mir wirkich viel bedeuten!“ Malia nickte und erklärte, dass es ihr morgen Abend Recht sei. Kurz sah es aus, als wolle sie Derek umarmen, doch dann überlegte sie es sich scheinbar im letzten Moment doch noch anders. Dafür drückte dann aber Lydia Derek und Stiles noch kurz an sich und brachte sie anschließend zur Tür. Unten auf der Straße fragte Stiles mit einem skeptischem Blick auf den verstörten Derek: „Soll ich vielleicht lieber fahren? Du siehst gerade irgendwie nicht so aus, als solltest du ein Fahrzeug steuern!“ Zu seiner Überraschung überließ der Ältere ihm tatsächlich den Platz hinter dem Steuer seines heißgeliebten Lieblingswagens. Während der Fahrt wirkte Derek noch immer rastlos und nervös. Stiles hatte sogar den Eindruck, er würde ein wenig zittern und so bestimmte er, nachdem sie bei Derek zuhause angekommen waren: „Ich werde dir jetzt erst einmal ein Bad einlassen. Was sagst du, Baby!“ Er war beinahe überrascht, dass Derek keine Einwände erhob, sondern lediglich dankbar nickte, aber noch mehr verwunderte Stiles nun dessen schüchternen Frage, ob er sich nicht vielleicht zu ihm gesellen würde: „Sicher Baby! Rutsch doch mal!“ bestätigte der Jüngere rasch, kletterte hinter Derek, ließ diesen sich zwischen seinen Beinen einrichten und bettete dessen Kopf auf seiner Brust. Er streichelte ihn, bis von Derek langsam die Spannung abzufallen schien und irgendwann stellte Stiles zufrieden fest, dass er sogar eingenickt war. Leider war der Frieden nur von kurzer Dauer, denn bereits nach etwa zehn Minuten schreckte der Schlafende wieder auf und blickte sich gehetzt um: „Ist in Ordnung, Baby! Du bist zuhause und ich bin bei dir!“ versicherte Stiles also sanft und kraulte dem Älteren beruhigend den Nacken. „Was denkst du, wie lange man so eine Vergewaltigungsdroge im Blut nachweisen kann, Stiles?“ fragte Derek nun aus heiterem Himmel. Stiles zuckte ratlos die Achseln: „Ich habe keine Ahnung? Ich weiß noch nicht einmal, ob man das überhaupt kann.“ „Ich muss ganz schnell zu einem Arzt!“ verkündete Derek und erhob sich aus dem Wasser: „Jetzt?“ fragte Stiles verwirrt: „Aber es ist doch schon nach Mitternacht. Da hat doch kein Arzt mehr auf.“ „Ich will ins Krankenhaus! Ich habe einen Bekannten, der dort arbeitet.“ gab Derek zurück und begann, sich abzutrocknen. Stiles tat es ihm gleich und beobachtete Derek stirnrunzelnd. Irgendetwas musste hier gerade seiner Aufmerksamkeit entgangen sein? Mach einer Weile traute er sich dann zu fragen: „Darf ich wissen, was deine Meinung geändert hat, Derek? Als ich gestern angedeutet habe, dass die Erfahrung, von der du mir berichtet hast mich an GHB erinnert, hättest du mir beinahe den Kopf abgerissen. Was ist inzwischen anders?“ Derek holte tief Luft und im ersten Moment wirkte es, als wolle er Stiles Fragen gnz einfach ignorieren, doch dann sagte er schließlich: „Es waren zwei Dinge: Zum einen war es Peter. Ihn vorhin in diesem Videotestament zu sehen, hat mich daran erinnert, wie damals alles gewesen ist. Er und Kate hatten eine kurze Affäre, weißt du? Als er es mir irgendwann gebeichtet hat, hat er mich in gewisser Weise auch vor ihr gewarnt. Er hat sich nicht volkommen klar ausgedrückt, doch er hat angedeutet, dass sie... ich weiß nicht... irgendwie gefährlich sein könnte? Ich habe es damals bloß als Schuldgefühl von ihm abgetan und gedacht, er würde sich dadurch nach dem Betrug selbst ein wenig wohler in seiner Haut fühlen, indem er Kate etwas anhängt, doch als ich vorhin Peters Gesicht wiedergesehen habe, war ich mir dessen plötzlich einen kurzen Moment lang nicht mehr vollkommen sicher. Und dann ist da noch etwas anderes auf Malias Party passiert. Da waren diese Kids... ich weiß nicht, ob du das mitbekommen hast, doch da war dieser eine Junge, der von einem Mädchen gezwungen wurde, Alkohol zu trinken. Als ich eben in der Badewanne eingeschlafen war, hatte ich eine Traum. Ich habe geträumt, ich sei an seiner Stelle und Kate war diejenige, die mich abfüllen wollte. Doch das war nicht das einzige, was ich im Traum gesehen habe.“ Derek stockte ein wenig: „Ich... uhm... ich habe auch gesehen, wie sie...“ er gab einen gequälten Seufzer von sich: „ ...wie sie auf mir gesessen hat und mich angefasst hat, verstehst du was ich meine?“ Stiles blickte ihn sorgenvoll an und bestätigte: „Ja, ich denke schon. „Aber ein Traum ist keine Erinnerung, richtig?“ fügte Derek hastig hinzu: „Kate hat ja sicherlich nicht... ich meine, das würde sie doch nicht tun! Das wäre ja fast, als hätte sie mich...?“ Er schüttelte heftig den Kopf: „Nein, das ist mit Sicherheit nicht passiert! Ich meine... wer tut denn so etwas? Das ist ja wie in einer schlechten Seifenoper!“ Er schaute Stiles eindringlich an, mit einem Blick der darum flehte, dass ihm widersprochen werden möge. Stiles zuckte unschlüssig mit den Achseln: „Ich weiß es nicht, Baby! Aber vielleicht kann eine Blutuntersuchung dir ja wirklich Gewissheit verschaffen?“ Derek sah plötzlich gar nicht mehr so entschlossen aus. Er hielt seine Hose in Händen, ohne sie anzuziehen, als sei er in der Bewegung eingefroren worden. Vielleicht wurde ihm ja gerade klar, dass manche Gewissheiten schwer zu ertragen waren. Stiles behielt seinen Freund und Arbeitgeber fest im Blick, während er langsam in seine Kleider schlüpfte und sich dann die Haare kämmte. Schließlich hatte er das Gefühl, Derek einen kleinen Stoß in die richtige Richtung geben zu müssen: „Na, komm´ Süßer! Lass´ uns gehen!“ forderte er ihn auf. Derek schluckte schwer, nickte und zog sich fertig an. Während Stiles ein zweites Mal an diesem Abend am Steuer des BMW saß, rief Derek den befreundeten Arzt an um sich zu vergewissern, dass dieser auch tatsächlich heute Nacht Dienst hätte, doch wie es das Schicksal so wollte, hatten sie Glück. Als sie den Arzt in dem großen Krankenhaus endlich gefunden, war dieser gerade damit beschäftigt, die Augen eines etwa fünfzehn Jahre alten Jungen zu untersuchen, der ein deutlich sichtbares Veilchen auf der rechten Seite hatte: „Mr. Hale! Wie nett sie zu sehen!“ begrüßte ihn der Doktor. „Hallo, Dr. Geyer!“ erwiderte Derek und wollte dann von dem Jungen wissen: „Was hast du denn nun schon wieder angestellt, was Liam?“ Der Bursche schenkte ihm lediglich einen finsteren Blick, also antwortete der Arzt für ihn: „Mein Sohn hat sich wieder einmal geprügelt. Ich weiß wirklich nicht, was dieser Unsinn soll und was das da für eine eigenartige Sache zwischen ihm und diesem Jungen aus seiner Schule ist?“ „Theo hat angefangen! Er hat mich provoziert und beleidigt!“ trotzte der Junge. Stiles stutzte. Diese beiden waren also Vater und Sohn? Die Ähnlichkeit war nicht sonderlich groß. Dr. Geyer war ein schmächtiger Afroamerikaner Ende dreißig und sein Sohn ein nicht sehr großer, aber dafür durchtrainierter und breitschultriger Junge mit blonden Haaren und riesigen blauen Kinderaugen. Vater und Sohn diskutierten noch eine Weile über Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung und vertraten dabei offensichtlich recht entgegengesetzte Standpunkte. Schließlich erklärte Dr. Geyer genervt: „Du hast Glück gehabt, Junge. Deine Augen weniger abgekriegt, als zunächst angenommen. Wir reden Morgen weiter! Fahr´ jetzt bitte ohne Umwege nachhause, Liam! Deine Mutter wartet schon auf dich. Ich komme in zwei Stunden nach!“ Er drückte dem Jungen Geld für´s Taxi in die Hand und schob ihn aus dem Behandlungszimmer. Als sie unter sich waren, wandte er sich Derek zu: „Tut mir leid, dass sie diesen kleinen familiären Zwist gerade mitbekommen haben. Was kann ich denn für sie tun, Mr. Hale?“ Derek winkte ab. Er wirkte ausgesprochen unbehaglich, als er antwortete: „Die Angelegenheit ist ein wenig heikel, Doktor. Kann ich mich voll und ganz auf ihre Verschwiegenheit verlassen?“ Der Arzt lächelte und versicherte: „Selbstverständlich können sie das. Alles was wir hier besprechen, unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht.“ Als Derek finster vor sich hin starrend nicht sofort mit der Sprache herausrückte, fragte Dr. Geyer, zwischen Stiles und Derek hin- und herblickend: „Wenn ich raten müsste, würde ich tippen, sie haben da neuerdings ein Jucken und Brennen an pikanter Stelle und würden nun gern den Grund dafür wissen?“ Derek lächelte gequält: „Nein, Doc, das ist es nicht. Aber... uhm... es ist dennoch nicht so einfach! Ich habe leider Grund zu der Annahme, jemand... jemand könnte mich gestern unter Drogen gesetzt haben.“ stammelte er. Dann berichtete, was ihm gestern widerfahren war. Dem Blick des Arztes war deutlich zu entnehmen, dass er mit so etwas nicht gerechnet hatte. Er erklärte: „Ich verstehe! Wir werden ihnen Blut abnehmen und dann werden wir die Probe auf unterschiedliche Drogen und Toxine untersuchen. Wenn ich gleich noch unsere Laborantin erwische, dann haben wir die Ergebnisse bereits morgen früh, doch leider muss ich ihnen ehrlicherweise schon vorher sagen, dass insbesondere GHB, und darüber reden wir hier ja wohl, so schnell abgebaut wird, dass es in den meisten Fällen bereits nach wenigen Stunden nicht mehr nachweisbar ist. Wir hätten später noch die Möglichkeit, eine Haarprobe zu nehmen und zu untersuchen. Dieses Verfahren war in einigen Fällen in der Vergangenheit erfolgreich.“ Er desinfiziert Dereks Armbeuge, befestigte einen Abbinder an seinem Oberarm und stach ihm dann ein Kanüle in eine seiner deutlich hervortretenden Venen. Derek bekam ein Pflaster, bedankte und verabschiedete sich. Er hatte um Fassung gerungen, solange der Arzt noch bei ihnen gewesen war, doch kaum dass sie das Krankenhaus verlassen hatten, hockte Derek sich erst einmal auf die Stufen vor dem Gebäude und starrte mit glasigem, entsetztem Blick ins Leere. Stiles setzte sich neben ihn und nahm seine Hand. Er ahnte, dass sie eine lange, schlaflose Nacht vor sich haben würden. Kapitel 24: Risse in Mauern --------------------------- „Was mache ich denn bloß, wenn es wirklich so war, Stiles?“ Derek blickte den jungen Mann an seiner Seite ratlos an: „Was mache ich, wenn sie wirklich gegen meinen Willen...? Das... das wäre ja fast so, als hätte sie mich...?“ Stiles holte tief Luft und erwiderte dann: „Das sagst du immer wieder, Derek. Du sagst `Das wäre fast so, als ob...´, aber das ist nicht richtig, denn dann wäre es Vergewaltigung und nicht weniger als das. Punkt! Aus!“ Derek blickte ihn an, wie vom Donner gerührt. Es dauerte einen kurzen Moment, ehe er darauf antworten konnte: „Aber...“ stammelte er: „... ich bin ein Mann! Da kann sie doch gar nicht...? Ich meine... wer würde mir das schon glauben? Das ist doch lächerlich!“ „Warum ist es lächerlich? Zu denken, du könntest kein Opfer werden, bloß weil du ein Mann bist, das ist lächerlich! Weißt du, wie viele von den Jungs, die ich von der Straße kenne bereits Opfer einer Vergewaltigung geworden sind? Und bei mir selbst war es auch schon ein paar Mal kurz davor.“ Irgendwie hatte Stiles das Gefühl, Derek in dieser Sache nicht allzu sehr mit Samthandschuhen anfassen zu dürfen, sondern ihn mit Ehrlichkeit auf das vorbereiten zu müssen, was höchstwahrscheinlich geschehen war. „Aber das ist doch etwas anderes! Kate ist eine Frau! Eine Frau kann einen Mann doch gar nicht zwingen!“ wandte Derek hilflos ein. Stiles seufzte: „Kann sie doch, wenn sie den Mann, zum Beispiel mit einer Droge willenlos macht, oder etwa nicht?“ Derek sackte ein wenig in sich zusammen und schenkte ihm einen hilflosen Blick. Stiles ahnte, was es für einen Kerl wie ihn bedeuten musste, sich eingestehen zu müssen, möglicherweise Opfer einer solchen Gewalttat geworden zu sein. Er war der Chef, der Mächtige, der, der die Geschicke so Vieler bestimmte. Einer wie Derek erlebte sicherlich nicht sehr oft Momente von Ohnmacht; nicht so, wie Stiles selbst, den sein Leben auf der Straße auf sehr gründliche Weise gelehrt hatte, dass Menschen Raubtiere waren und dass man höllisch aufpassen musste, um nicht ihre Beute zu werden. Aber vielleicht erinnerte Derek diese Sache ja auch an ein anderes Mal in seinem Leben, als er zum Opfer geworden war; als man nämlich ihm und seiner Familie das Dach über ihrem Kopf angesteckt hatte, wobei er jeden verloren hatte, den er je geliebt hatte? Stiles legte sehr sanft und bedächtig die Arme um den Älteren, weil er ihn auf gar keinen Fall bedrängen wollte, hauchte einen Kuss auf seine Schläfe und flüsterte: „Lass´ uns wieder zu dir nachhause fahren und versuchen, noch ein wenig zu schlafen. Morgen früh wissen wir vielleicht schon mehr!“ Derek schluckte. Dann erhob er sich von der Treppe vor dem Krankenhaus, nahm Stiles bei der Hand und sie kehrten zu Auto zurück. Egal, was Stiles in dieser Nacht probierte, es wollte ihm einfach nicht gelingen, Derek zum einschlafen zu bewegen und irgendwann war auch er selbst vollkommen erschöpft und fühlte sich wie ein totaler Versager, denn schließlich hatte er hier bloß einen einzigen Job zu erledigen und doch gelang es ihm heute einfach nicht. Um sieben Uhr morgens gaben sie es einfach auf, erhoben sich, zogen ins Wohnzimmer vor die Glotze um und Greenburg brachte ihnen einen starken Kaffee: „Jetzt bist du mir bestimmt böse, dass ich dir nicht helfen konnte, oder?“ fragte Stiles beklommen und nahm einen vorsichtigen Schluck der heißen, bitteren Flüssigkeit. Derek blickte ihn erstaunt an: „Wie kommst du darauf, dass du mir nicht geholfen hättest? Ich wäre ohne dich heute Nacht höchstwahrscheinlich durchgedreht. Ich bin so froh, dass du bei mir warst, Stiles. Es hat mir immerhin ein bisschen Sicherheit gegeben.“ Stiles blickte ihn erstaunt an, doch Derek nickte nur noch einmal zur Bestätigung und legte ihm einen Arm um die Schulter. Im Fernsehen liefen Cartoons und Stiles legte irgendwann seinen Kopf auf Dereks Schoß. Als dieser dann auch noch dazu überging, ihm das Haar zu kraulen, konnte der Jüngere die Augen einfach nicht länger offen halten und nickte doch noch einen Augenblick lang ein. Irgendwann wurde er wieder davon wach, dass Dereks Handy klingelte. Stiles horchte auf, doch er konnte lediglich aus der Anrede schließen, dass Doktor Geyer am anderen Ende der Leitung sein musste, jedoch nichts über den Inhalt des Gesprächs, da Derek nach der Begrüßung lediglich mehrmals `Aha´ sagte, sich schließlich bedankte und dann auflegte: „Und? Was hat er gesagt?“ erkundigte sich Stiles vorsichtig. Derek wirkte unbehaglich und ein wenig verwirrt, als er antwortete: „Sie haben kein GHB nachweisen können, aber ich könnte in zwei Woche zu einer Haaranalyse wiederkommen, die vielleicht etwas ergeben würde. Sie haben jedoch etwas anderes in meinem Blut gefunden, nämlich ein potenzsteigerndes Medikament.“ Stiles blickte ihn erwartungsvoll an und so versicherte Derek schnell: „Ich habe so etwas wissentlich noch nie eingenommen, falls du dich das gefragt hast. Oh, Stiles, ich bin so müde, dass ich gar nicht darüber nachdenken kann, was das nun bedeutet.“ Stiles verschränkte seine Finger mit denen von Derek und erwiderte: „Ich denke, das bedeutet trotzdem, dass sie dir GHB gegeben hat, was allerdings bereits von deinem Körper abgebaut wurde und als du körperlich dann nicht so reagiert hast, wie sie sich das vorgestellt hat, hat sie dir noch etwas für die... uhm... Standfestigkeit gegeben. Ich denke, es bedeutet außerdem, dass sie gegen deinen Willen Sex mit dir gehabt hat und dass du zu einem Arzt gehen solltest, um sicherzugehen, dass das für dich keine negativen Konsequenzen hat. Du solltest so schnell wie möglich eine PEP-Behandlung machen, um vielleicht eine mögliche HIV-Infektion zu verhindern und dann solltest du außerdem diese ganzen Tests machen; Hepatitis, Tripper und so weiter.“ Derek riss entsetzt die Augen auf: „Meinst du wirklich, dass das notwendig ist?“ fragte er mit gepresster Stimme: Eine Woge von Mitgefühl überrollte Stiles: „Ich weiß es nicht, Baby?“ erwiderte er traurig: „Aber sicher ist sicher! Und wir sollten es jetzt tun, denn die Behandlung macht lediglich 48 bis maximal 72 Stunden nachdem man den Viren möglicherweise ausgesetzt gewesen ist Sinn, also lass´ uns gehen!“ Einen Augenblick lang wirkte Derek unentschlossen, doch dann setzte er sich in Bewegung. Dr. Geyer hatte heute eigentlich seinen freien Tag, wie er Derek am Telefon mitgeteilt hatte, dennoch hatte er versprochen, die Untersuchungen selbst durchzuführen, um auch wirklich Diskretion zu Gewährleisten und sich gleich auf den Weg zu machen und so kamen beide Parteien dann beinahe zeitgleich am Krankenhaus an. Der Arzt wollte Stiles bei der Untersuchung eigentlich nicht dabei haben, doch Derek bestand darauf, dass er bei ihm blieb. Das Untersuchungsprozedere kannte dieser ja schon, da er und Scott es ja jüngst erst selbst hinter sich gebracht hatten. Derek würde aber in einer Woche noch einmal kommen müssen, um das Ganze zu wiederholen, da eine eventuelle Infektion ja erst zweieinhalb Tage zurücklag. Derek wurde blass, als Dr. Geyer von ihm einen Harnröhrenabstrich nahm. Er wurde noch blasser, als er hörte, dass er nun vier Wochen lang ein HIV-Medikament einnehmen musste, mit Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen: „Ich helfe dir da durch!“ versicherte Stiles und fühlte sich elend für Derek, denn irgendwie fand er es ungerecht, dass dieser so etwas nun durchmachen musste. Solche Zumutungen des Alltags waren doch eigentlich bloß für so kleine Sünder, wie ihn selbst vorbehalten, oder etwa nicht? Kurz stellte Stiles sich die absurde Frage, ob er irgendwie verantwortlich für das war, was Derek zugestoßen war; ob er ihm wohl irgendwie Unglück brachte, indem er ihn mit seinem eigenen Elend infizierte, doch dann schüttelte er heftig den Kopf, um diesen erschreckenden Gedanken wieder loszuwerden. Als sie den Termin bei Dereks `Leibarzt´ hinter sich hatten, verschwanden sie umgehend aus dem Krankenhaus und fuhren zu Stiles nachhause um sich noch ein wenig hinzulegen, ehe Derek sich dann am Abend mit Malia treffen würde. Und dieses Mal schlief der Ältere; er schlief sogar wie ein Toter und Stiles ahnte, dass es daran lag, dass die jüngsten Ereignisse ganz einfach zu viel für ihn gewesen waren. Wer konnte es ihm verdenken? Stiles wachte nun also über seinen Schlaf und nach einer Weile vielen auch ihm selbst die Augen zu. Gegen drei erwachte Derek dann von allein wieder und saß sogleich aufrecht im Bett. „Alles okay, Baby?“ murmelte Stiles verschlafen: „Hattest du einen bösen Traum?“ Derek schüttelte den Kopf und erklärte ernst und entschlossen: „Ich werde mit Kate sprechen! Ich werde sie zur Rede stellen!“ „Sicher, dass das so eine gute Idee ist?“ erkundigte sich Stiles und rappelte sich ebenfalls mühsam auf: „Vielleicht solltest du lieber zu den Cops gehen und Anzeige gegen sie erstatten?“ Derek drehte sich mit entsetztem Blick zu ihm um: „Ich soll der Polizei sagen, ich sei von einer Frau vergewaltigt worden? Die lachen mich doch aus! Auf keinen Fall! Kommt nicht in Frage! Nein, ich werde mit Kate sprechen und dann werde ich erfahren, was passiert ist!“ Stiles schenkte ihm einen zweifelnden Blick: „Ich werde dann aber mit dir kommen!“ entschied er. „Das ist nicht nötig. Ich komme schon klar!“ versicherte Derek „Ich kann ja im Auto warten, aber ich lasse dich auf keinen Fall allein dort hingehen!“ beharrte Stiles nachdrücklich und ignorierte damit ganz dreist die offensichtliche Tatsache, das Derek ihn nicht dabei haben wollte, denn eine Sache wusste er ganz genau: Derek war diesem Miststück allein nicht gewachsen und unterschätzte Kate vollkommen. Derek machte ein unglückliches Gesicht, doch er verbot Stiles auch nicht, mit ihm zu kommen. Er sagte lediglich: „Also gut, wenn dir das auch wirklich nicht zu langweilig im Wagen wird?“ „Keine Sorge, ich kann mich schon beschäftigen!“ versicherte Stiles und damit war die Sache beschlossen. Er nahm sich ein Fachbuch über Kriminalistik mit und sie machten sich auf den Weg zu dem Hotel, in welchem Kate abgestiegen war. Stiles wünschte Derek viel Glück und blickte ihm sorgenvoll hinterher, wie er, um eine tapfere Körperhaltung bemüht, auf das Gebäude zuschritt. `Seltsam?´ dachte Stiles, als er das Hotel näher in Augenschein nahm. Es war zwar nicht gerade eine billige Abstiege, aber die erste Adresse am Platze war es nun auch nicht gerade. Lief es am Ende etwa mit der Modellkarriere gar nicht so spitzenmäßig, wie Kate alle glauben machen wollte? Denn selbstauferlegte Bescheidenheit schien irgendwie nicht ganz dem Stil dieser Frau zu entsprechen. Sie hatte bislang keinen Zweifel daran gelassen, dass sie Luxus liebte. Ging es etwa ausschließlich darum? Suchte Kate bloß einen Versorger, um sich zur Ruhe setzen zu können, weil ihre Karriere nicht mehr lief? Tat sie Derek das alles wirklich bloß deswegen an? Stiles war überrascht zu sehen, dass Derek das Gebäude bereits nach einer halben wieder verließ und nun mit verwirrter Miene auf den Wagen zusteuerte: „Und? Was hat sie gesagt?“ fragte er stirnrunzelnd, nachdem Derek wieder neben ihm saß.“ „Sie hat es zugegeben, dass sie mir ein Potenzmittel gegeben hat, doch so wie sie es darstellt, habe ich es selbst so gewollt?“ erwiderte Derek: „Sie hat gesagt, sie hätte es mir angeboten, weil ich zu betrunken gewesen sei, um eine Erektion zu haben. Dass sie mir GHB eingeflößt hätte bestreitet sie vehement. Da ist sie richtig sauer geworden und hat mich gefragt, ob ich sie eigentlich für ein Monster halten würde. Sie hat mich angebrüllt und schließlich sogar rausgeworfen. Sie hat so aufrichtig gewirkt?“ „Und glaubst du ihr das Theater etwa?“ fragte Stiles ungläubig. „Welchen Grund sollte Kate haben, mich zu etwa zu zwingen? Sie ist eine schöne Frau und könnte vermutlich Jeden haben. Warum also? Vielleicht ist es ja wirklich so, wie sie sagt und ich war einfach zu betrunken, um zu wissen, was ich tat?“ gab Derek zu bedenken. Stiles verdrehte die Augen: „Selbst wenn es so gewesen wäre, was ich nicht glaube, dann hatte sie die Situation ja scheinbar immer noch besser im Griff als du, denn schließlich hat SIE keine Erinnerungslücken. Sie hätte nein sagen müssen, anstatt dir Pillen zu geben. Ich glaube, Kate will dich für sich haben. Deucalion und sie haben das eingefädelt, denke ich!“ Und nun berichtete Stiles, was Deucalion zu ihm bei Dereks Geburtstagsparty gesagt hatte. Derek blickte ihn mit einer Mischung aus Misstrauen und Zorn an und sagte lauter als nötig: „Du denkst, Deucalion hätte Kate dazu angestiftet, mich mittels Drogen gefügig zu machen? Er ist mein Freund, Stiles! Er würde das niemals zulassen!“ Stiles versucht, sich von Dereks Wut nicht allzu sehr einschüchtern zu lassen und erwiderte so gefasst, wie er es vermochte: „Das habe ich auch nicht behauptet! Ich denke, auch wenn er mich nicht leiden kann, ist Deucalion dennoch im Grunde ein anständiger Kerl, der dir ganz sicher nicht schaden will. Ich denke eher, dass er auch keine Ahnung davon hat, wie kreativ Kate werden kann, wenn sie etwas will.“ Dereks Blick blieb finster und so erklärte Stiles: „Ich denke, ich lasse dich jetzt besser allein, damit du über alles nachdenken kannst. Ruf´ mich an, falls du mich sehen willst!“ Er machte Anstalten aus dem Wagen zu steigen. `...FALLS du mich sehen willst´? Dieses `Falls´ klang schneidend und unangenehm und mit einem Mal bekam Derek es mit der Angst zu tun: „Bitte bleib!“ forderte er nun ganz kleinlaut. Stiles wandte sich um und seufzte: „Ich bin nicht dein Feind, Derek! Ich sage dir bloß was ich denke. Ich weiß, dass das alles so unangenehm ist, dass man es nicht einmal denken möchte, aber deswegen werde ich dir trotzdem nichts vormachen. Was für ein schlechter Freund wäre ich dann?“ Derek hatte diesen reumütigen Blick, dem Stiles einfach nicht widerstehen konnte und dann sagte er sogar noch: „Es tut mir leid!“ Stiles ließ sich zu einem kleinen Lächeln verleiten und zog den Älteren in seine Arme, um ihn festzuhalten. Kate starrte durch die Vorhänge ihres Hotelfensters, sah wie Derek in seinem Wagen mit diesem Jungen herummachte und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Ihr war vollkommen Klar, wer ihr diesen ganzen Schlamassel eingebrockt hatte. Diese dreckige, kleine Ratte war ihr doch ein bisschen ZU clever. ER hatte Derek diesen Floh ins Ohr gesetzt und auch wenn sie gerade eine recht passable Vorstellung abgegeben hatte, war sie nicht sicher, ob Derek ihr das wirklich abgekauft hatte. Verdammt! Sie musste diesen Burschen endlich loswerden, bevor er ihr noch alles ruinieren konnte! „Was willst du denn jetzt in einem Shoppingcenter, Stiles?“ fragte Derek verwirrt: „Ich will etwas besorgen.“ erwiderte der Jüngere geheimnisvoll: „Ach was? Also darauf wäre ich jetzt von selbst nicht gekommen.“ behauptete Derek und folgte Stiles in die Mall. Zielstrebig marschierte dieser auf ein Bekleidungsgeschäft zu, griff sich eine Jeans, mehrere T-Shirts und Boxershorts und zwei Trainingshosen: „Willst du das Zeug nicht wenigstens vorher anprobieren? Die Hosen sehen mir ehrlich gesagt ein bisschen zu lang für dich aus.“ kommentierte Derek, der die Shoppingtour skeptisch beobachtete Stiles schenkte ihm ein kleines Grinsen: „Du hast ein gutes Augenmaß, aber das passt schon! Die Sachen sind nämlich gar nicht für mich.“ Da ging Derek ein Licht auf: „Also ist das für Isaac, richtig?“ „Bingo!“ bestätigte Stiles grinsend und trabte hinüber zur Kasse: „Lass´ mich doch dafür bezahlen!“ forderte Derek: „Du hast nicht so viel Geld und das Wenige was du hast, solltest du lieber für dich selbst ausgeben!“ Stiles lachte: „Also erstens kommt mein Geld doch ebenfalls von dir, zweitens habe ich mehr als reichlich im Vergleich zu früher und drittens ist es mir wichtig, das hier selbst zu bezahlen.“ Als sie einen Augenblick später wieder im Wagen in Richtung Malias Apartment saßen, wollte Derek wissen: „WARUM ist es dir wichtig gewesen, die Sachen für diesen Isaac selbst zu bezahlen?“ Stiles auf dem Beifahrersitz zuckte mit Schultern: „Ich will nicht vergessen, wo ich herkomme und was ich erlebt habe. Ich weiß, wie viel Glück ich gehabt habe, dich getroffen zu haben, Derek. Du tust so wahnsinnig viel für mich!“ Derek lachte und es klang ein wenig bitter: „Ich tue doch überhaupt nichts. Das bisschen Spielgeld, dass ich dir gebe bemerke ich shließlich gar nicht. Vielleicht finden meine Finanzberater ja sogar ein Hintertürchen, um dich irgendwie von der Steuer abzusetzen, oder so. Zuzutrauen wäre es diesen gerissenen Frettchen. Nein wirklich, ich tue überhaupt nichts! Für niemanden! Ich drehe mich nur um mich selbst und tue mir leid. Im Grunde ist es ziemlich erbärmlich!“ „Hör auf mit dem Quatsch!“ forderte Stiles streng: „Dir mag es wie Spielgeld vorkommen, doch dank dir können Scott und ich verdammt gut leben, statt lediglich zu ÜBERleben. Wir haben ein Dach über dem Kopf und es fehlt uns an nichts, im Gegenteil, es ist sogar noch genug zum Teilen! Du bist mein Retter und mein Held, verstehst du mich?“ Derek sagte nichts dazu, sondern verfiel in düsteres Schweigen. Stiles fragte sich, was wohl gerade hinter seiner Stirn vorgehen mochte, doch er fragte nicht. Stattdessen sagte er nach einer Weile: „Ich habe Malia vorhin eine Nachricht geschrieben, dass sie dafür sorgen soll, dass Isaac und du euch nicht begegnet. Gestern war er vielleicht zu fertig, um viel mitzukriegen, doch er ist clever und wenn er dich heute erkennt, würde ich nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass er nicht sofort zur Presse rennt und denen die Geschichte von Derek Hale und seinem Stricher erzählt.“ „Und für so jemanden gibst du dein Geld aus?“ fragte Derek erstaunt: „Warum nicht?“ gab Stiles zurück: „Nur, weil ich so nicht handeln würde, heißt das nicht, dass ich es nicht verstehen könnte. Jeder muss sehen, wo er bleibt und ich weiß zwar nichts über Isaacs Geschichte; das weiß niemand, denn er spricht nie über sich selbst, aber eines sagt mir mein Gefühl, und zwar dass er es schwerer gehabt hat, als die meisten von uns.“ Sie hielten an einer roten Ampel und Derek nutzte die Chance, um sich zu Stiles hinüberzubeugen und ihm einen Kuss auf die Wange zu geben: „Wofür war das?“ fragte der Jüngere überrascht. Derek blieb die Antwort schuldig, lächelte schüchtern und musste sich dann wieder auf den Verkehr konzentrieren, als die Ampel auf grün umschlug. Malias Stimmung war schwer einzuschätzen, als sie ihnen die Tür öffnete. Von ihrer unbändigen Energie und auch von ihrer Kratzbürstigkeit war jedenfalls gerade nicht viel zu spüren. Sie wirkte lammfromm und in sich gekehrt, beinahe wie betäubt. Bis auf Isaac, der immer noch in ihrem zum Krankenzimmer umfunktionierten Studio seine Verletzungen auskurierte, war sie allein Zuhause. Danny und Lydia seien vor einer Stunde gegangen, teilte sie mit. Derek folgte seiner Cousine in ihr Schlafzimmer und Stiles klopfte, mit seinen Einkaufstüten bewaffnet, an der Tür des Krankenzimmers. „Was willst du denn hier Stilinski?“ fragete Isaac überrascht, als er seinen Gast erblickte: „Ich will dir bloß schnell etwas geben.“ erwiderte der Angesprochene schlicht: „Was ist es denn? Ein Blow-Job vielleicht? Das ist zwar nett, aber komm´ lieber in ein paar Tagen noch mal wieder, wenn ich mich nicht mehr so fühle, als hätte mich ein Truck gerammt.“ „Sorry Kumpel, aber wegen sexueller Gefälligkeiten musst du dich an jemand anderen wenden. Ich war bloß ein wenig für dich einkaufen!“ gab Stiles grinsend zurück und reichte Isaac die Tüten. Dieser rappelte sich mühsam auf, betrachtete die Einkäufe und fragte misstrauisch: „Sag mal, bist du verrückt geworden, oder so? Wieso kaufst du denn für mich ein? Was willst du von mit, hm?“ Stiles seufzte: „Ich will gar nichts von dir. Ich dachte nur, dass es dir vielleicht gefallen würde, Malias Wonder-Woman-T-Shirt gegen etwas zu tauschen, was ein bisschen besser zu dir passt. Da ist kein Haken dran, oder so.“ Isaac kniff die immer noch geschwollenen Augen zusammen: „Was bist du? Die Hure mit dem Herzen aus Gold? Keiner tut etwas für einen, ohne eine Gegenleistung zu fordern, und schon gar nicht in unserer Branche, also raus mit der Sprache!“ „Doch sicher tut man das. Ich habe in letzter Zeit ein bisschen Glück gehabt, also tut es mir nicht weh, einem Freund einen kleinen Gefallen zu tun!“ versicherte Stiles: „Wir sind aber keine Freunde, Stiles, denn ich habe keine Freunde!“ knurrte Isaac giftig. Stiles zuckte mit den Schultern: „Tja, daran solltest du vielleicht langsam mal etwas ändern, dann wirst du auch nicht mehr auf der Straße zusammengetreten. Verdammt, Mann... Danny hat gesagt, sie hätten dich tatsächlich umgebracht, wenn er nicht dazwischen gegangen wäre! Willst du wirklich immer so weitermachen, wie jetzt? Und nun sei kein Arschloch und freu´ dich gefälligst über die Sachen!“ Stiles wollte sich schon zum Gehen wenden doch dann zückte er, einem Impuls folgend seine Brieftasche und legte alles Bargeld, welches er gerade bei sich trug, zweihundertsechsundfünfzig Dollar in die Hand eines fassungslosen Isaacs: „Für dich, weil du ja zur Zeit nicht arbeiten kannst, denn du siehst aus, wie Scheiße!“ erklärte er. „Du... du bist doch wohl völlig übergeschnappt!“ stammelte Isaac: „Ich geb´s dir auf jeden Fall alles wieder zurück!“ Kurz schien es, als würde die überaus raue Fassade erste Risse bekommen. „Nicht nötig!“ versicherte Stiles, der keine große Sache daraus machen wollte und drehte sich ein weiteres Mal in Richtung Tür, wurde jedoch sogleich von Isaac am Handgelenk festgehalten: „Verrätst du mir, was passiert ist, dass du neuerdings mit Geld um dich werfen kannst? Wieso sieht man Scott und dich schon seit Wochen nicht mehr auf der Straße?“ Stiles lächelte: „Das erzähle ich dir vielleicht, falls wir beide eines Tages wirklich Freunde werden!“ Mit diesen Worten verließ er das Zimmer In Malias Wohnzimmer sah es immer noch wüst aus. Die Gastgeberin hatte es bislang offenbar noch nicht geschafft, nach der gestrigen Geburtstagsparty aufzuräumen und weil Stiles das Familientreffen, welches gerade im Schlafzimmer stattfand nicht stören wollte und nichts Besseres zu tun hatte, begann er nun damit, Flaschen und Geschirr einzusammeln und den Abwasch zu erledigen. Derek und Malia hatten eine Weile nebeneinander auf dem Bett gesessen und schweigend die Briefe und Fotos betrachtet, welche der Notar am gestrigen Abend dagelassen hatte. Irgendwann ergriff Malia das Wort, indem sie fragte: „Gibt es eigentlich noch weitere Familienmitglieder?“ Derek schluckte, ehe er die traurige Antwort über die Lippen brachte: „Nein, ich bin der letzte Überlebende. Also... das dachte ich zumindest bis gestern.“ „Und hast du diesen Peter... also ich meine meinen biologischen Vater... hast du ihn gemocht?“ wollte Malia wissen. Ihre Stimme klang dabei seltsam abwesend. „Ich habe ihn bewundert und geliebt. Er war wie ein großer Bruder für mich, doch er war ganz anders als ich selbst; lebenslustig, schillernd, faszinierend... ? Ich kenne dich noch nicht sehr gut, doch ich glaube, du kommst in vielen Dingen nach ihm.“ erklärte Derek nachdenklich: „Ich fürchte eher, ich komme in vielem nach meiner Mutter. Sie ist eine herzlose, rücksichtslose Frau!“ murmelte Malia: „Ich hasse sie und nun noch mehr, seit ich weiß, dass ich ihretwegen niemals meinen echten Vater kennenlernen durfte.“ Derek schüttelte den Kopf: „Ich bezweifle, dass du wie deine Mutter bist. Dieser Danny hat Isaac gestern gezielt zu DIR gebracht. Er wusste, dass es dir nicht gleichgültig sein würde, was aus ihm wird und dass du helfen würdest, dabei scheint Isaac ja allgemein nicht allzu beliebt zu sein, stimmt´s? Und Stiles hat mir erzählt, dass du ihm und Scott in der Vergangenheit immer wieder geholfen hast, indem du ihnen Geld geliehen und sie durchgefüttert hast. Das klingt nicht besonders herzlos für mich.“ Malia zuckte mit den Achseln: „Aber du hast mein Arbeitszimmer gestern gesehen, oder? Du hast gesehen, wie ich mein Geld verdiene?“ Derek lachte ein klein wenig: „Na und? Was ist schon dabei? Diese Männer, die zu dir kommen, kriegen doch nur das, wonach sie verlangen, oder nicht? Ich finde es nicht schlimm, dass deine Kunden es auf diese Weise wollen. Und genauso wenig finde ich es schlimm, dass du diese... Dienstleistung anbietest.“ Malia dachte einen Moment darüber nach und sagte dann: „Aber ich schätze, ich werde den Job trotzdem an den Nagel hängen. Irgendwie hängt´s mir zum Hals raus.“ Sie schüttelte mit einem ungläubigen Grinsen den Kopf: „Eine Millionen Mäuse! Kannst du mir verraten, was man mit so einem Haufen Schotter machen soll?“ „Also als erstes würde ich mir einen guten Anwalt suchen. Der kann bestimmt noch mehr für dich rausholen, als diese läppische Millionen. Meine Familie hatte immer schon wahnsinnig viel Geld.“ schlug Derek vor. Da löste sich Malia urplötzlich aus ihrer Erstarrung und sie begann lauthals loszulachen: „Du bist echt ein komischer Vogel, weißt du das, Derek?“ stellte sie fest, als sie sich wieder beruhigt hatte: „Du gibst mir Tipps, wie ich dich um dein Erbe erleichtern kann? Wer macht denn so etwas?“ Nun lachte auch Derek und plötzlich war es so, als wäre ein Bann gebrochen. Kapitel 25: Die Sache mit dem Vertrauen --------------------------------------- Kaum saß Derek an diesem Freitagmorgen in seinem Büro, war ihm auch schon Deucalion dort hin gefolgt, nahm auf der Kante seines Schreibtischs Platz und nahm ihn ernst ins Visier: „Willst du eigentlich irgendetwas Bestimmtes von mir?“ fragte Derek gereizt, der einiges zu tun hatte und dem es überhaupt nicht passte, derart angeglotzt zu werden. „Sag´ mal, was hast du eigentlich mit Kate gemacht? Sie war gestern bei uns und sie war vollkommen außer sich! Was ist da zwischen euch vorgefallen?“ wollte sein Freund und Mitarbeiter wissen. Dereks Gesicht verfinsterte sich auf der Stelle: „Darüber will ich nun wirklich nicht sprechen. Lass´ mich in Ruhe, Deuc!“ „Verdammt Derek, wir WERDEN jetzt aber darüber sprechen! Das Mädchen hat so furchtbar geweint, aber sie wollte ebenfalls nicht mit den Details herausrücken. Sie sagte bloß, du hättest ihr unfassbare, schreckliche Dinge vorgeworfen und dass wohl dein neuer Freund dahinterstecken würde. Er hätte dich vollkommen gegen sie aufgewiegelt. Was hast du denn bloß zu ihr gesagt? Nun sag´ schon, Junge! Was ist da los, zum Teufel?“ schimpfte Deucalion. Derek war in seinem Stuhl immer kleiner geworden. Irgendwie war ihm, als würde sein gesamtes Blut sich zu einem Ball im Zentrum seines Körpers zusammenziehen. Seine Arme und Beine fühlten sich kalt an, in seinen Ohren rauschte es und alles um ihn herum fühlte sich dumpf und unwirklich an. Er sprang aus seinem Stuhl auf und brüllte: „Lass´ Stiles da raus, verstanden? Er tut nichts dergleichen. Du hast doch überhaupt keine Ahnung, was vor sich geht. Verschwinde, Deuc! Lass´ mich in Frieden!“ Doch dann war es Derek selbst, der ging. Er flüchtete sich in den Waschraum, der an sein Büro anschloss, verschloss die Tür hinter sich und rutschte, an die kühlen Kacheln gelehnt langsam hinab, bis er am Boden saß. Er raufte sich die Haare und massierte mit den Fingern seine Schläfen, um etwas von dem Druck loszuwerden, der momentan in seinem Kopf herrschte. Deucalion klopfte, doch Derek knurrte ein letztes Mal verzweifelt: „Hau ab, sonst lasse ich dich vom Sicherheitspersonal entfernen!“ Und so verschwand sein Freund schließlich. Derek hatte keine Ahnung, was er nun tun sollte. Er war verwirrt und fühlte sich in die Ecke gedrängt, also blieb er zunächst einfach eine Weile hier sitzen, weil es ihn ein wenig beruhigte sich hinter einer verschlossenen Tür zu verbergen und die kühlende Wand im Rücken zu spüren, die ihm Halt gab. Kate hatte geweint? Derek wusste mit einem Mal überhaupt nicht mehr, was Wahrheit war und was Lüge. Er fühlte sich wieder wie der siebzehnjährige Junge, der er einst gewesen war, als Kate und er begonnen hatten miteinander auszugehen und sie, die Ältere, stets den Ton angegeben und bestimmt hatte, was sie taten. Sie schien immer alles so gut im Griff zu haben. Alles, sogar ihn selbst! Zuerst hatte ihn das nicht gestört. Im Gegenteil, es hatte ihm sogar gegen seine jugendliche Unsicherheit geholfen. Doch dann wurde er älter und auch ein wenig erwachsener und hatte dann gelegentlich versucht gegen sie aufzubegehren, doch es war merkwürdig gewesen: Irgendwie hatte Kate es jedes Mal geschafft, seinen Widerstand zu brechen und er selbst hatte nie durchschaut, wie sie das eigentlich machte? Sie hatten nicht gestritten und Kate war in keiner Weise gewaltsam gegen ihn vorgegangen wäre, aber dennoch hatte sie am Ende immer ihren Willen bekommen und Derek war jedes Mal überrumpelt und vollkommen verwirrt gewesen. Derek war aber auch ärgerlich gewesen, doch wusste er am Ende nie, gegen wen sich dieser Ärger nun eigentlich richtete. Da schien nie etwas zu sein, was man Kate wirklich vorwerfen konnte und vermutlich war er irgendwie selbst an allem schuld. Selbst wenn sie ihn wieder einmal betrog, war es doch irgendwie er selbst, den er dafür verantwortlich machte. Und genau so war es auch heute wieder. Neben all der Konfusion die er in diesem Moment verspürte, war er auch wütend, nur wusste er nicht wirklich auf wen überhaupt? Bis zu seinem nächsten Meeting hatte er noch zwei Stunden Zeit und musste dafür vorher noch einen Bericht lesen, doch zu beidem fühlte er sich in diesem Moment absolut nicht fähig. Allerdings konnte er sich ja auch nicht die ganze Zeit im Badezimmer verstecken, wie ein kleiner Junge, also traf er eine Entscheidung: Er kam aus seinem Versteck hervor und ging schnurstracks hinunter in den fünften Stock in den Fitnessraum, wo er sich am Sandsack gründlich den Frust aus dem Leib prügelte. Er hörte erst wieder damit auf, als er vollkommen verschwitzt und atemlos war und seine Muskeln brannten. Anschließend ging noch rasch unter die Dusche und hinterher fühlte er sich wieder ein wenig wohler. Er las also den dummen Bericht durch, leitete das dämliche Meeting, ohne dabei den blöden Deucalion, welcher neben ihm saß und ihn aufmerksam musterte, auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen. Danach verschanzte Derek sich wieder in seinem Büro, sagte seinem Sekretär, dass er nicht gestört werden wollte, schloss vorsichtshalber sogar die Tür hinter sich ab und erledigte die Arbeiten, die auf seine Schreibtisch lagen, schrieb E-Mails, führte Telefonate und arbeitete Stück für Stück seine To-Do-Liste ab. Sich in seine Aufgaben zu vertiefen tat ihm gut, denn für einen Moment vergaß er darüber alles andere. Als der Feierabend kam, rief Derek Stiles an und bat ihn, heute etwas früher zu ihm zu kommen, weil er seine Nähe und seinen Rat heute ganz einfach brauchte. Bei seinem Eintreffen stellte Stiles als Erstes fest: „Du siehst ziemlich fertig aus, Baby.“ Derek zuckte unzufrieden mit den Achseln und begann sogleich, von seiner Begegnung von Deucalion zu berichten. Stiles lauschte stirnrunzelnd und fragte schließlich skeptisch: „Du glaubst Kate diese Schmierenkomödie doch nicht etwa, oder doch? Sie versucht ihren Hals zu retten und dich zu manipulieren, indem sie bei deinem Freund auf die Tränendrüse drückt! Das ist auch schon alles!“ „Ich weiß nicht, Stiles? Meinst du wirklich, dass jemand so lügen kann?“ erwiderte Derek unbehaglich: „Sicher, es war falsch, dass sie in meinem hilflosen Zustand mit mir geschlafen hat, aber vielleicht war sie einfach auch selbst zu betrunken, um die Situation noch richtig einschätzen zu können. Ich meine, das wäre doch durchaus denkbar, oder nicht? Es gibt doch gar keine Beweise dafür, dass sie mir wirklich etwas in den Drink gemischt hat und Dr. Geyer hat ja bereits gesagt, dass auch die Analyse einer Haarprobe vielleicht gar keine Ergebnisse erbringen wird. Ich werde es vielleicht nie genau wissen und irgendwie kann ich mit der Vorstellung besser leben, dass es einfach bloß ein Absturz im Suff gewesen ist. Und nur weil du Kate nicht sympathisch findest, muss sie ja noch lange nicht das Böse unter der Sonne sein.“ Bei dem letzten Satz veränderte sich etwas in Stiles Gesicht. Sein Blick wurde zu Eis und er rückte von Derek ab. „Was ist los?“ fragte der Ältere unsicher: „Habe ich etwas Falsches gesagt?“ Stiles zuckte mit den Schultern und fragte mit unterkühlter Stimme zurück: „Ich weiß nicht, Derek? Hast du?“ Panik keimte in Derek hoch. Stiles schien über irgendetwas richtig sauer zu sein, doch er hatte keine Ahnung, was das sein mochte. Er wollte es einfach bloß ganz schnell wieder gut machen, weil er ihn doch brauchte und er in all der Verwirrung und Angst, welche ihn gerade beherrschten einfach nicht noch mehr Unfrieden vertragen konnte: „Sag´ mir bitte, was ich falsch gemacht habe, Stiles!“ bat er kläglich. Stiles erhob sich und begann unruhig im Raum auf und abzulaufen. Einen Augenblick lang war er sogar zu wütend, um zu sprechen, doch irgendwann sprudelte er schließlich doch noch los: „Glaubst du tatsächlich, ich würde dir wie Lady Macbeth irgendwelche Sachen einflüstern, um dich gegen deine Freunde aufzubringen, so wie Kate es behauptet? Denkst du wirklich so schlecht von mir? Welchen Grund habe ich dir denn jemals dafür gegeben, hm? Wenn ich wirklich so wäre, wie Kate sagt, dann bräuchte ich nämlich noch nicht einmal besonders viel Phantasie. Ich müsste dir einfach nur die Wahrheit über deine Freunde sagen; zum Beispiel darüber, wie Kate mir bei unserem ersten Händeschütteln beinahe die Hand gebrochen hätte, weil sie so fest zugedrückt hat. Oder darüber, dass Deucalion mir bereits zweimal eine Millionen Dollar angeboten hat, damit ich verschwinde, weil er mich für irgend so einen Goldgräber hält, der es bloß auf dein Vermögen abgesehen hat und wie er beim zweiten Mal sogar gedroht hat mich umzubringen, falls ich dir wehtue. Außerdem hat er angedeutet, dass er das mit Kate eingefädelt hat, weil sie dich wiederhaben will und er mich dann los wäre. Aber über all diese Dinge habe ich bislang kein Wort verloren, weil ich dich nicht belasten wollte. Aber das ist scheinbar alles scheißegal, denn in deiner Welt bleibt jemand wie ich bloß geldgeiler, verlogener Abschaum, egal was ich tue, sehe ich das richtig?“ Stiles Stimme war mit jedem Wort lauter geworden, doch nun brach sie und er drehte sich rasch weg. Derek starrte auf seinen Rücken, wie vom Donner gerührt: „Deuc hat gesagt, er würde dich umbringen?“ murmelte er fassungslos. „Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“ schnappte Stiles und wischte sich über die Augen: „Ich glaube, ich verschwinde jetzt einfach! Ein schönes Leben noch, Derek“ Er stürmte in Richtung Ausgang, doch Derek war mit einem Satz bei ihm und schlang von hinten fest die Arme um ihn: „Jetzt warte doch mal, Stiles!“ flehte er: „Wo ist denn das plötzlich alles hergekommen? Warum bist du so wütend auf mich?“ Stiles versuchte sich loszumachen, doch Dereks Griff war wie aus Stahl. „Lass´ mich gefälligst los!“ forderte Stiles ärgerlich und kämpfte weiter um seine Freuheit. Dann erst spürte er die Tränen und das schluchzende Beben des Körpers hinter sich, also hörte er auf sich zu ehren und wiederholte noch einmal etwas sanfter: „Lass´ mich los, Derek! Ich laufe dir nicht weg. Versprochen!“ Tatsächlich lockerte sich nun der Griff des Älteren, er ließ die Arme sinken und Stiles hatte die Chance, sich zu ihm umzudrehen. Dereks Gesicht waren verzerrt von Verzweiflung und Schmerz und nass von seinen Tränen. Der große, kräftige Kerl schlang die Arme eng um den eigenen Leib und der hängende Kopf und die nach vor gerundeten Schultern erweckten den Anschein, als versuche er sich ganz und gar in sich selbst zurückzuziehen. Stiles seufzte. Es war ihm unmöglich, an seinem Zorn festzuhalten, wenn er Derek so leiden sah. Er führte ihn wieder hinüber zum Sofa, setzte sich dicht neben ihn und zog ihn in seine Arme, wo Dereks Selbstbeherrschung sich dann endgültig in Luft auflöste und er heftig zu weinen begann. Stiles wiegte ihn leicht und wartete geduldig ab, bis auch das letzte Schluchzen verklungen war. Schließlich hob Derek den Kopf, blickteihn durch den Tränenschleier hindurch an und versicherte: „Ich vertraue dir, Stiles. Ich vertraue dir mehr, als irgendeinem anderen Menschen!“ Der Jüngere blickte ihn skeptisch an: „Wirklich!“ fragte er unsicher: „Ganz ehrlich!“ bestätigte Derek. Dann griff er nach seinem Handy und wählte eine Nummer: „Wen rufst du denn jetzt an?“ erkundigte sich Stiles verwundert: „Deucalion.“ erwiderte Derek: „Ich will ihn für das, was er getan hat zur Rechenschaft ziehen und ich werde meine Freundschaft zu ihm aufkündigen! Er hatte kein Recht dir zu drohen, oder dich mit seinem Geldangebot auf die Probe zu stellen.“ Stiles nahm ihm das Telefon aus der Hand und legte auf: „Tu das nicht, Derek! Das wäre ein Fehler. Er macht mir vielleicht eine Scheißangst, aber ich verstehe, warum Deucalion so gehandelt hat, nämlich weil er dich liebt und ich nehme es ihm nicht einmal richtig übel. Er hat ja auch recht damit, dass jemand in deiner Position immer Gefahr läuft, ausgenutzt zu werden, aber ich tue das nicht. Ganz bestimmt nicht! Ich tue das alles für dich nicht bloß, weil ich einen Vertrag unterschrieben habe. Du bedeutest mir etwas, Derek! Ich will, dass es dir besser geht“ Derek nahm seine Hände und versicherte: „Das weiß ich, Kleiner! Du hast es mehr als einmal bewiesen. Ich vertraue dir!“ Stiles rang kurz mit sich, denn er hatte noch mehr zu sagen und er wusste, es war nicht das, was Derek hören wollte: „Wenn du mir wirklich vertraust, dann lass´ mich dir etwas über Kate sagen: Anders als bei Deucalion verstehe ich ihre Motive nämlich überhaupt nicht! Ich weiß nur eins, nämlich dass sie nicht aus Liebe zu dir handelt, Derek. Und auf die Gefahr hin dass du nun vielleicht doch noch denkst, ich will dich gegen sie aufwiegeln, muss ich dir dennoch sagen, dass ich sie für gewissenlos und gefährlich halte. Ich kann es nicht beweisen und vielleicht tue ich ihr ja auch total Unrecht, aber ich denke sie ist eine Soziopathin.“ Er forschte in Dereks Gesicht, wie dieser seine Worte aufnahm. Derek sah jung, verwirrt und unzufrieden aus: „Ich weiß nicht, Stiles? Ich weiß gar nicht mehr, was ich denken soll? Kate und ich kennen uns schon so wahnsinnig lange. Hätte ich es nicht früher schon bemerken müssen, wenn sie wirklich so wäre, wie du sagst?“ Stiles zuckte mit den Schultern: „Ich weiß es nicht? Ich weiß nur, das Menschen mit so einer Persönlichkeitsstruktur sehr gut darin sind, anderen etwas vorzumachen. Und wie gesagt, vielleicht liege ich ja in allem falsch und dann bin ich auch bereit, vor ihr zu kriechen und tausendmal mea culpa zu rufen. Versprich mir einfach nur, dass du in ihrer Gegenwart vorsichtig bist!“ Derek nickte und damit ließen sie es für´s Erste bewenden. Stiles streichelte Dereks Gesicht und stellte fest: „Du siehst wirklich erledigt aus, Großer. Was hältst du davon, wenn wir jetzt schnell eine Kleinigkeit essen und dann ganz einfach früh schlafen gehen?“ Derek nickte erneut und trug seinem Koch auf, ihnen etwas zurecht zu machen. Später im Bett fragte er Stiles leise: „Ist nun wieder alles in Ordnung mit uns beiden?“ Stiles holte tief Luft und erwiderte: „Es tut mir leid, dass ich dir Angst gemacht habe, Derek. Ich war einfach so enttäuscht als ich dachte, du würdest mir nicht vertrauen.“ „Tut mir leid!“ murmelte der Ältere: „Ich war verwirrt und erledigt. Ich habe mich falsch ausgedruckt. Und wahrscheinlich bin ich selbst derjenige, dem ich nicht traue. Gerade fühle ich mich haltlos, wie ein Blatt im Wind.“ Stiles zog Derek in seine Arme, drückte ihm einen sanften, weichen Kuss auf die Schläfe und versicherte: „ICH halte dich! Und nun schlaf´ einfach, Baby. Ich bin hier!“ Am nächsten Morgen erwachte Stiles mit einem Lächeln, denn im Traum war ihm eine großartige Idee gekommen. Just, als Derek die Augen öffnete, teilte er diesem gebieterisch mit: „Ich habe entschieden, dass ich dich für ein verlängertes Wochenende entführen werde!“ Derek riss erstaunt die Augen auf. Alles was er dazu sagen konnte war: „Ach ja?“ Kapitel 26: Revertigo --------------------- Vorwort: Ihr Lieben: Ich dachte, nach der kleinen Pause verwöhne ich euch heute mal, indem ich schon wieder fleißig ein Kapitel beende und für euch hochlade. Ich hoffe es gefällt euch so gut wie mir selbst. „Und du wirst mir wirklich nicht verraten, wo die Reise hingeht?“ fragte Derek unzufrieden, weil er sich wesentlich wohler fühlte, wenn er die Dinge unter Kontrolle hatte: „Woher soll ich denn dann wissen, was ich packen soll?“ Stiles lachte: „ICH packe für dich, Baby! Es soll doch eine Überraschung werden. Aber ich schwöre dir, es wird dir gefallen. Ich hoffe nur, mein Jeep hält die ganze Strecke durch?“ „Nein, Stiles, tut mir leid, aber wir werden auf keinen Fall mit deiner Schrottkarre fahren. Dann kommen wir doch nie heil an.“ protestierte Derek: „Eher wird dieser Rosteimer uns beide umbringen.“ Stiles seufzte: „Also gut, dann nehmen wir eben eins von deinen Autos, aber nur, wenn ich fahren darf.“ „Deal!“ lenkte Derek ein: „Und was soll ich in der Firma sagen, wann ich wieder da bin?“ „Das kann ich dir gleich sagen. Warte kurz!“ teilte Stiles mit und schaute etwas in seinem Handy nach. Scheinbar hatte er gefunden, wonach er suchte, so zufrieden, wie er gerade grinste. Derek versuchte einen Blick zu erhaschen, doch Stiles ließ ihn nicht: „Sag´ ihnen, dass du Mittwochmorgen wieder da bist; frisch, munter und bestens erholt!“ antwortete er schließlich. „Wenn du das sagst.“ erwiderte Derek zweifelnd, rief aber dennoch folgsam seinen Sekretär an, um diesem seine Abwesenheit mitzuteilen. Stiles marschierte als nächstes hinüber zu Dereks Kleiderschrank und begann damit, eine kleine Reisetasche für ihn zusammen zu packen. Er schüttelte den Kopf über die unzähligen Anzüge, Oberhemden und Krawatten und bestimmte: „Also davon werden wir mit Sicherheit nichts brauchen!“ Derek hockte sich auf´s Bett und schaute aufmerksam zu, um auf diese Weise zu ergründen, wohin es wohl gehen mochte: Unterwäsche, Waschzeug, Jogginghosen und bequeme Jeans, T-Shirts und die einzige Shorts, die er überhaupt besaß wanderten in die Tasche. Es würde also sommerlich und gemütlich werden, wie es aussah. Das war schon mal eine Erleichterung. „Ich freue mich schon darauf, dich in diesem Ding hier zu sehen, Sexy!“ lachte Stiles frech und hielt triumphierend einen knappen, pinkfarbenen Badeslip hoch, den er ganz hinten aus dem Schrank gezerrt hatte und nun ebenfalls mit in die Reisetasche stopfte. Derek seufzte gequält. Das Ding hatte er schon völlig vergessen! Eine Ex-Liebhaberin, an deren richtigen Namen er sich nicht einmal mehr erinnern konnte; war es Christine, Christina oder vielleicht doch Christiana gewesen, hatte sie ihm einst geschenkt. Er hatte sie nie getragen und hätte das furchtbare Ding eigentlich konsequenter Weise längst auf dem Sondermüll entsorgen sollen! Nun würde er für sein Versäumnis bitter büßen müssen. Derek gab seinem Personal ein paar Tage frei, sorgte dafür, dass seine Haustiere, sowohl die Säugetiere, als auch die Reptilien in der Zwischenzeit versorgt wären und dann fuhren sie beide mit seinem Geländewagen, welchen Stiles für ihren kleinen Trip ausgewählt hatte hinüber zu dessen Apartment, wo Stiles nun auch für sich selbst packen und Scott, Skippy und seinen Häschen auf wiedersehen sagen konnte. Stiles Jeep vor dem Haus wurde noch mit ein paar Streicheleinheiten über die Motorhaube und der Bitte, nicht eifersüchtig zu sein verabschiedet und dann konnte die Reise auch schon losgehen. Derek war törichter Weise ein wenig aufgeregt. Stiles blickte schmunzelnd auf den Beifahrersitz und versicherte: „Es wird dir gefallen, Baby! Du wirst sehen, es ist genau das Richtige für dich, um ein bisschen herunterzukommen! Lehn´ dich einfach zurück und vertrau´ dem Onkel! Er hat nachher noch Lutscher und Hundewelpen für dich!“ „Spinner“ erwiderte Derek grinsend und entspannte sich tatsächlich ein wenig. Sie fuhren eine ganze Weile an Kaliforniens wunderschöner Küste entlang und die Sonne lachte freundlich auf sie hinab. Nach etwa zwei Stunden hielt Stiles in einer kleinen Ortschaft an einem Supermarkt und fragte: „Und? Was würdest du in den nächsten Tagen gern essen?“ Derek zuckte mit den Achseln und so entschied der Jüngere: „Na, macht nichts. Ich werde schon etwas finden, was uns beiden schmeckt. Warte einen Augenblick hier, ja?“ „Moment! Nimm´ die hier mit!“ forderte Derek und reichte Stiles eine seiner Kreditkarten. Die Miene des Jüngeren verfinsterte sich und er knurrte: „Steck´die ganz schnell wieder weg, bevor ich böse werde! Dies hier ist nämlich eine Einladung.“ „Aber du hast doch gar kein Geld!“ behauptete Derek. Stiles schüttelte ungläubig den Kopf und stellte klar: „Dank dir bin ich mittlerweile ein ziemlich reicher Junge! Und für einen Einkauf im Supermarkt reicht es allemal, also weg damit!“ Er schmiss die Fahrertür hinter sich zu, um weitere Diskussionen zu vermeiden und verschwand im Laden. Zwanzig Minuten später kam er mit mehreren Tüten beladen wieder heraus und Derek hastete ihm entgegen, um ihm beim Tragen zu helfen. „Mein starker Held!“ lachte der Jüngere amüsiert, gab Derek einen flüchtigen Kuss und ließ sich einen Teil seiner Last abnehmen. Als sie wieder im Wagen saßen, fragte Derek ungläubig: „Was hast du denn da bloß alles eingekauft? Es sind doch nur vier Tage?“ „Ich habe die Absicht, dich zu verwöhnen und ein klein wenig zu mästen, mein Schatz.“ erwiderte Stiles mit einem frechen Zwinkern: „Übrigens sind wir in zwanzig Minuten am Ziel.“ Ihr `Ziel´ lag irgendwo im Nirgendwo, wie sich bald herausstellen sollte. Es handelte sich um zehn kleine, süße Ferienhäuschen, die verstreut auf einem Hügel direkt an der Küste lagen. Die Häuser lagen weit genug von einander entfernt, so dass jede Partei ganz für sich und ungestört sein konnte. Stiles hielt an einem der Häuschen mit der Aufschrift „Rezeption“, wo man bereits auf sie wartete. Eine winzige, uralte, aber dennoch ungemein vital wirkende Frau mit Bürstenhaarschnitt empfing sie zur Schlüsselübergabe und rief freudestrahlend aus: „Der kleine Stiles! Wusste ich´s doch, dass du es sein musst, als ich deinen Namen gelesen habe!“ Der junge Mann lächelte und erwiderte: „Ja, ich bin es, Miss Clarke, nur bin ich heute gar nicht mehr so furchtbar klein.“ Die alte Frau schüttelte grinsend den Kopf und reichte ihm den Schlüssel: „Nein, bist du nicht, aber ich sehe dich hier immer noch in deinen kurzen Hosen hektisch herumlaufen; alles anfassend und ausprobierend und deinen Eltern Löcher in den Bauch fragend.“ Derek hatte sich bisher im Hintergrund gehalten und alles beobachtet. Nun legte nun einen Arm um Stiles Schultern und kommentierte kichernd: „Also hast du dich eigentlich gar nicht verändert, was Kleiner?“ „Nur unwesentlich!“ bestätigte Stiles lachend und die Gastgeberin stellte fest: „Und heute bringst du einen besonderen Freund mit hierher? Das finde ich sehr schön. So lebt die Tradition fort!“ Stiles errötete tatsächlich ein klein wenig und erklärte: „Ja, das hier ist mein Freund Derek, Ma´am.“ Derek ergriff vorsichtig die kleine, vom Rheuma klauenartig deformierte Hand der alten Frau und sagte: „Sehr erfreut.“ Die Gastgeberin nickte würdevoll mit ihrem grauen Haupt und sagte: „Seid mir willkommen in unserem kleinen Ferienparadies, Jungs. Ich habe dasselbe Haus wie immer für euch zurecht gemacht, Stiles. Und nun packt ihr am Besten erst mal aus und kommt an.“ Und damit scheuchte sie die beiden Männer quasi vor sich her, aus dem Rezeptionsgebäude hinaus. Wenig später schaute Derek sich genauestens in der kleinen Hütte um, die in den nächsten Tagen ihr Zuhause sein würde und Stiles, der ihn dabei beobachtete, hielt vor Spannung die Luft an, denn dies hier war natürlich alles andere als der Standard, den sein Freund gewohnt war: Ein Wohn- und ein Schlafzimmer und eine kleine Küche; alles sehr einfach und bescheiden gehalten. Zu seiner Überraschung sagte Derek: „Es ist richtig schön hier! Danke, dass du mich hierher eingeladen hast.“ Dann wollte er wissen: „Wie bist du denn überhaupt auf diesen Ort gekommen?“ „Meine Eltern haben hier ihre Flitterwochen verbracht, genau hier in dieser Hütte, also bin ich ja möglicherweise sogar hier gezeugt worden? Später sind wir dann in jedem Sommer für ein paar Wochen in den Ferien hergekommen. Ich war so froh, dass ich bei der Buchung festgestellt habe, dass gerade dieses Haus noch zu haben war.“ gab Stiles erleichtert zurück: „Aber gefällt es dir denn wirklich?“ Derek lachte: „Ja, sicher Stiles. Es ist schön hier und man hat alles, was man braucht. Aber weißt du, was ich eigenartig finde? Die alte Frau gerade eben hat uns doch wohl für ein Paar gehalten, oder nicht? Aber sie hat deswegen nicht einmal mit der Wimper gezuckt.“ Stiles lachte: „Hast du bemerkt, dass ich sie Miss Clarke genannt habe und nicht Misses? Das war keine Unhöflichkeit von mir, sondern sie besteht darauf. Sie ist ihr Leben lang unverheiratet geblieben und ist darauf sehr stolz. Früher hat sie die Anlage zusammen mit `einer Freundin´ betrieben, die aber vor einigen Jahren gestorben ist. Heute ist sie weit über achtzig, aber sie macht hier immer noch das allermeiste allein.“ „Ich verstehe! Sie ist also eine von uns.“ erwiderte Derek und fügte anerkennend hinzu: „Und scheinbar ist sie unverwüstlich?“ Stiles nickte bestätigend: „So ist es! Und sie stammt aus einer Zeit, als man über gewissen Dinge noch nicht laut gesprochen hat.“ Sie gingen hinaus zum Auto, holten die letzten Sachen herein und begannen dann damit, sich einzurichten. Im Anschluss daran schlug Stiles vor: „Was hältst du davon, wenn ich dir erst mal ein wenig die Gegend zeige?“ Derek war einverstanden und sie machten sich zu Fuß auf den Weg. Auf der anderen Seite des Hügels, auf welchen die Ferienanlage gebaut war befand sich ein kleines Kiefernwäldchen. Die herzhaft nach Harz duftenden Koniferen waren in ihrem Wuchs eher kurz und gedrungen und hatten unter dem Wind, welcher beständig vom Pazifik her ins Land blies, bizarre Formen angenommen. Beinahe wirkten sie wie Fabelwesen; Baummonster, die jederzeit bereit wären, ihre Wurzeln aus der Erde zu ziehen, um sich auf Wanderschaft zu machen und Rache an der Menschheit zu nehmen, welche beständig an der Zerstörung ihrer Umwelt arbeitete: „Es ist wirklich schön hier.“ stellte Derek fest und er wirkte bereits jetzt wesentlich entspannter, als noch vor ein paar Stunden in L.A. Stiles nickte, ging plötzlich ein wenig schneller und sagte: „Ich muss sehen, ob er noch da ist!“ Derek hielt mit ihm Schritt und wollte gerade fragen, wovon er sprach, doch da waren sie offenbar bereits am Ziel angelangt; einem Baum, der wie geschaffen dafür war, auf ihm herumzuklettern und genau das tat Stiles nun auch: „Was machst du denn? Was, wenn du hinunterfällst?“ rief Derek besorgt und stieg hinter ihm her: „Ich falle doch nicht!“ lachte Stiles und machte es sich auf einem Ast in der Krone bequem: „Schau mal da!“ Er deutete auf eine Schnitzerei in der Rinde des Stammes: `Stiles war hier´ stand da in unbeholfenen Lettern, welche ein sehr viel jüngerer Stiles vor vielen Jahren hier hinterlassen haben musste. „Das ist süß!“ kommentierte Derek mit einem zärtlichen Lächeln, gab Stiles einen kleinen Kuss auf die Himmelfahrtsnase, suchte sich ebenfalls ein bequemes Plätzchen in der Baumkrone und genoss den herrlichen Blick über die fantastische Landschaft: „Weißt du, dass ich so etwas noch nie getan habe?“ bemerkte er nachdenklich: „Was hast du noch nie getan? Auf einen Baum klettern.“ wollte Stiles wissen: „Genau!“ bestätigte Derek: „Reiche Jungs tun so etwas nämlich nicht,weißt du?“ Stiles kicherte: „Dann wurde es aber höchste Zeit! Du hast so ein unglaubliches Glück, dass das du mich getroffen hast.“ „Das stimmt!“ gab Derek lächelnd zurück und Stiles, dem klar war, dass es hierbei um mehr als bloß ums Bäumeklettern ging, wurde warm ums Herz. Die beiden Männer blieben eine Weile sitzen, genossen die Sonne, die ihnen auf den Pelz schien und den Wind, der ihnen das Haar zerzauste. Irgendwann bestimmte Stiles: „Und jetzt werde ich dir die Steilküste zeigen!“ Er kletterte behände wieder hinunter, wie ein Äffchen und über das Bild des erwachsenen Mannes von heute legte sich in Dereks Vorstellung für einen kurzen Moment jenes eines Jungen in kurzen Hosen und mit schönen, leuchtenden, lang bewimperten, sirupfarbenen Augen, welcher hier selige Stunden seiner Kindheit verbracht hatte. Derek lächelte in sich hinein. Die Steilküste war atemberaubend. Mindestens dreißig Meter ging es hier steil in die Tiefe und unten schlug der Pazifik in wutschäumenden Wellen und mit unerbittlicher Kraft immer wieder gegen den harten Fels: Ein ewiger Kampf der Elemente Wasser und Erde. Und eines Tages würde das Wasser ihn wohl gewinnen. „Ich bin wirklich froh und dankbar, dass du mich hergebracht hast und das alles mit mir teilst!“ sagte Derek noch einmal: „Dieser Ort kommt dem Paradies wirklich ziemlich nah!“ Stiles lächelte: „Und ich bin froh, dass du Ja gesagt hast. Willst du jetzt vielleicht den Strand sehen?“ Derek nickte und folgte Stiles kurz danach einen sandigen Serpentinenpfad nach unten. Hier war nirgendwo eine Menschenseele außer ihnen beiden. Alle Geräusche, die sie vernahmen; der Wind, das Meer, die Insekten und die Seevögel, waren natürlichen Ursprungs. Allein schon dieser Umstand ließ die beiden Stadtmenschen bereits entspannt aufatmen. Stiles führte sie zu einer Bucht, die aussah, wie der Drehort für den Film `Die blaue Lagune´. Hier wirkte der Pazifik ganz brav und zahm; nur ganz leichte Wellen, die am Ufer der feinen Sandstrandes anrollten und sich dann gemütlich wieder zurückzogen. Hinter ihnen war Fels, in welchen das Wasser innerhalb von Jahrtausenden unzählige kleine Höhlen gegraben hatte. Die beiden Männer legten sich eine Weile Seite an Seite in den, von der Sonne angenehm gewärmten, weichen Sand und beobachteten die Wolken und die beeindruckende Luftakrobatik der Seevögel. Irgendwann bekamen sie Hunger und machten sich auf den Rückweg. Stiles hatte im Supermarkt frischen Lachs bekommen, denn er nun für sie auf zweierlei Arten zubereitete; einen Teil reichte er roh als Tartar, angemacht mit Zitronensaft, Salz, Pfeffer und gewürfelter Avokado, und den anderen briet er zusammen mit Baconstreifen in der Pfanne und dazu gab es Pellkartoffeln und Brokkoli in Butter geschwenkt. Die Seeluft hatte sie beide wahnsinnig hungrig gemacht und Derek wurde nicht müde, Stiles großartige Kochkünste zu loben, was dieser bloß verlegen mit einer wegwerfenden Handbewegung abtat. Vollgefressen und zufrieden kehrten sie nach dem Mittagessen mit Getränken, Badekleidung, Handtüchern und Sonnencreme bewaffnet zur Bucht zurück. Sie machten es sich gemütlich und als Derek nun die Jeans fallen ließ stellte sich heraus, dass er darunter tatsächlich das sexy, pinkfarbene Badehöschen angezogen hatte, welches Stiles ihm eingepackt hatte. Der Jüngere, der selbst eine eher bequeme, knielange, übergroße Badeshorts trug, sagte neckend: „Wow Mr. Hale! Du siehst aber wirklich verdammt heiß aus. Könntest du jetzt vielleicht noch ein bisschen mit der Hüfte schaukeln und deinen Knackarsch und die Familienjuwelen präsentieren? Ich verspüre nämlich gerade den starken Impuls, dir Eindollarnoten in deinen Hosenbund zu stecken.“ „Jetzt werd´ mal nicht frech, du kleines Schlitzohr, sonst tauschen wir gleich die Badehose!“ erwiderte Derek gespielt streng, hockte sich hinter Stiles und begann damit, diesem seinen hellen, empfindlichen Rücken mit Sonnencreme einzuschmieren. Stiles revanchierte sich und danach dösten sie beide ein wenig in der Sonne. Als es ihnen zu heiß wurde, kühlten sie sich dann im eiskalten Wasser ab. Zum Abendessen kehrten sie ein weiteres Mal in ihr Häuschen zurück. Dieses Mal begnügten sie sich mit einer bescheidenen Brotzeit, welche sie auf der Terrasse einnahmen, um dann einfach dort sitzen zu bleiben, bis irgendwann die Sonne unterging. Sie hatten weder Fernseher noch Computer um sich zu beschäftigen, doch sie vermissten beides nicht. Stattdessen machten sie den kleinen Kamin im Wohnzimmer an, als es kühl genug dafür wurde, hockten sich davor und starrten wie gebannt in die züngelnden Flammen. Irgendwann begann Stiles von seinen Eltern und den herrlichen Sommern, die er als Kind hier verlebt hatte zu erzählen und dann und wann streute auch Derek eine Erinnerung an seine eigenen Kindertage ein, doch im Grunde gefiel es ihm viel besser, einfach bloß dem nicht abreißenden Wortfluss des Jüngeren freien Lauf zu lassen und ihm zuzuhören, weil er Stiles nämlich noch viel besser kennen lernen und wirklich alles über ihn wissen wollte. In ihrer bisherigen Beziehung, der Jüngere sich bezüglich seiner Vergangenheit eher bedeckt gehalten. Immer schien es nur um Derek und sein Wohlergehen zu gehen und Stiles selbst hielt sich zurück, wie der Ältere erst jetzt ein wenig beschämt realisierte. Es gefiel Derek, dass Stiles sich irgendwann an ihn angelehnt hatte und sich von ihm kraulen ließ. Es war ein friedlicher, sorgloser Moment. Hier waren nur sie beide und alles andere war weit weg und spielte in diesem Augenblick keine Rolle. Irgendwann begann Stiles, müde zu klingen. Er lallte ein wenig, beinahe als habe er etwas getrunken und seine Erzählungen wurden irgendwie unzusammenhängend. Das Feuer war bereits heruntergebrannt und Derek schmunzelte in sich hinein, gab dem Jüngeren einen kleinen Kuss auf die Schläfe und bestimmte: „Es wird Zeit, dass du ins Bett kommst, mein Süßer!“ Sie machten sich also zum Schlafen bereit und legten sich dann gemeinsam in das Ehebett, welches beinahe den ganzen Raum in dem winzigen Schlafzimmer einnahm. Durch das geöffnete Fenster hörten sie in der Ferne das leise Rauschen des Meeres, welches sie sanft in den Schlaf sang. Der fünfjährige Stiles erwachte von der Sonne, die ihn auf der Nase kitzelte. Es roch nach Kaffee, Kakao und den Pfannkuchen, die seine Mutter, welche er in der Ferne lachen hörte gerade für ihn buk. Er reckte und streckte sich in dem Bewusstsein, dass heute wieder ein schöner Tag werden würde! Stiles erwachte und es war stockfinstere Nacht. Er musste sich zunächst darüber klar werden, wo er überhaupt war und da fiel ihm schließlich alles wieder ein. Seine Eltern waren tot! Er war ganz allein auf der Welt! Lange war er nicht mehr nachts mit diesem unerträglichen Schmerz im Herzen aufgewacht und er konnte nicht an sich halten, sondern brach ganz einfach in Tränen aus. Davon wurde schließlich auch Derek an seiner Seite wach, tastete bestürzt nach dem Schalter der Nachttischlampe und zog dann seinen Bettnachbarn fest in seine Arme. Es dauerte eine Weile, bis Stiles sich so weit beruhigt hatte, dass er wieder in der Lage war, verständlich zu sprechen. Dann endlich konnte er von dem Traum berichten, welchen er soeben gehabt hatte: „Es war... so real!“ sagte er und zog geräuschvoll den Rotz hoch: „Ich dachte wirklich, ich müsste nur aus dem Bett springen und könnte sie umarmen.“ Er klang bitter und todtraurig und Derek brach es beinahe das Herz: „Ich weiß, Kleiner! Ich weiß leider viel zu gut, wie sich das anfühlt!“ Er spürte Stiles Nicken gegen seine Brust und fuhr fort: „Ich denke, es ist dieser Ort. Hier sind die Erinnerungen an deine Eltern noch sehr lebendig, richtig? Vielleicht sollten wir lieber wieder nachhause fahren?“ Stiles schüttelte heftig den Kopf: „Nein, ich will hierbleiben. Es tut gut, an sie zu denken. Aber es tut auch weh!“ „Ja, das tut es.“ bestätigte Derek: „Aber du bist nicht allein, Kleiner. Du hast Scott und deine anderen Freunde. Und du hast mich! Du bist immer für mich dagewesen und ich will es auch für dich sein!“ Stiles hob den Kopf und blickte Derek prüfend an. Dann nickte er, kuschelte sich in die Armbeuge des Älteren und sie versuchten, ein weiteres Mal einzuschlafen. Nachwort: Beim Schreiben des Schlusses dieses Kapitels habe ich wirklich Rotz und Wasser geheult. Ich bin gespannt zu hören, ob es euch beim Lesen wohl genau so ging? Liebe Grüße, Ginger Kapitel 27: Drei kleine Worte ----------------------------- Als Stiles am Morgen die Augen öffnete, lag er allein im Bett und von nebenan stieg ihm ein würziger Duft in die Nase. Der reiche Junge hatte also tatsächlich ganz alleine und ohne Personal den Einschaltknopf an der Kaffeemaschine gefunden, dachte er amüsiert, schwang die Beine über den Bettrand und taperte in die Küche, um sich ebenfalls eine Tasse des dunklen Wachmachers zu holen. Dann lief Stiles hinüber ins Wohnzimmer, wo er Derek in einem Sessel sitzend und über seinem Handy brütend vorfand: „Was treibst du denn da, Baby?“ fragte er Jüngere tadelnd: „Du hast Urlaub, schon vergessen?“ „Bloß kurz ein paar Mails lesen und die Börsenkurse checken.“ murmelte Derek geistesabwesend, ohne auch nur aufzublicken. `Na warte, Freundchen! So nicht!´ dachte Stiles und grinste in sich hinein. Er kletterte rittlings auf Dereks Schoß, tauchte mit dem Kopf unter dessen Armen hindurch und nahm ihm so die Sicht auf sein Telefon. „Hey! Was soll das denn werden, du Frechdachs?“ beschwerte sich Derek „Ich mache hier bloß meinen Job und sorge für deine Entspannung, Baby. Und nun sei ein braver Junge und leg das Ding weg!“ gab Stiles mit einem kessen Blick zurück. Nur war es nicht Entspannung, die Derek in diesem Augenblick verspürte. Vielmehr spürte er Stiles heißen Atem auf seinem Gesicht, seinen bettwarmen Körper nahe seinem eigenen und seinen süßen kleinen Arsch der sich ganz leicht auf seinem eigenen Schoß bewegte. Es war ein eigenartiger Moment und sie spürten es beide. Es fühlte sich an wie ein Drahtseilakt auf der schmalen Linie zwischen Erlaubt und Verboten. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Stattdessen blickten sie einander bloß an. Ihre Gesichter waren sehr dicht beieinander und die Luft zwischen ihnen schien ganz plötzlich elektrisch zu flirren. Dereks Puls beschleunigte sich, doch er konnte sehen, dass er nicht der Einzige war, in dem eine körperliche Reaktion ausgelöst wurde, denn Stiles Wangen und Ohren verfärbten sich rot und sein Atem hatte sich beschleunigt. Beinahe wuchs die Spannung zwischen ihnen ins Unerträgliche und so rettete Derek sie, indem er ausrief: „Frühstück!“ und damit den Bann brach. Stiles nickte heftig und stieg eilends von ihm herunter. Vor Verlegenheit sprachlos, begannen sie nun damit, auf der Terrasse den Tisch zu decken. Später beim Essen konnten beide einander eine Weile gar nicht recht in die Augen blicken, um den anderen bloß nicht wissen zu lassen, was sie in Wirklichkeit fühlten. Stattdessen ließen beide stumm vor sich hin kauend ihren Blick über die herrliche Landschaft schweifen und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Stiles erinnerte sich plötzlich an die letzte Unterhaltung, die er mit Danny geführt hatte und weil es eine willkommene Ablenkung war, fragte er Derek: „Sag´ mal denkst du, irgendwo in deiner großen Firma gibt es einen Job für meinen Freund Danny? Er ist schlau, ein netter Kerl und kennt sich recht gut mit Computern aus, soweit ich weiß. Vielleicht hast du ja irgendwas irgendwas in der Poststelle, als Lieferjunge, oder was weiß ich. Er wünscht sich bloß eine kleine Chance für einen Neubeginn und einen Einstieg in ein seriöses Leben. Er erwartet sicher nicht viel und es ist ja nicht leicht für Jungs wie uns, irgendwo Fuß zu fassen.“ Er blickte den Älteren unsicher an und schob schnell hinterher: „Du musst natürlich nicht. Denk´ nicht, dass ich dich irgendwie ausnutzen will, oder so!“ Derek musste lachen: „Warum sollte ich denn so etwas denken, du Dummerchen? Du hast mich noch nie um irgendetwas gebeten und nun tust du es zum allerersten Mal und der Gefallen ist noch nicht einmal für dich selbst. Ich werde mir etwas für deinen Freund überlegen. Es ist überhaupt kein Problem, Stiles! Das tue ich gern.“ versicherte er. Stiles atmete erleichtert auf und bedankte sich. Im Anschluss an das Frühstück wurde es wieder einmal Zeit für Dereks HIV-Medikamente, welche ihm stets eine leichte Übelkeit bereiteten. Überdies kehrten mit den Tabletten auch die Erinnerung an die jüngsten Ereignisse und die damit verbundenen Gefühle zu ihnen zurück. Vergessen war damit die Lust, welche sie beide vorhin für einen kurzen Moment erfasst hatte. „Es ist ja bald geschafft! Sieben Tage noch!“ erklärte Stiles mitfühlend, als er den Widerwillen auf Dereks Gesicht sah, während dieser die Pille mit einem Schluck Wasser hinunterspülte. Der Ältere nickte bloß unzufrieden. „Was würdest du denn heute gern tun?“ fragte Stiles munter, um Derek wieder ein wenig abzulenken: „Wir könnten zum Beispiel mit dem Auto in den nächsten Ort fahren. Von dort geht eine Fähre, die Halt an mehreren kleinen Inseln macht. Da kann man dann Robben und Vögel beobachten.“ Derek schüttelte den Kopf: „Ich habe ehrlich gesagt keine große Lust auf fremde Menschen. Ich wäre lieber einfach nur mit dir ganz allein. Können wir nicht bloß einen ausgedehnten Strandspaziergang machen?“ Stiles lächelte und bestätigte: „Sicher können wir das.“ Sie deckten den Tisch ab, doch kaum hatten sie abgewaschen und sich fertig angezogen, schien das Wetter ihnen einen Strich durch die Rechnung machen zu wollen, denn es hatte leicht zu regnen begonnen. „Das hört sicher gleich wieder auf!“ spekulierte Stiles und er sollte Recht behalten. Fünf Minuten später kam schon wieder die Sonne heraus. Sie nahmen zur Sicherheit leichte Regenjacken und auch ein kleines Picknick mit und machten sich dann auf den Weg. Am Strand zogen sie sich die Schuhe aus und krempelten die Hosenbeine hoch, um den nassen Sand unter den Füßen zu spüren und ihre Beine gelegentlich im kalten Wasser abkühlen zu können. Sie sammelten Muscheln, machten an besonders schönen Fleckchen gelegentlich Halt, um in aller Ruhe die Eindrücke in sich aufnehmen zu können und Stiles machte mit seinem Handy Dutzende Fotos von den Naturschönheiten. Und selbstverständlich war Derek eine davon! Als ihnen die Mägen zu knurren begannen, machten sie sich über die mitgebrachten Leckereien her und anschließend ging es weiter. Sie waren bereits eine Ewigkeit unterwegs, als der Himmel sich wieder ein wenig zuzog. Sie entschieden umzukehren und es sollte sich bald zeigen, dass dies eine weise Entscheidung war, auch wenn sie leider zu spät kam, denn etwa eine halbe Stunde später setzte ein leichter Regen ein, der bald heftiger wurde, bis es schließlich wie aus Eimern schüttet. Aus einem leichten Wind wurde rasch ein ausgewachsener Sturm, welcher das Meer aufpeitschte und weiter ins Land drückte. Als dann auch noch Dutzende Blitze über den Himmel zu zucken begannen, entschieden Derek und Stiles, sich nach einen sicheren Unterschlupf umzusehen. Sie waren längst nass bis auf die Haut, als sie eine Höhle im Fels ausfindig machten, gerade hoch genug, um mit eingezogenen Köpfen darin stehen zu können. Der Boden war bedeckt mit Sand. Hier waren sie vom Wind und Regen recht gut geschützt und es war sogar recht gemütlich. Sie schauten sich noch einmal genau um, um sicher zu gehen, dass es sich nicht um die Behausung irgendeines Tieres handelte, doch sie stellten erleichtert fest, dass sie unter sich waren. Sie hockten sich Seite an Seite vor den engen Höhleneingang und beobachteten die Naturgewalten in ihrer Wut. Mit dem Wetterumschwung war es auch schlagartig sehr viel kälter geworden. Zitternd rückten sie also nahe an einander heran. Stiles schaute verstohlen zu Derek hinüber und wandte dann seinen Kopf wieder ab. Bald darauf war es Derek, der Stiles betrachtete, seine Augen dann jedoch rasch wieder dem tobenden Ozean zuwandte. Irgendwann jedoch trafen sich ihre Blicke und ab da schafften sie es dann irgendwie nicht mehr, sich voneinander abzuwenden. Stiles verlor sich in den schönen, großen, grünen Augen seines Gegenübers, als sähe er sie zum ersten Mal. Derek konnte seinen Blick einfach nicht von den sinnlich geschwungenen Lippen des Jüngeren nehmen. Und schließlich war es eine Kraft, stärker als sie selbst, vergleichbar dem Magnetismus, welche ihre Münder schließlich zu einander führte, bis sie sich in einem sanften Kuss vereinigten. Und nun war der Damm endgültig gebrochen: Der Hunger aufeinander, welchen beide eine so lange Zeit unterdrückt hatten, schien sich nun zu verselbstständigen; beinahe wie eine Lebensform mit einem eigenen Willen. Es blieb natürlich nicht bei diesem einen Kuss. Ihre Münder wollten gar nicht mehr von einander lassen und ihre Hände streckten sich sehnsüchtig nach dem Körper des Anderen aus und schoben sich unter die nassen Kleider. Sie hatte es plötzlich beide sehr eilig. Nach all´ der Zeit, wollten sie nun einfach keine Zeit mehr verlieren und sie vergaßen die Welt um sich herum und das tobende Unwetter draußen. Derek zog Stiles ungeduldig Jacke und T-Shirt aus, um warme Küsse auf der kühlen, klammen, nach Regen duftenden Haut zu verteilen. Stiles erschauderte. Eine Gänsehaut legte sich über seinen gesamten Körper und er warf mit einem sanften Stöhnen seinen Kopf in den Nacken. Die Kälte spürten sie beide schon bald nicht mehr. Sie mühten sich damit ab, einander gegenseitig die, vom Regen durchweichten, widerspenstigen Kleider vom Leib zu reißen, breiteten dann ihre Jacken als Unterlage unter sich aus und Stiles lehnte sich zurück, zog Derek über sich und schlang die Beine um dessen Hüfte. Ihre Finger verschränkten sich, ihre Münder wurden wie Eins und sie küssten sich tief und leidenschaftlich. Derek begann damit, seinen Schoß gegen den des Jungen zu reiben und Stiles drängte sich ihm bereitwillig entgegen. Es dauerte nicht lange, bis sie beide hart waren, doch dann hielt Derek plötzlich inne und sagte keuchend: „Moment mal! Was machen wir hier eigentlich? Wir haben nicht einmal Kondome dabei!“ „Ist egal!“ stöhnte Stiles: „Ich hab´ doch diesen Test gemacht und du nimmst die Pillen. Mach´ einfach weiter. Es wird schon nicht passieren. Ich will dich, Derek. BITTE! Nimm´mich jetzt einfach, okay?“ In Dereks Gesicht spiegelte sich sein innerer Kampf, doch schließlich schüttelte er den Kopf: „Meine Behandlung ist aber noch nicht abgeschlossen. Das geht nicht! Das Letzte, was ich will, ist dich auch noch in diese ganze furchtbare Sache mit hineinziehen.“ Er versuchte, sich von dem Jüngeren herunterzurollen, doch dieser hielt ihn mit seinen Schenkeln fest und blickte ihn flehend an. Dann jedoch hellte sich seine Miene plötzlich wieder auf. Er ließ Derek los und begann, in dem kleinen Rucksack zu kramen und schließlich zog er aus einem Seitenfach triumphierend eine angebrochene Packung Kondome und ein kleines Fläschchen Gleitgel hervor. Derek schaute ihn fragend an und Stiles bekannte verlegen: „Die sind noch von... na ja, von damals. Eine ganze Zeit lang bin ich nie ohne aus dem Haus gegangen.“ Der Ältere schluckte ein wenig, als er sich die ursprüngliche Bestimmung dieser Gummis klar machte und versicherte sich noch einmal: „Und du willst es tatsächlich, Kleiner?“ Stiles stöhnte verzweifelt: „Scheiße, ja! Was denkst du denn? Und nun besorg´s mir endlich, Hale, sonst schwöre ich, ich spreche ich nie wieder ein Wort mit dir!“ Und um die Dringlichkeit seiner Bitte zu unterstreichen wurde er aktiv, riss eines der Kondome auf, rollte es mit ungeduldigen Fingern über Dereks erigierten Penis und begann dann etwas von dem Gleitgel darauf und auch an seiner eigenen Öffnung zu verteilen. „Das wird dir wehtun, so ohne jede Vorbereitung.“ warf Derek besorgt, wenn auch ein wenig halbherzig ein, doch Stiles zog ihn ein weiteres Mal auf sich und versicherte: „Macht nichts, ehrlich! Ich werd ´s kaum spüren, so verdammt heiß wie ich gerade auf dich bin.“ Derek blickte unsicher zu ihm hinunter, doch Stiles lächelte lediglich und zog sein Gesicht zu einem zärtlichen Kuss zu sich heran. Als Derek nun endlich die Spitze seines Penis an seiner Öffnung platzierte, spürte Stiles wie seine Beckenbodenmuskulatur lust- und erwartungsvoll kontrahierte. Seit sie es zum ersten Mal getan hatten, hatte er diesen Moment herbeigesehnt und nun war er da. Als Derek sich nun langsam in ihn schob, verzog Stiles dennoch einmal kurz schmerzhaft das Gesicht, doch er versicherte sofort: „Ist okay, Baby! Beweg´ dich einfach einen Moment nicht, damit ich mich an dich gewöhnen kann.“ Derek nickte und hielt inne, bis Stiles ihm das Signal gab, dass er loslegen dürfte. Die Stöße des Älteren waren zunächst sehr sanft und behutsam, doch ermuntert von den süßen Lustschreien, die Stiles Kehle entkamen und dessen Becken, welches sich ihm hungrig entgegen drängte, wurden sie nach einer Weile härter und fahriger. Dennoch versuchte Stiles hier nichts zu lenken. Ohne dass es ausgesprochen werden musste, spürte er, dass Derek dies hier gerade brauchte, um die Sicherheit wiederzuerlangen, dass er die Kontrolle über seinen Körper, sein Leben und die Situation hatte, denn diese hatte Kate ihm mit dem, was sie ihm angetan hatte genommen. Stiles übergab sich ihm vollständig und vertrauensvoll, genau so wie bei ihrem letzten Mal. Seine eigene Sicherheit bezog er aus Dereks, zärtlichem Blick, welcher auf ihm ruhte und der wie ein Versprechen war, dass alles in Ordnung war. Er entspannte sich, ließ innerlich vollständig los und hielt sich an Dereks breitem Rücken fest. Als Derek nach einer Weile spürte, dass er selbst bald kommen würde, nahm er eine seiner geschickten Hände zu Hilfe, um sicherzustellen, dass Stiles ihm über diese Klippe folgte. Diese Extrastimulanz brachte den Jüngeren beinahe um den Verstand, seine Schreie schwollen an, hallten von den Höhlenwänden wieder und er krallte sich beinahe schon schmerzhaft in Dereks Fleisch. Nach ihrem gemeinsamen Höhepunkt hielt Derek kurz inne, um sie beide diesen Moment noch ein wenig länger auskosten zu lassen, ehe er sich aus dem Jüngeren zurückzog und sich schwer atmend halb neben, hab auf ihn sinken ließ und raunte: „Ich liebe dich, Stiles!“ Derek wurde sich erst bewusst, was ihm da gerade herausgerutscht war, als er den ängstlichen Blick aus den großen Augen des Jungen an seiner Seite sah. Panik ergriff ihn und am liebsten wollte er die Worte sofort wieder zurücknehmen: „Es... es tut mir leid! Ich hatte kein Recht, das zu sagen!“ murmelte er stattdessen unbehaglich. Stiles wandte sich ihm zu, stützte seinen Kopf auf seine Hand und erwiderte ernst: „Es kommt darauf an. Ist es denn wahr, Derek?“ Kurz dachte der Ältere darüber nach, ganz einfach zu lügen und zu behaupten, er habe es einfach so in der Hitze des Gefechts gesagt, denn er hatte wahnsinnige Angst davor, dass Stiles mit seinen Gefühlen möglicherweise nicht umgehen und sich deswegen von ihm abwenden könnte, doch andererseits war ihm auch klar, dass er seine wahren Gefühle nicht ewig vor ihm verheimlichen konnte und wollte. Er liebte diesen Jungen von ganzem Herzen, der auf einem so seltsamen Weg in sein Leben gefunden hatte und aus diesem nun nicht mehr wegzudenken war und so bekannte er mit nervös belegter Stimme: „Es ist die Wahrheit. Ich liebe dich, Stiles!“ und forschte ängstlich in Stiles Miene, wie dieser seine Worte wohl aufnehmen würde. Stiles sagte nichts und regte sich nicht. Beinahe wirkte er wie eingefroren, doch dann schlang er seine Arme um Dereks Nacken und zog ihn eng an sich: „Endlich!“ seufzte er bloß und küsste Derek stürmisch. In ihrer Ekstase hatten sie gar nicht mitbekommen, dass sich das Wetter wieder beruhigt hatte: „Lass uns zum Haus zurückgehen! Ich erfriere hier gleich! Außerdem habe ich Hunger.“ forderte Stiles, erhob sich und zog den Älteren ebenfalls auf die Beine. Derek war in diesem Augenblick zu verwirrt, um zu sprechen. Er nickte lediglich, sie stiegen wieder in ihre nassen Kleider und krochen aus der Höhle hervor. Sie waren bereits fast wieder zurück bei ihrem Feriendomiziel, als Derek sich endlich zu fragen traute: „Und heißt das nun, du liebst mich auch?“ Stiles drehte sich zu ihm herum, nahm die Hände des Älteren in seine eigenen und erwiderte mit einem wunderschönen, strahlenden Lächeln: „Du bist ein Trottel, weißt du das, Hale? Ja, sicher liebe ich dich! Das habe ich beinahe von Anfang an getan und ganz sicher war ich mir meiner Gefühle, nachdem wir das erste Mal miteinander geschlafen haben. Und als du dann diesen dämlichen Vertrag mit mir geschlossen hast, hast du mir damit wirklich das Herz gebrochen, aber es hat nichts daran geändert: Ich liebe dich wie verrückt, Derek.“ „Oh? Uhm... wirklich? Das... das tut mir so leid!“ machte Derek lediglich und bekam vor Erstaunen den Mund nicht mehr zu. Stiles lachte bloß und zog den Älteren hinter sich her in Richtung des Ferienhauses. Dort angekommen stellte er aus irgendeinem Grund einen großen Topf Wasser auf den Herd, ehe er Derek mit ins Bad nahm und verkündete: „Jetzt wird erst mal heiß geduscht, denn mir ist scheißkalt und ich habe Sand an den unmöglichsten Stellen.“ Derek stimmte zu und so stellten sie sich beide ganz einfach so lange eng umschlungen unter die dampfenden Brause, bis das warme Wasser ausging und küssten sich währenddessen wie zwei Süchtige, bis ihre Lippen sich ganz geschwollen anfühlten. Widerwillig lösten sie sich schließlich wieder von einander und marschierten hinüber in die Küche, wo sich das Rätsel des Topfes auf dem Herd löste. Stiles gab Spaghetti in das brodelnde Wasser und begann dann nackt damit, zu Kochen. Er briet Zwiebelwürfel mit Hackfleisch an, gab nach einer Weile Tomatenwürfel aus der Dose und Gewürze hinzu und hobelte Parmesan. Als er Derek nach einer Weile einen dampfenden Teller Spaghetti Bolognese vor sich stehen hatte, versicherte dieser noch einmal: „Oh Mann, ich liebe dich wirklich, Stiles!“ „Hätte ich nur geahnt, dass du so leicht zu haben bist, dann hätte ich längst Pasta für dich gekocht!“ erwiderte Stiles mit einem frechen Grinsen und sie machten sich über das Essen her. Und weil Stiles gekocht hatte, durfte er sich nach der Mahlzeit ausruhen, während Derek sich abmühte, ein Feuer in dem kleinen Kamin im Wohnzimmer zu entfachen und als es brannte, holten sie ihre Kissen und Bettdecken aus dem Schlafzimmer herüber, um es sich davor gemütlich zu machen. Im Schein des Feuers betrachteten sie den Körper des anderen, berührten ihn sanft mit den Fingerspitzen, doch es dauerte nicht lange, ehe sie ein weiteres Mal die Lust überkam und sie erneut über einander herfielen und sich liebten. Als sie anschließend postkoital und entspannt beieinander lagen, fragte Derek: „Wie wird das wohl mit uns weitergehen, wenn wir wieder zuhause in L.A. sind?“ Stiles seufzte: „Darf ich nicht wenigstens bis Dienstagnachmittag unbeschwert und glücklich sein und mich meinen Träumen und Hoffnungen hingeben, ehe du mein Wolkenschloss zusammenstürzen lässt, weil du mir das in Erinnerung rufst, was ich gerade so erfolgreich verdrängt haben; nämlich dass ein reicher Junge aus gutem Hause wie du sich nicht ernsthaft mit einem Flittchen aus der Gosse wie mir zusammentun kann, weil er sonst sein hohes Ansehen auf´s Spiel setzt? Das weiß ich doch selbst, Derek, aber gib mir wenigstens die paar Tage, ja?“ Derek beugte sich zu einem Kuss zu dem Jüngeren hinüber und beteuerte: „Du redest Unsinn mein Schatz! Mein Ansehen ist mit scheißegal. Ich will dich, Stiles. Das Ganze ist zwar noch neu für mich, denn ich habe seit einer Ewigkeit nicht mehr das Bedürfnis gehabt, mit jemandem zusammen zu sein, aber mit dir ist das anders. Ich fühle mich sicher und zufrieden, wenn du bei mir bist. Willst du... ich meine, willst du, dass wir ein richtiges Paar werden?“ Stiles lächelte und versicherte: „Ja, das will ich, Derek.“ Dann wurde er jedoch wieder ernst und stellte klar:„Aber ich werde nicht dein Sugar-Baby sein und mich von dir aushalten lassen!“ „Lass´ uns nicht jetzt darüber sprechen, einverstanden!“ forderte Derek ein wenig gequält, denn er hatte natürlich geahnt, dass sein Geld zwischen ihnen stehen würde: „Ich meine es Ernst, Derek! Ich will nicht dass das, was Deucalion von mir denkt irgendwann die Realität wird. Ich werde keinen Cent von dir nehmen, wenn du und ich ein Paar werden wollen. Ich werde irgendeinen Job annehmen, damit Scott und ich die Miete zahlen können und genug zum Leben haben, als Kellner, oder Reinigungskraft, oder weiß der Teufel. Ich schaffe das schon. Ich will nicht, dass du jemals daran zweifeln musst, dass ich dich will und nicht dein Vermögen. Verstehst du mich Derek?“ wollte Stiles wissen. Derek seufzte unglücklich und schlug dann vor: „Wir sollten es wirklich so machen, dass wir über diese Dinge sprechen, wenn wir wieder in L.A. sind. Genießen wir jetzt doch lieber einfach diesen Urlaub, in dem ich voll und ganz von dir aushalten lasse, einverstanden?“ „Einverstanden!“ gab Stiles zwinkernd zurück: „Denn ich habe rein gar nichts dagegen, das DU MEIN Sugar-Baby bist.“ Derek lachte und stieg darauf ein, indem er mit Blick auf die fast leere Kondomverpackung fragte: „Na, wenn das so ist, was hält mein Sugar-Daddy dann davon, wenn wir vor Ladenschluss nochmal in den Supermarkt fahren, um Nachschub zu besorgen?“ Stiles grinste und so machten sie sich auf den Weg. Und dieser Einkauf war auch wirklich eine weise Entscheidung, wie sich schnell zeigen sollte, denn die Liebenden bekamen in den nächsten Tagen einfach nicht genug von einander, ganz gleich, wie oft sie es taten. Sie kamen kaum noch aus dem Bett heraus, höchstens mal, um einen Spaziergang zu machen. Das fiel sogar Miss Clarke auf, welcher sie einmal zufällig begegneten und die augenzwinkernd kommentierte: „Euch zwei Jungs bekommt man ja so gut wie gar nicht zu Gesicht. Das ist ja wie in den Flitterwochen deiner Eltern, Stiles.“ Wenigstens besaßen die beiden Männer genug Anstand, um angemessen zu erröten. Das hinderte sie jedoch nicht daran, auch in aller Öffentlichkeit, zum Beispiel im Wald oder am Strand wie ausgehungert über einander herzufallen, sobald sie sich unbeobachtet wähnten. Einmal trieben sie dabei auf die Spitze, als sie bei einem Blow-Job in Stiles Lieblingskletterbaum um ein Haar von eben diesem gefallen wären. Da erkannten sie endlich, dass sie sich vielleicht doch ein klein wenig zügeln sollten. Doch jeder Urlaub ging einmal zu Ende und der Dienstagnachmittag kam viel zu bald. Stiles packte zögerlich seinen Rucksack und blickte sich noch ein letztes Mal schwermütig in der Hütte um, woraufhin Derek ihm versicherte: „Wir können jederzeit hierher zurückkommen. Und bloß weil wir jetzt nachhause fahren ändert sich zwischen uns nichts. Ich bin verrückt nach dir und wir finden einen Weg, wie du und ich zusammen sein können, ohne dass du dich dabei unwohl fühlen musst.“ „Versprich es!“ forderte Stiles und machte einen Schmollmund. Derek fand es bezaubernd, schnappte spielerisch nach den aufgeworfenen Lippen und versicherte: „So wahr ich dein Sugar-Baby bin!“ Stiles grinste und schlang die Arme um den Älteren. Dann nahmen sie ihr Gepäck, stiegen in Dereks Wagen und fuhren heim. Stiles ließ sich an seinem Apartment absetzen, doch er versprach, am Abend zu Derek nachhause zu kommen, damit sie in Ruhe reden und ihre Zukunft planen konnten. Stiles machte sich als Erstes daran Wäsche seine zu waschen, anschließend sah er bei Harvey und ihren Babys nach dem Rechten, reinigte den Käfig, versorgte sie mit frischem Wasser und Futter und dann kam der Tagesordnungspunkt, auf den er sich am meisten freute: Er konnte Scott die unglaublichen Neuigkeiten erzählen! „Er hat dich also allen Ernstes endlich wieder rangelassen? Das wurde aber auch echt höchste Zeit!“ kommentierte Scott grinsend. Stiles war ein wenig enttäuscht von dieser Reaktion und stellte richtig: „Ja schon, aber darum geht es ja gar nicht wirklich. Ich meine, der Sex mit Derek ist... er ist SO WAHNSINNIG TOLL! Er achtet immer darauf, dass es mir dabei gut geht und verdammt... er weiß wirklich was er da tut! Aber viel wichtiger ist, dass er mich tatsächlich liebt, verstehst du? Er hat es wieder und wieder gesagt und das zu hören ist... wie eine warme, kuschelige Decke, die mich von Kopf bis Fuß einhüllt. Weißt du, was ich meine?“ Scott nickte und ließ ein wenig den Kopf hängen. Stiles musste nicht fragen, was los sei. Er wusste es, denn schließlich kannten sie einander in- und auswendig und so versicherte er: „Das wird zwischen uns beiden nichts verändern, Bro! Ich liebe dich über alles und ich werde bestimmt kein abgehobene Milliardärsgattin und vergesse, woher ich gekommen bin. Wir zwei werden immer Freunde bleiben und unser Leben miteinander verbringen. Dass wir beide nun eine Beziehung haben, wird daran nichts ändern!“ „Das kannst du nicht wissen!“ erwiderte Scott unglücklich, doch Stiles erwiderte: „Natürlich weiß ich das. Ich weiß doch, was du für mich bedeutest!“ Er rutschte nah an seinen besten Freund heran, küsste ihn auf die Lippen und erklärte feierlich: „Du bist mein Bruder!“ „Und du bist meiner!“ versicherte Scott, lächelte bezaubernd und blinzelte seine Tränen weg. Sie umarmten einander noch einmal fest und dann holten sie die Spielekonsole hervor und zockten, bis ihnen die Augen brannten und es für Stiles Zeit wurde, zu Derek hinüber zu fahren. Er packte ein paar Übernachtungssachen und verabschiedete sich von Scott. Stiles warf seine kleine Tasche hinten in den Jeep, startete den Motor und stellte zufrieden fest, dass dieser keinerlei Schwierigkeiten machte. Roscoe 2 war viel zahmer und anspruchsloser, als der baugleiche Wagen, den er als Junge gefahren hatte, stellte Stiles zufrieden fest. Es war ein lauer Sommerabend, auf den Straßen herrschte mäßiger Verkehr und Stiles pfiff glücklich ein kleines Liedchen. Dann kam eine Ampel, welche vor ihm auf rot schaltete. Stiles versuchte zu bremsen und stellte dabei entsetzt fest, dass das Bremspedal keinerlei Widerstand bot. Er konnte es mühelos vollständig durchtreten, ohne dass er auch nur im geringsten langsamer wurde. Panik ließ seine Brust eng werden. Kapitel 28: Privat-Eye ---------------------- Vorwort: Und? Wer hat Lust auf eine Fortsetzung??? ;-) ____________________ Es war eigenartig, wie viel Zeit man zu haben meinte, wenn man ein unausweichliches Unglück auf sich zukommen sah. Stiles ging im Kopf ganz kühl und sachlich die Optionen durch, die er nun noch hatte: Er konnte ungebremst in seinen Vordermann hineinrasen, in diesem Fall eine Mutter mit zwei Kindern in einem Kombi, was mit Sicherheit beide Parteien auf die vor ihnen liegende Kreuzung und damit in den Verkehrsstrom treiben würde, der gerade grün hatte. Nein, das konnte er nicht tun! Er konnte das Steuer vollständig herumreißen, was den Jeep vermutlich ins Trudeln geraten ließe und möglicherweise sogar dafür sorgen mochte, dass er sich überschlug und von Autos gerammt würde, die hinter ihm kamen und nicht rechtzeitig bremsen könnten. Das war also auch keine Option. Er könnte die Handbremse anziehen, was bei seiner gegenwärtigen Geschwindigkeit vielleicht gar nichts bewirken würde, oder es würde so gut funktionieren, dass er zu abrupt stoppen und sich ebenfalls überschlagen und die Kontrolle über den Wagen verlieren würde. Er war sich nicht sicher, denn so etwas hatte er natürlich noch nie versucht, also ließ er es lieber bleiben. Er könnte nach rechts ausscheren, was ihn unmittelbar in den Gegenverkehr befördern würde, also entschied er sich dagegen. Und er könnte nach links ausscheren, genau in eine riesige, alte Palme, welche dort am Straßenrand stand. Innerlich sprach Stiles eine kleine Entschuldigung an den unschuldigen Straßenbaum, denn das war genau das, was er jetzt tun würde, weil er auf diese Weise wenigstens keine anderen Menschenleben, außer seinem eigenen riskieren würde. Stiles betete traurig, dass es heute bitte noch nicht geschehen mochte, weil er doch gerade eben erst die Liebe gefunden hatte, nach der er sich so sehr gesehnt hatte und weil er so gern noch ein wenig glücklich mit ihm gewesen wäre! Dann betete er, wenn seine Stunde nun wirklich schon gekommen sein sollte, dass dann wenigstens jemand für Scott und Derek da sein möge, der ihnen über den Verlust hinweghelfen konnte. Und schließlich blieb ihm bloß noch, seine Entscheidung in die Tat umzusetzen und tatsächlich das Steuer nach links zu drehen. Er schloss die Augen, aus welchen nun zwei kleine Tränen kullerten und er machte innerlich seinen Frieden mit der Welt und jedem, der ihm je Unrecht getan hatte. Er wusste, so wie er in diesem Augenblick, mussten sich auch seine Eltern in den letzten Sekunden vor dem Unfall gefühlt haben, welcher ihnen das Leben genommen hatte. Und vielleicht würde er ihnen ja in wenigen Augenblicken schon nachfolgen? Als Greenburg Besuch ankündigte, hoffte Derek selbstverständlich darauf, dass es Stiles sein möge, doch tatsächlich war es Deucalion, der ihm seine Aufwartung machten: „Was willst du hier, Deuc!“ knurrte der Hausherr übellaunig und kniff die Augen zu wütenden Schlitzen zusammen: „Wenn es hier schon wieder um Kate gehen soll, dann will ich wirklich nichts davon wissen, du hast nämlich überhaupt keine Ahnung, was gespielt wird und was sie mir angetan hat!“ „Es geht aber nicht um Kate, Derek!“ unterbrach ihn der Ältere: „Es geht um deinen kleinen Freund! Da gibt es einiges, was du wissen solltest und dann wirst du hoffentlich endlich einsehen, dass ich mit meinen Befürchtungen von Anfang an Recht gehabt habe.“ „Na, da bin ich aber gespannt!“ erwiderte Derek mit finsterer Miene, setzte sich auf die Couch und bedeutete seinem Freund, ebenfalls an Platz zu nehmen. Mit einer Aura der Selbstwichtigkeit hockte Deucalion sich also neben ihn und begann mit seinem Bericht: „Mir hat das Ganze große Sorge bereitet, weshalb ich einen Privatdetektiv angeheuert habe und der hat wirklich ganz unglaubliche Dinge über deinen sogenannten `Freund´ herausgefunden.“ Er machte eine dramatische Pause, doch als von Derek nichts weiter, als ein genervtes Augenrollen kam, fuhr er einfach fort: „Sein richtiger Name ist überhaupt nicht Stiles. In Wirklichkeit heißt er Mieczyslaw Stilinski. Die Familie, von der er uns erzählt hat, dieser Sheriff und seine Frau, sind beide längst tot. Und er ist auch kein Student an der UCLA , wie er behauptet hat, Derek. Dieser Junge ist eine MÄNNLICHE HURE! Ich hoffe wirklich, dass du immer darauf geachtet hast, ein Kondom zu verwenden. So einer kann dir doch sonst etwas anhängen! Und nun sag´ mir noch mal, dass dieses Früchtchen nicht bloß hinter deinem Geld her!sei Ich weiß nämlich zufällig, dass er monatlich von dir Dreißigtausend bekommt und dass du für ihn eine Wohnung gemietet hast. Aber ich hoffe, dir ist klar, dass er dort mit einem anderen Mann lebt, der ebenfalls ein Callboy sein soll? Und wie ich erfahren habe, ist dieser Mann hinter unserer kleinen Allison her. Aber ich habe das arme Mädchen bereits über alles in Kenntnis gesetzt. Das Vermögen der Argents werden sich diese beiden Halunken nämlich nicht auch noch unter den Nagel reißen, solange ich das verhindern kann!“ Derek hatte sich das Alles in Ruhe angehört. Nun schloss er die Augen und zählte innerlich bis zehn, um den Impuls niederzuringen, seinem Freund eine reinzuhauen. Stattdessen sagte er betont ruhig: „Ich wünschte wirklich, das hättest du nicht getan, Deuc! Der arme Scott hat nichts Unrechtes getan und er liebt Allison wirklich. Nun hast du völlig unnötiger Weise großes Unglück über diese beiden jungen Leute gebracht und dem Jungen die Chance genommen, Allison selbst die Wahrheit zu sagen, sobald er dazu bereit gewesen wäre.“ Deucalion riss überrascht die Augen auf und polterte los: „Sag´ mal hast du mir nicht zugehört? Diese Zwei sind Hochstapler! Sie sind nichts weiter als Abschaum von der Straße, Derek!“ „Jetzt halt doch einfach mal dein dämliches Maul, Deuc! Du kennst die beiden doch überhaupt nicht und hast kein Recht, in dieser Weise über sie zu urteilen!“ pöbelte Derek zurück: „Das Geld für den Privatdetektiv hättest du dir sparen können. Niemand hat versucht, mir etwas vorzumachen. Ich weiß genau, was Stiles ist, beziehungsweise war. Was glaubst du denn, wie ich ihn überhaupt kennengelernt habe. Ja, ich habe ihn auf der Straße aufgelesen und zwar, weil ich verzweifelt war! Aber Stiles hat mir nie irgendetwas verschwiegen, mit Ausnahme seines richtigen Vornamens, weil er den nämlich hasst. Und ja, er ist ein Stricher! Na und? Macht ihn das etwa zu einem schlechten Menschen? Er war ein verzweifelter Junge, der aus heiterem Himmel von einem Tag auf den anderen seine Eltern und sein Heim verloren hat. Und weil er nichts mehr auf der Welt hatte, hat er eben seinen Körper verkauft, um zu überleben. Wen juckt´s? Wir verkaufen uns doch alle auf die eine, oder andere Art und seine ist eben eine ehrlichere.“ „So, wie du das sagst, klingt es ja, als sei er bloß ein armes, kleines Opfer. Nimmst du ihm diese Nummer etwa ab?“ fragte Deucalion fassungslos: „Nein, Stiles ist kein armes, kleines Opfer, du mieser, zynischer Bastard. Was er in Wirklichkeit ist, ist der verdammt nochmal beste Mensch, den ich je getroffen habe und höchstwahrscheinlich verdiene ich ihn und das, was er für mich getan hat überhaupt nicht.“ Deucalion blickte ihn verständnislos an: „Ich begreife dich nicht, Derek? Einer wie du hat es doch nicht nötig, sich die Gesellschaft eines Menschen zu ERKAUFEN? Du siehst aus, wie ein Disney-Prinz, bist gebildet und reicher als Gott. Jeder, egal ob Mann oder Frau würde sich glücklich schätzen, mit dir zusammen zu sein.“ „Ich habe Stiles damals ja auch nicht mitgenommen, weil ich unbedingt ein neues Boy-Toy wollte, Deuc. Es ging niemals ums Vögeln, denn danach stand mir damals wirklich nicht der Sinn!“ erwiderte Derek frostig.“ „Warum geht es dann? Bitte erklär´ es mir, Junge, denn ich komme da echt nicht mehr mit!“ bat Deucalion nun mit Kreide in der Stimme: „Vorher will ich, dass du weißt, dass ich nicht einmal mit dir sprechen würde, wenn Stiles nicht gewesen wäre, Deuc. Ich war so wahnsinnig wütend auf dich und hätte dir ohne sein gutes Zureden schon längst die Freundschaft gekündigt. Ich weiß nämlich, dass du ihm eine Menge Geld geboten und sogar sein Leben bedroht hast, um ihn loszuwerden. Und wag´ es nicht, das zu leugnen!“ „Ich hätte ihm doch nicht wirklich etwas angetan. Wofür hältst du mich denn? Ich wollte ihn doch lediglich vertreiben und das habe ich bloß getan, um auf dich aufzupassen, weil du mein Freund bist und ich dich liebe wie ein Vater, oder ein großer Bruder!“ erwiderte der Ältere unerwartet sanft: „Ja, das hat Stiles auch gesagt, aber weißt du, was mich dabei wirklich ärgert, mein `Freund´? Dass du scheinbar vergessen hast, dass ich ein erwachsener Mann bin, der selbst weiß, was er tut!“ knurrte Derek: „Aber nach dem Tod deiner Familie warst du doch ein Wrack! Du warst verletzlich und beeinflussbar!“ entgegnete Deucalion vorsichtig: „Ich mag verletzlich gewesen sein, jedoch war ich immer noch Herr meiner Sinne!“ hielt der Jüngere gereizt dagegen: „Und gerade weil ich in so einem schlechten Zustand war, habe ich Stiles gebraucht. Er hat geschafft, was kein Arzt, kein Therapeut, kein Guru und keine Pille vermocht haben: Er hat mir meinen Frieden wiedergegeben und gemacht, dass ich endlich wieder schlafen konnte!“ „Und wie hat er das geschafft?“ wollte sein Freund wissen: „Wenn ich es dir erzähle, dann nur, wenn du versprichst, aufgeschlossen zu bleiben. Beim ersten Wort gegen Stiles fliegst du raus!“ stellte Derek seine Bedingungen: „Versprochen!“ erwiderte der Ältere, lehnte sich zurück und setzte eine neutrale Maske auf. Derek kannte dieses Gesicht gut, aus den zahllosen geschäftlichen Verhandlungen, die sie bereits gemeinsam geführt hatten. Eine ehrliche und offene Miene wäre Derek lieber gewesen, doch er erkannte an, dass sein Freund sich wenigstens bemühte und so begann er einfach zu erzählen. Er berichtete davon, wie er in einer verzweifelt schlaflosen Nacht, einer von so vielen, die er seit dem Feuer gehabt hatte, mit seinem Wagen ziellos durch die Straßen gefahren war und dann einfach einer Eingebung folgend Stiles aus einer ganzen Horde von Strichern erwählt und mitgenommen hatte, ohne selbst recht zu wissen, was er eigentlich von ihm wollte und wie dieser wildfremde Straßenjunge sich dann wie ein Freund um ihn gekümmert und ihn festgehalten hatte und es seither auch in beinahe jeder Nacht tat: „Er hat ganz einfach gewusst, was zu tun war, Deuc und er hat im Grunde nichts dafür verlangt. Ich bin auf die Idee gekommen, ihm ein Festgehalt zu zahlen und ihm ein Zuhause zu geben, weil er vorher in einer abrissreifen Ruine gehaust hat und dabei habe ich lediglich an mich selbst gedacht. Ich wollte erreichen, dass er zur meiner Verfügung steht, wenn ich ihn brauche, denn mit dem, was er für mich getan hat, hat er mir vermutlich sogar das Leben gerettet. Ich glaube nicht, dass du auch nur die geringste Ahnung hast, wie schlecht es wirklich um mich stand, aber Stiles war da. Stiles hat mich gerettet, verstehst du mich?“ „Also seid ihr Zwei gar kein Paar? Was sollte dann das ganze Theater?“ fragte Deucalion verwirrt: „Das war meine Idee und vermutlich eine meiner schlechtesten. Ich hatte einfach die Schnauze voll davon, dass Erica und du ständig versucht habt, mich zu verkuppeln. Ich wollte meine Ruhe, also habe ich Stiles gebeten, diese kleine Scharade mit mir aufzuführen.“ Derek zögerte kurz und fügte dann hinzu: „Nur dass es mittlerweile keine Scharade mehr ist. Seit ein paar Tagen sind wir wirklich ein Paar und das macht mich sehr, sehr glücklich.“ „Dir ist aber klar, was passiert, wenn die Presse davon Wind bekommt, oder?“ fragte sein Gesprächspartner vorsichtig: „Man wird dich und den Jungen nicht mehr in Ruhe lassen. Die Medien werden wochenlang kein anderes Gesprächsthema haben! Du bist ein Mann der Öffentlichkeit, Derek.“ „Du weißt doch, dass ich mich aus der Öffentlichkeit lieber fernhalte, so gut ich kann. Ich hatte nicht die Absicht, es irgendwem zu verraten, aber selbst wenn es rauskommt: Ich liebe ihn und darum ist es mir egal! So ein Medienrummel ist wie ein Unwetter; er geht wieder vorbei! So war es nach dem Tod meiner Familie und so wird es auch dann wieder sein.“ Deucalion nickte bedächtig und versicherte sich noch einmal: „Es ist dir also absolut ernst damit, richtig Junge?“ „Vollkommen!“ bestätigte Derek und so versicherte sein Freund: „Dann werde ich von jetzt an voll und ganz hinter dir stehen und versuchen, deinen Wunderknaben besser kennenzulernen, um irgendwann vielleicht das zu erkennen, was du in ihm siehst; also gesetzt den Fall, er gibt mir dazu nach allem, was vorgefallen ist noch die Chance dazu?“ „Also ich an seiner Stelle würde dich zur Hölle schicken, aber Stiles ist nicht so. Ich bin ziemlich sicher dass er, wenn du ihm eine Hand reichen würdest, sie auch ergreifen würde.“ gab Derek zurück. Deucalion nickte und wollte dann wissen: „Verrätst du mir nun noch, wie Stiles es denn eigentlich geschafft hat, dass du wieder Schlaf finden konntest? Es muss doch mehr nötig gewesen sein, als bloß ein warmer Körper an deiner Seite, sonst hätte es doch schließlich jeder für dich tun können?“ Darüber musste Derek eine Weile nachdenken. Schließlich antwortete er: „Ich denke, er hat es einfach verstanden, was es war, das mir den Schlaf geraubt hat, immerhin hat auch er seine Familie verloren, aber er hat nie eine große Sache daraus gemacht. Er hat mir das Gefühl gegeben, dass ich bei ihm in Sicherheit bin und das alles irgendwie wieder gut werden kann. Aber es waren ja auch nicht bloß die Nächte. Mit ihm zusammen zu sein ist schön! Er ist lieb, lustig, unerwartet, interessant... ! Er...“ Derek suchte nach den richtigen Worten: „... er ist einfach voller Liebe und Licht!“ Er senkte beschämt den Kopf, weil er sich wie ein sentimentaler Trottel vorkam, aber es war nun einmal die Wahrheit. Überraschender Weise lächelte Deucalion nun und sagte: „Ich denke, ich verstehe dich, Junge. Wenn ich Worte finden müsste für das, was er Erica für mich bedeutet, dann würde ich wohl ebenfalls Liebe und Licht wählen.“ Derek atmete erleichtert auf. Er wollte etwas erwidern, doch in diesem Augenblick klingelte sein Telefon. Derek vermutete, dass es Stiles sein würde, um Bescheid zu geben, dass er sich verspätete, doch zu seiner Überraschung erschien die Nummer von Scott auf seinem Display. Er ging also an den Apparat und verspürte sofort eine gewisse Unruhe. Scotts Stimme war schrill, er röchelte, schniefte und war kaum zu verstehen. Mit Mühe konnte Derek schließlich die entscheidenden Begriffe heraushören: Stiles, Unfall, White Memorial Hospital, Notaufnahme. Derek wurde ganz schlecht: „Ganz ruhig Scott!“ brachte er gepresst hervor: „Warte vor eurer Tür auf mich. Ich bin in fünfzehn Minuten bei dir!“ Er legte auf. „Ich muss weg!“ teilte er Deucalion mit. Sein Blick war glasig und ins Leere gerichtet. „Was ist los, Junge? Du bist ja weiß wie eine Wand!“ stellte der Ältere fest, doch da hatte Derek sich bereits seine Jacke geschnappt und zum Gehen gewandt. Deucalion hielt ihn am Arm fest und forderte: „Sag´ mir erst, was du vorhast! Ich lasse dich so nicht gehen. Du stehst unter Schock!“ „Lass´ mich los, Deuc!“ forderte der Jüngere: „Stiles braucht mich. Er hatte einen Unfall.“ „War er das gerade am Telefon?“ wollte sein Freund wissen: „Dann kann es doch gar nicht so schlimm sein.“ Derek schüttelte ungeduldig den Kopf, riss sich los und marschierte weiter in Richtung Ausgang: „Ich werde dich fahren, Junge! Wenn du dich so ans Steuer setzt, dann bist du gleich der Nächste, der einen Unfall hat!“ entschied Deucalion und folgte ihm. Sie fuhren mit Deucalions Auto am Wohnhaus von Stiles und Scott vor. Letzterer wartete bereits vor der Haustür und war ein absolutes Nervenbündel. Er war verheult, zappelig und hatte offensichtlich gerade einen Asthmaanfall, den er mit einem Aspirator in den Griff zu bekommen versuchte. Er sprang hinten in den Wagen und sofort überfiel Derek ihn mit Fragen, darüber, was denn überhaupt passiert sei und wie es Stiles gehe. Scott brach augenblicklich wieder in Tränen aus, seine Atmung verschlechterte sich und er drohte nun beinahe zu ersticken: „Nun lass´ doch den Jungen in Ruhe, Derek!“ forderte Deucalion: „Woher soll er das denn alles wissen? Die Krankenhäuser sagen einem so etwas doch nicht am Telefon. Wir sind ja gleich da und dann werden wir sehen, wie ernst es ist.“ Kaum war der Wagen geparkt, stürzten Derek und Scott auf die Notaufnahme zu, Letzterer schwer atmend und am Empfangsschalter forderte Derek zu wissen, wie es dem Patienten Stiles Stilinski gehen würde, der heute hier eingeliefert worden war. Die Schwester warf einen skeptischen Blick auf Scott, der sich röchelnd bog und in den letzten Zügen zu liegen schien: „Sollten wir uns nicht vielleicht zuerst um ihn kümmern?“ fragte sie sorgenvoll und obwohl Scott heftig mit dem Kopf schüttelte und zu Protest anhob, kam sie hinter ihrem Tresen hervor und nahm dem Asthmakranken sein Spray aus der Hand und stellte schnell fest: „Das ist ja leer?“ Sie wies eine der Schwesternhelferinnen an, ihr einen neuen Zerstäuber aus der Apotheke zu besorgen, setzte Scott dann auf eine der Wartebänke, ließ ihn den Kutschersitz einnehmen, gab ihm Atemanweisungen und versuchte, mit beherzten Handgriffen den verengten Brustkorb des Leidenden wieder ein wenig zu weiten. Irgendwas an dieser Frau, mit den schönen schwarzen Locken erinnerte Scott an seine leibliche Mutter, die er ja bereits als Kleinkind verloren hatte und er musste schon wieder weinen. Derek hatte unterdessen einen Arzt gefunden und verlangte von diesem, endlich nachzusehen, wie es Stiles denn nun ginge. Er warf dabei all seine Autorität als erfahrener Geschäftsmann in die Waagschale und tatsächlich ließ sich der überarbeitete Mediziner dazu herab, kurz für ihn im Computer nachzusehen und verkündete dann: „Der junge Mann wird noch untersucht. Ich kann ihnen nichts Genaues sagen. Warten sie hier. Man wird ihnen Bescheid geben, wenn eine Diagnose vorliegt. Wer sind sie denn überhaupt? Sind sie mit dem Verletzten verwandt?“ „Mein Name ist Derek Hale. Ich bin sein Partner.“ gab Derek matt zurück. Der Arzt nahm ihn genauer in Augenschein und dann trat ein Ausdruck des Erkennens in seinen Blick: „Nehmen sie Platz, Mr. Hale. Ich bin sicher, meine Kollegen tun ihr Bestes!“ erklärte der Halbgott in Weiß halbherzig und dann hastete er auch schon weiter, zu seinem nächsten Einsatz. Derek hockte sich neben Scott, der mittlerweile wieder normal atmete, aber immer noch leise schluchzte: „Sie untersuchen ihn noch.“ ließ er den Jüngeren wissen: „Was, wenn er zu schwer verletzt ist?“ fragte Scott elend und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Derek zuckte ratlos mit den Schultern und zog den Jungen in seine Arme. „Ich wollte vorhin Allison anrufen und ihr erzählen, was passiert ist, aber sie drückt mich immer weg!“ murmelte Scott unglücklich gegen Dereks Schulter: „Ich wünschte, sie wäre jetzt hier!“ Deucalion der sich das ganze Geschehen bislang lediglich von der Seitenlinie beobachtet hatte, hatte zumindest den Anstand, in diesem Augenblick beschämt dreinzuschauen und Derek erwiderte: „Ich denke ich weiß, was da los ist, aber darüber sollten wir uns jetzt keine Gedanken machen. Jetzt ist erst mal bloß Stiles wichtig und dass er wieder gesund wird.“ Scott runzelte die Stirn, doch dann nickte er. Wahrscheinlich war er in seiner Sorge einfach zu überwältigt, um sich zu fragen, wie Dereks Worte zu verstehen seien. „Ich werde euch Kaffee besorgen!“ verkündete ein schuldbewusster Deucalion aus dem Hintergrund: „Wollt ihr auch etwas zu essen?“ Die beiden Angesprochenen schüttelten den Kopf, doch Derek bestätigte: „Kaffee wäre gut!“ Sie warteten beinahe zweieinhalb Stunden, bis endlich ein Arzt zu ihnen kam und erklärte: „Der Patient wird nun auf sein Zimmer gebracht. Wenn sie möchten, dürfen sie ihn kurz sehen.“ Und ob sie das wollten! Sie beeilten sich so sehr das Zimmer mit der angegebenen Nummer zu erreichen, dass sie sogar noch vor dem Patienten dort eintrafen. Dieser wurde jedoch wenig später mitsamt seinem Krankenbett von einer Schwester hereingerollt. Derek und Scott stockte der Atem, als sie ihn sahen: Eine kleine, frisch genähte Schnittverletzung an der linken Wange, eine Halskrause, ein Arm in Gips und blaue Flecken am ganzen Körper „Jetzt schaut doch nicht so! Mir geht es blendend!“ behauptete Stiles, doch die Krankenpflegerin schüttelte energisch mit dem Kopf und berichtigte streng: „Glauben sie ihm kein Wort. Mr. Stilinski ist bis zum Stehkragen vollgepumpt mit Schmerzmitteln. Er hat ein schweres Schleudertrauma, drei gebrochene Rippen, leichte Quetschungen am Brustkorb und der rechte Arm ist gebrochen. Es geht ihm also NICHT gut, allerdings muss man andererseits sagen, dass er unverschämtes Glück gehabt hat, denn sein Wagen hat einen Totalschaden erlitten und die Feuerwehr musste ihn dort herausschneiden.“ Als Stiles die besorgten Gesichter seines Liebhabers und seines besten Freundes sah, erklärte er rasch munter: „Ich muss also eine paar Wochen mit links onanieren. So schlimm ist das nun auch wieder nicht. Jetzt guckt doch nicht so!“ „Oh, halt die Klappe, du Trottel!“ schimpfte Scott zärtlich, als einmal mehr an diesem Tag bei ihm die Tränen flossen und Derek murrte: „Ich habe doch gewusst, dass diese verdammte Karre eine Gefahr für Leib und Leben ist! Ich hätte nicht auf dich hören und dir stattdessen lieber ein vernünftiges Auto kaufen sollen!“ „Ach was, ihr Zwei! Und jetzt kommt her und gebt der Mami einen Kuss!“ erwiderte er flapsig und streckte stöhnend seine Arme nach ihnen aus. Kapitel 29: Seltsame Zufälle - Teil 1 ------------------------------------- Scott nahm auf dem Krankenbett Platz und schmiegte sich sehr behutsam an Stiles linke, weniger verletzte Seite, wie ein einsamer, kleiner Welpe und sein bester Freund begann ihm das Haar zu kraulen. Derek stand indes ein wenig unbeholfen auf der anderen Bettseite, bis Stiles ihn fragte: „Was ist los, mein Großer? Willst du einfach nur da rumstehen?“ „Aber ich will dir nicht wehtun!“ murmelte der Ältere unbehaglich. Stiles lachte: „Ungebremst in einen Baum zu rasen hat wehgetan. Dich bei mir zu wissen wird mich höchstens ganz schnell wieder gesund machen, als komm´ bitte zu mir, ja?“ Derek zog sich einen Stuhl ans Bett, betrachtete seinen geschundenen Liebhaber leidend und begann dann sehr zart, das geliebte Gesicht mit den Fingerspitzen zu streicheln: „Wie konnte so etwas denn nur passieren?“ wollte er wissen: „Hat dich jemand von der Straße gedrängt, oder was war da los?“ Stiles schüttelte den Kopf: „Es waren die Bremsen. Sie haben einfach nicht reagiert. Vielleicht hat ein Tier sich daran zu schaffen gemacht? Der Wagen hat schließlich ein paar Tage gestanden? Solche Sachen passieren nun mal.“ spekulierte er. Derek runzelte skeptisch die Stirn und so witzelte Stiles, auf Deucalion deutend, welcher sich immer noch, uncharakteristisch schüchtern im Türrahmen herumdrückte: „Vielleicht war es ja auch dein Kumpel da drüben, der die Bremsleitungen höchstpersönlich durchgenagt hat, weil er seine Drohung gegen mein Leben auf besonders perfide Art und Weise in die Tat umsetzen wollte? Was will er überhaupt hier? Sich von meinem baldigen Ableben überzeugen, oder was?“ „Wir haben uns ein wenig ausgesprochen, er hat Besserung gelobt und er hat Scott und mich hergefahren, aber das ist noch lange kein Grund, dass du ihm verzeihen müsstest, Baby! Weißt du, was er getan hat? Er hat einen Detektiv auf dich angesetzt, der herausgefunden hat, dass du früher als Sexarbeiter gearbeitet hast.“ gab Derek giftig zurück: „SCHOCKIEREND!“ erwiderte Stiles kichernd: „Du hast ihm hoffentlich kein Wort geglaubt, oder Liebling?“ Derek küsste Stiles sanft auf die Schläfe und fügte erbost hinzu „So witzig ist das leider gar nicht. Er hat auch Allison von euch beiden erzählt!“ „Idiot!“ brummte Stiles kopfschüttelnd und Scott stellte unglücklich fest: „Deswegen ignoriert sie also meine Anrufe und Nachrichten. Das war´s dann wohl für uns beide?“ Alle Drei schauten Deucalion bitterböse an und dieser beteuerte reumütig: „Ich bringe das mit Allison wieder in Ordnung, ehrlich! Und mit deinem Unfall hatte ich selbstverständlich nichts zu tun, Stiles! Das war doch bloß eine leere Drohung! Ich bin doch kein verrückter Psycho!“ „Warst du mit dem Kerl etwa beim Tierarzt Derek, oder woran liegt es, dass er auf einmal so lammfromm ist?“ fragte Stiles mit einem bösen, kleinen Grinsen „Nein, ich habe ihm nur klar gemacht, dass du das Beste bist, was mir je passiert ist, Liebling und ich denke, er hat es nun endlich begriffen.“ Stiles errötete leicht bei Dereks liebevollen Worten und um von seiner Rührung und Verlegenheit abzulenken, sagte er forsch an Dereks Freund gewandt: „Na, das wurde aber auch wirklich langsam Zeit, Kumpel!“ „Es tut mir wirklich leid!“ versicherte Deucalion: „Es tut mir leid, dass ich Stiles bedroht und zu bestechen versucht habe und es tut mir leid, dass ich Dereks Entscheidung misstraut und einen Privatermittler angeheuert habe, aber das Ganze wäre vielleicht gar nicht passiert, wenn ich von Anfang an nicht von euch belogen worden wäre.“ Derek richtete sich ruckartig auf und fragte empört: „Also ist es meine Schuld, dass du so ein misstrauischer Zyniker bist, der nicht begreifen will, dass ich bereits erwachsen bin, oder wie?“ „Nein Derek, das ist allein meine Schuld und ich werde versuchen, meine Fehler an euch wieder gut zu machen!“ antwortete Deucalion betont bußfertig. „Und mit meinem Freund und seiner süßen Freundin wirst du anfangen! Bring´ das gefälligst uin Ordnung!“ bestimmte Stiles und rieb dem betreten dreinblickenden Scott zärtlich den Rücken. Zu Derek, der Deucalion immer noch wütend fixierte, sagte Stiles süß: „Geben wir deinem Freund doch eine Chance zur Besserung, ja? Immerhin bin ich ganz arg verletzt und brauche Harmonie um mich herum, um wieder gesund zu werden!“ „Siehst du, Deuc?“ rief Derek triumphierend aus: „Ich habe es dir ja gesagt! So ist Stiles nämlich: Er hätte jedes Recht, dich noch eine Weile leiden zu lassen, doch er tut es nicht!“ „Danke!“ sagte Deucalion schlicht. In diesem Moment kam die Schwester zurück ins Krankenzimmer und verkündete: „Ich denke, die Besuchszeit ist nun zu Ende. Der Patient braucht ein wenig Ruhe.“ Schlagartig fühlte Derek bei dem Gedanken, seinen Freund eine ganze Nacht lang hier allein zurückzulassen eine Furcht in den den Eingeweiden, welche sogar Übelkeit bei ihm auslöste. Natürlich war ihm selbst klar, dass das irrational war, aber nach dem, was heute geschehen war, hatte er irgendwie das Gefühl, ihn noch viel, viel besser beschützen zu müssen. Es war bereits sehr spät in der Nacht, als Kate Argent das White Memorial Hospital betrat. Sie fiel gar nicht auf in ihrer Schwesterntracht und von den Bereichen die mit einer Kamera überwacht wurden, hielt sie sich natürlich fern. Zu dieser späten Stunde war hier nicht viel los und so konnte sie kurz hinter einen der Tresen für das Pflegepersonal schlüpfen, um im Computer nachzusehen, in welchem Zimmer Stiles untergebracht wäre. Als sie früher am Tag den Unfall beobachtet hatte, hatte sie schon gehofft, das wäre es nun bereits gewesen, doch diese kleine Bitch war wohl zäher, als er aussah, also würde sie nun wohl doch noch ein wenig nacharbeiten müssen. Sie schlich also lautlos und unauffällig durch die Gänge und huschte schließlich in das halbdunkle Krankenzimmer. Und da lag er! Schlafend, in Verbände gewickelt und eigentlich schon fast hinüber. Niemand würde später auf die Idee kommen, dass sein Tod KEINE natürlichen Ursachen haben könnte. Kate zückte die mitgebrachte Spritze und gab das Gift, welches den Herzstillstand bewirken würde in den Tropf mit dem Schmerzmittel. Eine Einstichwunde im Arm würde vielleicht Misstrauen wecken, doch so wäre es gänzlich unauffällig. Außerdem würde der Patient so auch nicht aufwachen und am Ende noch versuchen, sich zu wehren. Kate blickte noch einmal hinab auf den verletzten Jungen auf dem Bett. Am Liebsten würde sie bleiben, um ihn sterben zu sehen, doch sie durfte sich nicht erwischen lassen, also kam sie leider um dieses besondere Vergnügen. Zu dumm! Aber was war DAS? Kates Blick fiel auf das Plastikbändchen mit dem Namen des Patienten darauf. Wer zur Hölle war denn Jamie Townsend? Verdammt! Sie schaute sich den jungen Mann in den Verbänden um Kopf und Oberkörper noch einmal genauer an: Dies hier war ja überhaupt nicht Stiles! Nicht dass dieser Kollateralschaden Kate besonders jucken würde. Sie war einfach nur genervt, dass sie sich nun etwas Neues einfallen lassen musste, um den kleinen Mistkerl loszuwerden! Als ob sie sonst nichts zu tun hätte! Wutschnaubend verließ sie das Krankenzimmer, während hinter ihr der Herzalarm losging, der vermeldete, dass Jamie Townsend nun tot war. Sie verschwand durch eines der Treppenhäuser, um niemandem in die Arme zu laufen. Derek blickte hinab auf Stiles, welcher nun endlich eingeschlafen war. Der Junge hatte vor lauter Schmerzen lange nicht gewusst, wie er überhaupt liegen sollte, hatte sich unter Stöhnen hin- und hergeworfen und dennoch hatte er eine Schmerztablette verweigert, bis Derek den Unvernünftigen schließlich einfach dazu genötigt hatte. Und nun hielt der Ältere hier Wache, denn für das Wohl seines Freundes opferte er seinen Schlaf mit Freuden, Es war gar nicht so einfach gewesen, das Krankenhauspersonal überhaupt davon zu überzeugen, Stiles zu entlassen, denn sie hatten darauf bestanden, dass dieser über Nacht zur Beobachtung bleiben müsse. Derek hatte versichert, dass er genauestens auf ihn acht geben werde, doch dass war dem behandelnden Notarzt nicht gut genug gewesen. Erst als er Dr. Geyer von seiner Station geholt hatte, welcher die Versicherung abgegeben hatte, zweimal täglich nach Stiles zu sehen und Derek zusätzlich versprochen hatte, heute noch eine private Krankenschwester in sein Haus zu holen, hatten sie schließlich eingelenkt. Für den befreundeten Mediziner war es sichtlich unangenehm gewesen, seine Position als Oberarzt in diesem Krankenhaus einzusetzen, um die Entlassung zu erwirken, doch Derek hatte keine großen Bauchschmerzen damit gehabt, diesen besonderen Umstand auszunutzen Die Privatschwester, die er angeheutert hatte, hatte nun ein Gästezimmer unter Dereks Dach erhalten und war über einen Monitor über Stiles Vitalfunktionen informiert, so dass sie im Notfall zur Stelle sein konnte, doch im Augenblick war alles in bester Ordnung. Warum Derek nun so unbedingt gewollt hatte, dass Stiles wieder mit ihm nachhause käme, hätte er beim besten Willen nicht erklären können. Vielleicht hatte er einfach schon zu viel verloren und fühlte sich nur dann gänzlich sicher, wenn er den verletzten Stiles unmittelbar neben sich wusste? Vermutlich war es irgendetwas in dieser Art, aber Derek war auch nicht besonders gut in Sachen Selbstbetrachtung. In dieser Minute jedenfalls wünschte er sich gewaltige, Schutz spendende Schwingen, unter denen er seinen verletzten Geliebten verbergen könnte, bis dieser wieder heil und stark wäre. Und Derek konnte sich auch lebhaft vorstellen, was Stiles selbst davon halten würde, derart begluckt zu werden: Der zähe, unabhängige, kleine Kerl würde es aus tiefster Seele HASSEN! Derek war sich bewusst, dass es eine ganz schöne Herausforderung werden würde, den hyperaktiven Stiles lange genug im Bett festzuhalten, bis dieser wieder vollständig genesen wäre. Er würde sich ausreichend Beschäftigung überlegen und seine Freunde hierzu mit einspannen müssen. Am kommenden Morgen kam Deucalion auf einen Kaffee vorbei. Er hatte eine Packung Donuts dabei. Stiles rief vom Schlafzimmer aus, dass er Derek ruhig ins Büro mitnehmen könne, doch dieser weigerte sich beharrlich und rief zurück, dass er hier ja wohl nötiger gebraucht werde! Er instruierte also seine rechte Hand in der Firma eingehend, welche Aufgaben in den nächsten Tagen anstehen würden und während sie noch mittendrin waren, kam Dr. Geyer wie versprochen nach seinem Nachtdienst vorbei und verschwand als erstes im Schlafzimmer, um Stiles zu untersuchen. Als er zu Deucalion und Derek an den Frühstückstisch zurückkehrte, bekam der Übernächtigte ebenfalls einen Kaffee und einen Donut und versicherte, wie viel Glück Stiles im Unglück gehabt habe, weil er am Ende ja nur leichte Verletzungen davongetragen habe. Er ließ einen Schmerztropf da, den die Krankenschwester später bei dem Patienten durchlaufen lassen konnte. Dann berichtete er nebenbei, dass er bei der Schichtübergabe zufällig mitbekommen habe, dass ein Unfallpatient, und zwar genau jener, welcher später in Stiles altes Zimmer gekommen sei, nachdem dieser gestern Abend entlassen worden war, völlig unerwartet in der vergangenen Nacht verstorben sein. Sei das nicht ein seltsamer Zufall? „Na ja, nicht jeder kann eben so viel Glück haben, wie Stiles, nicht wahr?“ schloss er schließlich seine Erzählung. Derek lief es bei diesem Bericht eiskalt den Rücken herunter; vermutlich deswegen, weil es ihm noch einmal so richtig klar machte, wie knapp es für seinen Geliebten gestern in Wirklichkeit gewesen war. Kapitel 30: Seltsame Zufälle, Teil 2 ------------------------------------ Nachdem Deucalion und Dr. Geyer wieder gegangen waren, brachte Derek Stiles sein Frühstück ans Bett. Natürlich hatte er es nicht selbst gemacht, aber es zu servieren wollte er sich dann doch nicht nehmen lassen. Auf dem Tablett befanden sich Obstsalat, ein Omelett mit verschiedenen Pilzen, einige Scheiben Roastbeef, Toast, Butter und einer der Donuts, welche Deucalion mitgebracht hatte. Als Stiles es sah, fragte er lachend: „Willst du mich etwa mästen, oder wie? Wer soll das denn alles essen? Ich kann mich ja nicht einmal bewegen, um diese Kalorien wieder zu verbrennen. Ich werde total fett werden!“ Derek gab ihm einen zarten Kuss und erwiderte: „Du kannst das vertragen. Du bist sowieso viel zu dünn! Außerdem will ich dich verwöhnen und päppeln, damit du ganz schnell wieder gesund wirst.“ „Du bist lieb!“ urteilte Stiles strahlend, doch als er sich aufrichtete um zu essen, verzog er schmerzhaft das Gesicht und hielt sich die gebrochenen Rippen. „Lehn´ dich wieder zurück. Ich werde dich füttern!“ bestimmte Derek und drückte ihn mit sanfter Gewalt in die Kissen zurück. „Nein, Baby! Das geht echt zu weit!“ maulte Stiles unzufrieden: „Ich bin ein großer Junge und kann allein essen.“ „Du bist mein Patient und solange du dich in meiner Obhut befindest entscheide ich, was du alleine kannst!“ behaupte Derek größenwahnsinnig: „Also, dann sollte ich jetzt auf der Stelle nachhause gehen. Vielen dank! Es war nett bei dir, mein Schatz.“ erwiderte Stiles und machte einen halbherzigen Versuch aufzustehen. Derek schlang einen Arm um den Jüngeren und mit der freien Hand führte er einen Löffel voll Rührei an seine Lippen: „Bleib bei mir, Süßer! Ist es denn wirklich so schlimm, von seinem heißen, reichen, großartigen Freund nach allen Regeln der Kunst verwöhnt zu werden?“ fragte er und lächelte verführerisch. „Es ist die Hölle!“ behauptete Stiles mit einem bösen, kleinen Grinsen: „Außerdem: Wer hat behauptet, dass du heiß wärst, Hale?“ Derek schmollte und Stiles schmolz: „Ich mache doch nur Quatsch! Du bist das Schönste, was ich je gesehen habe!“ versicherte er und reckte sich Derek mühsam entgegen, um ihn zu küssen. Derek war schnell wieder versöhnt und fütterte seinen Patienten, bis dieser verkündete, dass nun wirklich nichts mehr hineinginge. Derek brachte das Tablett weg und überließ dann erst einmal der Krankenschwester das Feld. Stiles wurde gewaschen, seine Hämatome mit Salbe versorgt und er bekam sein Schmerzmittel. Anschließend fühlte sich der Patient schon wieder so erledigt, dass er gleich aufs Neue einschlief. Während der Verletzte schlief, war Derek nicht untätig. Er führte ein paar Telefonate und recherchierte ein wenig im Internet, allerdings nicht geschäftlich, sondern allein für Stiles. Es sollte ihm an nichts fehlen, Derek würde alles tun, damit er so schnell wie möglich wieder gesund werden würde und auch bloß keinen Stubenkoller bekäme. Bis zum Nachmittag wurde Stiles mit Fernsehen und Süßigkeiten ruhiggestellt und gerade, als Langeweile aufzukommen drohte, kam Besuch. Derek hatte Greenburg mit der Limousine losgeschickt um Stiles Freunde einsammeln. Nun liefen Malia, Lydia und Scott durch Dereks riesige Villa, als sei sie der Louvre, oder so und die drei jungen Leute kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Malia war wie ein kleines Mädchen, riss Türen auf um zu sehen, was sich dahinter verbarg und fasste alles mögliche an: „Deine Hütte ist der Wahnsinn, Cousin!“ rief sie aus und pfiff anerkennend: „Und hier wohnst du also ganz allein? Was macht man denn mit so viel Platz?“ Derek zuckte verlegen mit den Schultern und gestand ein: „Ich weiß auch nicht...es ist wirklich ein bisschen groß, oder?“ Dann rief er alle zu einer Lagebesprechung in seinem Salon zusammen: „Wir müssen Stiles in der nächsten Zeit unbedingt irgendwie ablenken und beschäftigen. Ich habe nämlich ein wenig nachgelesen: Es wird ungefähr zwölf Wochen dauern, bis die gebrochenen Rippen vollständig ausgeheilt sind. So lange werde ich ihn mit Sicherheit nicht ans Bett fesseln können, aber wenn wir einen Monat schaffen, ohne dass er da draußen herumläuft und sich in Gefahr begibt und ich ihn stattdessen hier pflegen kann, dann wäre das sicherlich hilfreich für seine Genesung. Schaffen wir das? Ich werde alles tun; Künstler und Musiker einladen, die ihn unterhalten, ein Streichelzoo... was auch immer nötig ist. Helft ihr mir, ihn zu beschäftigen, damit er sich nicht langweilt? Ihr wisst ja selbst, wie er ist: Stillsitzen ist nicht seine große Stärke!“ „Ich schätze, wir müssen uns wirklich etwas einfallen lassen. Stiles ist ein furchtbarer Kranker. Bei seiner letzten Erkältung habe ich darüber nachgedacht, ihn tatsächlich ans Bett zu fesseln und zwar wortwörtlich, weil er einfach nicht liegen bleiben wollte. Ich liebe ihn, aber da hat er mich wirklich wahnsinnig gemacht.“ bestätigte Scott und Malia bot an: „Also wenn es soweit ist, sagt mir Bescheid. Von Bondage verstehe ich nämlich etwas!“ „Nichts da! Stiles wird nicht gefesselt!“ protestierte Derek: „Wir werden ganz lieb zu ihm sein und dafür sorgen, dass er sich wohl fühlt, kapiert? Und da das nun geklärt ist, werde ich euch jetzt zu ihm lassen.“ Scott war der erste, der zu dem Patienten durfte: „Hey Bro!“ sagte er sanft: „Ich habe dir jemanden mitgebracht.“ Er hatte Harvey auf dem Arm und setzte sie ans Fußende des Bettes. Das Kaninchen hoppelte über die Bettdecke auf seinen Herren zu, doch vor Stiles Gesicht machte es Halt und betrachtete es, beinahe als versuche es zu begreifen, was hier nicht stimmte. Dann begann es sacht damit, Stiles Wangen und Nase zu putzen: „Keine Sorge, Kleines! Daddy wird schon wieder!“ versicherte dieser, begann das seidige Fell zu kraulen und an Scott gerichtet fragte er: „Warum hast du sie mitgebracht? Ihre Babys werden sie doch vermissen!“ „Werden sie nicht!“ versicherte Scott: „Die Vier sind gleich nebenan. Ich habe den Käfig hergebracht, weil ich dachte, du hättest sie gern bei dir?“ Stiles schaute ihn missmutig an: „Das heißt dann ja wohl, ich werde hier noch ewig festsitzen, wie?“ „Ach hör´ schon auf, dich zu beschweren! Hier ist es doch echt schön und Derek kümmert sich liebevoll um dich. Das hier ist schließlich kein Knast!“ gab Scott zurück. Stiles Miene verfinsterte sich: „Und was, wenn er irgendwann genug von mir hat, weil ich zu bedürftig bin? Er ist ein Einzelgänger und ist es nicht unbedingt gewöhnt, sich um andere zu kümmern. Ich will ihn nicht verschrecken. Kannst du mich nicht lieber nachhause holen, Bro?“ „Blödsinn! Derek ist doch verrückt nach dir und tut das gern für dich. Außerdem bin ich doch tagsüber arbeiten. Wer soll sich denn dann um dich kümmern? Hier gibt es Personal und du hast sogar eine eigenen Krankenschwester. Außerdem hast du hier viel mehr Platz und Möglichkeiten, um dich zu beschäftigen. Nein, kommt nicht in Frage, Kumpel. Du bleibst schön hier! Ich werde dich einfach jeden Tag besuchen. Und ich wette, Derek hat dich gern hier. Er wird das mit der Fürsorge schon lernen. Und wenn du jetzt einfach abhauen würdest, würde er das doch völlig falsch verstehen und denken, du wärst nicht gern bei ihm!“ wandte Scott ein. Stiles blickte ihn zweifelnd an, doch ehe er etwas erwidern konnte, platzten die Mädchen ins Schlafzimmer. Lydia begrüßte Stiles mit einem zarten Kuss auf die Stirn und Malia mit einem unsensiblen: „Alter! Du siehst ja aus wie Scheiße!“ ehe die beiden sich bei ihm auf dem Bett niederließen. „Besten Dank, Sonnenschein!“ knurrte Stiles in Malias Richtung und verbarg sein geschundenes Gesicht in Harveys weichem Fell: „Ach schon in Ordnung, Mann. Das wird schon wieder. Und Derek wird es schon nicht stören; immerhin macht Liebe blind, richtig?“ versicherte Malia, auch wenn ihre Worte den Verletzten nicht recht zu trösten vermochten. Derek hatte den Freunden Greenburg mit einem üppigen Tablett voller Snacks geschickt. Der Hausherr selbst nutzte die Tatsache, dass Stiles nun beschäftigt war für ein wenig `Home-Office´. Er arbeitete seine Mails durch, las und beurteilte einige Präsentationen und führte ein paar Telefonate. Seine Mitarbeiter sollten bloß nicht denken, dass er die Dinge schleifen ließ, nur weil er momentan nicht vor Ort war. Er war schon über eine Stunde beschäftigt, als ihm plötzlich ganz schwach ein würziger Geruch in die Nase stieg. Ihm schwante Böses und so beschloss er, der Sache nachzugehen. Und tatsächlich; in seinem Bett lag Stiles umringt von seinen Freunden und kiffte: „Sagt mal, seid ihr noch zu retten?“ pöbelte der Hausherr entsetzt: „Ihr gebt ihm Gras? Er ist doch auf Schmerzmitteln!“ „Reg´ dich ab! Ganja ist das beste Schmerzmittel, das ich kenne und es schadet Stiles Gesundheit mit Sicherheit weniger, als so ein verdammter Morphium-Tropf.“ erwiderte Malia unbeeindruckt, nahm Stiles den Joint ab und zog noch einmal dran, ehe sie eine kleine Schale aus echtem Sterlingsilber, in der sich vorher Knabbereien befunden hatten, als Aschenbecher missbrauchte. Derek sah aus, als ob er vor Wut gleich platzen würde, also klimperte Stiles süß mit den Wimpern und schnurrte: „Sei nicht böse, Baby! Ich habe sie überredet, mir etwas abzugeben und es geht mir wirklich gut. Ehrlich!“ Derek funkelte ihn böse an, doch lange konnte er der Hand, die sich nach ihm ausstreckte und dem hinreißenden Augenaufschlag nicht widerstehen. Er legte sich an Stiles Seite und murrte unzufrieden: „Ich mache mir doch bloß Sorgen um dich, du kleiner Mistkerl Ich will, dass du schnell wieder gesund wirst!“ Stiles hörte einfach nicht auf damit, bezaubernd zu sein, rieb seine Stupsnase an Dereks beachtlichem Bizeps und versicherte: „Cannabis und meine Freunde, das ist wie Medizin! Mach´ dir keine Sorgen, Großer. Ich weiß selbst am besten, was ich vertrage.“ Stiles reckte sich vor Schmerz stöhnend nach dem Mund seines Geliebten und entschuldigte sich mit einem Kuss. Und Malia machte ihr eigenes Friedensangebot, indem sie einen weiteren Joint ansteckte und ihn sogleich an Derek weiterreichte. Dieser kommentierte die Offerte mit einem leisen Knurren, doch zur Überraschung Aller nahm er die stilisierte Friedenspfeife entgegen und inhalierte tief den bitteren, würzigen Rauch. Malia grinste und führte ihre Erzählung fort, in welcher sie durch Dereks Auftritt gerade so unhöflich unterbrochen worden war: „Diese Sache mit Isaac in meiner Wohnung ist scheinbar irgendwie zu einer Dauereinrichtung geworden, ohne dass ich dazu mein Einverständnis gegeben habe. Kaum geht er wieder auf die Straße, wird er von den anderen Jungs wieder verjagt und dann taucht er eben wieder an meiner Türschwelle auf, hockt bei mir zuhause herum, raucht mein Gras weg, frisst anschließend meinen Kühlschrank leer und klappt nie den Deckel runter, nachdem er pissen war. Das hat man von seiner Gutmütigkeit. Der Kerl nervt mich zu Tode! Und er klaut! Seit er weiß, dass ich geerbt habe, hat er mir schon über zweihundert Mäuse gestohlen und er versucht nicht einmal, es zu verheimlichen. Er sagt, die paar Kröten werden mir schon nicht fehlen, wo ich doch jetzt Millionärin sei. Wenn das noch lange so weitergeht, dann bin ich echt die nächste, die ihm die Scheiße aus dem Leib prügelt, das schwöre ich euch!“ „Vielleicht gibt es ja auch einen gewaltfreien Weg.“ warf nun Derek ein und gab den Joint an Scott weiter, wodurch er Stiles in der Reihenfolge überging: „Ich habe doch hier viel zu viel Platz, wie wir schon festgestellt haben. Ich könnte ihm ein Zimmer herrichten lassen?“ Maila schüttelte den Kopf: „Besser nicht. Stiles hat recht damit, Isaac von dir fernzuhalten. Er ist ein illoyaler, kleiner Bastard und wird entweder der Presse irgendeine Story über dich verkaufen, verhökert dein Tafelsilber, oder lässt sich irgendetwas anderes einfallen, um dich auszunutzen. Lass´ es lieber bleiben! Das ist mein gut gemeinter Rat an dich Cousin.“ „Ich weiß da vielleicht eine bessere Lösung.“ warf Stiles ein und schnappte sich den Joint, ehe Scott ihn an Lydia weitergeben konnte und inhalierte tief ehe er weitersprach: „Wenn Scott und Derek nichts dagegen haben, dann könnte Isaac doch vielleicht in meinem Zimmer wohnen, solange ich hier bin. Ich habe kein Tafelsilber, dass er stehlen könnte und irgendwo muss er ja schließlich bleiben. Bist du für kurze Zeit mit einem schlecht erzogenen Mitbewohner einverstanden, Scotty?“ „Aber eins muss klar sein: Bei mir setzt er sich beim pinkeln hin!“ erwiderte sein bester Freund nachdrücklich. „Und was ist mit dir. Irgendwelche Einwände, Baby?“ wollte Stiles nun von seinem Geliebten wissen. Derek blickte ihn verwirrt an und wollte wissen: „Was habe ich denn damit zu tun?“ „Na ja, immerhin gehört die Bude ja dir? Wir wohnen doch nur dort.“ erläuterte Stiles. Derek zog ein unzufriedenes Gesicht und nahm Stiles den Joint wieder ab: „Es ist euer Zuhause. Ihr könnt dort machen, was ihr wollt. Es gehört EUCH! Weißt du das denn nicht?“ Stiles zuckte die Achseln und erwiderte stirnrunzelnd: „Nein weiß ich nicht. Ich denke, es gibt da einiges, über das wir noch nicht gesprochen haben, Baby. Zwischen uns haben sich die Dinge geändert. Ich liebe dich und bin nicht mehr dein Angestellter! Ich will kein Boy-Toy sein, das auf deine Kosten lebt. Ich will etwas beitragen... ich... ich will dein PARTNER sein!“ Derek blickte unbehaglich auf Stiles Freunde, denn dieses Gespräch wollte er eigentlich nicht vor ihnen führen, während gerade THC seinen Verstand vernebelte. Eigentlich wollte er es überhaupt nicht führen. Am Liebsten wäre es ihm, wenn Stiles ihm erlauben würde, finanziell für ihn zu sorgen, ohne dass sie je ein Wort darüber verlieren mussten. Er hatte viel mehr Geld, als er je allein ausgeben konnte und es würde ihm doch nicht im Geringsten wehtun. Und er wusste schließlich ganz genau, dass Stiles nicht bloß irgend so ein Goldgräber war, also welche Rolle spielte es da, wenn er für ihn zahlte: „Stiles!“ sagte er gequält: „Lass´ uns diese Unterhaltung vertagen bis zu dem Moment, wo du wieder gesund bist. Die Wohnung gehört euch, basta! Mach´ dir darüber bitte keine Gedanken!“ Stiles gab ein unzufriedenes Schnauben von sich und es war lediglich den Tatsachen geschuldet, dass Scott ein Dach über dem Kopf brauchte und dass er selbst sich in diesem körperlich geschwächten Zustand befand, in welchem er nicht viel ausrichten konnte, dass er jetzt keine größere Diskussion vom Zaun brach. Das war leider auch Derek klar. Bis Stiles wieder bei Kräften wäre, musste er sich dringend etwas einfallen lassen, aber es musste etwas wirklich Gutes sein, denn Stiles würde es sofort durchschauen, wenn er bloß irgendeinen fadenscheinigen Grund fände, ihm sein Geld aufzudrängen. Doch nun wollte er erst einmal nicht darüber nachdenken und um von diesem leidigen Thema abzulenken fragte er in die Runde: „Wollen wir jetzt vielleicht zusammen einen Film anschauen und später zusammen Abendessen?“ Die Anwesenden waren einverstanden und sie staunten nicht schlecht als Derek sie, anstatt in sein Wohnzimmer vor den Fernseher, in einen echten Kinosaal führte. Und noch mehr staunten sie zwei Stunden später über das unbeschreibliche Vier-Gänge-Menü, welches Dereks Koch für sie zubereitet hatte. Später beim Gehen kommentierte Malia: „Also ich komme mit Sicherheit bald wieder! Deine Bude ist so verdammt cool, Derek!“ Derek grinste verlegen und erwiderte: „Am Besten bringt ihr dann Badehosen mit. Ihr habt ja noch gar nicht den Garten und den Pool gesehen!“ „Abgemacht!“ rief Malia begeistert und damit verabschiedeten sich die drei Besucher. Es war Kate nicht schwer gefallen, Stiles Meldeadresse herauszubekommen, nur dass die dumme Dreckssau gar nicht zuhause war. Als sie nun von ihrem Wagen aus diese Gestalt die Straße herauflaufen sah, nahm sie zunächst an er sei es, auch wenn sie ein wenig überrascht darüber war, dass er vollkommen unverletzt wirkte. Beim Näherkommen realisierte sie, dass es sich gar nicht um Stiles, sondern bloß um irgendeinen anderen Kerl von derselben Größe und Statur handelte, der wohl zufällig im selben Haus zu leben schien. Sie wollte schon weiterfahren, als sie plötzlich etwas Merkwürdiges beobachtete. Ein Wagen hielt genau vor der Tür, in welcher der Typ gerade verschwinden wollte und die Person, die ihm entstieg, war Kate nur allzu gut bekannt. Sie rutschte tiefer in ihrem Sitz hinab, um nicht gesehen zu werden, denn es war ihre Nichte Allison! Dann musste der Kerl ja wohl dieser Freund von Stiles sein, von welchem Chris ihr erzählt hatte; der Junge, mit dem sich Allison neuerdings traf. Die beiden verschwanden zusammen im Haus. Kate startete den Wagen. Vielleicht konnte sie ja über ihre Nichte unauffällig herausbekommen, wo Stiles zurzeit steckte. Dann wäre der heutige Nachmittag wenigstens keine TOTALE Zeitverschwendung gewesen. Dummerweise konnte Kate sich bereits sehr gut vorstellen, wo die kleine Ratte sich aufhielt. Er war sicherlich zuhause bei Derek und das bedeutete, dass sie vorerst nicht an ihn herankommen würde, denn Derek würde sie mit Sicherheit nicht ins Haus lassen. Kate bekam verdammt schlechte Laune! Scott und Allison waren schweigend die Treppen hinaufgestiegen. Skippy begrüßte die beiden ungestüm an der Tür und Scott nahm ihn hoch, um ihn zu beruhigen. Allison und er setzten sich nebeneinander auf das Sofa im Wohnzimmer, doch sie ließen viel Platz zwischen sich, der ein deutlicher Ausdruck für die Verunsicherung zwischen ihnen beiden war. „Können wir reden?“ hatte Allison unten vor dem Haus gesagt, doch nun schwieg sie beharrlich, also traute Scott sich anstatt dessen schließlich, das Wort zu ergreifen: „Du hast sicher viele Fragen, nach allem, was du von Deucalion erfahren hast, stimmt´s?“ Allisons Gesicht verfinsterte sich: „Eigentlich habe ich nur eine einzige: Warum hast du mich angelogen, Scott? Du hast so getan, als seist du ein ganz normaler, netter Junge, aber in Wirklichkeit bist du ein... ein...“ Sie schüttelte sich angewidert. Scott zuckte unter den Worten zusammen, als seien es Schläge: „Ich habe dich nicht angelogen.“ erwiderte er kleinlaut: „Ich habe dir nur die eine Sache nicht gesagt, von der ich nicht wusste, wie zum Teufel ich sie dir erklären könnte, ohne dass du mich hasst. Es tut mir wirklich leid, dass dich das verletzt.“ „Falls du geglaubt hast, du könntest durch mich an das Geld meiner Familie herankommen, dann muss ich dich enttäuschen, denn ich habe gar nichts!“ schnappte Allison bitter. Scott musste schlucken: „Ich mag dich Allison. Ich wollte dich nie ausnutzen, oder was auch immer. Ich habe mich einfach in dich verliebt, weiter nichts. Auch Nutten wie ich können sich nämlich verlieben, weißt du?“ „Aber wieso? Wieso hast du denn bloß auf diese scheußliche Art dein Geld verdient? Und wieso hast du mir nicht von Anfang an die Wahrheit gesagt?“ fragte Allison vorwurfsvoll. Scott lachte bitter auf: „Du hast dir die Antwort doch gerade selbst gegeben: Ich habe dir nichts davon erzählt, weil Menschen es für eine scheußliche Art halten, sein Geld zu verdienen. Du hättest dich doch überhaupt nicht mit mir abgegeben, wenn du gewusst hättest, dass ich früher ein Stricher gewesen bin. Ich kann in deinem Gesicht sehen, wie widerwärtig dir diese ganze Sache ist. Und wie widerwärtig ICH dir bin.“ Allison sah ertappt aus. Sie ließ den Kopf hängen und erwiderte leise: „Es tut mir leid, Scott. Du bist nicht widerwärtig, ehrlich! Und ich hatte unser Gespräch eigentlich ganz anders geplant. Ich wollte nicht ankommen und dich gleich mit Vorwürfen überschütten, aber ich schätze, ich bin irgendwie verletzt, weil ich mich... betrogen fühle. Ich dachte, du wärst ein ganz normaler Typ und nun... ich... ich mein, habe noch nie jemanden getroffen, der in der Prostitution gearbeitet hat. Erzählst du mir, wie es dazu gekommen ist. Erklärst du es mir, damit ich es verstehen kann“ Scott atmete tief durch. Eigentlich verspürte er keine große Lust, gerade in diesem Augenblick seine gesamte Lebensgeschichte vor Allison auszubreiten und sich damit noch verletzlicher zu machen, als er sich ohnehin schon fühlte, doch andererseits war ihm auch klar, dass es wohl seine einzige Chance war, die Dinge zwischen ihnen wenigstens wieder halbwegs gerade zu rücken, also begann er seinen Bericht. Er erzählte vom frühen Tod seiner Mutter, von seinem Vater, dem es total gleichgültig gewesen war, was aus seinem Sohn werden würde und von den Heimen und Pflegefamilien, in denen er Gewalt und Missbrauch erlebt hatte, bis er schließlich abgehauen und dann auf der Straße gelandet war. „Dreizehn? Du warst dreizehn Jahre alt, als du damit angefangen hast. In diesem Alter habe ich noch mit Puppen gespielt!“ sagte Allison mit, vor Fassungslosigkeit gerundeten Augen. Scott zuckte unwirsch mit den Schultern und erwiderte giftig: „Wir haben eben nicht alle so viel Glück Eltern zu haben, die uns Schutz, ein Zuhause und eine behütete Kindheit geben, schätze ich.“ Er konnte nicht ertragen, wie mitfühlend Allison ihn gerade anschaute, also fügte er trotzig an: „Ich bereue nichts und ich schäme mich nicht, kapiert? Spar´ dir dein Mitleid!“ Allison nickte und streckte die Hand aus, um Skippy zu streicheln, der noch immer auf Scotts Schoß saß: „Es geht ihm besser, oder? Seine Wunden sind verheilt und er hat Vertrauen gefasst. Das ist wirklich schön!“ murmelte sie nachdenklich und aus irgendeinem Grund kam es Scott so vor, als würde sie nicht von dem Hund, sondern von ihm sprechen. Eine Weile lang schwiegen sie beide, bis Allison irgendwann unsicher bekannte „Ich weiß irgendwie nicht, was ich sagen soll! Alles, was mir durch den Kopf geht, kommt mir dumm und unzureichend vor.“ „Du musst nichts sagen.“ erwiderte Scott. Dann fügte er nach kurzem Nachdenken hinzu: „Ich hab´ übrigens nichts, falls du dich das gefragt hast. Kein AIDS, oder so. Ich hatte Chlamydien, aber die sind jetzt weg. Ich wollte dich nicht mit irgendwas anstecken, darum waren Stiles und ich beim Test. Deshalb haben wir nicht... ich meine du wolltest ja immer, aber ich wollte erst ganz sicher gehen...! Aber das ist ja jetzt auch schon egal! Ich wollte nur, dass du es weißt, damit du nicht denkst, ich wäre irgend so ein Schwein, dass überhaupt nicht an deine Sicherheit denkt. Das habe ich nämlich!“ Trotz schwang in seiner Stimme mit und er starrte wie gebannt den Boden an. Allison griff nach seiner Hand und erklärte: „Ich weiß, dass das blöd ist, aber nachdem ich das nun alles über dich weiß, weiß ich gar nicht mehr, ob ich überhaupt noch den Mut habe, dass du und ich... ES tun. Ich habe nicht viel Erfahrung, weißt du? Ich war bislang nur mit zwei Männern zusammen und geschlafen habe ich nur mit einem von ihnen. Und du hast schließlich so viel Erfahrung.“ Scott rieb sich nervös das Gesicht: „Aber das, was ich mit diesen Männern gemacht habe war geschäftlich, verstehst du? Das hatte nichts mit Liebe, oder so zu tun.“ „Magst du es denn überhaupt mit einer Frau?“ fragte Allison prüfend. Scott blickte sie ertappt an: „Ich weiß es nicht. Ich... ich schätze schon?“ „Was meinst du damit? Heißt das, du hast es überhaupt noch nie gemacht?“ fragte Allison überrascht. Scott wäre am Liebsten im Boden versunken, doch Allison... lächelte? Es schien beinahe, als würde es ihr gefallen, dass er keine Erfahrung mit Frauen hatte. Und nun beugte sie sich auch noch vor und küsste ihn sacht auf die Lippen: „Darf ich heute Nacht bei dir bleiben?“ wollte sie wissen und Scott traute seinen Ohren kaum. Schnell fügte Allison hinzu: „Nicht um irgendwas zu machen, oder so. So weit bin ich noch nicht. Ich brauche noch ein wenig Zeit, um das alles zu verarbeiten und so, aber wir konnten vielleicht ein bisschen fernsehen und dann aneinander gekuschelt einschlafen. Möchtest du das?“ „Das klingt schön!“ bestätigte Scott und ihm war ein wenig nach Weinen zumute. Es war bereits spät und so stieg Derek noch einmal schnell unter die Dusche, ehe er sich zu Stiles ins Bett legte, welcher mit geröteten Augen und einem dümmlichen Grinsen dalag und ihn schon sehnsüchtig erwartete. Derek schüttelte den Kopf und erklärte streng: „Du bist wirklich unmöglich, Stiles. Drogen in deinem Zustand? Was hast du dir denn nur dabei gedacht? Ich bin echt böse auf dich!“ „Mir geht’s super, Baby. Ehrlich!“ schnurrte der Jüngere süß, erhob sich stöhnend, erklomm Dereks Schoß und ließ ihn wissen: „Du siehst verdammt heiß aus, weißt du das?“ Derek riss entsetzt die Augen weit auf: „Was soll DAS denn jetzt werden? Du kannst doch nicht ernsthaft annehmen, dass jetzt hier heute etwas läuft, so wie du gerade aussiehst?“ Stiles kletterte wieder von ihm herunter und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust: „Du hasst mich! Du findest mich hässlich und widerlich, weil ich grün und blau bin und diese dumme Halskrause tragen muss, richtig?“ jammerte er. Derek seufzte, legte sanft die Arme um seinen Freund und erwiderte sanft: „Was redest du denn da bloß für einen Unsinn? Ich hasse dich doch nicht, Kleiner. Ich liebe dich! Aber du bist verletzt und ich werde in diesem Zustand mit Sicherheit keinen Sex mit dir haben. Das müssen uns leider für eine Weile verkneifen, hörst du? Ich will dir schließlich nicht wehtun!“ „Aber ich bin geil und du riechst so gut!“ maulte Stiles und klang wie ein überspannter Fünfjähriger: „Bitte lass´ uns wenigstens ein bisschen rumachen, ja?“ „Aus dir spricht bloß das Gras, Süßer. Lass´ uns jetzt einfach schlafen!“ forderte Derek, um Geduld bemüht, doch Stiles behauptete: „Ich kann aber nicht schlafen. Ich will dich! Biiit-tteee“ Er schob ungeduldig die Hände unter Dereks Shirt und versuchte ihn zu küssen. Der Ältere rollte genervt mit den Augen: „Was habe ich mir mit dir bloß eingehandelt! Du kannst wirklich die Pest am Arsch sein, wenn du etwas willst!“ stöhnte er. Dann fügte er geschlagen hinzu: „Also gut! Du hast gewonnen! Aber du wirst ganz lieb sein und genau das machen, was ich dir sage, verstanden? Leg´ dich auf den Rücken und halt still!“ Mit einem Mal ganz gehorsam tat Stiles das, was von ihm verlangt wurde Und Derek schob die Hand in Stiles Pyjamahose und begann nun, sich mit geübten Fingern ans Werk zu machen. Auf Stiles Gesicht lag ein selbstzufriedenes Grinsen. Kapitel 31: Seltsame Zufälle – Teil 3 ------------------------------------- Es hatte bloß drei Tage gebraucht, an denen Derek zuhause geblieben war, um Stiles zu behüten und zu bewachen wie ein deutscher Schäferhund, ehe der Patient gründlich die Schnauze voll davon gehabt und die Frage gestellt hatte: „Sag mal, hast du eigentlich nichts Besseres zu tun? Geh´ bitte wieder arbeiten, oder so. Du machst mich wahnsinnig, Baby! Ich verspreche dir auch, dass ich hier im Haus bleiben, mich nicht überanstrengen und ganz lieb sein werde, aber ich kann beim besten Willen nicht gesund werden, wenn du ständig dahockst und mich sorgenvoll belauerst!“ Derek hatte daraufhin ein wenig geschmollt und klargestellt, dass er das alles doch schließlich nur aus Liebe mache und ob das denn wohl neuerdings ein Verbrechen sei? Da hatte Stiles Derek geküsst und versichert, dass er ihn ebenso sehr liebe, aber deswegen müsse Derek ihm ja nicht gleich seine ganze Lebenszeit widmen, denn schließlich sei er ja ein sehr wichtiger Mann, der doch auch noch anderswo gebraucht werde, richtig? Und so hatte sich Derek schließlich damit einverstanden erklärt, wieder zur Arbeit zurückzukehren, jedoch nicht ohne Greenburg den Auftrag zu erteilen, dass er nun stellvertretend dafür zu sorgen habe, dass Stiles nichts täte, was seine Genesung gefährden könnte. Stiles hatte in diesem Augenblick dem Majordomus des Hause Hale hinter dem Rücken seines Liebhabers verschwörerisch zugezwinkert, denn natürlich dachte er gar nicht daran, vierundzwanzig Stunden am Tag im Bett liegen zu bleiben, wie die Prinzessin auf der Erbse. Und nun verbrachte Stiles seine Tage in Dereks Palast eben ohne diesen, doch wie sich zeigen sollte, war dies alles andere als langweilig, denn er fand heraus, dann es sehr viel mehr Leben im Haus gab, als er bislang mitbekommen hatte. Er lernte beispielsweise den Koch kennen, dessen grandiose Kreationen er zwar schon bei verschiedenen Gelegenheiten hatte kosten dürfen, dem er jedoch zuvor noch nie leibhaftig begegnet war. Als Stiles sich nämlich eines morgens in seine Großküche schlich, um zu sehen, ob er dort wohl irgendetwas Leckeres zum Frühstück fände und weil er damit Greenburg nicht belästigen wollte, dass er Hunger hatte, wurde er von dem Koch am offenen Kühlschrank in flagranti erwischt. Stiles war erschrocken zusammengezuckt, denn der Gastronom war wirklich eine imposante Erscheinung; ein zwei Meter großer, zweihundert Kilo schwerer Kreole aus New Orleans Anfang vierzig namens Jean Ribaux. Stiles fürchtete nun natürlich angeschnauzt zu werden, weil er hier einfach so in seinem Reich herumschnüffelte, doch anstatt dessen wurde er vielmehr freudig empfangen, weil dem Mann offensichtlich die Aussicht gefiel, einem hungrigen Mann eine Mahlzeit vorsetzen zu können. Jeans Stimme stand im krassen Gegensatz zu seiner gesamten übrigen Erscheinung. Statt des donnernden Basses, den Stiles eigentlich erwartet hätte, ertönte ein sanfter, samtiger und melodischer Tenor und es klang beinahe wie Gesang. Der charmante französische Akzent des Mannes tat dann das übrige, um Stiles zu begeistern: „Sie müssen sein besonderer Freund von Mr. Hale!“ rief der große Mann entzückt aus: „Hunger? Ich kann kochen, alles was wünschen, mon Cher!“ Stiles grinste. Er durfte sich also etwas aussuchen? Also nun, da ihn dieser Mann mit seiner Erscheinung und seinem Akzent mitten ins French Quarter von New Orleans versetzt hatte, wusste er ganz genau, was er sich wünschte, auch wenn das nicht unbedingt ein typisches Frühstück war: „Würde es große Umstände machen, wenn sie mir ein Jambalaya zubereiten würden?“ hatte er also schüchtern gefragt. Der Koch hatte begeistert gegrinst: „Ich kann bestes Jambalaya in ganz Lousiana, Monsieur!“ versicherte der beleibte Koch und daran hatte Stiles auch wirklich nicht den geringsten Zweifel gehabt, nach all den himmlischen Ergötzlichkeiten, welche er in diesem Hause bereits genossen hatte. Stiles hatte sich also still in eine Ecke gehockt und dem Küchengott beim Wirken seiner kulinarischen Magie zugeschaut, in der Hoffnung auf diese Weise auch selbst noch etwas zu lernen. Und daraus hatten sie bald eine regelmäßige Einrichtung gemacht; Stiles setzte sich in die Küche, schaute Jean zu, wie er, für einen derart mächtigen Mann erstaunlich behände, zwischen Herd, Kühlschrank und Arbeitsfläche hin- und herwirbelte und seine Köstlichkeiten zubereitete. Und während Jean kochte erzählte er; von seiner Heimat Lousiana, von der Hitze, der Schwüle, den Bayous mit seinen Moskitos und Alligatoren, dem Mardi Gras, vom Aufwachsen als Jüngstes von acht Kindern, wo man hatte zusehen müssen, dass man bei Tisch nicht leer ausging, weshalb er heute so dick sei und von seiner Großmutter, welche angeblich eine wirkliche, leibhaftige Bruja gewesen sei, die draußen in den Sümpfen gelebt, Warzen weggebetet, mit Verstorbenen Kontakt aufgenommen und unfreiwillig kinderlosen Paaren zu Nachwuchs verholfen habe. Jean konnte sehr bildhaft erzählen und die angenehme Stimme taten das ihrige, dass vor Stiles innerem Auge farbenfrohe Bilder entstanden. Doch Jean war nicht der Einzige, der tagsüber in Dereks Haus fleißig war, damit es der Hausherr hier allzeit schön hatte. Stiles hatte es sich zur Angewohnheit gemach, täglich Spaziergänge auf dem gewaltigen Anwesen mit dem riesigen Pool, dem Rosengarten, dem kleinen Wäldchen, der endlosen Fläche englischen Rasens, der Kaninchenkolonie und den Gemüse- und Kräuterbeeten, die Jean hier angelegt hatte zu unternehmen und dabei lernte er schließlich auch die Gärtnerschar kennen, welche hier alles in Stand hielten. Es handelte sich sich um acht mexikanische Männer unterschiedlichen Alters, mit denen Stiles zu seiner großen Freude sein eingerostetes Spanisch wieder ein wenig aufpolieren konnte. Er hatte bald sämtliche Namen drauf: Da waren Sergio, Mateo, Carlos, Nicolas und Marco, alle in ihren Dreißigern. Dann gab es noch Pedro. Er war der Älteste von ihnen, war etwa Mitte fünfzig und erinnerte Stiles trotz der braunen, wettergegerbten Haut und der schwarzen Haaren ein kleines bisschen an seinen eigenen Vater, weshalb er sich bei ihm auch besonders wohl fühlte. Seine Söhne waren Anfang und Mitte zwanzig und hießen Javier und Álvaro. Álvaro berichtete einmal, dass er gern Medizin studiert hätte und seine Noten seien auch dementsprechend gewesen, aber das Geld habe dann leider nicht gereicht. Doch hier im Garten für Mr. Hale zu arbeiten sei auch gut, versicherte er schnell, als habe er schon zu viel gesagt und hätte nun Angst um seinen Job. Es machte Stiles traurig, denn hier blieb geistiges Potenzial ungenutzt, bloß aufgrund von Herkunft und wirtschaftlicher Verhältnisse und das war einfach nicht gerecht! Und Stiles wurde mit einem Mal klar, dass er plötzlich auf der anderen Seite stand, was ein beklemmendes Gefühl in seiner Brust verursachte. Durch seine Beziehung zu Derek erschien er diesen Leuten als so etwas wie der Hausherr, als reicher Mann, dabei war es erst Monate her, da hatte er in der Gosse gelebt und sich für wenig Geld an Fremde verkauft! Es war einfach verrückt, doch er schwor sich, es würde seinen inneren moralischen Kompass nicht durcheinanderbringen: Niemals wollte er vergessen, woher er kam! Wie Stiles bald herausfand, waren die Hauswirtschafterinnen, welche Dereks Palast sauber und ordentlich hielten allesamt in irgendeiner Weise mit den Gärtnern verbunden. Rosita war Pedros Ehefrau und Valeria und Alba ihre gemeinsamen Töchter. Carmen war die Schwester von Marco, Marta die Ehefrau von Carlos und Maria war ihre Schwester. Anfangs hatten diese Ladies ziemliche Augen gemacht und sich auch reichlich unwohl deswegen gefühlt, aber Stiles ließ es sich dennoch nicht nehmen, gelegentlich einen Staubwedel oder einen Wischlappen zur Hand zu nehmen, um ihnen zu helfen, wenn er sie im Haus arbeiten sah. Doch Derek davon zu erzählen kam selbstverständlich ohnehin nicht in Frage, denn wenn es nach diesem ginge, würde Stiles schließlich bloß den ganzen Tag auf seinen vier Buchstaben sitzen und Däumchen drehen. Stiles war überrascht zu erfahren, dass sämtliche Hausangestellten auch auf Dereks Anwesen lebten. Greenburg und Jean Ribaux hatten jeweils ein eigenes Zimmer unter dem Dach der Villa und die Gärtner und Hausmädchen bewohnten ein Haus an der Grundstücksgrenze, weit entfernt von Dereks Palast. An einem besonders heißen Tag hatte Stiles beschlossen, den Gärtnern selbstgemachte Limonade zu bringen. Er war also mit einer Kanne und einigen Gläsern hinüber zu ihrem Wohnhaus gelaufen, als ihm plötzlich aus dem Gebäude ein kleines Mädchen von etwa sechs Jahren entgegengelaufen kam, welches er noch nie gesehen hatte. „Loba! No!“ ertönte die Stimme von Pedro, der nun hinter ihr aus der Tür gelaufen kam und vor Schreck erstarrte, als er Stiles erblickte. Stiles stellte das Geschirr ab, kniete sich vor das süße Kind hin, welches ihn mit riesigen, erstaunten, kohleschwarzen Augen anschaute und sagte freundlich: „Hola, Loba! Cómo te va?“ Das Kind brachte kein Wort heraus und rannte stattdessen hinüber zu Pedro, um sich hinter dessen Beinen zu verstecken. Der Gärtner starrte Stiles angsterfüllt an, also lächelte dieser beschwichtigend und fragte sanft: „Wer ist denn die kleine Prinzessin?“ Und da war Pedro schweren Herzens und mit hängendem Kopf mit der Wahrheit herausgerückt: Er, die anderen Gärtner und die Frauen, die ihm Haus arbeiteten waren zwar legal im Land und durften auch hier arbeiten, aber vor etwa einem Jahr sei Pedros Nichte Sofía mit ihrem Mann Gonzalo und ihren drei Kindern in die Vereinigten Staaten geflüchtet. Loba sei mit ihren sechs Jahren die Älteste. Dann gäbe es noch den zweijährigen Francisco und Baby Enzo, welcher hier in den USA geboren worden sei. Weil die Familie nicht wusste wohin, hatte man damals beschlossen, sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion hierher in dieses Haus zu schaffen und hier lebten sie seither eingesperrt, im Verborgenen und wurden von den anderen mit versorgt. Es war ihr winziges Stück Amerika, dem Land der Freien, Heimat der Tapferen... Es trieb einem beinahe die Tränen in die Augen! Pedro flehte, dass Stiles bitte, bitte dem Senor nichts verraten möge, damit die Familie nicht wieder abgeschoben werden würde. Stiles hatte es ein ganz übles Gefühl in der Magengrube verursacht, Derek etwas zu verschweigen, andererseits war Pedro so verzweifelt gewesen und das Ganze war so wahnsinnig traurig und so hatte er es ihm einfach nicht abschlagen können, doch er wollte wissen: „Aber was ist mit Loba? Sie muss doch in eine Schule gehen?“ Pedro fand, dass die Kleine doch alles Nötige vom Fernseher lernen konnte, aber da war für Stiles der Spaß vorbei: „Nein, kommt nicht in Frage!“ hatte er entschlossen erklärt: „Ich werden ihr englisch beibringen und sie vorerst unterrichten, bis mir etwas Besseres einfällt!“ Und so hatte Stiles Scott kurzerhand zu seinem Mitverschwörer gemacht, hatte ihn Schulmaterialien und Bücher kaufen lassen und weil sie ohnehin gerade dabei waren, auch noch reichlich Spielsachen und Kleidung für die Kinder, denn immerhin hatte Stiles momentan noch reichlich Geld auf dem Konto. Das ganze Zeug hatten sie dann an mehreren Tage nach und nach heimlich ins Haus geschafft und dann der Familie übergeben. Es hatte Tränen, Umarmungen und Ungläubigkeit angesichts dieser unerwarteten Hilfe gegeben und seitdem besuchte Stiles Loba wie versprochen jeden Tag, um mit ihr zu spielen und zu lernen. Überdies kam nach dem Mittagessen an fünf Tagen in der Woche auch noch eine Physiotherapeutin ins Haus, welche Stiles aufgrund seiner Halswirbelverletzung und seiner gebrochenen Rippen behandelte. Stiles hatte zwar anfangs darauf hingewiesen, dass dies doch unnötig und überdies wahnsinnig teuer sei, doch dieses eine Mal war Derek hart geblieben und hatte darauf bestanden. Und insgeheim musste Stiles nach einer Weile zugeben, dass es wirklich gut tat und hilfreich war. Außerdem war Kendra Hayes, seine Therapeutin eine wahnsinnig lustige und angenehme Person. Sie war energiegeladene Mittfünfzigerin mit dickem, grauen Pferdeschwanz und strahlend blauen Augen, die einem verrieten, dass sie den Schalk im Nacken hatte. Nein, Stiles hatte wirklich keine Langeweile während er im Hale´schen Sanatorium darauf wartete, dass Dr. Derek ihm wieder erlaubte nach draußen in die reale Welt zu gehen, denn hier im Haus gab es schließlich eine Menge für ihn zu tun! Und an den Nachmittagen, nach Feierabend kam dann ja auch noch der regelmäßige Besuch mit den neuesten Nachrichten aus der Außenwelt. Scott war eigentlich jeden Tag da und manchmal brachte er Allison mit. Diese beiden hatten sich einander glücklicherweise Stück für Stück wieder angenähert, auch wenn Allison die Enthüllungen über Scotts Vergangenheit noch immer nicht vollständig verdaut zu haben schien. Dennoch hatte sie es gemeinsam mit Stiles übernommen, Scott bei seinen Studien zu unterstützen, denn anstatt noch einmal die Schulbank zu drücken, hatte Stiles bester Freund beschlossen, sich in Eigenleistung den Schulstoff anzueignen und sich zu gegebener Zeit zu einer schulexternen Highschool-Abschlussprüfung anzumelden. Und Scott machte hierbei auch erstaunlich rasche Fortschritte, denn er hatte in dieser Angelegenheit wirklich einen großen Ehrgeiz entwickelt. Lydia und Malia besuchten Stiles etwa ein- bis zweimal pro Woche und es war für Stiles schön zu sehen, dass Derek und seine Cousine sich langsam immer näherkamen. Es verblüffte Derek dabei immer wieder, wie ähnlich Malia Peter, ihrem biologischen Vater in ihrem Wesen war, obgleich die Zwei sich ja nie hatten kennenlernen dürfen. Auch wenn Malia sich eher mithilfe ihrer Raubeinigkeit in der Welt durchsetzte, wo Peter wohl eher seinen enormen Charme eingesetzt hätte, erkannte Derek seinen Onkel manchmal in einem Blick, einer Geste oder einer Äußerung Malias wieder. Es vermittelte Derek ein familiäres Gefühl, so als habe er seinen Onkel nicht gänzlich verloren, weil ein Stück von ihm noch hier war. Derek hatte Danny vor einer Weile wie versprochen einen Job in seiner Firma verschafft, wo dieser nun als `Junge für alles´ tätig war, Kaffee kochte, Post sortierte, im Haus Aktenordner verteilte, Meetings vorbereitete und so weiter. Und Danny liebte seinen neuen Job! Und weil die Katze nun aus dem Sack war und er wusste, dass sein neuer Boss Stiles Liebhaber war, brachte Scott ihn nachmittags bei seinen Krankenbesuchen sehr zu Stiles Freude gelegentlich mit. Und manchmal ließ sich auch Deucalion blicken, um sich von Stiles Genesung zu überzeugen und meistens hatte er dann Erica dabei. Auch ihr hatte er damals die Wahrheit über Stiles Vorleben erzählt, doch anders als ihr Verlobter, hatte diese von Anfang an keinerlei Probleme damit und sogar erfolglos versucht Deucalion davon abzuhalten, sich da einzumischen. Hätte er nur auf sie gehört! Erica konnte sachlich und ohne Scham, Sensationslust oder andere Misstöne im zwischenmenschlichen Bereich mit dieser Situation umgehen und Stiles liebte sie dafür. Und so vergingen die Wochen in Dereks Villa. Stiles Verletzungen schmerzten kaum noch, seine blauen Flecken waren längst verheilt und mittlerweile hatte ihn auch die eine, oder andere gute Nachricht erreicht: Scott war die blöden Chlamydien endlich los und die endgültigen Ergebnisse ihrer beider Blutuntersuchungen waren mittlerweile eingetroffen: Weder bei Stiles noch bei Scott hatte es irgendwelche Befunde gegeben und darüber waren beide ungemein erleichtert. Und auch Derek schien Glück im Unglück gehabt zu haben, denn er hatte seine PEP-Behandlung mittlerweile abgeschlossen und eine Blutuntersuchung hatte gezeigt, dass auch er sich in der Nacht mit Kate, an die er sich bis heute nicht vollständig erinnern konnte, nichts eingefangen hatte. Und zum Glück hatte Kate sich außerdem in Dereks Nähe nicht mehr blicken lassen. Sie war sogar praktisch wie vom Erdboden verschluckt; nicht einmal Allison oder Chris Argent wussten, wo sie steckte und das gab Derek die Chance zu vergessen, was vorgefallen war und wieder zur Ruhe zu kommen. Und dann kam Scott eines Abends mit einem Briefumschlag für Stiles von der UCLA zur Tür herein. Man hatte Stiles tatsächlich zum Sommersemester angenommen. Anfang August würde es losgehen und so stellte Stiles Derek gegenüber klar, dass sein Kuraufenthalt bis dahin beendet sein würde, auch wenn dann die drei Monate, die seine Rippen brauchten, um vollständig auszuheilen noch nicht vollendet wären. Seit diese Neuigkeit eingetroffen war hatte Stiles nun auch damit begonnen, Stellenangebote zu studieren, wie Derek zähneknirschend zur Kenntnis nahm. Sein Geliebter lehnte es strikt ab, dass Derek für ihn die Studiengebühren bezahlte, nicht einmal wenn es ein zinsloser Kredit wäre! Und noch hatte Stiles auch tatsächlich noch genug Geld auf der Bank, um sich diese Art Stolz zu erlauben, doch dieses würde ihm früher oder später ausgehen und dann würde er eben einen Studentenjob brauchen, hatte er erklärt. Derek zermarterte sich nach wie vor das Hirn, wie er es verhindern konnte, dass der Mann den er liebte irgendwo als Tellerwäscher oder Hilfskellner schuften musste, wenn er doch eigentlich die Nase in die Bücher stecken sollte. Bislang war ihm noch nichts eingefallen, was Stiles überzeugen würde. Der Juli war selbst für kalifornische Verhältnisse unwahrscheinlich heiß und so hatte Stiles es sich neuerdings in den Kopf gesetzt, dass er der kleinen Loba das Schwimmen beibringen müsste, also hatte er ihr via Scott einen Badeanzug und Schwimmflügelchen besorgen lassen und nun gingen sie jeden Tag um die Mittagszeit für eine Weile in den Pool. Womit Stiles allerdings nicht gerechnet hatte, war die Möglichkeit, dass Derek eines Tages sehr viel früher nachhause kommen würde als sonst. Stiles und Loba planschten gerade vergnügt im kühlen Wassertr und hörten daher auch gar nicht das Auto, welches sich ihnen näherte. Pedro, welcher mit hochgekrempelter Hose am Beckenrand saß, sah es jedoch irgendwann kommen und sprang auf, wie von der Tarantel gestochen. Erst da wurde Stiles ebenfalls aufmerksam und noch ehe er sich eine Ausrede für Derek ausdenken konnte, welcher mittlerweile aus dem Wagen gestiegen war und auf sie zukam, verlor Pedro die Nerven und rief aufgebracht „Por favor Senor! No hay Policía!“ Stiles und das Kind hatten mittlerweile den Pool verlassen. Derek schaute die beiden ratlos an und wollte wissen: „Was zum Teufel geht denn hier vor sich? Wer ist dieses Mädchen?“ Stiles seufzte. Er wusste, dass lügen nun keinen Sinn mehr hatte, also begann er: „Das ist meine kleine Freundin Loba, Pedros Großnichte.“ „Pedro?“ fragte Derek verständnislos. Stiles hatte bereits geahnt, dass Derek die Menschen, die unter seinem Dach arbeiteten überhaupt nicht kannte: „Pedro ist dieser nette Herr hier. Er ist einer deiner Gärtner und er ist ein Freund von mir. Ich muss dir jetzt wohl etwas gestehen, Derek, aber du musst mir versprechen, nichts zu tun, was diesen Leuten schadet, ja? Wenn du wütend sein willst, dann sei es auf mich!“ Stiles blickte seinen Geliebten flehend an und dann begann er, mit der Wahrheit ganzen herauszurücken. Derek hörte sich die gesamte Geschichte schweigend an und ließ währenddessen allein seine ausdrucksstarken Augenbrauen für sich sprechen, die mal überrascht in die Höhe schnellten und sich dann wiederum ärgerlich und sorgenvoll zusammenzogen. Als Stiles geendet hatte, zückte Derek sein Handy und wählte eine Nummer: „Was hast du vor? Du rufst doch nicht etwa die Einwanderungsbehörde oder die Polizei, oder Derek?“ fragte Stiles nervös. Derek ignorierte die Frage und begann stattdessen mit der Person am anderen Ende der Leitung zu sprechen: „Ich habe hier ein ziemlich dickes Problem. Können sie heute noch zu mir nachhause kommen? Ich denke, ich werde ihre Hilfe brauchen!“ hörte Stiles ihn sagen. Die kleine Loba, welche nicht verstand, was hier vor sich ging, die jedoch scheinbar befürchtete, dass es etwas Schlechtes sein musste, wenn ihr Großonkel und ihr Freund Stiles so sorgenvoll aussahen und der große, breite Fremde so böse guckte, hatte mittlerweile leise zu weinen begonnen. Stiles nahm sich hoch, schlang Schutz spendend seine Arme um sie. Stiles fragte Derek, welcher inzwischen zu telefonieren aufgehört hatte: „Was ist los? Wer war das, Baby?“ „Das war einer meiner Anwälte. Wir müssen uns ja wohl etwas einfallen lassen, um dieses Schlamassel wieder in Ordnung zu bringen. Ihm wird schon sichereinfallen, wie wir einen legalen Aufenthalt für diese Leute erwirken können.“ gab Derek grimmig zurück. Stiles Gesicht erhellte sich und erklärte Pedro auf spanisch, was er soeben erfahren hatte. Der ältere Gärtner atmete auf, nahm Stiles Loba ab und an Derek gewandt sagte er immer wieder: „Gracias, Senor! Gracias! Gracias!“ ehe er sich zurückzog. Stiles folgte Derek ins Haus und blickte ihn schuldbewusst an: „Bist du sauer auf mich?“ „Weiß ich noch nicht!“ brummte der Ältere: „Wie lange weißt du schon von dieser Sache? Wieso hast du mich nicht eingeweiht? Was hast du denn gedacht, was langfristig aus diesen Leuten werden soll? Dieses Mädchen ist doch zum Beispiel schulpflichtig! Und was, wenn einer von ihnen irgendwann einen Arzt gebraucht hätte? Hast du auch darüber nachgedacht, dass ich dafür ziemlichen Ärger hätte bekommen können, wenn ich hier illegale Einwanderer beherberge? Hast du ÜBERHAUPT nachgedacht, Stiles?“ Stile wurde unter dem Bombardement von Fragen immer kleiner. Er zuckte nur ratlos mit den Schultern und murmelte: „Es tut mir leid!“ „Was hast du dir denn nur dabei gedacht, Stiles?“ fragte Derek noch einmal. „Sie haben Hilfe gebraucht, also habe ich geholfen. Ich habe Scott für sie einkaufen lassen und ich habe Loba unterrichtet. Sie ist wahnsinnig schlau, weißt du? Ich... ich habe sie lieb!“ erwiderte Stiles kleinlaut und ihm stand bereits das Wasser in den Augen. Derek seufzte, schloss Stiles in seine Arme, küsste ihn und schimpfte zärtlich: „Wie soll ich denn böse auf dich sein, wenn du einfach nur ein wirklich guter Mensch bist, hm? Ich liebe dich, du kleiner Spinner; das tue ich wirklich!“ „Ich konnte nicht anders, als es für mich zu behalten. Sie haben mich darum gebeten und sie hatten so große Angst.“ nuschelte Stiles schniefend gegen Dereks Brust. „Aber du hättest es mir sagen können, Süßer. Wir hätten zusammen nach einer Lösung suchen können. Du weißt doch, dass ich dir nichts abschlagen kann, oder?“ versicherte Derek geschlagen. „Tut mir leid!“ versicherte Stiles ein weiteres Mal und begann dann spielerisch mit unschuldigen Fingern, Dereks Hemdknöpfe zu öffnen: „Wir haben eine knappe Stunde, bis mein Anwalt an meiner Tür klingelt!“ gab Derek zu bedenken, doch Stiles versicherte zuversichtlich: „Das schaffen wir!“ Und so verschwanden die beiden Männer rasch gemeinsam im Schlafzimmer. Als Greenburg schließlich Besuch diskret klopfte und Besuch ankündigte, standen Stiles und Derek soeben unter der Dusche, denn natürlich hatten sie sich dann doch etwas mehr Zeit gelassen, als sie sich eigentlich vorgenommen hatten. Sie beeilten sich also, um den Juristen nicht unnötig warten zu lassen. Dann führte Stiles ihn und Derek auf direktem Weg hinüber zum Wohnhaus der Hausangestellten, stellte die Familie vor, um die es ging und bot sich als Dolmetscher an. Am Ende des Gesprächs war der Rechtsanwalt optimistisch, dass er trotz des aktuellen politischen Klimas im Land einen legalen Aufenthalt für alle Familienangehörigen erwirken könne, wenn Derek den Eltern eine Arbeit geben würde. Natürlich versprach der Hausherr, alles zu tun, was nötig sei und der Anwalt würde sich nun um alles Weiter kümmern. Die Familie bedankte sich überschwänglich und bestand darauf, dass Senor Hale und Senor Stilinski zum Abendessen bleiben müssten, um dies zu feiern. Eigentlich hatte Jean heute Abend Entrecote zum Diner für seinen Arbeitgeber und Stiles geplant und war nun ein wenig säuerlich als er erfuhr, dass dies nun zugunsten mexikanischer Hausmannskost ausfallen sollte, doch Stiles hatte ihn und auch den überrumpelten Greenberg kurzerhand mit hinüber in das andere Haus genommen. Später kamen dann auch noch Scott und die Mädchen vorbei und schlossen sich an und für einen Abend waren alle Grenzen zwischen Schicht, Herkunft, Sprache und Rang aufgehoben. Alle saßen vor dem kleinen Haus an der langen Tafel im Schein der untergehenden Sonne, lachten, redeten und ließen sich die Enchiladas, die gebackenen Frijoles, die Quesadillas und Burritos schmecken. Derek beobachtete über den Tisch hinweg Stiles, welcher Loba auf einem Knie und Klein-Enzo auf dem anderen hatte und sich einfach nur mit ihnen und ihrer Familie freute, weil für sie nun bessere Zeiten anbrechen würden und er war mit einem Mal wahnsinnig stolz, diesen Mann seinen Gefährten nennen zu dürfen. Und da kam Derek eine Idee. Er wusste nun, wie er Stiles vor einer Karriere als Tellerwäscher bewahren und seine Fähigkeiten sehr viel gewinnbringender einsetzen konnte. Er würde das gleich morgen früh mit seinen Leuten aus der Finanz- und Rechtsabteilung klären und dann würde er Stiles ein Angebot machen, dass dieser nicht ablehnen konnte. Zufrieden lächelte der Geschäftsmann in sich hinein. Warum war er nicht eher darauf gekommen? Es war doch so naheliegend. Am folgenden Tag erklärte Stiles Derek, als dieser gerade in die Firma aufbrechen wollte, dass er heute ebenfalls erstmals wieder das Haus verlassen würde. Die Uni bräuchte noch einige Unterlagen und Unterschriften von ihm und er fühle sich mittlerweile weiß Gott wieder gesund und fit genug, um dort persönlich vorzusprechen, denn er bräuchte einfach endlich mal wieder eine Luftveränderung. Und nein, er wolle nicht, dass Greenburg ihn mit der Limousine dort hinführe, denn er könne ebenso gut auch den Bus nehmen. Er würde aber Loba mitnehmen, denn auch die sollte endlich mal etwas mehr von den USA sehen als bloß Dereks Anwesen und niemand würde schließlichnach ihren Papieren fragen, wenn die Kleine mit einem Gringo unterwegs wäre, also sei es auch ungefährlich. Natürlich war Derek mit dieser Eröffnung alles andere als einverstanden, doch Stiles wirkte sehr entschlossen und der Ältere wusste auch, dass er seinen Geliebten hier nicht ewig festhalten konnte, wie einen Gefängnisinsassen. Natürlich kam Busfahren überhaupt nicht in Frage und er wusste auch schon, wie er das Stiles verkaufen musste: „Aber dann nimm doch lieber eines meiner Autos. Wie wär´s mit dem SUV? Das würde Loba doch mit Sicherheit gefallen, oder nicht?“ fragte er scheinheilig mit schmeichelnder Stimme. Natürlich durchschaute Stiles ihn sofort und erwiderte daher: „Na gut, aber wenn ich die kleine Maus wirklich beeindrucken will, dann sollte es wohl eher dein Camaro sein, oder nicht?“ Der SUV wäre Derek natürlich sehr viel lieber gewesen, weil er sicherer war, doch der Camaro war immerhin besser als öffentlicher Personennahverkehr, wo man beschimpft, bespuckt, bestohlen oder verprügelt werden konnte und so stimmte er zu. Nachdem Stiles die staunende, aufgeregte Loba auf dem Rücksitz des Sportwagens angeschnallt hatte, erwischte er sich selbst dabei, wie er zum Schnurren des Motors die Melodie von `Free at last!´ pfiff. Er grinste in sich hinein und musste ehrlicherweise zugeben, dass die Wochen seiner `Gefangenschaft´ SOO übel gar nicht gewesen waren. Es hatte ihm wirklich an nichts gefehlt, er hatte neue Freundschaften geschlossen und er hatte wirklich viel Spaß gehabt. Dennoch spürte er die Erleichterung, als er das große, schmiedeeiserne Tor passierte und den Wagen hinaus in die Freiheit rollen ließ. Mit Loba an der Hand erledigte er auf dem Universitätsgelände den Papierkram, stromerte ein wenig über den Campus und sie nahmen in der Mensa ein kleines, zweites Frühstück ein. Stiles und das Kind waren eigentlich schon auf dem Weg zurück zum Auto und stiegen gerade eine große freie Treppe hinab, als Stiles völlig unerwartet einen heftigen Tritt ins Kreuz erhielt. Er besaß gerade noch die Geistesgegenwart Lobas Hand loszulassen, um sie im Fallen nicht mit sich hinab zu reißen. Ergeben in sein Schicksal bereite Stiles sich bereits darauf vor, hart auf die Stufen aufzuschlagen und sich den Hals, oder zumindest erneut die gerade einigermaßen verheilten Rippen zu brechen, doch seltsamerweise geschah nichts dergleichen? Ein junger Mann in Stiles Alter mit flachsblonden Haaren fing ihn nämlich beherzt im Sturz auf. Zur selben Zeit realisierte Stiles, dass hinter ihm zwei Personen wegrannten, ohne dass er erkennen konnte, um wen es sich handelte. Er wollte sich gerade bei seinem Retter bedanken, doch dieser hatte nun sein Telefon gezückt: „Mr. Hale? Es hat einen Vorfall gegeben. Ich denke, es wäre am besten, wenn sie vorbeikommen würden.“ Stiles riss überrascht die Augen auf. Was zur Hölle ging denn hier vor? Kapitel 32: Killerinstinkt -------------------------- Als Stiles Retter sein Telefonat beendet hatte, wollte er von diesem wissen: „Wer zum Teufel bist du denn, Mann? Und woher kennst du Derek!“ „Wir sollten auf Mr. Hale warten, Sir!“ erwiderte der Fremde knapp und förmlich und schaute dabei konsequent an Stiles vorbei; den wachsamen Blick auf die Umgebung gerichtet, um diese auf weitere mögliche Gefahren hin zu scannen. Er stand da wie ein Elitesoldat, der sich zum Kampf bereit machte. Stiles nahm wieder die kleine Loba bei der Hand, welcher der Schrecken immer noch ins Gesicht geschrieben stand und streichelte ihr beruhigend das Köpfchen: „Ich muss auf gar nichts warten. Ich verschwinde jetzt einfach!“ knurrte Stiles den Fremden an und schickte sich an zu gehen, doch der Kerl verstellte ihm dreist den Weg und erwiderte: „Tut mir leid Mr. Stilinski, doch da es ist mein Auftrag ist, sie zu beschützen und sie soeben tätlich angegriffen wurden, kann ich sie nicht einfach so allein gehen lassen. Ich muss schließlich ihre Sicherheit gewährleisten können!“ Stiles wollte gerade zu einer wütenden Erwiderung ansetzen, als eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren und dunklem Teint zu ihnen stieß und berichtete: „Ich habe den Angreifer verloren. Hier sind einfach zu viele Leute unterwegs. Sorry!“ „Verdammt Vi!“ knurrte der blonde Fremde: „Das war wirklich nachlässig von dir!“ „Ach hör´ schon auf! Das hätte dir genau so passieren können!“ erwiderte die junge Frau verstimmt: „Wir werden später die Bänder der Kameraüberwachung checken und dann kriegen wir unseren Täter schon noch.“ Stiles Blick ging zwischen den beiden Fremden hin und her und er wollte wissen: „Und wer zum Donner bist du nun schon wieder? Und wie lange seid ihr zwei Pfeifen mir bereits auf den Fersen? Ich bin ja wohl im falschen Film, oder was?“ Der blonde Kerl forderte beschwichtigend: „Bitte beruhigen sie sich, Mr. Stilinski. Mr. Hale ist ja bereits auf dem Weg und er wird ihnen alles erklären!“ „Ich will meine Antworten aber JETZT!“ bellte Stiles und schnappte sich sein Telefon. Er wählte Dereks Nummer und ohne ein `Hallo´ vorweg knurrte er in den Hörer: „Du bist ein toter Mann, Hale! Du weißt es noch nicht, aber du bist ein TOTER MANN? Was in Dreiteufelsnamen hast du dir denn bloß dabei gedacht, mir diese zwei Clowns als Bodyguards auf den Hals zu hetzen, hm?“ „Ich bin gleich da und du kannst mir das Fell über die Ohren ziehen, Liebling.“ erwiderte Derek demütig: „Aber jetzt bin ich erst einmal froh, dass dir nichts passiert ist. Ich... ich liebe dich?“ „Ja, du mich auch, du Blödmann! Beeil´ dich und schwing´ deinen süßen Hintern hierher, damit ich ihn dir aufreißen kann!“ schnappte Stiles, doch klang er da nicht bereits ein klein wenig sanfter, fragte sich Derek hoffnungsvoll? Da setzte sein Freund nach: „Und fahr´ gefälligst vorsichtig, denn wenn du einen Unfall hast, komme ich um das Vergnügen, dich fertig zu machen, Alter!“ Dann legte er auf. Stiles setzte sich mit Loba auf eben jene Treppe, welche ihm gerade eben beinahe noch zum Verhängnis geworden wäre, legte einen Arm um das Mädchen und sie warteten. Es dauerte keine zehn Minuten, da war Derek bereits bei ihnen. Scheinbar hatte er dem ausdrückliche Befehl, gefälligst vorsichtig zu fahren nicht viel Beachtung geschenkt, sondern war anstatt dessen hierher geflogen? Und er hatte eigenartigerweise Deucalion im Schlepptau. Stiles wollte sogleich auf seine Liebhaber losgehen, doch seine Personenschützer kamen ihm zuvor: „Guten Tag, Mr. Hale! Ich bin erleichtert, ihnen mitteilen zu können, dass wir einen Angriff auf Mr. Stilinski vereiteln konnten.“ teilte der Blonde mit und mit einem strafenden Blick auf seine Kollegin fügte er hinzu: „Leider ist der Täter uns entkommen, aber wir werden unser möglichstes tun, um ihn doch noch zu erwischen.“ Stiles schob den Fremden energisch beiseite und zischte ihm dann über seine Schulter hinweg zu: „Du hast jetzt mal kurz Sendepause, Kumpel, denn jetzt rede ICH!“ An Derek gewandt fragte er: „Du hast also tatsächlich Bodyguards für mich engagiert? Bist du eigentlich bescheuert? Was soll das Ganze? Bloß weil ich EINMAL einen Autounfall hatte, oder wie? Und wieso besprichst du so etwas nicht vorher mit mir und fragst mich, ob ich so etwas überhaupt will, hm?“ Derek senkte den Kopf und gestand: „Die beiden habe ich nicht wegen des Unfalls engagiert, Stiles. Sie passen bereits auf dich auf, seitdem sich der Überfall auf dich am Abend nach meinem Geburtstag ereignet hat. Ich wollte einfach verhindern, dass sich so eine schreckliche Begegnung mit deiner Vergangenheit jemals wiederholt. Ich habe nichts gesagt, weil ich nicht wollte, dass du dich irgendwie eingeschränkt fühlst. Ich habe den beiden klar gemacht, dass sie sich unauffällig verhalten sollen, denn ich dachte mir, wenn du gar nichts davon bemerkst, dann kann es dich ja auch nicht stören.“ „DAS GEHT SCHON SEIT DEINEM GEBURTSTAG SO?“ schrie Stiles aufgebracht und boxte Derek gegen den Oberarm: „Der war doch schon vor Monaten! Das ist doch nicht zu fassen! Damals waren wir ja noch nicht einmal ein Paar. Was denkst du dir denn nur dabei, so etwas zu tun?“ Derek stand mit Büßermiene vor ihm und murmelte: „Du warst verletzt, Liebling. Es war grauenhaft, dich so zu sehen. Ich wollte sichergehen, dass so etwas nie wieder passieren kann.“ Nun kam ihm überraschend Deucalion zu Hilfe, indem er sagte: „Jetzt nimm´ den armen Kerl doch nicht so in die Mangel, Stiles. Er hat sich Sorgen um dich gemacht, weil du ihm viel bedeutest. Außerdem hat er eben wahnsinnige Verlustängste. Kannst du es ihm verdenken? Immerhin hat man seine gesamte Familie ermordet.“ Stiles merkte, wie etwas in ihm schmolz. Er seufzte geschlagen, zog Derek in seine Arme und fragte sanft: „Was mache ich denn nur mit dir, du alter Esel?“ Derek zuckte mit den Achseln und gab ihm einen Kuss. Dann löste er sich wieder von Stiles, blickte ihn ernst an und erklärte: „Ich muss dir etwas sagen, Stiles. Als ich eben den Anruf bekommen habe, war ich ohnehin schon auf dem Weg zu dir. Ich weiß, dass dir das mit den Bodyguards nicht passt, aber ich bin dennoch heilfroh, dass ich sie engagiert habe, denn irgendwas Merkwürdiges geht hier vor. Vor einer halben Stunde habe ich einen Anruf von der Polizei bekommen.“ Der Jüngere blickte ihn fragend an und Derek fuhr fort: „Sie haben deinen Jeep noch einmal untersucht. Das ist kein Unfall gewesen! Jemand hat deine Bremsleitung durchgeschnitten, Baby!“ Stiles blickte ihn entsetzt an: „Das ist doch Blödsinn!“ rief er aus: „Wer sollte mir denn so etwas antun wollen? Ich bin doch bloß eine unbedeutende Null. Und außerdem habe ich doch niemandem etwas getan. Das war bestimmt bestimmt bloß irgendein Nagetier, das die Leitung durchgebissen hat und weiter nichts!“ Derek schüttelte bedauernd den Kopf: „Der Beamte am Telefon hat gesagt, die Sache sei ganz eindeutig: Es sei ein starkes militärisches Sägemesser verwendet worden.“ „Aber wer? Und... wieso?“ stammelte Stiles nervös, weil ihm diese Neuigkeit komplett den Wind aus den Segeln nahmen. Deucalion antwortete an Dereks Stelle: „Das wüssten wir auch gern. Vielleicht können Garret und Violet jetzt erst einmal berichten, was hier heute Vormittag genau vorgefallen ist, denn ich glaube einfach nicht an Zufälle.“ Er deutete auf die beiden Personenschützer: „Ich bin fast sicher, dass es zwischen der Sache mit dem Auto und dem was heute geschehen ist, eine Verbindung geben muss. Irgendwas ist hier oberfaul! Und so begann der blonde Garret Bericht zu erstatten: „Ehrlicherweise muss ich zugeben, es ist beinahe so etwas wie Zufall gewesen, dass es mir gelungen ist, Mr. Stilinski aufzufangen, so dass es nicht zu einem Sturz gekommen ist. Das Ganze geschah volkommen unerwartet. Ich habe nur aus dem Augenwinkel eine dunkle Gestalt gesehen, die sich dem Objekt von hinten genähert und ihm dann einen heftigen Tritt versetzt hat.“ „Ich hoffe sehr, mit `Objekt´ bin nicht ICH gemeint!“ krähte Stiles empört dazwischen, doch Garret beachtete ihn kaum, sondern beendete anstatt dessen ungerührt seinen Rapport: „Da waren sehr viele andere Personen auf der Treppe, so dass es mir nicht gelungen ist, einen genauen visuellen Eindruck zu gewinnen. Dann ist die Person davongelaufen und meine Schwester hat die Verfolgung aufgenommen.“ `Schwester?´ dachte Stiles verwundert, denn diese Zwei sahen nun wirklich nicht so aus, als hätten sie einen gemeinsamen Genpool. „Ich konnte das Gesicht der Person leider auch zu keinem Zeitpunkt sehen.“ bekannte Violet: „Sie trug eine schwarze Jeans und einen gleichfarbigen Kapuzenpullover und die Kapuze hatte sie die ganze Zeit tief ins Gesicht gezogen. Wer immer es war, war gut in Form und schnell. Es waren zu viele Menschen auf dem Campus unterwegs und so konnte er irgendwann in der Menge untertauchen und war verschwunden. Es tut mir leid!“ Deucalion nickte: „Es ist nun nicht mehr zu ändern, Violet, aber können sie mir vielleicht trotzdem etwas mehr über diese Person sagen? Welchen Eindruck hat sie vermittelt? War sie alt, oder jung, männlich oder weiblich, groß oder klein, dick oder dünn?“ Violet dachte einen Augenblick nach und erwiderte dann: „Die Person war schlank und relativ groß, auf jeden Fall über einen Meter siebzig. Es könnte sich sowohl um einen Mann, als auch um eine Frau gehandelt haben. Und wie gesagt war sie schnell und in körperlich guter Verfassung, so dass ich behaupten würde, dass sie wohl noch recht jung war. Wir werden die Aufnahmen der Sicherheitskameras der Universität auswerten und dann können wir vielleicht schon Genaueres sagen?“ „Ausgezeichnet!“ gab Deucalion zurück und fuhr sachlich fort: „Wir haben also zwei Anschläge auf Stiles Leben in kurzer zeitlicher Abfolge. Und seit heute Morgen dieser Anruf der Polizei gekommen ist, gibt es eine Sache, die mir einfach nicht aus dem Kopf gehen will. Es ist etwas, dass Dr. Geyer damals gesagt hat, an jenem Tag, nachdem Stiles aus dem Krankenhaus entlassen worden ist. Er erwähnte beiläufig, dass im selben Bett, in dem zuvor Stiles gelegen hatte, völlig unerwartet ein junger Mann verstorben sei. Was, wenn auch das kein Zufall gewesen wäre, sondern ein dritter, fehlgeschlagener Anschlag, dem jedoch ein Anderer, nämlich ein Zufallsopfer erlegen ist. Ich werde jedenfalls meine guten Verbindungen zur Polizei von L.A. nutzen und werde die Exhumierung des Verstorbenen und eine genaue Untersuchung der Todesumstände anregen, um zu sehen, ob da vielleicht jemand nachgeholfen hat. Und ihr solltet wegen dieser Sache heute auf jeden Fall auch die Polizei hinzuziehen!“ Stiles war mittlerweile ziemlich blass geworden und flehte gequält: „Aber ich will jetzt nicht mit den Cops reden! Bitte bring´ mich jetzt einfach nachhause, Derek! Das ist mir alles zu viel.“ „Aber Deuc hat Recht. Die Polizei sollte davon erfahren. Wir machen es so: Ich bringe dich nachhause, und Garret und Violet werden sich darum kümmern. Du machst deine Aussage dann einfach später bei mir zuhause, einverstanden?“ Stiles nickte matt und sie machten es so. Kate lag in ihrem Schlupfwinkel auf der Lauer, welchen sie sich vorhin rasch hatte suchen müssen, um ihrer Verfolgerin zu entkommen. Nun beobachtete sie durch ihr kleines Fernglas, was gerade vor sich ging. Das hässliche, leberfleckige, kleine Frettchen hatte nun also auch noch Bodyguards, wie es aussah. Da steckte doch mit Sicherheit Derek dahinter! Bedeutete das etwa, dass sie ihr bereits auf der Spur waren? Das war auf jeden Falll ein weiterer Grund sicherzugehen, dass man ihr nichts beweisen konnte, also musste sie sich dringend etwas einfallen lassen! Wie es schien, hatte Deucalion ja wohl mittlerweile das Lager gewechselt, also konnte sie auf ihn nicht mehr zählen. Das war wirklich bedauerlich! Dieser Stiles hatte wirklich etwas von einer Katze, doch auch die hatten nur neun Leben, richtig? Früher oder später würde sie ihn schon noch erwischen! Heute Morgen hatte alles noch so leicht ausgesehen: Die Kamera, welche Kate in der Nähe von Dereks Eingangstor installiert hatte, hatte ihr gezeigt hatte, dass Stiles nach einer Ewigkeit endlich wieder einmal das Haus verlassen hatte und zwar bloß in Begleitung irgendeines Kindes. Wochenlang war von der kleinen Arschgeige keine Haarsträhne zu sehen gewesen und dann endlich schien einfach so ihre Chance gekommen zu sein. Natürlich hatte Kate da keine Zeit gehabt, sich irgendeinen raffinierten Plan auszudenken und so hatte sie ganz einfach beschlossen zu improvisieren. Den Camaro auf der Straße ausfindig zu machen und dann die Verfolgung aufzunehmen war nicht besonders schwer gewesen, denn sie kannte diesen Wagen wie ihren eignen. Es war Dereks erstes Auto gewesen und er hatte es damals geliebt, sie darin herumzukutschieren. Er hatte den Wagen allein wegen Ihr ausgesucht, um ihr ein wenig zu imponieren und sie hatte das ganz süß gefunden. Ein bisschen lächerlich vielleicht, aber auch süß! Und nun fuhr diese kleine Pissnelke mit einem wichtigen Stück IHRER PERSÖNLICHEN GESCHICHTE in der Gegend herum und lebte IHR LEBEN! Und während sie kaum noch Model-Aufträge bekam und in billigen Hotelzimmern hauste, wie ein Tier, hatte dieses Miststück sich bei Derek eingenistet, wie die Made im Speck. Sie musste dieser Sachen ein Ende machen, auch wenn es durch die Bodyguards gerade noch einmal ungleich schwieriger geworden war. Ihr Plan für den weiteren heutigen Tag war es zunächst, ihre Spuren zu verwischen und dann Kontakt zu einem alten Bekannten aufzunehmen, von dem sie sich ein paar Informationen erhoffte. Und dann hatte sie ja auch noch ein kleines Ass im Ärmel. Die Frage war nur, wann sie die Bombe platzen lassen wollte? Wenn Derek auch bloß ein kleines bisschen Anstand besaß, dann hätte sich die Sache mit seinem kleinen Boytoy dann ohnehin von selbst erledigt. Nur wollte Kate sich nicht allein darauf verlassen. Auf der Heimfahrt war Stiles uncharakteristisch still gewesen. Derek hatte den Camaro gesteuert, während Deucalion mit seinem BMW hinter ihnen hergefahren war. Stiles hatte sich mit Loba auf den Rücksitz verzogen und das Mädchen dort die ganze Zeit festgehalten. Offensichtlich beruhigte ihn der warme, kleine Körper, der sich an ihn kuschelte. Derek fragte sich flüchtig, ob sein Freund sich wohl eines Tages eigene Kinder wünschte? Bislang war Derek sich sicher gewesen, dass diese Option für sein Leben ausschied, doch als er Stiles beobachtete, der so bezaubernd war, wie er sich liebevoll um dieses Mädchen kümmerte, schien es ihm mit einem Mal gar nicht mehr so ausgeschlossen. Zuhause angekommen hatte Stiles Loba ihrer Mutter übergeben und anschließend sogleich Harvey aus ihrem Käfig geholt und mit ihr ging die Schmuserei weiter. Er hatte sich in Dereks Wohnzimmer auf dem Sofa unter einer großen Decke verkrochen und hielt das geduldige Häschen fest im Arm. Derek hockte sich daneben und betrachtete seinen Geliebten mit ein wenig Beunruhigung. Stiles wirkte wirklich ziemlich erledigt, doch wer konnte es ihm verdenken, wo es doch scheinbar jemand auf sein Leben abgesehen hatte? Deucalion hatte sich zu ihnen gesetzt und wollte nun wissen: „Fällt dir irgendwer ein, der dir etwas antun wollen könnte, Stiles? Hast du vielleicht irgendwelche Feinde? Hat dich irgendwer bedroht?“ Stiles blickte ihn vielsagend an: „DU willst wissen, ob mir jemand einfallen würde, der in letzter Zeit mein Leben bedroht hat, Deucalion? Ehrlich? Du? Das ist jetzt echt witzig!“ Der Ältere reagierte gelassen auf diese Anspielung: „Ich meine irgendjemanden AUßER mir, denn ich hatte keine Gelegenheit, dich heute eine Treppe herunter zu stoßen, weil ich ja immerhin mit Derek zusammen war. Das ist ein recht gutes Alibi, findest du nicht? Außerdem weißt du, dass es mir wirklich sehr leid, was ich damals gesagt und getan habe, denn mittlerweile habe ich begriffen, wie gut du Derek tust und dass du es ehrlich mit ihm meinst. Also was ist nun? Gibt es außer mir noch weitere Verdächtige?“ „Der einzige Andere, der je gedroht hätte, dass er mich töten will ist Earl, dieser Typ der mich vor ein paar Monaten angegriffen hat, aber ich bin sicher, dass er das mit meinem Wagen nicht gewesen ist, denn sein Angriff war doch bloß so eine Affekthandlung, weil ich ihn abgewiesen habe. Der hat mich doch schon längst wieder vergessen. Außerdem passt Violets Beschreibung nicht. Er ist zu klein, zu dick und zu unsportlich!“ „Trotzdem ist er für mich der Hauptverdächtige!“ beharrte Deucalion, immerhin besaß er ausreichend Killerinstinkt, dich damals überfahren zu wollen.“ „Also ich glaube auch nicht, dass er es war.“ warf Derek ein und die anderen beiden Männer blickten ihn überrascht an. Derek senkte den Kopf und erläuterte kleinlaut: „Ich habe ihn damals nach der Tat ausfindig gemacht und... und ich habe ihm klargemacht, dass du jetzt gewissermaßen unter meinem Schutz stehst, Stiles. Bitte hass´ mich nicht, in Ordnung?“ Stiles hasste Derek nicht. Er schimpfte auch nicht mit ihm, so wie vorhin über die Bodyguards. Stattdessen setzte er das Kaninchen einen Augenblick lang ab, kroch auf Derek zu, schlang fest die Arme um seinen Geliebten und flüsterte: „Danke, Baby!“ Derek erwiderte die Umarmung zugleich verblüfft und erleichtert. Ein dümmliches Grinsen schlich sich auf sein Gesicht und Wärme erfüllte seine Brust. Mehr wollte er doch gar nicht, als für Stiles da zu sein und ihn zu beschützen, nur dass dieser ihm dies immer so verdammt schwer machte: „Hast du Earl geschlagen?“ wollte Stiles wissen und seine Stimme verriet da noch nicht, ob ihm diese Möglichkeit gefiel, oder ob er sie eher ablehnte. Möglicherweise schwang auch beides in seiner Frage mit? „Ein bisschen!“ bestätigte Derek also unsicher: „Gut!“ sagte Stiles mit einer Spur Gehässigkeit. Dann fügte er rasch hinzu: „Aber du hast ihn nicht allzu schwer verletzt, oder?“ „Natürlich nicht! Wer bin ich denn? Mike Tyson vielleicht?“ versicherte Derek: „Ich habe ihm zweimal mit der Faust in die hässliche Visage geschlagen, ihm gedroht, dass er es bereuen würde, wenn er sich dir noch einmal nähern würde und ich denke, meine Botschaft ist angekommen.“ Stiles schmunzelte, drückte ihm einen Kuss auf die Lippen und hauchte dann, wie die Protagonistin eines alten Films: „Mein tapferer Held!“ „Manchmal verstehe ich dich wirklich nicht!“ erwiderte Derek ratlos: „Soll ich dich nun beschützen, oder mich ganz und gar raushalten? Bei mir kommen hier echt widersprüchliche Botschaften an: Stiles Grinsen bekam beinahe etwas Unverschämtes, als er erwiderte: „Damit musst du leider leben, mein Schatz. Ich bin eben ein Mysterium!“ Derek lächelte gutmütig, küsste Stiles erneut und behauptete selbstbewusst: „Ich werde dich schon noch entschlüsseln, mein Kleiner.“ Deucalion hatte mittlerweile das Kaninchen auf den Arm genommen, weil es Anstalten gemacht hatte, Dereks sauteures, weißes Ledersofa zu zernagen. Stiles beobachtete den Älteren, wie dieser hingebungsvoll das weiße Fell streichelte und fand, dass er dadurch beinahe wie einer dieser Filmschurken in einem alten Bond-Film wirkte - WELTHERRSCHAFT! Mo-hah-hah-har! „Hast du denn sonst noch irgendwelche Feinde, Stiles?“ fragte der Ältere nun: „Ist da jemand in deiner Vergangenheit, dem du möglicherweise auf die Füße getreten bist?“ „Bin ich etwa Lex Luthor? Zur Hölle, Nein! Ich habe niemandem etwas getan und ich bin doch auch bloß ein Niemand. Ich wüsste beim besten Willen keinen Grund, warum sich jemand so viel Mühe machen sollte, mich loszuwerden!“ bekräftigte Stiles noch einmal: „Was ist mit Kate?“ fragte Derek zögerlich: „Kate?“ wiederholte Stiles überrascht und Deucalion schloss sich irritiert an: „Welchen Grund sollte Kate wohl haben, Stiles etwas anzutun?“ fragte Deucalion irritiert: „Wie kommst du denn auf so etwas?“ „Du weißt eben nicht,was sie mir angetan hat!“ erwiderte Derek bitter. Deucalion blickte ihn fragend an, doch Derek gab keine weitere Erklärung dazu ab, also sagte der Ältere: „Aber Kate ist doch nicht irgendeine Wahnsinnige, die losgeht und Menschen umbringt. Sie ist die Schwester von unserem alten Freund Chris. Ich kenne das Mädchen beinahe seit ihrer Geburt. Sie war einmal DEINE FREUNDIN, Derek. Traust du ihr so etwas wirklich zu?“ Dereks Gesicht hatte einen sehr finsteren Ausdruck angenommen: „Ich weiß es nicht. Erklär´ mir doch einfach mal, wie es dazu gekommen ist, dass sie damals auf meiner Geburtstagsfeier aufgetaucht ist? Ist das deine Idee gewesen, Deuc?“ „Ich gebe zu, dass es ganz gut in meine damaligen Pläne gepasst hat, aber es ist letztlich Kates Idee gewesen, zurückzukehren“ berichtete Deucalion: „Sie rief mich eine Woche vor der Feier an, hat sich nach dir erkundigt, hat gesagt dass sie oft an dich denken und es gern noch einmal mit dir versuchen würde. Da habe ich ihr dann von Stiles und meinen damaligen Bedenken ihm gegenüber erzählt und bei mir gedacht, man könnte ja mal probieren, ob sich das alte Feuer nicht wieder entfachen ließe. Und weil Kate nach deinem Geburtstag gefragt hat, habe ich ihr vorgeschlagen vorbeizukommen. Dann haben wir noch die Sache mit eurer gemeinsamen Geschäftsreise nach Tokyo ausgeheckt und das war alles.“ „Prima!“ schnappt Derek bitter: „Habt ihr auch ausgeheckt, dass sie mich unter Drogen setzen und sexuell missbrauchen darf?“ „Wie bitte? Wovon redest du denn da?“ fragte Deucalion erschrocken: „Von dem, was in Tokyo passiert ist! Sie muss mir etwas in den Drink getan haben. Ich hatte einen vollkommenen Blackout und bin Stunden später neben ihr im Hotelbett aufgewacht. Was sagst du dazu, Deuc? Gehörte das etwa auch zu eurem Plan?“ fragte Derek schneidend. „WAS? Du lieber Himmel, natürlich nicht!“ Deucalion hielt inne, runzelte die Stirn: „Aber bist du dir auch sicher, dass es wirklich genau so gewesen ist? Das sind wirklich schwerwiegende Anschuldigungen, und ich meine, wir haben doch alle im Suff schon mal etwas getan, was wir hinterher bereut hätten. Könnte es sich nicht auch so abgespielt haben, mein Freund?“ fragte er mit Samt in der Stimme. Derek hatte die großen Hände zu festen Fäusten geballt und sprang so rasch auf, dass Stiles, der an ihn gelehnt dagesessen hatte, beinahe umgekippt wäre: „Nein, so ist es eben nicht gewesen!“ brüllte er so heftig, dass Harvey in Deucalions Arm zusammenzuckte: „Ich kann mich an den ersten Cocktail mit Kate erinnern und danach liegt alles andere im Nebel. Doch auch wenn ich mich nicht mehr an viel erinnern kann, so weiß ich doch noch ganz genau, wie grauenhaft ich mich am nächsten Morgen gefühlt habe. Ich war verwirrt, todtraurig, ängstlich und irgendwie auch stinkwütend. Ich habe mich im Anschluss an diese Sache einer Behandlung gegen eine mögliche HIV-Infektion unterzogen. Denkst du, so etwas mache ich zum Spaß? Ich habe vor einer Woche einen Haarprobe zur Analyse ans Labor gegeben. Wenn ich Glück habe, wird diese beweisen, was passiert ist, doch leider sind K.O.-Tropfen hinterher oft überhaupt nicht mehr nachweisbar. Sie hat mich vergewaltigt, Deuc, auch wenn du das scheinbar für unmöglich und total lächerlich hältst, aber genau so war es; ich bin mir vollkommen sicher! Und nun fragst du mich, ob ich Kate Mordabsichten zutraue? Ja das tue ich! Ich weiß nicht, was genau sie plant oder erreichen will, aber irgendetwas hat sie vor. Und du glaubst mir entweder und bist auf meiner Seite, oder du kannst auf der Stelle gehen!“ Derek hatte sich mit jedem Wort mehr aufgeregt. Er hatte mittlerweile zu zittern begonnen und sein Gesicht war puterrot. „Ist in Ordnung, Liebling!“ flüsterte Stiles besänftigend. Er war von hinten an Derek herangetreten, legte vorsichtig die Arme um seine Taille und gab ihm wortwörtlich Rückendeckung. Deucalion sah aus, wie vom Donner gerührt und versuchte scheinbar immer noch zu begreifen, was er soeben erfahren hatte: „Ist in Ordnung, Derek! Ich... ich glaube dir und finde es überhaupt nicht lächerlich! Ich hatte ja keine Ahnung. Aber warum hast du denn niemals etwas gesagt?“ „Was denkst du wohl, Deuc?“ grollte Derek: „Weil ich es zunächst selbst nicht glauben wollte und mich wahnsinnig geschämt habe.“ Deucalion schluckte: „Es tut mir wirklich leid! Und wenn es wirklich Kate ist, die Stiles nach dem Leben trachtet, dann werden wir sie überführen. Und natürlich helfe ich euch dabei! Versprochen!“ versicherte er blass vor Schrecken. Derek nickte finster, nahm wieder Platz, setzte sich und zog Stiles an seine Seite. In diesem Augenblick räusperte sich Greenburg, welcher beinahe geräuschlos den Raum betreten hatte, um mitzuteilen: „Die Personenschützer sind soeben eingetroffen, Sir. Sie warten in der Eingangshalle.“ „Führen sie sie herein!“ verlangte Derek. Garret und Violet wirkten unzufrieden und der Grund dafür war, dass sie von einem weiteren Misserfolg berichten mussten: „Wir haben es scheinbar mit einem Profi zu tun!“ rechtfertigte sich Violet mit unterdrücktem Ärger: „Die Bänder der Überwachungskameras auf dem Campus wurden irgendwie gelöscht. Der Sicherheitsdienst der Uni konnte sich nicht erklären, wie das hatte passieren können. Das war mit Sicherheit kein Zufall, Mr. Hale. Das Einzige, was wir jetzt noch tun könnten ist herauszufinden, ob es irgendwelche Privataufnahmen von Mobiltelefonen oder ähnlichem vom Tatzeitpunkt gibt.“ „Machen sie es so!“ forderte Derek grimmig: „Ich will, das alles Menschenmögliche getan wird, um den Täter auzuspüren. Geld spielt dabei keine Rolle!“ Dies war natürlich Stiles Stichwort, um zu protestieren, doch Derek kam ihm zuvor und sagte fest: „Ich darf mein Geld ausgeben, wofür ich möchte, Stiles! Und ich MUSS einfach wissen, was hier gespielt wird!“ und so nickte Stiles lediglich und nahm es einfach hin. Die beiden Bodyguards verabschiedeten sich, doch es dauerte nicht lange, ehe Greenburg die nächsten Gäste ankündigte. Diesmal waren es zwei Polizeibeamte, die Stiles Aussage aufnehmen wollten. Ehe der Butler die Polizisten hereinführte, zischte Stiles den beiden anderen Männern zu, dass sie kein Wort über Lobas Anwesenheit bei dem Vorfall sagen dürften, denn immerhin sei sie ja illegal in diesem Land. Die beiden Beamten waren jung und schauten sich ein wenig unprofessionell mit neugierigem Blick überall um, aber Stiles konnte es ihnen nicht verdenken, denn immerhin bekam man ja nicht alle Tage ein solches Schloss zu sehen. Stiles berichtete das Wenige, dass er wusste, nämlich dass er einen Tritt in den Rücken erhalten hatte, von einer Person erhalten, die er selbst gar nicht hatte sehen können und ergänzte dann noch das, was Garret und Violet hinterher berichtet hatten. Dann versicherte er auf Nachfrage, dass er keine Ahnung hatte, wer ihm da Schaden zufügen wollen könnte. Den Verdacht gegen Kate ließ er vorerst unausgesprochen, denn immerhin gab es dafür ja gar keine wirklichen Anhaltspunkte. Die beiden Beamten schienen zu bedauern, dass die Aussage nicht ergiebiger war, nicht nur, weil sie ihnen nicht viele Anhaltspunkte für ihre Ermittlungen lieferte, sondern insbesondere auch deswegen, weil sie Dereks Palast nun schon wieder verlassen mussten und sich sicher gern noch ein wenig neugierig umgeschaut hätten, doch am Ende zogen sie sich doch ohne weiteres zurück und Stiles atmete auf, weil er diesen Tagesordnungspunkt nun endlich hinter sich hatte. Kate betrachtete sich prüfend im Spiegel und fragte sich, ob das hautenge, rückenfreie, rote Kleid wohl zu viel war? Dann entschied sie allerdings, dass es genau das Richtige für das sei, was sie vorhatte. Brent Kippler war immer schon scharf auf sie gewesen und sie wollte unbedingt wissen, was er wusste, also war heute ja möglicherweise sein Glückstag? Brent war der Privatdetektiv, welchen Deucalion angeheuert hatte, etwas über die Vergangenheit von Stiles auszugraben. Kate zog sich einmal ihre scharlachroten Lippen nach und machte sich dann auf den Weg zu ihrer Verabredung. Während der Fahrt gratulierte sie sich noch einmal dazu, dass sie so gut auf alle möglichen Eventualitäten vorbereitet gewesen war und den Entmagnetisierer im Wagen gehabt hatte. Damit hatte sie die Aufnahmen der Sicherheitskameras auf dem Campus im Nu unbrauchbar gemacht, nur für den Fall, dass ihr Gesicht trotz der Vermummung auf einem der Bilder zu erkennen gewesen wäre. Blieb nur zu hoffen, dass das kleine Mädchen sie nicht gesehen hatte? Andererseits, wer glaubte schon einem Kind? Aber falls doch, dann würde sie sich darum kümmern müssen! Im Großen und Ganzen war Kate jedoch recht zufrieden damit, wie alles für sie lief. Zwar war Stiles ihr wieder einmal durch die Lappen gegangen, aber sie war eine geduldige Frau und nun war ihre Jagdlust endgültig geweckt und Kate mochte das Gefühl. Kapitel 33: Auf Augenhöhe ------------------------- Nachdem Deucalion endlich gegangen war, hatte Stiles sich erschöpft im Bett verkrümelt, um von dort aus Scott anzurufen. Natürlich wollte dieser auf der Stelle vorbeikommen, als er hörte was sich heute abgespielt hatte. Stiles allerdings überkamen sogleich ängstliche Visionen, wie eine messerschwingende Kate Argent seinen besten Freund stellvertretend für ihn abschlachtete, oder ihn entführte, damit sie ihn dann gegen Stiles eintauschen konnte, weil sie diesen selbst ja schließlich in Dereks `Festung der Einsamkeit´ nicht erwischen konnte. Stiles steigerte sich so sehr in diese Angst hinein, dass Derek seinen Freund schließlich durch Greenburg abholen ließ, auch wenn der Ältere dessen Besorgnis nicht wirklich teilte, aber Stiles sollte sich schließlich wohl fühlen. Und so kam es dann auch dazu, dass sie in dieser Nacht zu viert in Dereks Bett lagen, drei Männer und ein struppiger, kleiner Hund, welcher zu ihren Füßen schnarchte, schmatzte, sabberte und im Traum mit den Pfoten zuckte. Das war natürlich nicht ganz das, was Derek vorgeschwebt hatte. Es war ja auch nicht so, dass es in seinem Palast dutzende Gästezimmer gab, in welchen ein Besucher nächtigen konnte, dachte er grimmig, als er mit einem kleinen Stich der Eifersucht zu seinem Liebhaber hinüberblickte, welcher wie ein kleiner Klammeraffe die Arme um Scott gewunden hatte. Dennoch war nicht zu übersehen, dass Stiles sich durch die Anwesenheit seines besten Freundes deutlich beruhigte, also war wohl alles gut, wie es war, richtig? Derek selbst wollte es heute allerdings überhaupt nicht gelingen einzuschlafen und so erhob er sich irgendwann und Skippy schloss sich ihm an. Gemeinsam geisterten sie nun rastlos durch das dunkle Haus und Derek beschäftigten die Erinnerungen an seine Vergangenheit. Er musste als junger Mann offensichtlich ein ziemlicher Idiot, oder zumindest wirklich, wirklich blind gewesen sein, denn zumindest zu Anfang ihrer Beziehung war er Kate schließlich noch gefolgt wie der kleine Skippy ihm in diesem Moment. Er hatte sie geradezu angehimmelt und aus irgendeinem Grund hatte er stets geglaubt, sie würde bloß einen Scherz machen, wenn sie wieder einmal eine ihrer gemeinen und herzlosen Bemerkungen über einen anderen Menschen gemacht hatte. Im Nachhinein war er überzeugt, dass sie jedes Wort davon auch genau so gemeint hatte. Derek war wirklich sehr einfältig gewesen. Er hatte es beinahe jedes Mal heruntergeschluckt, wenn Kate ihn wieder einmal mit irgendeinem anderen Kerl betrogen hatte. Wie ein Idiot hatte er ihr jedes Mal auf´s Neue geglaubt, wenn sie ihm Versprechungen gemacht, oder behauptet hatte, es habe nichts bedeutet und er hatte ihr verziehen. Vielleicht lag es jedoch auch mit daran, dass er damals viel zu viel getrunken und zu viele Drogen genommen hatte. Und irgendwie war sogar Kate selbst wie eine Droge gewesen und hatte mit seinem Hirn gespielt. Derek dachte an jenen Tag zurück, als sein Onkel Peter versucht hatte, ihn vor Kate zu warnen. Aus welchem Grund auch immer hatte er damals geglaubt, dass lediglich die Schuldgefühle wegen seines Betrugs aus ihm sprechen würden und er deshalb versuchte, Kate schlecht aussehen zu lassen, um besser mit sich leben zu können. Heute war Derek sich nicht sicher, ob es nicht doch mehr gewesen sein könnte und er wünschte, er hätte damals besser hingehört. Nach der Trennung hatte Kate es noch einige Male versucht, sich zu erklären, ihn ein weiteres Mal mit Worten einzuwickeln, wie schon so viele Male zuvor, doch da hatte sich ganz plötzlich etwas verändert. Derek war gar nicht wirklich wütend auf sie gewesen, denn so war Kate nun einmal und er hatte das endlich auch begriffen, aber etwas war in diesem Moment in ihm gestorben. Da war kein Herzklopfen mehr bei ihrem Anblick gewesen, kein aufregendes Ziehen, gar nichts! Es hatte gedauert, es waren viele Enttäuschungen nötig gewesen, doch mit diesem letzten Verrat waren seine Gefühle ganz einfach für immer erloschen. Da hatte es Kate auch nicht geholfen, dass sie Kontakt zu Talia Hale aufgenommen hatte, in der Hoffnung, die Mutter könnte positiv auf den Sohn einwirken. Und schließlich hatte Kate sich zurückgezogen und Derek durfte ein wenig zur Ruhe kommen. Sie hatten sich danach nur noch sehr selten auf irgendwelchen Parties getroffen, zu denen sie zufällig beide eingeladen waren. Er hatte ihr verziehen, es war Gras über die Sache gewachsen und dann hatten sich die Dinge zwischen ihnen sich normalisiert. Sie hatten einen freundschaftlichen Umgang miteinander gefunden und Derek konnte sogar wieder auch all die guten Erinnerungen an ihre guten gemeinsamen Zeiten zulassen. Er hatte nicht vergessen, wie viel er an ihrer Seite gelernt hatte, welche unglaublichen Erfahrungen er durch sie hatte machen können und welche Abenteuer er mit ihr erlebt hatte. An Kates Seite war er erwachsen geworden. Und Kate war nach dem verheerenden Feuer auf der Beerdigung seiner Familie gewesen, hatte ihm ihr Beileid ausgesprochen. Er hatte es ihr hoch angerechnet und war dankbar dafür gewesen, an diesem Tag ein vertrautes Gesicht aus seiner Vergangenheit zu sehen. Das war ihr letztes Zusammentreffen gewesen, bevor sie auf Dereks Geburtstagsfeier aufgetaucht war und dazwischen hatten Jahre gelegen. Derek vermied eigentlich lieber die Gedanken an das, was in Tokio vorgefallen war, weil es ihn zu sehr aufregte, doch nun rief er sich die Situation noch einmal in Erinnerung, um zu versuchen, sie rational und nüchtern zu beurteilen. Was war denn wirklich dort passiert? Konnte alles am Ende doch bloß irgendwie ein Missverständnis sein, wie Kate behauptete? Es war der zweite Cocktail gewesen, welcher ihn ausgeschaltet hatte; jener den Kate für sie beide von der Bar geholt hatte. Es gab überhaupt keinen Zweifel darüber, dass Kate ihm da etwas hineingetan hatte. Aber konnte man zu ihren Gunsten annehmen, dass sie das, was daraufhin mit ihm geschehen war gar nicht hatte absehen können? Kate hatte immer schon eine eher unkritische Haltung gegenüber Drogen gehabt. Sie nahm sie, um Spaß zu haben und teilte sie großzügig mit anderen, wie auch schon damals mit dem siebzehnjährigen Derek am Anfang ihrer Beziehung. In Tokio war Derek ja in der Tat wahnsinnig auf seine Pflichten konzentriert gewesen und hatte die ganze Zeit bloß gearbeitet. Vielleicht hatte Kate einfach nur gewollt, dass er lockerer wurde und hatte ihm deswegen etwas zur Entspannung untergejubelt? Derek konnte sich ja überhaupt nicht daran erinnern, wie er unter dem Einfluss dieser Drogen gewesen war. Es war jedenfalls klar, das er nicht einfach in Bewusstlosigkeit gefallen war. Irgendwie war er schließlich zurück ins Hotel gekommen und dies ja wohl auf seinen eigenen zwei Beinen, denn Kate hatte ihn schließlich nicht dorthin getragen. Das Zeug hatte also vielleicht einfach seine Hemmschwelle herabgesetzt, ihn auf seine Urinstinkte reduziert und seine Erinnerungen beeinträchtigt? Möglich, dass Kate die Tragweite der Wirkung gar nicht klar gewesen ist? Und vielleicht hatte er ja sogar den Anfang gemacht, bei dem, was danach geschehen war? Aber dann erschien vor seinem inneren Auge wieder dieses Bild, wie Kate ihm beinahe gewaltsam große Mengen Whiskey einflößte und mit seinem Schwanz spielte, damit er hart wurde. War das überhaupt eine Erinnerung, der er trauen konnte, oder bloß irgendein Hirngespinst von ihm? Verdammt! Alles lag im Nebel und er würde es nie genau wissen! Das einzige, was er genau wusste war, dass Kate ihn ohne sein Wissen unter Drogen gesetzt hatte, auch wenn er das vielleicht nie würde beweisen können. War das genug, um den Hass zu rechtfertigen, den er seitdem auf sie empfand? War das genug, um anzunehmen, dass sie dazu fähig wäre, Stiles etwas anzutun? Derek raufte sich die Haare. Er ging hinüber zu seiner Hausbar und war soeben im Begriff eine Flasche Whiskey anzusetzen, als er das Tapsen nackter Füße auf den Fliesen hinter sich vernahm: „Hey Baby? Was machst du denn?“ fragte Stiles verschlafen und schlang von hinten die Arme um ihn: „Tu´ das nicht, okay? Komm´ einfach her! Ich helfe dir, Liebling. Lass´ uns einfach wieder ins Bett gehen.“ „Ich glaube nicht, dass ich schlafen kann. Aber mach´ dir keine Gedanken, Süßer! Geh´ wieder ins Bett!“ gab Derek zurück, doch Stiles in seinem Rücken schüttelte heftig den Kopf: „Kommt überhaupt nicht in Frage!“ erklärte er fest, nahm Derek die Flasche aus der Hand, schob ihn hinüber zum Sofa, ließ ihn sich setzen und hockte sich dann auf seinen Schoß: „Ich werde mich um dich kümmern!“ versprach er und presste seine warmen Lippen auf die von Derek: „Willst du mir freiwillig erzählen, was da in deinem schönen Kopf vorgeht, oder soll ich raten?“ Dereks Blick war gequält: „Es ist Kate. Alles wurde plötzlich wieder aufgewühlt. Und es macht mich so hilflos!“ Stiles schaute ihn mitfühlend an und kämmte Dereks Drei-Tage-Bart zärtlich mit der Kuppe seines Daumens: „Was geschehen ist, lässt sich nicht ändern, Baby! Und man hat gar keine andere Wahl, als die Dinge anzunehmen, die man nicht ändern kann, so bitter wie das auch sein mag. Wir können dankbar sein, dass du gesund bist und es keine negativen Konsequenzen für dich hatte.“ Derek nickte, denn natürlich wusste er das selbst, auch wenn das leichter gesagt als getan war. Stiles wollte wissen: „Denkst du denn wirklich, dass es Kate ist, die mir nach dem Leben trachtet?“ Derek zuckte mit den Schultern: „Ich weiß es ehrlich nicht. Vielleicht wünsche ich es mir bloß, damit ich endlich einen richtigen Beweis dafür habe, dass sie ein böser Mensch ist?“ „Reicht das, was sie dir angetan hat dafür etwa nicht aus?“ fragte Stiles. Derek schüttelte den Kopf: „Nein, irgendwie nicht.“ „Aber sie hat dich vergewaltigt, Liebling.“ erwiderte Stiles sanft: „Und was, wenn es gar nicht so gewesen wäre?“ warf Derek ein. Stiles stöhnte leise: „Fängst das nun wieder ganz von vorne an? Ich dachte, du hättest es mittlerweile akzeptiert, dass es so war?“ „Ja schon...“ murmelte der Ältere unbehaglich: „... aber vielleicht hat sie selbst ja gar nicht gemerkt, was vor sich ging? Vielleicht hat sie nicht gemerkt, welche Auswirkungen das Zeug, das sie mir gegeben hat auf mich hatte? Vielleicht dachte sie, ich sei einverstanden?“ Stiles holte tief Luft und antwortete geduldig: „Sie nennen es nicht umsonst `Vergewaltigungsdroge´, Baby! Es macht träge, wehrlos, verwirrt die Sprache, nimmt dir die Erinnerung... ! Jemand der GHB verwendet, weiß genau um diese Wirkung. Kate hat es mindestens billigend in Kauf genommen, dass du mit dem Sex nicht einverstanden warst, doch ebenso gut kann sie es auch genau so geplant haben und so wie ich sie einschätze, war es eher Letzteres!“ Derek seufzte: „Ich weiß aber nicht, ob ich damit leben kann, Stiles!“ Der Jüngere fuhr sanft mit den Fingern durch das dichte, schwarze Haar seines Geliebten: „Ich fürchte, du hast gar keine Wahl, Baby. Es ist passiert und das Leben geht weiter. Aber ich bin bei dir! Ich helfe dir, wenn ich kann.“ Die Verzweiflung in Dereks Blick war nur schwer zu ertragen und so fuhr Stiles fort: „Du musst es loslassen. Halt dich nicht daran fest! Das macht die bloß fertig. Ich habe mit Freiern manchmal sehr unangenehme Situationen erlebt. Ich würde es nicht Vergewaltigung nennen, aber sie wollten Sachen von mir, die mir ganz und gar nicht gefallen haben und ich wusste, wenn ich Nein sagen würde, dann wird’s hässlich. Ich habe es also durchgezogen und hinterher versucht, nicht allzu viel darüber nachzudenken. Meistens hat´s geklappt. Ich weiß, dass man es nicht mit dem vergleichen kann, was dir passiert ist, denn immerhin war ich währenddessen bei vollem Bewusstsein, hatte hinterher noch alle meine Erinnerungen und konnte mir einreden, dass es einvernehmlich war, weil ich Ja gesagt habe, aber trotzdem sind es Situationen, die mir immer noch nachhängen.“ „Das tut mir leid, Stiles. Du hast nie etwas gesagt?“ erwiderte Derek bestürzt. Stiles auf seinem Schoß zuckte mit den Schultern: „Ich versuche eben, diesen Erinnerungen und dieser Erfahrung von Hilflosigkeit nicht zu viel Raum zu geben. Es ist passiert und nun ist es vorbei. Ich konzentriere mich auf die Gegenwart und auf alles, was gut ist; auf Scott, meine Freunde, auf dich und unsere Zukunft. Und dann wird es besser!“ Derek zog sein Gesicht zu einem Kuss zu sich heran: „Du bist ein echtes Wunder, weißt du das? Als ich dich vor Monaten in einer verzweifelten, schlaflosen Nacht am Straßenrand aufgelesen und mitgenommen habe, hatte ich nicht die geringste Ahnung, was ich eigentlich von dir wollte. Eigentlich wollte ich nur mal wieder eine Nacht lang schlafen. Es war eine vollkommen irrationale Entscheidung, aber dennoch war es die beste Wahl meines Lebens. Unter normalen Umständen wären wir uns wohl niemals begegnet, weil wir aus völlig unterschiedlichen Welten kommen und nun bist du der wichtigste Mensch auf der Welt für mich. Du bist lieb, verständnisvoll und unheimlich schlau und damit meine ich nicht bloßes Schulwissen. Ich bin der Ältere von uns beiden und dennoch komme ich mir an deiner Seite irgendwie unbedarft vor, so als hätte ich vom echten Leben im Grunde keine Ahnung. Du gibst mir Sicherheit, Stiles.“ „Das ist doch Unsinn, Baby!“ erwiderte Stiles verlegen: „Sicher kennst du das echte Leben. Es ist bloß ein anderes Leben gewesen, als meines. Und wie kann ICH DIR Sicherheit geben? Als wir uns getroffen haben, hatte ich ja nicht einmal ein richtiges Dach über dem Kopf? Und nun bin ich hier in diesem riesigen Haus mit einem Pool, einem allzeit vollen Kühlschrank, Personal und allem drum und dran.“ „Wenn ich abends vom Büro zurückkehre, dann freue ich mich immer total auf dich. Vor dir waren dies hier bloß vier Wände, wenn auch zugegebenermaßen sehr imposante. Aber jetzt komme ich zur Tür rein und will dir von meinem Tag zu erzählen, mich an deine Seite kuscheln und fernsehen, oder mit dir zusammen essen, weil es gemeinsam mit dir viel besser schmeckt. Mit dir ist dies hier ein Heim verstehst du?“ versicherte Derek. „Ehrlich!“ murmelte Stiles und seine Augen wurden ein wenig feucht. Derek nickte: „Na, sicher! Ich liebe dich, Stiles. Ohne dich wüsste ich nicht, wo ich heute wäre. Und ich wüsste nicht, wie ich diese Sache mit Kate ertragen sollte. Du bist alles für mich!“ Stiles ließ den Kopf hängen: „Ich liebe dich auch, Baby, aber manchmal habe ich Angst. Da sind all die Unterschiede zwischen dir und mir. Du bist ein mächtiger, wahnsinnig reicher Mann. Wenn die Welt je von uns erfährt, dann weißt du doch selbst, was sie sehen werden. Ich werde immer nur die kleine Nutte sein; ein Habenichts, der auf deine Kosten lebt, wie ein Parasit!“ „Nein, die Welt wird genau das sehen, was ich sehe; einen Mann mit einem enorm großen Herzen! Warte hier einen Moment!“ gab Derek zurück und verschwand kurz. Er wusste, dass nun endlich der richtigen Moment gekommen war, Stiles seine Idee zu präsentieren, die er neulich gehabt hatte. Als er wiederkam, hatte er einen nagelneuen LapTop dabei, den er seinem Liebhaber auf den Schoß legte: „Bitteschön!“ sagte er. Stiles blickte ihn mit einer Mischung aus Verwunderung und Verärgerung an: „Was ist das, Derek? Ich sage, ich fühle mich wie ein Parasit und du machst mir ein kostspieliges Geschenk? Soll das ein schlechter Scherz sein?“ Derek grinste: „Es ist aber kein Geschenk. Den LapTop wirst du brauchen, denn ich möchte, dass du etwas für mich tust. Als mein Vater noch lebte, hat er viele Wohltätigkeitsprojekte im Namen der Hale-Corporation begründet und gefördert. Das war seine wahre Berufung und ich habe ihn immer sehr für sein Mitgefühl und sein Engagement bewundert. Meine Firma fördert heute immer noch solche Projekte und Stiftungen, doch ich habe heutzutage eigentlich kaum eine Ahnung, worum es sich im einzelnen handelt und es handelt sich wohl in erster Linie um Tricks meiner Steuerberater, um mir Abgaben zu ersparen. Das ist mir im Grunde zutiefst zuwider, aber mit fehlt eine Person meines Vertrauens, die diese Abteilung für mich übernimmt, mich über alles ins Bild setzt und sie federführend für mich leitet. Und ich möchte, dass du das tust, Stiles!“ Stiles Mund öffnete sich und er wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihm im Halse stecken. Schließlich brachte er fassungslos hervor: „Was? ICH soll dass tun? Ich habe doch keine Ahnung von so etwas. Bist du verrückt geworden?“ Dereks Grinsen wurde breiter: „Keineswegs!“ versicherte er: „Das du keine Ahnung hast spielt keine Rolle. Das kann man doch alles lernen und ich stelle dir jeden Anwalt und Experten an die Seite, den du dafür benötigst. Du kannst das, Süßer! Du wirst gut darin sein, das weiß ich genau! Und als erstes will ich, dass du mir ein Konzept für ein Hilfsprojekt für Straßenkinder schreibst; etwas das jungen Leuten hilft, aus Drogenkonsum oder Prostitution auszusteigen, oder ihnen ein Auffangnetz bietet, wenn sie zuhause rausgeflogen sind. Wer sollte besser wissen, was solche Kids brauchen, als du? Und du kannst dir dabei natürlich auch Hilfe von deinen Freunden holen, wie etwa von Scott, Danny, oder diesem großen Lockenkopf?“ „Aber wieso, Derek? Ist das so eine Art Beschäftigungsprojekt für mich? Willst du mir einen Gefallen tun?“ fragte Stiles skeptisch. Derek schüttelte den Kopf: „Ich will, dass du das tust, was du am Besten kannst; nämlich anderen helfen. Du hast mein Leben gerettet und so viel besser gemacht. Die Idee hierzu kam mir aber erst, als du diesem Isaac geholfen hast. Ich fand es schrecklich, wie er zugerichtet worden ist, auch wenn er vielleicht selbst Schuld daran ist. Und du hast ihm geholfen, obwohl er dir eigentlich ziemlich übel mitgespielt hat. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich will einfach nur, dass du das tust, was du ohnehin schon machst, nämlich anderen helfen! Der Unterschied ist nur, dass ich dir Geld und Mittel zur Verfügung stellen kann, um dies für ganz viele Menschen zu tun. Und du sollst natürlich auch davon leben können. Es wäre ein regulärer Job, der dein Studium finanzieren würde und der eines Tages zu einer richtigen Karriere werden kann, wenn du es willst.“ Stiles war noch immer vollkommen überwältigt: „Du meinst das wirklich ernst?“ versicherte er sich noch einmal. Derek nickte: „Ja, ich meine es vollkommen ernst. Was sagst du?“ Kapitel 34: Ein ehrbares Leben ------------------------------ Stiles war natürlich von vornherein klar gewesen, dass die Idee für Derek eine Wohltätigkeitsorganisation zu leiten lediglich ein Trick seines Geliebten war, ihm einen angemessenen Arbeitsplatz zu verschaffen, doch Stiles hatte das Angebot dennoch angenommen, ohne großes Theater zu machen. Dafür gab es natürlich einen guten Grund, oder eigentlich waren es sogar gleich mehrere. Stiles war sich selbstverständlich bewusst, dass es vorteilhaft für einen Geschäftsmann wie Derek war, wenn er seinen Lebenspartner als jemanden vorstellen konnte, der eine gesellschaftlich wichtige, anerkannte Position bekleidete und nicht als: „Das ist Stiles. Ich habe ihn in der Gosse gefunden.“ Ein weiteres Plus war, dass Stiles seine Freunde als Berater beschäftigen konnte. Scott, Danny und sogar Isaac waren nun neuerdings seine Mitarbeiter. Letzterem hatte Stiles natürlich eingeschärft, dass er ein toter Mann wäre, wenn er auch nur ein Sterbenswörtchen gegenüber der Presse verraten und damit Derek schaden würde! Und das hatte dieser scheinbar nicht einfach bloß verstanden, nein offenbar schien die Freundlichkeit, die Isaac in jüngster Zeit zu Teil geworden war, nun auch endlich langsam wirklich zu diesem durchzudringen, denn er war zugänglicher und entspannter, als Stiles ihn jemals erlebt hatte. Isaac hatte ihm sogar neulich nach Feierabend von seinem Elternhaus berichtet und diese Erzählung enthielt all jene Schrecken, die Gewalt und die Folter, welche Stiles bereits im Vornherein erwartet und befürchtet hatte. Er hatte Isaac sein Wort geben müssen, darüber zu schweigen. Nicht einmal Scott dürfe er davon erzählen. Der wichtigste Grund für Stiles, diese Wohltätigkeitsorganisation leiten zu wollen, war allerdings die Arbeit selbst. Mithilfe von Dereks Geld könnte er so vieles bewegen und viele Leben zum Besseren wenden und Stiles liebte diese Vorstellung. Also ging er nun an jedem Morgen mit Derek ins Büro und entwickelte seine Vision. Er analysierte die vorhandene Hilfelandschaft in Los Angeles und sprach mit den Verantwortlichen, um zu ergründen, wo es an welchen Ressourcen, Personal oder Räumlichkeiten fehlte. Es fing gerade an, sich wie ein Neuanfang, wie der Beginn von etwas Wichtigem und Bedeutungsvollem anzufühlen. An Garrett und Violet, welche ihn ständig begleiteten, sobald er das Haus verließ, hatte Stiles sich mittlerweile gewöhnt. Er duldete sie, wie eine unangenehme Hintergrunderscheinung, denn er hatte eingesehen, dass ihm ganz offensichtlich tatsächlich jemand nach dem Leben trachtete und wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, dann hatte er ein wenig Angst und war sogar recht dankbar für den Schutz. Deucalion hatte tatsächlich seine Ankündigung wahr gemacht und hatte der Polizei von seinem Verdacht berichtet, dass jener Patient, welcher nach Stiles im selben Krankenhausbett gelegen hatte, in der Annahme ermordet worden sein könnte, dass es sich um Stiles selbst handele. Stiles war sich sicher gewesen, dass die Gesetzeshüter Dereks rechte Hand lediglich für einen verhinderten Hobbydetektiv halten und gleich wieder nachhause schicken würde, doch er hatte offenbar nicht mit einkalkuliert, wie überzeugend Deucalion sein konnte, denn die Polizei hörte tatsächlich auf ihn. Immerhin hatte man es ja bereits mit versuchtem Mord zu tun, da die Bremsleitungen des Jeeps ja ohne jeden Zweifel durchschnitten worden waren und so war man offenbar geneigt, Deucalions Verdacht nachzugehen. Dennoch war Stiles sich halbwegs sicher gewesen, dass in dieser Sache Deucalions Fantasie ein wenig mit ihm durchgegangen war. Ein Giftmord in einem Krankenhaus? Das schien einfach zu weit hergeholt! Und das wäre doch sicherlich sonst noch irgendwem aufgefallen, richtig? Doch dieser Morgen änderte seine Meinung. Stiles und Derek kamen gerade ins Büro und Deucalion begrüßte sie mit den Worten: „Jamie Townsend ist ermordet worden. Sein Tod ist eindeutig nicht die Folge seines Unfalls gewesen. In seinem Körper konnte eine Substanz nachgewiesen werden, die sein Herz zum Stillstand gebracht hat.“ „Oh, Gott!“ war alles, was Stiles in diesem herausbrachte. Er wurde schlagartig weiß wie eine Wand, hatte das Gefühl, jemand zöge ihm den Boden unter den Füßen weg und er fiele ins Bodenlose. Ein Mensch war tot? Und der Giftanschlag hatte höchstwahrscheinlich in Wahrheit ihm gegolten? Stiles schwankte ein wenig und er hielt sich an Dereks Oberarm fest, um sich auf den Beinen halten zu können: „Ist in Ordnung! Ich bin hier, Baby!“ versicherte Derek und legte Stiles einen stützenden Arm um die Taille, doch der Klang seiner Stimme verriet dabei seine eigene Erschütterung: „Wie ist das möglich, Deuc? Wie hat... der Mörder sich so irren können?“ wollte er nun wissen. „Jamie Townsend war durch zahlreiche Verbände ziemlich unkenntlich gemacht und er war überdies bewusstlos.“ gab Deucalion zurück: „Er war ein leichtes Opfer und man hätte ihn problemlos mit Stiles verwechseln können, denn er hatte in etwa dieselbe Größe, Statur und das Alter.“ Stiles klammerte sich immer noch an Derek fest und er hatte mittlerweile still zu weinen begonnen. Schlagartig wurde ihm so richtig klar, wie knapp er möglicherweise mit dem Leben davongekommen war. „Die Polizei will nun natürlich mit euch beiden sprechen. Ihr könnt euch später hier melden.“ teilte Deucalion mit und reichte Derek eine Karte. „Was werde wir ihnen sagen? Über Kate meine ich?“ fragte Derek unbehaglich: „Was KÖNNT ihr ihnen denn sagen?“ fragte Deucalion zurück: „Es gibt keinerlei Beweise, nichts was gegen Kate spricht, außer ein paar Vermutungen. Wir sind mit ihrer Familie befreundet. Ohne irgendwelche Anhaltspunkte würde ich ihren Namen gegenüber der Polizei nicht ins Spiel bringen, zumal ich mir immer noch einfach nicht vorstellen kann, dass wirklich sie hinter allem steckt. Was könnte sie denn damit erreichen wollen?“ Derek nickte. Er war unschlüssig gewesen und fühlte sich beinahe erleichtert, denn er hatte wirklich nicht das Bedürfnis gehabt, der Polizei davon zu berichten, dass er von einer Frau vergewaltigt worden war und das müsste er ja wohl, wenn er den Verdacht gegen Kate irgendwie begründen wollte. Und es stimmte, sie hatten keinerlei Beweise, oder irgendetwas anderes vorzuweisen, was wirklich auf Kate als Täterin hindeutete. Natürlich war es nicht Deucalions Entscheidung, was sie bei der Polizei aussagen sollten, doch in diesem Fall war Derek dennoch sehr geneigt, seinen Worten zu folgen und war dem väterlichen Freund dankbar für seinen Rat. Zwei Stunden später saßen Derek und Stiles also auf einem Polizeirevier, um ihre Aussagen zu machen. Erst ließ man sie dabei bei miesem Kaffee ewig lang warten und dann bestand man darauf, sie einzeln anzuhören. Stiles war als Erster an der Reihe. Er blickte sich noch einmal unsicher nach Derek um, ehe er der uniformierten Beamtin, welche ihn aufrief, ins Verhörzimmer folgte. Der Beamte, der die Aussage aufnahm, stellte sich als Inspektor Haynes vor. Er war ein Mann Anfang fünfzig, beinahe zwei Meter groß und enorm breit und schwer, ohne tatsächlich fett zu wirken. Wenn er im Raum war, dann kam er einem voll vor. Er war ein einschüchternder Mann mit einer tiefen Stimme, die er nicht einmal erheben musste, damit sie in jeden Winkel des Raumes drang. Er trug einen zerknitterten, hellgrauen Anzug, der ganz offensichtlich aus besseren Tagen stammte, als er das Jackett über dem Bauch noch zuknöpfen konnte. Sein schütteres Haar trug er kurzgeschoren und er hatte die klassische Rotwangigkeit eines Mannes, der höchstwahrscheinlich unter einer beginnenden Herzerkrankung litt und durchaus laut und aufbrausend werden konnte. Der Polizist musterte Stiles eingehend aus klugen, eisblauen Augen, so dass es diesen spontan ein wenig zu frösteln begann. Nachdem Haynes zunächst sanft begonnen und lediglich ein paar allgemeine Personalien aufgenommen hatte, schlug er alsbald eine härtere Tonart an: „Wissen sie, warum ihnen jemand nach dem Leben trachten könnte, Mr. Stilinki? Haben sie sich in der Vergangenheit vielleicht irgendwelche Feinde gemacht?“ Stiles wurde ein wenig kleiner in seinem Stuhl: „Ich habe niemandem etwas zuleide getan. Ich habe keine Ahnung, warum jemand offenbar versucht, mich loszuwerden.“ Haynes betrachtete ihn eingehend, ehe er fortfuhr: „In welcher Beziehung stehen sie zu Derek Hale?“ „Er... er ist mein Partner!“ antwortete Stiles schüchtern, denn der Blick des Polizisten ging ihm durch und durch: „So, so... aha!“ machte Haynes theatralisch, ehe er seine Bombe platzen ließ: „Sie wissen, dass wir eine Akte über sie haben, oder Mr. Stilinski?“ „Davon bin ich ausgegangen!“ erwiderte Stiles leise. „Sie wurde zwei Mal wegen Prostitution festgenommen. Weiß Mr. Hale eigentlich über ihr Vorleben Bescheid?“ bohrte der Polizist weiter: „Ich wurde festgenommen und gleich wieder freigelassen, weil ich nämlich nichts Unrechtes getan habe. Prostitution sollte nicht kriminalisiert werden, denn sie tut schließlich niemandem weh!“ schnappte Stiles giftig: „Und ja, Derek weiß was ich war. Er kennt mich und er liebt mich trotzdem!“ „Mr. Hale ist ein sehr wohlhabender Mann, nicht wahr? Bezahlt er sie eigentlich für ihre... Dienste?“ erkundigte sich Haynes gelassen und ignorierte Stiles Wut: „Hat diese Frage irgendwas damit zu tun, dass da draußen jemand herumläuft, der mir nach dem Leben trachtet!“ brauste Stiles auf: „Das kann ich noch nicht sagen. Beantworten sie doch einfach meine Frage, Mr. Stilinski!“ gab der Beamte betont ruhig zurück. Stiles kochte innerlich vor Zorn. Er atmete einige Male tief durch, um schließlich so ruhig wie möglich zu antworten: „Sie haben Derek doch gesehen, oder nicht? Denken sie wirklich, jemand wie er hätte es nötig, jemanden wie mich für sexuelle Gefälligkeiten zu bezahlen?“ „Ich weiß es nicht?“ entgegnete der Polizist: „Es wäre doch möglich, dass Mr. Hale Vorlieben hat, bei denen niemand freiwillig mitmachen würde?“ Stiles sprang auf und schlug donnernd mit der Faust auf den Metalltisch: „Denken sie über mich was sie wollen. Ich mag ja bloß Dreck sein, aber wenn sie noch eine einzige Bemerkung in dieser Richtung gegen Derek machen, dann bin ich weg und seine Anwälte werden ihnen die Hölle heiß machen! Sie werden beruflich nie wieder einen Fuß an den Boden kriegen!“ drohte er aufgebracht. Herbeigerufen von dem Krach steckte die Polizeibeamtin, die Stiles in den Verhörraum geführt hatte den Kopf durch die Tür und wollte wissen: „Ist hier alles in Ordnung, Carl?“ Haynes zeigte sich nicht allzu beeindruckt von Stiles kleinem Ausbruch und versicherte: „Hier ist alles bestens, Betty.“ An Stiles gewandt sagte er: „Ich schlage vor, sie beruhigen sich wieder, Mr. Stilinski. Ich tue hier nur meinen Job und versuche herauszufinden, was gespielt wird.“ Polizistin Betty zog sich offensichtlich beruhigt wieder zurück, nachdem Stiles, Haynes immer noch wütend fixierend, seinen Stuhl wieder eingenommen hatte: „Glauben sie mir, ich spiele überhaupt nichts! Ich habe einfach nur Angst um mein Leben.“ knurrte er: „In Ordnung.“ gab Haynes versöhnlich zurück: „Das verstehe ich. Aber sie müssen mir helfen, das Ganze zu verstehen! Wer versucht sie zu töten? Was könnte jemand gegen sie haben, Mr. Stilinski? Kann es jemand aus ihrer Vergangenheit sein? Hatten sie einen Zuhälter, der sich ärgert, dass seine Einnahmequelle weggefallen ist? Hatten sie mit Drogen, oder anderen illegalen Dingen zu tun?“ „Ich weiß es wirklich nicht!“ erwiderte Stiles frustriert: „Ich denke nicht, dass ich mir durch irgendetwas Feinde gemacht habe. Vermutlich fällt es ihnen schwer zu glauben, dass jemand mit meiner Vergangenheit sich nichts weiter hat zu Schulden kommen lassen, aber es ist so! Ich habe meinen Körper verkauft, um zu überleben und weiter nichts. Ich bin clean, ich habe nie einen Freier bestohlen, oder was auch immer und einen Zuhälter habe ich nie gehabt. Ich bin ein Niemand! Ich habe wirklich keinen blassen Schimmer, warum jemand etwas gegen mich haben sollte, ansonsten würde ich es ihnen sagen.“ Haynes nickte bedächtig: „Warum sind sie nach dem Mordanschlag gegen sie eigentlich nicht im Krankenhaus geblieben?“ wollte er nun wissen. „Derek wollte mich einfach bei sich haben, schätze ich. Er hat sich eben Sorgen gemacht.“ erwiderte Stiles müde: „Es gab dafür keinen besonderen Grund.“ Der Inspektor beobachtete Stiles noch eine Weile. Es wirkte, als würde er ihm nicht glauben, oder als wollte er noch irgendwas fragen, doch das tat er nicht. Stattdessen sagte er: „Danke, Mr. Stilinski. Das wäre für´s Erste alles. Sie dürfen jetzt gehen.“ Stiles erhob sich schwerfällig und verließ das Verhörzimmer gefolgt von Haynes. Derek saß immer noch vorn im Wartebereich und erhob sich, als er seinen Liebhaber erblickte: „Hey, Baby! Ist alles in Ordnung?“ fragte er stirnrunzelnd. Stiles nickte, doch sein bleiches, müdes Gesicht strafte diese Geste Lügen: „Ich warte hier auf dich.“ sagte er bloß und nahm auf dem Stuhl Platz, auf dem Derek gerade noch gesessen hatte. Derek blickte sich nach ihm um, hätte ihn gern noch einmal in den Arm genommen, doch irgendwie fühlte er sich seltsam befangen und folgte anstatt dessen Haynes in das Verhörzimmer. Der Polizist fackelte nicht lange und ging sogleich ans Eingemachte: „Ihr... uhm... Freund Mr. Stilinslki sagt, sie wüssten über sein Vorleben Bescheid. Ist das richtig, Mr. Hale?“ Es war mehr als deutlich, dass Haynes Dereks Reaktion sehen wollte und hoffte, auf Ungereimtheiten zu stoßen. Derek blieb jedoch vollkommen gelassen: „Stiles hat als Prostituierter gearbeitet.“ erwiderte er ohne lange Drumherum zu reden. Haynes runzelte ein wenig die Stirn und wollte dann wissen: „Und steht Mr. Stilinski nun in ihren Diensten, Mr. Hales? Bezahlen sie ihn für seine… Gesellschaft?“ fragte der Polizist ohne Umschweife. Derek konnte sich sehr gut vorstellen, was dieser Gesetzeshüter über Stiles und ihn dachte: Der Milliardär und sein kleines Sex-Spielzeug! Es war das, was wohl die meisten Leute in dieser Situation vermuten würden. Auch wenn Derek sich dafür hasste, so kam in diesem Augenblick dennoch so etwas wie Peinlichkeit in ihm auf. Er versuchte, sich nichts davon anmerken zu lassen und erwiderte betont ruhig: „Dies ist Teil von Stiles Vergangenheit. Nein, ich bezahle ihn nicht für unser Zusammensein. Wir haben eine ganz gewöhnliche Liebesbeziehung. Aber ich würde gern wissen, ob ihre Frage eigentlich irgendwas mit den Mordanschlägen gegen meinen Partner zu tun hat, Inspektor?“ Haynes atmete tief und erwiderte: „Um ehrlich zu sein, stellt mich dieser Fall vor ein Problem. Wir haben einen Toten und zwei fehlgeschlagene Mordanschläge gegen Mr. Stilinski, aber wir haben weder einen Täter, noch ein Motiv. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich anfangen soll zu ermitteln? Mr. Stilinski behauptet, keine Feinde zu haben. Können sie Licht ins Dunkel bringen, Mr. Hale? Warum sollte jemand ihren Partner ermorden wollen?“ Derek rang mit sich. Er war kurz davor, dem Polizeibeamten doch noch von ihrem Verdacht gegen Kate zu berichten, doch diese ganze Sache war einfach zu verrückt und viel zu weit hergeholt. Haynes würde ihn doch überhaupt nicht ernst nehmen? Und so zuckte Derek lediglich bedauernd mit den Schultern und erklärte: „Ich weiß es leider nicht. Ich weiß nur, dass ich Angst um Stiles habe und ihn um jeden Preis beschützen werde.“ Haynes nickte bedächtig. Dann fragte er Derek, was er zuvor bereits von Stiles hatte wissen wollen: „Warum haben sie Mr. Stilinski seinerzeit aus dem Krankenhaus mitgenommen? Dies geschah doch entgegen ärztlicher Anweisung, richtig? Hatten sie denn irgendeinen Verdacht, dass ihm im Krankenhaus irgendetwas zustoßen könnte?“ Derek schüttelte den Kopf: „Es war bloß so eine Vorahnung? Oder eine, nach damaligen Erkenntnissen übertriebene Angst, denn da wussten wir ja noch nicht einmal, dass die Bremsen des Autos manipuliert gewesen sind. Ich habe meine Familie verloren, wie ihnen vielleicht bekannt ist. So etwas macht einen misstrauisch, wissen sie?“ Der Polizist horchte auf: „Der Mord an ihrer Familie ist ein gutes Stichwort. Der Mann, der die Tat gestanden hat, hat sich niemals zu seinem Motiv geäußert, ist es nicht so, Mr. Hale. Damals gab es viele Ungereimtheiten, nicht wahr? Könnte es einen Zusammenhang zwischen der damaligen Tat und heute geben, wo wieder einmal das Leben von jemandem in Gefahr ist, der ihnen am Herzen liegt? War der Verhaftete möglicherweise doch unschuldig und ist der wahre Täter vielleicht noch immer auf freiem Fuß?“ Derek wurde blass. Dieser Gedanke wäre ihm im Leben nicht gekommen und er war so erschreckend und furchtbar, dass er überhaupt nicht wusste, wie er darauf antworten sollte. Er hatte ein wenig Frieden in der Gewissheit gefunden, dass der Täter im Gefängnis schmorte und das letzte was er wollte, war an dieser Sache zu rühren: „Wie...? Was... was meinen sie? Nein! Nein, ich weiß nicht?“ stammelte er. „Fällt ihnen jemand ein, der ihnen derart schaden möchte, Mr. Hale?“ bohrte Haynes nach. Derek ließ die Frage kurz wirken und schüttelte dann energisch den Kopf: „Nein! Nein, da ist niemand! Diese Sache hat nichts mit dem zu tun, was heute mit Stiles geschieht!“ bestimmte er, schüttelte sich, als könne er dadurch den Schrecken loswerden, den diese Fragen in ihm ausgelöst hatten und wollte wissen: „Sind wir dann jetzt fertig?“ „Für´s Erste.“ bestätigte Haynes: „Bitte melden sie sich, wenn ihnen noch etwas einfällt, was unseren Ermittlungen weiterhilft. Falls ich noch weitere Fragen habe, werden sie wieder von mir hören.“ Derek nickte, erhob sich, schüttelte dem Polizisten zum Abschied die Hand und verließ das Büro. Stiles sprang sofort auf, als er Derek erblickte und fragte: „Gehen wir jetzt bitte nachhause?“ Derek blickte ihn sorgenvoll an. Stiles war immer noch ausgesprochen blass und seine Gesichtszüge hatten sich sorgenvoll vertieft: „Ich bringe dich heim!“ versicherte der Ältere. Kaum hatten sie das Revier verlassen und waren in den Wagen gestiegen, auf dessen Fahrersitz Garett saß, klingelte Dereks Telefon. Deucalion war am anderen Ende der Leitung und seine Stimme klang bitterernst: „Hast du schon die Nachrichten gesehen? Es kommt auf allen Kanälen und es ist die Titelschlagzeile der Spätausgaben der Zeitungen. Irgendwer hat geredet. Man weiß über Stiles dich Bescheid!“ Vor Schreck fiel Derek sein Handy aus der Hand. Kapitel 35: Am Pranger ---------------------- Stiles Reaktion auf die Neuigkeiten, die Deucalion am Telefon verkündet hatte fiel eigenartig knapp aus: „Oh verdammt!“ murmelte er bloß, zog dann seine dünne Jeansjacke enger um sich und kroch auf der Heimfahrt so weit wie möglich in eine Ecke der Limousine, wie ein in die Enge gedrängtes Tier. Derek betrachtete ihn sorgenvoll, doch er wusste nicht, was er in diesem Moment für seinen Geliebten tun konnte und so ließ er ihn zunächst einfach. Vor Dereks Anwesen hatte sich, wie zu erwarten gewesen war, mittlerweile eine riesige Pressemeute versammelt, so dass es kaum ein Durchkommen gab. Derek und Stiles zogen sich ihre Jacken über die Köpfe, um den wild klickenden Kameras nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Garret am Steuer pflügte mit einer gewissen Kaltblütigkeit und Rücksichtslosigkeit durch die Reporterschar hindurch, so dass einige von ihnen nach links und rechts springen mussten, um nicht überfahren zu werden. Derek freute sich schon auf die unverschämten Klageschriften, welche seine Anwälte deswegen bald erreichen würden. Garrett steuerte einen der Seiteneingänge an, wo deutlich weniger Medienleute standen und er lenkte die Limousine schnellstmöglich durch das schmiedeeiserne Tor, ohne den Reportern eine Chance zu geben, ihre Fotos zu machen, oder ihre Fragen zu stellen. Im Haus steuerte Stiles direkt das Sofa in Dereks Wohnzimmer an. Dort wickelte er sich in eine Wolldecke, als würde er frieren und rollte sich zusammen, wobei er Derek den Rücken zudrehte. Seufzend setzte Derek sich an das Kopfende seines Geliebten und begann dessen wirren Haarschopf, welcher oben aus der Decke herausschaute zu kraulen, um ihm zu zeigen, dass er da war. Mit der freien Hand griff er nach seinem Telefon und rief die Polizei. Er kannte das Spiel bereits von damals, als seine Familie ermordet worden war. Ein paar Beamte würden die Reporter auffordern zu gehen, einige von ihnen würden dieser Aufforderung folgen, einige würden auf der Pressefreiheit bestehen und irgendetwas von ihren verfassungsmäßigen Rechten zum Besten geben. Als würde diesen Schmeißfliegen allen Ernstes etwas an menschlichen Grundrechten liegen? Was war denn mit Dereks Recht, ein Leben ohne derartige Belästigung zu führen? Die meisten Reporter wären nach kurzer Zeit ohnehin wieder an Ort und Stelle, bis die Polizei sie erneut vertriebe. Zur Sicherheit rief Derek deswegen überdies auch noch ein privates Sicherheitsunternehmen an, um einige Männer vor dem Anwesen zu postieren, die ebenfalls dafür sorgen sollten, die Belästigung durch die Journalisten einzudämmen. Als das getan war, wendete er seine ganze Aufmerksamkeit Stiles zu und fragte sanft: „Was ist denn mit dir, mein Liebling? Was geht dir durch den Kopf? Sprich bitte mit mir!“ Eine Weile kam keine Antwort und Derek dachte bereits, Stiles wäre nicht nach reden zumute, bis dieser dann schließlich sagte: „Es tut mir so leid, Derek! Du verdienst es nicht, was die Leute nun über dich sagen und denken werden. Du hast nichts falsch gemacht. Ich bin die dreckige Nutte, die es für ein paar Dollar mit jedem Kerl getrieben hat. Und nun musst du es ausbaden! Das... das ist einfach nicht fair! Ich bringe dir nichts als Unglück und sollte vielleicht einfach aus deinem Leben verschwinden!“ „Nein, Stiles! Nein, das ist nicht wahr! Du machst mich glücklich und wirst schön hier bleiben! Es ist scheißegal, was irgendwelche Fremden über mich, oder dich denken! Wir wissen es besser!“ versicherte Derek. Wieder schwieg Stiles lange, ehe er, fast zu leise um es zu verstehen, sagte: „Vielleicht verdiene ich ihn ja auch?“ Derek drehte Stiles so, dass er ihm ins Gesicht schauen konnte: „Wovon sprichst du, Süßer? Was glaubst du zu verdienen?“ Stiles atmete schwer, ehe er schließlich antwortete, ohne Derek dabei anzuschauen: „Den Tod! Vielleicht verdiene ich es ja, dass Kate, oder wer auch immer versucht, mich umzubringen? Wenn meine Eltern noch leben würden und wüssten, was ich alles getan habe, dann könnte ich ihnen nicht einmal mehr in die Augen sehen. Ich bin einfach kein guter Mensch. Ich...“ „Stopp! Stiles hör´ sofort damit auf!“ unterbrach ihn Derek ernst: „Du redest dummes Zeug. Ich weiß, wie gut du bist! Ich habe es selbst erlebt und gesehen. Du hast mich gerettet. All´ die Nächte, in denen du mich festgehalten und gemacht hast, dass ich schlafen konnte. Und deine Freunde... ! Du bist doch immer für sie da. Ich will so etwas nie wieder von dir hören! Ich liebe dich, Kleiner! Du machst mich glücklich und wer immer dir da draußen wehtun will, ich werde alles in meiner Kraft stehende tun, um ihn aufzuhalten. Ich will dich bei mir haben. Ich will ein langes, glückliches Leben mit dir an meiner Seite, Stiles!“ Stiles stand das Wasser in den Augen. Er kroch ein wenig höher, verbarg seinen Kopf in Dereks Schoß, schlang die Arme um die Taille seines Geliebten und begann zu schluchzen. Derek legte seine Hände groß, warm und Schutz spendend auf Stiles Oberkörper. Um die Mittagszeit orderte Derek in der Küche etwas zu essen für sie beide, doch Stiles rührte kaum etwas an. Er verließ auch das Sofa nicht, so als sei es seine Trutzburg, seine Festung, sein Ort der Sicherheit. Derek ließ ihn. Er konnte ihn sehr gut verstehen. Er holte sich seinen Laptop, um ein wenig arbeiten zu können, denn gerade in einer Krise wie dieser war es wichtig, dass er als Leiter eines Weltkonzerns die Normalität aufrecht erhielt und sich nicht vollständig zurückzog. Er war der Kitt, der das Unternehmen zusammen hielt und der, auf den seine Mitarbeiter schauten. Er war es ihnen schuldig, an so einem dunklen Tag wenigstens virtuell präsent zu sein. Derek setzte sich zum Arbeiten allerdings direkt an Stiles Seite, um ihn im Auge zu haben und ihn seine Nähe spüren zu lassen. Am frühen Nachmittag kündigte Greenburg Besuch an. In der Wohnzimmertür erschien Isaac. Er zog sich die Kapuze seines Hoodies vom Kopf: „Wollte nicht fotografiert werden!“ murmelte er leise und verharrte zunächst im Türrahmen. Es dauerte einen Augenblick, ehe er weitersprach: „Ich war´s nicht!“ erklärte er mit einem gewissen Trotz in der Stimme: „Bestimmt denkt ihr, ich hätte euch verkauft und das alles sei meine Schuld. Ist es aber nicht! Ich war das nicht! Stiles, du warst echt nett zu mir. Und dann habe ich plötzlich ehrliches Geld verdient. Das war toll! Ich bin doch nicht bescheuert, so etwas einfach wegzuwerfen! Ich... ich glaube an das, was wir da begonnen haben. Es hat mich stolz gemacht, ein Teil davon zu sein. Ich meine, welche Chancen hatte ich denn schon im Leben? Ich bin ein Stricher und kann doch weiter nichts, als mich für irgendwelche dreckigen Kerle zu bücken. Du und Derek, ihr habt mir das Gefühl wiedergegeben, ich hätte vielleicht doch noch so etwas wie eine Zukunft. Das würde ich doch nicht einfach aufgeben, bloß für ein bisschen Kohle! Also... ich war das echt nicht!“ Stiles hatte sich inzwischen aufgerichtet und nickte: „Ich glaube dir.“ versicherte er schlicht. Isaacs Augen wurden groß und er fragte ungläubig: „Du... du denkst also nicht, dass ich euch verraten habe?“ Stiles schüttelte den Kopf. Erst jetzt traute Isaac sich wirklich in den Raum einzutreten: „Danke!“ murmelte er und setzte sich schüchtern auf das äußerste Eckchen des Sofas. Stiles nickte bloß und ließ seine müden, traurigen Kopf wieder in Dereks Schoß sinken, welcher seinen Computer einen Moment lang beiseite gestellt hatte: „Schöne Scheiße da draußen.“ kommentierte Isaac und meinte damit natürlich die sensationsgierigen Paparazzi, die geduldig ausharrten, um vielleicht doch noch an irgendwelche pikanten Details der Geschichte zu gelangen. Am liebsten wohl ein Beweisfoto, welches das Skandal-Pärchen in flagranti zeigte. „Ja, Scheiße.“ bestätigte Stiles knapp. „Kann ich irgendetwas tun?“ wollte Isaac wissen. Diesmal antwortete Derek: „Nein! Das müssen wir einfach aussitzen. Früher oder später verlieren die schon das Interesse.“ Stiles seufzte und zog seine Decke enger um sich. Isaac betrachtete ihn stirnrunzelnd: „Wird er wieder?“ fragte er Derek unsicher. Dieser zuckte mit den Schultern und legte die Arme seinen Liebhaber. „Ich... ich gehe wohl besser?“ fragte Isaac unsicher: „Nein, bleib!“ meldete sich nun wieder Stiles zu Wort: „Da draußen sind immer noch diese Mistkerle. Bleib noch eine Weile. Ich freue mich über Gesellschaft.“ Und so blieb Isaac. Etwa eine Stunde später kündigte der Major Domus des Hauses ein weiteres Mal Besuch an. Diesmal waren es Lydia, Malia, Danny und Scott: „Wir sind gekommen, weil wir es in den Nachrichten gesehen haben und nach euch sehen wollten. Was ist denn das für eine Scheiße da draußen?“ knurrte Dereks Cousine anstelle einer Begrüßung und Lydia erklärte ärgerlich: „Meine Liebste hat gerade eben einen Reporter verprügelt, bis so ein Typ vom Sicherheitsdienst dazwischengegangen ist. Diese Bastarde haben nun großartige Foto- und Filmaufnahmen davon, wie Malia diesem Typen die Fresse poliert. Wenn die erst einmal herausgefunden haben, wer sie ist und vor allem wessen Tochter sie ist, dann ist der Skandal perfekt! Dadurch hast du die ganze Sache noch schlimmer gemacht und Derek bloß noch weiter geschadet, Malia!“ „Der Dreckssack hat uns belästigt! Sollte ich mir das etwa gefallen lassen?“ schnappte Malia ärgerlich. Derek schaltete sich ins Gespräch ein. Er klang müde: „Macht euch keine Gedanken, ihr Zwei! Schlimmer kann diese Situation doch eh´ schon nicht mehr werden. Und vielleicht lenkt dieses kleine Skandälchen ja sogar ein bisschen von Stiles und mir ab. Es ist nicht schlimm. Wir müssen versuchen, diese ganze Sache so gut wie möglich auszublenden. Sie werden sowieso nichts als Lügen erzählen. Da kann man nicht viel machen. Danke, dass ihr hier seid. Wir können jede Aufmunterung gebrauchen.“ Da wurde Scott auf Stiles elenden Zustand aufmerksam, kuschelte sich umgehend auf dem Sofa an dessen Seite und versicherte flüsternd: „Hey Bro! Ich bin hier!“ Stiles wühlte einen Arm unter seiner Decke hervor, um ihn um seinen besten Freund zu legen. Derek blickte hinab auf die beiden aneinandergeschmiegten Jungs an seiner Seite. Ein weiteres Mal kam ein wenig Eifersucht in ihm auf, doch er wischte sie beiseite. Stiles brauchte seinen besten Freund jetzt eben und er selbst als sein Liebhaber, konnte eben nicht alles für ihn sein, auch wenn er sich das vielleicht wünschte. Es war Stiles, der irgendwann vorschlug, sie könnten vielleicht einen Filme-Abend veranstalten, um sich ein wenig abzulenken. Weil er hierzu allerdings seinen sicheren Platz auf dem Sofa nicht verlassen wollte, gingen sie dafür nicht in Dereks riesiges Privatkino, sondern blieben im Wohnzimmer und rutschten auf dem Sofa eben ein wenig zusammen. Derek stellte erleichtert fest, dass Stiles sich inmitten seiner Freunde tatsächlich ein wenig zu entspannen schien. Aus der Küche kamen köstliche Snacks für alle, sie schauten „Marvel“-Filme auf dem großen Flatscreen und Malia spendierte ihnen einen Joint. Gegen halb zehn am Abend kam Deucalion vorbei. Sie überließen die jungen Leute dem Fernseher und gingen in Dereks Heim-Büro, doch zur Überraschung des Konzernchefs folgte Stiles ihnen und setzte sich auf seinen Schoß. Deucalion erklärte, dass er heute in erster Linie damit beschäftigt gewesen sei, in der Firma die Moral aufrecht zu halten. Auch vor der Hauptfiliale von Dereks Unternehmen hätte sich nämlich die Presse formiert. Deucalion hatte den Mitarbeitern strikt untersagt, mit den Reportern zu sprechen und überdies dazu aufgefordert, die Meldungen in den Medien sehr kritisch zu betrachten und Ruhe zu bewahren. Dies habe er per Videobotschaft ebenfalls an die Zweigstellen in aller Welt weitergeleitet. An der Börse sei der Skandal gerade auch ziemlich deutlich spürbar. Der Wert der Aktien sinke zur Zeit und die Sache würde das Unternehmen eine Menge Geld kosten, aber das beruhige sich schon wieder. Nein, darüber mache sich Deucalion keine großen Sorgen. Er habe mit den Public-Relations-Leuten der Hale-Company und ihren Anwälten eine Konferenz abgehalten und die hätten einstimmig die Auffassung vertreten, vorerst gegenüber den Medien vollkommenes Stillschweigen zu bewahren und abzuwarten, bis sich der Sturm ein wenig gelegt habe, oder sich die Stimmung verändere, so dass eine Stellungnahme nötig werde. Im Grunde sei die Beziehung von Derek zu jemandem wie Stiles heutzutage ja auch keine große Sache mehr. Die Leute seien schließlich an Skandale gewöhnt. Man dürfe nicht vergessen, wer zur Zeit als Präsident im weißen Haus säße. Und nach all den Eklats um den mächtigsten Mann der Welt, sitze dieser schließlich auch noch dümmlich grinsend im Amt und twittere dummes Zeug in den Äther. Stiles verzog beinahe schmerzhaft das Gesicht, als Deucalion diese Parallele zog, sagte aber nichts dazu. Im Augenblick hieße es einfach abwarten und die Ruhe bewahren, zog Deucalion schließlich sein Fazit. Irgendwann sei diese Sache ausgestanden und bis dahin sollten Derek und Stiles versuchen, das alles nicht allzu nah an sich heranzulassen. Derek war mehr als froh, dass Deucalion als seine rechte Hand sich so professionell um alles kümmerte, nun da er sein eigenes Gesicht ein wenig aus der Öffentlichkeit heraushalten musste. Er bedankte sich bei ihm für die gute Arbeit. Stiles, der noch bedrückter als zuvor wirkte, jetzt wo ihm das gesamte Ausmaß der Situation für seinen Liebhaber noch einmal vor Augen geführt wurde, setzte erneut an, sich bei Derek zu entschuldigen: „Das ist alles nur meine Schuld! Es tut mir so wahnsinnig leid. Ich wollte nie, dass du leidest. Und all das Geld, dass du verlierst! Ich...“ Derek seufzte und brachte Stiles mit einem Kuss zum Schweigen: „Scheiß auf das Geld! Scheiß auf das, was die Leute sagen! Ich bin sogar irgendwie froh, dass es nun raus ist. Nun muss ich mich wenigstens nicht mehr vor dem Tag fürchten, an dem es passiert. Wir schaffen das schon, Engelchen! Wir stehen das durch! Mach´ dir nicht so viele Gedanken!“ erwiderte er sanft und streichelte Stiles das Haar und den Rücken. Derek lud Deucalion ein, sich zu ihnen ins Wohnzimmer zu gesellen, doch der Ältere winkte ab, mit dem Hinweis, dass er sich nach diesem mörderischen Tag darauf freue, ihn in den Armen seiner schönen, jungen Verlobten ausklingen zu lassen. Er verabschiedete sich von den Gästen und tat dann etwas, was er selten machte, in dem er Derek umarmte. Dann verschwand er wieder. Als alle Anwesenden eine ganze Weile später müde und bettschwer waren, lud Derek sie ein, in seinem Haus zu übernachten und sich jeweils eines der zahllosen Gästezimmer auszusuchen. Und weil niemand zu dieser Stunde noch große Lust hatte heimzufahren, nahmen sie das Angebot dankbar an. Auf dem Weg in sein Zimmer blickte Scott sich noch einmal nach Stiles um. Derek konnte deutlich sehen, dass dieser sich nur schwer von seinem Freund trennen konnte, auch wenn dieser doch unter dem selben wie er selbst schlafen würde, doch Derek beschloss, es ganz einfach zu ignorieren, denn jetzt wollte er seinen Partner einfach mal für sich allein haben. Als sie beide schließlich nach einem kurzen Abstecher über das Bad nebeneinander im Bett lagen, begann Derek damit, Stiles Gesicht mit kleinen Küssen zu bedecken und schob ihm eine Hand unter das T-Shirt, um seinen Bauch und seine Brust streicheln. Schnell merkte er jedoch, dass Stiles auf seine Zärtlichkeiten nicht wirklich einging und sich ein wenig versteifte, also fragte er: „Was ist mit dir, Baby? Hast du keine Lust?“ „Was? Doch, sicher!“ erwiderte Stiles schnell: „Wir können es tun, wenn du willst.“ Das überzeugte Derek keineswegs. Er kniff skeptisch die Augen zusammen und stellte klar: „Nein, Stiles! Nicht wenn ICH es will, sondern immer nur, wenn wir beide es wollen, hörst du?“ „Doch Derek, es ist okay! Diese ganze Sache ist schwer für dich und es passiert alles nur wegen mir. Du brauchst das jetzt. Lass´ es uns tun! Ich bin für dich da! Das ist doch wenigstens mal eine Sache, zu der ich tauge!“ erwiderte Stiles, zog sich sein T-Shirt über den Kopf und versuchte Derek ebenfalls zu entkleiden: „Hör auf!“ forderte Derek gequält: „Bitte tu das nicht! Ich habe gespürt, dass du keine Lust hast und wir tun es ganz gewiss nicht, nur weil du mir einen Gefallen tun willst, oder weil du denkst, es mir schuldig zu sein. Niemals! Das wird nicht passieren! Komm´ her! Lass´ uns einfach schlafen!“ Er zog Stiles in seine Arme und spürte, wie sich nach einer Weile ein nasser Fleck auf seiner Brust bildete: „Ist in Ordnung, Babe! Alles wird gut!“ flüsterte er sanft: „Du bist enttäuscht von mir!“ behauptete Stiles mit erstickter Stimme, doch Derek versicherte: „Nicht im geringsten!“ Er breitete die Decke über sie beide und beteuerte: „Ich liebe dich, Stiles!“ Erleichtert stellte Derek an Stiles gleichmäßigem Atem nach einer Weile fest, dass Stiles eingeschlafen war. Als er dann schließlich selbst dabei war wegzudämmern traf ihn plötzlich eine Erkenntnis: Die hässlichen Schlagzeilen über sie beide, die Mordanschläge und die unangenehme Befragung im Polizeirevier waren im Begriff, alles zu zerstören, was Stiles und er in den letzten Monaten erreicht hatten. Die Vergangenheit holte Stiles ein und ließ vorübergehend alles vergessen lassen, was hier und heute richtig und wichtig war; zum Beispiel, dass er Nein sagen durfte, wenn er keine Lust auf Sex hatte, weil es eben keine Dienstleistung war, sondern ein Ausdruck von Verbundenheit zwischen Liebenden. Diese ganze Sache begrub Stiles Selbstvertrauen unter sich, machte dass er sich wieder wie Dreck vom Straßenrand fühlte, doch das würde Derek nicht zulassen. Er würde alles tun, um seinen Geliebten wieder und wieder daran zu erinnern, wie schlau und wundervoll er war. Er küsste den schlafenden Stiles noch einmal sanft auf die Stirn und schlang die Arme ein wenig enger um ihn, ehe er selbst ebenfalls Schlaf fand. In einem kleinen Hotelzimmer in Long Beach saß Kate vor dem laufenden Fernseher. Sie hatte L.A. vorübergehend verlassen, weil sie wusste, dass es vorerst klüger war, den Kopf einzuziehen und sich nicht sehen zu lassen, denn immerhin wusste die Polizei mittlerweile, dass dieser Loser im Krankenhaus keines natürlichen Todes gestorben war und es würde Ermittlungen geben. Natürlich deutete bislang noch nichts auf sie als Täterin hin, doch Kate wollte besser kein Risiko eingehen. Derek mochte vielleicht nicht der Hellste sein, doch Deucalion war schlau und er könnte vielleicht irgendwann auf die Idee kommen eins und eins zusammenzuzählen. Vor Kate auf dem Bett ausgebreitet lagen jede Menge Zeitungen und sie überflog die Artikel, die mit dem Hale-Skandal zu tun hatten. Im Grunde war sie hochzufrieden damit, wie gerade alles lief. Sie hatte der Presse anonym vieles von dem zukommen lassen, was Brent Kippler, der Privatdetektiv ihr über Stiles Vergangenheit verraten hatte und der Skandal war perfekt. Auf die Dauer konnte Derek es sich nicht leisten, an diesem dreckigen, kleinen Schwanzlutscher festzuhalten. Er würde ihn zu Hölle schicken und dann wäre Kate zur Stelle, denn sie wäre genau das, was Derek nach solch einem Skandal brauchte; eine Partnerin aus gutem Hause, ein Topmodel... eine FRAU! Die Presse würde sich überschlagen! Derek Hale, der nach dieser Verirrung zu seiner ersten großen Liebe wiederfand! Hach wie romantisch!, dachte Kate amüsiert. So etwas liebten der einfache Pöbel doch. Vollidioten! So oder so, Kate würde Stiles los werden! Zwar wäre es ihr lieber gewesen, ihn sechs Fuß unter sich zu begraben, denn mittlerweile ging die kleine Nutte ihr wirklich auf den Wecker, aber Hauptsache, er verschwand endlich aus ihrem Leben. Es war an der Zeit, ihren kleinen Zwischensieg zu feiern, entschied Kate und orderte beim Zimmerservice ein großes Stück Kuchen. Kapitel 36: Gottes Werk und Teufels Beitrag ------------------------------------------- Derek blieb an den nächsten beiden Tagen weiterhin Zuhause, anstatt ins Büro zu fahren und er hatte Malia, Lydia, Scott, Danny und Isaac gebeten ebenfalls zu bleiben, um für Stiles da zu sein. Zu seiner Erleichterung hatten die Freunde Ja gesagt. Andererseits war es vermutlich auch keine allzu große Strafe für sie, ihre Zeit in einem Palast mit Personal und allen möglichen Annehmlichkeiten zu verbringen, also hatte Derek kein schlechtes Gewissen. Gleich zu Beginn hatte er die Kids mit Greenburg am Steuer in seiner Limousine mit den getönten Scheiben, welche er zu dem einzigen Zweck in seinem Fuhrpark hatte, um von den Presseleuten nicht gesehen zu werden, in der Stadt herumfahren lassen, damit sie alle ein paar Sachen zusammenpacken konnten und damit war das halesche Erholungscamp für Straßenkinder dann perfekt gewesen. Scott hatte noch Allison mitgebracht, weil den verliebten Jungen die Sehnsucht geplagt hatte. Und so hatte Derek den Gedanken daran verdrängt, dass sie die Nichte von Kate war und hatte anstatt dessen versucht, lediglich die kleine Allison in ihr zu sehen; das Mädchen, welches er schon als Baby auf dem Arm gehabt und über die Jahre zu einer hübschen, liebenswerten, gescheiten, jungen Frau hatte heranwachsen sehen. Es kostete an den Morgenden immer einiges an Überredungskunst, Stiles überhaupt aus dem Bett zu lotsen, doch die Aussicht bei Derek und seinen Freunden zu sein, lockte ihn dann doch noch aus seiner Höhle. Dennoch konnte man nicht gerade behaupten, dass Stiles tagsüber allzu aktiv wäre. Die meiste Zeit lag er einfach depressiv irgendwo daneben, während die Anderen Spaß hatten. Derek erinnert sich daran, wie man Stiles nach dem Autounfall beinahe ans Bett hatte fesseln müssen, damit er sich endlich einmal schonte und ausruhte. Dies hier jedoch schien seinen Geliebten auf eine völlig andere Art und Weise verwundet und außer Gefecht zu haben. Derek versuchte es sich nicht allzu sehr anmerken zu lassen, doch er sorgte sich um ihn! Heute Nachmittag lagen sie alle gemeinsam faul am Pool, denn die Sonne schien herrlich und Derek hatte die Hoffnung, dass gute Wetter würde Stiles Stimmung ein wenig aufhellen. Derek hatte die Gärtner eigens noch zusätzliche Planen als Sichtschutz in der Nähe des Schwimmbeckens aufzustellen, damit auch wirklich niemand von außerhalb des Grundstücks sie dabei beobachten konnte. Die Stimmung war schläfrig und gelassen, als die Freunde plötzlich auf ein surrendes Geräusch aufmerksam wurden, wie von einem kreidezeitlichen Rieseninsekt: „Fuck! Das ist eine Drohne!“ rief Malia aus die sich bis gerade eben noch friedlich oben ohne gesonnt hatte und nun ärgerlich mit einem Satz aus ihrem Liegestuhl aufgesprungen war. „Shit! Was machen wir denn nun?“ fragte Scott entsetzt, doch Allison behauptete: „Ich erledige das!“ Sie schnappte sich eine Flasche Sonnencreme vom Tisch, zielte, holte aus und warf. Das Fluggerät stürzte ab und Allison nahm einen Stein, der das benachbarte Rosenbeet begrenzte, um es und vor allem die daran befestigte Kamera zu zerschmettern und rief dann triumphierend: „Erledigt!“ Als sie die fragenden Blicke der anderen sah, fügte sie noch erklärend hinzu: „Ich trainiere Bogenschießen, seit ich fünf Jahre alt bin. Ich wusste immer, dass ich meine großartige Hand-Augen-Koordination irgendwann noch einmal gewinnbringend einsetzen können würde.“ „Wow, das war heiß, Süße! Darf ich mal deinen Wurfarm fühlen!“ fragte Malia flirtend. Allison errötete heftig. Derek blickte seine Cousine verblüfft an und lächelte dann in sich hinein. Sie hatte für ihn noch niemals so sehr wie sein Onkel Peter geklungen. Lydia holte aus, boxte ihre Liebste in den Oberarm und keifte: „Nein, das darfst du nicht, Bitch, aber wie gefällt dir mein Schlagarm!“ „Autsch.“ maulte Malia, rieb sich die schmerzende Stelle: „Du weißt, dass du die Einzige bist, Lyds! Meine Königin! Aber du musst doch zugeben, dass das eben wirklich heiß war.“ „Wie auch immer?“ murrte Lydia. Derek hatte unterdessen den Sicherheitsdienst vor den Toren angerufen und damit beauftragt, nach dem Typen mit der Fernbedienung Ausschau zu halten und ihn dingfest zu machen. Man konnte die Arschgeigen da draußen vielleicht nicht vertreiben, aber eine Drohne über seinem Anwesen? Das ging nun wirklich zu weit! Und wer immer das getan hatte, Derek würde ihn anzeigen und seinen haarigen Arsch vor Gericht schleifen! Stiles hatte sich mittlerweile von seinem Liegestuhl erhoben, blickte hinab auf die zerstörte Drohne und murmelte dann: „Ich bin müde. Ich gehe ins Bett.“ Derek schaute ihm stirnrunzelnd hinterher. „Sollte einer von uns mitgehen?“ fragte Scott besorgt: „Lassen wir ihn einfach erst einmal in Ruhe!“ bestimmte Derek seufzend, auch wenn er sich seiner Sache selbst nicht so sicher war. Als Stiles auch zum Abendbrot nicht wieder hervorkam, brachten Scott und Derek kurzerhand seine Portion zu ihm. Stiles lag flach auf dem Bett und starrte einfach bloß teilnahmslos an die Decke. Er blickte nicht einmal auf, als seine beiden Lieblingsmenschen ins Zimmer kamen: „Hey Bro! Wir bringen dir dein Abendessen! Der Koch hat für uns die beste Pizza der Welt gemacht. Das ist doch dein Lieblingsessen.“ erklärte Scott mit übertriebener Munterkeit: „Kein Hunger!“ erwiderte Stiles tonlos. Da schaltete sich Derek: „Mir egal, Stiles! Du wirst trotzdem etwas davon essen! Ich sehe mir das nicht mehr länger mit an!“ Stiles horchte auf und nun blickte er die beiden Männer bei ihm im Schlafzimmer erstmals auch direkt an. Da war eindeutig ein scharfer, entnervter Unterton in der Stimme seines Liebhabers gewesen, deutlich genug, um Stiles ein wenig nervös zu machen: „Tut mir leid, dass ich so unerträglich bin.“ sagte er schnell: „Eigentlich sollte ich doch für DICH da sein, schließlich ist es DEIN Leben, das hier gerade den Bach runtergeht und das auch noch durch MEINE Schuld!“ Er hatte sich aufgerichtet und blinzelte Derek ängstlich an, sicher den Bogen nun überspannt zu haben und rausgeworfen zu werden. Derek bemerkte die Nervosität seines Geliebten sofort und schon tat seine Ungeduld ihm leid: „Nichts von alledem ist deine Schuld, Liebling. Hör endlich auf, dass zu sagen!“ Er nahm auf der Bettkante Platz, reichte Stiles den ihm zugedachten Teller, streichelte seine Wange und sagte sanft: „Hier! Sie ist nicht mehr heiß, aber sie ist wirklich sehr gut. Bist du ein guter Junge und probierst wenigstens mal, Baby? Bitte! Für mich!“ Stiles hatte das Gefühl, ein Kloß würde ihm die Kehle verschließen, aber er wollte auch ein guter Junge für Derek sein und ihn nicht schon wieder enttäuschen, also würgte er das ganze Stück Pizza herunter. Scott und Derek hatten nicht gelogen, dies war tatsächlich köstlich, doch es vermochte auch nichts daran zu ändern, dass Stiles einfach keinen Appetit hatte. Er war einfach nur froh, als er Derek den leeren Teller zurückgeben konnte und sich ein zufriedener Ausdruck auf dessen Gesicht legte. Nach dem Essen legten sich Scott und Derek dann links und rechts von Stiles, wärmten ihn von beiden Seiten und endlich entspannte er sich sichtlich ein wenig. Nach einer Weile erklärte Derek: „Ich habe ein wenig nachgedacht. Was hältst du davon, wenn wir einfach für ein paar Tage wegfahren, Stiles? Wir verschwinden aus L.A., steigen einfach in den Flieger und reisen irgendwo hin, wo man uns nicht kennt und wo wir unsere Ruhe haben? Wie klingt das?“ Stiles blickte ihn unglücklich an: „Möchtest du das gern? Dann machen wir es.“ erwiderte er missmutig: „Die Frage ist, ob du das möchtest, Stiles. Ich dachte, es könnte dir vielleicht guttun? Eine kleine Luftveränderung?“ Derek klang ein wenig enttäuscht. „Also eigentlich möchte ich am Liebsten hier bleiben; hier im Haus, bis es vorbei ist. Du hast es doch gesehen, als sie die Drohne geschickt haben! Sie versuchen sogar, hier einzudringen, dabei ist dein Haus eine Festung. Ich möchte mich einfach nur verstecken, denn wo wir auch hingehen würden, irgendwer würde sicher trotzdem seine Kamera auf uns richten und sein Foto machen.“ Stiles blickte unsicher zu Derek hinauf und hatte das Gefühl, einfach nichts richtig machen zu können. Dieser lächelte jedoch müde und küsste Stiles auf beide Augen: „Ist in Ordnung! Wir machen es so, wie du möchtest.“ versicherte er: Nachdem er seinen besten Freund noch einmal tüchtig durchgeknuddelt hatte, zog Scott sich irgendwann diskret zurück und überließ das Paar sich selbst. Derek blieb bei Stiles zurück. Es wurde eh´ bereits dunkel. Bald war Schlafenszeit und es gab beim besten Willen keinen anderen Ort auf der Welt an dem Derek gerade sein wollte, als an der Seite seines Geliebten: „Darf ich dich berühren?“ fragte er vorsichtig. Stiles hob bestürzt den Kopf und versicherte: „Natürlich! Du darfst mich immer berühren. Ich liebe dich doch, Derek!“ „Ich frage ja auch nur, wegen neulich. Und keine Sorge, ich versuche nichts, oder so. Ich will dich einfach nur halten, streicheln, spüren dass du da bist... ist das okay?“ „Sehr gern!“ versicherte Stiles, zog sich sein T-Shirt über den Kopf und schmiegte sich eng an ihn. Er schloss die Augen und genoss das Gefühl der großen, starken Hände, die ganz sanft über seinen Rücken strichen. Nach und nach zogen sie sich vollständig gegenseitig aus, jedoch ohne Hast und Gier. Sie wollten einfach nur dieses Gefühl von Haut unter ihren Fingerspitzen, von Haut unter ihren Lippen und von Haut auf ihrer eigenen Haut. Sie schliefen nicht miteinander, sie schliefen einfach nur irgendwann ganz nah beieinander ein und konnten für einen Moment die Welt dort draußen und all ihre Feindseligkeit vergessen. In ihrem Hotelzimmer wickelte Kate einen edlen, fliederfarbenen Briefblock aus seiner Plastikfolie, nahm den Füllfederhalter, welchen sie gekauft hatte zur Hand und begann zu schreiben. Zeit ein wenig Verwirrung zu stiften! Sie lächelte in sich hinein. Dies hier war ihr Spiel. Sie hatte seit Jahren nicht mehr so viel Spaß gehabt! Kapitel 37: Botschaften, Teil 1 ------------------------------- Auch am folgenden Morgen wollte Stiles nicht aus dem Bett aufstehen, also blieb Derek noch eine Weile bei ihm, um, mit dem Laptop auf dem Schoß gleichzeitig ein wenig zu arbeiten und Wache zu halten. Stiles las derweil in einer zerfledderten Taschenbuchausgabe von Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ und später frühstückten sie gemeinsam im Bett. Am späten Vormittag bekam Derek Rückenschmerzen und er hielt es nicht mehr im Bett aus und weil Stiles ihm auch da partout immer noch nicht aus dem Schlafzimmer folgen wollte, nahmen sie einfach einen Wachwechsel vor und Scott nahm den Platz an der Seite seines besten Freundes ein. Er hatte eine Spielekonsole dabei und sie lieferten sich einige Stunden lang heiße Schlachten am Bildschirm. Am frühen Nachmittag wurde es jedoch auch Scott zu viel, zumal Stiles nicht einmal gestattete dass die Vorhänge, oder ein Fenster geöffnet werden dürften. Malia war die nächste, die sich Stiles in ihrer, ihr eigenen, raubeinigen Liebenswürdigkeit annahm. Sie begrüßte ihn mit: „Na, du Loser? Versuchst du hier Wurzeln zu schlagen, oder was?“ Sie rümpfte die Nase: „Scheiße, hier drinnen riecht´s ja wie in einem Pumakäfig!“ Sie riss die Vorhänge und Fenster auf und warf sich neben ihn auf´s Bett. „Nein! Nicht bitte! Was wenn sie noch mehr Drohnen schicken, oder so?“ jammerte Stiles kläglich. Malia rollte genervt mit den Augen: „Nichts da! Hier muss Licht und Luft rein! Und jetzt entspann dich mal, Alter! Du drehst ja total durch. Du weißt, dass sich da draußen Alle Sorgen um deinen Geisteszustand machen, oder? Wieso kommst du denn nicht mehr aus dem Bett, Mann? Was kommt als nächstes? Lässt du deine Haare, Finger- und Fußnägel wachsen und sammelst deinen Urin in leeren Gurkengläsern, oder wie? Du spinnst doch, Stiles!“ „Du verstehst das nicht?“ erwiderte Stiles niedergeschlagen: „Mir ist das gerade alles zu viel! Das ist alles.“ Malia seufzte: „Nö, verstehe ich tatsächlich nicht. Da draußen hinter dieser Schlafzimmertür gibt es Leute, die dich lieben und dich vermissen. Was kann denn so schlimm sein, dass du dich lieber allein hier drinnen vergräbst?“ Stiles zuckte unglücklich mit den Schultern: „Ich brauche einfach noch ein bisschen mehr Zeit.“ Malia stöhnte: „Wie du meinst? Aber ewig schaue ich mir das nicht mehr an. Die Luschen da draußen mögen ja glauben, dass die softe Tour der einzige Weg ist, aber ich werde deinen haarigen Arsch notfalls auch mit Gewalt hier heraus schleifen, wenn du deinen Scheiß nicht beizeiten geregelt bekommst!“ Die Vorstellung, wie Malia ihn schreiend und strampelnd aus dem Zimmer zerrte ließ Stiles tatsächlich ein wenig lächeln. „Was gibt’s denn da zu grinsen?“ fragte Malia: „Ich mach´ das!“ „Da habe ich keinen Zweifel! Schließlich bist du die toughe `Mistress of pain´.“ versicherte Stiles grinsend: „Ich hab´ dich lieb, weißt du das eigentlich, Malia!“ Seine Freundin verzog das Gesicht: „Jetzt krieg´ mal keinen Pflaumensturz, Stilinski!“ brummte sie. Dann robbte sie jedoch hinter Stiles und schlang einen Arm um ihn. „Das ist schön!“ murmelte er: „Aber wieso muss ich eigentlich das kleine Löffelchen sein?“ Stiles erhielt keine Antwort darauf, also genoss er es einfach, von der Kratzbürste sanft gehalten zu werden. „Alles wird wieder gut, Stiles!“ flüsterte Malia nach einer Weile und irgendwie glaubte er ihr in diesem Augenblick. Derek heckte unterdessen einen Plan aus, um Stiles endlich wieder aus seinem Schneckenhaus herauszuholen und der hatte mit emotionaler Erpressung zu tun. Er fühlte sich ziemlich schlau, als er nach dem Abendessen durch seinen Garten auf das kleine Haus zu stapfte, um jemanden abzuholen. „Schau doch mal, wer da ist!“ sagte er eine Weile später munter, als er zu Stiles ins Schlafzimmer trat. Malia war mittlerweile wieder zu den anderen zurückgekehrt: „Hola Tìo! Como estas?“ fragte die kleine Loba unsicher, als sie den zerzausten jungen Mann in seinem Bett erblickte. Sie trug ein dickes Buch mit Grimms Märchen vor dem Bauch. „Hola Princesa! Mir geht es... ganz gut. Ich freue mich, dich zu sehen!“ erwiderte Stiles, aufrichtig erfreut, das Kind zu sehen. Derek hatte sich ausgerechnet, dass es wenigstens der kleinen Loba gelingen würde, Stiles wieder hervorzulocken, doch sein Plan ging nicht auf, denn Stiles öffnete die Arme und das Mädchen sprang glücklich hinein und machte es sich bei ihm im Bett gemütlich. Derek seufzte, doch er ließ die beiden gewähren. Als er zwei Stunden später nach ihnen sah, waren beide aneinander gekuschelt eingeschlafen. Das Märchenbuch war bei „Rotkäppchen“ aufgeschlagen. Derek lächelte liebevoll auf sie hinab und musste innerlich zugeben, dass Stiles die Vaterrolle ausgezeichnet stand. Dennoch musste er das Idyll nun zu zerstören, denn der Digitalwecker auf dem Nachttisch zeigte, dass es bereits halb neun war: „Hey, Baby!“ weckte er Stiles: „Verabschiede dich von deiner kleinen Freundin. Sie muss wieder nachhause zurück.“ Stiles richtete sich verschlafen auf und murmelte: „Schade! Die kleine Maus ist nämlich wie eine winzige Heizung, weißt du?“ Er gab Loba, die nun ebenfalls erwacht war noch einen Kuss, bestellte Grüße an ihre Eltern und Brüder und ließ das Kind dann widerwillig gehen. Derek nahm die verschlafene Kleine auf den Arm und trug sie und ihr Lesebuch zurück zu ihrer Familie. Als er zurückkehrte, war Stiles bereits wieder eingedöst. Derek konnte beim besten Willen nicht begreifen, wie es Stiles möglich war, so wahnsinnig viel zu schlafen. Er war drauf und dran, Dr. Geyer anzurufen, damit der Stiles einmal untersuchte, um sicherzugehen, dass ihm organisch nichts fehlte. Andererseits hatte dieser jetzt sicherlich bereits eine lange Schicht im Krankenhaus hinter sich und besseres zu tun. Derek beschloss also, noch eine weitere Nacht abzuwarten, ehe er den Mediziner zu Rate zog. Stiles erwachte am Morgen in seinem Bett, weil die Sonne ihn auf der Nase kitzelte. Etwas war anders als es sein sollte, doch irgendwie kam er nicht drauf, was es war. Es klopfte einmal, dann wurde die Tür geöffnet. Sheriff Stilinski trat ein und Stiles freute sich wahnsinnig, ihn zu sehen. Beinahe kam es ihm vor, als sei es eine Ewigkeit her, doch das war natürlich Blödsinn: „Aufstehen, Stiles! Du kommst noch zu spät zur Schule!“ rief sein Dad in den Raum hinein und es sah aus, wolle er gleich wieder verschwinden. Doch dann entschied er sich anders, wandte sich wieder um, trat ein und nahm auf Stiles Bettkanten Platz. Er trug seine Uniform, die seinen, von der kalifornischen Sonne gebräunten Teint so wunderbar unterstrich. Er sah wohl und gesund aus und seine freundlichen, blauen Augen blickten gütig auf seinen Sohn hinab: „Hör´ mal mein Junge! Ich habe es lange nicht mehr gesagt, aber ich will dass du weißt, wie lieb ich dich habe.“ Stiles blickte seinen Vater verblüfft an und versicherte: „Ich habe dich auch lieb, Dad. Ist alles in Ordnung? Stimmt etwas nicht?“ „Doch, Junge. Alles ist in bester Ordnung. Aber deine Mutter und ich wollten dich wissen lassen, dass wir diesen jungen Mann, mit dem du dich neuerdings triffst sehr gern haben. Warum bringst du ihn nicht mal zum Essen mit?“ „Derek?“ fragte Stiles strahlend: „Ja, sicher, das werde ich tun. Er wird sich sicher darüber freuen!“ Der Sheriff zerzauste seinem Sohn noch einmal liebevoll das Haar und sagte dann streng: „Du musst jetzt wirklich aufstehen, Stiles! Es wird Zeit!“ Als Stiles erwachte, waren seine Augen nass von Tränen, doch er lächelte. Er erhob sich aus dem Bett, wie sein Dad es von ihm verlangt hatte. Derek erwachte allein im Bett und glaubte seinen Augen nicht zu trauen: Stiles war tatsächlich freiwillig aufgestanden? Er ging nach nebenan ins Bad, weil er sicher war, seinen Gefährten dort zu finden, doch da war er auch nicht. Noch benommen vom Schlafen und nur in eine Pyjamahose gekleidet machte Derek sich im Haus auf die Suche nach ihm und weil er ihn nirgends fand, stieg nach einer Weile Panik in ihm auf. Da endlich hörte er plötzlich Stimmen und Gelächter und begab sich in die Richtung aus der die Geräusche kam. Derek fand Stiles bei seinem Privatkoch Jean Ribaux in der Küche. Sein Liebhaber trug ein vollkommen verschwitztes T-Shirt, Turnschuhe und eine Trainingshose. „Was machst du denn hier, Baby?“ fragte Derek säuerlich. Stiles Lächeln traf den Älteren wie ein Sonnenstrahl: „Ich war ein wenig im Garten joggen und nun zeigt Jean mir gerade, wie er den Teig für die köstlichen Frühstücksbagel herstellt.“ „Joggen warst du?“ fragte Derek dümmlich: „Drei Tage lang bewegst du dich weniger als eine Wanderdüne und willst das Bett nicht mehr verlassen und dann gehst du JOGGEN? Was ist passiert?“ „Es geht mir jetzt viel besser. Ich habe mit meinem Vater gesprochen.“ gab Stiles leichthin zurück. Derek riss erstaunt die Augen auf: „Mit deinem TOTEN Vater? Stiles, geht es dir gut?“ „Ich sage doch, es geht mir besser. Du musst dir keine Sorgen mehr um mich machen. Mein Vater hat gesagt, dass er mich liebt und dass Mum und er sich freuen, dass du und ich ein Paar sind. Das tat gut!“ „Stiles, die beiden sind tot, erinnerst du dich?“ fragte Derek alarmiert. Er begann, sich ernsthaft Sorgen um den Geisteszustand seines Partners zu machen: „Ich weiß, dass sie tot sind, Dummchen!“ erwiderte Stiles, die augenrollend: „Mein Dad ist mir im Traum erschienen. Das war... schön!“ Dereks Blick blieb skeptisch, doch da mischte sich Jean ein: „Es ist wahr! Die Toten sprechen mit uns, Monsieur. Wir müssen nur zuhören. Ihre Welt liegt direkt neben unserer und sie nehmen Anteil an unserem Leben. Meine Großmutter hat ständig mit den Toten gesprochen! Niemand hat sie für verrückt gehalten. Sie war eine Bruja und die Leute achteten sie.“ „Also für so etwas ist es mir noch zu früh.“ brummte Derek mürrisch. Stiles nahm seine Hand und sagte sanft: „Es ist auch nicht so wichtig. Hauptsache, es geht mir jetzt besser, findest du nicht? Und jetzt muss ich duschen. Kommst du mit?“ Derek folgte ihm immer noch skeptisch ins Bad. Dort schloss Stiles die Tür hinter sich ab, damit sie nicht gestört werden konnten und begann sich, ein herausforderndes Lächeln auf den Lippen, langsam zu entkleiden. Als er nackt war, trat er vor Derek hin, legte eine Hand auf dessen Brust und ließ sie langsam an seinem Körper herabfahren. Auf seinem Schritt ließ er sie liegen und flüsterte ihm mit feurigem Blick zu: „Ich habe dich vermisst, weißt du?“ Dann zog er Derek mit einem Ruck die Pyjamahose von den Hüften, stieg in die Dusche, stellte das Wasser an und forderte:' „Komm´ schon, Großer! Ich brauche dich und nicht nur, um mir den Rücken zu waschen.“ So langsam begann Derek endlich, dem Frieden zu trauen. Er folgte Stiles und unter dem warmen Wasserstrahl suchten und fanden sich ihre Lippen. Sie schlangen die Arme umeinander und ihre Münder konnten lange nicht voneinander lassen, auch wenn sie bereits völlig atemlos waren, bis sie irgendwann spürten, dass die Küsse allein ihren Hunger aufeinander nicht zu stillen vermochten. Eingeschäumte Hände wanderten forschend und mit einer gewissen Ungeduld über warmes, feuchtes Fleisch und bald drehte Stiles sich um, langte nach hinten, zog Derek an sich und forderte heiser und sinnlich: „Besorg´s mir, ja!“ Derek zögerte nicht lange, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Später am Frühstückstisch blickte Malia Stiles und ihren Cousin prüfend an und spöttelte dann: „Ist ja süß. Beinahe wie im Märchen, was Stiles? Hat sein Schwanz dich etwa aus deinem hundertjährigen Schlaf erweckt?“ „Klappe Bitch!“ erwiderte Stiles und begann anzüglich und provokativ an einem Stück Karotte zu saugen. „Würg!“ machte Malia, grinste und züngelte nun an der Öffnung ihres Bagels. „Benehmt euch gefälligst, ihr Ferkel! Wir sind hier schließlich bei feinen Leuten!“ herrschte Lydia sie an und die beiden kicherten vergnügt. Derek ließ seinen Blick über die beiden Übeltäter und dann über die gesamte Runde von Freunden schweifen. Ein reich gedeckter Tisch und an ihm saßen junge Menschen, die einander neckten, die lachten und die sich gern hatten: „Lass´ sie doch, Lydia!“ sagte er milde lächelnd: „Ich glaube, ich mag das!“ Kapitel 38: Botschaften, Teil 2 ------------------------------- Sie waren mit dem Frühstück noch nicht ganz fertig, als Greenberg die Post brachte, welche soeben eingetroffen war. Oben auf dem Stapel lag ein fliederfarbener Umschlag. „Was ist das denn? Ein Liebesbrief von einem heimlichen Verehrer vielleicht?“ witzelte Stiles gut gelaunt. Derek zuckte ratlos mit den Schultern, nahm den Umschlag in die Hand, drehte ihn herum und entdeckte dort seine eigene Anschrift, geschrieben in großen, energischen Lettern. Kein Absender, doch den brauchte es auch gar nicht, denn er erkannte die Handschrift auf Anhieb: „Oh, Fuck!“ rief er aus. Er wurde blass und ließ den Umschlag fallen, als sei er vergiftet. „Oh Fuck!“ sagte nun auch Malia, doch das hatte ganz und gar nichts mit dem eigenartigen Brief zu tun, sondern vielmehr mit der Tageszeitung, die sich auf dem Poststapel darunter befunden hatte. Sie schnappte sich das Blatt, entfaltete es und da erkannten auch die Anderen, was sie entdeckt hatte. Malias wütendes Gesicht blickte der Frühstücksrunde vom Titelblatt aus entgegen. Man sah Dereks Cousine, wie sie mit geballten Fäusten auf einen der Sensationsjournalisten losging und darüber die Schlagzeile: „Wie der Vater, so die Tochter! Dies ist Peter Hales lange verschollene Skandal-Tochter, wie sie einen Fotografen verprügelt!“ „Woher wissen diese Drecksschweine denn, wer ich bin? Verdammt! Da muss doch irgendwer geredet haben!“ rief Malia fassungslos aus und blickte fragend auf Derek, welcher wiederum bloß mit den Schultern zucken konnte. Auch Malia war nun reichlich bleich im Gesicht. Lydia nahm die Zeitung zur Hand und überflog den kurzen Artikel unter der fetten Schlagzeile und dem riesigen Foto, beides Indizien dafür, dass die Presse in Wirklichkeit überhaupt nicht viel wusste und die Sache bloß künstlich aufgeblasen hatte. Der Artikel behauptete, Malia sei eine Ausreißerin und Schulabbrecherin gewesen – beides war frei erfunden. Man schrieb allerdings auch, sie habe als Prostituierte gearbeitet, was ja zumindest teilweise richtig war, auch wenn Malia niemals gegen Geld mit Männern geschlafen hatte, so hatte sie dennoch eine sexuelle Dienstleistung angeboten. Der Autor wusste außerdem noch zu berichten, dass sie eine Beziehung mit einer anderen Frau unterhielt und dies war einzig vollständig wahre Aussage im gesamten Artikel. „Wie kommen diese Typen eigentlich an ihre Informationen?“ fragte Malia noch einmal und diesmal konnte Derek Antwort geben: „Sie bekommen Hinweise, sie wühlen im Dreck und einiges denken sie sich auch einfach aus.“ Er seufzte tief und fügte bedauernd hinzu: „Tut mir leid, dass sie nun auch dich auf dem Radar haben, Cousine. Das hätte ich dir gerne erspart. Ich fühle mich irgendwie dafür verantwortlich.“ „Is´ aber nicht deine Schuld.“ versicherte Malia finster: „Aber was mache ich denn jetzt?“ „Das Beste, was du tun kannst, ist dich zurückzuhalten, schätze ich. Je weniger „Futter“ diese Typen bekommen, umso schneller wirst du für sie wieder uninteressant.“ Malia lachte bitter: „Ich will mich aber nicht zurückhalten! Ich will die Typen in die Finger bekommen und ihnen die Ärsche aufreißen! Ein Gutes hat diese Sache allerdings.“ fügte sie grimmig hinzu: „Sie ist eine Art später Rache an meiner beschissenen Mutter, die Geld kassiert hat, damit ich Peter nie treffe und die alles dafür getan hätte, dass ihr toller Ehemann nie herausfindet, dass sie ihm einen Bastard untergeschoben hat. Ich hoffe, die Bitch liest das und erstickt dran!“ Ein finsteres Lächeln hatte sich auf ihr Gesicht geschlichen. Lydia hockte sich auf den Schoß ihrer Geliebten und schlang die Arme um ihren Nacken. Stiles hatte unterdessen den fliederfarbenen Umschlag in die Hand genommen: „Er ist von IHR, oder nicht?“ flüsterte er Derek zu. Der Ältere nickte grimmig. „Lass´ uns schnell nach nebenan gehen und ihn zusammen lesen. Ich möchte wissen, was sie will.“ fuhr Stiles fort. Dereks Miene verfinsterte sich weiter: „Muss das sein?“ wollte er wissen. Stiles nickte entschlossen: „Ich will wissen, womit wir es zu tun haben und worauf wir uns einstellen müssen!“ Derek seufzte und sagte dann laut in die Runde: „Entschuldigt uns kurz, ja?“ Die Anderen beachteten sie kaum und nickten höchstens knapp, denn sie waren immer noch in heller Aufregung mit der Zeitung beschäftigt und so zogen sich das Paar mit dem Brief in sein Schlafzimmer zurück. Dereks Finger zitterten ein wenig, als er versuchte, den Umschlag zu öffnen: „Lass´ mich!“ forderte Stiles sanft und Derek übergab ihm dankbar den Brief. „Lesen wir ihn zusammen?“ fragte Stiles unsicher, als er die Nachricht entfaltete, die Kate auf das edle Briefpapier geschrieben hatte, denn immerhin war sie an Derek und nicht an ihn gerichtet und er wusste nicht, ob er das Recht dazu hätte. „Ja, sicher!“ gab Derek überrascht zurück und so wendeten sie sich gemeinsam der Botschaft zu: „Mein lieber Derek, ich weiß, dass du mir mittlerweile alles Böse auf der Welt zutraust, auch wenn ich immer noch nicht begreifen kann wieso? Vielleicht ist es dein neuer Freund, der dich gegen mich und den Rest der Welt aufhetzt? Vielleicht ist er eifersüchtig? Vielleicht will er dich für sich ganz allein haben? Ich weiß es nicht und kann es auch nicht beurteilen. Es macht mich einfach nur unendlich traurig! Was ist bloß mit uns passiert? Du warst meine erste, große Liebe und die vergisst ein Mädchen nicht. Ich denke gern an unsere Zeit zurück und wir hatten doch auch sehr gute gemeinsame Augenblicke, oder vielleicht nicht? Und wir haben auch immer auf einander aufgepasst. Und nun lese ich alle diese Dinge in der Zeitung und denke an dich. Wie muss es dir wohl mit all dem gehen? Ich kenne dich doch! Ich weiß doch, wie sehr du die Medienaufmerksamkeit hasst. Ist das denn wirklich alles wahr? Ist dein Freund tatsächlich ein Prostituierter? Und hast du das von vornherein gewusst, oder hat er dir etwas vorgemacht? Ich hoffe so sehr, dass Stiles dich nicht verraten und dir nicht das Herz gebrochen hat. War er es am Ende sogar, der der Presse alles verraten hat, um Geld dabei herauszuschlagen? Ich weiß, wie vertrauensvoll du sein kannst, Derek, aber bitte, bitte pass´ gut auf dich auf, damit du nicht von den falschen Leuten hereingelegt wirst! Trotz allem, was vorgefallen ist und all´ der furchtbaren, unglaublichen Dinge, die du mir vorgeworfen hast, sorge ich mich immer noch um dich! Immerhin kenne ich dich schon dein Leben lang und will, dass du weißt, dass ich deine Freundin bin. Falls du mich brauchen solltest, dann bin ich für dich da! Ich wünsche dir alles Gute und viel Kraft für alles, was du gerade durchmachen musst. In Liebe und Freundschaft, Kate“ Stiles konnte nicht glauben, was er da gerade gelesen hatte. Er blickte Derek prüfend an, traute sich jedoch nicht, etwas zu sagen, sondern wartete einfach ab: „Nicht zu fassen!“ murmelte Derek und schüttelte den Kopf: „Was denkst du über diesen Brief?“ fragte Stiles zaghaft. Derek zuckte mit den Schultern: „Das weiß ich gerade irgendwie selbst nicht. Was sagst du denn dazu.“ Stiles seufzte schwer und schien dabei ein wenig in sich zusammenzufallen: „Ich habe Angst, dass du denkst, an ihren Worten könnte etwas Wahres dran sein.“ gestand er. Verblüfft riss Derek die Augen auf: „Warum sollte ich das denn denken? Ich bin doch nicht blöd, Baby! Ich war dabei, als sie mich unter Drogen gesetzt und.... uhm… missbraucht hat. Ich war dabei, als du, knapp mit dem Leben davongekommen und schwer verletzt im Krankenhaus gelegen hast. Ich liebe dich, Stiles und ich spüre, dass du mich auch liebst. Kate behauptet, sie kennt mich, doch in Wirklichkeit kennt sie bloß den unsicheren Jungen von damals. Aber DU kennst mich, Liebling! Du hast schon verstanden, was ich brauche, als ich es noch nicht einmal selbst gewusst habe. Und ich kenne DICH auch; deine Klugheit, deine Stärke, aber auch deine Verletztheit und wie du dich um deine Familie sorgst. Ich weiß mit Sicherheit, dass du niemals etwas tun würdest, um mir zu schaden. Alles klar?“ Stiles atmete auf und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen: „Ehrlich?“ hakte er noch einmal nach: „Ganz ehrlich!“ versicherte Derek und küsste seinen Gefährten auf sie Spitze seiner süßen Himmelfahrtsnase: „Scheiß auf Kate! Lass uns jetzt einfach zu den anderen zurückgehen. Malia ist immerhin ganz schön durcheinander, wegen des Zeitungsberichts. Sie braucht uns jetzt!“ „Warte mal!“ forderte Stiles: „Heißt das, du unternimmst gar nichts wegen des Briefes? Wirst du Kate denn nicht antworten?“ Derek gab ein kurzes, hartes Lachen von sich und antwortete dann mit Entschlossenheit: „Nein, mit Sicherheit nicht! Ich wünschte sogar, ich müsste nie wieder etwas von ihr hören, oder sehen! Was immer sie mit diesem Schrieb bezwecken wollte, es hat nicht funktioniert!“ Als Derek und Stiles Hand in Hand ins Esszimmer zurückkehrten, saßen immer noch alle wie erstarrt am Tisch und Malia hatte ihr Mobiltelefon in der Hand und starrte auf das Display, als wolle sie es ermorden. Lydia hatte einen Arm um sie gelegt. Die Stimmung im Raum war wie elektrisiert: „Was ist denn hier los? Ist noch irgendetwas anderes vorgefallen?“ fragte Stiles vorsichtig. „Lies das!“ forderte Malia und ihre Stimme verriet, dass sie kurz vorm explodieren war: „Eines muss ich meiner Mutter lassen: Sie ist schnell! Ich wusste nicht einmal, dass sie meine Nummer hatte. Zumindest hat sie sie in den letzten Jahren nicht dafür benutzt, mir einmal zum Geburtstag zu gratulieren, oder so!“ Sie reichte Stiles ihr Handy und er und Derek lasen die Nachricht, die Corinne Tate an ihre Tochter verfasst hatte: „Nun hast du es geschafft, du nichtsnutziges Miststück. Nach all´ den Jahren ist es dir nun doch noch gelungen, mein Leben restlos zu zerstören! Dein Vater ist heute Morgen ausgezogen. Du weißt, was das heißt, oder Malia? Wiedergutmachung! Und da du ja nun reich bist will ich für´s Erste Fünfhunderttausend von dir, denn von irgendetwas muss ich ja nun Leben. Sollte ich bis heute Abend nichts von dir hören, dann wende ich mich eben an die Presse und dann hören die von mir auch noch ein paar hübsche Geschichten über dich . So oder so, ich komme an mein Geld!“ „Wow! Was für eine Hexe!“ entfuhr es Stiles ganz spontan und ungefiltert. „Ich hasse sie!“ knurrte Malia und zwei heiße, zornige Tränen liefen ihr über die Wangen: „Keine Sorge, Malia. Ich werde sie auszahlen.“ versicherte Derek: „Das ist keine große Sache. Und meine Anwälte werden mit ihr etwas aushandeln, um sie zum Schweigen zu bringen. Ich regle das für dich! Versprochen“ „NEIN!“ rief Malia aus und sprang vom Tisch auf: „Sie bekommt keinen einzigen Cent. Mir ist scheißegal, welche Lügen sie den Medien erzählt. Sie hat mir mein Leben verkackt! Dafür bezahle ich sie doch nicht auch noch!“ Derek nickte und machte einen Gegenvorschlag: „Einverstanden! Dann hetze ich ihr trotzdem meine Anwälte auf den Hals und die werden sie ein wenig einschüchtern. Einverstanden?“ „Und warum mache ich das Mistvieh nicht einfach ausfindig und prügele sie zu Tode!“ knurrte Malia und wischte sich über die feuchten Augen: „Weil du dann ins Kittchen wandern würdest und das will ich nicht, denn schließlich bist du das letzte Familienmitglied, das mir geblieben ist.“ erwiderte Derek sanft. Diese Worte gaben Malia den Rest und ihre Wut schlug um in Verzweiflung. Zum Glück war Derek zur Stelle, um seine schluchzende Cousine in seine Arme zu ziehen und zu trösten. Kapitel 39: Botschaften, Teil 3 ------------------------------- Irgendwie gab es bei den Anwesenden ein stillschweigendes Einvernehmen darüber, dass die Ereignisse sie lange genug heruntergezogen hatten. Die Sonne schien herrlich und so zogen sie in den Garten um. Allison bewaffnete sich zur Sicherheit mit ein paar Steinen, falls weitere neugierige Drohnen ihre Privatsphäre zu stören wagten. Etwa eine Stunde später kündigte Greenberg einen Gast an. Derek vermutete, dass es vielleicht Deucalion sein könnte, um einen Statusbericht aus der Firma zu geben, doch in Wirklichkeit war es Allisons Vater: „Hi, Leute!“ grüßte Chris Argent die Anwesenden und er wirkte uncharakteristisch schüchtern. Skippy, der sich soeben darauf besonnen hatte, dass er ja ein Hund war und aufpassen sollte, verließ seinen gemütlichen Platz auf Scotts Bauch, um den Eindringling tüchtig anzubellen. Als Chris allerdings munter versicherte: „Na, du bist ja ein süßes Kerlchen!“ und sich zu dem Tier hinabbeugte, warf Skippy sich sogleich auf den Rücken, um sich ausgiebig den flauschigen Bauch kraulen zu lassen. Somit war er ein für alle Male durch die Wachhundqualifikation gerasselt und hatte sich vielmehr als Spielkamerad und Kuscheltier geoutet. „Hey, Dad! Was machst du denn hier?“ begrüßte Allison ihren Vater und erhob sich aus ihrem Liegestuhl, um ihn zu umarmen: Er erwiderte die Begrüßungsgeste fahrig und stammelte: „Ich... uhm... ich müsste da mal etwas mit Malia, Derek und Stiles besprechen. Habt ihr vielleicht kurz Zeit? Können wir irgendwo hingehen, wo wir ungestört sind?“ Schon wieder diese eigenartige Zurückhaltung? Derek runzelte die Stirn. Er, Stiles und Malia folgten Chris also ins Innere des Hauses: „Wieso siehst du aus, als hätte man dich mit der Hand im Bonbon-Glas erwischt? Was hast du angestellt, Chris?“ fragte Derek ihn ganz direkt. „Ich? Also... gar nichts!“ murmelte Allisons Vater unschuldig: „Aber ich habe in den letzten Tagen die Zeitungen gelesen. Tut mir leid für euch, was so alles geschrieben wird.“ versicherte er und erkundigte sich dann vorsichtig: „Was denkt ihr, wer diesen Pressefritzen das alles erzählt hat?“ Malias Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie scharf erwiderte: „Wir haben keine Ahnung, Kumpel! Allzu viele Leute haben jedenfalls nicht davon gewusst, dass Peter mein Vater war. Wieso? Hast DU vielleicht vor den falschen Leuten das Maul zu weit aufgerissen?“ Ertappt ließ Chris den Kopf hängen und Derek wollte wissen: „Was hast du gemacht, hm? Raus mit der Sprache!“ „Ich? Eigentlich gar nichts. Ehrlich! Ich spreche doch nicht mit den Medien. Was denkst du denn? Ich bin ja kein Idiot!“ beteuerte Chris schnell: „Die einzige, der ich etwas verraten habe, war meine Schwester, aber die würde doch nichts sagen. Die weiß doch selbst, wie das Spiel mit der Presse läuft. Schließlich steht auch sie im Licht der Öffentlichkeit.“ „Du hast mit Kate über uns gesprochen?“ Dereks Stimme war kalt und scharf wie eine japanische Klinge. Chris zuckte ein wenig zusammen: „Aber sie ist doch Familie.“ rechtfertigte er sich: „Ihr wart mal ein Paar und alles... ? Sie sagt doch nichts!“ Er blickte in finstere Gesichter, doch niemand sagte etwas und so plapperte er selbst weiter: „Es war irgendwie ganz eigenartig. Kate und ich haben uns vor zwei Tagen getroffen. Es wurde echt viel getrunken. Himmel, ich weiß gar nicht mehr, wie ich danach nachhause gekommen bin? Wir haben gelacht, über alte Zeiten geplaudert... Kate war in so seltsam nostalgischer Stimmung. Sie hat über eure Jugend gesprochen, über deine Familie, wie sehr sie sie alle vermisst, Derek und über eure frühere Beziehung. Und im Zuge dessen habe ich Kate dann eben von Peters Tochter erzählt, aber ich habe nichts Böses über dich gesagt, Malia! Ich habe dich gern, das weißt du doch! Und mit Sicherheit habe ich nicht so etwas erzählt, wie das, was in der Zeitung gestanden hat. Ich habe ihr berichtet, wie lustig du bist, wie stark, wie sehr du mich dadurch an Peter erinnerst und dass du eine süße Freundin hast; solche Sachen.“ „Und hast du zufällig auch behauptet, ich sei ein Callgirl gewesen?“ schnappte Malia angriffslustig: „Was? Nein!“ rief Chris aus und räumte dann ein: „Ich... ich weiß nicht? Ich war total blau. Vielleicht habe ich mal dein „Studio“ erwähnt? Ich weiß es nicht mehr. Aber nochmal: Wieso sollte Kate denn mit den Zeitungstypen sprechen? Wieso sollte sie dir schaden wollen, Malia? Sie kennt dich doch gar nicht!“ Derek, Stiles und Malia tauschten vielsagende Blick und schließlich fragte Derek mit aller Geduld, die er aufbringen konnte: „Und hast du ihr zufällig auch das von Stiles erzählt? Dass er früher angeschafft hat?“ „Nein, habe ich nicht!“ schnappte Chris säuerlich: „Ich habe es ja selbst nicht einmal gewusst. Ist es denn überhaupt wahr?“ Stiles zuckte zur Bestätigung mit einer Schulter; eine Geste die sagte `So ist es, aber frag´ bloß nicht weiter´. Und das tat Chris nicht. Er sagte bloß: „Oh!“ Und nach der Weile die er brauchte, um diese Information sacken zu lassen, fragte er noch einmal: „Warum sollte Kate euch schaden wollen?“ Wieder tauschten Derek und Stiles einen vielsagenden Blick: „Was geht denn hier vor?“ wollte Chris also wissen: „Was hat meine Schwester angestellt? Ich weiß, sie kann manchmal ein Miststück sein, aber ihr tut ja fast so, als sei sie der Teufel?“ Da traf Derek eine Entscheidung: „Chris, Kate hat mir vor einer Weile etwas ziemlich Schlimmes angetan und wir haben sie sogar im Verdacht noch viel Furchtbareres gemacht zu haben. Ich weiß allerdings nicht, inwieweit ich dich einweihen und dir Vertrauen soll, denn sie ist immerhin deine Schwester.“ „Okay, was hat Kate angestellt? Raus mit der Sprache! Bitte Derek! Ich bin dein Freund, ehrlich!“ beteuerte Chris: Derek seufzte tief: „Ich kann es nicht beweisen und ich habe auch nur verschwommene Erinnerungen an alles, aber sie hat mich unter Drogen gesetzt, hat mir dann noch etwas für die `Standfestigkeit verabreicht und als ich absolut wehrlos war, hat sie mich zum Sex gezwungen.“ Chris zeigte ganz und gar nicht die Reaktion, die Derek erwartet hätte. Es fehlte die Bestürzung und die Ungläubigkeit. Stattdessen ließ er betrübt den Kopf hängen: „Hat sie so etwas etwa schon früher gemacht?“ fragte Derek scharfsichtig. Chris hob den Kopf wieder und zuckte hilflos mit den Schultern: „Nein... also nicht das...“ stotterte er: „Aber Kate stand früher schon manchmal in dem Ruf eine Giftmischerin zu sein. Sie ging noch zur Schule, da hatte eine schwangere Mitschülerin eine Fehlgeburt. Das Mädchen wollte dieses Kind haben, trotz ihrer Jugend, war bereits im fünften Monat und sie hat steif und fest behauptet, meine Schwester habe ihr ein Medikament untergejubelt, das den Abort ausgelöst hat, weil der Vater des Kindes ihr Ex-Freund gewesen sei. Es hat unseren Vater damals eine Menge Geld gekostet, das Mädchen zum Schweigen zu bringen. Und ein paar Jahre später gab es da so eine Sache mit einem unserer Hausmädchen. Kate hat diese junge Frau gehasst, auch wenn ich nicht genau weiß wieso. Dann wurde das Mädchen plötzlich auf unerklärliche Weise schwer krank; ständige Übelkeit, Erbrechen, Schwächeanfälle, ohne dass die Ärzte herausgefunden hätten, was ihr fehlte. Schließlich hat sie unser Haus verlassen und wurde dann schlagartig wieder gesund. Sie war sich ebenfalls ganz sicher, dass Kate ihr heimlich etwas verabreicht hat, wollte sogar eine Anzeige bei der Polizei machen, was mein Vater jedoch irgendwie verhindern konnte. Insofern... es würde mich leider nicht überraschen, wenn das, was du sagst wahr wäre.“ Derek gab einen knurrenden Laut von sich. Irgendwie machte das, was Chris gerade geschildert hatte das, was ihm geschehen war noch ein wenig realer. „Hast du einen Bluttest machen lassen, nachdem das passiert ist. Ließ die Substanz, die sie verwendet hat sich nachweisen.“ wollte Chris wissen: „Der Bluttest war ohne Ergebnis, weil GHB zu schnell vom Körper abgebaut wird. Wir warten noch auf das Ergebnis der Haaranlyse.“ erwiderte Stiles, doch Derek schüttelte traurig den Kopf: „Der Anruf von Dr. Geyer kam vor ein paar Tagen, als du so niedergeschlagen warst, Baby. Da wollte ich dich damit nicht belasten. Das Ergebnis war uneindeutig. Leider! Wir haben nichts in der Hand.“ Stiles schnaubte unzufrieden. Chris runzelte die Stirn und fragte vorsichtig: „Und hast du Kate damals zur Rede gestellt? Was hat sie zu den Anschuldigungen gesagt?“ „Sie sagt, es sei ganz anders gewesen. Wir seien beide betrunken gewesen und ich hätte freiwillig mitgemacht und selbst um das Viagra gebeten. Das Problem an dieser Version der Geschichte ist bloß, dass mein Filmriss bereits nach dem allerersten Drink beginnt. Es ist eine dreiste Lüge!“ antwortete Derek bitter. Chris nickte verstehend und verfiel kurz in Schweigen. Dann fragte er: „Diese Sache, die Kate dir angetan hat ist ohne Frage ganz furchtbar; es tut mir wahnsinnig leid, aber in welchem Zusammenhang steht das zu den Zeitungsberichten über euch alle?“ „Kate will Stiles loswerden.“ entgegnete Derek: „Das weiß ich genau, denn anfänglich hat sie noch mit Deucalion gemeinsame Sache gemacht, doch der ist mittlerweile auf unserer Seite, hat Stiles als meinen Partner akzeptiert und uns alles über den Plan, den sie beide hatten erzählt. Kate will mich offenbar wieder haben und hofft nun scheinbar, dass ich Stiles nach diesen Zeitungsberichten fallen lassen werde, um meinen Ruf zu wahren. Und Malia hat sie bestimmt bloß ins Spiel gebracht, um den Skandal noch ein bisschen größer zu machen, oder so? Ich weiß wirklich nicht, was ihrem Kopf vorgeht? Ich wüsste nur zu gern, woher sie all ihre Informationen über Stiles hat, wenn du es nicht warst, der ihr das erzählt hat.“ „Ich hätte da vielleicht eine Idee?“ gab Chris zögerlich zurück: „Ich habe Kate neulich zufällig in einem Restaurant gesehen. Ich wollte gerade hineingehen, da sah ich sie durch die Scheiben und habe mich anders entschieden, ehe sie mich entdecken konnte. Ich war nämlich... gewissermaßen nicht allein, wisst ihr? Ich war in Begleitung einer Frau, die ich kürzlich kennengelernt habe. Und weil ich noch nicht wusste, ob es etwas Ernstes ist, wollte ich nicht, dass Kate mich mit ihr sieht und ihre Schlüsse zieht, also sind wir kurzerhand woanders hingegangen. Warum ich euch das erzähle: Kate war nicht allein! Sie war in Begleitung dieses Privatschnüfflers Brent Kippler, den ich damals vor der Trennung von Victoria engagiert hatte, um herauszufinden, dass sie eine Affäre hatte. Ich habe mich noch darüber ziemlich gewundert, dass Kate sich mit diesem Typen abgibt. Er ist so ganz und gar nicht ihre Kragenweite. Weder sieht er gut aus, noch hat er Geld, oder Ansehen. Aber Kate hatte ihn voll und ganz in ihrem Bann, flirtete, trug ein Kleid mit tiefem Ausschnitt. Es war seltsam? Ich meine, es wäre doch möglich, dass sie ihn ebenfalls engagiert hat, um etwas Belastendes über Stiles auszugraben?“ Derek stöhnte: „Nein, das musste sie gar nicht. Kippler ist der Typ, den Deucalion engagiert hat, um Nachforschungen über Stiles anzustellen. Er hat bereits alles gewusst.“ „Verstehe!“ murmelte Chris: „Fuck! Das ist wirklich mies! Es tut mir so leid für euch. Wenn ich euch irgendwie helfen kann...?“ Derek atmete tief durch: „Vielleicht kommen wir darauf zurück. Und obwohl es eigentlich unnötig ist es zu erwähnen: Sag Kate nichts mehr über uns! Nicht die kleinste Kleinigkeit!“ Chris nickte: „Alles klar, das werde ich nicht. Versprochen!“ Er erhob sich und sah aus, als wolle er sich verabschieden, doch dann hielt er plötzlich inne: „Du hast vorhin gesagt, dass Kate noch Furchtbareres getan habe. Was hast du damit gemeint? Was hat sie denn noch angestellt?“ Derek gab ein Seufzen von sich. Er fühlte sich nicht wohl damit, Chris zu berichten, welcher Taten sie seine Schwester für fähig hielten. Er warf einen Seitenblick auf Stiles und der nickte leicht. Das, und die Tatsache, dass er Chris schon ewig kannte und ihm vertraute, gab den Ausschlag: „Es war Deucalion, der den Verdacht zuerst geäußert hatte und... mittlerweile sind wir geneigt, ihm zu glauben.“ begann Derek also zögerlich: „Auf Stiles Leben wurden in der letzten Zeit drei Anschläge verübt, welche er alle nur ganz knapp überlebt hat. Bei einem von ihnen ist ein anderer junger Mann um´s Leben gekommen. Es MUSS Kate gewesen sein! Da ist sonst niemand der etwas gegen ihn haben könnte.“ Chris war blaß geworden: „Ihr denkt, sie hätte jemanden getötet?“ fasste er fassungslos zusammen. Stiles nickte bestätigend und schilderte dann, was ihm widerfahren war. „Oh, Gott! Ich bete, dass es eine andere Erklärung für all das gibt.“ stieß Chris entsetzt hervor: „Aber ich helfe euch. Wenn Kate diese ganzen Dinge wirklich getan hat, dann muss sie aufgehalten werden.“ „Tu nichts Unüberlegtes, Chris!“ forderte Malia: „Wenn deine Schwester diese Dinge wirklich getan hat, dann ist sie gefährlich und sie wird auch auch vor dir nicht Halt machen, nur weil ihr Geschwister seid.“ „Es wäre wirklich hilfreich, jemanden zu haben, der unverdächtig in Kates Nähe kommen kann, aber tu bitte nichts, ohne dass wir gemeinsam einen Plan gemacht und für deine Sicherheit gesorgt haben, Chris!“ pflichtete Derek bei. Kates Bruder nickte leicht und fragte: „Und weiß Allison von all´ dem? Sie hängt an Kate und bewundert sie. Sie... nun ja... sie kennt ihre Tante nicht sehr gut. Und du weißt ja, wie meine Schwester sein kann. Sie kann Menschen einwickeln, manipulieren, begeistern...“ „Wir haben Allison noch nicht eingeweiht.“ antwortete Derek: „Das ist gut!“ urteilte Chris Argent: „Belasst es vorerst dabei!“ Dann wiederholte er noch einmal: „Das alles tut mir wirklich wahnsinnig leid! Ich wünschte, ich könnte etwas tun, um wieder gut zu machen, was Kate getan hat.“ Urplötzlich erhellte sich seine Miene ein wenig. Mit einem kleinen Lächeln erklärte er: „Es ist zwar nicht viel, aber ich denke, eine kleine Sache könnte ich doch für euch tun.“ Er griff in seine Jackentasche, zog einen Schlüsselbund hervor, montierte einen der Ringe mit zwei Schlüsseln und einem albernen Plastik-Sombrero als Anhänger ab und reichte ihn an Derek weiter: „Die Hazienda? Dein Ernst?“ fragte dieser verblüfft und grinste ein wenig. Kapitel 40: Mexican retreat, Teil 1 ----------------------------------- Derek nahm die Schlüssel an sich und bewegte sie zwischen den Fingern: „Danke, Chris! Es wäre vielleicht wirklich keine schlechte Idee, wenn wir mal eine Weile rauskommen. Ich denke, mittlerweile haben hier alle so etwas wie einen Lagerkoller.“ Stiles und Malia blickten fragend zwischen den beiden Männern hin und her und Derek erklärte: „Die Familie Argent hat in Baja California nicht allzu weit hinter der mexikanischen Grenze ein riesiges Grundstück mit einem ziemlich luxuriösem Ferienhaus darauf. Ich denke, Chris bietet uns als Entschuldigung ein verlängertes Wochenende dort an, sehe ich das richtig?“ „Bleibt dort, solange ihr wollt! Dort habt ihr vor der Presse erst einmal eure Ruhe. Aber ich muss dich korrigieren, Derek. Es ist nicht bloß ein Ferienhaus. Wir haben dort vor allem auch unser Lager und die Ausstellungsräume.“ „Ausstellungsräume?“ fragte Malia ratlos: „Waffen! Meine Familie handelt damit.“ gab Chris zurück: „Cool!“ rief Malia aus: „Kein Wunder, dass ihr so scheiße-reich seid. Mit Krieg lässt sich noch mehr Kohle machen, als mit Sex, richtig? Habt ihr auch Panzerfäuste? Und kann ich eine ausprobieren, wenn wir da sind?“ „Ja, haben wir! Und Nein, darfst du nicht.“ erwiderte Chris streng: „Die Waffen sind besser gesichert als Ford Knox! Und sie sind auch mit Sicherheit kein Spielzeug!“ „Alles klar, `Dad´!“ schmollte Malia enttäuscht, so dass Chris versprach: „Wenn du willst, dann werde ich dir irgendwann das Schießen beibringen? Was hältst du davon?“ Malia zuckte mit den Achseln: „Warum nicht? Ist ja auch das Mindeste, nachdem du mich zum öffentlichen Gespött gemacht hast, richtig?“ Chris zuckte schuldbewusst ein wenig zusammen und Derek sprang für ihn ein: „Das hat er doch nicht mit Absicht gemacht. Sei nicht so hart zu ihm, Cousinchen!“ Malia rollte mit den Augen und erwiderte: „Das war doch bloß Spaß, Leute! Entkrampft mal eure Rosetten!“ „Sie ist wirklich seine Tochter, was?“ stellte Chris grinsend fest und Derek stimmte ihm seufzend und nickend zu: „Das werde ich wohl nie überprüfen können.“ gab Malia mit einer Spur Traurigkeit zurück. Malia und Stiles gingen wieder zu den Anderen hinaus, um sie zu fragen, was sie von einem kleinen Roadtrip hielten und wie es zu erwarten gewesen war, waren sie damit mehr als einverstanden, denn auch der schönste und luxuriöseste Käfig blieb nun einmal ein Gefängnis und sie brauchten alle einfach eine kleine Luftveränderung. Derek war mit Chris zurückgeblieben, weil er diesen noch etwas fragen wollte: „Bist du wirklich sicher, dass wir Allison nichts von unserem Verdacht gegen ihre Tante sagen sollten?“ Argent schüttelte energisch den Kopf: „Damit würde ich noch warten, das wird nämlich ein schwerer Brocken für sie. Wie gesagt, Allison bewundert und liebt Kate. Sie hat noch nie erlebt, wie sie auch noch sein kann; wie gemein und berechnend. Für Allison ist ihre Tante das aufregende, coole Model mit dem schillernden Leben, das ihr Geschenke aus aller Welt mitbringt und ihr verrückte, faszinierende Geschichten erzählt. Wenn es irgendwann sein muss, dann werde ICH am besten mit ihr sprechen. Euch wird sie das alles höchstwahrscheinlich sowieso nicht glauben und vielleicht sogar gleich zu Kate rennen, um ihr alles zu berichten.“ Derek nickte und sie kehrten ebenfalls zu den Anderen zurück. Stiles war inzwischen eine Idee gekommen, die er für ganz großartig hielt, doch er hatte keine Ahnung, wie sein Liebster wohl darauf reagieren würde, also setzte er sich nun auf dessen Schoß und setzte seinen bezauberndsten, unschuldigsten Kleiner-Junge-Blick auf: „Was willst du, Stiles?“ fragte Derek, verbiss sich ein Schmunzeln, sondern blieb stattdessen todernst. „Du-hu...,“ begann Stiles und blinzelte süß: „... weißt du eigentlich, dass deine Gärtner und Haushälterinnen auch alle aus Baja California kommen.“ „Nein, das wusste ich nicht.“ gab Derek zurück, gespannt was nun wohl kommen mochte: „Ich habe kürzlich mit Pedro gesprochen. Er hat mir von daheim erzählt. Ich... ich denke, er hat Heimweh, oder so und würde gerne einmal seine Familie drüben besuchen?“ fuhr Stiles fort: „Aha?“ machte Derek bloß. Langsam ging ihm ein Licht auf: „Könnten wir nicht... du weißt schon... alle zusammen fahren? Hat dein Personal sich nicht auch einmal ein wenig Urlaub verdient, Baby?“ Stiles klimperte bezaubernd mit den Wimpern. Derek zeigte seine beste Grumpy-Cat-Imitation und schlussfolgerte: „Du erwartest also allen Ernstes, dass ich meine Hausangestellten auf ein verlängertes Wochenende einlade? Ehrlich Stiles?“ „Nein, natürlich nicht. Ich komme für das Benzin und alle Unkosten auf! Sie würden sich so freuen. Und nun, da mit den Papieren von Sofia, Gonzalo und den Kindern alles in Ordnung ist, wird es an der Grenze auch keine Probleme mehr geben. Biit-ttee! “ flehte Stiles. Derek gelang es nun nicht länger Ernst zu bleiben. Ein breites, strahlendes Lächeln nahm sein Gesicht vollständig in Besitz: „Ich liebe dich, weißt du das eigentlich, Süßer? Du bist so verdammt lieb!“ Stiles errötete ein wenig und legte Derek den Kopf auf Schulter: „Heißt das, du bist einverstanden?“ „Was sollte ich denn dagegen haben? Sicher bin ich einverstanden!“ versicherte Derek: „Als ob ich dir einen Herzenswunsch abschlagen könnte. Und bezahlen wirst du auch nichts. Was ist das denn für ein Unsinn!“ Stiles strahlte: „Danke, Baby! Es wird toll werden! Die flippen aus vor Freude! Ich werde es ihnen gleich sagen, ja?“ Er drückte Derek noch einen Kuss auf die Lippen und verschwand dann, um das mexikanische Hauspersonal zu einer Besprechung zusammenzutrommeln. Und wie erwartet waren die Familien überwältigt von dem Vorschlag. Pedro erklärte allerdings schnell, dass sie das nicht annehmen könnten, doch Stiles erwiderte, dass Senor Hale würde darauf bestehen und es würde ihn kränken würde, wenn sie ablehnten. Was konnte der Ältere dagegen noch vorbringen? Sofia äußerte Befürchtungen, man könne sie auf dem Rückweg an der Grenze nicht wieder in die Vereinigten Staaten hineinlassen, doch Stiles versicherte, dass die Anwälte sich gut um alles gekümmert hätten und das alles gut gehen würde. Pedros Frau Rosita weinte ein wenig bei dem Gedanken, die alte Heimat einmal wieder zu sehen. Wie sich herausstellte, war sie bereits seit fünf Jahren nicht mehr dort gewesen. Ihre Tochter Alba schloss sie tröstend in die Arme. Stiles freute sich wie ein Kind darüber, dass er diese netten Leute auf so einfache Weise glücklich machen konnte. Er drückte der kleinen Loba noch einen Kuss auf die Stirn und rief dann munter mit einem Klatschen in die Hände: „Also gut Leute! Vamos! Schnell die Koffer gepackt und dann kann´s losgehen, richtig?“ Der treue Greenberg würde in Dereks Schloss die Stellung halten, solange alle fort wären. Garret und Violet, die beiden Personenschützer würden in kleinen Sportcoupés aus Dereks Fuhrpark die Vor- und Nachhut bilden, um sie vor dreisten Reportern und sonstigen ungebetenen Verfolgern zu schützen und alle anderen Mitreisenden fanden Platz in drei von Dereks Geländewägen und dann ging es los in Richtung mexikanische Grenze. Tatsächlich hatten sie eine ganze Weile lang einen Rattenschwanz an Verfolgern hinter sich. Am Ende rief Derek die Highway-Patrol, damit die sich darum kümmerten, denn immerhin wurden diese Papazazi immer mehr zu einer Gefahr für Leib, Leben und den Straßenverkehr und wer erinnerte sich nicht an die Bilder von Lady Diana und Dodi Al-Fayed, die 1997 von Reportern zu Tode gehetzt wurden? So etwas würde sich hier und heute nicht wiederholen! Als sie am Grenzpass ankamen, waren sie dann endlich wieder unter sich. Stiles und Derek saßen in dem Wagen, der die Kolonne anführte und bei ihnen waren Pedro, seine Frau Rosita und die drei Kinder Loba, Francisco und Enzo, für welche sie unterwegs sogar extra noch Kindersitze besorgt hatten. Der Grenzer, der ihre Ausweise kontrollierte, hielt sich offenbar für besonders witzig. Er lehnte sich ins Fenster auf der Fahrerseite und kommentierte: „Das ist ja mal ganz was Neues! Gringos die die Bohnenfresser rüber nach Mexiko schaffen, anstatt umgekehrt? Dann seht mal zu, dass die Typen auch auf ihrer Seite der Grenze bleiben, Jungs!“ Stiles Augen verengten sich zu Schlitzen. Er löste sekundenschnell seinen Gurt, hechtete über Derek hinweg, auf den Grenzbeamten zu, bis sich seine und dessen Nasenspitzen beinahe berührten und knurrte kämpferisch: „Oh Mann, das ist ja wirklich ein großartig-menschenverachtender Humor. Selten so gelacht, du Arschloch!“ Derek schob seinen Geliebten sanft wieder zurück in seinen Sitz, sagte zunächst überhaupt nichts, holte lediglich seelenruhig einen Stift und einen kleinen Block aus seinem Handschuhfach, notierte sich den Namen auf der Uniform des Beamten, schob diesen dann energisch wieder aus seinem Fahrerfenster hinaus, versicherte frostig: „Sie hören von uns, Sir!“ und startete dann wieder den Wagen. „Was hast du denn mit dem Typen vor?“ fragte Stiles missmutig: „Meine Anwälte werden ihn sich vorknöpfen. Ich werde dafür sorgen, dass sie ihm so einen Schrecken einjagen, dass er die Kontrolle über seine Blase verlieren wird. Keine Sorge, Liebling. Er kommt damit nicht ungestraft davon!“ versicherte Derek sanft. Stiles wandte sich nach hinten und murmelte bedrückt: „Es tut mir so leid, dass das passiert ist!“ „Nicht ihre Schuld, Senor!“ beteuerte Pedro schnell, während er einen kummervollen Blick auf den Gegenverkehr warf. Die Schlangen diesseits des Grenzübergangs waren bedeutend länger und den meisten der Wartenden würde man den Weg zu ihren Familien, Partnern und Freunden auf der U.S.-Seite verweigern. Stiles folgte seinem Blick und ließ den Kopf hängen. Es wurde eine schweigsame Weiterfahrt. Derek hatte die Koordinaten in sein Navigationsgerät eingegeben, welche Pedro ihm gegeben hatte und nach eineinhalb Stunden, in denen sie nicht viel mehr gesehen , als staubige Wüste, gelegentlich unterbrochen von einer Rinderherde, oder einem Kaktus, kamen sie in eine kleine Ortschaft, bestehend aus einfachen, ärmlichen und teilweise sogar bereits halb verfallen wirkenden Häuschen. Hier lebte Consuela, Pedros Schwester mit ihrem Mann und ihren Kindern. Es fiel auf, dass ihr Haus größer und in besserem Zustand war, als die umstehenden und Derek ahnte, weshalb dies so war. Sie hatte Familie in den Vereinigten Staaten, die Geld schicken konnte. Sie hatte Glück. Bei ihrer Ankunft wurden sie bereits sehnsüchtig erwartet. Die ganze Familie und scheinbar auch die halbe Dorfbevölkerung war plötzlich zur Stelle, um die Gäste zu begrüßen. Loba war aus dem Auto gehopst und rannte auf eine Frau Anfang fünfzig zu: „ABUELA!“ rief sie aufgeregt, sprang und wurde von der Frau aufgefangen. Das musste dann ja wohl Consuela sein, dachte Derek bei sich. Er, Stiles und die anderen hielten sich im Hintergrund, um das Wiedersehen nicht zu stören. Sófia hatte Enzo auf dem Arm und den zweijährigen Francisco an der Hand. Sie hatte sich ihrer Mutter genähert und diese setzte Loba ab, hielt sich eine Hand vor den Mund und brach in Tränen aus. Sie zog Sofia an sich, bedeckte das Gesicht ihrer Tochter mit Küssen und nahm ihr schließlich Enzo, dass Enkelkind, dass sie noch nie gesehen hatte, weil es in den USA geboren worden war, aus dem Arm, wiegte es, sang ihm vor und küsste auch ihn überschwänglich. Und Derek, der das Ganze aus sicherer Entfernung beobachtete, machte sich ein paar sehr unbequeme Gedanken. Welches Recht hatte eigentlich irgendwer, Grenzen zu ziehen, die Familien von einander trennten und so viel Unglück verursachten? Warum lebten einige Menschen in bitterer Armut, während er selbst mehr Geld hatte, als irgendein Mensch im Leben jemals ausgeben konnte? Und wieso waren ihm diese Ungerechtigkeiten in seinem bisherigen Leben vollkommen gleichgültig gewesen? Wieso hatte er erst durch Stiles ganz langsam damit begonnen, ein Bewusstsein für all diese Schräglagen zu entwickeln? Plötzlich schämte er sich! Und ihm wurde klar, dass dieses neue Bewusstsein nicht ohne Folgen bleiben würde. Er war ein Unternehmer, sogar ein Global-Player und er könnte so viel mehr tun, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Und in diesem Augenblick gab er sich selbst das Versprechen, dies auch zu tun! Das Wiedersehen war für alle Anwesenden ein Anlass großer Freude. Es wurde geredet, gelacht und geweint. Es war eine Stimmung wie an einem hohen Feiertag. „Vielleicht sollten wir nun einfach fahren?“ raunte Derek Stiles irgendwann zu, denn er kam sich vor wie ein Eindringling, doch da löste sich Pedro aus der Gruppe und erklärte freudig: „Sie alle sind eingeladen zu Abendessen, Senor Hale! Es gibt Barbecue!“ „Das können wir doch nicht annehmen.“ murmelte Derek unbehaglich, den das Gefühl beschlich, auf diese Weise ohnehin schon armen Menschen auch noch den Kühlschrank leer zu fressen. Wenn sie überhaupt einen Kühlschrank besaßen? Das durfte man doch nicht tun, oder? „Oh, sie müssen, Senor! Bitte! Meine Schwester hat gekocht halben Tag. Sie wäre traurig. Ich habe ihr gesagt, was sie und Senor Stiles getan haben für Familie. Sofia, Gonzalo und Kinder haben Anwalt, haben Papiere, Arbeit, dürfen bleiben in Amerika. Sie will sagen Danke!“ erklärte Pedro aufgeregt: „Ganze Familie ist dankbar. Es ist große Ehre, dass sie sind heute hier!“ „Komm´ schon, Baby!“ grinste Stiles und stupste ihm in die Seite: „Barbecue! Das wird bestimmt lecker! Und du willst die Leute doch nicht beleidigen, oder?“ Das wollte Derek selbstverständlich nicht, also nickte er und sie und die Anderen folgten den Mexikanern in den Innenhof des Hauses. Hier waren lange Tische, ein großer Grill und ein Buffet mit Salaten und Getränken aufgebaut. Lampions und bunte Girlanden waren aufgehängt worden und es gab sogar eine große Piniata für die Kinder. Man bestand darauf, dass Derek an einem Kopf der Tafel saß, gegenüber von Consuelas Ehemann, was Derek aus irgendeinem Grund unwahrscheinlich unangenehm war, dabei war er es doch eigentlich seit frühester Jugend gewohnt, dass man ihn aufgrund seiner Herkunft und seines Vermögens hofierte. Eigenartig? Dann wurde ihm klar, was den Unterschied machte: Diese Leute meinten es ehrlich! Sie meinten wirklich ihn und waren von Herzen dankbar für das, was er getan hatte, auch wenn es für ihn selbst doch nur eine Kleinigkeit gewesen war. Und diese Erkenntnis sorgte dafür, dass er sich ein wenig entspannte. Ein warmes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus. Und dann kam auch noch Loba zu Derek, blinzelte ihn mit ihren hübschen, schwarzen Mandelaugen süß an und hielt ihm einige der Bonbons hin, die sie aus der Piniata erbeutet hatte als Geschenk hin. Derek schluckte, bedankte sich dafür, dass sie bereitwillig ihren größten Schatz mit ihm teilte und nahm das Mädchen auf den Schoß. Stiles an seiner Seite beobachtete die Szene mit einem kleinen Lächeln und drückte seinem Geliebten unter dem Tisch aufmunternd das Knie. Stiles blickte in die Runde, genoss die Abendsonne auf seinem Gesicht, die fröhliche Atmosphäre um sich herum, den Geschmack des guten Essens und er genoss, dass sie den Schlamassel zuhause für eine Weile weit hinter sich gelassen hatten. Und wie er sich so entspannte, kam ihm urplötzlich eine Idee! Kapitel 41: Mexican retreat, Teil 2 ----------------------------------- Als es zu dämmern begann, drängte Derek zum Aufbruch, denn sie hatten noch knapp eine Stunde des Weges auf unbefestigten, unbeleuchteten Straßen vor sich. Sie verabschiedeten sich von ihren Gastgebern und Pedro brachte sie noch zu den Autos. Dort angekommen streckte er Derek die Hand entgegen und seine Miene wirkte, als habe er noch etwas sehr Bedeutungsvolles zu sagen: „Zeitungen lügen!“ begann er schüchtern: „Sie sind anständiger Mann, Senor Hale. Auch Senor Stiles, guter Mensch!“ Er errötete ein wenig unter seiner braunen Haut. Vermutlich fürchtete er, er habe mit seinen Worten gerade die Grenzen des Schicklichen überschritten und vermutlich hatte er das sogar, denn immerhin war er ja bloß der Gärtner, nicht wahr? Doch Derek ergriff die angebotene Hand und lächelte: „Ich danke ihnen, Sir!“ sagte er schlicht. Es fiel Derek nicht leicht, sich das einzugestehen, doch diese ganzen Zeitungsberichte ließen ihn nicht unberührt. Es war ihm leider doch nicht gleichgültig, dass die halbe Welt ihn nun für einen Perversen hielt. Er hatte sich geirrt, als er behauptet hatte, er kenne diesen Medienrummel bereits und es sei so wie damals, als seine Familie gestorben war. Nein, dies hier war noch etwas anderes. Damals war er der bedauernswerte, trauernde, verwaiste Milliardär gewesen; der traurige Prinz, das arme Opfer! Heute war er im Bewusstsein der Öffentlichkeit der herumhurende, Orgien feiernde Lustmolch und das bedrückte ihn vor allem deshalb, weil er nun ein Mann war, der liebte und das vielleicht zu ersten Mal in seinem Leben und eben diese Liebe wurde gerade mit Dreck beworfen. Das war einfach ungerecht! Doch das würde die Welt möglicherweise niemals begreifen. Aber Pedros Worte taten ihmgut, denn wenn ein guter katholischer Familienvater, der aus einer Kleinstadt irgendwo im nirgendwo von Mexiko stammte erkennen konnte, dass er nicht der Mensch war, den die Medien gerade aus ihm machen wollten, dann war vielleicht doch nicht alles so vollkommen hoffnungslos? Sie verabschiedeten sich, stiegen in die Autos und Derek beugte sich auf die Beifahrerseite, um Stiles einen Kuss zu geben, wie als müsste er sich seiner noch einmal versichern. Dann startete er den Wagen. Das Anwesen der Argents war ein kleines Paradies; ein Garten Eden inmitten der Wüste. Hinter weiß gekalkten Lehmmauer befand sich eine Grünanlage voll von exotischen Blumen und Pflanzen. Das Haus, ebenfalls ein Lehmbau ,war im spanischen Stil erbaut; ein riesiger sandfarbener Flachdachbau mit großen Terrassen jeweils vor und hinter dem Haus, die zum sonnen und faulenzen einluden. Drinnen zählten sie ganze zehn Schlafzimmer, sowie einen großzügigen Wohnbereich mit allen Annehmlichkeiten, wie einer bequemen, opulenten Sofalandschaft und hochmoderner Multimediaanlage. Daran angeschlossen gab es eine gut ausgestattete, große offene Küche. Die Reisenden waren zu müde, um zu so später Stunde noch die Vorzüge dieses Hauses wirklich vollständig zu würdigen und so suchten sie sich lediglich ihre Schlafzimmer aus und zogen sich alsbald zurück. Stiles realisierte dabei beiläufig, dass Danny und Isaac einen gemeinsamen Schlafraum bezogen, obwohl ja eigentlich genug Platz gewesen wäre, damit jeder seinen eigenen hätte. Er lächelte in sich hinein. Anstatt das elektrische Licht einzuschalten, hatte Derek in ihrem Schlafzimmer einige Petroleumlampen und Kerzen angezündet, was den gemütlichen Raum in lauschiges Licht tauchte. Er öffnete die Terrassentüren in der Hoffnung, ein wenig Kühle in das warme Zimmer zu bringen, doch obwohl die Sonne längst untergegangen war, war wehte draußen immer noch lediglich eine laue Brise. Dafür drang nun aber der Gesang der Zikaden zu ihnen hinein. Die Stimmung war an Romantik kaum noch zu überbieten. Stiles lag träge auf dem Bett und dämmerte vor sich hin, als ihn plötzlich etwas hellwach werden ließ. Derek zog nun nämlich sein Shirt aus. Und als nächstes fiel das Unterhemd: „Sie sind schön, Sir!“ schnurrte Stiles zufrieden und richtete sich auf, um ihn besser sehen zu können. Derek sagte nichts dazu, fixierte seinen Freund lediglich mit dem Blick, ein kleines Lächeln auf den Lippen und begann dann langsam damit, seine Jeans aufzuknöpfen. Dann ließ er sie von den Hüften gleiten, stieg heraus und als letztes musste der Slip gehen. In Stiles Blick trat ein hungriges Flimmern: „Komm´ her!“ befahl er und streckte fordernd die Hand nach ihm aus. Derek hatte keine Eile, der aufforderung zu folgen. Er schlich um das Bett herum, wie ein Panther auf der Pirsch. Bei Stiles angekommen zog er diesem dann mit einem Satz das T-Shirt über den Kopf. Seiner Boxershorts entledigte Stiles sich ungeduldig strampelnd selbst, streckte dann eilig die Arme aus, schlang sie um Dereks Hüfte, zog den Älteren zu sich auf´s Bett und sofort verbanden sich ihre Lippen zu einem tiefen Kuss. Ihre Zungen rangen mit einander, ihr Atem beschleunigte sich, Ihre Leiber drängten aufeinander zu, ihre Hände gingen auch Wanderschaft, packten zu, krallten sich in das erhitze Fleisch und ihre Beine schlangen sich um einander, denn nun sollte nichts mehr zwischen ihnen sein. Sie wälzten sich keuchend in den Laken, saugten mit hungrigen Mündern an der Haut des Anderen, verteilten zarte, kleine Bisse und Küsse und rangen um die Oberhand, bis Derek scheinbar entschied, Stiles gewinnen zu lassen. Er lag auf dem Rücken, Stiles über sich und hielt inne: „Was ist denn Baby? Hast du nun doch keine Lust mehr? Ist es dir zu heiß heute“ erkundigte sich Stiles, mit einem Mal verunsichert. Derek schüttelte den Kopf und versicherte: „Doch! Doch, natürlich!“ aber irgendetwas schien ihn zu beschäftigen. Schließlich fragte er murmelnd: „Hast du eigentlich je darüber nachgedacht... na ja... einmal die Rollen zu tauschen?“ Stiles Körper reagierte sofort. Scheinbar all sein Blut zog sich in seiner Körpermitte zusammen und machte ihn steinhart. Diese Aussicht war einfach zu aufregend. Doch Halt! Da war etwas in Dereks Miene, was ihm zur Vorsicht riet: „Im Ernst?“ fragte er also skeptisch: „Das würdest du wollen? Hast du das denn überhaupt schon einmal getan?“ Derek schluckte hart, schüttelte den Kopf und sein Gesicht zeigte ein leichte verlegene Röte: „Und du?“ fragte er zurück. Stiles nickte. „Und hat dir das gefallen?“ fragte Derek weiter. Stiles zuckte mit den Achseln: „Es war okay, schätze ich? Ich meine... vor dir war das alles bloß... Business. Sex... WIRKLICHEN Sex hatte ich doch bislang nur mit dir. Und alles, was wir beide bisher gemacht haben, war der absolute Wahnsinn...!“ „...aber auf dies hier hast keine Lust, richtig?“ beendete Derek seinen Satz ein wenig verlegen. Stiles grinste, nahm Dereks Hand und führte sie zwischen seine Beine: „Spürst du das, Mann? Und wie ich habe ich Lust darauf habe! Ich will nur sicher gehen, dass es gut für dich wird, wenn wir es tun. Also warum willst du es so plötzlich? Bislang schien das niemals eine Option zu sein.“ Derek sah unbehaglich aus. Er druckste ein wenig herum und sagte schließlich: „Diese Sache die Kate mir angetan hat...“ er schüttelte heftig den Kopf: „Nein, das klingt völlig falsch!Lass´ es mich anders sagen: Ich vertraue dir, Stiles! Einmal abgesehen von meiner Familie, die ich verloren habe, habe ich in meinem Leben niemandem so sehr vertraut, wie dir! Ich hätte das mit keinem anderen Mann jemals gewollt, aber mit dir...“ Er warf Stiles einen hilflosen Blick zu, doch wie immer verstand dieser ihn sofort: „Du willst dich fallen lassen.“ stellte Stiles fest. Derek nickte dankbar. „Du KANNST dich fallen lassen! Ich hab´ dich! Du bist sicher bei mir, Baby!“ versicherte Stiles entschieden selbstbewusster, als er sich gerade fühlte, nahm Dereks Gesicht in seine Hände und küsste ihn zart auf die Lippen. „Was soll ich tun?“ fragte Derek und klang so wahnsinnig hilflos dabei. Stiles musste lächeln: „Gar nichts. Denkst du, das kriegst du hin?“ Derek zuckte unsicher mit den Schultern, doch er ließ sich widerstandslos von Stiles nach hinten in die Kissen drücken. Stiles griff nach dem Gleitgel und als er Dereks ängstlichen Blick sah, flüsterte er: „Shht, Baby! Ganz ruhig! Ich weiß, was ich tue. Ich hatte einen guten Lehrer, erinnerst du dich? Ich werde dir bestimmt nicht wehtun!“ Und so tauschten sie die Rollen. Damals, bei ihrem allerersten Mal hatte Derek von ihm vollkommene Hingabe verlangt und Stiles machte es nun ganz genau so. Wann immer Derek versuchte, irgendwie in das Geschehen einzugreifen, schüttelte Stiles leicht den Kopf und schob seine Hände beiseite. Mit sanften Fingern, bereitete er den Älteren vor, war mit seiner Aufmerksamkeit ganz bei ihm, spürte jede kleine Anspannung, jedes Stocken seines Atems und vertrieb sie mit einer sanften Berührung und einem zärtlichen Lächeln. Nach einer Weile spürte Stiles schließlich, dass Derek bereit für ihn war: „Darf ich nun?“ fragte er dennoch zur Sicherheit. Derek nickte. Stiles kniete sich zwischen seine Beine, wand sie sich selbst um die Taille, hob die Hüfte des Älteren ein wenig an und schob sich schließlich sehr langsam in ihn. Dann gab er Derek Zeit, sich an dieses neue Gefühl zu gewöhnen und ließ ihren Blickkontakt, der sie beide verband, wie eine Drachenschnur dabei keine Sekunde lang abreißen. Stiles selbst verschlug es beinahe den Atem, als er diese Enge und Hitze um sich herum spürte, sowie die Intimität und Verbundenheit, die diese erzeugten. Das alles war so überwältigend, dass er fürchtete, jeden Augenblick zu kommen, doch das dufte auf keinen Fall geschehen! Er würde Derek nicht enttäuschen und so schwenkte er mit seiner Aufmerksamkeit um, weg von sich selbst, hin zu seinem Geliebten: „Ich liebe dich!“ stieß er atemlos hervor, ohne groß darüber nachzudenken und seltsamerweise war es genau das, was Derek hören musste, um auch noch die letzte Spur von Unsicherheit zu vertreiben. Er ließ vollkommen los, wie Stiles es von ihm gefordert hatte und lieferte sich ihm aus. Behutsam begann Stiles nun damit, seine Hüfte zu bewegen, war noch eine ganze Weile voll und ganz auf seinen Liebhaber unter sich und dessen Bedürfnisse konzentriert, ehe Dereks lustvolle Laute schließlich doch zu verlockend wurden und er sich davon verführen und mitreißen ließ. Derek kam kurz vor ihm und die Kontraktionen seines Beckenbodens waren der letzte kleine Reiz, den er noch brauchte, um ihm schließlich selbst in diesen süßen Abgrund zu folgen. Schwitzend und atemlos ließ er sich auf den Älteren fallen, ohne ihre Verbindung sogleich zu unterbrechen und Derek schlang seine Arme so fest um seinen Liebhaber, als habe er Angst, dieser könnte ihm davonlaufen: „Du warst SOO verdammt gut!“ seufzte er in das Ohr des Jüngeren und Stiles Herz setzte einen Schlag lang aus: „Ich liebe dich!“ wiederholte er lediglich, zu überwältigt für weitere Worte. Sie lagen eine Weile friedlich beieinander und genossen es, wie ihre Lust langsam abebbte und sich Frieden in ihrem Inneren breitmachte. Irgendwann meinte Derek grinsend: „Hörst du das auch, Baby?“ Stiles begann angestrengt zu lauschen und da wurde ihm klar, dass sie nicht die Einzigen gewesen waren, die der Zauber einer lauen Sommernacht ergriffen hatte. Aus den anderen Schlafzimmern drangen nämlich ebenfalls lustvolle Laute zu ihnen hinüber. Und zwar aus ALLEN belegten Schlafzimmern: „Das gibt ja morgen ein herrlich-peinliches Frühstück!“ kicherte Stiles: „Ach was!“ beruhigte Derek ihn grinsend: „Wir sind doch alle erwachsen, oder nicht? Und irgendwie ist es doch ganz schön, wenn so viel Liebe in der Luft liegt.“ Stiles nickte. Der Mond schien in ihr Fenster. Es war immer noch warm und bis auf die Liebeslaute ihrer Freunde war es vollkommen still, denn dass Surren der Insekten war mittlerweile auch verklungen. Es war jene Art von Stille, die in einer Großstadt wie Los Angeles niemals vorkam, weil es zu viele Menschen, zu viele Autos, zu viele Maschinen gab, die die Nacht zum Tag machten, denn die Räder standen einfach niemals still. Die Kerzen im Zimmer waren mittlerweile heruntergebrannt, aber zwei kleine Ollämpchen spendeten immer noch schwaches Licht. Derek war inzwischen eingeschlafen, doch Stiles war mit einem Mal hellwach. Er ließ den Blick bewundernd und beinahe ehrfürchtig über den nackten Leib des Mannes schweifen, den er liebte. Dies hier war SEIN FREUND! Und er hatte ihm soeben sogar gestattet, ihn zu lieben. Weil er ihm vertraute! Stiles konnte es beinahe immer noch nicht glauben. Vor ein paar Monaten noch war er vollkommen am Boden gewesen. Ohne einen Freund wie Scott wäre Stiles mit Sicherheit längst nicht mehr am Leben und er hatte auch keine großen Hoffnungen mehr für die Zukunft gehabt, sondern hatte einfach in den Tag hinein gelebt, versucht das Beste aus seinem Leben zu machen, wie es eben war, immer in der Erwartung eines frühen, möglicherweise gewaltsamen Todes durch die Hand eines Freiers, durch eine fürchterliche Krankheit, oder was immer einem Jungen wie ihm auf der Straße eben so zustieß. Und dann war er Derek begegnet! Dieser sprach zwar immer wieder davon, wie Stiles ihm das Leben gerettet haben soll, doch in Wahrheit hatten sie sich wohl eher gegenseitig gerettet. Erst hatte Derek im finanzielle Sicherheit gegeben, dann ein Zuhause, dann seine Freundschaft und am Ende gar seine Liebe. Ihr Zusammentreffen war ein eigenartiger Zufall gewesen und dass sie einander dann auch noch in ihrem Wesen erkannt hatten, dass ihnen klargeworden war, dass ausgerechnet sie beide zusammen gehörten, das war das eigentliche Wunder gewesen. Stiles hatte nie an so etwas wie Schicksal geglaubt, doch dann hatte das Leben ihn eines Besseren belehrt. Und alles könnte absolut perfekt sein, gäbe es da nicht jemanden, der das alles zu vereiteln versuchte. Und das brachte Stiles zurück zu der Idee, die er früher an diesem Abend gehabt hatte. Wenn es gelingen sollte, würde alles von Derek abhängen und es würde einen harte Prüfung für sie beide werden. Und wenn etwas schief ging, dann würde es möglicherweise sogar gefährlich werden, insbesondere für Stiles selbst, wie er vermute. Andererseits war es auch jetzt schon gefährlich und Stiles hasste es, nicht Herr der Lage zu sein und immer darauf zu warten, dass Kate, und er hatte nicht einmal mehr den geringsten Zweifel daran, dass sie es war, die hinter allem steckte, ihren nächsten Zug machte. Kate mochte schlau sein, doch das war Stiles ebenfalls und er besann sich gerade darauf, dass er ein Stratege war. Er hatte sich mittlerweile, in ein Laken gehüllt, auf einen Stuhl am Fenster gesetzt, starrte in die Dunkelheit hinaus und durchdachte die Eventualitäten. Irgendwann vernahm er, dass Derek hinter ihm erwachte, aus dem Bett stieg und an seine Rückseite ihn trat: „Hey Baby! Kannst du nicht schlafen?“ fragte er schlaftrunken und küsste Stiles in den Nacken. Stiles blickte auf und er wirkte, als sei er gerade aus tiefsten Tiefen aufgetaucht: „Ich denke nach.“ verkündete er: „Ich entwickle gerade eine Plan. Es ist im Grunde so naheliegend, aber bei all der Anspannung zuhause in L.A. konnte ich einfach keinen klaren Gedanken fassen.“ „Was für einen Plan?“ fragte Derek interessiert und zog sich einen Stuhl heran. Und so begann Stiles also zu berichten. Er schloss mit den Worten: „Wie du siehst, wird fast alles von dir abhängen und es wird hart werden. Ich könnte es echt verstehen, wenn du sagtest ich wäre verrückt und du machst es nicht.“ Derek schluckte hart: „Ja, ich hasse deinen Plan!“ bestätigte er elend: „Aber ich mach´s! Ich habe es satt, mich wie ein Opfer zu fühlen! Schlagen wir diese Bitch mit ihren eigenen Waffen!“ Mit einem Mal war Stiles sich seiner Sache gar nicht mehr so sicher. Kapitel 42: Ränkeschmiede ------------------------- Derek war als Erster an diesem Morgen wach. Der Plan, den Stiles ihm gestern unterbreitet hatte, hatte ihm einfach keine Ruhe gelassen, so dass er nach einigem Herumwälzen entschieden hatte, er konnte ebenso gut auch aufstehen. Und weil es ausnahmsweise einmal kein Personal gab, welches dies für ihn erledigen konnte, machte der große Geschäftsmann sich heute selbst daran, sich um das Frühstück zu kümmern. Er fand hierfür gemahlenen Kaffee, Milchpulver, eine Flasche Öl und zwei Kartons einer Pancake-Mischung, für die nichts weiter nötig war, als die Zugabe von Wasser. Sogar Blaubeeren waren mit dabei, wenn auch in gefriergetrockneter Form. Mit diesen Zutaten sollte es doch wohl sogar jemandem wie ihm gelingen, ein annehmbares Frühstück für alle zu zaubern, richtig? Und später müssten sie dann aber auf jeden Fall ein paar frische Zutaten für die kommenden Tage einkaufen gehen. Er hatte gerade herausgefunden, an welcher Stelle er das Wasser in die Kaffeemaschine einfüllen musste, als er Schritte hinter sich vernahm: „Morgen Cousin!“ rief Malia fröhlich. Derek wendete sich zu ihr um. Ein freches Grinsen umspielte ihre Lippen, wodurch sie ihrem Vater mit einem Mal in frappierender Weise ähnelte, obschon sie äußerlich ansonsten ganz offensichtlich kaum nach ihm kam: „Seltsam! Ich hätte gewettet, du wärst Top, aber so ist das wohl mit euch mächtigen Jungs, was? Im Bett spielt ihr lieber die Pillow-Queen, lehnt euch zurück und lasst es euch besorgen! Ich nehme an, ihr braucht das für den Ausgleich, richtig?“ „Huh?“ machte Derek überrumpelt. Schlagartig brannten seine Wangen und Ohrläppchen heiß und er hätte um ein Haar das Kaffeepulver fallen lassen. Sein erster Impuls war es zu versichern, dass dies selbstverständlich nicht die Regel zwischen Stiles und ihm war, sondern bloß ein kleines, heilsames Experiment, doch welchen Grund hatte er denn bitteschön, sich hier zu rechtfertigen? Und so folgte er Gott sei dank dem zweiten Impuls und fragte mit einem herausfordernden kleinen Grinsen: „War es so langweilig bei Lydia und dir im Schlafzimmer, dass du ein Ohr an die Wand drücken und lauschen musstest?“ Malia sah zunächst überrascht aus, grinste dann jedoch lediglich noch ein wenig breiter und versicherte: „Mach´ dir um uns bloß keine Sorgen! Wir können uns schon beschäftigen. Ihr Zwei wart lediglich nicht zu überhören, als hätte sich da einiges entladen, oder so? Das ist alles.“ Irgendwie traf Malias Beschreibung sogar ganz gut, was sich gestern zwischen Stiles und ihm abgespielt hatte, stellte Derek innerlich fest. Er hatte vielleicht nicht vor, daraus eine Dauereinrichtung zu machen, aber ihr kleines Experiment hatte Derek genau die Erfahrung von Sicherheit und Vertrauen eingebracht, auf die er gehofft hatte und es hatte überdies böse Geister vertreiben können. Dies alles würde er natürlich nicht Malia erzählen, weil es sie nämlich überhaupt nichts anging, aber es war gut, es sich selbst klar zu machen. Vor seiner Cousine tat er es lediglich mit einem Schulterzucken und einem schiefen Grinsen ab und sie begannen gemeinsam damit, den Tisch zu decken. Nach und nach kamen auch die Anderen verschlafen, aber zufrieden an den Frühstückstisch getapst. Wie Derek prognostiziert hatte, war es niemandem peinlich, dass sie einander in der vergangenen Nacht allesamt beim Sex gehört hatten, denn die Paare waren für solche Kindereien viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Liebe war beinahe wie ein erfreuliches ansteckendes Virus über sie alle gekommen und DAS war es, was zählte. Besonders reizend anzusehen war das neue Paar in ihrer Mitte. Danny und Isaac schienen auf den ersten Blick gar nicht recht zu einander zu passen, fand Stiles, welcher sie aus dem Augenwinkel heimlich beobachtete. Und dennoch schien es so logisch, dass der gutmütige Danny, der Inbegriff eines netten Typen sich eines Kerl wie Isaac annahm, welcher hinter der toughen Fassade so offensichtlich verletzt, traurig und misstrauisch war. Danny hatte Isaac gerettet, als all die anderen Jungs ihn hatten tot sehen wollen. Sie hatten seither viel Zeit miteinander verbracht, waren einander näher gekommen und mit der Distanz, die sie mittlerweile zur Straße hatten, erholten sie sich auch nach und nach von den Verwundungen, welche die Straßenprostitution in die Psyche eines jungen Menschen schlagen konnte. Ihr Vorteil war, dass sie beide wussten, was dieses Leben bedeutete, so dass sie sich einander nicht erklären mussten, dachte Stiles. Er wünschte ihnen von Herzen alles Gute. Nach dem Frühstück inspizierten alle Urlauber außer Derek, welcher ja schon früher hier gewesen war, zunächst einmal ausgiebig ihr Feriendomizil, wozu sie am gestrigen Abend zu müde gewesen waren. Allison übernahm dabei die Rolle der Führerin. Die Anderen staunten über den Luxus und die Größe des Anwesens. Es gab einen ausgedehnten Garten, mit vielen exotischen Blumen und Pflanzen, der ganz offensichtlich in der Abwesenheit des Argent-Clans von einem ganzen Gärtnerteam in Stand gehalten wurde. Dieser hatte verschiedene Nischen und Winkel, die ausgestattet waren mit Liegen und Sitzgelegenheiten, welche zum Ausruhen und Sonnenbaden einluden und es gab einen Pool. Dieser war vielleicht nicht so groß, wie der auf Dereks Anwesen, war dafür aber sehr schön und fantasievoll in Form einer riesigen Muschel gestaltet. Im Haus gab es neben den Schlafzimmern, dem Esszimmer, der großen, offenen Küche und dem riesigen, gemütlichen Wohnbereich, die sie bereits kannten, auch noch einen gut ausgestatteten Kraftraum. Alle Bereiche, die mit den Waffengeschäften der Argents zu tun hatten, waren mit Gitterstäben, hochmodernen Schlössern, elektronischer Alarmanlage und dicken Stahltüren mehrfach gesichert. Stiles entschied, lieber nicht darüber nachzudenken, dass dieses kleine Paradies neben netten Familienurlauben von den Argents höchstwahrscheinlich auch noch dazu genutzt wurde, um Kriegsherren, Großwildjägern und ähnlich sympathischen Vertretern der menschlichen Spezies eine angenehme „Shoppingatmosphäre“ zu bieten, denn er wollte die Tage hier schließlich genießen, insbesondere im Hinblick auf das, was vor ihm lag. In den nächsten Tagen blieben die Paare eher unter sich und kamen eigentlich nur zu den Mahlzeiten zusammen. Mit dem Kochen wechselten Danny und Stiles sich ab, denn offenbar waren sie die einzigen beiden, die sich darauf halbwegs verstanden. Beinahe die gesamte übrige Zeit verbrachten Derek und Stiles gemeinsam in ihrem Schlafzimmer. Wenn sie sich nicht gerade liebten, und das taten sie andauernd, dann lagen sie nackt beieinander, die Arme um den Leib des anderen geschlungen und sie redeten. Sie erzählten sich aus ihren Leben in der Zeit, bevor sie einander begegnet waren, sie versicherten sich ihrer Liebe zu einander UND sie feilten an ihrem Plan. Und am dritten Tag, zwei Stunden vor ihrer geplanten Abreise begannen sie dann auch schließlich mit der Phase Eins ihres Vorhabens. Jeder im Haus war alarmiert durch die lauten Stimmen, die plötzlich aus dem Schlafzimmer von Stiles und Derek drangen. Sie brüllten einander an, Beleidigungen flogen hin und her und irgendwann sogar auch Gegenstände. Mehr als einmal waren ihre Freunde kurz davor, die Tür aufzureißen, um dazwischen zu gehen. Sie warteten nur auf ein weiteres Eskalieren des Streits und lauschten, ob es zu Handgreiflichkeiten käme. Das tat es jedoch nicht und mit einem Mal war es ganz still. Die Schlafzimmertür öffnete sich und Derek trat heraus. Mittlerweile hatten sich die Anderen allesamt in der Nähe des Zimmers des Paares versammelt. Derek ignorierte sie ganz einfach. Er drehte sich noch einmal zu Stiles herum, welcher auf dem Bett saß und ziemlich geschafft wirkte und er sagte mit Eis in der Stimme: „Wir sind fertig miteinander, Stiles! Ein für alle Mal!“ Dann stapfte er, immer noch ohne sie eines Blickes zu würdigen, an ihren Freunden vorbei auf die Haustür zu, welche er lautstark hinter sich zu fallen ließ. Er stieg in eines der Autos vor dem Haus, zog die Tür hinter sich zu und verriegelte den Wagen. Die Anderen starrten ihm fassungslos hinterher. Scott betrat schließlich das Stiles und Dereks Schlafzimmer und hockte sich zu seinem besten Freund auf´s Bett, wo sich Stiles sogleich in seinem Schoß zusammenrollte. Er musste seine Traurigkeit gar nicht spielen, denn sie war echt. Diese kleine Posse aufzuführen und all´ diese gemeinen Sachen zu sagen und zu hören war hart gewesen. „Dreckige, verlogene, kleine Nutte!“ hallte es in Stiles Kopf nach. Er hatte in Dereks Gesicht sehen können, wie es ihn selbst schmerzte, diese Worte zu sagen und Stiles hatten sie wiederum getroffen, wie Peitschenhiebe. Es mochte alles Theater gewesen sein, aber war da nicht auch ein Funken Wahrheit darin? Heiße Tränen liefen Stiles über das Gesicht. Malia war indessen ihrem Cousin gefolgt und klopfte nun an die Scheibe des Autos. Derek, der bis eben noch finster vor sich hingestarrt hatte blickte zur Seite und schüttelte den Kopf, um ihr zu bedeuten, dass sie wieder verschwinden sollte. Natürlich ließ sich eine Malia Tate Schrägstrich Hale nicht einfach so vertreiben. Sie klopfte noch nachdrücklicher an die Scheibe und versuchte, die Fahrertür zu öffnen, woraufhin Derek schnaubend das Fenster herunterkurbelte: „WAS?“ bellte er. „Ganz ruhig, Cuz!“ erwiderte Malia gelassen: „Verrätst du mir, was das gerade war?“ „Brauchst du etwa Untertitel? Stiles und ich haben Schluss gemacht! Das ist alles.“ knurrte Derek unwirsch: „Ja, das habe ich gesehen, Blödmann. Aber wieso?“ wollte Malia wissen und ihr Ton wurde schärfer. „Das ist eine Sache zwischen ihm und mir!“ gab Derek kurz angebunden zurück. Malia wartete, ob da noch etwas käme, doch als das nicht passierte, fragte sie schließlich: „Und was passiert nun?“ „Nichts! Wir fahren einfach wieder nachhause nach L.A. und dann gehen Stiles und ich jeder seiner Wege. Fertig! Aus!“ Derek holte kurz Luft und fuhr dann ruhiger fort: „Tust du mir einen Gefallen und sagst den Anderen Bescheid, dass sie zusammenpacken sollen. Ich will einfach nur noch nachhause. Ich warte solange hier. Und mach´ Stiles klar, dass er gefälligst in einen der anderen Wagen steigen soll. Ich will ihn nicht bei mir sehen!“ Malia zögerte kurz, immer noch verwirrt von der Situation, doch dann nickte sie: „Wir sind gleich da.“ versicherte sie. Allison und Scott stiegen mit Stiles in einen Wagen. Allison übernahm das Steuer. Danny und Isaac setzten sich zu Derek und Malia mit Lydia nahmen das dritte Auto. Die Stimmung war bei allen Reisenden ziemlich gedrückt, nachdem ihre Tage im Paradies einen so herben Dämpfer erhalten hatten. Es wurde erst ein wenig fröhlicher, nachdem man Dereks Personal wieder bei ihrer Familie abgeholt hatte, denn diese hatten ihren Kurzurlaub bei den Verwandten offensichtlich sehr genossen und waren in derart gelöster Stimmung, dass es ihnen sogar gelang, die Anderen ein wenig damit zu infizieren; alle außer Derek und Stiles jedenfalls. Diese beiden saßen, jeder für sich in ihrem jeweiligen Wagen und starrten finster auf die Straße hinaus. Zuhause in Los Angeles hatte sich die Reporter-Meute vor Dereks Haus glücklicherweise beinahe vollständig aufgelöst. Da stand nur noch ein einziger Übertragungswagen, aber seine Insassen machten offensichtlich gerade ein Nickerchen, holten sich einen Kaffee, oder urinierten illegal in einen der gepflegten Vorgärten der Nachbarschaft, auf jeden Fall machte niemand Anstalten, Bilder oder Filmaufnahmen von ihnen zu machen. „Wenigstens etwas!“, dachte Derek erleichtert bei sich und stählte sich innerlich für das, was er als nächstes tun musste. Die ganze Heimfahrt über hatte er sich überlegt, was er sagen würde und als sie nun alle gemeinsam im Foyer seinen Hauses standen, begann er seine kleine Ansprache: „Also hört zu Leute! Ihr habt ja alle gehört, was los ist. Das zwischen Stiles und mir ist aus. Und vorbei“ Als er das sagte, sah Derek aus, als würde er in eine Zitrone beißen. Stiles hingegen schien dabei auf die Hälfte seiner Größe zu schrumpfen. Derek fuhr fort: „Das alles hat aber nichts mit euch Anderen zu tun. Du, Malia bist meine Cousine und Lydia und du seid mir weiterhin jederzeit herzlich willkommen, doch da ihr auch mit Stiles befreundet seid, wird es wohl am Besten sein, wenn wir das Thema unserer Beziehung vorerst vollständig ausklammern. Allison, du bist wie Familie für mich. Zwischen uns wird sich natürlich auch nichts ändern. Danny und Isaac, euch sehe ich am Montag bei der Arbeit, richtig? Ihr habt einen guten Job gemacht. Ich glaube immer noch an das Straßenkinderprojekt und jemand muss es ja schließlich fortführen. Scott, ...“ Derek zögerte kurz: „... ich denke, du bleibst besser erst einmal ein oder zwei Wochen zuhause und dann sehen wir weiter.“ Derek mahlte mit den Kiefern und sein und Stiles Blick trafen sich einen kurzen Moment lang: „Stiles, du wirst jetzt deine Sachen packen, die du noch hier bei mir hast und dann wirst du verschwinden. Du kannst noch ein paar Tage drüben in eurem Apartment bleiben, aber dann erwarte ich, dass du dir etwas Neues suchst, kapiert?“ Einen Moment lang waren alle mucksmäuschenstill, wagten noch nicht einmal sich zu rühren, doch dann fragte Malia fassungslos: „Wie? Und das war es jetzt? Was soll dieser Blödsinn? Erst kriegt ihr nicht genug von einander und dann ist einfach so Schluss? Das ist doch Bullshit! Redet gefälligst noch einmal mit einander! Ihr kriegt das schon wieder hin. Lydia und ich zanken uns andauernd, aber deswegen trennt man sich doch nicht, ihr Hornochsen! Klärt das gefälligst!“ Stiles hob eine Hand, um die Freundin zum Schweigen zu bringen und erwiderte schwach: „Lass´ es gut sein, ja Liebes? Es ist in Ordnung und es ist nicht Dereks Schuld. Ich habe keine Lust, darüber zu reden, aber ich habe echt Mist gebaut. Derek hat jedes Recht, sich so zu verhalten, wie er es tut. Ich hole jetzt mein Zeug und das war´s.“ Er ließ die Freunde hinter sich und konnte ihr Stirnrunzeln aber praktisch in seinem Rücken fühlen. Er stopfte sein Zeug in Tüten und Taschen und brachte es ins Foyer. Als nächstes holte er den Käfig mit Harvey und ihren Babys: „Darf ich sie mitnehmen?“ fragte Stiles schüchtern. Derek zuckte unwirsch mit den Schultern und sagte unfreundlich: „Sicher kannst du. Was soll ich denn mit ihnen?“ Dann informierte er Stiles: „Ich habe dir ein Taxi gerufen. Es wartet draußen.“ Stiles schluckte, nickte als Antwort und schickte sich an, nach seinen Taschen zu greifen, als Malia knurrte: „Oh meine Güte ist das alles dämlich! Warte Stiles!“ Sie trat zu ihm und zog ihn in eine handfeste Umarmung: „Pass´ gut auf dich auf, Stilinski!“ ordnete sie an und dann ließ sie ein kleines Geschenk in seine Hand gleiten. Als Stiles einen verstohlenen Blick auf das Päckchen warf, stellte er fest, dass es genug Gras war, um ein mittleres Rhinozeros in die Knie zu zwingen. Er bedankte sich mit einem kleinen Nicken und ließ den Pot dann in seiner Hosentasche verschwinden. Auch die Anderen umarmten Stiles; alle außer Derek, der dastand, als sei er eine Eisskulptur. Stiles warf noch einen letzten Blick auf ihn und ging dann ganz einfach, ohne ein weiteres Wort. Scott verabschiedete sich noch rasch mit einem Kuss von Allison, half Stiles dann mit den Taschen und fuhr mit ihm in ihr Apartment. Dort angekommen warf Stiles erst einmal alles Gepäck achtlos in eine Ecke, versorgte rasch die Kaninchen und ließ sich dann einfach mit dem Gesicht noch unten auf sein Bett fallen. Scott hockte sich neben ihn und blickte eine Weile ratlos auf den Freund hinab. Schließlich traute er sich zu fragen: „Sag´ mal, was geht hier eigentlich vor? Was ist passiert?“ Mühsam richtete Stiles sich wieder auf: „Ich schätze ich muss dir da mal etwas erklären.“ begann er: „Diese Trennung von Derek... das ist alles bloß Theater. Wir beide haben nämlich einen Plan weißt du? Wir wollen versuchen, Kate das Handwerk zu legen.“ Scott blickte ihn mit einer Mischung aus Unverständnis und Verletztheit an: „Ihr habt uns bloß angelogen? Du hast MICH angelogen?“ „Tut mir leid.“ murmelte Stiles unglücklich: „Das habe ich nicht gern getan, aber ich weiß, dass du nicht gut darin bist, anderen etwas vorzumachen. Ich brauchte deine authentische Reaktion, um Allison zu überzeugen. Sie hängt immerhin total an ihrer Tante und könnte möglicherweise eine Schlüsselrolle in unserem Vorhaben spielen. Verzeihst du mir Bro?“ Scott kniff ärgerlich die Augen zusammen: „Das weiß ich noch nicht!“ erwiderte er scharf: „Was zur Hölle habt ihr Zwei vor?“ Und so berichtete Stiles von seinem Ansinnen, sich endlich zu wehren und Kate am Ende hoffentlich zu schlagen. Scott hörte sich alles bis zum Ende an und kommentierte dann trocken: „Dein Plan ist echt Scheiße, Kumpel!“ Kapitel 43: Insomnia -------------------- Nachdem sich Scott noch einmal hinlänglich darüber beklagt hatte, dass er nicht von Anfang an in Stiles Plan eingeweiht worden war, stellte er endlich die Frage, auf die sein Freund gehofft hatte: „Also gut, Bro, wie kann ich helfen?“ Stiles zuckte mit den Schultern: „Im Augenblick können wir noch nicht viel tun, schätze ich. Morgen suche ich dir und mir erst einmal ein neues Apartment. Das gehört auch zu unserem Plan, damit Kate mich nicht mehr so leicht ausfindig machen kann. Mit anderen Worten: Allison darf die Adresse nicht erfahren. Kriegst du das hin? Ansonsten könntest du ja auch einfach hier bleiben und ich ziehe allein um?“ schlug er vor. Scott verschränkte entrüstet die Arme: „Ich soll dich allein lassen. Hast du den Verstand verloren. Und wer soll dann auf dich aufpassen. Kommt überhaupt nicht in Frage.“ „Mach´ dir um mich keine Sorgen, ich habe meine Bodyguards. Garret und Violet werden immer irgendwo in meiner Nähe sein und mich beschützen. Darauf hat Derek bestanden, also sei ganz beruhigt.“ versicherte Stiles ein wenig kleinlaut. „Also willst du mich loswerden, weil du denkst, ich könnte meine Klappe nicht halten?“ erkundigte sich Scott stirnrunzelnd: „WAAS? Nein, natürlich nicht!“ beeilte sich Stiles zu versichern und umklammerte den Freund so fest er konnte mit beiden Armen: „Ich will dich immer bei mir haben. Und besonders jetzt brauche ich dich, Scotty, aber ich will doch Allison und dir auch nicht Weg stehen.“ Scott boxte ihn leicht: „Wie kann jemand, der so schlau ist wie du nur so einen Bullshit reden? Du und ich für immer! Das ist der Plan!“ erklärte er fest. Stiles kamen ein wenig die Tränen und er wischte sich Augen und Nase an Scotts T-Shirt ab: „Du Sau!“ lachte Scott, drückte den Freund zurück in die Matratze und legte sich auf ihn, wie eine Henne auf ihre Brut. Dann kam ihm eine wirklich gute Idee: „Wir machen es so: Ich werde diese Wohnung behalten, für die Tage an denen ich mich mit Allison treffe. Ansonsten bin ich aber hier bei dir. Sollte Allison also wirklich mit dieser Kate über dich sprechen, wird diese den Eindruck gewinnen, du wärst mittlerweile vollständig abgeschnitten von Derek und deinen Freunden und ganz allein. Dadurch wirst du vielleicht sogar noch weniger bedrohlich und irgendwann höchstwahrscheinlich völlig uninteressant für sie und bist in Sicherheit.“ Stiles hoffte, dass Scott damit Recht hatte, denn er wollte sich endlich wieder einmal völlig frei und sicher fühlen, doch irgendetwas sagte ihm, dass Kate nicht der Typ war, der gut mit losen Fäden leben konnte. Sicher würde sie am Ende lieber reinen Tisch machen wollen, was in diesem Fall bedeutete, dass sie erst zufrieden wäre, wenn Stiles ein sehr langes Nickerchen sechs Fuß unter der Erde hielt. Doch weil er daran lieber nicht denken wollte, befreite er sich so weit aus Scotts Umklammerung, dass er Blättchen und Tabakbeutel aus seinem Nachttisch holen, Malias Geschenk aus seiner Hosentasche fischen und einen großen Joint für sich und Scott drehen konnte. Vorerst ließ innerer Frieden sich wohl bloß mit ein wenig chemischer Hilfe herstellen. Hoffentlich kamen bald wieder bessere Tage. Chris Argent vertilgte sein Entrecote mit großem Appetit, während Derek eher lustlos an dem Stück Fleisch, welches vor ihm lag herumsäbelte. Als sein Freund schließlich aufgegessen hatte, legte auch er seine Serviette über den, noch immer beinahe unberührten Teller, als Signal, dass er fertig war. „Also? Warum hast du mich denn nun hergebeten?“ wollte Chris wissen, nachdem sein Magen angenehm gefüllt war: „Du wolltest doch sicherlich nicht einfach bloß den Schlüssel zurückgeben und ein wenig plaudern, richtig?“ Derek schüttelte den Kopf und blickte sich noch einmal im Restaurant um. Sie hatten zwar einen abgelegenen Tisch gewählt, wo niemand sie hören konnte, dennoch machte diese ganze Sache ihn scheinbar irgendwie ein wenig paranoid, ganz so, als könnten irgendein Klatschreporter, oder gar Kate selbst jeden Augenblick hinter einem dem großen Blumenkübel hervorspringen, die hier im Restaurant aufgestellt waren. Derek rief seine überspannte Fantasie zur Ordnung und begann, von dem Plan zu berichten, den er und Stiles entwickelt hatten: „Wir haben beschlossen, Stiles ein wenig aus dem Schussfeld zu holen, indem wir so tun, als hätten er und ich uns getrennt. Nur Scott und jetzt eben auch du wissen, dass dies eine Lüge ist. Ich werde unterdessen Kontakt zu Kate aufnehmen, versuchen herauszufinden, was sie vorhat und Beweise dafür zu finden, dass sie hinter den Angriffen auf Stiles steckt.“ Chris zog überrascht die Augenbrauen hoch, sagte jedoch vorerst nichts dazu. Weil Derek nicht wusste, was er von diesem Blick halten sollte, beeilte er sich zu sagen: „Ich schwöre Chris, sollten wir Kate zu Unrecht beschuldigen, dann werde ich liebend gern vor ihr im Staub kriechen, aber ich muss endlich Gewissheit haben. UND ich muss endlich mal wieder das Gefühl haben, selbst etwas zu unternehmen, anstatt immer nur passiv auf die nächste Katastrophe zu warten.“ „Ich verstehe dich.“ versicherte Chris: „Und wenn ich ehrlich bin, dann würde ich für meinen eigenen Seelenfrieden selbst gern wissen, wie weit meine Schwester zu gehen bereit, beziehungsweise ob sie zu einem Mord fähig ist. Nachdem, was ihr mir vor ein paar Tagen eröffnet habt, bin ich ganz schön ins Grübeln gekommen und ich habe mir die Dinge, derer sie bereits in der Vergangenheit bezichtigt worden ist, noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Wir haben Kate damals stets beschützt, weil sie eben ein Teil der Familie ist, aber vielleicht war das ein Fehler? Vielleicht hätte sie längst psychologische Hilfe nötig gehabt?“ Derek zuckte unbehaglich mit den Schultern, weil er nicht wusste, was er dazu sagen sollte. Gerade war der Blick von Chris noch nachdenklich ins Leere gegangen, doch nun richtete er seine stahlblauen Augen direkt auf seinen Gesprächspartner: „Sei bitte vorsichtig, Derek!“ forderte er eindringlich: „Kate ist sehr schlau. Sie ist nicht leicht zu täuschen und wenn sie mitbekommt, dass du versuchst, sie hereinzulegen, dann wirst du am Ende vielleicht sogar selbst zum Ziel ihrer Feindseligkeit?“ Derek nickte: „Ich weiß, mein Freund. Ich werde sehr vorsichtig sein.“ versicherte er: „Aber ich muss das tun; für Stiles, für mich selbst und für unsere Zukunft. Und ich habe die Hoffnung, dass Kate meinem Theater glauben wird, einfach weil sie mir glauben WILL.“ „Ich verstehe!“ versicherte Chris Argent: „Und nun sag schon! Wie kann ich helfen?“ „Das weiß ich leider selbst noch nicht so ganz genau. Sei einfach wachsam und lass´ es mich wissen, falls Kate etwas über mich sagt. Und vielleicht kannst du den Kontakt zu ihr initiieren, doch damit will ich lieber noch ein paar Tage warten. Wenn ich es überstürze, dann wird das bei Kate nur Misstrauen wecken.“ erwiderte Derek. Chris versicherte Derek noch einmal seiner Unterstützung und als für´s Erste alles gesagt war, orderte Derek die Rechnung. Statt nun direkt nachhause zu fahren, fuhr Derek noch eine Weile ziellos in der Stadt umher. Als er sich selbst dabei ertappte, wurde es ihm klar, dass er scheinbar keine große Lust verspürte, in ein leeres Haus zurückzukehren. Kurz dachte er sogar darüber nach, sich irgendwo ein Hotelzimmer zu nehmen. Andererseits war es immer noch möglich, dass irgendein neugieriger Journalist ihm auflauerte und hinter den hohen Mauern seines Anwesens war er einfach sicherer. Schweren Herzens fuhr er also nachhause. Er ließ sich in seinem Wohnzimmer nieder, schenkte er sich ein Glas Whiskey großzügig voll bis zum Rand, setzte sich in einen Sessel und begann zu nippen, während ihm klar wurde, dass er eigentlich so gut wie gar nicht mehr getrunken hatte, seit er und Stiles ein Paar geworden waren. Irgendwann kam Greenburg in den Raum, räusperte sich leise, um auf seine Anwesenheit aufmerksam zu machen und erkundigte sich dann unaufdringlich: „Guten Abend, Sir! Was soll ich dem Koch sagen, was sie zum Abendessen wünschen? Und wird der junge Herr später auch noch kommen?“ „Ich habe bereits auswärts gegessen. Und Mr. Stilinski ist in diesem Haus nicht mehr willkommen!“ hörte Derek sich sagen und erschrak beinahe selbst davor, wie hart und harsch seine Stimme klang. Gänzlich konnte Greenburg scheinbar seine Bestürzung über diese Neuigkeiten nicht hinter einer professionellen Miene verstecken. Er nickte und erwiderte in bemüht nüchternem Tonfall: „Verstanden, Sir. Ich werde in der Küche Bescheid sagen!“ Nein, Stiles würde er nun eine ganze Zeit lang nicht sehen, wurde Derek in diesem Moment schmerzlich klar. Er stürzte den Inhalt seines Glases hinunter und schenkte sogleich nach. Nach dem dritten Glas stellte er bedauernd fest, dass der Alkohol heute keinen Trost für ihn hatte. Eigentlich schmeckte er wie Gift! Angewidert stellte er die Flasche wieder zurück ins Kabinett. Derek begab sich in den Garten, um im Dunkeln einen ausgiebigen Spaziergang zu machen. Anschließend ging er in den Keller des Hauses, um ein wenig Zeit mit seinen Schlangen zu verbringen und schließlich kehrte er in sein Wohnzimmer zurück und schaltete den Fernseher an. Er zappte durch die Kanäle, blieb hier und da eine Weile hängen und so vergingen die Stunden. Irgendwann fiel es Derek sogar schwer, noch die Augen offen zu halten und wie ein Blick auf die Uhr zeigte, war es da bereits drei Uhr am Morgen. Dies alles kam Derek nur allzu bekannt vor. Er mied sein Bett! Das hatte er auch damals schon getan, als seine Schlaflosigkeit ihn beinahe umgebracht hätte. Damals, bevor er Stiles gefunden hatte. Derek biss also die Zähne zusammen, erhob sich und ging hinüber ins Bad, um sich die Zähne zu putzen und seinen Pyjama anzuziehen. Dann betrat er sein Schlafzimmer und warf einen missmutigen Blick auf sein Bett, ehe er sich hineinlegte. Kaum dass er lag, war Derek wieder hellwach. Das durfte doch einfach nicht wahr sein! Er ballte die Fäuste vor Zorn und Verzweiflung. Dies war der Aspekt ihres Plans, den Derek absichtlich ausgeblendet hatte in seinem Wunsch, seinen Geliebten zu beschützen: Die Befürchtung, dass ohne Stiles alles von vorne beginnen würde und er ein weiteres Mal durch die Hölle seiner Schlaflosigkeit gehen müsste. Derek atmete einige Male tief durch, betete zu einer Gottheit, an die er nicht glaubte und rief sich Stiles liebes Gesicht vor Augen, wie er ihn voller Zärtlichkeit anblickte. Dann schloss er die Augen. Wenige Minuten später war er eingeschlafen. Derek hatte einen Traum, den er schon viele Male zuvor gehabt hatte. Er war auf der Beerdigung seiner Familie. Da waren hunderte von Menschen, doch Derek kannte eigentlich keinen von ihnen, was bewirkte, dass er sich noch bedeutend einsamer fühlte, als wäre er ganz allein dort. Dann kam der Moment, als der Geistliche die Anwesenden dazu aufrief, nach vorn zu kommen, um den Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Das war der Augenblick, vor dem Derek sich jedes Mal fürchtete. Alle erhoben sich und drängten nach vorn. Derek wurde einfach von der Herde mitgerissen, dabei wollte er die verkohlten Leichen doch überhaupt nicht sehen. Viele lieber wollte er seine Lieben doch so in Erinnerung behalten, wie er sie gekannt hatte! Das versuchte er den Trauergästen zu erklären, doch man erhörte ihn nicht. Doch etwas war dieses Mal anders. Vorn in der Kapelle stand dieses Mal nur ein einziger Sarg. Derek wollte es eigentlich nicht und dennoch musste er hinschauen. Aber nein, in dem Totenschrein lag kein Mitglied seiner Familie. Es war Stiles! Und seine Haut war ebenso weiß, wie der edle Seidenanzug, den sein Leichnam trug. Dereks Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei, als der Tote mit einem Mal die trüben, milchigen Augen aufschlug und ihn anklagend anblickte, weil er darin versagt hatte sein Leben zu schützen. Als Derek erwachte, war sein Leib bedeckt mit eisigem, klebrigem Schweiß. Er knipste rasch das Licht an, um den Horror zu vertreiben, welchen er empfand. Am Liebsten hätte er nun zu seinem Telefon gegriffen und Stiles angerufen, um ihm zu sagen, dass er ihn brauchte und um diese ganze Sache anzublasen. Das einzige, was ihn davon abhielt, war die Angst, dass sein Alptraum durch eben diese Schwäche zur Wirklichkeit werden könnte. Derek hatte nicht lange geschlafen wie ein Blick auf die Uhr zeigte. Es war kurz vor halb fünf und die Vögel vor dem Fenster erwachten soeben. Derek schlurfte hinüber ins Bad, duschte sich kurz ab, zog einen frischen Schlafanzug an und kehrte dann zum Bett zurück, fest entschlossen, sich dieses Mal nicht unterkriegen zu lassen. Zu viel war in den vergangenen Monaten geschehen. Er war nicht mehr derselbe Mann wie damals, und darum würde er es auch dieses Mal schaffen, zu schlafen. Energisch schüttelte er sein Kopfkissen auf, doch darunter kam unvermutet etwas zum Vorschein, was ein Lächeln auf sein Gesicht zauberte. Stiles und seine Unordnung! Sein Liebster hatte offensichtlich eines seiner Schlaf-T-Shirts hier vergessen. Derek nahm es hoch, wie eine Kostbarkeit, presste es gegen sein Gesicht, sog den vertrauten, geliebten Duft ein und ein Zettel fiel heraus. Da zeigte sich, dass das Shirt nicht nur aus Achtlosigkeit hier geblieben war. Nein, Stiles, der ihn besser kannte, als irgendwer sonst auf der Welt; Stiles, der ihn liebte, hatte es dort versteckt, wie ein Osterei, gemeinsam mit einem wundervollen Liebesbrief. Derek las die Worte und seine Augen wurden feucht: „Hallo mein Großer, kannst du nicht schlafen? Wusste ich es doch! Und darum bitte ich dich jetzt, tu es für mich, damit ich dich ganz bald gesund und munter wiederbekomme! Bitte vergiss´ nicht, egal wo ich bin und was auch geschieht: Ich gehöre zu dir und ich liebe dich! Das Schicksal hat uns gegen jede Wahrscheinlichkeit zusammengeführt und und keine Macht der Welt kann uns nun noch trennen! Ich zähle die Stunden, bis wir wieder beieinander sind. Dein auf ewig! Stiles“ „Ich liebe dich!“ flüsterte Derek in die Stille seines Schlafzimmers, legte den Brief auf den Nachttisch, legte sich wieder hin und schlief, das T- Shirt fest umklammernd, abermals ein. Kapitel 44: Neue Pfade ---------------------- Als Derek die Vormittagssonne auf seinem Gesicht spürte, welche durch sein Schlafzimmerfenster hereinschien, fühlte er sich, als habe er einen großen Sieg errungen. Der Grund dafür? Er hatte tatsächlich geschlafen, ohne weitere Alpträume zu erleben und ohne nach kürzester Zeit wieder aufzuwachen! Das Fundament, welches Stiles in liebevoller Kleinarbeit in seiner zerrütteten Seele gelegt hatte, war tragfähig. Es hatte lediglich einer kleinen Erinnerung bedurft, damit er daran glauben konnte. Und sein kluger Geliebter hatte das gewusst. Derek lächelte in sich hinein. Nun fühlte er sich auch der Aufgabe gewachsen, welche vor ihm lag. Er hüpfte aus dem Bett, verschwand kurz im Bad, verzehrte ein köstliches Omelett aus der Küche seines Hauses und machte sich dann auf zur Arbeit. Als er mit dem Wagen von seinem Grundstück fuhr, stellte er erleichtert fest, dass die Reporterherde bereits sehr stark ausgedünnt war. Man hatte zwar offensichtlich sehr wohl registriert, dass Derek wieder im Lande war, dennoch waren da lediglich fünf Typen mit Kameras, die nun versuchten, ihre Bilder zu machen, als Derek mit seiner Limousine mit den getönten Scheiben an ihnen vorüber sauste. Der Rest der Aasgeier war bereits weitergezogen, um einen anderen Kadaver abzunagen. Wahrscheinlich war in der Zwischenzeit irgendein schillernder Hollywood-Star beim Koksen, oder ohne seine Hosen in der Öffentlichkeit erwischt worden und Derek war „Yesterdays-News“. Gott sei Dank! Kate war an diesem Morgen von einem Fotoshooting aus London wiedergekommen und weil sie Dank des Jetlags immer noch hellwach war, setzte sie sich als erstes an ihren Computer, um zu sehen, was die kleine Überwachungskamera, welche sie bei Dereks Grundstück installiert hatte inzwischen so alles eingefangen hatte. Kate spielte die Aufnahmen im schnellen Vorlauf ab und hielt das Band jeweils an jenen Stellen an, wo sich etwas tat. Zunächst war da nur das übliche Kommen und Gehen, aber dann wurde es richtig interessant. Das Haus war tagelang von Reportern belagert gewesen und Stiles kleine Stricherfreunde und seine komische Cousine hatten sich offensichtlich bei Derek eingenistet, denn Kate sah sie ankommen, aber nicht wieder abfahren. Das hatte Derek mit Sicherheit veranlasst, um Schadensbegrenzung zu betreiben, vermutete sie. Gar nicht mal so blöd! Aber die jungen Leute waren nicht die einzigen Besucher des Hale-Anwesens geblieben; auch Mitglieder von Kates Familie waren vorbeigekommen; zunächst Allison und dann auch noch Kates eigener Bruder. Das war interessant und auch ein klein wenig beunruhigend. Lief da etwa ein Komplott gegen sie? Hatten die Idioten am Ende doch durchschaut, dass sie es gewesen war, die die Informationen über das Vorleben von Dereks Cousine, welche sie von Chris erhalten hatte der Presse zugespielt hatte, um noch ein bisschen mehr Staub aufzuwirbeln? Sicher, man konnte Kate nichts nachweisen, denn sie hatte ihre Informationen anonym weitergegeben, aber der Verdacht reichte ja vielleicht schon, um sie noch weiter in Ungnade fallen zu lassen und das wäre selbstverständlich ganz und gar nicht in ihrem Sinne. Ach was, sagte sie sich! Das hätte schließlich jeder herausfinden können, der ein bisschen im Dreck gewühlt hätte und so clever waren Chris und Derek nicht, um eins und eins zusammenzuzählen! Die Szene, die sich Kate als nächstes bot, verwirrte sie zunächst. Zuerst verließ nämlich ihr Bruder das Gelände wieder und eine Weile später reiste dann offenbar der gesamte Hofstaat, inklusive Personal in einem großen Autokonvoi ab. Was ging denn da vor sich? Noch merkwürdiger war, dass die gesamte Reisegruppe gleich mehrere Tage lang fort blieb. Schließlich sagte sich Kate, dass es sicherlich so gewesen sein musste, dass Derek es nicht mehr ertragen hatte, sich wie ein Gefangener im eigenen Hause zu fühlen, weshalb er und seine komischen, verlausten Freunde von der Straße ein paar Tage Urlaub gemacht hatten Aber als die Gruppe gestern wieder zurückgekehrt war, schien nichts mehr wie zuvor zu sein? Sogar aus der Entfernung, aus welcher die Kamera ihre Bilder durch den Zaun hindurch aufgenommen hatte, konnte man die langen Gesichter sehen. Zunächst verschwanden sie dann alle ins Haus. Doch was war das? Ein paar Minuten später fuhr ein Taxi vor und der süße, kleine Stiles verließ das Haus wieder, mit Trauermiene, einem vollgestopften Rucksack und einem Hasenstall in den Händen, bestieg ebenjenes Taxi und fuhr davon. Natürlich ließ sich das aus der Ferne nur sehr schlecht beurteilen, aber waren dem Kleinen da nicht sogar ein paar dicke Krokodilstränchen übers Gesicht gelaufen? Kate lehnte sich zufrieden grinsend in ihrem Stuhl zurück. Wenn das nicht nach einem fetten Ehestreit aussah, dann wusste sie es auch nicht! Das sah wirklich vielversprechend aus, doch Kate brauchte unbedingt weitere Informationen. Es wurde wohl Zeit, sich mal wieder mit ihrer kleinen Nichte zu treffen? Kate wählte Allisons Nummer. Stiles erwachte mit einem Brummschädel und einem Heißhunger nach etwas Süßem, eng umschlungen von seinem besten Freund. Stiles hatte vergangene Nacht einfach etwas gebraucht, um sein plapperndes Hirn zum Schweigen zu bringen, welches ihn mit der, sich in Dauerschleife wiederholenden Frage, ob ihr Plan wirklich so eine spitzenmäßige Idee gewesen sei, beinahe in den Wahnsinn trieb. Und so war er dann beim Cannabis-Genuss ein wenig über die Stränge geschlagen. Nun, da die Wirkung der Droge nachgelassen hatte war der erste bewusste Gedanke, der Stiles durch den Kopf ging, dass er Derek nun möglicherweise eine verdammt lange Zeit nicht sehen würde. Und auch nicht riechen, fühlen, küssen... lieben. Und keine Droge der Welt konnte an dieser Wahrheit etwas ändern Seufzend zog er sich die Decke über den Kopf. Scott wurde nun an seiner Seite wach, was Stiles daran erinnerte, dass er sich nun dem neuen Tag stellen musste. Er hatte keine Zeit, sich die eigenen Wunden zu lecken, denn er hatte zu tun! Kurz beschlich Stiles ein seltsames, irreales Gefühl. Scott und er allein? Es war beinahe wieder so wie damals, bevor er Derek getroffen und sich sein Leben so wahnsinnig verändert hatte. Fast meinte er, Scott würde nun jeden Moment zu ihm sagen, dass sie sich für die Arbeit fertig machen müssten, ganz so wie damals. Sein Inneres krampfte sich erschrocken zusammen bei dieser Vorstellung: „Alles in Ordnung, Bro?“ murmelte Scott verschlafen. Stiles nickte und schwang seine Beine über den Bettrand. Scott richtete sich auf und legte von hinten die Arme um seinen Freund: „Es ist okay, Kumpel! Derek liebt dich! Bald ist dieser Scheiß vorbei und alles wird wieder gut“ Stiles nickte und lehnte sich der beruhigenden Wärme seines Freundes entgegen. Zu gern wollte er ihm glauben, dass diese dumme Sache schnell vorüber gehen würde, etwa so wie ein Wolkenbruch. Er dachte daran, dass er zu Derek gesagt, er solle alles tun, was nötig sei, um Kate zu entlarven. Er hatte dabei offen gelassen, wie er das gemeint hatte, doch Derek hatte ihn dennoch verstanden und sich angewidert geschüttelt. Gesagt hatte er nichts dazu. Stiles schüttelte die Bilder ab, die in diesem Moment in ihm aufstiegen und erklärte: „Ich brauche Zucker! Wie wäre es mit Donuts zum Frühstück?“ „Bin dabei, Kumpel!“ erwiderte Scott grinsend und sie erhoben sich aus dem Bett. Nach dem Essen begann Stiles damit, Wohnungsangebote zu checken und da er nun kein armer Schlucker mehr war, wie früher und die überzogenen Preisvorstellungen einiger Vermieter ihn nicht allzu sehr schreckten, hatte er bis zum Nachmittag eine neue, möblierte Zwei-Zimmer-Wohnung in Uninähe gefunden und das Beste daran war, dass auch das Apartment direkt nebenan zur Vermietung stand, so dass seine beiden Bodyguards dort einziehen konnten. Nicht dass Stiles Garrett und Violet so furchtbar sympathisch fand, das er sie zwingend zu seinen Nachbarn haben wollte, aber sie passten auf ihn auf und wer wusste schon, wann Rettung wirklich mal notwendig werden würde? Scott hatte angeboten, beim Umzug zu helfen, doch Stiles wollte es allein tun. Er hatte erklärt, er müsse sich daran gewöhnen, in nächster Zeit ohne einen anderen Menschen klarzukommen und hatte dabei den sorgenvollen Blick seines besten Freundes ignoriert, so gut er konnte. Stiles verstaute das Wenige, dass er besaß in den Einbauschränken seiner neuen Bleibe und räumte dann das kleinere der beiden Zimmer leer, denn dies würde das Häschenparadies werden. Harveys Käfig war mittlerweile zu klein geworden für sie und die Babys, aber es war auch noch ein wenig zu früh, um die Kleinen von der Mutter zu trennen, also brauchten sie mehr Platz. Stiles verteilte Wasser- und Futterschalen, Heu und Streu im Zimmer und dann öffnete er den Käfig. Die Häschen hüpften heraus, untersuchten ihr neues Habitat und markierten alles ausgiebig mit der Drüse, die sich unter ihrem Kinn befand: „Freut mich, dass es euch gefällt!“ sagte Stiles und überließ die schnuppernasige Familie dann sich selbst. Er legte sich auf sein neues Bett im Nebenzimmer und dachte nach. Als Kate die Bar betrat, war ihre Nichte bereits da. Sie hatte für sie beide einen der begehrten Ecktische gesichert und begrüßte ihre Tante mit einem strahlendem Lächeln. Kate sonnte sich in Allisons bewunderndem Blick. Nein, darin lag kein Argwohn, stellte sie fest. Das Mädchen vertraute ihr und hielt sie keiner Missetat für fähig und niemand hatte versucht, sie gegen Kate aufzubringen. Alles war wie immer. Allison hatte Kate von jeher bedingungslos geliebt und ganz gleich, was Kate sagte, für Allison wog jedes einzelne Wort doppelt so schwer, als habe ein anderer es gesagt. Kate war die Bewunderung ihrer Mitmenschen zwar gewohnt und sie genoss es, wenn sie auf sie hörten und genau das taten, was sie wollte, aber mit Allison war es stets etwas ganz Besonderes gewesen. Es war dieses absolute, scheinbar unverbrüchliche Vertrauen, welches den Unterschied machte. War es wohl so, ein eigenes Kind zu haben, fragte sie sich flüchtig? Nein, mit einem eigenen Kind wäre es sicherlich noch ausgeprägter. Da wäre dann ein menschliches Wesen, welches seiner ganzen Existenz vollständig von einem abhängig war. Für so ein Kind war man wahrscheinlich so etwas wie Gott! Das musste ein unglaubliches Machtgefühl sein. Kate hatte nie verstanden, warum Menschen Eltern werden wollten, doch in diesem Moment war es ihr endlich klar Sie legte ein zuckersüßes Lächeln auf und begrüßte ihre Nichte: „Hey, meine Süße! Du wirst ja wirklich jedes Mal, wenn ich dich sehe hübscher. Wie machst du das nur, hm?“ Allison erhob sich, um ihre Tante zu umarmen und erwiderte: „Das liegt wohl in der Familie, meinst du nicht? Du siehst nämlich echt toll aus. Mir gefällt, was du anhast. Wo kriegt man denn so etwas?“ „Danke! Das habe ich aus London mitgebracht!“ gab Kate leichthin zurück und blickte an sich hinab. Sie wusste selbst, dass sie unwiderstehlich aussah in dem eleganten, schwarzen Jumpsuit aus anthrazitfarbener Waschseide, welcher ihren Körper perfekt umspielte, ohne sie einzuengen. Er verzieh sogar ein üppiges Mittagessen, oder ein, zwei Kilo mehr auf der Uhr, zumal wenn man hohe Schuhe dazu trug, wie Kate es gerade tat: „Du siehst aber auch wieder mal hinreißend aus. Wo warst du shoppen? Die Jungs müssen ja verrückt nach dir sein.“ Allison trug heute ein schwarz-weißes trägerloses Top mit einem dazu passenden, leichten Bolerojäckchen darüber und untenrum einen schwarzen kurzen Faltenrock, der die Oberschenkel ihrer endlos langen Beine knapp bis zur Hälfte bedeckte: „Das ist aus der Boutique. Mum bezahlt mich immer noch in Mode, weißt du? Sie findet, wenn sie und Dad mir schon das Studium bezahlen, dann müsste sie mir auch kein Gehalt geben. Aber ob die Jungs verrückt nach mit sind, oder mich interessiert mich echt nicht. Ich habe doch jetzt Scott.“ „Aber Süße!“ er widerte Kate mit einem gutmütigen Kopfschütteln: „Du bist jung, schön und schlau. Du solltest in heißen Kerlen baden! Warum willst du dich denn jetzt schon mit bloß einem einzigen begnügen?“ Allison senkte verlegen den Kopf: „Ich will gar keine anderen Typen. Scott ist wahnsinnig lieb. Er bringt mich zum Lachen. Ich fühle mich wohl und sicher bei ihm. Ich... ich schätze, ich bin in ihn verliebt.“ Kate rollte abschätzig mit den Augen: „Liebe? Und was kommt als nächstes? Wollt ihr etwa heiraten? In deinem Alter solltest du dich austoben und so viel Spaß wie möglich haben, denkst du nicht? Für die Liebe ist immer noch genug Zeit, wenn du alt uns runzlig bist.“ „Ich heirate doch jetzt noch nicht!“ versicherte Allison lachend: „Aber mit Scott HABE ich Spaß, ehrlich! Es ist so wahnsinnig schön mit ihm.“ „Also ist der Sex gut, richtig?“ stellte Kate mit einem dreckigen Grinsen fest: „Er war doch auch ein Callboy, so wie der Typ, mit dem Derek jetzt zusammen ist, oder nicht? Dann weiß er ja wohl, wie es geht, oder nicht? Kennt dein Scott ein paar hübsche Tricks, um ein Mädchen glücklich zu machen, ja? Erzähl doch mal!“ Allison wurde knallrot: „Nein, so ist das doch gar nicht!“ versicherte sie schnell: „Ich bin das erste Mädchen für Scott. Als er... du weißt schon... angeschafft hat... das war immer nur mit Männern. Er hatte noch nie eine Freundin.“ „Also ist er schwul, oder wie?“ fragte Kate verständnislos. „Ist er gar nicht!“ antwortete Allison trotzig: „ Er hat damit nur sein Geld verdient, weil er schließlich irgendwie überleben musste. Er hat es im Leben ziemlich schwer gehabt, weißt du?“ Kate begriff, dass es nun an der Zeit war, Mitgefühl zu heucheln, wenn sie ein paar Informationen haben und ihre Nichte nicht verärgern wollte: „Echt? Was ist Scott denn passiert?“ fragte sie mit Kreide in der Stimme. Es war beinahe lächerlich, wie betrübt Allison mit einem Mal aussah, doch Kate wahrte ihr Pokerface, während ihre Nichte ihr das Märchen von dem armen kleinen Waisenkind und seiner Kindheit voll von Gewalt, Vernachlässigung und Missbrauch berichtete. Zweifellos alles erstunken und erlogen, doch das war nicht Kates Problem, wenn Allison blöd genug war, darauf hereinzufallen. Sie lauschte ganz einfach. Interessant wurde es, als die Sprache darauf kam, wie Scott und Stiles sich kennengelernt hatten: „Sie sind die besten Freunde.“ berichtete Allison: „Sie haben sich gegenseitig geholfen, in dieser schweren Zeit zu überleben. Das hat sie echt eng zusammengeschweißt. Darum hoffe ich auch, dass die Trennung zwischen Derek und Stiles keinen Keil zwischen sie beide treibt.“ Kate horchte auf. So beiläufig, wie nur irgend möglich fragte sie: „Wie? Was? Trennung? Ist es mit Dereks großer Liebe etwa schon wieder vorbei, oder was?“ Allison zuckte mit den Achseln: „Ja, wir konnten es alle auch überhaupt nicht fassen. Wir waren alle zusammen ein paar Tage auf der Hazienda und hatten alle gemeinsam auch einen wirklich schönen Urlaub, aber dann, am letzten Tag haben Derek und Stiles sich so heftig gestritten, dass wir Anderen schon dachten, wir müssten eingreifen. Stundenlang haben sie sich angeschrien und kaum waren wir wieder in L.A. hat Derek Stiles rausgeschmissen, einfach so! Du weißt ja, wie er sein kann, wenn er richtig sauer ist, oder? Ach, es war furchtbar! Stiles wirkte komplett erledigt und traurig. Und Derek hat irgendwie ganz einsam und verletzt ausgesehen. Die beiden haben uns nicht erzählt, was vorgefallen ist. Nicht einmal Scott schien es zu wissen.“ Hatte sie es doch gewusst, dachte Kate zufrieden. Sie rang sich einen betroffenen Gesichtsausdruck ab und kommentierte: „Armer Derek! Dabei hat er so glücklich gewirkt. Er muss ja am Boden zerstört sein. Ich hätte es ihm so gegönnt, dass er endlich auch mal Glück hat.“ Allison nickte traurig: „Ja, ich denke, ich werde Dad darauf ansetzen. Ich schätze, Derek hat nun einen Freund nötig. Und Stiles... nun ich schätze, Scott wird sich um ihn kümmern. Ich hoffe es!“ Kate nickte bedächtig. Derek könnte einen Freund gebrauchen? Sie selbst könnte doch ebenso gut, dieser Freund sein, oder nicht? Sie war mit diesen neuen Entwicklungen hochzufrieden und fragte sich, ob der Zufall ihr hier wohl in die Hände gespielt hatte, oder ob der Streit zwischen den beiden Turteltäubchen am Ende gar etwas mit dem Brief zu tun haben mochte, welchen sie Derek geschrieben hatte? Vielleicht hatten ihre wohldurchdachten Worte ja tatsächlich wie beabsichtigt eine Saat des Zweifels in Derek gepflanzt? So oder so war dies die Chance, auf die Kate gewartet hatte. Sie würde Derek nun noch ein paar Tage in seinem eigenen Saft schmoren lassen, nahm sie sich vor und dann würde sie ihn anrufen, ein weiteres Mal wahre Größe beweisen, indem sie ein weiteren Schritt auf Derek zu machte, trotz der furchtbaren Dinge, die er ihr vorgeworfen hatte und dann würde sie eben die Mitfühlende spielen. Und in kürzester Zeit würde der leichtgläubige Derek ihr wieder aus der Hand fressen, so wie früher. Kate hatte alles gehört, was sie wissen musste. Zeit, das Thema zu wechseln. Sie bestellte für Allison und sich selbst noch eine weitere Runde Drinks, erzählte von ihrem letzten Auftrag in London, weil ihre Nichte, so wie die meisten Leute diese Geschichten aus dem Model-Alltag liebte und so wurde es noch ein recht spaßiger Abend. Zwei Tage später klingelte Kates Handy und sie erkannte die Nummer sofort. Wie praktisch! Sie würde sich also gar nicht die Mühe machen müssen selbst bei Derek anzurufen. „Hey, Derek! Ich habe es schon gehört! Es tut mir so wahnsinnig leid! Wie geht es dir denn jetzt?“ schnurrte sie süßlich in den Hörer. Kapitel 45: Tanz mit dem Jaguar ------------------------------- Derek war klar geworden, dass er Malia zwangsläufig in alles einweihen musste, denn schließlich wusste sie, dass es Kate gewesen sein musste, welche ihre Story an die Presse weitergegeben hatte. Und natürlich würde sie stutzig werden, wenn Derek sich ihr nun einfach so wieder annäherte. Und so hatte er sie eingeladen, um mit ihr zu sprechen: „Ich hab´s doch gewusst, dass das mit eurer Trennung bloß Bullshit war!“ hatte Malia ärgerlich ausgerufen: „Zwischen dich und Stiles passt doch kein Blatt Papier! Und nun verrate mir doch bitte mal, was dieses Theater eigentlich sollte“ Derek hatte sich für die Lüge entschuldigt und Malia dann genau erklärt was Stiles und er sich dabei gedacht hatten. Was seine Cousine daraufhin gesagt hatte, hatte ihm nicht gerade Mut gemacht: „Du bist doch verrückt, Derek! Ein unschuldiges Lamm wie du will sich nun also mit dieser mörderischen Bitch messen? Wenn sie auch nur den leisesten Verdacht hegt, dass ihr sie bloß verarscht habt, dann steht ihr zwei Loser im Nu beide auf ihrer Abschussliste! Und glaub´ mir, Eine wie die fackelt nicht lange.“ Daraufhin hatte Derek trotzig behauptet: „Ich kann das! Ich schaffe das! Das muss ich! Für Stiles!“ Malia hatte mit den Augen gerollt und vor ihrem Aufbruch versprochen: „Weißt du was, Kumpel? Ich helfe dir! Ich überlege mir etwas und melde mich dann wieder bei dir! Da muss ein Profi ran! Es braucht eine Bitch, um eine Bitch zu schlagen.“ Vor etwas über einer Stunde war Malia wieder nachhause gefahren und Derek war wieder allein Er hatte sich ganz genau überlegt, wie er Kate gegenübertreten wollte. Den verlassenen, trauernden Mann zu mimen wäre eine sehr dumme Strategie gewesen, denn Derek war leider kein besonders guter Schauspieler. Aber Wut, das war ein Gefühl, welches er tatsächlich empfand. Er war wütend, dass er und Stiles nicht einfach friedlich beieinander sein und ihr leben zu zweit genießen konnten, wütend darüber, dass er sich nun wieder mit der verhassten Kate abgeben musste und wütend über das, was diese Stiles bereits alles angetan hatte. Er war auch wütend, dass ein junger, unschuldiger Mann; nämlich der Patient, der nach Stiles das Bett im Krankenhaus bekommen hatte, nun tot war. Und natürlich war er wütend darüber, dass Kate ihn unter Drogen gesetzt und missbraucht hatte. Jetzt musste Derek diesen Zorn nur noch in die richtigen Bahnen lenken, um eine überzeugende Vorstellung abzugeben. Er wusste jetzt schon, dass die furchtbaren Dinge, die er über Stiles würde sagen müssen ihm das Herz brechen würden, doch er nahm sich vor, bei allem heimlich und im Stillen den Namen seines Geliebten durch den von Kate zu ersetzen. Derek fasste den Vorsatz, nie wieder das Opfer dieser Frau zu werden. Malia irrte sich! Er war kein dummes Opferlamm! Er war ein Wolf! Er stand in Trainingshose und Unterhemd vor dem Spiegel in seinem Schlafzimmer und betrachtete sich prüfend. Gerade hatte er noch ein wenig trainiert und seine gut durchbluteten Muskeln traten besonders deutlich hervor. Kurz hatte er darüber nachgedacht noch einmal rasch unter die Dusche zu springen, doch dann hatte er sich dagegen entschieden. Kate war ein Raubtier und er wollte sie Witterung aufnehmen lassen. Er würde heute ein Versprechen machen, welches er im Leben nicht gedachte auch tatsächlich einzulösen, auch wenn Stiles ihm die Erlaubnis hierfür erteilt hatte. Allein schon der Gedanke daran widerte ihn an! Derek hatte sich bereits entschieden, was er für dieses erste Wiedersehen mit Kate anziehen wollte. Bewusst hatte er sich für sexy und nicht für geschäftsmäßig entschieden. Je mehr Kate gefiele, was sie sähe, umso abgelenkter wäre sie und umso geringer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie Derek als Lügner entlarven würde, so hoffte er zumindest. Er zog also die eine Jeans aus dem Schrank, in welcher Stiles nie die Finger von seinem Hintern lassen konnte und dazu ein petrolfarbenes, eng anliegendes Shirt mit Knopfleiste, welche er gedachte offen zu lassen, um einen diskreten Ausblick auf sein getrimmtes Brusthaar zu geben. Diese Aussicht dürfte Kate gefallen. Das Outfit wurde vervollständigt von edlen italienischen Halbschuhen, einer Lederjacke , beides in schwarz und einer dunkel getönten Flieger-Sonnenbrille. Derek ging in die Garage hinüber und entschied sich heute für den Camaro, denn dieser war sein erster Wagen gewesen und er verband ihn mit einer Jugend, in welcher Kate und er noch ein Paar gewesen waren. Ihr würde das gefallen und Derek selbst fiel es in diesem Wagen leichter, innerlich Anschluss an jene Zeit zu finden, als er Kate noch bewundert und vielleicht sogar geliebt hatte. Als er vor dem kleinen Restaurant hielt, in welchem sie verabredet waren, nahm er sich noch einmal einen kurzen Moment, um sich zu sammeln und sich Mut zuzusprechen. Ja, er war gut vorbereitet und er war bereit für diese Sache! Kate war bereits da und hatte sich an einen kleinen Tisch in einer Nische des Lokals niedergelassen, auf welchem zwei Kerzen romantisches Licht verbreiteten. Als sie Derek kommen sah, erhob sich Kate lächelnd. Sie trug ein weißes, weites, durchscheinendes Sommerkleid mit tief angesetzter Taille; ein ungewöhnlich braver Look, der Kate beinahe einen Anschein von Sanftmut und Unschuld gab. Dies wurde noch unterstrichen von ihrem Gesicht, in welchem Derek eine kleine Veränderung im Vergleich zu ihrer letzten Begegnung wahrnahm. Es war irgendwie ein wenig voller, was die Züge sanfter erscheinen ließ. Hatte Kate vielleicht ein wenig zugenommen? Das weite, fließende Kleid verriet nichts genaues darüber. „Hey Kate!“ grüßte Derek sie und tat ein wenig zerknirscht, so als täte ihm ihre letzte Begegnung leid: „Du siehst toll aus!“ Diese Aussage zu treffen fiel Derek nicht schwer, denn es entsprach ja durchaus der Wahrheit. Es war einfach eine sachliche Feststellung, die nichts weiter bedeutete. Kate gefiel es jedoch sichtlich, dieses Kompliment zu hören. Ihr Lächeln wurde ein wenig breiter: „Hey Derek. Du siehst aber auch verdammt gut aus, insbesondere sei du die 150 Pfund nutzloses Gewicht losgeworden bist!“ Eine Spitze gegen Stiles. Sie öffnete ihre Arme. Derek nahm das Angebot an und umarmte sie. Eine Welle der Übelkeit überkam ihn, als er ihren Körpergeruch, gemeinsam mit ihrem Parfüm einatmete und sofort waren die wenigen, bruchstückhaften Erinnerungen daran, wie Kate ihn mit Drogen wehrlos gemacht und zum Sex gezwungen hatte wieder da. Einen kurzen Moment lang meinte Derek, er müsse schon jetzt kapitulieren, doch dann dachte er an Stiles. Sein Freund musste endlich wieder in Sicherheit sein, doch dazu musste Derek Kate entlarven. Und so setzte er einfach ein unbekümmertes Lächeln auf, um zu überspielen, wie es ihm ging. Sie nahmen am Tisch Platz und Kate verkündete: „Oh Mann, ich habe einen Bärenhunger. Wie sieht es bei dir aus?“ In Dereks Magen rumpelte es natürlich noch immer und er wollte an essen am liebsten gar nicht denken. Als Stiles und er diesen Plan gefasst hatten, hatte sein Geliebter ihm geraten, mit jeder Lüge immer so dicht wie möglich an der Wahrheit bleiben, weil das am erfolgreichsten sei und so erwiderte Derek: „Ich habe seit der Trennung keinen so großen Appetit mehr. Ich habe immer diese leichte Übelkeit, weißt du? Bestell´ du ruhig, was immer du möchtest, ich lade dich ein, aber ich selbst werde wohl eher bei Suppe und Salat bleiben.“ Kate setzte einen mitfühlenden Blick auf und nahm diese Überleitung zu dem Thema, dass sie ohnehin so brennend interessierte sogleich als Gelegenheit wahr: „Tut mir leid, dass es dir nicht gut geht, Baby. Erzähl´ doch mal, was passiert ist! Ich dachte, dass mit dir und diesem Stiles sei die große Liebe gewesen?“ Dereks Miene verfinsterte sich, ein Gesichtsausdruck, der ihm so zu eigen war, dass er Kate auf jeden Fall glaubwürdig erscheinen musste: „ICH habe ihn ja auch geliebt. Verdammt, vielleicht tue ich es sogar immer noch, aber er...? Er hat mir von Anfang an etwas vorgemacht, das weiß ich nun! Ich bin ja so ein Vollidiot!“ Kate lächelte, doch irgendwie hatte dies nichts Freundliches, sondern eher etwas Schadenfrohes an sich. Derek konnte praktisch jenen Gedanken hören, welcher ihr gerade durch den Kopf ging, der da lautete „Pass halt beim nächsten Mal auf, wo du deinen Schwanz reinsteckst, du Trottel!“ Laut und mit Samt in der Stimme sagte Kate jedoch: „Ach, du Armer! Nimm´s nicht so schwer! Du bist nicht der Erste, der auf ein hübsches Gesicht hereingefallen ist, Derek.“ Derek seufzte, weil es ihm angebracht schien, so auf ihre Worte zu reagieren. Auf die Schnelle fiel ihm nichts ein, was er darauf sagen sollte, doch er wurde vom Kellner gerettet, welcher in diesem Moment an ihren Tisch trat. Kate bestellte, als wolle sie für Zwei essen, während Derek wie angekündigt nur einen Blattsalat und eine Zwiebelsuppe orderte. Bei den Getränken entschied er sich für einen Saft, weil er unter allen Umständen im Kopf klar bleiben wollte, während er mit dieser Frau zusammen war. Seltsamerweise tat Kate es ihm gleich, auch wenn sie doch für gewöhnlich den geistigen Getränken sehr zusprach? Vielleicht wollte auch sie lieber nüchtern bleiben, weil sie die Kontrolle behalten wollte, solange sie sich noch in der Phase der Wiederannäherung befanden, vermutete Derek. „Was hat Stiles dir denn nun genau angetan?“ wollte Kate wissen, als sie wieder unter sich waren. Dereks blickte sie zornig an: „Er wollte plötzlich Geld von mir haben! Kannst du dir so etwas vorstellen? Als hätte ich nicht sowieso ständig für alles bezahlt! Und dann passierte das mit diesen Zeitungsberichten! Zuerst habe ich mich gefragt, wie die Presse Wind von unserer Beziehung bekommen konnte, doch nun ist mir vollkommen klar, dass nur Stiles selbst die Story verkauft haben konnte. Wer hätte es gewesen sein sollen? Er streitet es zwar vehement ab, aber ich bin mir meiner Sache zu hundert Prozent sicher. Und damit nicht genug! Er wurde gierig und hat sogar meine Cousine Malia verraten, dabei ist sie angeblich eine seiner besten Freundinnen. Kleiner Mistkerl! Ich wünschte bloß, ich könnte ihn hassen!“ Ganz kurz fiel Kates Maske und Derek erkannte Boshaftigkeit und Triumph in ihrem Blick, doch sie fing sich blitzschnell wieder und heuchelte weiterhin schmierige Anteilnahme: „Oh Mann, das ist echt mies!“ kommentierte sie: „Warum zeigst du ihn nicht an und schleifst seinen Arsch vor Gericht?“ Derek schüttelte den Kopf: „Nein, dass will ich nicht! Die Sache ist auch so schon demütigend genug für mich. Das Letzte, was ich will ist noch mehr Medienaufmerksamkeit. Ich will einfach nur in Ruhe meine Wunden lecken,einen Schlussstrich ziehen und das Ganze vergessen!“ Kate lächelte nachsichtig und erwiderte: „Du warst immer schon viel zu gutmütig. Wenn ich an deiner Stelle wäre, dann würde ich mich furchtbar rächen.“ „Ich will mich aber nicht rächen. Ich will meine Ruhe und einen Neuanfang.“ gab Derek schnell zurück: „Und nun lass´ uns bitte über angenehmere Dinge sprechen. Erzähl doch mal, was bei dir gerade so los ist!“ Und so wechselten sie das Thema und Derek entspannte sich ein wenig, weil er nicht mehr das Gefühl hatte, sich auf dünnem Eis zu bewegen. Ihr Essen kam und während sie es verspeisten, berichtete Kate munter von den Abenteuern aus ihrem Modelleben und Derek tat so, als würde er mit großem Interesse zuhören. Nach dem Essen bestellten sie sich beide alkoholfreie Cocktails. Derek überließ Kate weiterhin das Wort und sie tat ihr Bestes, eine interessante Tischdame zu sein, welche den armen, verlassenen Mann mit ihren Anekdoten unterhielt. Nach etwa zwei Stunden gab Derek an, dass er nun langsam gehen müsse, da er morgen wieder früh in der Firma sein wolle. Er bat Kate, auf seine Sachen zu achten, während er selbst noch einmal kurz im Waschraum verschwand. Dann zahlte er die Rechnung, half ihr in ihre Jacke und reichte ihr galant den Arm zum Gehen, wie ein echter Gentleman. Kaum verließen sie das Restaurant, wurden sie von einer Reporterschar überfallen. Kameras klickten und es wurden aufdringliche Fragen gestellt: „Scheiße, wo sind die denn hergekommen?“ knurrte Derek und sie pflügten sich kommentarlos durch das Gedränge. Da Kate mit einem Taxi gekommen war, stiegen sie beide rasch in den Camaro, um zu entkommen. „Die Reporter müssen dir die Ganze Zeit schon auf den Fersen gewesen sein.“ spekulierte Kate auf der Fahrt Im Stillen gratulierte sie sich dazu, der Presse im Vorfeld einen Tipp gegen zu haben. Erst war sie sich nicht sicher gewesen, ob es bei ihrem ersten Zusammentreffen noch zu früh wäre, aber wie sich nun zeigte, war es perfekt! Sie freute sich schon auf die Schlagzeilen. Als er Kate an ihrem Hotel abgesetzt hatte, war es Derek, als würde eine tonnenschwere Last von ihm abfallen und er war so erschöpft, als habe er Schwerstarbeit geleistet. Er sauste so schnell es die Verkehrsregeln erlaubten durch die Stadt, zurück nachhause. Erst in der Sicherheit, die er in seinem eigenem Wohnzimmer, geschützt hinter hohen, robusten Mauern fand zückte er sein Handy, welches er vorhin im Restaurant absichtlich auf dem Tisch hatte liegen lassen, als er auf die Toilette gegangen war. Er aktivierte es und grinste zufrieden in sich hinein: „Erwischt!“ murmelte er halblaut. Kapitel 46: Fakin´ it --------------------- Am Morgen nach seinem ersten „Date“ mit Kate sichtete Derek die Zeitungen, welche Greenburg ihm mit dem Frühstück hingelegt hatte und natürlich waren die Titelblätter wieder einmal beherrscht von nur einem einzigen Thema und das waren die Spekulationen über sein eigenes Privatleben. Und dabei reichte das Spektrum der Berichterstattung von der Freude darüber, dass der Milliardär und das Supermodel nun endlich wieder zueinander gefunden hatten, wodurch die wahre; die erste Liebe am Ende gesiegt hätte; bis hin zu dem unglaublichen Bedauern, welches man Kate aussprach, weil sie ja nun wohl als Alibi-Frau für einen dekadenten, perversen, schwulen, reichen Geldsack herhalten musste, der es bevorzugt mit Strichern von der Straße trieb. Derek knurrte leise in sich hinein. Wütend knüllte er die Presseerzeugnisse mit ihrem schwachsinnig-spekulativem Inhalt zusammen und warf sie in die nächste Ecke. Dann fragte er sich sorgenvoll, wie es wohl Stiles ergehen musste, wenn er diesen Mist erst einmal zu Gesicht bekam. Er verfluchte Kate, weil er natürlich genau wusste, wem er es zu verdanken hatte, dass da gestern Abend diese Reporter herumgelungert hatten. Sie waren ihm nicht gefolgt, das war vollkommener Blödsinn! Derek hatte sehr darauf geachtet, dass niemand von denen etwas von seinem Stelldichein mitbekäme. Nein, es war selbstverständlich wieder einmal Kate selbst gewesen, die sich an die Presse gewandt hatte, da gab es gar keine Frage! Wie praktisch das auch für sie war, nicht wahr? Sie konnte zur selben Zeit Fakten schaffen, Stiles reinwürgen, dass er, Derek nun wieder ihr gehöre, UND, und das war vielleicht noch viel wichtiger; sie konnte sich selbst in der Öffentlichkeit wieder ins Gespräch bringen. Derek wusste, dass trotz all ihrer großartigen Erzählungen Kates Modelkarriere ziemlich am Ende war, aber solch eine Berichterstattung würde sie als Person des öffentlichen Lebens im Nu wieder interessant und gefragt sein lassen. Verdammtes Miststück! Aber Derek sagte sich selbst eindringlich, dass es keine Rolle spielte, ob die Öffentlichkeit nun glaubte, dass Kate und er nun wieder ein Paar wären, ebenso wenig, wie es eine Rolle gespielt hatte, was sie über Stiles und ihn berichtet hatten. Die Leute da draußen kannten ihn schließlich gar nicht, wussten nicht wer er war, was er dachte, fühlte und wen er liebte. Für die Öffentlichkeit war er nur eine Projektionsfläche. Er verkörperte Reichtum, Macht, Glamour und ein großartiges Leben, was sowohl Sehnsüchte, als auch Neid in jenen weckte, die all dies nicht hatte. Mit ihm selbst hatte das alles rein gar nichts zu tun und er durfte dies auch keinesfalls an sich heranlassen, was auch immer da gerade geschrieben wurde. Und er betete, dass Stiles dies auch nicht tat. Kaum hatte Derek sich an diesem Morgen am Schreibtisch in seinem Büro niedergelassen, walzte Deucalion ohne anzuklopfen zur Türe herein, schloss sie sorgsam wieder hinter sich, warf eine Zeitung vor seinen Freund und Vorgesetzten hin, welche ein großes Bild von Kate und ihm selbst auf dem Titelblatt zeigte, hockte sich auf jene Ecke seines Schreibtisches, welche beinahe ja beinahe schon so etwas wie sein Stammplatz war und stierte ihn einfach nur wortlos an: „Sag´ mal, willst du vielleicht irgendetwas Bestimmtes von mir?“ knurrte Derek schließlich gereizt. Deucalion rollte mit den Augen: „Ja, das will ich! Du könntest mir zum Beispiel einmal verraten, was du da treibst!“ Er deutete auf das Titelblatt. „Kannst du nicht lesen? Der Milliardär und das Supermodel haben ihr wohlverdientes Happy-End erhalten. Es ist fast wie im Märchen!“ erwiderte Derek. Seine Stimme war beißend vor Sarkasmus. „Bullshit!“ rief Deucalion aus: „Als ich das gesehen habe, dachte ich zuerst, du hättest nun endgültig den Verstand verloren. Es war Erica, die drauf gekommen ist, was hier in Wirklichkeit läuft. Du versuchst, Kate etwas vorzumachen und meinst, du könntest sie austricksen und irgendwie überführen, stimmt´s?“ „Und wenn es so wäre?“ fragte Derek beinahe trotzig zurück: „Musst du das wirklich fragen, Junge? Wenn sie wirklich all die Dinge getan hat, von denen wir glauben, dass sie sie getan hat, dann ist sie eine gefährliche Frau; eine Mörderin sogar. Und da willst DU dich mit ihr anlegen?“ ereiferte sich Deucalion: „Warum übergibst du die Sache nicht endlich der Polizei?“ „Und was sage ich denen, Deuc? Alles was wir haben sind bloß wilde Spekulationen. Die lachen uns doch aus.“ gab Derek missmutig zurück: „Und ich mache ja nichts, was gefährlich wäre. Stiles ist weg und ich verbringe Zeit mit Kate, denn darauf hatte sie es ja die ganze Zeit abgesehen. Und wenn sie glaubt, dass wir wieder gut miteinander stehen, dann wird sie sicherlich irgendwann unvorsichtig und ich finde endlich handfeste Beweise gegen sie.“ „Oder sie merkt was du tust und macht erst dich und dann Stiles kalt?“ schlug Deucalion vor: „Und wie weit willst du dieses Spielchen überhaupt treiben? Gehört auch süßes Bettgeflüster zu deinem Plan, oder wie?“ Derek sah aus, als müsse er sich übergeben und Deucalion schlug vor: „Es muss doch einen besseren Weg geben. Einen Privatdetektiv vielleicht?“ Der Jüngere gab ein verächtliches Schnauben von sich: „Ja, sicher! Warum nicht gleich der Typ, den du hinter Stiles hast herschnüffeln lassen und der dann alles brühwarm Kate verraten hat. Tolle Idee! Da mache ich es lieber selbst, denn mir kann ich wenigstens trauen. Und ich habe vielleicht auch schon einen ersten Trumpf in der Hand. Kate hat gestern irgendetwas mit meinem Handy angestellt. Ich hatte eine Fotofalle darauf installieren lassen und die hat sie erwischt, darum weiß ich es. Das Ding ist gerade bei einem der Nerds aus unserer Technikabteilung, der mir dann sagen wird, was sie gemacht hat. Ich vermute, sie hat eine Art Spyware darauf geladen und wenn das so ist, dann kann ich sie zukünftig mit genau den Informationen füttern, die meiner Mission nützen.“ „Und was für Informationen sollen das sein?“ fragte Deucalion stirnrunzelnd: „Weiß ich noch nicht.“ gab Derek zurück: „Na, das klingt ja alles wohl durchdacht!“ spottete der Ältere: „Hast du eigentlich auch irgendetwas Konstruktives beizutragen, oder bist du nur hier, um zu stänkern?“ fragte Derek erbost. Deucalion lächelte milde, als habe er es mit einem aufsässigen Kind zu tun: „Nein, eigentlich bin ich hier, um dir meine Hilfe anzubieten, wenn ich dir diese hirnverbrannte Sache schon nicht ausreden kann. Sag´ Bescheid, wenn ich etwas tun kann! Und ich selbst werde mir in der Zwischenzeit auch so meine Gedanken machen.“ Das kam überraschend. Derek war bereits wieder halbwegs versöhnt: „Danke Deuc. Wahrscheinlich könnte ich wirklich ein wenig Unterstützung brauchen.“ Entgegnete er friedfertig. Und nun tat Deucalion etwas, was wahrlich nicht alle Tage geschah; er beugte sich vor, um Derek zu umarmen und erklärte: „Ich bin froh, dass Stiles und du immer noch ein Paar seid. Der Junge tut dir gut, auch wenn ich das zunächst nicht sehen konnte. Ich wünsche euch von Herzen alles Gute!“ Soviel dazu, dass die Meinung anderer Leute nicht zählte. Derek wären fast die Tränen gekommen, so gut tat es ihm, endlich Zuspruch und Unterstützung für seine Beziehung zu erfahren: „Danke!“ murmelte er schlicht. Deucalion drückte ihn noch einmal, ein wenig zu fest und als er sich wieder löste, wirkte er irgendwie ein wenig verlegen: „Ich... uhm... werd´ dann mal weitermachen. Schreibtisch voller Arbeit, und so!“ erklärte er, sich räuspernd, wandte sich um und verschwand wieder. Derek blickte ihm nachdenklich hinterher. Nach der Mittagspause ging er hinunter ins Labor zu Jarod, dem Techniker, der sein Handy untersucht hatte. Der blasse, junge Mann mit der hässlichen Hornbrille schwitzte ein wenig und er wirkte ausgesprochen unbehaglich, aber Derek kannte das schon: Jeder hatte Angst davor, mit dem großen Boss persönlich zu sprechen und dabei am Ende vielleicht noch eine schlechte Figur zu machen. Derek lächelte ihm aufmunternd zu: „Also Sir, wer immer sich an ihrem Handy zu schaffen gemacht hat, hat darauf eine Software installiert, die ihm Zugang auf sämtliche Inhalte gewährt, ihren Standort verrät und ihre Telefonate können von der Person mitgehört werden.“ erklärte der junge Mann: „Wollen sie, dass ich dieses Programm wieder für sie entferne?“ Derek schüttelte den Kopf und versicherte, sein Telefon wieder an sich nehmend: „Nein, nicht nötig. Ich danke ihnen für die gute Arbeit.“ Er kehrte in sein Büro zurück. Derek bereitete das Gehörte keine Sorge, denn er hatte ja zuvor Vorkehrungen getroffen. Empfindliche Daten, sowie die meisten Telefonnummern hatte er gelöscht, geschäftliche Anrufe erreichten ohnehin bloß sein dienstliches Handy und Stiles war gewarnt, denn sie hatten dies vorher genau so geplant. Nein, eigentlich lief alles so, wie er es vorher geplant hatte und er war erleichtert und verbuchte dies als ersten kleinen Erfolg. Er wusste, was er als nächstes zu tun hatte und es schmeckte ihm irgendwie gar nicht. Daher beschloss er vorher noch ein ausgedehntes Workout zu absolvieren. Wenn er so richtig schön erschöpft wäre, würde es ihm sicher leichter fallen, seinen Unmut zu kontrollieren und mit der gebotenen Freundlichkeit aufzutreten. Also schnappte er sich seine Sportkleidung und ging hinunter in den Kraftraum seiner Firma. Dort traf er zufällig Danny, der bei seinem Anblick ein wenig blass wurde und schnell versicherte: „Sorry, Boss! Ich... ich hätte vorher fragen sollen, aber ich habe gerade Pause. Ehrlich!“ Derek musste ein wenig lachen: „Hey, ist doch in Ordnung. Dieser Raum ist schließlich für meine Mitarbeiter gedacht. Du kannst hier jederzeit trainieren.“ Dann stellte er anerkennend fest: „Du bist verdammt gut in Form, Danny.“ Der Jüngere zeigte das, für ihn so typische schüchterne Lächeln: „Nicht so gut wie du, Boss! Du bist ein echter Fels.“ Derek zuckte lediglich mit den Achseln, weil es ihn ein wenig verlegen machte. Er stellte sich neben Danny auf´s Laufband und da sie allein im Raum waren, fragte er: „Wie läuft´s eigentlich mit Isaac und dir?“ Ein gutmütiges und zärtliches Lächeln zeigte sich auf Dannys Gesicht: „Es ist wie eine Zwiebel zu schälen. Um an das liebliche Innere zu gelangen musst du erst eine Schicht nach der anderen abtragen und manchmal gibt’s dabei Tränen. Aber ich glaube, am Ende lohnt es sich. Er ist so... verletzt, aber er ist im Grunde ein wirklich guter Kerl. Ich denke, ich bin verliebt in ihn?“ Danny zögerte kurz und fragte dann: „Darf ich dich auch etwas fragen, Derek? Was ist denn nun mit Stiles und dir? Ist es wirklich vorbei? Ich kann das immer noch nicht recht fassen.“ Dereks Miene verfinsterte sich. Kate zu belügen war eine Sache, aber dieser Danny war ein netter Junge. Bis gerade eben hatte er sich auch noch sehr wohl mit ihm gefühlt und vor allem Stiles ein wenig näher, weil er doch einer seiner Freunde war: „Ich schätze schon.“ antwortete er vage. „Ich verstehe schon!“ versicherte Danny mitfühlend: „Du magst nicht darüber sprechen. Aber eine Sache möchte ich trotzdem sagen: Auch wenn ich nicht weiß, was zwischen euch beiden in Wirklichkeit vorgefallen ist, bin ich mir dennoch sicher, dass Stiles dich wirklich liebt. Er ist einer von den Guten, Derek! Vielleicht kannst du dich ja doch irgendwann überwinden, ihm zu vergeben, was auch immer er ausgefressen haben mag, um dich so zu verärgern.“ Dereks erster Impuls war es, den Jüngeren zusammenzustauchen und ihm zu sagen, dass er sich gefälligst um seinen eigenen Scheiß kümmern solle, doch er beließ es lediglich bei einem unbehaglichen Seitenblick und Danny verstand ihn auch so: „Schon gut, ich sage nichts mehr.“ versprach er und zeigte pantomimisch, wie er das Vorhängeschloss vor seinem Mund verschloss und den Schlüssel wegwarf. Und er hielt sich auch daran, denn von diesem Moment an trainierten die Männer beinahe schweigend weiter, sprachen nur noch über den Sport, beaufsichtigen einander gegenseitig bei den Großhanteln und Derek entspannte sich wieder. Nachdem er geduscht hatte, wusste Derek, dass er das Unvermeidliche nun nicht länger vor sich herschieben konnte. Er nahm sein Telefon und wählte Kates Nummer: „Hey Katie!“ begrüßte er sie gespielt zerknirscht: „Hast du schon in die Zeitung geschaut? Oh, Mann, es tut mir so leid!“ Ein kleines Lachen vom anderen Ende der Leitung: „Ist doch nicht schlimm, Baby!“ versicherte Kate: „Lass´ die Leute doch schreiben, was immer sie wollen. Mich stört das überhaupt nicht. Und für dich ist es doch nur gut! Umso schneller ist dieser unbedeutende Skandal mit deiner kleinen Nutte vergessen.“ Derek spürte, wie Magensäure in ihm aufstieg, doch Kate sprach einfach weiter: „Ich habe mir da auch schon etwas zu überlegt. In Zwei Tagen gibt es da diesen großen Wohltätigkeitsball. Die Presse wird auch da sein, sowie jeder der Rang und Namen hat. Da gehen wir zusammen hin und du bist fein raus.“ `Wie selbstlos von dir!´, dachte Derek bitter. Laut sagte er: „Ach Kate! Du weißt doch, dass ich solche Veranstaltungen hasse, wie die Pest.“ „Nun stell´ dich nicht so an, Derek. Es gibt doch wohl Schlimmeres, als einen Abend lang mit deiner heißen Ex zu tanzen, oder nicht. Ich schlage ja nicht vor, das wir knutschen, oder so? Und es ist ja auch für einen guten Zweck; Krebs-Babys, oder so. Auf so etwas stehst du doch. Um auf die Gästeliste zu kommen musst du nur eine großzügige Spende an die Veranstalter machen und schon ist die Sache geritzt. Und das Beste daran: Du wäschst dich damit nicht nur von dem Schmutz der Gosse rein, sondern siehst auch noch wie ein großer Wohltäter aus, wenn du freigiebig für die edle Sache spendest.“ Derek biss bei diesem erneuten Seitenhieb gegen Stiles die Zähne zusammen. Leider musste er zugeben dass die Sache tatsächlich perfekt war, wenn auch nicht aus dem Grund, den Kate meinte. Es wäre die perfekte Gelegenheit Kate in Sicherheit zu wiegen, Zeit mit ihr zu verbringen und sie vielleicht sogar abzufüllen, um ihre Zunge ein wenig zu lockern. Und so sagte er: „Einverstanden. Ziehen wir es durch.“ Und mit ein wenig Übelkeit zwang er sich noch zu einem: „Dank´ dir Katie. Du bist die Beste. Ich weiß, ich habe dir in letzter Zeit nicht allzu viel Grund gegeben, mir zu helfen und du tust es trotzdem. Du bist eine echte Freundin!“ „Keine große Sache, Der! Und du kannst es wieder gut machen. Du wirst mir nämlich mein Ballkleid kaufen!“ erwiderte sie fröhlich: „Wir treffen uns morgen um vier am Rodeo Drive!“ Noch ehe Derek irgendwelche Einwände erheben konnte, hatte Kate sich verabschiedet und aufgelegt. Er kochte innerlich. Um wieder herunterzukommen, sagte er sich ein weiteres Mal, dass er das ganze für Stiles tat und dass es das deswegen wert sei. Er zog ein Foto seines Geliebten aus seiner Schreibtischschublade, betrachtete es zärtlich und wünschte sich nichts sehnlicher, als Stiles nun einfach anzurufen, um seine Stimme zu hören und ihm zu sagen, wie sehr er ihm fehlte und dass er ihn liebte, wie verrückt. Andererseits würde das seine Sehnsucht nur noch weiter anfachen und er musste einen klaren Kopf behalten, also unterdrückte er diesen Wunsch ganz schnell wieder. Kapitel 47: Der Stiles-Faktor ----------------------------- Stiles langweilte sich. Und noch schlimmer, er fühlte sich nutzlos! Er wusste, dass Derek da draußen war und für ihn den bösen Drachen bekämpfte, während er selbst wie das kleine Burgfräulein in Nöten in seinem Turmzimmer hockte, bis sein Retter endlich anrückte und ihm sagte, dass die Gefahr gebannt sei. Das Problem dabei war, dass Stiles nicht dazu geschaffen war, sich das Spiel von der Seitenlinie aus anzuschauen. Das hatte er schon damals kaum ertragen, als er in der Schule noch Lacrosse gespielt hatte. Leider hatte er diese, ihm eigene Charaktereigenschaft irgendwie nicht mit einkalkuliert, als er und Derek gemeinsam den Plan ausgearbeitet hatten. Stiles war nicht bloß ein Pläneschmieder, nein, er war auch ein In-der-ersten-Reihe-Kämpfer, doch nun konnte er gerade nichts anderes tun als zu warten. In den ersten drei Tagen hatte er auf seinem Bett gelegen und nichts weiter getan als zu fressen, zu kiffen, fernzusehen und zu wichsen, bis er vollkommen wund war und am Ende war er von selbst angewidert. Ab da versuchte er alles, um sich irgendwie abzulenken, besuchte Vorlesungen an der Uni, machte ausgedehnte Spaziergänge und machte sich bisweilen auch einen Spaß daraus, zu versuchen, seinen beiden Bodyguards auszubüxen, die unauffällig ständig um ihn herum waren. Doch dann ging das mit den Zeitungsberichten los und mit Stiles Seelenfrieden war es endgültig vorbei. Er wusste, er musste auch selbst etwas tun, um der Sache ein schnelles Ende zu bereiten, wenn er nicht verrückt werden wollte und er wusste auch, wo er anfangen musste, also rief er bei Chris Argent an. Er verabredete sich mit diesem für diesen Nachmittag in einer kleinen Bar am Stadtrand. Es war vielleicht ein bisschen paranoid, aber er wollte unter allen Umständen vermeiden, dass irgendwer sie beide zusammen sähe und am Ende Kate noch Wind von diesem Treffen bekam. Rational war Stiles vollkommen klar, wie unwahrscheinlich es in einer Großstadt wie L.A. wäre, sich einfach mal eben zufällig in die Arme zu laufen, aber dennoch. Auch wenn es ein wenig dekadent sein mochte, hatte Stiles ein Taxi zum Zielort genommen, weil er sich damit sicherer fühlte. Er hatte gerade einen Tisch ausgewählt und sich daran niedergelassen, als auch schon Chris eintrat. In dieser Spelunke setzte man sich kühn über das, in ganz Kalifornien geltende Rauchverbot hinweg, und die wenigen anwesenden Gäste; allesamt traurige, einsame, alte Trinker die, jeder für sich allein an der Bar hockten, hüllten den, ohnehin schon düsteren Raum in eine Wolke aus hellblauem Rauch. Die Einrichtung war alt und verschossen: Sperrholz, vergilbter, ausgeblichener, ehemals roter Pannesamt als Vorhangstoff vor den trüben Fensterscheiben, die Sitzgelegenheiten alle mit dem gleichen, sperrigen Plastik bezogen, in der Farbe von Babydurchfall: „Nett hier.“ kommentierte Argent spöttisch und ließ sich nieder: „Der Tisch sieht aus, als wolle er mich mit Genitalherpes infizieren.“ „Dann lässt du wohl besser die Hose zu, was Argent?.“ erwiderte Stiles mit einem kecken Grinsen: „Tut mir leid. Ich wollte einfach sicher gehen, dass uns niemand sieht.“ Chris gab ein kurzes Lachen von sich: „Ja, ich schätze, dann sind wir hier richtig. Niemand, den ich kenne würde sich jemals hierher verirren.“ „Echt? Also ich find´s nett hier. Es könnte meine neue Stammkneipe werden.“ behauptete Stiles mit einem Schmunzeln. „Ein Mann mit Geschmack.“ gab Chris ein wenig angewidert zurück und wollte dann wissen: „Was kann ich denn nun eigentlich für dich tun, Stiles?“ Stiles tat sich schwer damit, sein Anliegen direkt vorzutragen. Er fragte sich immer noch, wie es für Chris als Kates Bruder sein musste, dass Derek und er versuchten, sie als gefährliche Verbrecherin zu überführen. Da musste es doch so etwas wie familiäre Loyalität geben, oder nicht? Ihm wurde klar das großes Drumherumreden nichts bringen würde und so fragte er den Älteren dies ganz direkt. Von der Leichtigkeit, die bei ihrer Begrüßung geherrscht hatte, war schlagartig nichts mehr zu spüren. Die Miene von Chris verschloss sich irgendwie und er antwortete nicht sofort. Vielmehr schien er intensiv darüber nachzudenken, was und wie viel er Stiles erzählen wollte. Als er endlich zu sprechen begann, klang er müde und irgendwie niedergeschlagen: „Weißt du Stiles, meine Familie ist nicht so, wie die meisten Familien. Mein Elternhaus war alles andere als ein Ort der Liebe und der Geborgenheit. Mein Vater war ein hohes Tier beim Militär und dies machte auch vor unserer Türschwelle nicht Halt. Wir mussten gehorchen, wie kleine Soldaten. Unser Leben bestand daraus, Befehlen zu gehorchen und drakonische Strafen zu ertragen. Meine Mutter war eine empfindliche, sanfte Frau, ohne großen Widerspruchsgeist. Und sie war beinahe noch ein Mädchen, als sie meinen Vater geheiratet hat, der wesentlich älter war als sie selbst. Als ich irgendwann alt genug war, um diese Dinge zu begreifen, wurde mir klar, dass Gerard Argent sie aus genau diesem Grund ausgewählt hatte. Er hatte niemals eine ebenbürtige Partnerin gewollt, sondern jemanden, der ihm bedingungslos folgte. Dies hat meine Mum auch in beinahe allen Lebenslagen getan, doch dann hat sie ihn direkt nach der Geburt von Kate ohne jede Vorwarnung verlassen. Zunächst war ich unheimlich wütend und enttäuscht. Mum war der einzige Halt und Lichtblick in meinem Leben und dann war sie von einem Augenblick auf den nächsten einfach fort. Zwei Jahre später habe ich erfahren, dass sie sich das Leben genommen hat. Ich war damals zwölf Jahre alt und mein Vater hat tatsächlich versucht mir die Teilnahme an der Beerdigung meiner eigenen Mutter zu verbieten. Kannst du dir so etwas vorstellen, Stiles?“ fragte Chris, doch es war eine rein rhetorische Fragen, denn er fuhr sogleich fort in seiner Erzählung: „Ich bin dann jedenfalls von zuhause ausgerissen und hatte nicht die Absicht, jemals wieder zurückzukehren. Ich hatte ein paar Sachen gepackt und meinen Vater etwas Geld aus der Brieftasche gestohlen, bin mit dem Bus zunächst zur Beerdigung gefahren und habe dann geglaubt, ich könnte bei meiner Großmutter mütterlicherseits leben. Sie nahm mich nach der Trauerfeier auch tatsächlich mit zu sich nach Hause. Sie war außer sich vor Trauer um ihr Kind und hat mir dann etwas erzählt, das mich zutiefst entsetzt hat: Sowohl Kate, als auch ich seien Produkte von Vergewaltigungen. Meine Mutter hat sich Gerard verweigert, doch er hatte nun einmal Kinder gewollt. Und es wurde nun einmal stets alles so gemacht, wie Gerard Argent es wollte, selbst wenn dafür Gewalt nötig war! Darum ist sie geflohen. Darum hat sie sich schließlich auch umgebracht. Sie hat es einfach nicht verkraftet, was mein Erzeuger ihr über die Jahre angetan hat.“ Argent machte eine kurze Pause und starrte ins Leere. Unvermittelt fuhr er dann fort: „Ich erinnere mich, dass meine Großmutter mir Kakao und Kekse gegeben hat. Ich weiß nicht, warum ich angenommen habe, ich könnte nun bei ihr in Sicherheit sein. Es war dumm und naiv von mir, aber so sind Kinder eben, nicht wahr? Jedenfalls klingelte es ein paar Stunden später an der Tür. Grandma hatte mein Monster von Vater angerufen, damit er mich nachhause holte, obwohl sie ganz genau wusste, was für ein Mensch er war. Auf der Rückfahrt hat Gerard dann nicht ein einziges Wort mit mir gesprochen, doch kaum waren wir wieder zuhause und hatten die Türen hinter uns verschlossen, hat er mich so sehr verprügelt, dass ich dachte, er bringt mich um. Die zweijährige Kate hat alles von ihrem Laufställchen aus mit angesehen, in welchem er sie einfach allein gelassen hat, während er mich abgeholt hat. Ich konnte drei Wochen lang nicht zur Schule gehen, hatte etliche gebrochene Rippen, eine schwere Gehirnerschütterung, unzählige Hämatome und ein Platzwunde an der Stirn.“ Chris deutete an die Stelle, wo immer noch eine Narbe zu sehen war: „Er hat mich krankgemeldet. Niemand hat je etwas davon erfahren.“ Er schüttelte den Kopf; eine unbewusste Geste: „Ich war niemals der Sohn, den mein Vater gewollt hatte. Er nannte mich schwach und verweichlicht, weil ich nie aufgehört habe, an meiner Menschlichkeit festzuhalten. Mit Kate ist es anders gewesen. Von Tag eins hat sie alles getan, um Gerard zu erfreuen. Sie war bereit, ihm in allem zu folgen und unser Vater hat keine Gelegenheit ausgelassen, mich wissen zu lassen, was ich für eine Enttäuschung sei und wie stolz er hingegen auf Kate sei. Diese Sache mit ihrer Mitschülerin... das Gift, dass sie ihr heimlich verabreicht hatte, um die Abtreibung auszulösen... Unser Vater ist deswegen nicht wütend auf sie gewesen, nein im Gegenteil, er war stolz darauf, war dies doch das Ergebnis SEINER Schule: Alles tun, um deine Ziele zu erreichen, ohne Rücksicht oder Mitgefühl! Kate war sein perfektes Geschöpf. Und wenn du mich nun nach familiärer Solidarität fragst, Stiles: Ich glaube, das Beste, was meiner Schwester und den Menschen um sie herum passieren kann ist, dass jemand sie aufhält und sie dann vielleicht begreift, dass eben nicht jedes Mittel Recht ist, um zu erreichen, was man will. Meine Allison ist meine Familie. Für sie würde ich alles tun, aber Kate? Sicher, wenn man sie erst einmal überführt hat, dann werde ich den besten Anwalt für sie engagieren, dafür sorgen, dass sie im Knast immer genug Zigaretten als Zahlungsmittel hat, oder was auch immer, aber ich werde sie nicht schützen, wie es mein Vater getan hat. Ihrem Treiben muss Einhalt geboten werden! Derek ist mein Freund. Er soll nicht unter ihr leiden.“ Stiles war sehr ergriffen von Chris Erzählungen, deren Inhalt absolut erschütternd war, auch wenn der Ältere das alles sehr sachlich und ohne große sichtbare Regung vorgetragen hatte: „Oh, Mann! Danke für deine Offenheit!“ murmelte er ein wenig überfordert, um überhaupt etwas zu sagen. Sein Herz quoll über vor lauter Mitgefühl für den Älteren. Chris nickte lediglich. Er war ein wenig in sich zusammengesackt und sein Blick ging ins Leere. So saß er eine Weile reglos da. Dann, völlig unvermittelt, straffte er sich, richtete sich in seinem Sitz kerzengerade auf und blickte Stiles eindringlich an: „Und wirst du nun auch ehrlich zu mir sein, wenn ich dir ein paar Fragen stelle, Stiles?“ wollte er wissen. Stiles nickte und Chris forderte: „Dein Freund Scott, der mit meiner Tochter ausgeht... erzähl mir etwas über ihn!“ Stiles lächelte in sich hinein: „Scott ist der Beste!“ erklärte er versonnen: „Ich kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass ich nicht mehr am Leben wäre, wenn ich ihn nicht getroffen hätte. Damals war ich wirklich ziemlich fertig.“ Er berichtete davon, wie Scott ihn gefunden und ihm alles über das Leben auf der Straße beigebracht hatte, sie beide sich zusammengetan und füreinander gesorgt hatten: „Du musst wissen, dass es für Jungs in unserer Branche alles andere als üblich ist, dass der eine sich um den anderen kümmert.“ erläuterte Stiles: „Die meisten denken bloß an sich selbst und versuchen, zu überleben. Aber Scott ist vollkommen anders. Er ist mein allerbester Freund und ich vertraue ihm blind. Und wegen Allison musst du dir wirklich keine Sorgen machen, Chris. Scott liebt sie wie verrückt. Er würde alles für sie tun und ihr niemals wehtun.“ Chris nickte, mit Stiles Antwort scheinbar zufrieden. Dennoch schob er hinterher: „Das will ich ihm auch geraten haben.“ Dann wollte er wissen: „Und was ist eigentlich mit dir Stiles? Wirst du Derek irgendwann wehtun?“ „Niemals!“ gab Stiles sehr ernsthaft zurück und hielt Argents durchdringendem Blick stand: „Aber du musst zugeben, dass es so aussehen könnte, als würdest du Derek bloß ausnutzen. Er ist doch wirklich so etwas wie ein Hauptgewinn; gutaussehend, athletisch, ein wirklich guter Kerl und reicher als Gott.“ forschte Chris weiter. Stiles stieß ein unglückliches Lachen aus: „Das ist das Problem mit euch reichen Typen. Euer ganzes Geld macht euch misstrauisch und ängstlich. Aber weißt du Chris, nicht jedem bedeutet Kohle so viel, wie euch. Sicher, ich habe ein paar geile Erfahrungen gemacht, seit ich Derek kennengelernt habe. Ich habe Delikatessen gekostet, die ich ohne ihn sicherlich niemals hätte probieren können, ich weiß, wie man sich in einem Designeranzug fühlt, oder wie es ist, in einem riesigen Haus mit Pool und jedem Komfort zu leben, aber das alles bedeutet mir nichts. Ich würde mit Derek auch in einem Pappkarton in der Gosse hausen und glaub´ mir, ich weiß was so ein Leben bedeutet. Hauptsache ich bin bei ihm; für immer und ewig, wenn es geht. Ich liebe ihn!“ „Wie habt ihr euch eigentlich getroffen? Hat er dich bei einer Agentur gebucht, oder so?“ wollte Chris wissen. Stiles stieß ein amüsiertes Lachen aus: „Agentur? Wie vornehm! Nein, Derek hat mich von der Straße aufgelesen, wie einen Streuner.“ Argent runzelte die Stirn: „Nimm´ es bitte nicht persönlich, Stiles, aber wieso ausgerechnet du? Hätte es für Derek nicht einfachere und sicherer Wege gegeben, wenn er einfach nur jemanden für´s Bett gewollt hätte?“ Stiles bestätigte: „Die hätte es mit Sicherheit gegeben, doch so ist es ja auch nicht gewesen. Derek hat mich niemals für Sex bezahlt.“ Chris sah tatsächlich überrascht aus und Stiles erklärte: „Wenn du mehr darüber wissen willst, dann frag´ besser Derek selbst danach, aber ich verrate dir soviel: Derek war ziemlich am Ende, als wir uns begegnet sind und ich hatte das Glück, ihm darüber hinweg helfen zu können.“ „Ich erinnere mich.“ bestätigte Chris: „Wir als seine Freunde haben uns große Sorgen um ihn gemacht. Er hat erschöpft und krank gewirkt, doch er wollte sich von uns nicht helfen lassen. Wie hast ausgerechnet du es dann dennoch geschafft, Stiles?“ Der Jüngere zuckte mit den Achseln: „Ich weiß es ehrlich gesagt selbst nicht so genau. Ich war einfach da. Und... na ja... vielleicht hat es Derek ja auch geholfen, dass ich eben anfangs kein Freund gewesen bin, sondern einfach jemand den er für die Hilfe bezahlt hat. So hatte er nicht das Gefühl, mir etwas zu schulden und das erlaubte es ihm, die Kontrolle über die Situation zu behalten?“ Chris nickte nachdenklich. Endlich kamen ihre Drinks, die sie bereits vor einer kleinen Ewigkeit geordert hatten, doch Argents Whiskeyglas war wasserfleckig und an Stiles Bierkrug klebte noch ein Rest Lippenstift, so dass sie sich entschieden, ihre Getränke doch lieber unberührt zu lassen. Der Ältere wechselte schließlich das Thema, indem er fragte: „Warum bin ich nun eigentlich hier, Stiles? Was willst du von mir wissen?“ „Ich will, dass du mir die Namen der Mitschülerin und die eures ehemaligen Hausmädchens sagst, die Kate vergiftet hat und alles, was du sonst noch weißt; Geburtsdaten, Adressen... solche Dinge?“ antworte Stiles frei heraus: „Was hast du denn damit vor?“ wollte Chris wissen: „Na was schon? Ich will mit ihnen sprechen, sehen, was ich vielleicht noch herausfinden kann.“ gab Stiles zurück: „Und wäre Derek damit einverstanden, wenn er wüsste, dass du einfach den Detektiv spielst?“ erkundigte sich Allisons Vater: „Nein, das wäre er mit Sicherheit nicht, aber ich habe auch nicht die Absicht, ihn deswegen um Erlaubnis zu bitten. Aber ich muss einfach auch etwas tun, um diese Situation zu beenden, sonst werde ich nämlich noch wahnsinnig. Und diese Nachforschungen sind ja vielleicht ein Anfang? Sagst du es mir nun, oder muss ich versuchen, es auf anderem Wege herauszufinden?“ erkundigte sich Stiles. Chris seufzte: „Derek will doch, dass du aus der Schusslinie bist. Wenn Kate herausfindet, dass du in ihren gut gehüteten Geheimnissen aus der Vergangenheit herumstocherst, dann wird es mit Sicherheit gefährlich für dich. Meine Tochter ist in deinem Alter. Wenn ich dein Vater wäre, dann würde ich sicherlich nicht wollen, dass du das tust.“ „Dann ist es ja gut, dass du nicht mein Vater bist und ich kann auf mich aufpassen.“ erwiderte Stiles mit ein wenig Trotz in der Stimme: „Also was ist nun? Sagst du es mir nun?“ Darüber musste Argent einen Moment nachdenken. Schließlich zückte er einen Kugelschreiber, nahm einen Bierdeckel zur Hand und kritzelte alle Informationen, die er besaß auf einen Bierdeckel. Stiles bedankte sich und zahlte für ihre Getränke. Chris bot nun an, Stiles nachhause zu fahren, doch dieser lehnte ab, denn er hielt es immer noch für sicherer, wenn Chris und er von niemandem zusammen gesehen wurden. Er nahm sich ein weiteres Mal ein Taxi, nachdem der Ältere vom Parkplatz der Bar heruntergefahren war. Mit den Informationen, die er erhalten hatte sollte sich wohl etwas anfangen lassen, dachte Stiles hochzufrieden und selbst wenn die beiden Frauen nach denen er suchte mittlerweile umgezogen, oder durch Hochzeit ihren Nachnamen geändert haben sollten, sollte es möglich sein, sie damit aufzuspüren, um sie zu befragen. Und dann gab es ja noch diese andere Sache, die Stiles seit kurzem durch den Kopf spukte. Bislang war es bloß eine vollkommen hirnrissige Spekulation, aber dennoch ließ der Gedanke Stiles nicht los, dass am Ende vielleicht doch etwas daran wäre? Vielleicht war es ja so etwas wie Instinkt? Oder er verlor ganz einfach so langsam den Verstand. Kapitel 48: Gal Pals -------------------- „Du willst heute mit zum Einkaufen kommen?“ fragte Derek seine Cousine verständnislos: „Wieso dass denn?“ „Na ich werde doch etwas zum Anziehen brauchen, wenn ich zum ersten Mal auf einen Ball gehe, wie Cinderella, oder etwa nicht?“ gab Malia zurück und machte sich über das späte Frühstück her, zu welchem sie sich bei Derek zuhause frech selbst eingeladen hatte. „Zu dem Ball kommst du auch mit? Seit wann denn das?“ wollte Derek wissen, der die Welt nun nicht mehr verstand. Malia lud sich einen halben Zentner Roastbeef auf eine gebutterte Bagelhälfte und biss erst einmal genüsslich ab, ehe sie antwortete: „Dein Kumpel Deucalion hat mich eingeladen und auch in meinem Namen eine Spende an die Veranstalter gemacht. Nett, oder?“ „Wie? Was? Kommt Deucalion etwa auch mit?“ fragte Derek entsetzt, welcher gerade bereute, seinem Freund und Kollegen überhaupt davon erzählt zu haben: „Was habt ihr denn vor, zum Teufel?“ „Yupp, er und auch die süße Erica sind dabei. Und was denkst du wohl, was wir vorhaben? Wir helfen dir, Trottel! Und weißt du was? Ich freue mich schon darauf, meine neue beste Freundin kennenzulernen.“ antwortete sie schulterzuckend und forderte dann: „Reich´ mir doch mal das komische schwarze Zeug da!“ Seufzend gab Derek seiner Cousine die kleine silberne Schale mit dem Kaviar: „Beste Freundin? Sprichst du etwa von Kate, oder wie? Sag mal, was soll das denn werden, Malia?“ „Lecker! Salzig!“ kommentierte Malia erst einmal den Kaviar: „Tolles Frühstück!“ Derek schnaubte ungeduldig und so ließ sie sich dann doch noch zu einer Erklärung herab: „Ich werde werde mich mit dieser Kate verbünden. Ich habe mir da schon etwas überlegt. Ich sagte doch, ich würde dir helfen.“ „Und wenn sie dich durchschaut?“ fragte Derek sorgenvoll. Malia richtete sich ganz gerade in ihrem Sitz auf und schnappte empört: „Was soll das denn heißen? Hältst du mich etwa für blöd? Ich kann mit Sicherheit glaubwürdiger lügen als du, du harmloses, kleines Schäfchen.“ „Hey! Ich bin ein Geschäftsmann, sogar ein Global-Player. Ich führe tagtäglich Verhandlungen, bei denen es um Millionen von Dollar geht! Ich bin überhaupt nicht harmlos!“ antwortete Derek verschnupft: „Aber dies hier ist etwas anderes, Derek. Diese Frau hat dir wehgetan. Und wenn du ihr gegenüberstehst, dann wirst du wieder ein kleines bisschen zu dem Jungen, den sie damals gekannt hat. Du brauchst jemanden, der dir den Rücken deckt und genau das biete ich dir dir an.“ resümierte Malia ungewohnt einsichtsvoll. Dagegen ließ sich schwer etwas, denn es war wahr und Derek hatte es zu seinem großem Verdruss ja auch schon selbst an sich festgestellt: „Also gut.“ lenkte er ein, als sei es nicht sowieso schon längst abgemachte Sache gewesen: „Aber du musst mir genau verraten, was du vorhast!“ Malia grinste böse: „Du kennst doch die Redensart „Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“, oder nicht?“ „Und was soll das bitteschön bedeuten?“knurrte Derek frustriert über diese mysteriöse Antwort: „Wirst schon sehen!“ versicherte seine Cousine Derek wedelte entnervt mit den dichten dunklen Augenbrauen, doch das beeindruckte die Jüngere überhaupt nicht und so probierte er schließlich eine neue Strategie: „Und ich kann dir wirklich nicht ausreden, mitkommen zu wollen? Das wird nämlich eine echt öde Veranstaltung: Ein Haufen reicher Säcke, die fressen, saufen, tanzen und höfliches Blabla machen.“ „Keine Sorge. Ich weiß mich schon zu amüsieren. Das tue ich immer!“ versicherte Malia. „Also gut.“ seufzte Derek ergeben: „Dann komm eben mit. Aber wenn ich dir signalisiere, dass es schlecht läuft, dann lässt du die Finger von Sache mit Kate, abgemacht?“ „Wir werden sehen.“ gab seine Cousine schulterzuckend zurück. Derek ließ stöhnend den Kopf auf die Tischplatte fallen und murrte: „Du bist echt Peters Tochter. Du bist die Pest am Arsch!“ Kichernd stippte Malia Weißbrot in das Kaviarschälchen, um auch noch die letzten Krümel zu erwischen und damit war das Thema für sie erledigt. Als sie die Boutique von Victoria Argent betraten, stießen Kate und ihre Ex-Schwägerin, in ein munteres Pläuschchen vertieft, gerade mit einander an. Mit Orangensaft? Nun war es klar; Kate war ganz offensichtlich derzeitig auf Entzug! Derek hätte nie gedacht, dass er diesen Moment noch mal erleben würde, denn seine Ex war immer schon eine Apothekerin gewesen. Es gab keine Pille, keine Droge und kein Feuerwasser, das sie noch nicht zur Genüge gekostet hatte. Sicher hatte ein Arzt ihr nun gesagt, dass ihr Körper endlich Tribut forderte? Vielleicht wirkte sie deswegen auch insgesamt zur Zeit ein wenig aufgeschwemmt? Zu schade, dass Kate sich scheinbar die Worte ihres Doktors zu Herzen genommen hatte. Alles wäre so viel leichter, wenn sie einfach zeitnah an einer Leberzirrhose krepieren würde, dachte Derek gehässig. Kate blickte auf, als sich die Ladentür öffnete und als sie Malia an Dereks Seite erblickte, verdüsterte sich ihre Miene lange genug, dass Derek erkennen konnte, dass es ihr gar nicht passte, dass eine andere Frau ihre traute Zweisamkeit stören würde, doch sie hatte sich schnell wieder im Griff und zeigte breit lächelnd einen Mund voll von blendend weißen Zähnen: „Hey, Derek! Wen bringst du denn da mit? Deine neue Freundin etwa? Darüber hast du mir ja noch kein Sterbenswörtchen verraten“ Malia schnaubte verächtlich: „Das ist Peters Tochter Malia, meine Cousine. Sie wollte mitkommen, weil sie auch etwas zum Anziehen für den Ball braucht.“ machte Derek bekannt. „Aha!“ machte Kate und ihr Lächeln wurde aufrichtiger, als klar war, dass sie keine Rivalin vor sich hatte, sondern ein Familienmitglied, mit dem sie sich besser gut stellen sollte, wenn sie Dereks Gunst gewinnen wollte. „Malia Tate!“ stellte Dereks Cousine sich vor und drückte Kates Hand ein wenig fester als nötig. Eigenartigerweise gefiel dieser das, denn endlich schien da ein Gegenüber zu sein, dass es mit ihr aufnehmen wollte. Sie erwiderte die Begrüßung auf die gleiche Weise und die beiden Frauen zwinkerten einander verschwörerisch zu. „Tate?“ fragte Kate nach: „Wieso denn nicht Malia Hale?“ „Kommt noch. Namensänderung ist bereits beantragt.“ erwiderte Malia knapp und in einem Ton, der keine Nachfragen zum Thema duldete, denn sie verspürte nicht die geringste Lust, ausgerechnet mit Kate Argent über so etwas Persönliches wie über ihr Miststück von Mutter zu sprechen. Derek begrüßte Victoria und nun wandte auch Malia ihre Aufmerksamkeit der Frau mit den wasserblauen Augen und dem roten Bürstenhaarschnitt zu: „Hab´ schon ´ne Menge von ihnen gehört.“ gab sie bekannt und schüttelte der Fremden die Hand. „Hat meine Allison also von ihrer Mutter erzählt?“ mutmaßte Victoria. Malia schüttelte grinsend den Kopf: „Sie nicht, aber Chris. Wir Zwei sind nämlich Poker-Kumpel. Komisch? Nach seiner Schilderung hätte ich angenommen, sie hätten Hörner und Reißzähne? Oder fahren sie die nur bei Bedarf aus?“ Victorias Miene blieb vollkommen ausdruckslos und sie erwiderte nüchtern: „Chris ist so ein Baby! Es wäre wünschenswert gewesen, er hätte unsere Trennung mit ein wenig mehr Haltung aufgenommen.“ „Tja, Männer eben!“ gab Malia achselzuckend zurück: „Alles Heulsusen.“ „Ganz reizend, Cousinchen!“ knurrte Derek, da er ja der Einzige weit und breit war, der die männliche Ehre verteidigen konnte: „Können wir das hier jetzt vielleicht hinter und bringen und für euch Mädels etwas zum Anziehen aussuchen.“ „Hey, nun drängel´ doch nicht so, Süßer!“ mahnte Kate: „Ich hoffe doch, du hast ein bisschen Zeit mitgebracht. Wir Ladies brauchen nämlich ein wenig länger, um das Ballkleid für den perfekten Auftritt auszusuchen, stimmt´s nicht, Malia?“ Die Angesprochene zuckte gleichgültig mit einer Schulter: „Weiß nicht? Kleider sind eigentlich nicht so mein Ding.“ „Ach was, das haben wir gleich!“ versicherte Kate, nahm Dereks Cousine ungefragt bei der Hand und zog sie hinüber in die Ecke mit der Abendgarderobe für Damen. „Blöd, blöd, blöd und... UAGH!...total blöd!“ urteilte Malia naserümpfend die Kleider ab, welche sie auf der Stange hin und her schob. Kate schüttelte gutmütig den Kopf und wählte drei Kleider aus: „Probier´ diese hier doch mal an! Die werden dir stehen.“ Malia verzog das Gesicht, doch sie schleppte die getroffene Vorauswahl brav in die geräumige Umkleide. Und sie war verblüfft zu sehen, dass Kate ihr einfach dorthin folgte und den Vorhang hinter ihnen beiden schloss. Was sollte das denn jetzt werden? „Reißverschluss!“ erklärte Kate ungerührt, die offenbar die unausgesprochene Frage in Malias Gesicht gelesen hatte: „Es stört dich doch nicht, oder? Hier sind wir Mädchen doch unter uns.“ fügte sie mit einem seltsam anzüglichen Grinsen hinzu. „Nö!“ gab Malia zurück, denn sie hatte mit Nacktheit vor Anderen noch nie ein Problem gehabt. Aber im Stillen machte sich ihre Gedanken zu dem, was hier gerade ablief. Diese Kate ging anscheinend davon aus, dass absolut niemandem ihr widerstehen konnte. Und Sex war für sie offenbar nur ein Mittel, um Macht über andere auszuüben. Sicher dachte sie, es könne nicht schaden, sich ein wenig an die lesbische Cousine ihrer auserkorenen Beute heranzumachen, denn vielleicht würde diese sich ja einmal als nützliche Idiotin entpuppen? Malia grinste in sich hinein. Eigentlich tat sie dies hier ja bloß, um ihre Jungs zu beschützen, aber nun versprach diese Sache überdies auch noch spaßig zu werden. Diese Kate wollte spielen? Malia konnte spielen! Es wäre interessant herauszufinden, wie weit diese hinterhältige Schlange wohl zu gehen bereit war? Malia trug nur noch ihren Slip, als sie fragte: „Und? Du hast doch sicher auch diesen ganzen Mist über mich in der Zeitung gelesen, oder nicht? Was sagst du dazu?“ Kate schenkte ihr ein verblüfftes Lächeln und gestand dann: „Ja, ich kann nicht leugnen, dass ich es gelesen habe. Ist denn irgendwas davon wahr?“ `Scheinheilige Bitch!´dachte Malia bei sich. Laut sagte sie: „Das Wenigste. Ja, ich bin eine Lesbe, aber ich bin zum Beispiel keine Hure, so wie das verdammte, verräterische Wiesel Stiles selbst und er wusste auch ganz genau, was ich in Wirklichkeit beruflich tat, aber ich schätze, so herum ließ es sich leichter an die Presse verkaufen. Wenn ich das Schwein in die Finger bekomme, dann ist er jedenfalls fällig! Leider ist Stiles untergetaucht und ich habe keinen Schimmer, wo er steckt!“ „Wie konnte er das nur tun? Ist Stiles denn nicht ein Freund von dir gewesen?“ fragte Kate arglos und half Malia in ihr Kleid. „Pfft! Das dachte ich zumindest!“ knurrte Malia: „Aber es ist wohl wahr was man sagt; beim Geld hört die Freundschaft auf. Ich hätte nie gedacht, dass er mich derart verraten würde. Wie oft habe ich ihm aus der Scheiße geholfen und nun das? Verdammte Dreckssau!“ „Tuch mir echt leid.“ entgegnete Kate mit heuchlerischer Anteilnahme und fragte dann neugierig:„Aber was hast du denn nun in Wirklichkeit beruflich getan? Verrätst du es mir?“ „Ich habe eine wichtige Dienstleistung angeboten. Ich war... Erzieherin für Männer, die Probleme mit Disziplin und Gehorsam hatten. Und ich war gut in meinem Job!“ erklärte Malia selbstbewusst. „Verstehe!“ gab Kate grinsend zurück: „Und ich Idiotin habe das immer gratis gemacht.“ „Tja Schwester, schwerer Fehler!“ erwidert Malia und drehte sich zum Spiegel herum, um sich anschauen zu können: „Oh Fuck? Ich sehe ja aus wie so eine Tussi! Mach es wieder auf, ja“ Das Kleid war eine Corsage mit angeheftetem, bodenlangem Tüllrock in einem zarten, beinahe weißen Rosaton. Es saß perfekt! „Bist du sicher, dass es dir nicht gefällt, Malia? Du siehst nämlich echt heiß aus. Deine tollen Brüste und deine unglaublichen Schultern kommen darin so gut zur Geltung.“ raunte Kate in den Nacken der Jüngeren und strich mit ihren Fingerspitzen flüchtig über ebenjene Schultern. Malia grinste sie über die Schulter hinweg an und gab zurück: „Danke, aber das bin einfach nicht ich.“ „Komm´ schon, Süße! Zeigen wir uns wenigstens mal kurz Derek und Victoria!“ ermunterte sie Kate und öffnete den Vorhang der Kabine wieder. Auch die anderen beiden waren sich einig, dass das Kleid wie für Malia gemacht war. Kate und Victoria waren sich sogar einig, das Malia über eine Karriere als Model nachdenken sollte. Kate versicherte, sie könne da einige Fäden für sie ziehen. Malia brach angesichts dieses abwegigen Gedankens in schallendes Gelächter aus und je mehr Zuspruch sie für dieses Outfit erhielt, umso sicherer war sie, dass sie es morgen auf keinen Fall anziehen würde: „Danke Leute, aber schau du doch einfach für dich selbst, Kate. Ich probiere etwas anderes. Ich habe da schon eine Idee.“ erklärte sie und verschwand wieder, um das lästige, einzwängende Kleid wieder loszuwerden. Kate zuckte mit den Achseln, kommentierte, das man eben niemanden zu seinem Glück zwingen könne und begann damit, für sich selbst ein wenig zu stöbern. Sie fand schließlich ein, unter der Brust gegürtetes, cremeweißes, schulterfreies, langes Kleid im Stil einer römischen Toga, mit eingewebten Goldfäden und edlen Strassapplikationen, sehr elegant und wunderschön und es schmeichelte optimal ihrer Figur. Sie präsentierte sich darin. Malia hingegen kam aus ihrer Kabine in einem blendend weißem Plissée White Tie Hemd, einem schwarzen Frack, einer roten Fliege, einer gerade geschnittenen Nadelstreifenhose, einem Zylinder und einem vornehmen Gehstock mit silbernem Knauf. Das Outfit wurde komplettiert von schlichten schwarzen Sechzehn-Zentimeter-Heels. „Und? Was sagt ihr?“ wollte sie wissen. „ Du siehst aus wie Rich Uncle Pennybag!“ platzte es ungefiltert aus Derek heraus. Die drei Frauen blickten ihn stirnrunzelnd an und er erklärte kleinlaut: „Das ist der kleine Kerl vorn auf dem Monopoly-Spiel, wisst ihr?“ „Also wirklich, Derek! Wie kannst du denn so etwas sagen? Malia siehst sexy aus; beinahe wie die junge Marlene Dietrich. Ein tolles Make-Up dazu, die Haare ein wenig zurecht gemacht und sie wird die Königin des Abends!“ tadelte Kate und Victoria fügte hinzu: „In der Mode ist heutzutage so viel mehr möglich. Und deine Cousine sieht großartig aus, Derek.“ „Mir doch egal, was er sagt; das ist mein Outfit für den morgigen Abend, und basta! Und wenn ich wie der Monopoly-Typ aussehe, dann passe ich doch bestens zu den ganzen Geldsäcken!“ verkündete Malia trotzig. „Ach komm´ schon, Großer! Du kannst nicht leugnen, dass wir ein heißes Gespann sind!“ sagte Kate schnurrend und legte Malia vertraulich einen Arm um die Taille. „Schickt mir eine Hochzeitseinladung!“ erwiderte Derek trocken: „Da ist wohl jemand eifersüchtig?“ neckte ihn Kate. Anstelle einer Antwort seufzte Derek und zückte seine Kreditkarte, um für den ganzen Einkauf zu bezahlen. Später auf der Heimfahrt wollte Derek wissen: „War das etwa dein brillanter Plan, Malia? Du flirtest mit Kate?“ „Pfft!“ machte seine Cousine: „Nicht ich habe geflirtet, sondern SIE! Aber mir soll es Recht sein, denn es passt ganz gut in meinen Plan.“ „Und was wird Lydia dazu sagen?“ fragte Derek: „Lydia hat gesagt, ich soll das Miststück fertig machen. Meine Methoden sind ihr dabei egal.“ versicherte die Jüngere. „Aber WAS willst du denn genau machen?“ knurrte Derek ungeduldig: „Wenn´s gut läuft, dann schmiede ich mit Kate ein Mordkomplott gegen Stiles. Was hast du denn gedacht?“ erwiderte Malia grinsend. Derek riss entsetzt die Augen auf. Kapitel 49: Sherlockin´ around, Teil 1 -------------------------------------- Eva Garcia, das frühere Hausmädchen der Argents ausfindig zu machen war, trotz ihres Allerweltsnamens nicht besonders schwer gewesen, die Frau hingegen davon zu überzeugen, sich mit Stiles zu unterhalten war eine vollkommen andere Sache. Verständlicherweise war sie misstrauisch, nach allem, was Kate ihr angetan hatte und sie begriff nicht, wieso dieser fremde Typ am Telefon sich überhaupt mit ihr treffen und über diese alte Sache sprechen wollte. Stiles setzte schließlich alles auf eine Karte und appellierte an ihr Mitgefühl, indem er sagte, dass Kate immer noch ihr Gift mischte, um zu erreichen was sie wollte und dass sie ihm selbst ebenfalls nach dem Leben trachtete. Es funktionierte, denn Ms. Garcia willigte schließlich ein, Stiles heute um die Mittagszeit zu treffen. Sie verabredeten sich um zwölf Uhr auf der Aussichtsplattform im Griffith Park, in Sichtweite des Hollywood-Schriftzuges. Stiles war zwar schon seit geraumer Zeit in Los Angeles, doch seltsamer Weise hatte er sich bislang noch nicht ein einziges Mal an diesen weltberühmten Ort verirrt. Er war ein bisschen zu früh dort, trug den roten Hoodie, den er als Erkennungsmerkmal angegeben hatte und genoss einen Moment lang den Blick auf die Hollywood Hills. Es waren viele Menschen hier, die meisten von ihnen offensichtlich Touristen. Stiles hatte zunächst seine Zweifel gehabt, ob dies ein geeigneter Treffpunkt sei und ob ein etwas intimerer Rahmen nicht besser wäre, weil sie schließlich beide nicht unbedingt gesehen werden wollten. Andererseits konnte man hier bestens in der anonymen Menge untertauchen. Überdies war Stiles ja auch nicht allein. Die Waisenkinder waren ständig um ihn herum und hielten beide Augen für ihn offen. Violet hatte er sogar gerade noch kurz gesehen und sie hatte ihm verschwörerisch zugezwinkert, ehe sie wieder aus seinem Sichtfeld verschwunden war. Um fünf nach Zwölf war Stiles bereits hoch nervös und überzeugt, dass Ms. Garcia gar nicht erst auftauchen würde, als ihn plötzlich eine Frau von hinten ansprach: „Sind sie Senor Stiles?“ Sie betonte den Anfangsbuchstaben S jeweils ein wenig zu stark und ihre Sprechweise ging etwas schleppend, floss irgendwie sirupartig dahin, was typisch war für den schönen hispanischen Akzent. Stiles setzte etwas auf, von dem er hoffte, dass es ein vertrauenerweckendes Lächeln sein möge und drehte sich herum. Vor ihm stand eine atemberaubend schöne Frau Ende dreißig, die eine frappierende Ähnlichkeit mit der Schauspielerin Selma Hayek aufwies. Was konnte diese Frau mit dem Engelsgesicht wohl angestellt haben, um einen Zorn von Kate Argent auf sich gezogen zu haben, der groß genug war, sie schleichend vergiften zu wollen? „Ja, das bin ich. Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie gekommen sind, Ms. Garcia.“ Stiles reichte ihr die Hand, welche die Fremde flüchtig ergriff, ohne sie wirklich drücken. „Was wollen sie von mir, Senor?“ fragte sie stirnrunzelnd. „Bitte haben sie keine Angst. Ich will ihnen ganz bestimmt nicht schaden.“ versicherte Stiles rasch: „Ich will bloß etwas gegen Kate Argent unternehmen, bevor sie es am Ende doch noch schafft, mich zu töten. Drei Versuche hat sie bereits unternommen und ein Unschuldiger ist dabei gestorben, aber leider kann ich ihr überhaupt nichts beweisen.“ „Woher wissen sie überhaupt von mir? Wer hat ihnen erzählt, was damals passiert ist?“ erkundigte sich Eva Garcia misstrauisch. „Es war Kates Bruder Chris, der mir alles erzählt hat und er bittet mich ihnen zu sagen, wie leid es ihm tut, was damals passiert ist.“ antwortete Stiles schnell, denn schließlich wollte er ihr Vertrauen gewinnen. Ms. Garcia nickte bedächtig und erklärte düster: „Ja, der junge Mr. Argent war immer freundlich zu mir. Er hat sofort den Arzt gerufen, als ich krank wurde. Er ist der Einzige in der Familie, der kein Teufel ist.“ Stiles ließ sich von der Fremden kurz schildern, was sich da vor vielen Jahren im Hause Argent abgespielt hatte und weil Ms. Garcia es wissen wollte, erzählte er ebenfalls davon, was ihm selbst geschehen ist. Die Augen der Fremden verengten sich zu Schlitzen und sie sagte düster: „Ja, so macht es Ms. Kate; ganz im Geheimen! Keiner soll merken, wie böse sie in Wirklichkeit ist. Sie war stets freundlich und mitfühlend, wenn sie mir meinen Tee mit einer neuen Dosis Gift in mein Zimmer gebracht hat, hat mit sogar eine gute Besserung gewünscht. Diabolo!“ Ms. Diaz berichtete davon, dass sie mehrere Wochen gebraucht hatte um zu verstehen, wieso sie aus heiterem Himmel immer kränker und kränker wurde. Irgendwann stellte sie endlich fest, dass es immer dann schlimmer wurde, wenn sie etwas zu essen und trinken zu sich nahm. Geschwächt wie sie damals gewesen sei, habe sie sich dann dennoch auf die Lauer gelegt, um zu sehen, ob irgendwer ihr etwas unterjubelte und so habe sie Kate Argent schließlich dabei erwischt, wie sie Tabletten in einem Mörser zerkleinerte und in die für sie bestimmte Mahlzeit rührte. Sie habe damals einen Riesenspektakel gemacht, habe gedroht, die Polizei zu rufen, Kate vor Gericht zu bringen und habe sofort einen Arzt verlangt. Da habe Argent Senior, der Vater von Chris und Kate sie mit in ein Zimmer genommen, die Tür hinter ihnen abgeschlossen und sie hatten geredet: „Senor Gerard war mir immer wie ein wie ein freundlicher älterer Herr vorgekommen. An diesem Tag habe ich sein wahres Gesicht gesehen!“ erklärte Ms. Diaz schaudernd: „Ich weiß bis heute nicht, wie er es gemacht hat, denn er hat mir nie offen gedroht, es blieb immer nur bei vagen Andeutungen, doch am Ende dieses Gesprächs habe ich gezittert vor Angst. Es ist mir so vorgekommen, als wäre alles möglich, falls ich es wagen würde, gegen seine Tochter vorzugehen; dass er irgendetwas tut, um meinen Aufenthalt in diesem Land zu gefährden, dass er meiner Familie schadet, meinen Ruf ruiniert, so dass ich beruflich erledigt wäre, oder gar dass er mich töten und es wie einen Unfall aussehen lassen könnte. Schließlich war ich besiegt und wollte überhaupt nichts mehr gegen Kate unternehmen. Ich wollte bloß noch weg von dort! Gerard Argent hat dann seinen Leibarzt gerufen, der mich versorgt hat, um die Vergiftungssymptome zu lindern und dann hat er mit einem Haufen Geld mein Schweigen erkauft. Ich bin gegangen und habe mich nie wieder umgeblickt. Ich wollte einfach nur glauben, dass dies alles nur ein böser Traum gewesen sei und dass es so böse Menschen überhaupt nicht geben kann.“ Eva Diaz wirkte erschöpft nach diesem Bericht. Matt fügte sie hinzu: „Es tut mir leid, aber ich werde vor keinem Gericht aussagen. Ich habe immer noch große Angst vor diesen Menschen.“ Stiles nickte. Er konnte das alles nur allzu gut verstehen. Einem Impuls folgend nahm er die Hand der Frau ihm gegenüber und erklärte: „Er ist tot, Ma´am! Chris hat mir erzählt, dass sein Vater vor einer Weile seinem Krebsleiden erlegen ist. Gerard Argent kann nie wieder jemandem Angst machen.“ Eva Diaz atmete auf, als falle eine große Last von ihr ab und dann lächelte sie ganz einfach. Sicherlich gab es einen Teil in ihr der ihr sagte, dass es falsch sei, sich über den Tod eines Menschen zu freuen, doch in diesem Moment siegte die Erleichterung über diese moralische Instanz: „Danke!“ sagte sie. Dann verfiel sie in ein nachdenkliches Schweigen und fügte nach einer Weile bedauernd hinzu: „Es tut mir leid, dass ich nichts für sie tun konnte, Senor Stiles.“ Stiles schüttelte den Kopf: „Da irren sie sich. Sie haben sogar etwas sehr Wichtiges für mich getan. Dank ihrer Geschichte weiß ich nun endlich mit Sicherheit, dass ich mir das alles nicht nur einbilde und unter Verfolgungswahn leide. Bis jetzt gab es immer noch einen kleinen Zweifel in mir, einfach weil ich immer nicht vollständig glauben konnte, dass jemand mir wirklich so etwas Furchtbares antun würde, doch im Grunde ist das, was sie beschreiben genau das, was ich heute ebenfalls erlebe.“ Stiles wollte sich bereits verabschieden, als ihm klar wurde, dass er noch eine letzte Frage auf dem Herzen hatte: „Wissen sie eigentlich, warum Kate Argent sie damals vergiften wollte? Was konnten sie ihr denn bloß so furchtbares angetan haben, dass sie zu solchen Maßnahmen griff?“ „Ja, ich denke ich weiß, warum Kate tat was sie tat, auch wenn für mich überhaupt keinen Sinn ergibt.“ erwiderte die Frau mit einem Blick, der nachdenklich ins Weiter schweifte: „Ich war noch ein junges, dummes Mädchen damals, wissen sie, Senor? Und Kate hatte diesen Schrank voll von schönen Kleidern. Eines Tages war ich allein im Haus und ich konnte einfach nicht widerstehen. Ich habe einige von ihnen anprobiert. Ich weiß, dazu hatte ich kein Recht, aber ich dachte auch, ich schade doch niemandem damit? Ich weiß nicht, wie Kate das herausgefunden hat? Vielleicht hat sie bemerkt, dass in ihrem Schrank etwas anders war, als zuvor, obwohl ich mich sehr bemüht habe, keine Spuren zu hinterlassen. Vielleicht war da auch eine versteckte Kamera? Ich habe keine Ahnung? Sie hat mich jedenfalls danach zur Rede gestellt und ich habe alles abgestritten, weil es mir so unglaublich peinlich gewesen ist. Und bereits am nächsten Tag begann es dann, mir schlechter zu gehen.“ Diese Antwort verstörte Stiles mehr, als alles, was er sich selbst hätte ausdenken können: „Das Ganze bloß wegen ein paar dummer Kleider?“ fragte er fassungslos: „Aber sie haben sie ja nicht einmal gestohlen, sondern bloß angezogen. Was soll denn daran so schlimm sein?“ Eva Diaz zuckte matt mit den Achseln: „Es waren eben IHRE Kleider!“ „Um Himmels Willen!“ raunte Stiles ungläubig. Kapitel 50: Strictly Ballroom ----------------------------- Derek hockte missmutig zuhause auf seinem Sofa und am liebsten wäre er auch einfach dort sitzen geblieben. Mit finsterer Miene betrachtete er sein verwanztes Handy, welches stellvertretend für die Situation stand, in welcher er sich momentan befand: Sein Leben gehörte nicht mehr vollständig ihm selbst, denn Kate Argent versuchte mit allen Mitteln es zu kapern. Und er selbst musste den natürlichen Impuls in sich niederringen, dies nach Kräften zu bekämpfen. Stattdessen war er gezwungen, ihr Spiel mitzuspielen und so zu tun, als sei ihre Nähe ihm angenehm und nicht vollkommen unerträglich und widerwärtig. Natürlich hatte Derek das Telefon auch gelegentlich benutzt, um Kate in Sicherheit zu wiegen, weil es verdächtig gewesen wäre, wenn er es plötzlich stillgelegt hätte. Er hatte damit also Gespräche geführt, bei denen es ihm egal war, ob die Feindin mithörte. Und mit den wenigen Eingeweihten, also mit Scott, Malia und Deucalion hatte er überdies Telefonate nach Skript geführt, um Kate zu manipulieren. Er sprach darüber, wie sehr er sich auf den Ball freue, fand schmeichelhafte Worte darüber, was für eine großmütige Freundin Kate sei, weil sie zu ihm hielt und ihm die dummen Verdächtigungen der Vergangenheit einfach so verziehen hatte und natürlich sprach er auch über sein angeblich gebrochenes Herz und seine Enttäuschung über den ach-so-bösen Stiles. Doch selbstverständlich nahm Derek dieses Telefon nicht mehr überall mit hin, denn er hatte nicht die Absicht Kate ständig darüber zu informieren, wo er sich gerade aufhielt. Meist ließ er es daheim und gelegentlich nahm er es in die Firma mit, oder er gab es Greenburg unter einem Vorwand mit, wenn dieser unterwegs war, einfach um ein wenig Verwirrung zu stiften. Mit einem schweren Seufzer erhob Derek sich nun doch noch und schlurfte hinüber in Bad, duschte zunächst einmal und putzte sich dann hübsch für den heutigen Abend heraus, denn er musste ja eine überzeugende Show abliefern. Er warf einen letzten Blick in den Spiegel und dachte finster, dass Kate wohl gefallen würde, was sie sah. Eine Welle der Übelkeit überkam ihn, wie so häufig in letzter Zeit. Er straffte sich und machte sich auf den Weg. Greenburg saß bereits am Steuer der Limousine. Derek ließ sich auf eine der Rückbänke sinken und gab müde das Zeichen, dass es losgehen konnte. Bei Malias Haus machten sie den ersten Halt und weil diese noch nicht ganz fertig war, ging Derek auf einen Sprung zu ihr hinauf. Lydia begrüßte ihn an der Tür auf die französische Art mit Wangenküssen rechts und links und einem bezaubernden Lächeln und führte ihn dann nach hinten ins Schlafzimmer zu Malia. Von seiner Cousine konnte Derek jedoch momentan nur ein kleines Stück ihres Hinterkopfes und ein paar große Lockenwickler sehen. Auf Dereks freundliches „Hallo“ kam lediglich ein dunkles Knurren als Echo zurück, wie von einem sehr angepissten Raubtier. Der Grund für diese unfreundliche Begrüßung war indes nicht schwer zu erraten, denn Lydia hatte sich mittlerweile wieder vor ihre Gefährtin gehockt und vollendete ihr Werk an ihr. Dabei kamen neben dem zu erwartenden Lippenstift, den tausend unterschiedlichen Pinseln und der breiten Farbpalette auch noch ein silbernes, zangenartiges Werkzeug zum Einsatz, welches Derek eher an Chirurgie oder Gynäkologie denken ließ, aber nicht an Schönheit. Und da meldete sich Malia auch schon mit einem unzufriedenen: „Autsch, Bitch!“ zu Worte. Derek konnte nicht wirklich sehen, was bei den beiden Frauen vor sich ging, doch Lydia schalt ihre Freundin: „Benimm dich gefälligst nicht wie eine ungezogene Göre!“ Und aus der Richtung, in die ihre Hand nun kurz wanderte und dem daraus resultierenden spitzen Schmerzlaut Malias, konnte er nur schließen, dass seine Cousine mit einem kleinen Kniff in den Nippel bestraft worden war. Derek zuckte mitfühlend ein wenig zusammen. Schließlich betrachte Lydia ihr Kunstwerk, welches sie an ihrer Geliebten vollbracht hatte noch einmal, nickte dann zufrieden und erklärte: „Also gut Babe, du bist erlöst. Und nun zeig´ dem lieben Derek dein hübschestes Lächeln, ja?“ „Du nervst!“ grollte Malia, erhob sich, schlüpfte in Highheels und Frack, drehte sich dann endlich zu Derek herum und machte: „Ta-daa!“, als sei sie eine Raubtierbändigerin im Zirkus und ihre kleinen Lieblinge hätten soeben ein tolles Kunststück vollführt. „Wow! Du siehst echt hübsch aus!“ bemerkte Derek anerkennend und bedauerte im Stillen, dass er seine Cousine gestern noch mit dem Monopoly-Typen verglichen hatte. Zwar würde Malia in diesem Outfit heute den ganzen Abend herausstechen wie ein bunter Hund, aber sie sah unbestritten ganz fantastisch aus. Beim Make-Up hatte Lydia sich selbst übertroffen. Die Grundierung ließ Malias Teint erscheinen wie zartes Porzellan, auf den Wangen lag ein zarter Hauch von terracottafarbenem Rouge, die Augen waren nur sehr zurückhaltend mit ein wenig silbrigem Lidschatten, einem zarten Lidstrich und Maskara geschminkt, doch dafür waren die Lippen umso kräftiger mit einem dunkelroten Lippenstift betont und ihr kinnlanges Haar war im Bubikopf-Stil der 20er Jahre in Wasserwellen gelegt. „Meine Frau ist eben eine echte Schönheit. Ich wünschte nur, sie ließe mich das jeden Tag für sie machen.“ bestätigte Lydia. Von Malia folgte darauf lediglich ein entsetztes: „WAS? Nein, vergiss´ es! Das hier ist eine absolute Ausnahme. Ich finde, ich sehe aus wie ein Affe! Mach´ einfach ein Foto von mir, das du dir dann immer wieder anschauen kannst, wenn du es so toll findest, denn so etwas mache ich so bald bestimmt nicht wieder.“ Lydia grinste, knipste mit ihrem Handy schnell ein Bild und drückte ihrer Liebsten einen Kuss auf die Lippen: „Hab´ Spaß, meine Süße. Und nächstes Mal, wenn es nicht gerade darum geht, einer Soziopathin das Handwerk zu legen, dann nehmt ihr mich gefälligst mit.“ An Derek gewandt fügte sie hinzu: „Und sollte dieses Miststück zu weit gehen und versuchen mit meiner Frau zu schlafen, dann braucht ihr euch keine Gedanken mehr darüber machen, wie man ihr das Handwerk legen könnte, denn dann bringe ich sie ganz einfach um die Ecke!“ „Oh-kay?“ erwiderte Derek unsicher, wie ernst diese Drohung gemeint war und Malia und er verabschiedeten sich. Im Wagen betrachtete Malia ihren Cousin eingehend und kommentierte: „Kumpel, wenn du den ganzen Abend so ein Gesicht ziehst, dann weiß diese Kate doch sofort, dass etwas faul ist. Ich glaube, es würde nicht schaden, wenn du gelegentlich mal lächelst, oder so.“ „Ich bin eben nicht der Typ Mensch, der ständig mit einem Dauergrinsen durch die Gegend rennt! Na und?“ murrte Derek übellaunig. Malia grinste: „Das stimmt doch gar nicht. Wenn eine ganz bestimmte kleine Nervensäge in deiner Nähe ist, bist du doch eigentlich immer fröhlich. Was ist denn los mit dir? Untervögelt, oder wie?“ Derek schenkte seiner Cousine einen ärgerlichen Blick: „Ja sicher, Stiles fehlt mir, aber doch nicht nur deswegen. Es ist so viel mehr, als bloß Sex zwischen uns. Ich liebe ihn! Ich...ich schätze bevor ich ihn traf wusste ich gar nicht, was dieses Wort bedeutet; Liebe.“ Nun schlich sich große Wärme in Dereks Gesicht: „Mit Stiles haben ich wohl einfach nicht gerechnet. Dass jemand, der so freundlich, schön, lebendig, lustig und klug ist jemals in mein Leben treten würde, habe ich nicht kommen sehen. Ich schaue ihn an und denke „Für immer!“ Kannst du das verstehen?“ Malia sah aus, als ob sie ihn auslachen wollte und eigentlich rechnete Derek auch ganz fest damit, dass sie es täte, doch zu seiner Überraschung antwortete seine Cousine zur Abwechslung einmal vollkommen ernsthaft: „Ich verstehe das besser, als du denkst! Lydia und ich mögen uns häufig zanken, aber wir gehören zusammen, komme was wolle. Sie ist ein Teil von mir. Sie ist meine Gefährtin.“ Sie errötete ein wenig bei dem Bekenntnis. Und nun fand Derek sein Lächeln wieder. Gern hätte er auch etwas dazu gesagt, doch er ahnte, dass es kein alltäglicher Moment für jemanden wie Malia war, so offen über seine Gefühle zu sprechen. Ein falsches Wort und bei ihr könnte für immer eine Klappe fallen, fürchtete er. Daher wechselte er lieber das Thema, indem er fragte: „Hast du eigentlich in den letzten Tagen mal mit Stiles gesprochen, oder ihn gesehen? Geht es ihm gut?“ „Heißt das etwa, ihr telefoniert überhaupt nicht?“ fragte Malia erstaunt: „Zu gefährlich. Ich bin sicher, sobald ich seine Stimme höre will ich mehr. Dann will ihn ganz, will bei ihm sein, ihn sehen, riechen und fühlen. Ich habe in den letzten Tagen mindestens hundert Mal das Telefon in die Hand genommen und begonnen, seine Nummer zu wählen und es mir dann doch wieder verboten.“ erwiderte Derek frustriert. „Scott hat Stiles gestern angerufen. Dein Süßer besucht Vorlesungen an der Uni, um sich die Zeit zu vertreiben. Er fühlt sich ein wenig einsam ohne seine Freunde, aber es geht ihm gut, hat Scott erzählt.“ versicherte Malia Derek atmete hörbar auf: „Gut!“ sagte er bloß und bemühte sich dann, emotional umzuschalten, denn der Wagen hatte soeben vor Kates Hotel gehalten. Greenburg half seiner Ex beim Einsteigen und setzte sich dann wieder ans Steuer: „Hey Süßer! Du siehst heiß aus!“ verkündete Kate schnurrend und als sie einen kleinen Begrüßungskuss auf Dereks Lippen hauchte, füllte sich dessen Rachen schlagartig mit Magensäure. Kate schien es nicht nicht zu bemerken, denn sie war bereits dabei, Malia auf dieselbe Weise zu begrüßen. „Und Kinder? Wer hat Lust zu feiern?“ erkundigte sich das Model fröhlich und zog ein Tütchen mit bunten Pillen aus ihrer Clutch. Malia zog die Nase kraus und erwiderte: „Sorry, aber das ist nichts für mich! Mein Körper ist ein Tempel und außer Alk und Pott braucht er nichts weiter.“ Derek winkte auch ab, mit der Erklärung, dass er dieses ganze Zeug so schlecht vertrage. Und im Stillen nahm er sich vor, heute Abend sein Glas keine Minute aus den Augen zu lassen, um Kate kein weiteres Mal die Chance zu geben, ihn zu vergiften. Kate zuckte mit den Schultern und steckte das Tütchen wieder weg, ohne selbst etwas davon zu naschen: „Ich hab´s ja bloß gut gemeint, weil ich dachte es hilft dir dabei, deinen Liebeskummer zu vergessen, Süßer.“ kommentierte sie. „Das ist lieb von dir!“ behauptete Derek und war selbst überrascht, wie aufrichtig seine Stimme dabei klang: „Aber das Problem ist leider, wenn die Wirkung nachlässt, dann ist der Kummer ja immer noch da.“ „Dann muss man einfach dafür sorgen, dass die Wirkung niemals nachlässt, was?“ erwiderte Kate grinsend. Derek beschloss, dieses Stichwort aufzugreifen: „Aber du selbst trittst gerade etwas kürzer, wie mir aufgefallen ist, oder Katie?“ „War beim Arzt und der meinte, meine Leber bräuchte mal ein wenig Urlaub.“ kommentierte Kate mit einem genervten Augenrollen: „Ich schwöre, sobald sich meine Werte verbessert haben, mache ich weiter wie vorher. Kann aber ein paar Monate dauern. Ihr ahnt nicht, wie langweilig die meisten Leute sind, wenn man nüchtern ist. Anwesende selbstverständlich ausgenommen!“ Derek nickte bloß, weil er nicht wusste, was er zu dieser, für Kate so typischen, überheblichen, menschenverachtenden Äußerung sagen sollte, das nicht enthüllt hätte, wie sehr er seine Ex mittlerweile verabscheute. Als sie am Ziel anlangten, waren bereits einige Vertreter der Presse vor Ort und es gab einige Leute in Gala-Roben, die gar nicht genug davon bekommen konnten, im Schein des Blitzlichtgewitters auf dem kurzen roten Teppich auf- und abzustolzieren. Das waren natürlich Leute, die in erster Linie sich selbst vermarkteten; Politiker, Models, oder Schauspieler etwa. Derek jedoch wollte bloß so schnell wie möglich an diesem Spektakel vorbei und sich ins Innere des Gebäudes retten. Sie entstiegen der Limousine und Kate hakte ihre beiden Begleiter unter, setzte ihr strahlendstes Lächeln auf und posierte für die Kameras. Als sie noch eine weitere Runde drehen wollte, wurde es Derek zu viel und er machte sich sanft los, um beinahe fluchtartig nach drinnen zu verschwinden, wo er Deucalion und Erica in die Arme lief: „Hoppla Junge! So schlimm?“ fragte Deucalion mit einem väterlich anmutenden Lächeln: „Hasse diese verdammten Schmeißfliegen!“ murmelte der Jüngere genervt, klopfte seinem Geschäftsfreund den Oberarm und umarmte Erica zur Begrüßung. Malia verweilte noch eine Weile mit Kate draußen, welche sich geradezu in der Medienaufmerksamkeit badete. Dereks Cousine war überrascht, dass einige dieser Pressefritzen sie tatsächlich erkannten und ihr Fragen zuriefen, über ihre Vergangenheit, ihren Vater und so weiter. Selbstverständlich beantwortete sie keine einzige davon, würdigte diese Typen nicht einmal eines Blickes und nach einer Weile sagte sie zu Kate: „Lass´ uns reingehen. Hier draußen ist es dämlich.“ Und weil Kate mittlerweile sicher sein konnte, dass sie in ihrem schönen Kleid wirklich von allen Seiten ein paar Dutzend mal geknipst worden war, ließ sie sich von Malia galant am Arm nach drinnen führen. Vom Tablett einer Kellnerin im Foyer schnappte Malia sich zwei Gläser Champagner, reichte eines an ihre Begleiterin weiter und sie gesellten sich zu Derek, Deucalion und seiner Verlobten. Der Veranstaltungsort war das „Alexandria Ballrooms“ und es gab im Gbäude drei verschiedene Säle, in denen zu unterschiedlicher Musik getanzt werden konnte. Als sie in den zweitgrößten Saal, den Palm Court Ballroom kamen, wo Walzer gespielt wurde, pfiff Malia anerkennend durch die Zähne: „Nett!“ kommentierte sie und bewunderte sie Vertäfelung der Wände und Decken, die großen Kronleuchter und vor allem die schönen Oberlichter aus bemaltem Glas. Sie suchten sich einen Tisch hinten in einer Ecke und ließen sich dort nieder. Derek blickte in die Runde. Er hätte es wohl nicht zugegeben, doch nun war er mehr als nur froh, dass seine Freunde heute auch gekommen waren. So fühlten sich die Dinge beinahe normal, beinahe so wie früher an. Mit Unbehagen stellte er sich vor, er säße nun mit Kate allein hier. Sicher hätte er ihr nicht allzu viel zu sagen gehabt und vermutlich hätte sie dadurch irgendwann mitbekommen, dass er überall lieber wäre, als hier bei ihr. Doch die Anwesenheit seiner Freunde gab Derek Sicherheit. In diesem Moment plauderte Kate angeregt mit Erica und Malia und Deucalion sprach mit ihm über etwas Geschäftliches. Es war ein ganz gewöhnlicher Abend. Kurz erlaubte Derek sich die Vorstellung, wie es wäre, wenn Stiles heute hier wäre anstelle von Kate und ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. „Ich biete einen Penny für deine Gedanken!“ sagte Kate. Innerlich erstarrte Derek, doch nach außen bewahrte er seine Fassung: „Ich habe gerade gehört, dass das Buffet bald eröffnet wird. Ich habe einen Wolfshunger!“ behauptete er. Kate schüttelte gutmütig den Kopf und forderte Derek auf, doch erst einmal mit ihr zu tanzen, bevor er dafür zu vollgefressen wäre. Es gab vermutlich nichts, was Derek noch weniger gern getan hatte als das, doch ein weiteres Mal dachte er an nun Stiles. Dieser hatte sogar Sex mit Leuten gehabt, die er teilweise überhaupt nicht leiden konnte, da würde es ihm selbst doch wohl wenigstens gelingen, ein paar Tänze mit Kate durchzustehen. Er rang sich ein Lächeln ab, reichte seiner Ex die Hand und führte sie hinüber zur Tanzfläche: „Und? Bist du nun froh, dass ich dich hierzu überredet habe?“ wollte Kate wissen, als sie sich zur Musik bewegten. Derek seufzte: „Ach ich weiß nicht? Ich muss mich erst mal wieder ein wenig fangen, bevor die Dinge mir wieder so richtig Spaß machen werden, schätze ich. Das mit Stiles war ein echter Schlag für mich.“ behauptete er: „Aber es ist vielleicht wirklich ganz gut, hin und wieder mal raus zu kommen, anstatt zuhause zu sitzen und zu grübeln.“ Kate schüttelte den Kopf mit einer Mischung aus Mitleid und Spott: „So warst du immer schon.“ stellte sie fest: „Du nimmst alles viel zu schwer. Das ist die Sache aber überhaupt nicht wert. Das Leben ist ein Witz, weißt du. Man muss bloß mit allen Mitteln dafür sorgen, dass er nicht auf die eigenen Kosten geht, dann ist alles paletti!“ „Ich bin aber nicht wie du, Kate.“ gab Derek zurück. „Tja, versuch´s doch mal! Es macht Spaß, ich zu sein!“ versicherte Kate ihm lachend. Derek war froh, als seine Tanzpartnerin nach ein paar Stücken angab durstig zu sein. Er hatte seinen Pflichtteil erfüllt und nun war er erlöst. Als dann tatsächlich das Buffet eröffnet wurde, hatte sich sein Magen sogar soweit wieder beruhigt, dass er eine Kleinigkeit essen konnte. Nach dem Essen ging Kate hinaus auf einen der Balkone. Zeit, auf die ärztliche Anweisung zu pfeifen, entschied sie, denn sie wollte jetzt eine Zigarette, verdammt nochmal! Sie kramte noch nach einem Feuerzeug, doch da hielt ihr bereits jemand eines hin. Sie rechnete mit einem unerwünschten Verehrer und hob finster den Kopf, bereit für eine grobe Abfuhr, als sie Deucalion vor sich stehen sah: „Zeit für eine Zigarre, auch wenn Erica dann nachher über mich die Nase rümpft.“ erklärte er lachend, zog eine aus seiner Brusttasche und gab dann zunächst Kate und dann sich selbst Feuer. Rauchen war im Kalifornien von heute so unpopulär geworden, so dass die beiden den Balkon momentan sogar ganz für sich allein hatten. Kate nahm genussvoll einen tiefen Zug und fragte dann: „Sag´ mal, was machen wir eigentlich, damit Derek diese kleine, gierige Nutte endlich vergisst, Deuc? Derek ist ja ein Wrack! Es ist echt erbärmlich!“ „Ich schätze, da können wir gar nichts machen. Er hat ein gebrochenes Herz und das braucht eben seine Zeit, um zu heilen.“ erwiderte Deuc schlicht. Kate rollte mit den Augen: „Boo-hooo!“ ätzte sie: „Er macht sich doch doch lächerlich! Wegen irgend so einer wertlosen Ratte aus der Gosse macht er so ein Theater?“ „Tja, die Liebe eben.“ erwiderte Deucalion ruhig: „Die hat man nicht im Griff. Seien wir doch einfach froh, dass Stiles nun aus dem Weg ist.“ „Aus dem Weg? Na, ich weiß ja nicht? Was wenn er wieder auftaucht, reumütig mit Kulleraugen und einer Entschuldigung auf den Lippen. Ich traue es Derek zu, dass er dann wieder schwach wird. Sollten wir nicht etwas tun, um ihn dauerhaft zu vertreiben? Immerhin sind wir das Derek doch als seine Freunde schuldig, oder nicht?“ Kates Stimme war kaum mehr als ein bösartiges Zischen. Deucalion schüttelte energisch den Kopf: „Halt´ dich da raus, Kate! Das ist Dereks Sache!“ Er blies blauen Rauch aus den Nüstern: „Er kommt schon wieder zu sich. Und vielleicht gibt es dann ja sogar wieder eine Chance für euch beide? Aber das musst du behutsam angehen. Und vor allem musst du ihm Zeit geben! Wenn du die Sache überstürzt, dann ist er weg, da bin ich sicher.“ Kate stöhnte genervt. Derek irgendwann so hinzukriegen, dass er einigermaßen brauchbares Ehemann-Material wurde, würde ein ganz schönes Stück Arbeit werden. Und wie es aussah brauchte sie auf Deucalions Hilfe auch nicht mehr zu hoffen. Der war offensichtlich genau so eine Pussy, wie Derek selbst. Sie quetschte ihre Zigarette im dafür vorgesehenen Gefäß zu Tode und knurrte: „Lass´ uns reingehen. Mir ist kalt!“ Dass Deucalion erst bei der Hälfte seiner Zigarre angelangt war kümmerte sie nicht. Malia hatte bislang noch nicht einmal an diesem Abend getanzt und so fragte Kate, die sich ein wenig amüsieren wollte: „Du weißt doch, wie ein Walzer geht, oder?“ „Hab´ in der Schule Unterricht gehabt. Aber wenn ich nicht führen darf, fange ich an zu stolpern.“ gab die Jüngere mit einem gewissen Trotz zurück: „Na gut, ausnahmsweise! Ich lasse die führen“ lachte Kate und nahm Malia bei der Hand, um sie zur Tanzfläche mitzunehmen: „Geben wir den Leuten etwas zum Tratschen, okay?“ „Bin dabei!“ versicherte Malia lachend und folgte ihr. Wie sich zeigen sollte brauchte es für die beiden keine große Anstrengung, um in den Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit zu geraten. Es reichte schon, wenn zwei schöne Frauen eng aneinander geschmiegt, einander tief in die Augen blickend, miteinander tanzten, damit ihnen die Blicke der Anderen gewiss waren. Auch ihre Tischpartner beobachteten die beiden aufmerksam und Erica fragte erstaunt: „Nanu? Was wird das denn jetzt?“ „Schätze, meine Cousine betätigt sich als Doppelagentin?“ spekulierte Derek. Malia und Kate tanzten eine ganze Weile mit einander und irgendwann gestand die Ältere: „Ich liebe es, so im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.“ „Ehrlich?“ fragte Malia skeptisch: „Du weißt sicher, was die Leute nun über uns beide denken werden, oder?“ Kate lachte auf: „Warum sollte es mich kümmern, was dieses Pack darüber denkt, mit wem ich es treibe?“ Malia war sich der fremden Hand überdeutlich bewusst, welche gerade von ihrer Taille hinab zu ihrem Hintern wanderte und sie grinste amüsiert in sich hinein. `So ein Luder!´, dachte sie bei sich, hinderte Kate jedoch auch nicht nicht daran, derart auf Tuchfühlung zu gehen. Und sie war auch keineswegs verwundert über das, was Kate als nächstes sagen würde: „Sag´ mal, dieser Stiles hat dir doch ziemlich übel mitgespielt, oder nicht? Willst du ihn eigentlich einfach so damit durchkommen lassen?“ „Ja, ich bin ziemlich genervt darüber, aber was soll ich denn schon dagegen unternehmen?“ fragte Malia harmlos zurück. Auf Kates Gesicht erschien ein raubtierhaftes Lächeln: „Du weißt doch bestimmt, wo wir das Flittchen finden, oder nicht?“ „Stiles ist untergetaucht. Ich weiß nicht, wo er jetzt wohnt.“ gab sie mit gespieltem Bedauern zurück: „Aber vielleicht kann ich es ja herausfinden. Wieso? Was hast du vor?“ „Uns beiden fällt schon etwas ein. Jemand sollte etwas unternehmen, vor allem auch für den armen Derek. Der ist ja vollkommen aus dem Häuschen.“ behauptete Kate scheinheilig. Nun wurde die Sache interessant! „Lass mich darüber nachdenken!“ erwiderte Malia. Kapitel 51: Sherlockin´ around, Teil 2 -------------------------------------- Stiles war in aller Herrgottsfrühe aufgestanden und hatte soeben zweihundert Kilometer Autofahrt an Kaliforniens Küste hinter sich gebracht, um von Los Angeles nach San Diego zu gelangen. Er war vollkommen durchgeschwitzt, denn es herrschten Temperaturen an die vierzig Grad und in seinem Leihwagen war die Klimaanlage defekt gewesen. Sie hatte stotternde Laute und einen höllischen Gestank verbreitet, so dass Stiles sie dann lieber aus gelassen und anstatt dessen das Fenster heruntergekurbelt hatte, um sich durch den Fahrtwind ein wenig abzukühlen. Das hatte auch recht gut funktioniert und es war eine angenehme Fahrt gewesen, doch dann kam das allerletzte Stück der Strecke, denn kaum war er an der Stadtgrenze San Diegos angelangt, war er in den morgendlichen Berufsverkehr geraten. Eine Dreiviertelstunde lang ging daher überhaupt mehr und er wurde in seinem Wagen lebendig gekocht. Doch irgendwie hatte er es dennoch ans Ziel geschafft und nun zog er sich im Auto rasch ein frisches T-Shirt über und ging im Geiste noch einmal durch, was er gleich sagen wollte. Stiles hatte sich bei Mindy Petersen vorher nicht angekündigt, also wusste er gar nicht, ob sie überhaupt zuhause sein und wenn ja, ob sie ihm die Tür öffnen würde. Er hatte sich auf sein Gefühl verlassen und es einfach darauf ankommen lassen. In der Auffahrt der Petersens stand ein großer schwarzer SUV mit sieben Sitzen. Wie es aussah, könnte er Glück haben. Er betrachtete das schlichte, aber recht große Einfamilienhaus von außen. Ein typisch kalifornisches Gebäude; weiß gestrichen mit großen Fenstern und das Dach war gedeckt mit leuchtend orangefarbenen Schindeln. Im Vorgarten standen zwei große Palmen. Der Rasen wurde offensichtlich regelmäßig gemäht und der Fußweg zur Eingangstür war links und rechts von bunten Blumen gesäumt. An der weißgekalkten Hauswand lehnten mehrere Kinderfahrräder und Roller und es gab ein großes Gartentrampolin. Keine Frage, hier lebte eine große Familie, die ihr Heim liebte und es pflegte Stiles atmete noch einmal tief durch, stieg dann aus dem Wagen aus und lief den Pfad zur Eingangstür hinauf. Die Klingel war schrill und ließ ihn ein wenig zusammenzucken. Es dauerte einen Augenblick, ehe geöffnet wurde, doch Stiles hörte, dass sich im Inneren des Hauses etwas regte. Dann ging die Tür auf und eine Frau in einem noppig-verwaschenen, hochgeschlossenen, rosafarbenen Morgenmantel aus Polyester öffnete ihm. „Sind sie Mindy Petersen?“ fragte Stiles unsicher, weil er nicht glauben konnte, dass diese Frau die hier vor ihm stand tatsächlich im selben Alter wie Kate Argent sein sollte. Sie hatte bläuliche Schatten unter ihren Augen, die von mehr herrühren mussten, als von einer einzigen, schlaflosen Nacht. Ihr blondes Haar war strähnig und kraftlos und der Körper, der sich unter dem Morgenrock verbarg, wirkte irgendwie aufgedunsen und unsportlich: „Die bin ich.“ bestätigte die Frau wider Erwarten: „Und wer sind sie?“ Ihre Augen waren misstrauisch verengt. Stiles wusste, dass er nun etwas Überzeugendes vorbringen musste, wenn er nicht wollte, dass ihm die Tür sofort vor der Nase zugeklappt wurde: „Mein Name ist Stiles Stilinski. Ich komme aus Los Angeles. Ich möchte gern mit ihnen über Kate Argent sprechen. Ich weiß, was sie ihnen vor vielen Jahren angetan hat und nun bin ich in ihr Visier geraten und sie versucht, mich zu töten. Ich habe Angst!“ erklärte er also aufrichtig, denn sein Gefühl sagte ihm, dass er mit der Wahrheit bei dieser Frau am Weitesten käme. Mindy Petersen ließ ihren Blick misstrauisch über Stiles schweifen, zweifellos um herauszufinden, ob er eine Bedrohung darstellte. Dann reckte sie ihren Kopf aus der Tür, schaute sich nach links und rechts um, wohl um zu sehen, ob neugierige Nachbarn sie beobachteten und dann forderte sie: „Kommen sie rein!“ Im angenehm kühlen Inneren konnte man, wohin man auch schaute sehen, dass in diesem Haus Kinder lebten; im Eingangsbereich standen unzählige Paar kleine Schuhe, auf der Treppe nach oben und auch in dem kleinen Flur, durch welchen Stiles gerade geführt wurde, lagen Spielzeuge verstreut und in der Küche auf dem Tisch standen mehrere leere, oder halbvolle Schalen mit Frühstücksflocken: „Entschuldigen sie die Unordnung, aber bei fünf Kindern mit der Hausarbeit hinterher zu kommen ist nicht so einfach.“ rechtfertigte sich Mindy Petersen. Stiles pfiff überrascht durch die Zähne: „Fünf Kinder?“ wiederholte er überrascht. Das Lächeln auf Mindys Gesicht wischte einen Moment lang die Spuren der Erschöpfung in ihrem Gesicht beiseite und Stiles konnte erahnen, dass diese Frau einmal ein sehr hübsches Mädchen gewesen sein musste: „Ich habe immer eine große Familie gewollt und die habe ich bekommen!“ erklärte sie mit nicht zu übersehendem Stolz. Stiles betrachtete ein großes Holzkreuz an der Küchenwand und Mindy erläuterte: „Wir sind Christen, mein Mann und ich. Er darf nie erfahren, dass ich keine Jungfrau mehr gewesen bin, als ich in die Ehe gegangen bin und schon gar nicht, dass ich bereits einmal schwanger war.“ „Verstehe!“ Stiles nickte. Ihre Stimme verriet, dass Mindy Petersen tatsächlich Angst hatte, ihr Mann könnte etwas über ihr Vorleben erfahren. Das waren keine guten Ausgangsbedingungen für Stiles Vorhaben, denn diese Frau würde dann wohl auch niemals etwas Belastendes über Kate vor der Polizei, oder einem Gericht aussagen. Dennoch fragte er: „Würden sie mir erzählen, was ihnen damals passiert ist? Kate hat ihnen heimlich etwas verabreicht, wodurch sie ihr Kind verloren haben, richtig?“ Es mochte schon sehr lange her sein, dennoch füllten sich Mindy Petersens Augen schlagartig mit Tränen und Stiles bedauerte, seine Frage nicht ein wenig feinfühliger gestellt zu haben. „Sie hätte das doch wirklich nicht tun müssen. Mein armes Baby war doch vollkommen unschuldig! Ich war bereits am Anfang des fünften Monats und man fing gerade an, etwas zu sehen und als ich noch überlegt habe, wie ich es meinen Eltern bloß sagen könnte, hatte Kate mich auch schon vergiftet.“ erzählte die Frau mit zitternder Stimme: „Mein Baby war zwar noch ganz winzig, als es tot zur Welt kam, aber es war schon alles dran, wissen sie? Finger, Zehen, Augen....“ nun liefen die Tränen über den Lidrand und hinterließen feuchte Spuren auf dem verzweifelten Gesicht: „Warum würde jemand so etwas tun? Wie kann man denn nur so grausam sein?“ fragte Mindy Petersen schluchzend. Stiles zuckte hilflos mit der Schulter und seine Brust schmerzte vor Mitgefühl. Was sollte man darauf auch antworten? Es war ja einfach nur unbegreiflich. Stiles legte seine Hand sacht auf die der fremden Frau und wartete, bis sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte und fragte dann sanft: „Woher wissen sie denn eigentlich, dass Kate ihnen etwas gegeben hat und dass es nicht einfach nur... na ja... eine Fehlgeburt gewesen ist?“ „Weil sie es mir gesagt hat!“ In Mindy Petersens Stimme schwang so viel Bitterkeit mit, dass es Stiles ein wenig erschaudern ließ: „Ich hatte mich schon gewundert, dass Kate so nett zu mir war. In der Schule hieß es manchmal, dass sie gemein sein könne, doch wir hatten uns angefreundet, obwohl ihr damaliger Freund Cliff sie verlassen und später mit mir zusammen gewesen ist. Kate und ich kannten uns vom Cheerleader-Training und sie hat mir versichert, dass es ihr gleichgültig sei, dass Cliff nun mit mir zusammen sei. Darüber sei sie hinweg, hat sie mir versichert und sie hatte auch schon längst einen neuen Freund. Ich habe Kate vertraut. Sie war sehr nett zu mir und ich habe mich geschmeichelt gefühlt, weil das beliebteste Mädchen der Schule meine Freundin sein wollte. Sie war die Einzige, der ich von der Schwangerschaft erzählt habe und sie war fürsorglich und verständnisvoll, weswegen ich mir auch nichts dabei gedacht habe, als sie mit dieser Packung Schwangerschaftsvitamine ankam. Ich habe die Pillen einfach genommen, ohne Fragen zu stellen. Und als mein Baby dann tot zur Welt kam, hat sie scheinheilig gefragt: `Das wird doch wohl nicht an den Vitaminen gelegen haben?´ Und sie hat GELACHT! Können sie sich so etwas vorstellen? Mein Baby ist gestorben und dieses Mädchen LACHT!“ Stiles zuckte innerlich ein wenig zusammen, bei so viel Schmerz: „Es tut mir so leid!“ murmelte er leise. Mindy Petersen sprach einfach weiter. Es war, als habe sie nur auf eine Chance gewartet, sich das alles einmal von der Seele zu reden und wer wäre da als Zuhörer besser geeignet, als ein vollkommen Fremder, wenn sie es sich sogar verboten hatte, ihrem eigenen Ehemann davon zu berichten? „Ich sehe meine fünf Kinder an und frage mich beinahe an jedem Tag meines Lebens, was für ein Mensch dieses andere Kind wohl geworden wäre, das ich niemals kennenlernen durfte. Es war ein Junge. Wäre er wohl so ähnlich geraten, wie einer meiner beiden Söhne, oder vollkommen anders? Wäre er gescheit gewesen? Sensibel, oder eher robust? Oder vielleicht wäre er ja auch so lustig geworden, wie sein Vater? Ich werde es niemals erfahren und das lässt mich nachts manchmal nicht schlafen.“ Stiles rang den Impuls in sich nieder, ein weiteres Mal zu sagen, wie leid es ihm täte, denn damit war schließlich auch niemandem geholfen. Stattdessen sagte er: „Sie sind mit fünf Kindern gesegnet. Als Christin glauben sie bestimmt daran, dass das Kind, das gestorben ist nun bei Gott ist, oder nicht? Und können sie sich einen besseren Ort für ihren Sohn vorstellen?“ Stiles glaubte nicht wirklich an das, was er da sagte, denn er war nie sonderlich religiös gewesen, doch die Miene von Mindy Petersen hellte sich auf, so als habe sie sich genau dies nie zu denken getraut: „Aber mein Sohn war nicht getauft?“ erwiderte sie und ihre Stimme klang unsicher, beinahe wie die des Mädchens, dass sie damals gewesen ist, als ihr dieses Unheil widerfahren ist. Stiles seufzte. Genau das was das Problem, dass er mit Religion hatte: Diese Engstirnigkeit und die Grausamkeit, die damit einherging und so sagte er: „Glauben sie wirklich, dass ein gütiger Gott ein unschuldiges Baby, welches man ermordet hat an der Himmelspforte abweisen würde?“ Nun wirkte es, als fiele eine tonnenschwere Last von Mindy Petersen ab. Sie lächelte durch den Tränenschleier und schüttelte den Kopf: „Nein, das würde Gott nicht tun, nicht wahr?“ „Nein, das würde er nicht!“ bestätigte Stiles mit aller Überzeugung, die er aufbringen konnte. Es war vollkommen egal, woran er persönlich glaubte, solange es dieser armen Frau ein wenigstens ein wenig Trost spendete. Sie beide schwiegen einen Augenblick. Dann fragte Mindy in die Stille hinein: „Was hat Kate eigentlich gegen sie, Stiles?“ „Der Mann den ich liebe und der mich liebt, ist ihr Ex-Freund und sie will ihn zurück.“ erwiderte Stiles unumwunden, auch wenn er ahnte, was diese Frau, die ihm ihm gegenüber saß von gleichgeschlechtlicher Liebe halten würde. Und tatsächlich ging Mindy Petersens Blick nun hinüber zu dem großen Holzkreuz an der Wand, ehe er zu Stiles zurückkehrte. Doch was immer ihr gerade durch den Kopf gehen mochte, sie sprach es nicht aus. Anstatt dessen sagte sie: „Wenn sie zwischen Kate und dem was sie haben will stehen, dann sind sie wirklich in Gefahr. Bitte passen sie gut auf sich auf. Ich kann spüren, dass sie ein guter Mensch sind und guten Menschen sollten keine furchtbaren Dinge passieren.“ Stiles lächelte bitter und bedankte sich. Danach wechselten sie noch ein paar Worte, doch irgendwie war spürbar, dass ihr Gespräch nun beendet war und schließlich verabschiedete Stiles sich. Im Haus war es klimatisiert gewesen. Als er nun in die sommerliche Hitze zurückkehrte, lief ihm wie auf Knopfdruck wieder der Schweiß in Strömen herunter. Er stieg in den Wagen und fuhr los, doch plötzlich spürte er, wie durstig er war und dass er es keine zwei Stunden Autofahrt aushalten würde, ohne etwas zu trinken. Er träumte von einem riesigen Glas hausgemachter Limonade und als er an einem Café mit einer Regenbogenfahne über der Tür vorbeifuhr, wo genau dies angeboten wurde, machte er kehrt, um dort einzukehren. Stiles nahm am Tresen Platz, gab seine Bestellung bei einem, dürren, hübschen, feminin anmutendem Kellner auf und nahm wenig später dankbar das große, schwitzende Glas mit der hellen, trüben Flüssigkeit und den klimpernden Eiswürfeln darin entgegen. Er nahm eine großen Schluck und spürte, wie seine Lebensgeister zurückkehrten. Er rekapitulierte, was seine Nachforschungen bislang ergeben hatten und das war im Grunde weniger als nichts. Er hatte lediglich eine Bestätigung für das erhalten, was er ohnehin bereits ahnte, nämlich das Kate Argent kalt, grausam und unfähig zu normalen menschlichen Regungen war. Und eben diese Person hatte er, dank seiner bescheuerten Idee nun auf seinen Geliebten losgelassen. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Weder Eva Garcia noch Mindy Petersen würden Stiles helfen können, Kate das Handwerk zu legen und nun hatte er nur noch eine einzige weitere verrückte Idee, wie er gegen Kate Argent vorgehen konnte und das war nichts weiter als ein dämliches Hirngespinst. Man konnte sie einfach nicht dingfest machen, realisierte Stiles frustriert. Er nahm noch einen weiteren, tiefen Zug aus seinem Glas: „Hey Süßer! Stört´s dich, wenn ich mich zu dir setze!“ Die Stimme war tief und angenehm und sie gehörte einem Kerl, der sich wie ein Panther an ihn herangeschlichen hatte. Stiles warf einen Blick auf den attraktiven Fremden: Groß, athletisch, schwarzes Haar, Dreitagebart. Alles in allem nah dran, aber nicht nah genug, Kumpel, dachte Stiles bei sich: „Sorry Mann, aber ich habe einen Freund.“ erwiderte er also. Der Fremde setzte sich dennoch auf den Hocker direkt neben ihn: „Wir müssen es deinem Freund ja nicht erzählen.“ schlug er verschwörerisch zwinkernd vor. Stiles Lächeln fiel sparsam aus: „Sorry, aber ich liebe ihn wirklich. Also keine Chance!“ „Zu scha...“ setzte der Fremde gerade zu sprechen an, doch da brach völlig unvermittelt die Hölle um sie herum los. Der Boden unter ihren Füßen bewegte sich, Stühle und Tische fielen um, die Gäste und Bedienungen schrien, rannten panisch herum und Geschirr und Flaschen gingen klirrend zu Bruch. `Ein Erdbeben!´ schoss es Stiles durch den Kopf, als er von seinem Hocker zu Boden fiel. Ein paar ängstliche Gäste trampelten einfach über ihn hinweg. Er schaffte es gerade noch schützend die Arme über sein Gesicht zu heben. Plötzlich wurde er von starken Händen gepackt und wieder auf die Beine gezogen. Es war der Fremde, der ihn über den wankenden Boden hin zu einem Türbogen zog, wo sie beide Schutz fanden. Das Beben dauerte keine zwei Minuten und dann war alles wieder ruhig. Der Fremde lockerte seinen Griff um Stiles und sie blickten einander an. „Danke!“ sagte Stiles. Seine Stimme zitterte und er spürte, wie ihm die Tränen kamen. „Hey, Kleiner! Alles gut! Das war doch nur ein harmloses kleines Erdbeben.“ erwiderte der Fremde lachend. Dann zog er Stiles an sich und legte einfach seine Lippen auf seine. Stiles riss entsetzt die Augen auf, machte sich los, stieß seinen Retter von sich und rannte. Sein Leihwagen vor der Tür hatte bei dem Erdbeben nichts abbekommen und so sprang Stiles hinein und fuhr mit quietschenden Reifen los. Ihm war egal, ob gleich vielleicht noch ein Nachbeben folgen mochte und er möglicherweise in Gefahr schwebte. Er wollte einfach nur weg von hier, zurück nachhause und am liebsten direkt in die Arme von Derek. Angewidert wischte er sich den Mund am Ärmel seines T-Shirts ab. Kapitel 52: Sherlockin´ around, Teil 3 -------------------------------------- Dereks Telefon klingelte. Als er Kates Namen auf dem Display las, nahm sein Gesicht einen missmutigen Ausdruck an, denn in letzter Zeit verging kein Tag, an dem er mit seiner verhassten Ex nicht wenigstens telefoniert hatte und er hätte heute wahrlich nichts gegen einen freien Tag gehabt. Andererseits spielte er dieses Spiel schon seit einigen Wochen und hatte noch immer nichts gegen diese Teufelin in der Hand! Er wollte endlich sein Leben wieder haben und natürlich seinen Geliebten an seiner Seite, also hob er den Hörer ab, um sich ein weiteres Mal in dieses lästige Scharade zu stürzen: „Hey, Süßer. Wie sieht´s aus? Ich habe einen Bärenhunger. Du nicht auch? Hast du eigentlich immer noch diesen fantastischen Koch? Was hältst du davon, wenn ich in einer Stunde zum Dinner vorbeikomme?“ ertönte Kates muntere Stimme vom anderen Ende der Leitung. Derek überkam ein gewalttätiger Impuls. Er stellte sich im Stillen vor, wie er ausholte und sie einfach niederschlug; ein kräftiger Schwinger mitten in ihre selbstherrliche, boshafte Fresse und sie würde zu Boden gehen, wie ein gefällter Baum! Dieses Bild erfüllte ihn mit großer Befriedigung und erlaubte es ihm sogar, freundlich auf die Anfrage zu antworten: „Tut mir leid, aber das wird wohl nichts, denn mein Koch ist leider krank!“ log er, denn dies war nicht der erste Versuch Kates, sich bei ihm zuhause einzuladen und Derek hatte nicht die geringste Absicht ihr jemals Zugang zu seinem Heim zu gewähren, damit sie dort herumschnüffeln und ihre kleinen technischen Spionagehelferlein installieren konnte. Nein, dieses Haus war seine letzte Bastion, seine Festung der Einsamkeit und die würde Kate nicht auch noch einnehmen! Er schlug stattdessen vor: „Lass´ uns doch lieber irgendwo essen gehen. Ich könnte auch einen Happen vertragen.“ Kate machte einen Laut des Missfallens: „Immer sind wir irgendwo in der Öffentlichkeit, wo tausend Augen auf uns gerichtet sind. Ich sehne mich einfach nach ein wenig Privatsphäre hin und wieder.“ maulte sie. `Ja von wegen!´, dachte Derek bitter: `Du willst bloß in MEINE Privatsphäre eindringen!´ Da kam ihm plötzlich eine Idee und so etwas wie ein Plan entstand in seinem Kopf: „Weißt du, was wir machen? Ich komme zu dir in deine Hotelsuite und wir bestellen etwas von dem Feinkostladen, der mich gewöhnlich beliefert. Kate zögert kurz, doch dann willigte sie ein: „Also gut, machen wir es so. In einer Stunde dann?“ Vielleicht hoffte sie, wenn sie ihn erst einmal in ihrem Heim hatte, ihn auch mit in ihr Bett nehmen zu können? Träum weiter! Und so saß Derek eine Stunde später bei Kate an einem reich gedeckten Tisch auf einem kleinen Sofa. Seine Gastgeberin war ihm dicht auf die Pelle gerückt, obwohl es durchaus noch ein zweites Sofa gegeben hätte, auf dem sie sich hätte niederlassen können. Derek versuchte ihre Präsenz, den Geruch ihres Körpers und die Wärme, die von ihr ausging nach Kräften zu ignorieren, denn sonst hätte er wohl keinen Bissen heruntergebracht. Er nutzte seinen ausgestreckten Ellenbogen als Abstandhalter und entweder war es diesem subtilen Signal zuzuschreiben, dass Kate nun den Sitzplatz wechselte und doch noch auf das gegenüberliegende Sofa umzog, oder es lag daran, dass sie sich vorgenommen hatte, nun ein freundschaftliches Gespräch mit Derek führen zu wollen, wofür es günstiger war, wenn sie ihm vis á vis saß, denn sie fragte nun: „Und? Wie geht es dir mittlerweile? Hast du den kleinen Mistkerl endlich endgültig abgehakt, der dich doch im Grunde nur verarscht hat?“ Derek machte ein missmutiges Gesicht, zuckte mit den Schultern und schob sich schnell ein Stück Baguette mit Olivencreme in den Mund, weil er nicht wusste, wie er darauf antworten sollte. Das war jedoch kein großes Problem, weil Kate ganz einfach das Reden übernahm. Bei ihrer Schmährede gegen Stiles ließ sie kein homophobes Klischee und keine Beleidigung aus und fragte Derek schließlich eindringlich: „Hat er eigentlich irgendetwas Kompromittierendes gegen dich in der Hand? Habt ihr Fotos oder Filme von euch beiden gemacht? Weiß er irgendetwas über deine Geschäfte? Weißt du was? Du solltest ihm einfach deine furchterregenden Anwälte auf den Hals jagen, die ihm so viel Angst machen werden, dass seine Hoden freiwillig wieder in seine Bauchhöhle zurückkriechen, er die Stadt verlässt und man nie wieder etwas von ihm hört!“ Derek bekam Kopfschmerzen. Jedes von Kates Worten war wie ein weiterer Schlag, der einen langen Nagel in seine Stirn, genau zwischen seine Augen trieb: „Schluss jetzt!“ rief er irgendwann entnervt: „Ich will nichts mehr davon hören! Ich werde nichts gegen Stiles unternehmen. Hör´ endlich auf, mich damit zu nerven. Alles was ich will, ist dieses Kapitel schnellstmöglich abzuhaken und das kann ich nicht, wenn du mich immer wieder mit der Nase darauf stößt, also lass` es sein!“ Unbewusst war Derek lauter geworden, als er zunächst beabsichtigt hatte. Er atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen, damit Kate am Ende nicht doch noch erriet, was hier wirklich gespielt wurde: „Entschuldige!“ murmelte er schließlich: „Ich wollte dich nicht so anbrüllen. Ich bin einfach noch nicht über diese Sache hinweg, verstehst du?“ Eine schauspielerische Höchstleistung! Er sackte ein wenig in sich zusammen. Auf Kates Gesicht zeigte sich etwas, dass sie selbst sicherlich für eine mitfühlende Miene hielt. Man wollte es ihr beinahe abnehmen, nur das Derek wusste, dass sie zu derlei Emotionen nicht fähig war: „Armes Baby!“ schnurrte Kate, kehrte wieder auf Dereks Sofa zurück und zog ihn in die Arme: „Ich wünschte, ich könnte dir irgendwie helfen. Ich könnte diesen Jungen umbringen, weil er dir so weh getan hat!“ Derek kam beinahe sein Essen wieder hoch! `Und wofür wolltest du ihn vorher umbringen?´, dachte Derek bitter, während er krampfhaft versuchte, sich nicht auf den Rücken seiner Ex zu übergeben. `Sei ganz natürlich!´ sagte er sich selbst und befahl seinen Muskeln, sich nicht abwehrend zu verkrampfen, noch nicht einmal, als Kate ihn nun auch noch auf die Wange küsste. Nach einer angemessenen Weile machte er sich endlich von ihr los und entschuldigte sich, um im Bad zu verschwinden. Er schloss die Tür hinter sich ab, ließ sich dagegen sinken und schloss die Augen. Auf diesen Moment hatte er es im Grunde die ganze Zeit abgesehen. Das Essen war bloß ein Vorwand gewesen und er hoffte, dass sein Plan aufging. Er wusch sich zunächst das Gesicht, welches zu brennen schien, dort wo Kates Lippen ihn berührt hatten und dann machte er sich ans Werk. Er hängte ein Handtuch über den Türgriff, nur für den Fall, dass Kate eine Schlüssellochguckerin war und dann durchsuchte er alles was er hier vorfand so leise wie möglich und in dem Versuch, keine Spuren zu hinterlassen. Es gab ein Schränkchen voll mit Duftwässerchen und Cremetigeln, einige Täschchen mit Make-Up, Bürsten und Spängchen, doch auf nichts davon hatte Derek es abgesehen. Dann entdeckte schließlich er eine kleine Reisetasche, die halb hinter, halb unter der großen, bauchigen Badewanne mit den Löwenfüßen verborgen war. Er zog sie hervor, öffnete sie und... Bingo! Derek hatte Kates Giftschränkchen gefunden. Einiges davon waren verschreibungspflichtige Medikamente mit Kates Namen darauf, anderes wirkte, als sei es auf weitaus weniger legalen Wegen zu ihr gelangt. Derek zückte sein Handy; jenes das Kate noch nicht in die Hände gefallen war, und schoss Beweisfotos. Unter anderem fand er Rohypnol und ein Nachfolgemedikament von Viagra und ihm wurde schlagartig wieder schlecht, denn diese Substanzen musste Kate verwendet haben, um ihn damals zu vergewaltigen. Daneben fanden sich noch verschiedene Gifte, deren Namen Derek nicht einmal kannte und die er nur als solche identifizieren konnte, weil sie einen roten Totenkopf-Aufdruck besaßen, sowie Drogen aller Art. Derek wusste noch nicht, was er mit diesen Beweisen anfangen würde, doch er war froh, nun endlich überhaupt etwas in der Hand zu haben. Er verstaute alles wieder so, wie er es vorgefunden hatte, erhob sich, atmete tief durch, um sein klopfendes Herz wieder ein wenig zu beruhigen und dann kehrte er zu Kate zurück. „Na Baby? Ist es schon ein wenig besser?“ wollte sie wissen: „Ja, wesentlich besser!“ erwiderte Derek wahrheitsgemäß. Plötzlich klingelte sein anderes Telefon und er zuckte erschrocken zusammen. Noch bevor er auf sein Display schaute wusste er, wer ihn da anrief. Er spürte es ganz einfach! Kate blickte ihn prüfend an: „Das ist ER, oder nicht? Das ist Stiles.“ stellte sie beinahe hellsichtig fest: „Wir haben heute wohl einmal zu oft seinen Namen gesagt. Gib mir das Telefon! Wenn ich mit ihm gesprochen habe, dann bist du ihn los; dann wird er dich nie wieder belästigen!“ Sie war mittlerweile aufgesprungen, wie eine Raubkatze und versuchte Derek sein Telefon abzunehmen. Erschrocken zog er seine Hand weg. Er wandte sich ab und drückte den Anruf weg: „Lass´ das Kate. Ich werde nicht mit ihm sprechen und du wirst es schon gar nicht tun! Ich werde ganz einfach diese Nummer deaktivieren, so dass er mich nicht mehr erreichen kann und damit hat es sich. Ich will nicht, dass du dich in diese Sache einmischst. Ich komme damit ganz allein zurecht, hörst du?“ sagte Derek scharf, schaltete das Handy aus und ließ es in seine Hosentasche gleiten. „Also gut.“ erwiderte Kate friedfertig: „Dann lass´ uns doch einfach noch einen Happen essen und über etwas anderes sprechen. Ich lenke dich ein bisschen ab. Was hältst du davon?“ Derek schüttelte den Kopf. Keinen Bissen würde er hier noch anrühren, nachdem Kate mit Essen allein gewesen und er unterdessen im Bad ihre Giftkollektion entdeckt hatte: „Tut mir leid, Katie. Ich habe Kopfschmerzen und ich muss jetzt einfach mal ein wenig allein sein.“ erwiderte er sanft. Kate blickte ihn einen Augenblick schweigend an. Dann forderte sie: „Aber versprich mir, dass du nicht Stiles anrufen wirst!“ Derek rollte verächtlich mit den Augen und behauptete dann: „Hatte ich nicht vor! Was denkst du denn?“ „Nein, versprich es mir!“ verlangte Kate noch einmal mit Nachdruck. Also gab Derek eben dieses Versprechen ab, ließ eine krakenarmige Umarmung zum Abschied über sich ergehen und verließ Kates Hotelsuite, dankbar sie endlich wieder los zu sein. Stiles war soeben aus San Diego zurückgekehrt und verkroch sich sogleich in seinem Bett. Obwohl er zwei Stunden Autofahrt hinter sich hatte, zitterte er immer noch ein wenig. Er rang eine kleine Ewigkeit mit sich, ehe er die Nummer wählte, doch als Derek ihn einfach so wegdrückte, fühlte er sich wie vor den Kopf gestoßen. Als er es noch ein weiteres Mal versuchte und Dereks Telefon dann ausgeschaltet worden war, setzte in seinem Kopf etwas bei ihm aus. Zu einer rationalen Reaktion war Stiles mit einem Mal nicht mehr fähig. Plötzlich war er sich ganz sicher, dass alle ihn vergessen hatten, Derek, Scott, all seine Freunde... da war niemand mehr, dem er etwas bedeutete. Er war ALLEIN! Und was wenn Kate nun doch noch gewonnen hatte, wenn sie durch Lügen und Manipulation endlich doch noch in Dereks Kopf hineingelangt war? Was, wenn die beiden vielleicht gerade in dieser Minute mit einander schliefen? Die kleine Stimme der Vernunft in seinem Kopf, die ihm versicherte, dass das vollkommen ausgeschlossen war drang nicht mehr zu ihm durch. Stiles sprang von seinem Bett auf und begann, seine Zimmerwand mit Fäusten zu bearbeiten, bis seine Knöchel blutig waren und der Putz nur so flog. irgendwann sank er atemlos in sich zusammen und schluchzte, wie ein verlassenes Kind. Derek raste mit seinem Wagen so schnell wie irgend möglich quer durch die Stadt zurück nachhause. Er musste Stiles anrufen, doch erst, wenn er sich wieder hinter den schützenden Mauern seines Hauses befand. Als er endlich ankam spielte er erst einmal die verräterischen Fotos auf seinen Laptop und machte noch zwei Back-Ups auf externen Speichermedien, ehe er sie von seinem Handy löschte. Dann wählte er mit zitternden Fingern und klopfendem Herzen Stiles Nummer. Es klingelte mindestens zehn Mal, ehe endlich abgenommen wurde. Stiles war von seinem Ausbruch vollkommen erschöpft und beinahe apathisch. Das Klingeln seines Telefons drang erst beim fünften Mal bis an sein Ohr. Der Gedanke, dass es Derek sein könnte, mit einer plausiblen Erklärung dafür, warum er ihn vorhin wegdrücken musste kam ihm gar nicht. Dennoch erhob er sich mühsam vom Boden und tapste hinüber zu seinem Apparat: „Hey Baby! Ich bin es!“ Schweigen vom anderen Ende der Leitung. Derek stutzte: „Kannst du mich hören, Liebling? Bist du da?“ „Derek?“ fragte Stiles mit rostiger Stimme „Was ist mit dir Baby? Hast du etwa geweint? Ist etwas passiert?“ fragte Derek sanft und mit Besorgnis in der Stimme. „Ich bin okay!“ behauptete Stiles, doch das Schluchzen, welches seinen Worten nun folgte, strafte ihn Lügen. „Wo bist du? Ich komme sofort zu dir, Engelchen. Bitte sag´ mir, wo du steckst!“ forderte Derek, mittlerweile hochgradig alarmiert. Die Liebe, die in den Worten seines Geliebten mitschwang holte Stiles nun endlich wieder in die Realität zurück. Wie hatte er auch nur für eine Sekunde glauben können, dass Derek ihn aufgegeben hatte? Nur wegen ihm tat Derek doch das alles und lieferte sich Kate aus, obwohl ihm das zutiefst zuwider war! Stiles schämte sich plötzlich ganz furchtbar und begann los zu plappern, ohne recht zu wissen, was er eigentlich sagen wollte: „Ich habe dich so sehr vermisst, Derek. Oh verdammt, ich vermisse dich wie verrückt! Da war dieses Erdbeben... ! Ich... ich hatte so große Angst! Ich dachte, ich sterbe. Und dann dieser Kerl.... Er hat mich geküsst! Es tut mir so wahnsinnig leid, Liebling!“ Stiles weinte von Neuem. Derek, der kein Wort von dem verstand wartete ab, bis das Schluchzen irgendwann weniger wurde, ehe er ein wenig verletzt die Frage stellte: „Du hast einen Anderen geküsst, Stiles?“ „NEIN!“ schrie der Jüngere derart schrill in den Hörer, dass es Derek in den Ohren schmerzte: „Nein, ER hat MICH geküsst. Ehrlich!“ versicherte Stiles. Dann hörte Derek, wie sein Freund einige Male tief ein und aus atmete, ehe er endlich zu einer vernünftigen Erklärung ansetzte: „Ich habe einen Ausflug nach San Diego gemacht.“ Warum er dort gewesen war verriet Stiles besser nicht, weil er genau wusste, dass Derek sich bloß Sorgen machen würde, wenn er von seinen Nachforschungen hörte. Zum Glück fragte sein Gefährte auch nicht, denn Stiles wollte ihn wirklich nicht anlügen. Er fuhr fort: „Ich hatte Durst, weil es so wahnsinnig heiß gewesen ist, also habe ich in einer Bar eine Limo getrunken. Dort war so ein Kerl, gutaussehend, selbstbewusst, nicht gewohnt, dass jemand Nein zu ihm sagt. Ich habe ihm laut und deutlich gesagt, dass ich einen Freund habe, doch so einfach wollte er nicht aufgeben. Dann ging dieses Erdbeben los. Er hat mich davor gerettet totgetrampelt zu werden und hat dann wohl geglaubt, dass ihm dafür eine Belohnung zusteht. Als er mich geküsst hat, habe ich ihn von mir gestoßen und bin einfach weggelaufen. Ehrlich Derek, ich habe ihn in keiner Weise dazu eingeladen so etwas zu tun. Ich bin Dein, ehrlich! Ich werde nie wieder einen anderen Mann an mich heranlassen. Glaubst du mir!“ Zum Ende hin klang Stiles so, als würde er gleich wieder in Tränen ausbrechen. „Natürlich glaube ich dir, Baby! Ich liebe dich! Alles ist gut!“ versicherte Derek sanft: „Danke!“ murmelte Stiles und er klang so jung und allein. „Darf ich bitte zu dir kommen!“ fragte Derek traurig: „Ich will dich so gern jetzt im Arm halten und dich trösten.“ Kurz war Stille in der Leitung. Sicher weil Stiles diesen Gedanken ebenso verführerisch fand, wie er selbst. Schließlich fragte der Jüngere: „Hast du denn schon irgendetwas gegen Kate in der Hand?“ „Nicht wirklich.“ gab Derek bedauernd zu und berichtete seinem Liebsten dann abrissartig von den Ereignissen der jüngsten Zeit, bis hin zu seiner Entdeckung vom heutigen Tag. „Das ist wohl nicht genug.“ stellte Stiles bedauernd fest: „Hältst du es überhaupt noch aus? Wir können das Ganze auch einfach abblasen? Es muss ja furchtbar für dich sein.“ „NEIN!“ erwiderte Derek fest: „Kommt nicht in Frage! Wir ziehen das durch. Ich schaffe das! Bitte mach´ dir keine Sorgen!“ „ Dann sollten wir uns wohl heute noch nicht wiedersehen. Zu riskant!“ seufzte Stiles und fügte leise hinzu: „Ich liebe dich so sehr. Ich kann niemals wieder gutmachen, was du da für dich tust.“ „Das ist dummes Zeug, mein Liebling.“ schalt ihn Derek zärtlich: „Es ist immerhin MEINE Vergangenheit, die dich da einholt.“ Sie redeten noch eine Weile miteinander in der Sprache der Liebenden; voller Zärtlichkeit und Sehnsucht, bis Derek am Ende vollkommen sicher war, dass Stiles sich wieder vollständig beruhigt hatte. Erst dann schlug er vor, dass sie nun vielleicht noch ein kleines Schauspiel für Kate aufführen sollten, damit diese durch den Anrufversuch von Stiles von vorhin nicht misstrauisch werden würde. Sie legten also auf und Derek rief ihn gleich darauf von dem verwanzten Handy erneut an, spielte den wilden Mann, forderte wütend von Stiles, dass dieser ihn in Ruhe lassen und endlich aus seinem Leben verschwinden solle. Wie verabredet machte Stiles ein paar Versuche zu erklären, dass er unschuldig sei und Derek und Malia nicht an die Presse verraten habe, doch Derek brüllte ihn daraufhin nur noch lauter an, dass er seine Lügen jemand anderem erzählen könne, ehe er einfach auflegte. Das dürfte Kate wohl gefallen haben! Derek schaltete dieses Telefon erneut aus und weil dieses fingierte Telefonat einen bitterem Geschmack in seinem Mund hinterlassen hatte, rief er Stiles ein weiteres Mal von dem anderen Apparat an. An der Erleichterung in der Stimme seines Freundes konnte er hören, dass es diesem ebenso sehr wehgetan hatte, so miteinander zu sprechen, auch wenn alles nur Theater war. Und weil sie sich so sehr nach einander sehnten, redeten sie nun miteinander über ihre gemeinsame Zukunft, wenn diese Hölle erst einmal vorbei wäre, schmiedeten Pläne, entwickelten Reiserouten zu Orten, die sie gemeinsam besuchen wollten, sprachen über Dinge, die sie gemeinsam erleben wollten und irgendwann sogar über Heirat und Kinder. Das ging stundenlang so, ohne dass ihnen der Gesprächsstoff ausging. Darüber wurde es Nacht und als die Augen schließlich begannen ihnen zuzufallen, versprachen sie sich schließlich, bald wieder zu telefonieren, ehe sie endgültig auflegten. Kapitel 53: Sherlockin´ around, Teil 4 -------------------------------------- Kate wusste, dass Derek sein Versprechen brechen und diese kleine Made Stiles am Ende doch noch anrufen würde. Das hatte sie ihm an der Nasenspitze angesehen, denn als ihn vorhin dieser Anruf erreichte, war die erste Reaktion, die Kate auf Dereks Gesicht lesen konnte doch tatsächlich so etwas wie Freude gewesen und dann erst folgte der Ärger? Er hatte diese kleine Nutte also immer noch im System, so viel stand fest! Und so hatte Kate abgewartet und sich dann gespannt in den Anruf eingeklinkt, denn sie war sicher gewesen, dass es diesem kleinen Dreckskerl mit seiner Bettelei schlussendlich doch noch gelingen würde, sich wieder bei Derek einzuschmeicheln. Umso überraschter war sie dann zu hören, dass ihr Ex sich auf nichts mit ihm einließ und Stiles klipp und klar sagte, wohin er sich seine Entschuldigungen stecken könnte. Sie war sogar ein klein wenig stolz auf ihn. Vielleicht gab es für diesen weichherzigen Trottel ja doch noch ein klein wenig Hoffnung und sie verschwendete mit ihm nicht bloß ihre kostbare Zeit? Auch wenn Derek sich immer noch seltsam zierte, lief für Kate dennoch alles nach Plan und schon bald würde er wieder vollständig ihr gehören, soviel war sicher. Spätestens wenn er die guten Neuigkeiten hörte, wäre der sentimentale Idiot Wachs in ihren Händen. Natürlich musste Kate dafür erst einmal diese hässliche kleine Nutte endgültig loswerden, doch das sollte kein Problem sein, denn immerhin hatte sie ja nun eine neue Verbündete auf ihrer Seite. Und Lesben hatten ihr noch nie widerstehen können. Kate grinste zufrieden in sich hinein. Stiles wurde früh am folgenden Morgen von seinem Wecker geweckt. In seiner verschlafenen Benommenheit langte er hinüber auf die andere Bettseite, doch natürlich fand er sie leer. Er schluckte ein wenig und zog sich das zweite Kissen heran, um seine Arme darum zu schlingen. Das gestrige Telefonat hatte seine Sehnsucht nach Derek nur noch größer werden lassen. Nein zu sagen, als dieser vorschlug vorbeizukommen, war ein echter Kraftakt gewesen und er fragte sich immer noch, woher er die Willenskraft dazu hergenommen hatte. Stiles wünschte plötzlich, es gäbe etwas, was ihn dauerhaft mit seinem Freund verband, etwas an dem er sich festhalten konnte, wenn sein Geliebter einmal nicht bei ihm sein konnte und da hatte er mit einem Mal eine brillante Idee. Er grinste zufrieden in sich hinein, nahm sein Handy zur Hand und googelte Tattoo-Studios in Marin County. Er fand eines in San Rafael, wo er um die Mittagszeit, wenn der Laden öffnete anrufen würde, um zu fragen, ob er am Nachmittag vorbeikommen könne. Er hatte heute zwar ohnehin einiges auf der Agenda, aber für diese eine Sache hätte er sicherlich noch Zeit. Und Derek würden sicherlich die Augen übergehen, wenn er es bei ihrem Wiedersehen entdeckte! Beim Frühstück dachte Stiles noch einmal über sein heutiges Vorhaben nach. Er hatte einige Hebel in Bewegung setzen müssen, bloß um dieser fixen Idee nachzugehen. Zum Beispiel hatte er Kontakt zu dem einzigen Polizisten aufgenommen, dem er wirklich vertraute. Jordan Parrish war einer der Deputys seines Dads gewesen und für Stiles war er so etwas wie ein Freund. Er hatte als Jugendlicher ziemlich oft länger als nötig im Sheriffsdepartment seiner Heimatstadt Beacon Hills herumgehangen, nicht bloß um seinem Vater auf die Nerven zu gehen und sich neugierig in laufende Ermittlungen einzumischen, sondern auch um in Jordans Nähe zu sein. Hätte Stiles damals schon über sich gewusst, was er heute wusste, dann wäre ihm klar gewesen, dass er ein wenig in den jungen, gutaussehenden Deputy verknallt gewesen war. Parrish hatte davon vermutlich nie etwas mitbekommen und falls doch, dann hatte er es gutmütig ignoriert und war ihm eher so etwas wie ein großer Bruder gewesen und hatte Stiles unter seine Fittiche genommen. Er hatte sich auch redlich bemüht, Stiles zu trösten, als damals dessen Eltern so unerwartet bei dem Autounfall gestorben sind, doch es war ihm einfach nicht gelungen, zu dem Jüngeren in seiner Verzweiflung durchzudringen. Als Stiles ihn dann kürzlich lediglich deswegen angerufen hatte, weil er Einblick in eine alte Polizeiakte haben wollte, war Jordan zunächst ein wenig enttäuscht gewesen, doch das legte sich rasch wieder, als Stiles zugab, nachdem Parrish sein Versprechen gegeben hatte zu sehen, was er für ihn tun konnte zugab, dass er sich lediglich aus Scham so lange nicht bei ihm gemeldet hatte. Der junge Deputy war sehr darum bemüht gewesen nicht zu zeigen, wie sehr es ihn erschreckte zu hören, dass Stiles sich, um zu überleben nach dem Tod seiner Eltern prostituiert hatte. Parrish war nicht der Typ, der die Klatschspalten las und sein Heimatort war auch ziemlich abgeschnitten vom Rest der großen, weiten Welt, weshalb er auch keinen einzigen Bericht und kein Foto von Stiles und dem Milliardär Derek Hale in der Zeitung, im Internet oder Fernsehen gesehen hatte. Als Stiles ihm also die ganze Geschichte erzählte, war Jordan aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen und hatte es beinahe nicht glauben können und erst recht, als er hörte, dass ein Top-Model dem Jüngeren nun nach dem Leben trachten sollte? Natürlich hatte Parrish Stiles die gewünschte Akte nicht aushändigen können, doch er hatte ihm die Dinge verraten, die er so dringend wissen wollte. Der Mörder der Hale-Familie saß lebenslänglich im San Quentin State Prison in Marin County. Sein Name war Leo Brunski und vor der Tat war er Krankenpfleger in einer psychiatrischen Klinik gewesen. Erst nach der Tat hatte sich herausgestellt, dass Brunski im Grunde sehr viel besser auf der anderen Seite der Sicherheitstüren seines Arbeitsplatzes aufgehoben gewesen wäre. Er hatte ausgeprägte sadistische Neigungen, welche er in ungezählten Fällen und über lange Zeit vollkommen unbemerkt an wehrlosen Patienten ausgelassen hatte. Einige ungeklärte Todesfälle, welche wie Selbstmorde ausgesehen hatten, gingen möglicherweise auf sein Konto, doch leider hatte man ihm das nie zweifelsfrei nachweisen können. Zu dem Motiv, das Haus der Hales in Brand zu setzen und beinahe die ganze Familie zu töten, hatte Brunski sich niemals geäußert, dennoch hatte er für dieses scheußliche Verbrechen ein volles Geständnis abgelegt. Als Stiles von Parrish hatte wissen wollen, ob er ihn für verrückt hielt, weil er glaubte, dass Kate Argent in irgendeiner Weise an dieser Tat mit beteiligt sein könnte, hatte dieser ihm seine ehrliche Meinung gesagt, nämlich dass es zwar ein wenig an den Haaren herbeigezogen wirkte, dass Stiles jedoch immer schon einen beinahe übersinnlichen Instinkt in Sachen Polizeiarbeit gehabt hatte und das aus ihm mit Sicherheit ein fantastischer Gesetzeshüter geworden wäre, wie sein Vater einer gewesen ist. Dies war die Ermutigung gewesen, die Stiles schließlich noch gebraucht hatte, um noch viel tiefer nach den Leichen Kate Argents Keller zu graben. Als Stiles Parrish berichtet hatte, dass er seit Kurzem ein Kriminalistikseminar an der UCLA belegte, war dieser überaus erfreut gewesen. Zum Abschied hatten sie sich versprochen, sich recht bald endlich einmal zu treffen und Parrish hatte verkündet, dass er dann unbedingt auch Stiles Freund Derek kennenlernen wollte: „Eigentlich habe ich schon immer geahnt, dass du schwul sein könntest.“ hatte Jordan gesagt: „Und Stiles... es ist okay! Und auch für deine Eltern wäre es ebenso okay gewesen.“ An dieser Stelle wären Stiles beinahe die Tränen gekommen. Nun stand Stiles ratlos vor seinem Kleiderschrank und fragte sich, was er für den heutigen Anlass anziehen sollte. Aufgrund der immer noch über ganz Kalifornien brütenden Hitze und auch weil es ihm wegen der Story, welche er sich für den heutigen Gefängnisbesuch zurechtgelegt hatte; nämlich dass er als Student der Kriminalistik zu spektakulären Massenmorden der Gegenwart forsche und darum ein Interview mit Leo Brunski führen wolle; erschienen ihm ein leichtes T-Shirt und eine Jeans das angemessene Outfit zu sein. Ein Sweatshirt mit dem Aufdruck seiner Universität trug er ergänzend dazu über die Schultern, die Ärmel über der Brust verknotet. Stiles hatte zuvor die Besuchsregeln gründlich gelesen. Es war nicht erlaubt, Kleidung in der Farbe der Gefängniskluft, also hellblau zu wählen, darum war die Jeans schwarz, das T-Shirt in rot und das Sweatshirt war senfgelb. Stiles packte ein Aufnahmegerät, den teuren Füller von Montblanc, welchen er sich selbst zum Studienbeginn geschenkt hatte, einen Schreibblock ohne Spirale, weil man aus dem Metall theoretisch eine Waffe basteln könnte und eine Mappe, welche er für den heutigen Tag zusammengestellt hatte in seinen Rücksack und dann brach er auf, um seinen Leihwagen abzuholen. Als er seine sechseinhalbstündige Hinfahrt antrat, konnte er es im Grunde immer noch nicht fassen, wie leicht es gewesen, das Einverständnis zu diesem Besuchstermin zu erhalten. Stiles hatte den Kontakt zu Brunski über dessen Anwälte herstellen lassen und dieser hatte dem Interview dann auch tatsächlich zugestimmt. Offenbar war er einer von jenen Mördern, welche auf ihre Wahnsinnstaten hinterher auch noch stolz waren und konnte es gar nicht abwarten, nun damit zu prahlen. Die letzte Hürde war dann nur noch die Gefängnisleitung gewesen, doch diese hatte dem Besuch problemlos zugestimmt. Stiles fuhr die ganze Strecke mit heruntergelassenen Fenstern, weil der Fahrtwind das Wetter wenigstens einigermaßen erträglich machte. Bei seiner Ankunft staunte er zunächst darüber, wie gigantisch groß dieser Gefängniskomplex war. Das Gebäude hatte einen hellen Anstrich und wirkte im Sonnenschein beinahe freundlich, wenn man all die Wachtürme und den Stacheldraht einmal großzügig ausblendete. Stiles musste ein halbes Dutzend mal seinen Ausweis und Führerschein bei unterschiedlichen Mitgliedern des Gefängnispersonals vorzeigen und ebenso oft verschiedene Sicherheitsschranken passieren. Man unterzog in einer Leibesvisitation, inspizierte alles, was er dabei hatte und dann ließ man ihn eine kleine Ewigkeit warten, doch irgendwann war es dann soweit und man ließ ihn endlich in den Besucherraum. Stiles durfte auf einem Metallstuhl an einem Metalltisch Platz nehmen. Beides war fest mit dem Boden verschraubt; selbstverständlich, damit kein Gefangener in einem Wutausbruch damit umher werfen konnte. Irgendwie hatte Stiles angenommen, dass er und der Gefangene ein wenig mehr Privatsphäre haben würden und auch, dass sich zwischen ihnen eine Scheibe aus Panzerglas befinden würde, doch es war ganz anders, als in seiner Fantasie. In dem eierschalenfarben gestrichenen Besucherraum gab es mehrere Tische wie den seinen, an welchen Gefangene mit ihren Angehörigen saßen und redeten. Es gab ein einziges Fenster im Raum, vergittert und genau in Stiles Blickrichtung. In einer Ecke neben der Tür, die wenigstens für die Gäste wieder nach draußen führte, saß ein Wachmann; ein massiger, stiernackiger, kahlköpfiger Riese mit rotem, verschwitzten Kopf, welcher hochkonzentriert einen zerfledderten Marvel-Comic las. Nun wurde Brunski von einem anderen Wachmann hereingeführt. Der Gefangene trug Ketten an Händen und Füßen, die miteinander verbunden waren. Das einzig bemerkenswerte an Brunski war, wie unwahrscheinlich durchschnittlich er aussah. Hätte er Stiles während einer langen Bahnreise gegenüber gesessen und er hätte ihn hinterher für ein Fahndungsporträt beschreiben müssen, wäre er wohl sehr in Verlegenheit gekommen. Brunski beachtete Stiles zunächst überhaupt nicht. Anstatt dessen verdrehte er seinen Kopf, um aus dem Fenster zu schauen. Als es Stiles irgendwann zu dumm wurde und er sich ungeduldig räusperte wandte sich Brunski ihm endlich zu: „Ist `ne Weile her, dass ich die Sonne gesehen habe.“ erklärte der Gefangene gelassen, mit leiser Stimme: „Ich gelte wohl irgendwie als gefährlich, wissen sie? Es gab da vor einer Weile einen Zwischenfall mit einem Mithäftling. Er hatte mich bestohlen.“ Brunski schüttelte belustigt den Kopf: „Ach was, so wild war es gar nicht! Er hat überlebt und wie ich von einem der Schließer erfahren habe, ist er inzwischen auch wieder aus dem Koma erwacht. Tja, aber seitdem befinde ich mich in Isolationshaft. Keine Fenster! Da ist es schwer zu sagen, ob gerade Tag oder Nacht, Winter oder Sommer ist. Und manchmal fehlt mir da einfach der Anblick des Himmels.“ „Verstehe!“ sagte Stiles kurz angebunden. Das interessierte ihn nun wirklich kein Stück! Er spulte seinen einstudierten Text ab; nämlich dass er als Student der Kriminalwissenschaften eine Arbeit schreiben müsse, dass bei den Recherchen seine Neugier für den Mord an der Hale-Familie geweckt worden sei und dass ihn insbesondere die Perspektive des Täters interessiere. Stiles ließ seine persönlichen Gefühle so gut er konnte außen vor, denn immerhin war dies der Mann, der beinahe Dereks gesamte Verwandtschaft in einem kaltblütigen Akt der Grausamkeit ausgelöscht hatte. Er bedankte sich sogar höflich dafür, dass Leo Brunski sich heute die Zeit nahm mit ihm zu sprechen und dann verstummte er erst einmal, um dem Gefangenen seine Bühne zu bieten. Und wie Stiles es vermutet hatte, hatte Brunski ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein. Stolz und in aller Ausführlichkeit berichtete er, wie genau er seine abscheuliche Tat begangen hatte, wie er das Feuer gelegt hatte, wie es ihm gelungen war, die Opfer in ihrem eigenen Haus einzusperren, so dass sie keine Chance hatten sich zu retten und wie süß die Schreie seiner Opfer in seinen Ohren geklungen hätten. Stiles sorgte dafür, dass seine Miene absolut ausdruckslos blieb, während er innerlich brodelte. Brunski hatte einer Tonbandaufnahme zugestimmt und wenn Stiles es einfach nicht mehr ertrug, in das süffisant grinsende Gesicht des Mörders zu schauen, dann fixierte er mit seinem Blick das kleine rote Lämpchen, welches anzeigte, dass das Gerät arbeitete, oder er gab vor, sich Notizen zu machen. Schließlich war Brunski mit seinem Bericht am Ende, lehnte sich lässig in seinem Stuhl zurück und fixierte Stiles mit seinem Blick: „Und Mr. Stilinski? Wie denken sie über all´ das? Gibt es ihnen jene Einsicht in das Gehirn eines Psychopathen, auf welche sie zweifelsohne gehofft haben?“ `Nun will er auch noch Applaus!´, dachte Stiles angewidert. „Was ich denke, wollen sie wissen? Ich denke, es muss sie wahnsinnig machen, dass ihr Werk unvollendet geblieben ist. Derek Hale ist noch immer am Leben. Ihn haben sie nicht erwischt und das werden sie auch nicht mehr, denn sie werden den Rest ihres Lebens hinter diesen Mauern verbringen.“ Stiles wusste selbst nicht, welche Reaktion er auf seine Worte hin erwartet hatte, doch sicherlich nicht dieses mysteriöse Lächeln, welches sich nun auf Brunskis Lippen zeigte. Er stutzte kurz. Dann spekulierte er: „Aber sie wollten ihn gar nicht töten, richtig? Sie wollten ihm lediglich seine Familie nehmen, richtig?“ Brunski lachte leise: „Sie sind schlau, Mr. Stilinski!“ erklärte er anerkennend und fügte dann geheimnisvoll hinzu: „Sagen wir einfach, ich bin damals ein wenig über´s Ziel hinausgeschossen.“ „Was bedeutet das?“ fragte Stiles stirnrunzelnd. Wieder diesen ominöse Lächeln Brunskis und anstelle einer Antwort legte er sich seinen Zeigefinger an die Lippen, was soviel bedeuten mochte, wie dass es ein Geheimnis sei, welches er nicht gedachte preiszugeben. Stiles spürte, dass er so nicht weiterkäme, also versuchte er etwas anderes: „Sie haben sich niemals zu ihrem Motiv geäußert. Was hatten sie gegen die Hale-Familie? Warum mussten ausgerechnet sie sterben?“ Brunski schwieg erneut und der Blick, den er Stiles schenkte, hatte etwas provozierendes. Stiles nahm die Herausforderung an, erwiderte das Lächeln und sagte: „Ich denke, ich verstehe es. Ich denke, sie haben es für eine Frau getan. Warum sonst würde man eine lebenslange Haftstrafe in Kauf nehmen, wenn nicht aus Liebe?“ Kurz blitzte da etwas in Brunskis Blick auf. Stiles wusste, er hatte einen Nerv getroffen. Jetzt hieß es am Ball bleiben. Er öffnete die mitgebrachte Mappe, zog ein Foto von Kate heraus und legte es vor Brunski hin. Die Augen des Gefangenen wurden groß und sein Atem stockte ihm. `Treffer!´ dachte Stiles zufrieden. Kapitel 54: Gotcha! ------------------- „Kate Argent. Sie ist wirklich sehr schön, finden sie nicht auch?“ fragte Stiles Brunski im Plauderton, mit Blick auf das Foto, welches nun in ihrer Mitte lag. Die Miene des Häftlings verschloss sich: „Ich denke, sie sollten jetzt gehen, Mr. Stilinski.“ sagte er frostig. Stiles dachte natürlich überhaupt nicht daran. Für ihn hatte der Spaß hier ja gerade erst angefangen: „Aber wenn ich jetzt gehen würde, dann könnte ich ihnen ja gar nicht erzählen, wie es Kate momentan geht und was sie so treibt und das würden sie doch sicherlich gern wissen. Ich wette, sie hat sie kein einziges Mal besucht, seit sie hier drinnen sind, richtig?“ In Brunski rangen unübersehbar miteinander der Wunsch, sich der Situation zu entziehen und die Neugier zu erfahren, was der Fremde ihm zu sagen hatten: „Warum sollte diese Frau mich besuchen? Ich kenne sie doch gar nicht!“ behauptete der Gefangene finster. Stiles kämpfte so gut wie möglich gegen das triumphierende Lächeln an, welches nun versuchte, sich seines Gesichts zu bemächtigen und erklärte selbstbewusst: „Wir wissen doch beide, dass das nicht stimmt, Mr. Brunski. Sie kannten sich sehr wohl. Kate Argent war vor zwei Jahren ihre Patientin, ist es nicht so?“ Woher Stiles das wusste? Nun, nachdem er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, dass Kate hinter dem Tod von Dereks Familie stecken könnte, hatte er intensiv darüber nachgedacht, wo sie und Brunski sich begegnet sein könnten. Dann war ihm etwas wieder eingefallen, was er vor einer ganzen Weile den Schlagzeilen der Klatschpresse hatte entnehmen können, nämlich dass das Supermodel Kate Argent nach dem Tod ihres Vaters Gerard einen Nervenzusammenbruch erlitten haben sollte. Da war es doch naheliegend gewesen anzunehmen, dass sie daraufhin in irgendeine Klinik eingeliefert worden sein musste, wo sie ja immerhin Brunski in seiner Eigenschaft als Krankenpfleger in einer psychiatrischen Anstalt begegnet sein konnte, richtig? Es hatte Stiles dann aber trotzdem noch einen ganzen Batzen Geld gekostet etwas herauszufinden, nämlich indem er einen Pfleger an Brunskis ehemaligem Arbeitsplatz, einen schmierigen, gruseligen Kerl namens Schrader bestochen hatte. Dieser hatte ihm daraufhin verraten, dass Kate tatsächlich drei Wochen in jenem Institut zugebracht hatte und hatte ihm Einblick in ihre Patientenakte gewährt. Das bewies zwar immer noch nicht stichhaltig, dass sie und Brunski sich dort auch tatsächlich über den Weg gelaufen sein mussten, aber es reichte für Stiles, um sich seiner Sache sicher genug zu fühlen. Den Rest würde irgendwann hoffentlich die Polizei herausfinden, wenn sie bei einer Untersuchung des Falles alte Dienstpläne einsähen. „Ich hatte viele Patienten. Wie soll ich mich da an jeden einzelnen erinnern?“ fragte Brunski unfreundlich: „Ich bin sicher, eine Persönlichkeit wie Kate vergisst man nicht so leicht.“ beharrte Stiles: „Damals in der Klinik fühlte sie sich überhaupt nicht gut, wie ich gehört habe. Also das hat sich allerdings mittlerweile geändert. Es geht ihr heute blendend. Sie jettet in der Welt umher, ist immer noch ein begehrtes Model, sie feiert, genießt das Leben...“ während Stiles weitersprach, legte er weitere Fotos und auch ausgeschnittene Zeitungsartikel auf den Tisch, so herum, dass Brunski sie sehen konnte: Kate, die Bademode, Dessous oder Abendgarderobe vorführte, Kate die auf Partys über die Stränge schlug, Kate auf körnigen Fotos von Paparazzo, heimlich mit einem Teleobjektiv aufgenommen, wie sie mit irgendwelchen gutaussehenden Kerlen herummachte und passende Bildunterschriften darunter wie: `Ist das ihr Neuer?´ Brunski konnte seinen Blick nicht von den Bildern abwenden, wie Stiles zufrieden registrierte: „Also ich finde es ungerecht, dass dieses Weib es nicht einmal für nötig hält sie mal zu besuchen, nach allem, was sie ihnen zu verdanken hat, ist es nicht so? Immerhin haben sie sie ja nicht bloß geheilt und wieder aufgerichtet, als sie an einem Tiefpunkt in ihrem Leben angekommen war, sie haben sich für sie außerdem auch noch um ein wirklich großes Problem gekümmert, als sie die Hales ausgelöscht haben, oder etwa nicht? Ich finde, diese undankbare BITCH schuldet ihnen wirklich mehr als das!“ Brunski sprang von seinem Stuhl auf und rief ärgerlich: „Halten sie die Klappe! Sie wissen ja gar nicht, wovon sie sprechen. Ich will davon nichts mehr hören. Verschwinden sie auf der Stelle!“ Der Wachmann, welcher den Gefangenen vorhin hereingeführt hatte, wirkte nun zum Sprung bereit. Seine Hand lag auf seinem Schlagstock. Sein anderer Kollege wurde ebenfalls aufmerksam, legte seinen Comic beiseite und beobachtete die Situation wachsam. „Bitte regen sie sich nicht auf. Ich werde sofort gehen.“ versprach Stiles, mit Kreide in der Stimme: „Aber eine Sache sollten sie noch wissen, Sir: Während sie hier drinnen schmoren und keinen Besuch von Kate Argent erhalten, raten sie, mit wem sie da heutzutage ihre Zeit verbringt?“ Stiles legte einen letzten Zeitungsartikel auf den Tisch: „Ausgerechnet mit Derek Hale! Ist das zu fassen? Man munkelt die beiden seien wieder zusammen und wollten sogar heiraten. Unglaublich, oder?“ Brunski war mittlerweile puterrot im Gesicht und nun verlor er restlos die Fassung. Mit schriller Stimme erklärte er: „Es ist Kates gutes Recht, mich nicht zu besuchen. Ich verdiene doch viel Schlimmeres. Ich habe es falsch gemacht, vollkommen falsch! Um die Mutter sollte ich mich kümmern, nur um die Mutter! Doch ich konnte nicht widerstehen, als ich die Familie zusammen gesehen habe. Sie waren wie Tiere im Käfig und da wollte ich sie allesamt brennen sehen. Es ist meine eigene Schuld. Ich war undiszipliniert! Es war ein Fehler! FEHLER! FEHLER! Dies hier ist meine verdiente Strafe. Aber es ist nicht vorbei. Ich weiß es! Sie stellt mich bloß auf die Probe. Ich büße für meine Sünden, aber eines Tages wird sie zu mir kommen. Meine Göttin! Wenn ich geläutert bin, dann wird sie zu mir kommen! Ich muss nur geduldig sein!“ Brunskis Körper war gespannt, wie eine Gitarrensaite und der Geifer spritzte in alle Richtungen, als er sprach. Paradoxerweise erinnerte er Stiles in diesem Moment an einen dieser irren Fernsehprediger, die es liebten, ihren sündigen Schäfchen mit dem Feuer der Hölle zu drohen. Dann plötzlich hielt Brunski inne, weil ihm klar wurde, was er getan hatte. Er hatte selbst eine Todsünde begangen. Er hatte seine Göttin verraten! Brunskis Blick und auch der von Stiles gingen gleichzeitig hinab auf das Aufnahmegerät, beide schnappten zugleich danach, aber Brunski war, behindert durch seine Ketten, der Langsamere. Blitzschnell ließ Stiles den Apparat in seiner Hosentasche verschwinden und Brunski, nun fuchsteufelswild, machte Anstalten, auf ihn loszugehen. Aber nun waren auch endlich auch die beiden Wachleute bei ihnen. Stiles zog sich rasch in eine sichere Ecke des Raumes zurück und genoss mit Genugtuung den Anblick, wie der Mörder der Familie seines Geliebten brutal niedergeknüppelt wurde. Ein Alarmknopf war gedrückt worden. Weiteres Wachpersonal strömte herbei. Die Gefangenen wurden in ihre Zellen zurückgeführt und der Besuchstag im San Quentin Gefängnis war für heute vorüber. Stiles war ausgesprochen zufrieden mit sich selbst und dass ihn nun eine fast einen Meter neunzig messende, amazonenhafte Schließerin, neben deren Bizeps sein eigener beinahe schwindsüchtig wirkte, unsanft nach draußen schaffte und unmissverständlich klar machte, dass er nicht einmal daran denken sollte wiederzukommen, war ihm vollkommen egal. Er hatte was er wollte. Endlich! Als Stiles etwas später in seinem, vollkommen überhitzten Leihwagen auf dem Parkplatz saß, welchen die Klimaanlage erst ganz nach und nach abzukühlen vermochte, begann er zu zittern. Er hörte sich die Bandaufnahme an und stellte erleichtert fest, dass alles ganz klar und deutlich zu hören war. Er hatte es geschafft! Er hatte endlich etwas Handfestes gegen Kate in der Hand. Nun konnte er der Polizei endlich etwas liefern und fordern, dass die Mordversuche an ihm selbst noch einmal gründlich untersucht wurden und den Beamten sagen, dass er Kate für die Täterin hielt, ohne sofort als verrückter Spinner abgestempelt zu werden. Aber was würde Derek empfinden, wenn er die Wahrheit über den Tod seiner Familie erfuhr? Er hatte mit Stiles Hilfe gerade erst seinen Frieden damit gemacht, dass sie Tod waren, aber diese Sache würde nun mit Sicherheit alte Wunden wieder aufreißen. Stiles war sich nicht sicher, wie viel mehr sein Geliebter noch ertrug. Auf jeden Fall musste er es ihm das alles sehr schonend beibringen. Er griff nach seinem Telefon, jedoch galt sein erster Anruf nicht Derek: „Jordan? Bist du es? Ich habe sie! Ich habe endlich Beweise!“ rief er in den Hörer und er bemerkte, wie seine Stimme vor Aufregung bebte. Parrish sanfte Sprechweise sorgte dafür, dass Stiles sich rasch wieder ein wenig beruhigte. Er berichtete dem jungen Deputy, was er gerade erlebt hatte und dieser versprach, sie um alles Weitere zu kümmern: „Dein Derek und du, ihr müsst euch nun für Zeugenaussagen bereithalten.“ erklärte er Stiles: „Und du solltet Anzeige gegen Kate Argent wegen versuchtem Mordes erstatten.“ Stiles schluckte und bat: „Kannst du mir etwas versprechen? Bitte unternimm´ nichts vor morgen Nachmittag. Ich muss erst noch mit Derek sprechen. Das wird heftig werden.“ „Verstehe! Ich werde warten.“ versprach der Deputy: „Aber schick mir die Tonaufnahme jetzt gleich, okay Stiles? Sicher ist sicher!“ Sie legten auf und Stiles tat, worum Parrish ihn gebeten hatte. Er atmete tief aus, denn als die Audionachricht verschickt war, fiel eine gewaltige Last von ihm ab. Er wählte Dereks Nummer: „Hey Babe!“ „Stiles? Ist alles in Ordnung? Du klingst erschöpft!“ erwiderte Derek alarmiert. „Nein, mach´ dir keine Sorgen. Mir geht’s gut, ehrlich.“ versicherte Stiles: „Können wir uns morgen früh sehen? Kommst Du zu mir? Ich muss dir etwas sagen; etwas sehr Wichtiges.“ Kurzes Schweigen vom anderen Ende der Leitung. Dann forderte Derek: „Wenn es so wichtig ist, dann kannst du es mir ja auch jetzt sofort sagen!“ „Das geht leider nicht, Liebling. Ich muss es dir persönlich sagen. Bitte Süßer... sehen wir uns morgen früh?“ flehte Stiles: „Ich kann doch auch jetzt gleich zu dir kommen?“ erwiderte Derek ungeduldig. „Geht nicht. Ich bin nicht in L.A. Ich komme erst spät heute Nacht wieder und dann werde ich ziemlich müde sein. Bitte Derek!“ bat Stiles. Er hörte Derek seufzen: „Also gut, ich werde gegen neun bei dir sein. Aber sag mir wenigstens, ob es etwas Gutes oder etwas Schlechtes ist, was du mir erzählen willst, sonst werde ich bis dahin doch keine Ruhe finden!“ Stiles schluckte: „Es ist beides, Derek. Aber so viel kann ich dir jetzt schon sagen: Es ist endlich vorbei! Ich komme nachhause und Kate wird bekommen, was sie verdient.“ „Oh, du machst mich wahnsinnig, Stiles! Wie kannst du so eine Andeutung machen und dann nicht mit der Sprache herausrücken?“ murrte Derek unzufrieden. Stiles holte tief Luft: „Es tut mir leid, Liebling. Bitte vertraue mir! Es ist besser so. Wir sehen uns morgen. Ich kann es kaum erwarten. Ich liebe dich!“ „Ich liebe dich auch, Stiles! Du fehlst mir so!“ erwiderte Derek missmutig. Damit verabschiedeten sie sich. Stiles wählte eine weitere Nummer, denn auch Scott sollte erfahren, was er herausgefunden hatte. Die liebe Stimme seines Herzensbruders zu hören machte, dass Stiles feuchte Augen bekam. Er war in den letzten Wochen einfach so unwahrscheinlich einsam gewesen! Die beiden redeten eine Weile, versprachen sich dann, sich so schnell wie möglich zu treffen und dann legten sie auf. Nun endlich machte Stiles sich auf die Heimreise, mit einem kleinen Umweg über San Fernando, wo eine Nadel darauf wartete, mit 18.000 Hüben pro Minute schwarze Tinte unter seine Haut zu transportieren. Stiles hoffte, dass er dabei nicht in Ohnmacht fallen würde, wie ein kleine Prinzessin! Kapitel 55: At last ------------------- Stiles hatte erst sehr spät in der vergangenen Nacht Schlaf gefunden, denn er war einfach zu aufgeregt gewesen. Als der Radiowecker ihn an diesem Morgen um acht Uhr jedoch mit „At Last“ von Etta James weckte, war er dennoch guter Dinge. Er drehte die Musik lauter, sang trotz seiner, vom Schlafen rostiger Stimme mit und sprang ohne Umwege unter die Dusche. Anschließend versorgte er zunächst seine Häschen mit Heu, Frischfutter, Wasser und natürlich einer Extra-Portion Liebe, ehe er auch sich selbst ein kleines Frühstück zurechtmachte. Er bekam nicht wirklich viel herunter, was ganz offensichtlich an seinem dummen Herzen lag, welches heftig klopfend seinen gesamten Brustkorb auszufüllen schien und seinen Magen und alles andere, was sich ansonsten darin befand verdrängte. Als um fünf vor neun die Türklingel ging, flitzte er so rasch los, als würde er in Flammen stehen. Dann hielt er jedoch noch einmal kurz inne, um durch Türspion zu schauen. Über einen längeren Zeitraum das Ziel von mörderischen Absichten einer Soziopathin gewesen zu sein, hatte ihn wohl irgendwie misstrauisch gemacht. Durch die verzerrende Linse erkannte Stiles seinen Geliebten, welcher den Arm voller roter Rosen hatte. Stiles biss sich auf die Unterlippe. Das war so altmodisch, übertrieben, kitschig... und großartig. Das war sein Mann! Er riss überschwänglich die Tür auf: „Endlich!“ Dereks Stimme klang genau so erschöpft, wie er aussah. Stiles zog ihn ohne Umschweife ins Innere seines Apartments, klappte die Tür hinter ihm zu, nahm ihm die Blumen ab, um sie beiseite zu legen und zog ihn fest in die Arme: „Ja, endlich!“ bestätigte er und sog den vertrauten, geliebten Duft seines Gefährten ein. Und da hatte er zum ersten Mal seit Wochen wieder das Gefühl, Luft zu bekommen: „Ich lasse dich dich nie wieder los!“ hauchte er in das Ohr des Älteren. „Einverstanden!“ bestätigte Derek, hob Stiles Kinn sanft mit Daumen und Zeigefinger, legte seine Lippen auf die seines Liebhabers und all´ die Sehnsucht, die sich in den letzten Wochen in ihm angestaut hatte, floss in diesem Kuss. „Wow!“ keuchte Stiles hinterher atemlos und mit weichen Knien: „Wo ist das denn alles hergekommen?“ „Es war eben wirklich schrecklich ohne dich! Du hast mir so wahnsinnig gefehlt!“ rechtfertigte sich Derek, tatsächlich ein klein wenig verlegen. „Tut mir echt leid!“ murmelte Stiles. Sein Mund suchte ein weiteres Mal den seines Gefährten und dann fragte er: „Willst du erst einmal die Tour?“ Er machte eine übertrieben weitschweifige Geste, mit welcher er sein winziges, bescheidenes Apartment präsentierte. Derek nickte; ein mattes, kleines Lächeln auf seinen Lippen. Stiles schnappte sich die Rosen und führte Derek herum. Die erste Station war die enge Küche, wo es nichts weiter zu sehen gab, als einen Hängeschrank, ein kleines Spülbecken, zwei Herdplatten und ein Tischchen mit wackligen Stahlrohrstühlen. „Nett!“ behauptete Derek, dessen begehbarer Kleiderschrank allein bereits größer war, als diese gesamte Wohnung. Stiles, der gerade eine hohe, schmale Schüssel aus dem Schrank genommen hatte, um die Blumen hineinzustellen, blickte sich über seine Schulter um und grinste milde zu dem heroischen Versuch Dereks, etwas Freundliches zu seiner Bleibe zu sagen: „Die sind wunderschön!“ kommentierte er und fügte, auf die Rosen deutend, grinsend hinzu: „Und sie werten diese Bude echt auf.“ „Du findest es albern, stimmt´s?“ Derek ließ den Kopf hängen. Stiles lachte und zog ihn zu einem Kuss heran: „Wann habe ich das denn gesagt, du dummer Kerl?“ Derek zuckte mit den Achseln. „Komm, ich zeige dir den Rest!“ schlug Stiles munter vor, nahm seine Hand und zog ihn hinter sich her. Viel zu sehen gab es nicht gerade. Das klaustrophobische Badezimmer besaß eine Duschwanne, welche man nur erreichte, indem man über die Kloschüssel hinweg stieg und wenn man auf der Toilette saß, hatte man das winzige Waschbecken direkt vor der Nase. Welcher Hobby-Klempner sich hier auch immer ausgetobt hatte, er hatte ganz offensichtlich, ganz nach dem „Tetris“-Prinzip gearbeitet und keine einzige Lücke verschenken wollen. Anschließend warfen die beiden Männer noch einen raschen Blick in das Kaninchenzimmmer, doch die Nager starrten die Eindringlinge lediglich misstrauisch an und es war offensichtlich, dass sie gerade überhaupt kein Interesse an Besuch hatten und so zogen sich die Zweibeiner eben höflich wieder zurück und beendeten ihre kleine Tour in Stiles Schlafzimmer, in welchem sich nichts weiter als ein Bett, ein Einbauschrank und ein alter, auf einem kleinen, wackligen Hocker thronender Röhrenfernseher befanden. „Du weißt doch, dass ich dir liebend gern Geld für eine viel größere und schönere Wohnung gegeben hätte, oder nicht Stiles?“ fragte Derek und ließ sich auf der Bettkante nieder: „Und du weißt, dass ich nicht gern Geld von dir nehmen mag, richtig Babe?“ erwiderte der Jüngere sanft und hockte sich daneben: „Außerdem hatte ich doch alles, was ich brauchte. Ich benötige nicht viel. Und die Enge hier hat mir irgendwie ganz gut getan. Sie hat mir Sicherheit gegeben, wie eine Art Höhle, verstehst du? Ich habe mich gefühlt, wie ein Tier, dass man von seinem Rudel getrennt hat und hier konnte ich mich verstecken.“ „Tut mir leid, dass du so allein warst!“ murmelte Derek traurig: „Das muss dir nicht leid tun. Es ist ja meine eigene, dumme Idee gewesen.“ gab Stiles zurück: „Es tut MIR leid, dass du dich mit Kate abgeben musstest. Ich weiß, wie schlimm das für dich gewesen sein muss. Ich sehe es dir an, du siehst erledigt aus. Hast du eigentlich abgenommen?“ Derek zuckte mit den Achseln: „Mir war oft übel.“ gab er kleinlaut zu: „Oh Baby, entschuldige! Das tut mir so leid! Ich hatte mir das nicht gut überlegt. Verzeihst du mir?“ fragte Stiles bestürzt. „Nicht doch, Stiles! Es gibt nichts, wofür du dich schuldig fühlen müsstest. Wir mussten doch etwas unternehmen. Es konnte ja schließlich nicht immer so weitergehen, bis Kate dich am Ende doch noch erledigt.“ erwiderte der Ältere fest. Stiles seufzte: „Soll ich dir nun eigentlich erzählen, was ich herausgefunden habe?“ fragte er missmutig: „Aber ich sage dir jetzt schon, es ist heftig und es wird dir nicht gefallen.“ „Nein, warte noch! Erzähl´s mir hinterher! Zuerst will ich unser Wiedersehen feiern und die verdammte Kate aus meinem System bekommen. Hilfst du mir dabei?“ wollte Derek wissen. Er musterte seinen Geliebten mit einem hungrigen Blick: „Aber sicher. Ich kümmere mich darum!“ versicherte Stiles, hockte sich rittlings auf den Älteren und schob ungeduldig die Hände unter dessen Kleidung. Sie sollten das hier jetzt wirklich genießen fand er, denn es war ungewiss, was mit Derek geschehen würde, wenn er erst einmal die ganze Geschichte kannte: „Ich will dich!“ hauchte er in sein Ohr: „So wie beim allerersten Mal, okay?“ Derek wurde seine Jeans bei der Erinnerung an damals schlagartig zu eng. Er nickte und begann eilig damit, sich selbst und Stiles zu entkleiden. Als er dem Jüngeren die Hose von den Hüften zog, entdeckte er die neue Tätowierung und seine Augen wurden groß vor Überraschung: „Wann?“ fragte er verblüfft und starrte auf die kleine Triskele, platziert rechtsseitig zwischen Stiles Hüftknochen und seiner Scham. Es war eine Miniaturversion Dereks eigener, welche er zwischen Seinen Schulterblättern trug: „Gestern erst!“ gab Stiles errötend zurück und fragte ein wenig unsicher: „Gefällt es dir nicht?“ „Was? Doch! Ich finde es unwahrscheinlich heiß! Aber warum? Wie bist du auf die Idee gekommen.“ „Du weißt warum.“ erwiderte Stiles leise. Dereks Lächeln wurde sanft und zärtlich: „Ja, ich schätze, ich weiß es. Danke, Baby!“ flüsterte er und hauchte einen Kuss, zart wie ein Windhauch auf die frische Wunde. Als sie sich liebten, wurde es dann doch nicht wie bei ihrem ersten Mal. Der wesentliche Unterschied war, dass sie damals noch kein Paar gewesen waren. Stiles war seinerzeit nervös gewesen, hatte sogar ein klein wenig Angst gehabt, als er sich Derek so vollkommen ausgeliefert hatte, denn er hatte nicht gewusst, was auf ihn zukam. Damals war seine Hingabe wie eine Mutprobe gewesen, doch jetzt entstand sie vollkommen organisch, war ein natürlicher Ausdruck seines Vertrauens. Er wusste, dass ihm hier niemals etwas Böses geschehen konnte, dass ihm nicht wehgetan werden würde und das jede Berührung, jeder Blick, jeder Kuss ein Ausdruck von Liebe war. Sex mit Derek war mit nichts, was Stiles in seinem früheren Leben erfahren hatte zu vergleichen. Das waren zwei völlig unterschiedliche Dinge und so oft sie es auch noch tun wurden, er wusste, er würde nie genug davon bekommen. Stiles kniete am Kopfende des Betten, hielt sich dort fest und verrenkte sich beinahe den Hals, um Derek anschauen oder küssen zu können. Am Liebsten taten sie es so, dass sie einander zugewandt waren, doch darauf verzichteten sie heute mit Rücksicht auf das frische Tattoo. Die Luft um das Paar schien zu knistern und zu flirren und das lag nicht nur an der Hitzewelle, die Kalifornien noch immer im Griff hatte. Derek griff um Stiles herum nach vorn und er ließ seine Hand dessen Bauch hinab zu seiner Mitte wandern, um ihn mit geübten Fingern zum Wahnsinn zu treiben. Stiles griff um Derek herum nach hinten, um ihn an sich heranzuziehen und ihn so noch tiefer in sich spüren zu können. Den beiden verlangte es in diesem Moment nach nicht weniger, als vollkommener Verschmelzung, danach die Grenzen des eigenen Egos für einen kurzen, kostbaren Moment zu überwinden und Eins zu werden, was eine Weile später in einem heftigen, explosionsartigen, gemeinsamen Höhepunkt gipfelte. Verschwitzt und erledigt ließen sie sich nun nebeneinander auf das Bett sinken. Lächelnd strich Derek Stiles eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn: „Ich liebe dich!“ murmelte er müde: „Ich will dass es für immer so ist, wie jetzt gerade!“ Stiles verschränkte ihre Finger. Nein, er würde diesen Moment jetzt nicht zerstören, indem er über Kate Argent sprach. Das hatte keine Eile: „Einverstanden! Wir bleiben einfach für immer hier. Hier findet uns die harte Realität nicht.“ behauptete er. Sie rückten näher zusammen, umschlangen einander, der Hitze zum Trotz, mit Armen und Beinen und waren im Nu tief und fest eingeschlafen. Sie hörten nicht, wie sich jemand mit einem Dietrich am Wohnungsschloss zu schaffen machte. Sie erwachten erst, als die Schlafzimmertür mit einem lauten Krachen aufflog: „DU ARSCHLOCH!“ schrie eine wütende, leider allzu vertraute, weibliche Stimme. Dann zerriss ein Schuss die Luft. Kapitel 56: Ausgespielt! ------------------------ Stiles und Derek saßen schlagartig kerzengerade im Bett, starrten erst einander an und dann Kate Argent, die wie ein Racheengel plötzlich in ihrem Schlafzimmer stand; in einem feuerroten Jumpsuit, mit wilder blonder Mähne und einer Beretta in jeder Hand. Kate hatte bereits einmal geschossen, doch niemand war dabei verletzt worden. Derek begriff nicht, wie das möglich war. Ihre Familie bestand immerhin aus einer ganzen Sippe von Waffenhändlern und Freizeitjägern. Sie könnte einer Fliege das Auge ausschießen, wenn sie wollte und sie stand doch unmittelbar vor ihnen? Sie konnte sie nicht verfehlt haben, also was zur Hölle ging hier vor? War das nur ein Warnschuss gewesen? Dann erkannte er, dass Kate genau so überrascht war, wie er selbst: „Du Dreckskerl hast mich die ganze Zeit über nur verarscht!“ brüllte sie nun zornig und feuerte noch einmal, diesmal aus beiden Rohren, um Stiles und Derek, die vor Schreck wie erstarrt waren, zugleich zu erledigen. Zwei Schüsse erklangen, aber ein weiteres Mal, ohne dabei auch nur den geringsten Schaden anzurichten. „Was zur Hölle...?“ knurrte Kate. Weiter kam sie nicht, denn hinter ihr erschien unerwartet eine weitere Person und dann ging sie keuchend zu Boden. Nun erkannten die beiden Männer Malia, mit einem Radkreuz in ihrer Hand, welches sie Kate soeben über den Schädel gezogen hatte. Bedauerlicherweise war diese aber zäher, als sie aussah und war bereits wieder dabei, sich aufzurappeln: „Nichts, da Süße!“ zischte Malia, setzte zum Sprung an und stürzte sich auf die Ältere, wie ein Raubtier. Eine heftige Schlägerei entbrannte zwischen den Frauen, bei welcher sie beide ihre Waffen aus den Händen verloren. Dennoch schenkten diese beiden sich wahrlich nichts: „Du hast mich auch bloß verarscht, Bitch?“ schrie Kate gleichzeitig ungläubig und fuchsteufelswild und ihre Wut schien ihr außerordentliche Kräfte zu verleihen. Malia musste ein paar wirklich heftige Faustschläge gegen den Kopf einstecken, doch zum Glück war auch sie hart im nehmen und hatte keine Skrupel ebenfalls tüchtig auszuteilen. Derek und Stiles hatten immer noch nicht vollständig begriffen, was hier eigentlich gerade vor sich ging. Sie beobachteten die beiden Kämpferinnen, die sich wild am Boden wälzten, ohne recht zu wissen, wie sie eingreifen und Malia zu Hilfe kommen könnten. Schließlich gewann Dereks Cousine aber auch ohne Hilfe die Oberhand. Sie hatte die perfekte Position, saß auf Kates Brust, kniete auf ihren Oberarmen und schlug der am Boden Liegenden mit der Rechten nun immer wieder ins Gesicht, bis keine Gegenwehr mehr kam: „Ein bisschen Hilfe wäre echt nett. Schnell, eure Gürtel!“ japste Malia nun atemlos. Endlich erwachten die beiden Männer aus ihrer Erstarrung, sprangen vom Bett zu ihren Hosen und reichten Malia ihre Gürtel, welche diese dafür verwendete, die schwer angeschlagene Kate auf den Bauch zu rollen und zu verschnüren, wie einen Rollbraten. Malia erhob sich und bewunderte ihr Werk: „Ich bin zwar schon eine Weile im Ruhestand, aber ich kann es noch! Eine meiner besten Arbeiten.“ kommentierte sie unbescheiden und wischte sich mit dem Handrücken ein Rinnsal Blut aus dem Mundwinkel. „Was geht denn hier überhaupt vor?“ fragte Derek, der endlich seine Sprache wiedergefunden hatte: „Na was glaubst du denn, Prinzessin? Ich hab´ euch die mickrigen Ärsche gerettet!“ erwiderte Malia ein wenig zu zufrieden mit sich selbst. Sie sah gerade aus, wie eine Boxerin nach einem Preiskampf, denn eines ihrer Augen schwoll soeben beinahe vollständig zu: „Apropos Ärsche! Wollt ihr euch nicht endlich mal was anziehen? Das ist echt widerlich, Leute! Und außerdem... vielleicht ruft mal jemand die Cops, damit Miss Kill-A-Lot hier endlich eingebuchtet wird!“ Stiles wickelte sich ein Laken um die Hüften, griff nach seinem Handy und setzte den Anruf ab, ehe er rasch in T-Shirt und Trainingshose schlüpfte. Derek knöpfte seine Jeans zu, blickte auf Kate am Boden hinab und forderte: „Vielleicht erklärt mir mal jemand, was hier überhaupt vorgeht? Wie konnte Kate uns verfehlen? Wieso zum Teufel leben wir noch?“ „Platzpatronen! Ich war mal so frei, ihre Munition auszutauschen. Konnte doch nicht zulassen, dass diese Kuh meine Jungs erschießt!“ gab Malia achselzuckend zurück. „Aber woher wusstest du denn überhaupt, dass Kate vorhatte, uns etwas anzutun?“ fragte Derek immer noch ratlos: „Und woher wusste sie, wo Stiles wohnt?“ Malias Grinsen wirkte ein wenig grotesk, aufgrund ihres malträtierten, sich immer dunkler verfärbenden Auges und einer zunehmend anschwellenden, aufgesprungenen Unterlippe: „Tja, was Kate kann, kann ich schon lange! Ich habe so getan, als seien wir die allerbesten Freundinnen und dann habe ich ihr Handy verwanzt. Und die Adresse hatte sie von mir. Sorry! Musste doch den Schein wahren und so tun, als sei ich auf ihrer Seite.“ „Bitch!“ keuchte Kate, die gerade wieder zu sich kam und nun einen Schwall Blut auf den Teppich spuckte. Von der Kaution für diese Wohnung konnte Stiles sich wohl verabschieden, dachte er ohne Mitgefühl. Malia ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern sprach einfach weiter: „Und dann habe ich auch noch eine Portion Glück gehabt, denn Scott war gerade bei mir, als du ihn gestern Abend angerufen hast, Stiles. Ich habe ihm schließlich aus der Nase gezogen, was du ihm erzählt hast. Danach war mir klar, dass jemand, der so raffiniert ist wie Kate, garantiert so etwas wie ein Sicherheitsnetz eingebaut haben musste, falls dieser Irre Brunski sich im Knast irgendwann einmal doch noch verplappert.“ Dereks Kopf schnellte hoch als er diesen Namen hörte und er fixierte Malia mit seinem Blick: „Tja, und so war es dann ja auch. Kate empfing heute früh den Anruf eines Kerls, der gerade seinen Nachtdienst als Wachmann in San Quentin beendet hatte und der hat ihr erzählt, dass jemand Brunski besucht und ihm die ganze Wahrheit entlockt hat. Dieser Typ war noch ein weiterer Trottel in der langen Reihe von Blödmännern, die unserer süßen, kleinen Kate hier erlegen sind. Aber sorry Honey, ich gehöre leider nicht dazu, wie du siehst! FYI, ich habe eine ganze Flasche Mundwasser verbraucht, nachdem wir neulich geknutscht haben. So unwiderstehlich, wie du denkst bist du nämlich nicht, Babe!“ Stiles schaute seine gute Freundin fassungslos an. Doch nicht nur er hatte seine Augen fest auf sie gerichtet. Wenn Blicke töten könnten, dann müsste Malia wohl auf der Stelle tot umfallen, so hasserfüllt, wie Kate sie gerade anfunkelte. Dereks fragender Blick ruhte derweil auf Stiles: „Ich habe ein wenig Detektiv gespielt. Entschuldige, Baby!“ erklärte dieser kleinlaut: „Aber wieso? Wieso hast du dich so in Gefahr gebracht?“ fragte Derek. Er klang verwirrt, weil er nicht begriff, was hier gerade vor sich ging, aber er klang auch irgendwie ein wenig verletzt. Stiles zuckte lediglich hilflos mit den Schultern. Sie würden ein langes, klärendes Gespräch führen müssen, aber jetzt war wirklich nicht der Moment dafür. Als die Türklingel ging, zuckten beide Männer zusammen und Malia erklärte: „Ich werd´ dann mal die Bullen reinlassen, ehe sie uns die Tür eintreten, einverstanden?“ Sie verschwand und war kurz darauf mit vier Beamten des LAPD wieder da. Eine große, athletische Polizistin löste Kates provisorische Fesseln und unfassbarer Weise versuchte diese, obwohl schwer angeschlagen, nun tatsächlich dem festen Griff der Beamtin, die ihr Handschellen anlegen wollte zu entkommen. Eines musste man Kate lassen; sie war kein Mensch, der einfach so aufgab. Mit der Polizistin war zum Glück nicht zu spaßen. Mit Genugtuung beobachtete Stiles, wie sie Kate grob gegen die Wand presste und legte ihr die Handschellen verpasste. Malia bot sich glücklicherweise an, mit auf´s Revier zu gehen und alles zu erklären, so dass Derek und Stiles ihre Aussagen erst später machen müssten und sich zunächst von dem Schock erholen konnten. Als die Polizisten Kate dann endlich fortschaffen wollten, wandte diese sich noch einmal energisch um, nahm Derek ins Visier und forderte: „Du besorgst mir besser einen verdammt guten Anwalt, der mich wieder rausholt. Du willst sicher nicht, dass dein Baby im Knast zur Welt kommt, oder Daddy?“ Dann schafften die Polizisten sie hinaus. Malia warf noch einmal einen Blick zurück auf Stiles und einen vollkommen erstarrt wirkenden Derek, zuckte ratlos mit den Schultern und folgte dem Trupp. Das hatte gesessen! Kate schwanger von Derek? Allein die Vorstellung war der reinste Horror! „Das war sicher wieder nur eine ihrer Lügen.“ murmelte Stiles unsicher in die Stille hinein. Derek sagte nichts. Er starrte nur in die Richtung, in die Kate verschwunden war. Stiles begann sich Sorgen zu machen. Er legte einen Arm um seinen Geliebten, doch der zeigte keinerlei Regung: „Was kann ich tun?“ fragte Stiles irgendwann beunruhigt. Wider Erwarten antwortete Derek dieses Mal: „Ich will nachhause.“ „Oh... uhm... verstehe!“ murmelte Stiles geknickt, zog seinen Arm weg und rückte ein wenig ab: „Aber dann werde ich dir wenigstens ein Taxi rufen. In deinem Zustand solltest du nicht selbst fahren.“ Nun regte sich Derek endlich, wandte sich Stiles zu und fragte kläglich: „Kommst du denn nicht mit?“ „Ich... ich dachte... es klang, als wolltest du allein sein?“ stammelte der Jüngere. Derek schüttelte heftig den Kopf: „Das ist wirklich das Letzte, was ich jetzt will!“ Stiles zog seinen Gefährten in seine Arme, bedeckte dessen Gesicht mit kleinen Küssen und versprach: „Ich bin gleich soweit. Ich packe bloß schnell meine Sachen zusammen.“ Blitzschnell hatte Stiles ein paar Kleidungsstücke in eine Tasche gestopft, Harvey und ihre Kinder in ihre Transportkörbe verfrachtet und damit waren sie bereit zum Gehen. Stiles schlüpfte hinter das Lenkrad von Dereks mitternachtsblauem BMW und fuhr ihn auf direktem Weg nachhause, wo sie bereits ein Begrüßungskomitee erwartete. Jean Ribeaux, Dereks Koch, hatte der sechsjährigen Loba soeben ein riesiges Sandwich gemacht und die Kleine blickte nun schuldbewusst davon auf, hinauf zu dem finster dreinblickenden Hausherren . Weil Derek davon allerdings überhaupt nicht mitbekam, dass er ihr einen Heidenrespekt einflößte, reagierte an seiner Stelle Stiles auf sie, zwinkerte ihr zu und versicherte: „Ist in Ordnung, Engelchen! Lass´ es dir schmecken!“ „Loba vermisst dich so ganz sehr, Onkel!“ erklärte das Mädchen mit charmantem, dickem, sirupartigen, spanischen Akzent und blickte mit den bezauberndsten Kulleraugen zu ihm auf. Stiles schmolz auf der Stelle, ging in die Knie, umarmte das Kind sanft und versicherte: „Ich habe dich auch so sehr vermisst, Prinzessin. Jetzt bin ich wieder zuhause und wir können endlich wieder zusammen spielen und schwimmen gehen. Vielleicht ja schon Morgen? Klingt das gut?“ Loba nickte glücklich. Stiles drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und setzte sie auf einen Stuhl, damit sie ihr Sandwich aufessen konnte. Nun war es an dem Koch, Stiles überschwänglich zu begrüßen. Der Riese legte ihm die massigen Arme um die schmale Taille, hob ihn sogar hoch und rief freudig aus: „Mon Dieu, mon petit! Unser Junge ist zuhause! Enfin!“ Und selbst der steife, beherrschte Greenberg schüttelte Stiles die Hand und versicherte: „Es tut gut, sie wiederzusehen, Sir.“ Stiles war glücklich, derart begrüßt zu werden. Es gab ihm das Gefühl tatsächlich nachhause zu kommen. Greenburg musterte nun seinen müde und überfordert wirkenden Dienstherren eingehend und fragte dann einfühlsam: „Wünschen sie vielleicht, dass ich ihnen ein Bad einlasse, Sir?“ Derek warf einen fragenden Blick auf Stiles, welcher sofort bestätigte: „Das ist eine ausgezeichnete Idee! Ich denke, das würde uns beiden guttun.“ Zwanzig Minuten später lagen die beiden Männer also gemeinsam in einer Wanne voll mit warmem Wasser, Stiles dabei hinter Derek, die Arme beschützend um die breite Brust des Älteren geschlungen. Sie sprachen nicht, genossen lediglich ihre Wiedervereinigung und langsam fiel die Schockstarre ein wenig von ihnen ab. Wäre Malia nicht gewesen, dann wären sie jetzt wohl beide tot. Diese Erkenntnis sackte langsam in ihr Bewusstsein. Sie ließen immer wieder warmes Wasser nachlaufen und blieben über eine Stunde in der riesigen Granitwanne, bis die Haut ihren an Händen und Füßen schon ganz käsig und schrumplig war. Dann erst erhoben sie sich, schlüpften in kuschelige Bademäntel und zogen ins Schlafzimmer um, wo Stiles Derek wiederum in seine Arme zog und sie durch das bodentiefe Fenster hinaus in den sonnenbeschienen Garten blickten. Stiles war kurz davor einzunicken, als Derek nachdenklich in die Stille sagte: „Ich denke nicht, dass Kate gelogen hat. Eigentlich hatte ich es die ganze Zeit vor Augen. Sie hat zugenommen, ist auch ein wenig voller im Gesicht, was typisch für eine Schwangerschaft ist und sie trinkt nicht mehr. Ich denke, sie bekommt tatsächlich ein Baby. Und ich schätze, darauf hatte sie es wohl auch angelegt, als sie mich damals unter Drogen gesetzt hat, um über mich herzufallen.“ Stiles richtete sich auf und drehte Derek sanft auf den Rücken, um ihm ins Gesicht schauen zu können: „Und wie denkst du darüber?“ fragte er vorsichtig: „Es ist mir vollkommen egal!“ erwiderte Derek trotzig: „Von mir aus kann sie krepieren! Und diesen Balg werde ich niemals als meines anerkennen!“ Stiles nickte und wartete lieber ab, weil er nicht wusste, was die richtige Reaktion hierauf sei: „Erzähl´ mir jetzt doch mal ganz genau, was du herausgefunden hast, okay?“ forderte Derek. Und so begann Stiles davon zu berichten, welche Nachforschungen er angestellt und was er dabei erfahren hatte. Kapitel 57: Am Ende wird alles gut ---------------------------------- „Ich begreife nicht, wieso?“ Derek klang erschöpft: „Was hatte Kate gegen meine Familie? Die Hales, und die Argents sind seit Generationen befreundet. Wieso hat sie uns plötzlich alle tot sehen wollen?“ Stiles zuckte hilflos mit den Schultern: „Ich denke, so war es möglicherweise auch gar nicht. Dieser Brunski ist komplett irre, verstehst du, Babe? Ich konnte bei unserem Gespräch nicht wirklich nachvollziehen, was in seinem Kopf vorging, aber so wie ich es verstanden habe, ging um eine Sache zwischen Kate und deiner Mutter. Mit dem Rest deiner Familie hatte das scheinbar gar nichts zu tun. Brunski hat sich so ausgedrückt, dass er „über das Ziel hinausgeschossen“ sei. Er... uhm... ich denke, es war am Ende die reine Mordlust, die ihn überkommen und ganz einfach Besitz von ihm ergriffen hat. Hör es dir selbst an!“ Stiles schluckte trocken und spielte Derek die Aufnahme von seinem gestrigen Gefängnisbesuch vor. Es war so unglaublich bitter, seinen Geliebten nun erneut mit jenen Ereignissen zu konfrontieren, die zum Tod seiner Familie geführt hatten. Jetzt musste der arme Kerl das Ganze noch ein weiteres Mal durchleben! Derek schluckte trocken. Seine Augen waren weit aufgerissen und glasig: „Aber zwischen meiner Mutter und Kate hat es keine Feindschaft gegeben.“ murmelte er ratlos: „Im Gegenteil, sie war eher so etwas wie eine Ratgeberin für Kate, beinahe eine Art Mutterersatz, nachdem ihre eigene nicht mehr da war.“ Stiles nickte nachdenklich: „Kannst du dich eigentlich noch an damals erinnern, als Kate in die Psychiatrie gekommen ist? Es muss doch irgendwie damit zusammenhängen, denkst du nicht? War deine Mutter vielleicht für ihre Einweisung verantwortlich und Kate wollte sich rächen? Kann es etwas in dieser Art gewesen sein?“ Derek schüttelte energisch den Kopf: „Nein, damit hatte Mum überhaupt nichts zu tun. Chris hat die Einweisung unterschrieben und Kate war damit auch einverstanden. Sie war damals vollkommen am Boden. Ihr Vater Gerard war gerade gestorben und der war...“ er stockte: „Rückblickend denke ich, ihr Vater war möglicherweise der Einzige, der Kate jemals wirklich etwas bedeutet hat. Was Chris uns vor einer Weile erzählt hat, ist vermutlich wahr: Gerard Argent war ein erbarmungsloser, rücksichtsloser Despot und Kate ist voll und ganz sein Geschöpf. Als er gestorben ist, muss wortwörtlich ihre ganze Welt in sich zusammen gestürzt sein.“ Stiles runzelte die Stirn: „Wie ist dieser Gerard eigentlich gestorben?“ wollte er wissen: „Es war Krebs. Erst war er in seinen Lungen, doch schon bald war er überall in seinem Körper und hat ihn förmlich aufgefressen. Das Verrückte war, dass der alte Mistkerl einfach nicht loslassen wollte. Er hatte unerträgliche Schmerzen, die auch mit den besten Medikamenten nicht vollständig in den Griff zu bekommen waren. Ich habe ihn einmal im Krankenhaus besucht. Jeder Atemzug war für ihn zuletzt bloß noch ein Kampf und dennoch schien er irgendwie fest daran zu glauben, dass er am Ende doch noch geheilt werden würde; natürlich vollkommen entgegen der Prognosen all seiner Ärzte! Als er dann schließlich doch noch verstarb, war es eigentlich so etwas wie eine Gnade.“ resümierte Derek. Sein Blick lag auf seinem Geliebten, welcher angestrengt zu grübeln schien: „Und was, wenn Gerard gar keines natürlichen Todes gestorben wäre?“ fragte Stiles und Derek konnte praktisch sehen, wie es hinter der Stirn seines Geliebten ratterte: „Wir wissen, dass Kate eine Giftmischerin ist. Was wenn sie es nicht mehr ertragen konnte, ihren Vater leiden zu sehen? Und was, wenn deine Mutter das herausgefunden hätte? Vielleicht hat Kate es ihr sogar in einem Moment der Schwäche selbst gesagt? Doch einen sterbenden Mann zu töten ist trotzdem Mord. Vielleicht hat deine Mutter versucht, Kate dazu zu bringen, ein Geständnis gegenüber der Polizei abzulegen? Oder sie hat angedroht, selbst zu den Cops zu gehen? Kate wäre vielleicht in den Knast gekommen? Da wäre dann ja wirklich einiges zusammen gekommen: Sie war verzweifelt aufgrund des Verlustes ihres Vaters, aufgrund ihrer Tat und auch angesichts des Drucks, den ihre Mitwisserin auf sie ausübte. Sie bricht zusammen, kommt in die Klinik und dort trifft sie diesen Irren, der ihr auf der Stelle vollkommen verfallen ist. Sie sieht einen Ausweg für sich, setzt ihn auf deine Mutter an und das Unheil nimmt seinen Lauf?“ Derek schluckte hart: „Fuck! Das klingt irgendwie verdammt plausibel.“ murmelte er: „Meinst du, so ist es gewesen?“ Stiles zuckte ratlos mit den Schultern: „Möglicherweise? Es ist nur eine Theorie.“ Die beiden Männer saßen soeben bei einem reichlich verspäteten Lunch, oder einem verfrühten Dinner, je nachdem, wie man es sehen wollte, als Greenburg Besuch ankündigte. Es war Malia, die jetzt erst von der Polizeistation zurückkehrte. Zur Erleichterung der beiden Männer, sah ihr Auge schon wieder ein wenig besser aus. Sie hatte mittlerweile zwar ein tüchtiges Veilchen, aber immerhin war die Schwellung fast vollständig zurückgegangen. Malia hockte sich neben Derek und begann sogleich, sich von dessen Teller zu bedienen. Dieser schob ihr klaglos seine Portion hin, mit den Worten: „Kannst alles haben. Ich habe nicht so recht Appetit.“ Das ließ Malia sich nicht zweimal sagen und machte sich sogleich darüber her. Stiles warf einen sorgenvollen Blick auf seinen Geliebten, ehe er die Freundin fragte: „Und? Wie war´s?“ Mit vollem Mund, weil sie scheinbar richtig ausgehungert war, fing Malia an zu berichten: „Die haben Kate in eine Zelle befördert und ich durfte aussagen. Stundenlang immer wieder dieselben saublöden Fragen, ohne dass mir auch nur einmal jemand ein Sandwich angeboten hätte, oder so?“ schmatzte Dereks Cousine empört: „Wenn die Bullen so mit wertvollen Zeugen umgehen, müssen die sich ja auch nicht wundern, wenn niemand gern mit ihnen zusammenarbeitet. Und der Inspektor, ein Blödmann namens Hayes oder Haynes, der den Fall untersucht, ist ja wirklich ein echtes Schätzchen! Guckt einen an, als sei man selbst die Verbrecherin! Der hat mich immer wieder gefragt, warum ihr beide ihm denn nicht von Anfang an gesagt hättet, dass ihr Kate verdächtigt, damals als ihr bei ihm gewesen seid und was ihr denn wohl vor ihm zu verbergen hättet.“ „Und was hast du ihm geantwortet?“ fragte Stiles ein wenig nervös: „Na was wohl? Dass ihr es damals noch nicht gewusst hättet und dass es eigentlich SEIN Scheiß-Job wäre, so etwas herauszufinden. Und dann habe ich noch gesagt, dass ihr es ja auch erst durch eure eigenen Nachforschungen erfahren habt und euch dabei in Lebensgefahr gebracht habt, während er zu beschäftigt damit war, Taschenbillard zu spielen und Donuts zu fressen!“ schnaubte Malia: „Ich habe übrigens Chris Bescheid gesagt. Immerhin ist die Killer-Queen seine Schwester. Er hatte einen Rechtsanwalt dabei. Hoffe, das war okay?“ „Sicher!“ bestätigte Derek matt: „Auch jemand wie Kate hat das Recht auf einen Anwalt.“ Stiles atmete ein wenig auf und wollte wissen: „Und wann müssen wir nun zur Wache und unsere Aussagen machen.“ „Eigentlich wollte der Inspektor, dass ihr heute noch vorbeikommt, aber ich habe ihm genug geliefert um Kate vorläufig festzuhalten. Ich habe ihm gesagt, ihr müsst euch erst einmal von dem Schock erholen und habe ihm versprochen, dass ihr morgen früh vorbeikommt, gut ausgeschlafen und mit gewaschenen Ohren und dann eure Zeugenaussagen macht. Und er hat ja auch schon diese Tonbandaufnahmen, die dieser Kleinstadt-Deputy ihm zugeschickt hat. Damit hat er doch wohl erst einmal genug zu tun.“ erklärte Malia. Stiles beobachtete belustigt, wie seine Freundin den Teller in die Hand nahm, um die köstliche Dijon-Soße aufzulecken, wie eine Katze: „Ich lasse dir noch etwas aus der Küche bringen.“ versprach Derek: „Viel Soße!“ forderte seine Cousine. „Alles was du willst! Danke dir! Nein wirklich, danke für alles!“ erklärte Derek nun beinahe feierlich: „Ohne dich wären Stiles und ich jetzt sicherlich schon tot.“ Der Nachschlag kam prompt und Dereks Cousine langte tüchtig zu. Im Nu war der Teller : „Kein Ding!“ behauptete sie salopp, fläzte bequem auf ihrem Stuhl und rieb sich zufrieden den Bauch: „Aber ich schätze, ich muss wohl mal wieder gehen. Lydia wundert sich bestimmt schon, wo ich stecke.“ „Warte noch!“ forderte Derek und richtete sich in seinem Stuhl auf. Stiles merkte auf, denn da war plötzlich eine deutliche Veränderung an seinem Partner wahrnehmbar. Sein Blick war wieder klar, seine Energie und Körperspannung waren zurückgekehrt und da war mit einem Mal eine völlig neue Entschlossenheit. Was mochte das wohl bedeuten? „Warum rufen wir Lydia nicht an und fragen sie, ob sie stattdessen lieber hierher kommen möchte?“ fragte Derek: „Warum fragen wir sie nicht alle, ob sie vorbeikommen wollen? Stiles und ich könnten sicherlich beide ein wenig Gesellschaft vertragen und dann könnten wir auch gleich all unsere Freunde auf denselben Stand bringen, was es Kate betrifft. Was haltet ihr davon?“ „Ja, gute Idee!“ bestätigte Stiles, der sich vor allem begeistert auf diesen Gedanken stürzte, weil er Derek so zu gefallen schien und sie ihn endlich wieder aus seiner Erstarrung hatte erwachen lassen. „Klar warum nicht?“ bestätigte auch Malia und so starteten die Drei einen Rundruf. Derek hatte seinen Koch angewiesen, ein Buffet für ein Dutzend Leute zuzubereiten; eine Aufgabe, auf welche sich Jean Ribaux sogleich begeistert gestürzt hatte, denn im Grunde war er in Dereks Haus, wo er für gewöhnlich lediglich für eine oder bestenfalls zwei Personen kochen durfte, hoffnungslos unausgelastet. Ihre Freunde tauchten nach und nach in Dereks Villa auf. Scott war der Erste und das Wiedersehen zwischen ihm und seinem besten Freund ging Derek einfach ans Herz. In diesem Moment wusste er, er würde seinen Mann wohl niemals vollständig für sich allein haben, aber das war irgendwie okay. Die beiden Freunde umarmten einander so fest, das man als Außenstehender fürchtete, sie könnten sich gegenseitig die Rippen brechen. Sie lachten, plapperten immer wieder zugleich los, weil sie sich so viel zu erzählen hatten, wirbelten herum, wie junge Hunde und ließen sich schließlich eng zusammengekuschelt auf eines der Sofas plumpsen. Derek lächelte leise in sich hinein und fragte sich im Stillen, wie es wohl sein musste, eine solche Freundschaft zu haben? Lydia, Danny und Isaac waren die nächsten, die eintrafen, dicht gefolgt von Deucalion und Erica und gegen halb neun am Abend kam auch Chris dazu. Er blieb irgendwie unschlüssig im Türrahmen des Wohnzimmers stehen und fragte Derek unbehaglich: „Ist es überhaupt in Ordnung, wenn ich hier bin?“ Derek erhob sich aus dem Sessel, indem er gesessen hatte, kam zu ihm hinüber und reichte ihm die Hand: „Sicher ist es okay! Du bist mein Freund. Du bist nicht verantwortlich für das, was deine Schwester getan hat und ohne deine Hilfe wären wir jetzt tot.“ „Die Platzpatronen.“ murmelte Chris verlegen mit einer wegwerfenden Geste: „Die waren Malias Idee. Ich habe sie bloß besorgt, weil ich nun mal von Berufs wegen an der Quelle sitze. Das war doch gar nichts!“ „Nein, ich meine nicht bloß die Munition, sondern einfach alles! Du warst loyal uns gegenüber, obwohl es hier um deine Schwester ging und hast uns die ganze Zeit geholfen. Danke! Diese Situation war sicher nicht leicht für dich.“ erwiderte Derek mitfühlend: „Nein, war es nicht.“ gab Chris zu: „Aber das Schwerste kommt erst noch. Ich habe meiner Allison noch nicht gesagt, dass ihre Tante jetzt im Gefängnis sitzt und ich weiß auch beim besten Willen nicht, wie ich das anstellen soll? Sie glaubt doch, Kate hätte den Mond aufgehängt! Allison weiß gar nichts darüber, was ihre Tante für ein Miststück ist!“ „Ruf´ sie an und bestell´ sie her. Wir sagen es ihr gemeinsam. Allein würde sie es dir vielleicht sowieso nicht glauben.“ schlug Derek vor und Chris nickte dankbar. Kurz nach einundzwanzig Uhr war dann auch Allison eingetroffen und die Anwesenden zogen um in den großen Speisesaal, wo bereits für sie eingedeckt und überreichlich aufgetischt worden war. Während alle anderen sich bedienten und es sich schmecken ließen, bemerkte Stiles dass Derek nervös auf seinem Stuhl herumzurutschen begann. Er blickte ihn fragend an, doch sein Freund schenkte ihm lediglich ein kleines Lächeln und stürzte sein zweites Glas Rotwein hinunter. Als endlich alle gesättigt waren, erhob sich der Hausherr, klopfte mit einer Gabel an sein leeres Glas, räusperte sich und begann zu sprechen: „Ich bin sehr froh, dass ihr alle heute Abend hier versammelt seid. Ihr wisst ja, dass hinter Stiles und mir einige sehr zermürbende Wochen liegen. Einige von euch haben wir in dem Glauben gelassen, wir hätten uns getrennt. Wieder andere haben erraten, dass dies nicht der Wahrheit entsprach.“ Er blickte dabei seine Cousine Malia an: „Wir entschuldigen uns dafür, dass wir euch getäuscht haben, doch bitte glaubt uns, dass dies aus einem gutem Grund geschah. Wie ihr alle wisst, hat es mehrere Anschläge auf Stiles Leben gegeben. Wir wussten nicht mit Gewissheit, wer dafür verantwortlich war, hatten jedoch einen schlimmen Verdacht, also haben wir versucht, diese Person zu überführen und es ist uns schlussendlich auch gelungen. Die Täterin ist mittlerweile in Haft. Der Grund, euch nicht gleich in alles einzuweihen war der, dass die Verdächtige aus meinem Nahumfeld stammt. Wir hatten Angst, dass irgendwer sich aus Versehen verraten könnte, wenn es zu viele Mitwisser gäbe. Das Ganze musste glaubwürdig aussehen, weil wir Stiles aus dem Schussfeld herausnehmen mussten.“ Alle am Tisch lauschten Derek aufmerksam und diesem entging nicht Allisons plötzlich Unruhe und ihr Stirnrunzeln, als ahne sie bereits, worauf das alles hinausliefe: „Die Person, die Stiles nach dem Leben getrachtet hat, hätte uns heute morgen um ein Haar beide ermordet. Der einzige Grund, dass wir noch leben, ist das entschlossene Eingreifen meiner Cousine Malia. Dafür möchte ich dir hier noch mal vor allen Anwesenden in aller Form danken. Was du getan hast war unwahrscheinlich mutig und dein ganzes Vorgehen war auch wirklich sehr clever. Vielen Dank, Liebes!“ „Ich sag´ doch, das war nichts!“ behauptete Malia mit einer abwehrenden Handbewegung: „Konnte euch schließlich nicht abkratzen lassen, oder? Also... kein Ding!“ Stiles wurde es warm ums Herz, als er sah, wie sich ein zartrosa Schimmer der Verlegenheit auf das Gesicht seiner, sonst so toughen, selbstsicheren Freundin legte und er beugte sich zu ihr hinüber, um ihr einen kleinen Kuss auf die Wange zu drücken, wobei er sorgfältig darauf achtete, nicht die Hämatome zu berühren, die sie von dem Kampf am Morgen davongetragen hatte: „Nun werd mal nicht komisch, Stilinski!“ murmelte sie schamhaft und Stiles schüttelte mit einem gutmütigen Lächeln den Kopf über sie. Derek holte tief Luft und sprach mit belegter Stimme weiter: „Insbesondere für Allison wird das, was ich als nächstes zu sagen habe ein großer Schock werden und es tut mir leid Süße, dass ich dir das nicht ersparen kann: Die Person, die Stiles nach dem Leben getrachtet hat, ist deine Tante Kate und sie wird wohl wegen Mordes, Anstiftung zum Mord und versuchten Mordes verurteilt werden.“ Einen Augenblick lang war es vollkommen still im Raum. Dann sprang Allison auf und protestierte: „WAS? SEID IHR VERRÜCKT GEWORDEN? NEIN!“ Sie holte tief Luft und fuhr dann ein wenig ruhiger fort: „Nein, das ist nicht wahr! Das kann nicht wahr sein! Das muss alles ein furchtbarer Irrtum sein! Dad! Unternimm´ doch etwas!“ Scott wandte seine gesamte sorgenvolle Aufmerksamkeit seiner Freundin zu, bereit einzugreifen, doch noch hielt er sich zurück. Chris Argent erhob sich nun ebenfalls und legte die Arme um seine Tochter: „Liebling, hör mir zu! Es tut mir leid, aber es ist wahr und das lässt sich auch beweisen!“ Allison schüttelte ihren Vater ab und blickte ihn verständnislos an: „Wie kannst du so etwas sagen!“ fragte sie und klang dabei furchtbar verletzt: „Kate ist doch keine Mörderin! Sie ist deine Schwester, Dad! Ich kenne sie mein Leben lang.“ Argent atmete tief und erwiderte betont ruhig: „Und ich kenne Kate seit ihrer Geburt, Liebes. Ich habe sie Zeit ihres Lebens bereits furchtbare Dinge tun sehen, um ihren Willen zu bekommen. Und heute Morgen hat sie eine Waffe auf Derek und Stiles gerichtet und versucht, die beiden zu erschießen, was ihr auch gelungen wäre, wenn wir die Munition nicht gegen Blindgänger ausgetauscht hätten. Und schau dir einmal Malias Gesicht an! Das war ebenfalls Kate. Und dann ist da dieser Mann, der Dereks Familie getötet hat. Er hat gestanden, dass er von Kate sozusagen dazu angestiftet wurde, es zu tun. Kate hat einen jungen Mann, den sie für Stiles gehalten hat mit Gift getötet. Die Polizei ist soeben dabei, Beweise dafür zu finden. Ich weiß, diese ganzen Dinge klingen furchtbar, aber es ändert leider nichts daran, dass es wahr ist, Ally!“ Allison war furchtbar blass geworden. Mit einem Ausdruck fassungslosen Entsetzens schüttelte sie leicht den Kopf. Dann rannte sie einfach hinaus. Chris folgte ihr, dicht gefolgt von Scott. Die anderen blickten ihnen mit betretenen Mienen hinterher. Allison hatte sich in den dunklen Wintergarten geflüchtet und sich mit, an die Brust gezogenen Knien in einem der Pfauenthrone zusammengerollt. Chris zog sich ebenfalls einen der Korbstühle heran und blickte seine Tochter aufmerksam und mitfühlend an. Scott blieb in der Tür stehen, als traue er sich nicht näher zu kommen. „Wieso hast du nie etwas gesagt, Dad? Bin ich nur ein dummes Kind, dem man nicht die Wahrheit sagen kann?“ Allisons Stimme bebte vor Zorn. „Hör mal, Liebling...!“ begann Chris Argent sanft: „Ich wusste früher, als du jünger warst doch auch noch nicht, zu was deine Tante alles fähig ist. Natürlich war mir klar, dass sie skrupellos sein kann, aber von diesem Ausmaß dass sich nun gezeigt hat, hatte ich auch keine Ahnung und ich schäme mich! Wie kann ich an Derek und Stiles je wieder gutmachen, was ein Mitglied meiner eigenen Familie ihnen angetan hat? Du weißt doch, wie dein Großvater sein konnte, oder nicht? Und Kate...? Sie hat immer alles getan, um ihm zu gefallen. Als dein Vater habe ich es immer für meine Pflicht gehalten, die Bosheit und Gewissenlosigkeit von dir fern zu halten, zu der meine Familie fähig war. Du warst von Anfang an so gut, liebevoll, fürsorglich und freundlich. Es kam mir beinahe wie ein Wunder vor, dass ein Mensch wie du diesem verkommenen Stammbaum entspringen könnte. Du machst mich so wahnsinnig stolz, mein Kleines!“ Allisons Augen hatten sich mit Wasser gefüllt und nun kullerten dicke Tränen über ihr Gesicht: „Wenn Kate wirklich so gefährlich war, wieso hast du dann zugelassen, dass ich völlig ahnungslos bin und hast mich mit ihr Umgang haben lassen, hm?“ fragte sie mit Trotz in der Stimme. Ihr Vater seufzte: „Kate Argent hat dich gern, sofern das jemandem wie ihr überhaupt möglich ist, Allison. Ich hatte immer ein Auge auf euch beide, aber sie war keine Gefahr für dich. Und deine Ahnungslosigkeit war dein Schutz, verstehst du? Du warst ihr nicht im Weg, konntest sie nicht verraten und somit gab es für Kate auch keinen Grund, gegen dich vorzugehen.“ bedrückt fügte Chris hinzu: „Es tut mir leid, Liebling. Ich wünschte, du müsstest das alles nicht durchmachen. Ich wünschte ich hätte dir eine bessere Herkunft zu bieten.“ Allison senkte den Kopf. Sie seufzte schwer und dann legte sie die Hand an die Wange ihres Vaters: „Nicht, Dad! Wenn ich wirklich so gut und lieb bin, wie du sagst, dann habe ich das wohl von dir geerbt.“ Sie drückte Chris einen Kuss auf die Stirn. Nun wandte sie sich Scott zu und musterte ihn eindringlich: „Sag´ mal, du hast doch sicher auch die ganze Zeit alles gewusst, oder etwa nicht? Wieso hast du nichts zu mir gesagt, hm?“ „Es tut mir wirklich leid, Allison!“ erwiderte Scott mit schuldbewusst gesenktem Kopf: „Du weißt ich liebe dich von ganzem Herzen, aber Stiles ist mein Bruder! Ich hatte Angst dass er stirbt, verstehst du das?“ Allison seufzte und streckte dann ihre Hand aus, damit ihr Gefährte zu ihr käme. Scott kam der unausgesprochenen Aufforderung nach, kniete sich vor seine Liebste hin, blickte sorgenvoll zu ihr hinauf und nahm ihre Hände in seine. „Ich begreife das Ganze noch gar nicht?“ seufzte sie hilflos. Nun schaltete sich Chris wieder ein: „Ich weiß, Schatz! Das ist alles wirklich ein bisschen viel, oder? Ich bin nur froh, dass Derek und Stiles nichts Schlimmeres passiert ist. Sie haben eine wirklich harte Zeit hinter sich.“ Allison nickte und dann erhob sie sich kurzentschlossen: „Lasst uns zu den anderen zurückkehren!“ forderte sie und setzte sich in Bewegung. Verdutzt folgten ihr nun auch ihr Freund und ihr Vater. Die Anderen saßen immer noch im Esszimmer zusammen und als die Drei zurückkehrten, brachen die Gespräche ab und alle Augen richteten sich gespannt auf sie. Allison räusperte sich und erklärte dann: „Tut mir leid, dass ich vorhin einfach so weggerannt bin. Ich bin nun wieder in Ordnung. Sie lief hinüber zu Derek und legte die Arme um ihn: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll? Das alles tut mir so furchtbar leid!“ murmelte sie: „Ist in Ordnung, Liebes! Das muss es nicht!“ versicherte dieser: „Ist doch nicht deine Schuld.“ Am Ende war es Malia, welche die Stille, die im Raum entstanden war durchbrach und verkündete: „Also gut Leute. Das schreit nach einem Friedenspfeifchen.“ Sie zückte einen großen Joint, zündete ihn an und schickte ihn grinsend auf die Reise. Das war genau das, was die angespannte Stimmung im Raum aufzulockern vermochte; nämlich dass jemand der Gruppe ganz einfach die dazu Erlaubnis erteilte. Derek blickte erleichtert in die Gesichter seiner Freunde, während seine Finger nervös an der kleinen Ringschachtel in seiner Hosentasche herumnestelten. Kapitel 58: Und wenn es nicht gut ist... ---------------------------------------- Stiles blickte mit großen Augen auf den wunderschönen Ring in der geöffneten Schachtel in Dereks Hand und war sich all der Augenpaare überdeutlich bewusst, die in diesem Augenblick gespannt auf ihm ruhten. Sein Blick wanderte von dem Schmuckstück, einem 4 Millimeter breitem, gerundeten, eismatten Platinring mit einem kleinen, eingelassenen Diamanten mit Radiantschliff vorn, hinauf in Dereks Gesicht. Soeben hatte dieser Stiles vor allen Anwesenden eine bedeutungsvolle Frage gestellt. Und gerade Derek, der sich nicht leicht damit tat, seine Gefühle zu formulieren, hatte so wundervolle Worte dafür gefunden und dabei vergeblich versucht, das kleine, nervöse Zittern in seiner Stimme unter Kontrolle zu halten: „Mein Liebling, du hast auf sehr ungewöhnliche Weise den Weg in mein Leben gefunden und in der kurzen Zeit, in der wir uns jetzt erst kennen, haben wir so viele Hindernisse gemeinsam überwinden müssen. Eines der größten davon waren vermutlich meine eigene Dummheit und Arroganz, doch die letzten Wochen, als ich nicht habe bei dir sein können, haben es mir noch einmal vollkommen deutlich gemacht: Du bist derjenige, den ich liebe und mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen will. Ich mag in der Vergangenheit in Herzensdingen nicht besonders klug gewesen sein, aber das ändert nichts daran, dass ich endlich mit absoluter Gewissheit weiß, wo mein Platz auf der Welt ist. Er ist an deiner Seite, Stiles und darum will dich heute fragen, ob du mein Mann werden willst.“ Stiles wusste, dass er nun endlich eine Antwort geben musste. Es war so still im Raum, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Das Seltsame war, dass Stiles im Vorfeld sicher gewesen war, dass er auf Dereks Frage wie die Heldin eines schlechten Liebesfilms `Ja, jaa, tausend Mal ja!´, oder etwas ähnlich Dämliches hauchen würde und dann wäre die Sache geritzt, triumphale Musik würde ertönen, Cut, nächste Szene, er und sein Mann im herrlichen Sonnenschein unter einem Blumenbogen in ihren Hochzeitsanzügen und dann hieße es bloß noch `Und sie lebten glücklich, bis ans Ende ihrer Tage.´ Doch das Leben war eben keine hirnlose RomCom und Stiles überkamen mit einem Mal riesige Zweifel. Er holte tief Luft: „Derek, ich weiß, wir haben darüber gesprochen, aber...“ begann er nervös: „... ich habe Angst, dass du das nicht bis zum Ende durchdacht hast. Du stehst im Licht der Öffentlichkeit. Es wird nicht unbemerkt bleiben, wem du dein Ja-Wort gibst. Du kannst dir eine Ehe mit jemandem wie mir doch gar nicht leisten. Es wird deinem Ansehen schaden und vielleicht sogar deinen Geschäften.“ Derek wirkte verstört: „Heißt das denn, du willst mich überhaupt nicht heiraten, Stiles?“ wollte er wissen. Er verharrte noch immer in derselben Position, in der er gerade den Antrag gemacht hatte; seinem Freund erwartungsvoll zugeneigt, den Ring in seiner Hand. Stiles zerriss es beinahe das Herz: „Es wäre einfach nur egoistisch, wenn ich ja sagen würde. Nichts wäre ich lieber, als dein Mann Baby, aber ich habe dabei ja auch nichts zu verlieren, verstehst du? Du aber sehr wohl, Derek. Im Augenblick haben die Medien das Interesse an dir und mir verloren und um den kleinen Skandal, dass du dich mit einem Stricher eingelassen hast, schert sich keiner mehr. Aber heiraten, MICH heiraten? Das ist für immer! Das wirst du nicht mehr los, Liebling! Dieser Schmutz wird für immer an dir haften bleiben.“ „Darf ich ihn schlagen?“ knurrte Malia in die angespannte Stille hinein: „Ich habe selten so eine gequirlte Scheiße gehört. Ich will den Kerl jetzt einfach nur schlagen!“ Derek hob beschwichtigend die Hand, um seiner Cousine Einhalt zu gebieten: „Hier wird niemand geschlagen!“ bestimmte er. Dann nahm er Stiles Hände in seine eigenen und rückte sehr nah an ihn heran: „Ich liebe dich so sehr Stiles, also wage es gefälligst nie wieder, dich selbst schmutzig zu nennen, damit tust du mir nämlich weh. Hör´ mir mal gut zu, Kleiner! Was irgendwer darüber sagen wird, wenn du und ich heiraten ist mir vollkommen gleichgültig. Ich weiß, wer du bist, wie GUT du bist und die Welt wird das auch begreifen. Und wenn sie es nicht verstehen sollten, dann ist das mit Sicherheit nicht unser Problem. Wenn ich eine Sache mittlerweile dank dir verstanden habe, dann dass man Glück nicht mit Geld kaufen kann. DU bist mein Glück, Stiles. Ich will dich bei mir. Für immer! Also bitte, bitte heirate mich,ja?“ Stiles wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und vergewisserte sich noch ein weiteres Mal: „Und du bist dir deiner Sache wirklich vollkommen sicher? Dann hast du mich am Hals.“ „Vollkommen sicher!“ bestätigte Derek noch einmal und fügte ungeduldig hinzu: „Und nun lass mich nicht länger leiden, sondern beantworte endlich meine verdammte Frage!“ „Ja!“ antwortete Stiles leise, rutschte von seinem Stuhl herunter, auf Dereks Schoß und schlang die Arme um dessen Hals: „Ja, ich möchte dein Mann werden. Das möchte ich so sehr!“ Ein Aufatmen ging durch den Raum. Die Anderen jubelten und applaudierten. Lediglich Malia bemerkte trocken: „Also ich will ihn immer noch schlagen.“ woraufhin sie von Lydia einen Ellenbogen in die Rippen erhielt. Nachdem sich das Paar endlich von einander lösen konnte, erhielten nun auch ihre Freunde die Chance, sie zu umarmen und ihre Glückwünsche auszusprechen. Scott war der Erste, der sich Stiles schnappte: „BROO...!“ rief er aus: „Du heiratest!“ Stiles nickte bloß überfordert. Sein Lächeln war nicht ganz von dieser Welt, so als begriff er selbst noch nicht recht, was gerade geschehen war. Malia und Lydia waren die nächsten und griffen sich den frisch gebackenen Verlobten zugleich, und während die Rothaarige ihm von Herzen alles Gute wünschte und ihm links und rechts die aufgeregt geröteten Wangen küsste, hatte ihre Freundin natürlich wieder einmal einen frechen Spruch auf den Lippen: „Haste dich schwängern lassen, oder wie hast du das geschafft?“ fragte sie grinsend. Stiles kicherte und strich sich mit der Hand über den hervor gestreckten Bauch: „Es werden Achtlinge!“ erklärte er: „Und du wirst ihre Babysitterin!“ „Untersteh´ dich! Ich hasse Babys!“ behauptete Malia und dann drückte sie Stiles herzhaft. Chris Argent tat selbiges in diesem Moment mit Derek und erklärte von Herzen: „Ich gratuliere dir, mein Freund und ich wünsche dir, dass die Ehe dir mehr Glück bringen wird als mir, aber wenn ich euch beide so anschaue, dann habe ich da eigentlich überhaupt keinen Zweifel.“ „Danke dir! Ich weiß, ich habe den Richtigen! Wir werden es gut miteinander haben.“ erwiderte Derek mit einem zuversichtlichen Grinsen über Chris Schulter hinweg, auf seinen Gefährten. Dann kehrte sein Blick zu seinem alten Freund zurück: „Es gibt da etwas, was du wissen solltest, Chris. Als die Polizei Kate festgenommen hat, war das Letzte, was sie zu mir gesagt hat, dass sie schwanger sei. Sie behauptet es sei von mir... von... von dieser Nacht, als sie mich unter Drogen gesetzt hat, verstehst du? Ich denke bezüglich der Schwangerschaft hat sie wohl die Wahrheit gesagt. Andernfalls wäre es ja auch eine kurzsichtige Lüge. Dass es von mir sein soll, hat sie meiner Meinung nach bloß behauptet, damit ich ihr im Prozess helfe, aber das habe ich mit Sicherheit nicht vor, egal wessen Kind das ist. Ich wollte diese ganze Sache nicht, die sie mir angetan hat und dieses Kind hat nichts mit mir zu tun. Aber so oder so sieht es so aus, als ob du Onkel werden würdest, mein Freund.“ Chris seufzte schwer: „Bin ich ein schlechter Mensch, wenn ich mir zum Wohle dieses Kindes wünsche, dass es womöglich gar nicht existiert.“ „Nein, bist du natürlich nicht, sondern das wäre vermutlich wirklich am Besten.“ stimmte Derek zu: „Kate mit einem Baby? Nicht auszudenken!“ Chris nickte betrübt. Deucalion war der nächste in der Reihe der Gratulanten und Derek warnte ihn vor: „Sobald das Wort Ehevertrag über deine Lippen kommt, fliegst du raus, mein Freund! Ist das klar?“ „Fein, nun musste ich es gar nicht selbst sagen.“ erwiderte sein Geschäftspartner lachend und mit einem Kopfschütteln: „Ich will ja auch nur darauf hinweisen, dass das heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr ist. Erica und ich werden auch einen aufsetzen. Da ist doch nichts bei. Eine reine Formalität!“ Derek nahm den Älteren beim Arm und führte ihn ein wenig von den Anderen fort, damit sie nicht unbedingt von ihnen gehört wurden: „Vielleicht ist das ja der Grund dafür, dass ihr nach fast zwei Jahren Verlobung immer noch keinen Trauungstermin festgelegt habt? Vielleicht schreckt die gute Erica ja davor zurück einem misstrauischen Geizhals das Ja-Wort zu geben?“ zischte Derek giftig. Deucalion ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Er lächelte friedfertig und versicherte: „Mach´ dir um uns mal keinen Sorgen, mein Lieber. Erica will warten, bis sie ihr Studium beendet hat und beruflich Fuß fassen konnte. Sie ist eine moderne Frau. Und eines möchte ich jetzt noch mal ganz klarstellen: Ich begrüße es, dass du und Stiles nun heiraten wollt, auch wenn ich denke, dein Verlobter könnte mit seinen Bedenken Recht haben. Die Medien werden es euch nicht leicht machen. Aber Stiles ist der perfekte Partner für dich; dass habe ich mittlerweile auch begriffen. Ich wünsche euch alles Glück der Welt. Dennoch besteht ja immer das Risiko, dass auch die größte Liebe einmal endet und man sich eines Tages auseinanderlebt. Diese Verträge sind doch auch bloß dafür da, dass es in diesem Fall, der hoffentlich niemals eintritt fair zugeht. Du wirst mit einem beträchtlichen Vermögen in diese Ehe gehen und Stiles besitzt gerade mal das, was er am Leib trägt. Ohne einen Vertrag wird die Hälfte von allem, was Dein ist Sein werden. Ist das denn gerecht?“ Seltsamerweise lächelte Derek nun: „Es gibt zwei Dinge, die du begreifen musst, Deuc!“ erwiderte er ruhig: „Erstens: Stiles und ich werden uns nicht trennen. Wir bleiben zusammen, komme, was wolle. Und Zweitens: Das ist ja das tolle an der Ehe. Ich bin dann sozusagen von Gesetzes wegen verpflichtet, für Stiles zu sorgen Freiwillig nimmt dieser Dickkopf ja einfach kein Geld von mir an. Und nun sag´ doch mal ehrlich: Was soll ich mit der ganzen, verdammten Kohle, die ich besitze. Selbst wenn ich sehr, sehr alt werde sollte, werde ich nicht schaffen, es jemals allein auszugeben. Aber ich weiß jetzt schon, dass ich jeden Augenblick genießen werde, in dem Stiles es mir erlaubt in zu verwöhnen, oder ihm eine Freude zu machen. Glaub´ mir, es ist alles so, wie es sein soll!“ Deucalion erwiderte das Lächeln seines Freundes: „Gegen die einzig wahre Liebe komme ich ja wohl nicht an, was? Ich gebe auf! Also gut, mein Junge, nun bleibt mir wohl nur noch eine Sache zu sagen, nämlich dass ich mir wünsche, dass du und Stiles sehr, sehr glücklich miteinander werdet.“ lenkte der Ältere ein. „Das werden wir auch. Darauf kannst du dich verlassen.“ erwiderte Derek selbstbewusst. Dann öffnete er die Arme und der ältere Freund nahm die Einladung erleichtert an und sie umarmten sich. Malia und Chris hatten in der Zwischenzeit irgendwie den Schlüssel zur überreichlich bestückten Hausbar Dereks gefunden und von diesem Moment an begann der Abend ein wenig aus dem Ruder zu laufen. Die beiden begannen nämlich damit Cocktails zu mixen, die es in sich hatten und diese dann großzügig an die Anwesenden auszuschenken. Was wie ein harmloser Umtrunk anfing, geriet rasch zu einem wüsten Gelage nach altrömischem Vorbild. Laute Musik wurde angemacht, man begann zu tanzen, es wurde viel gelacht, noch mehr getrunken, teilweise gar aus den Bauchnabeln der Sitznachbarn, irgendwann schlug jemand Limbo vor, die Pärchen knutschten miteinander und gegen vier Uhr Morgens waren schließlich auch die Letzten stockbetrunken auf irgendwelchen Sesseln und Sofas eingeschlafen. Gegen zehn Uhr am nächsten Tag erwachte Derek, benommen, mit steifen Gliedern und einem brummenden Schädel. Stiles lehnte an seiner Schulter und sabberte ihm aus seinen leicht geöffneten Lippen sein Hemd voll. Seinen Kopfschmerzen zum Trotz musste Derek ein wenig lächeln. Dieser Mann war sein Verlobter! Der Ring am vorletzten Finger von dessen linker Hand passte zum Glück wie angegossen, obwohl Derek ja keine Gelegenheit gehabt hatte, Maß zu nehmen und er sah so aus, als gehöre er ganz einfach genau an diese Stelle. Um Stiles nicht zu wecken hauchte Derek sehr zart einen Kuss auf dessen Schläfe, ehe er sich erhob und zugleich den Kopf seines Geliebten mit einem Kissen stabilisierte, nachdem ihm er ihm seine Schulter ja nun entziehen musste. Stiles gab ein kleines, schläfriges Murren von sich, doch dann rückte er sich von selbst wieder bequem zurecht und schlief einfach weiter. Derek ließ seinen Blick noch einmal grinsend über das Chaos im Raum und seine schlafenden Freunde wandern, ehe er sich davonmachte. Sein erster Weg führte ihn in die Küche, wo er sich einen beinahe sirupartigen Mokka machte und sich ein Glas Wasser einschenkte, um zwei Aspirin herunterzuspülen. In der Regel kam Dereks Körper mit Alkohol recht gut klar, aber diese zuckrigen Cocktails waren seine Achillesferse. Und für das, was heute auf der Tagesordnung stand, brauchte er einen klaren Kopf. Das ihre kleine Verlobungsparty derart ausarten würde, hatte Derek nicht geplant, doch im Grunde war es genau das Richtige gewesen. Wären sie nüchtern geblieben und die Gäste wären beizeiten aufgebrochen, dann hätte Derek sehr viel Zeit gehabt, sich Sorgen wegen ihrer Aussage bei der Polizei zu machen, doch so hatte er dazu überhaupt keine Gelegenheit und das war vielleicht gar nicht mal das Schlechteste. Nachdem er seinen Kaffee intus hatte, stapfte er hinüber in das Badezimmer, dass sich an sein Schlafzimmer anschloss. Kaum hatte er das Wasser angestellt, hörte Derek das Geräusch nackter Füße auf Fliesenboden. Ein Blick durch die Glaskabine zeigte, dass es Stiles war, der nun seine Kleider auszog, sie zerknüllt auf dem Boden liegen ließ, dann erst mal zum Pinkeln ging. So etwas hatte es in Dereks Vergangenheit nicht gegeben, dass man sich vor einander erleichterte, weder vor Familienmitgliedern, noch vor Liebhabern. So etwas hätte man als sehr unschicklich angesehen. Mit Stiles hingegen fühlte es sich einfach nur nach Nähe an. Nun kam sein Verlobter müde zu ihm unter die Dusche getapst, schmiegte sich wortlos an ihn und begann an seinem Hals zu knabbern und zu saugen: „Guten Morgen, Schöner!“ sagte Derek grinsend. Stiles sagte nicht Guten Morgen. Stattdessen sagte er: „Verdammt bist du sexy! Und ich bin geil!“ Derek lachte: „Und das war´s dann auch schon mit der Romantik zwischen uns beiden, richtig?“ Stiles grinste frech zu ihm hinauf: „Keine Sorge Baby! Es gibt eine Zeit für Romantik und es gibt eine für´s Vögeln. Rate, welche Zeit jetzt gerade ist?“ Es war eine rhetorische Frage, denn was seine eingeschäumten Finger nun mit Dereks Körper anstellten, räumte alle etwaigen Zweifel aus und wenn man ehrlich war, dann brauchte es auch nicht allzu viel Überzeugungskraft, um Derek zum Mitmachen zu animieren. Ihre erfrischende Morgendusche, nebst erfreulicher Herz-Kreislauf-Ertüchtigung hatte die beiden Männer rasch hellwach und munter werden lassen. Als sie in ihren kuscheligen Bademänteln zu den Anderen zurückkehrten, waren diese ebenfalls gerade dabei aufzuwachen. Und weil sie so wirkten, als könnten sie ebenfalls eine kleine Aufmunterung gebrauchen, wies Derek ihnen den Weg zu den verschiedenen Badezimmern im Haus, damit sie sich frisch machen konnten und orderte bei Greenburg Kaffee und ein üppiges Frühstück für die ganze Kompanie. Nachdem eine ganze Weile später schließlich alle Gäste aus dem Haus waren, wurde es auch für Stiles und Derek Zeit, dem charmanten Inspektor Haynes vom LAPD ihre Aufwartung zu machen. Als Stiles das missmutige Gesicht seines Verlobten erblickte, nahm er dessen Hand in die eigene, küsste sie und versicherte: „Na komm, Baby! Wir schaffen das. Er wird uns schon nicht fressen. Wir erzählen ihm einfach unsere Geschichte und das war´s.“ Derek nickte unzufrieden und sie machten sich auf den Weg. Kapitel 59: … ist es noch nicht das Ende ---------------------------------------- „Wie kommt es eigentlich, dass du gar nicht nervös bist?“ fragte Derek und blickte Stiles auf dem Beifahrersitz an. Soeben hatte er den BMW in der Nähe des Polizeireviers geparkt. Stiles hob seine linke Hand mit dem Ring: „Ich hab´ doch jetzt das hier! Damit bin ich unbesiegbar und weiß, dass alles gut wird.“ erklärte er grinsend. Diese Antwort hatte Derek nicht erwartet. Lächelnd zog er den Jüngeren zu einem Kuss zu sich heran: „Ich liebe dich wie verrückt, weißt du das?“ raunte er: „Und nun lass´ uns gehen. Zeigen wir es diesem Inspektor!“ Haynes hatte sie wieder einzeln befragen wollen, so wie beim letzten Mal, als sie hier ihre Aussagen gemacht hatten, doch Derek und Stiles hatten klargestellt, dass dieses Gespräch in gemütlicher Runde zu dritt geführt werden würde, oder gar nicht: „Habe einiges über sie beide in der Zeitung gelesen. Is´ irgendwas davon wahr?“ leitete Inspektor Carl Haynes ihre Unterhaltung ein. „Die Presse hat ihre Informationen von ihrer Verdächtigen, also raten sie mal!“ gab Stiles zurück. Er hatte nicht die Absicht, sich von diesem Mann provozieren zu lassen. „Verstehe!“ erwiderte Haynes, faltete seine Hände über dem mächtigen Bauch und versuchte ein weiteres Mal, die beiden Männer vor sich herauszufordern: „Einen schönen neuen Ring haben sie da, Mr. Stilinski. Sieht aus, als hätten sie den Hauptgewinn gezogen, wie? Sind da etwa Glückwünsche angebracht?“ Stiles lächelte milde: „Gratulieren sie mir ruhig, denn ich habe wirklich den Hauptgewinn, auch wenn sie mit Sicherheit nicht dasselbe damit meinen wie ich, wenn sie das sagen.“ erwiderte er gelassen, verschränkte seine Finger mit denen von Derek und beide blickten einander verliebt an. Der Polizist schaffte es mehr schlecht als recht, ein genervtes Stöhnen zu unterdrücken und setzte seine Befragung fort: „Also meine Herren, ihre Freundin und Cousine Miss Tate war ja gestern hier bei mir und sie hat mir eine ziemliche Räuberpistole erzählt. Für mich klang das alles wie ein sehr schlechter Krimi. Was sagen sie dazu?“ „Hören sie, Inspektor. Ich kann verstehen, dass diese ganze Geschichte für sie verrückt klingen mag, doch das liegt daran, dass die Frau, die hinter all dem steckt, eben auch ziemlich verrückt ist; hoch funktional zwar, so dass man es ihr nicht sofort anmerkt, aber dennoch komplett wahnsinnig.“ gab Derek ruhig zurück. „Na, dann erzählen sie mir doch mal ihre Version der Story!“ forderte der Inspektor sie auf. „Kate Argent ist meine Freundin gewesen, als ich noch ein Teenager war.“ begann Derek also: „Wir sind schon seit einer Ewigkeit getrennt, aber offensichtlich hatte sie sich vor einer Weile in den Kopf gesetzt, dass wir heute daran wieder anknüpfen sollten. Mit ihrer Model-Karriere lief es wohl nicht mehr so gut und sie war bereit... sesshaft zu werden, oder was auch immer?“ „Das hat sie ihnen so offen gesagt?“ hakte Haynes skeptisch nach: „Nein, das hat sie meinem Freund und Geschäftspartner Deucalion Barnes gesagt. Dieser war anfänglich nämlich gegen meine Verbindung zu Mr. Stilinski und die Zwei wollten uns wieder trennen. Leider war meinem Freund nicht klar, wie weit Mrs. Argent gehen würde, um ihr Ziel zu erreichen.“ gab Derek geduldig zurück: „Sie wollen mir also erzählen, eine schöne, einflussreiche, wohlhabende Frau wie Kate Argent, die vermutlich jeden haben könnte war... was? Verrückt vor Liebe zu ihnen und hat deswegen sogar gemordet?“ Haynes Stimme klang beißend vor Spott. Derek rollte genervt mit den Augen: „Also mit Liebe hatte das wohl herzlich wenig zu tun. Es ging ihr wohl vielmehr um mein Geld, das Ansehen und die gesellschaftliche Stellung, die sie sich von einem Leben an meiner Seite erhoffte und dabei war Mr. Stilinski ihr ganz schlicht im Weg. Daher die Anschläge auf sein Leben.“ „Und als sie vor einigen Wochen bei mir waren, um ihre Aussagen zu machen; hatten sie Mrs. Argent da bereits im Verdacht, dass sie hinter den Anschlägen auf Mr. Stilinski stecken könnte?“ wollte der Inspektor wissen. Derek seufzte: „Wir hatten keinerlei Anhaltspunkte, nichts was gegen Kate sprach. Es gab keinen Grund, sie dieser Taten zu verdächtigen.“ „Und dennoch hatten sie so ein Gefühl, habe ich Recht, Mr. Hale?“ hakte der Polizist nach. Derek nickte: „Ja, ich hatte so ein Gefühl, aber was hätte es gebracht, wenn ich ihnen davon erzählt hätte. Ich habe damals ja selbst nicht einmal wirklich daran glauben wollen, dass Kate schuldig sein könnte, denn es erschien einfach zu abwegig. Und wie gesagt, es gab überhaupt keine Anhaltspunkte.“ „Sehen sie und da irren sie sich, Mr. Hale!“ erwiderte Haynes ärgerlich: „Es hätte uns sehr wohl weitergeholfen, wenn sie uns von ihrem Verdacht erzählt hätten. Wir haben nämlich im Autowrack von Mr. Stilinski ein langes blondes Haar gefunden. Wir machen soeben einen Abgleich mit der DNA der Verdächtigen. Das hätten wir schon längst tun können, wenn sie ehrlich mit uns gewesen wären.“ „Ich war nicht unehrlich zu ihnen!“ brüllte Derek zornig und sprang vom Tisch auf: „Ich habe ihnen alles gesagt, was ich damals wusste. Alles andere wären zu jenem Zeitpunkt lediglich wilde Spekulationen gewesen. Dass sie Beweismaterial sichergestellt haben, wussten wir ja nicht. Hätten SIE das jemals uns gegenüber erwähnt, dann hätte die ganze Sache anders ausgesehen. Dann hätten wir uns auch nicht in Gefahr bringen müssen, indem wir versuchen Kate Argent als Verbrecherin zu überführen. Es sieht also so aus als hätten SIE nicht mit UNS zusammengearbeitet!“ Haynes blieb ganz gelassen: „Danke für das Stichwort, Mr. Hale. Das bringt mich gleich zum nächsten Punkt. Wieso laufen sie beide eigentlich da draußen herum und spielen Detektive? Wissen sie, ich habe da nämlich eine sehr interessante Tonaufnahme erhalten, auf der sie Mr. Stilinski den Verantwortlichen für das Feuer in ihrem Elternhaus befragt. Was zur Hölle hat das zu bedeuten?“ Derek hatte sich inzwischen wieder gesetzt, doch er behielt den Polizisten weiterhin misstrauisch im Blick. Haynes griff nach dem Hörer des Telefons vor sich auf dem Tisch, ehe Stiles antworten konnte und wählte eine interne Nummer: „Betty, schick´ mir doch jetzt bitte mal diesen Kleinstadt-Cop in die Zwei!“ forderte er und legte auf, ohne sich mit weiteren Höflichkeiten aufzuhalten. Wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür und ein junger, uniformierter Mann mit blondem Haar betrat den Raum: „Jordan? Was machst du denn hier?“ rief Stiles freudig aus, stürmte auf den Deputy zu und schlang ihm die Arme um den Hals. Parrish erwiderte die Umarmung herzlich und erklärte: „Ich dachte, du könntest hier heute vielleicht meine Unterstützung gebrauchen, also habe ich mir frei ein paar Tage genommen und bin hier heruntergefahren. Es tut so gut, dich zu sehen, Kleiner!“ „Es tut auch gut, dich zu sehen, Mann!“ beteuerte Stiles aufrichtig und klopfte Parrish freundschaftlich auf die Schulter. Derek beobachtete die Szene skeptisch. „Sie können ihr Wiedersehen später feiern, meine Herren. Gerade will ich hier eine Befragung durchführen und ich habe heute auch noch etwas anderes zu tun!“ fuhr Inspektor Haynes ungeduldig dazwischen und so setzten sich Stiles und Jordan wieder zu ihm an den Tisch. „Also die Tonbandaufnahme...“ setzte Haynes erneut an: „...wieso haben sie diese an Deputy Parrish geschickt und nicht direkt mir zukommen lassen, Mr. Stilinski?“ Stiles rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her: „Also... uhm... ich...“ murmelte er. Hier schaltete sich Parrish ein: „Mr. Stilinski vertraut mir eben. Wir kennen uns bereits seit vielen Jahren. Ich habe mit seinem Vater, Sheriff Stilinski zusammengearbeitet.“ „Hat Mr. Stilinski neuerdings sein Stimme verloren, so dass er mir nicht selbst antworten kann?“ fragte der Inspektor scharf: „Doch, kann ich! Und das werde ich auch!“ erwiderte Stiles nun aufbrausend: „Ich habe meinen Freund Jordan Parrish kontaktiert, weil ich seine Unterstützung wollte. Sie haben mir nämlich zu keiner Zeit den Eindruck vermittelt, dass sie sich unvoreingenommen anhören würden, was ich zu sagen habe, Sir. Sie haben mich von Anfang an nicht wie ein Opfer, oder einen Zeugen behandelt, sondern wie einen Verbrecher. Sie sind selbstgerecht, überheblich und voreingenommen, wegen der Art und Weise, wie ich mein Geld verdient habe. Ich bin nicht zu ihnen gekommen, weil ich nicht darauf vertrauen konnte, dass sie meine Beweise ernst nehmen würden und ich wollte ganz einfach sichergehen, dass sie von einem Staatsbediensteten offiziell aufgenommen werden. Meine Vorbehalte ihnen gegenüber haben sie sich selbst zuzuschreiben, Inspektor.“ Das Stiles Jordan gebeten hatte, für ihn Einblick in die Polizeiakte von Brunski, dem Mörder von Dereks Familie zu nehmen, bevor die Tonaufnahme entstanden war, verschwiegen Parrish und Stiles in stillem Einvernehmen besser vor Haynes. „Ich bin vollkommen neutral, Mr. Stilinski.“ behauptete Haynes nun: „Ich versuche lediglich herauszufinden, was hier gespielt wird. Und nun will ich wissen, wie sie überhaupt auf den Gedanken gekommen sind, dass der Mörder der Familie ihres... uhm... Verlobten etwas mit Kate Argent zu tun haben könnte. Gab es dafür irgendwelche Anhaltspunkte?“ Stiles seufzte: „Auch das war wiederum nur so etwas wie eine Eingebung, genauso wie der Verdacht, dass Kate diejenige sein könnte, die mir nach dem Leben trachtete.“ erwiderte er: „Von diesen Eingebungen haben sie eine Menge, was Mr. Stilinski?“ spottete Haynes: „Tja, was soll ich sagen? Wenn ADHS, ein gesundes Misstrauen gegenüber seinen Mitmenschen und überdurchschnittliche Intelligenz zusammenkommen, dann hat man die eben!“ gab Stiles frostig zurück: „Und nun lassen sie mich doch einfach erzählen, wie ich zu meinem Verdacht kam und unterbrechen sie mich nicht ständig! Wie meine Freundin Malia Tate ihnen sicherlich bereits erzählt hat, hat Derek versucht Kate Argent zu überführen, indem er ihr vormacht, er und ich seien getrennt und für sie stünde der Weg nun wieder offen. Ich bin in der Zwischenzeit untergetaucht, um vor ihr in Sicherheit zu sein, aber weil ich ebenfalls meinen Beitrag leisten wollte, habe ich ein wenig in Kates Vergangenheit herumgeschnüffelt. Ihr Bruder Chris hat uns allen davon berichtet, dass sie sich bereits in ihrer Jugend skrupellos gezeigt und anderen Menschen körperlich geschadet hat. Sie hat einer schwangeren Mitschülerin ein Abtreibungsmedikament verabreicht, woraufhin diese dann ihr Kind verloren hat und später hat sie eine Hausangestellte, mit der sie lediglich einen unbedeutenden Konflikt gehabt hat, nach und nach vergiftet und hätte sie möglicherweise auch getötet, wenn diese das Haus der Argents nicht rechtzeitig verlassen hätte. Ich habe beide Frauen also ausfindig gemacht und mit ihnen gesprochen. Beide hatten mit der Sache jedoch längst innerlich abgeschlossen und würden aus persönlichen Gründen und um keine alten Wunden aufzureissen, keine Aussage vor Gericht machen, wie sie mir sagten. Ich war frustriert, weil das, was ich von beiden erfahren habe zwar Aufschluss darüber gegeben hat, wozu Mrs. Argent fähig ist, aber es leider nichts war, was ich der Polizei als Beweis hätte vorlegen können. Dann kam mir der Gedanke, was wohl wäre, wenn Kate, Skrupellos wie sie nun einmal ist, auch irgendwie hinter dem Feuer stecken würde. Immerhin hatte dieser Täter, der da im Gefängnis schmort, sich nie zu seinen Motiven geäußert, was mir irgendwie sehr merkwürdig vorkam. Für gewöhnlich haben wahnsinnige Täter doch ein großes Sendungsbewusstsein. Sie wollen, dass die Welt versteht, warum sie es tun mussten und warum sie im Grunde unverstandene Helden sind. Ich dachte mir, was wenn er jemanden schützt? Was wenn es Kate Argent ist, die er schützt? Am Anfang fürchtete ich noch, ich leide vielleicht mittlerweile an Verfolgungswahn und will so sehr, dass Kate überführt wird, dass ich ihr nun wahllos jedes Verbrechen in die Schuhe schiebe. Also habe ich das gemacht, was sie als Polizist sicherlich auch getan hätten: Ich bin rational an die Sache herangegangen und habe Nachforschungen angestellt. Ich wusste, dass Leo Brunski in einer Psychiatrie gearbeitet hat und erinnerte mich, dass Kate einmal in einer solchen Klinik gewesen ist. Ich fand also heraus, dass sie sich dort begegnet sein mussten, denn es war tatsächlich dasselbe Krankenhaus. Und daraufhin habe ich eben Brunski im Gefängnis aufgesucht und habe ihm ein Geständnis abgerungen.“ „Sie sind wohl sehr zufrieden mit sich, was, Mr. Stilinski!“ bellte Haynes: „Wir haben nichts als wirre Worte eines vollkommen Verrückten auf Band. Was sollen wir denn nun damit anfangen?“ „Was erwarten sie denn noch von mir? Eine rosa Schleife um das Beweismaterial? Vielleicht fangen sie ja endlich mal an, ihren Job zu machen!“ knurrte Stiles zurück: „Verhören sie den Mann doch selbst noch einmal! Stellen sie ihre eigenen Ermittlungen zum Klinikaufenthalt Kate Argents an! Und so wirr waren die Auskünfte von Brunski gar nicht. Er hat zugegeben, dass Kate ihn aufgefordert hat, sich um Dereks Mutter zu „kümmern“ und dass diese den Tod der restlichen Hale-Familie gar nicht gewollt hat. Wenn ich sie wäre, Inspektor, dann würde ich herauszufinden versuchen, warum Talia Hale sterben sollte. Und damit es nicht wieder heißt, wir würden ihnen nicht alles sagen, teile ich ihnen nun meine Theorie hierzu mit. Ich glaube, Kate Argent hat bei ihrem im todkranken Vater Gerard Sterbehilfe geleistet und Talia Hale hinterher ins Vertrauen gezogen. Und als diese sie dann drängte, ein Geständnis bei der Polizei abzulegen, hatte sie damit wohl ihr Todesurteil unterschrieben. Ich vermute, so, oder so ähnlich hat es sich damals abgespielt.“ Derek zuckte unter diesen offenen Worten ein wenig zusammen und Stiles hätte sich am Liebsten auf die Zunge gebissen. Er schlang seinem Verlobten schützend den Arm um die Taille. Haynes schüttelte ungläubig den Kopf: „Und wie kommen sie nun wieder darauf, Mr. Stilinski? Schon wieder eine Eingebung, oder wie?“ „So ist es!“ erwiderte Stiles selbstbewusst: „Aber vielleicht sollten sie darüber einmal mit Kates Bruder Chris sprechen. Und ich wette, wenn sie den Leichnam von Gerard Argent exhumieren und untersuchen würden, dann würden sie in seinem Körper dasselbe Gift finden werden, durch welches auch Jamie Townsend im Krankenhaus den Tod gefunden hat. Noch mehr Kopfschütteln des Inspektors: „Also das wird ja immer besser!“ murmelte er mehr zu sich selbst. Dann wollte er von Derek wissen: „Sagen sie, ab wann fingen sie eigentlich an, Mrs. Argent zu misstrauen, Mr. Hale?“ Das war die Frage, von der Derek gehofft hatte, sie würde nicht kommen. Er blickte Stiles unglücklich an, doch der lächelte zuversichtlich und nickte ihm leise zu. Derek holte also tief Luft und dann berichtete er dem Inspektor von der Geschäftsreise, auf die Kate ihn begleitet und auf welcher sie ihn betäubt und missbraucht hatte. Der Inspektor machte große Augen, doch zum Glück hielt er sich mit dummen, unpassenden Kommentaren zurück. Ansonsten hätte Stiles ihm unter dem Tisch auch einen Tritt verpasst! „Unfassbar!“ sagte Haynes lediglich und fragte: „Also gut, nun will ich nur noch eine letzte Sache von ihnen wissen, nämlich was es mit den Schüssen im Apartment von Mr. Stilinski auf sich gehabt hat?“ Stiles und Derek gaben also auch hierzu ihren Bericht ab und das Einzige, was dem Inspektor dazu noch einfiel war: „Platzpatronen? Das ist doch wohl alles nicht wahr! Das ist ja wirklich wie in einem Krimi! Also gut, meine Herren, sie sind damit für´s Erste entlassen. Ich lasse es sie wissen, falls ich noch weitere Fragen habe.“ ' Erleichtert verließen Stiles und Derek das Polizeipräsidium und Jordan kommentierte: „Nun bleibt nur zu hoffen, dass dieser sture Cop da drinnen vernünftige Arbeit leistet.“ Dann wandte er sich strahlend Derek zu und schüttelte dessen Hand: „Es freut mich sehr, sie kennenzulernen, Mr. Hale. Ich bin so erleichtert, dass es Stiles gut geht und er jemanden gefunden hat, der ihn liebt.“ „Bitte nennen sie mich Derek. Ich freue mich auch, Deputy. Und ja, das tue ich, ich liebe Stiles!“ versicherte Derek, legte einen Arm um ihn und zog ihn eng an sich: „Aber jetzt will ich einfach nur noch nachhause. Das gerade war verdammt anstrengend!“ Sie machten sich also auf den Weg zu Dereks Anwesen, wo ein zutiefst beeindruckter Polizist aus der Kleinstadt als erstes einmal eine kleine Palastführung erhielt. Und als Parrish einmal nicht hinhörte, flüsterte Derek Stiles unzufrieden ins Ohr: „Verdammt gutaussehender Bursche, muss ich sagen. Wie gut kanntet ihr Zwei euch damals eigentlich wirklich, Baby?“ Stiles grinste breit und schenkte seinem Verlobten ein freches Zwinkern. Kapitel 60: Erzähl mir ein Märchen! ----------------------------------- Parrish war einige Tage in Los Angeles geblieben und Derek hatte ihn kurzerhand in sein Schloss eingeladen. Stiles hatte es gut getan, in Jordan wieder ein Stück seiner Vergangenheit um sich zu haben. Es verband ihn mit einer Zeit, als er noch jünger, unschuldiger und in jeder Weise wohlbehütet gewesen war; ehe das Leben im böse ein Bein gestellt und ihm seine Eltern und sein Heim genommen hatte. Derek erhielt dadurch eine Ahnung davon, wie sein Geliebter gewesen war, lange bevor sie einander begegnet waren und es machte, dass er sich sogar noch ein klein wenig mehr in ihn verliebte. Diesen Jungen von damals hätte er gern gekannt. Nun musste Jordan wieder heimkehren, denn die Pflicht rief. Stiles und Derek hatten ihn soeben zum Flughafen gebracht und sie waren gerade wieder daheim angekommen. Noch hatte die Presse von Kates Verhaftung keinen Wind bekommen. Noch war kein Gerichtsverfahren anberaumt worden Noch hatten sie ihre Ruhe, auch wenn man am Horizont bereits einen Sturm aufziehen sehen konnte und das Hufgetrappel der Wilden Jagd bereits leise von fern zu ihnen herüberklang. Dies war der erste Moment, den Derek und Stiles seit einer Ewigkeit gemeinsam hatten, ohne dass sie bedroht wurden, unangenehme Dinge von ihnen verlangt wurden, oder sie zwangsweise getrennt sein mussten, wurde Stiles in dieser Minute klar. So könnte der Rest ihre Lebens aussehen, wenn sie alles erst einmal vollständig hinter sich hätten und Kate verurteilt wäre. Einen Moment lang blieb Stiles wie angewurzelt mitten im Foyer stehen und ließ diese Erkenntnis auf sich wirken. Als Derek es realisierte, blickte er sich nach ihm um und erkundigte sich: „Ist alles okay, Baby?“ „Werden wir eigentlich hier wohnen bleiben, oder werden wir woanders hinziehen? Was werde ich nun mit meinem Leben anfangen? Werde ich weiter studieren, oder vielleicht arbeiten gehen? Wirst du mit mir verreisen und mir etwas von der Welt zeigen, wie du es versprochen hast? Denkst du, die Öffentlichkeit wird mich jemals an deiner Seite akzeptieren, oder werde ich mein Lebtag keine Zeitung mehr aufschlagen und keinen Fernseher mehr anmachen können, ohne dass ich dort sehe, wie irgendwer über uns beide herzieht? Wann werden wir denn eigentlich genau heiraten? Und wie willst du die Feier; eher traditionell, oder modern? Werden wir uns heimlich in kleinem Kreis das Ja-Wort geben, oder wird das eine große Sache? Und vor allem... willst mich überhaupt immer noch? Und was wird aus Scott? Wo wird ER dann sein? Werde ich ihn dann überhaupt noch sehen? Oh Mann, ich kann aber nicht ohne ihn leben!“ sprudelte es aus dem Jüngeren heraus: „Shh, Baby, du plapperst!“ unterbrach ihn Derek: „Darf ich zwischendurch vielleicht auch mal auf eine deiner Fragen antworten? Was ist denn plötzlich los mit dir, Kleiner? Bekommst du es etwa gerade mit der Angst zu tun?“ Stiles nickte und erwiderte geknickt: „Es tut mir leid. Ich glaube, ich warte wohl irgendwie schon auf die nächste Katastrophe. Ich kann einfach nicht glauben, dass es für uns beide am Ende nun wirklich noch ein Happy-End geben soll. Weil weißt du... ich bin doch eine ausgebuffte Straßennutte und so, und sollte es eigentlich besser wissen: Das Leben ist kein Märchen und ich bin nicht Cinderella!“ Derek schüttelte gutmütig den Kopf: „Du redest dummes Zeug, Süßer. Du kennst dich selbst scheinbar überhaupt nicht? Das bist du eben nicht, du bist keine „ausgebuffte Straßennutte“. Was ist das überhaupt für ein komisches Wort? Darum habe ich dich damals in meiner Verzweiflung überhaupt mitgenommen, weil mein Herz da bereits instinktiv gewusst hat, was mein Verstand erst noch begreifen musste, nämlich wie gut du bist, wie mitfühlend, freundlich, lustig, tapfer, stark und unverwüstlich.“ Er hatte Stiles ins Wohnzimmer geführt, neben sich auf eines der Sofas geholt und zog ihn in seine Arme: „Unser Leben ist sehr wohl ein Märchen, aber da du es scheinbar vergessen hast, werde ich es dir nun noch einmal erzählen, um es dir in Erinnerung zu rufen: Es war einmal ein stinkreicher, aber trauriger, einsamer, schlafloser und insgesamt ziemlich verlorener König.“ begann er mit sonorer Stimme: „Er hatte mit seinem Leben eigentlich schon beinahe abgeschlossen und es war im im Grunde gleichgültig, ob er lebte oder starb, doch eines Abends, als er ziellos mit seiner Kutsche durch die Straßen seiner Stadt fuhr, da traf er einen wunderschönen Jüngling mit den herrlichsten Karamell-Augen, die man sich überhaupt nur vorstellen kann und der König spürte so deutlich, wie er noch nie in seinem Leben etwas gespürt hatte, dass er bei ihm sein wollte und bei niemand anderem sonst, um an seiner Seite endlich wieder ein wenig Ruhe zu finden, also nahm er den Jüngling mit sich. Es dauerte dann aber noch eine ganze Weile, ehe der König über seine eigene Dummheit gesiegt und verstanden hatte, dass dieser Mann sein Freund, sein Geliebter, sein Gegenstück, sein Prinz war, doch dann endlich wurden die beiden ein Paar und die wurden sehr glücklich miteinander. Aber es gab, wie immer im Märchen, auch eine böse Hexe, die alles daran setzte, ihr Glück zu zerstören und sie hätte es auch beinahe geschafft. Zum Glück hatten der König und sein Geliebter aber sehr gute Freunde und mit deren Hilfe besiegten sie die böse Hexe. Und ENDE!“ Stiles, der sich in Derek Armbeuge gekuschelt und aufmerksam gelauscht hatte hob nun den Kopf, blickte ihn mit großen Kinderaugen an und widersprach: „Nein, das ist aber noch nicht das Ende dieses Märchens. Wie geht es denn nun weiter für den König und seinen Prinzen? Was kommt nach dem „Und-sie-lebten-glücklich-bis an-das-Ende-ihrer-Tage“?“ Derek drückte ihm einen sanften Kuss auf die Schläfe und fuhr fort: „Also gut, hier kommt nun die Fortsetzung: Der König heiratet seinen Prinzen so schnell wie möglich und die Feier wird genau so sein, wie dieser es sich wünscht, groß und prunkvoll, oder klein und bescheiden, ganz egal. Und nach der Trauung werden die beiden auf eine ausgedehnte Hochzeitsreise gehen und gemeinsam die Welt sehen, ehe sie gemeinsam wieder in ihr Schloss zurückkehren, oder in ein anderes, ganz wie es sich der Prinz wünscht. Und dort werden sie allein leben, oder mit ihren Freunden, oder mit einem Haufen Kinder, die sie gemeinsam großziehen werden. Der Prinz braucht es nur zu sagen, wie er sich sein Leben vorstellt und so wird es dann auch gemacht, denn der König hat nur einen einzigen Wunsch und das ist der, seinen Prinzen bis zu ihrem gemeinsamen Lebensende so glücklich zu machen., wie er nur kann!“ „Schön!“ schnurrte Stiles zufrieden. Er hatte Derek das Hemd bis zum Nabel aufgeknöpft und zog nun eine Spur aus Küssen über dessen Brust und Bauch: „Und weißt du, was wir als erstes machen?“ „Ich bin gespannt.“ erwiderte Derek und grinste auf seinen Freund hinab: „Nacktbaden!“ rief Stiles und rannte los, wie von der Tarantel gestochen. Derek hatte Mühe, ihm zu folgen und als er an seinem eigenen, gewaltigen Pool vor dem Haus ankam, war Stiles bereits seine Kleider losgeworden und ehe er mit einem Kopfsprung ins Wasser hechtete, rief er ihm mit einem frechen Grinsen über die Schulter hinweg zu: „Hey, böser Wolf! Fang´ mich, wenn du kannst!“ `So ein kleiner Verrückter!´dachte Derek grinsend bei sich, zog sich in Windeseile komplett aus, und sprang hinterher. Stiles hatte offensichtlich nicht die Absicht, eine leichte Beute für ihn zu sein, denn er schwamm, als ginge es um sein Leben, aber schließlich holte ihn Derek dennoch ein: „Hab´ ich dich, du Frechdachs!“ triumphierte er und zog Stiles an sich: „Gar nicht schlecht für einen alten Mann!“ entgegnete der Jüngere grinsend: „Und willst du nun vielleicht deinen Gewinn einstreichen?“ Stiles schlang beide Beine und einen seiner Arme fest um seinen Freund. Mit dem anderen Arm hielt er sich am Beckenrand fest. Die anregenden Bewegungen, die er mit seinem Becken machte, ließen keinen Zweifel daran, wovon er sprach: „Aber... wir haben keine Kondome hier.“ erwiderte Derek unsicher. „Ist das denn schlimm?“ wollte Stiles wissen: „Ich meine... wir haben beide alle Tests gemacht, ich war dir immer treu und ich vertraue dir. Wir könnten also, wenn wir wollten...?“ „Ich habe es noch nie Ohne gemacht.“ gab der Ältere zurück: „Ich auch nicht.“ entgegnete Stiles: „Aber mit dir will ich es. Ich will, dass es ein Geschenk ist, dass wir uns gegenseitig machen; dass nichts mehr zwischen uns ist, auch nicht eine bisschen Latex.“ Er blickte Derek ein klein wenig verunsichert an: „Tun wir´s. Ich will es auch. Verdammt, ich will dich so sehr!“ raunte Derek heiser. Diese Vorstellung und Stiles physische Nähe hatten ihn längst hart werden lassen: „Dann tu es! Ich brauch´ dich jetzt!“ gab Stiles atemlos vor Aufregung zurück: „Ohne Vorbereitung?“ vergewisserte Derek sich noch einmal: „Mach´ mich nicht sauer, Hale!“ erwiderte Stiles ungeduldig, ergriff selbst die Initiative und führte Dereks Schwanz in sich ein: „Endlich!“ seufzte er, schloss die Augen, klammerte sich mit beiden Armen an den Beckenrand hinter sich Und begann sanft, sich auf seinem Geliebten zu bewegen. Das Wasser war warm, die Vormittagssonne schien freundlich auf sie beide hinab, die Vögel gaben ihnen ein romantisches Impromptu-Konzert und ein milder Wind streichelte ihre Haut, dort wo ihre Körper, die aus dem Wasser herausragten. Es war ganz einfach die perfekte Kulisse für ihre Vereinigung. Kurz war da Überraschung auf Stiles Gesicht zu lesen, als er spürte, wie Derek sich heiß in ihm ergoss, doch dann lächelte er. Sie waren eins, untrennbar. Für immer! Die böse Hexe hatte den Prinzen nicht gekriegt und saß nun gefangen in einem Turm und würde nie wieder einen Tag in Freiheit leben. Alles war so, wie es sein sollte! Kapitel 61: Scherbengericht - Teil 1 ------------------------------------ Es kostete die Polizei beinahe weitere drei Monate, ihre Ermittlungen abzuschließen und in dieser Zeit kehrte bei Derek und Stiles eine gewisse Routine ein. Nach all der Ungewissheit, den Katastrophen und der Unruhe in der Vergangenheit war dies für beide Männer der pure Genuss. Sie standen morgens gemeinsam auf, frühstückten, gingen zusammen ins Bad, rasierten sich Seite an Seite, putzten ihre Zähne im Stereomodus und brachen dann gemeinsam auf. Neben dem Studium arbeitete Stiles noch immer mit Danny, Isaac, Sott und mittlerweile auch mit vielen Fachleuten, wie Pädagogen, Anwälten, Architekten, Ärzten, Krankenpflegern, Lehrern und anderen an ihrem Straßenkinder-Projekt. Es waren mittlerweile eigene Räumlichkeiten angemietet worden, wo die Kids eine warme Mahlzeit, ein Bett für eine Nacht, Kleidung, medizinische Versorgung und Beratung vorfanden, oder einfach nur einen Ort, an dem sie sich ausruhen, fernsehen, einen Computer nutzen und einfach bloß für eine Weile bloß ganz gewöhnliche Jugendliche sein konnten: Ein Stückchen Zuhause und Normalität in einem besonderen, außergewöhnlichen Leben. Und für jene, die ernsthaft aus ihrem bisherigen Leben aussteigen und ein neues Leben beginnen wollten, gab es kleine Apartments, in denen sie leben konnten, Klinikplätze wurden für diejenigen gefunden, die einen Alkohol- oder Drogenentzug durchführen wollten und es gab die Möglichkeit einen Schulabschluss, oder eine Berufsausbildung nachzuholen. Das nächste Ziel war nun, dieses Projekt auf andere Großstädte in anderen amerikanischen Großstädten auszuweiten. Derek setzte Stiles morgens auf dem Weg zur Arbeit bei der Arbeit, oder bei der Uni ab und am Abend kehrten sie beide wieder heim, erzählten einander von ihrem Tag, aßen gemeinsam, verbrachten dann vielleicht noch ein wenig Zeit mit ihren Freunden, im Pool, im Fitnessraum, vor dem Fernseher, oder sie vögelten sich einfach das Hirn raus, bis sie erschöpft und befriedigt einschliefen, denn ganz gleich was auch geschah, sie bekamen ganz einfach niemals genug von einander. Weil Stiles seinen besten Freund so sehr vermisste, ließ Derek schon bald in seinem Palast ein großes Zimmer nach Scotts Bedürfnissen herrichten und dieser zog mit dem kleinen Skippy dort ein. Auch Lydia und Malia waren so oft bei ihnen zu Gast, dass Derek sie irgendwann fragte: „Warum bleibt ihr nicht einfach? Ich meine für immer? Ich fände das schön!“ Und das taten die beiden Frauen, auch wenn sie Zimmer in unterschiedlichen Trakts des Hauses bezogen, damit sie die Distanz, welche ihrer Nähe seit jeher so gut getan hatte, auch in ihrem neuen zuhause aufrecht erhalten konnten. Und aus Dereks kühlen Elfenbeinturm wurde auf diese Weise rasch ein warmes Heim für eine bunte, fröhliche, liebevolle Familie. Seit dem Tod seiner eigenen hatte Derek sich nicht mehr so wohl und geborgen gefühlt. Die Hochzeit von Derek und Stiles, da waren sich beide Männer einig, sollte erst nach der Gerichtsverhandlung stattfinden. Dennoch sprachen die beiden sehr oft darüber, wie sie sich ihren besonderen Tag vorstellten. Es war eine wunderbar friedliche und sorglose Zeit. Es fühlte sich so normal und selbstverständlich an. So könnte das Leben für immer weitergehen, wenn es nach Derek und Stiles gegangen wäre und darüber vergaßen sie sogar beinahe, was ihnen noch bevorstand. Inspektor Haynes hatte tatsächlich auf Stiles gehört und war dem Verdacht nachgegangen, Kate könnte ihren eigenen Vater ebenfalls getötet haben und wie Stiles es vorausgesagt hatte, war Gerard Argents Leben mit demselben intravenös verabreichten Gift beendet worden, wie jenes von Jamie Townsend. Dies war nun also ein weiterer Mord auf der Liste von Kates Opfern. Inzwischen waren die Ermittlungen abgeschlossen und ein Prozesstermin stand fest. Ab diesem Moment legte sich eine Art Düsternis über Dereks Gemüt. Er hätte es Stiles gern erklärt, was in ihm vorging, doch ihm fehlten die richtigen Worte. Ihm war, als würden die Augen seiner toten Familie erwartungsvoll auf ihm ruhen und er durfte einfach nichts falsch machen, denn sonst wäre es seine Schuld, wenn ihnen am Ende nicht endlich Gerechtigkeit widerfuhr. Würde er seinem Freund nun aber sagen was ihn beschäftigte, dann musste er ihn doch zweifelsfrei für verrückt halten! Er fand ja sogar selbst, dass dies irre Gedanken waren, dennoch ließen sie ihn nicht los. Stiles spürte natürlich, dass in Derek etwas vorging und auch wenn dieser darüber nicht reden wollte, würde er dennoch für seinen Partner da sein, alles tun, um ihm Sicherheit zu vermitteln und seinen Wünschen und Bedürfnissen nachgehen. Und so kam es, dass die beiden Männer zwei Tage vor Prozessauftakt unbedingt einkaufen gehen mussten, denn Derek behauptete, dass sie für das Gericht unbedingt noch etwas zum Anziehen bräuchten. Stiles verkniff sich den Hinweis, dass sein Freund doch bereits mehrere Kleiderschränke voll mit Designeranzügen besäße und er selbst sich in Jeans und T-Shirt sehr viel wohler fühlen würde, sondern sagte einfach bloß: „Klar, machen wir es so. Wo soll es hingehen?“ Aus naheliegenden Gründen fand ihr Beutezug dieses Mal nicht in die Boutique von Victoria Argent statt, sondern sie wählten ein Geschäft, welches neutralen Boden bedeutete. Einem Impuls folgend griff Stiles nach demselben Anzugmodell wie Derek, einem tiefschwarzen, eng geschnittenen Business-Zweiteiler und verschwand damit in der Kabine. Die beiden trafen sich vor dem Spiegel wieder und Stiles fragte, seine Stupsnase rümpfend: „Wie kommt es eigentlich, dass du in allem, was du anziehst immer aussiehst wie Herkules, Sohn des Zeus und ich dagegen bloß wie ein vollgeschissener Strumpf?“ Derek schüttelte ungläubig den Kopf: „Wie bitte? Was redest du denn bloß? Du bist schön, Liebling, wirklich schön! Ich kenne wirklich nichts Schöneres als dich.“ Stiles blinzelte ihn misstrauisch an und entgegnete dann grinsend: „Du bist lieb. Und ein schamloser Lügner!“ Derek lachte warm, zog Stiles in den Arm und warf einen Blick in den Spiegel: „Wir sehen beide ziemlich gut aus, finde ich! Genauso hatte ich mir das vorgestellt. Ich mag es, wenn wir beide dasselbe tragen. So sieht jeder, dass wir zusammengehören. Ich würde sagen, wir nehmen sie!“ Stiles ließ zu, dass Derek bezahlte. Er hatte eingesehen, dass es falscher Stolz war, sich jedes Mal dagegen zu wehren und wenn er wirklich wollte, dass er und Derek auf Dauer zusammen sein konnten, dann würde er sich dessen Lebensrealität eben ein wenig anpassen müssen. Derek sollte seinetwegen nicht auf Dinge verzichten müssen, die er gern tat und mochte, die ihm Freude bereiteten und die er gern mit Stiles gemeinsam erleben wollte. Sie hatten daher folgendes Arrangement getroffen: Stiles zahlte für diejenigen Dinge, die er sich Leisten konnte, etwa wenn sie sich eine Pizza kommen ließen, oder gemeinsam ins Kino gingen und Derek für alles, was für seinen Verlobten unerschwinglich wäre. Derek war unendlich erleichtert gewesen, als Stiles diesen Vorschlag gemacht hatte. Zusätzlich zu den Anzügen kauften sie sich noch dunkel getönte Sonnenbrillen und Stiles verkniff sich die Bemerkung, dass sie damit aussähen, wie Jake und Elwood aus dem Film „The Blues Brothers“. Als sie zwei Tage später von Greenberg zum Gericht gefahren wurden, wurde Stiles schlagartig klar, warum Derek die neuen Kleider gewollt hatte. Die Brillen und die Anzüge waren ihre Uniform, ihre Rüstung, ihr Panzer, um durchzustehen was vor ihnen lag. Durch die Scheiben der Limousine, die für die Insassen des Fahrzeugs zwar durchsichtig waren, die für Personen außerhalb jedoch schwarz erschienen, sah man bereits jetzt schon das das Blitzlichtgewitter. Der Prozess würde zum Glück unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, das hinderte die Presseleute jedoch nicht daran, den Beteiligten vor dem Gebäude aufzulauern, wie eine Meute hungriger Löwen. Garrett und Violett saßen mit ihnen im Wagen und auf ein Kopfnicken von Derek hin stiegen sie zuerst aus. Sie würden Derek und Stiles diese Pest vom Hals halten, so gut es ging. Das Paar blieb noch einen Moment im Wagen sitzen, um sich zu wappnen: „Tut mir leid.“ murmelte Stiles. Derek blickte ihn ratlos an: „Wofür entschuldigst du denn dich, Baby?“ „Dafür dass sie nun wieder über uns beide schreiben werden. Diese ganzen „Der-Milliardär-und-sein-Stricher“-Artikel. Das tut mir einfach leid für dich. Das verdienst etwas besseres. Hätte ich geahnt, dass mein Leben irgendwann den Mann den ich liebe derart kompromittieren würde, dann hätte ich damals sicherlich eine bessere Entscheidung getroffen.“ „Lass´ es Stiles!“ sagte Derek schärfer, als er selbst beabsichtigt hatte und Stiles zuckte ein wenig zusammen, also fügte er sanfter hinzu: „Es ist vollkommen gleichgültig, was sie schreiben werden, denn wir Zwei kennen die Wahrheit. Komme was wolle, ich bin unheimlich stolz, dass du mein Freund und Verlobter bist und die ganze Welt soll das sehen.“ Er ergriff Stiles Hand und sie verließen den Wagen gemeinsam. Die Journalisten machten ihre Fotos und brüllten ihnen Fragen zu, auf die sie keine Antwort erhalten würden und Derek ließ Stiles erst wieder los, als sie beide im Gerichtssaal ihren Platz hinter dem Staatsanwalt eingenommen hatten. Dann wurde die Angeklagte hereingeführt. Derek hätte Kate beinahe nicht wiedererkannt. Sie hatte ihr blondes Haar zu Zöpfen geflochten und diese ordentlich hochgesteckt. Sie trug kaum Make-Up und ein blütenweißes, hochgeschlossenes Chemisenkleid aus Baumwolle, welches unter der Brust gegürtet war und unter welchem sich mittlerweile ein deutlicher Babybauch abzeichnete. In Punkto Schwangerschaft hatte sie also bedauerlicherweise nicht gelogen, dachte Derek finster. Sie sah süß und unschuldig aus, wie eine Milchbäuerin aus dem mittleren Westen, die noch nie eine Großstadt besucht hatte. Es war eine absolut lächerliche Verkleidung, doch auf die Geschworenen würde sie vermutlich dennoch Eindruck machen. Wer würde einer unschuldig dreinblickenden Schwangeren einen mehrfachen Mord, Heimtücke, Lüge, Manipulation, oder Vergewaltigung zutrauen. So ein Miststück! An diesem ersten Prozesstag wurden weder Derek, noch Stiles oder Kate selbst angehört. Stattdessen wurden Beweise vorgelegt und man vernahm Zeugen, wie Inspector Haynes, den Gerichtsmediziner, jemanden vom Sicherheitsdienst des Krankenhauses, in welchem Jamie Townsend gestorben war, Zeugen vom Campus, die beobachtet hatten, wie Stiles an der Treppe angegriffen worden war, der Polizeiexperte, der Stiles Jeep untersucht hatte, aber auch Violett und Garret. Die Taktik der Verteidigung war eindeutig: Sie setzten alles daran, die Glaubwürdigkeit der Zeugen infrage zu stellen, sie in Misskredit zu bringen, Beweise zu entkräften und Kate so unschuldig erscheinen zu lassen, wie frisch gefallenen Schnee. Der Staatsanwalt erschien im Vergleich dazu geradezu handzahm und stellte nach Dereks Ansicht nicht immer die richtigen Fragen. Derek und Stiles mussten hilflos mit ansehen, was vor sich ging, ohne eingreifen zu können und während Derek darauf reagierte, indem er körperlich versteinerte und die Hände zu festen Fäusten ballte, wurde Stiles zunehmend unruhiger, knetete seine Hände und begann auf seinem Platz hin- und her zu rutschen. Dadurch erwachte Derek schließlich aus seiner Erstarrung, legte einen Arm um seinen Geliebten, zog ihn an sich und flüsterte: „Shh Baby! Ist in Ordnung.“ Sein Blick fiel in diesem Moment auf die Jury, doch die Augen der Geschworenen ruhten ebenso auf ihnen. Derek versuchte auszumachen, was jeder Einzelne von ihnen über sie dachte, doch leider hatte er nicht die geringste Ahnung. An diesen zwölf Frauen und Männern hing nun also ihre Zukunft. Dieser erste Prozesstag dauerte ganze acht zermürbende, ermüdende Stunden lang, doch dies war erst der Anfang. Die Beweisführung war noch längst nicht abgeschlossen. Als das Paar an diesem Abend Seite an Seite in ihrem Bett lag, fragte Stiles in die Dunkelheit hinein: „Was machen wir eigentlich, wenn Kate freigesprochen wird?“ Darauf hatte Derek keine Antwort, er wusste nur, dass sie beide einer langen, schlaflosen Nacht entgegenblickten. Kapitel 62: Scherbengericht - Teil 2 ------------------------------------ Stiles hatte wieder und wieder über das Gerichtsverfahren nachgedacht, hatte sich bemüht, alles so objektiv wie möglich zu betrachten, er hatte es mit Derek und seinen Freunden ausgiebig diskutiert und hatte schließlich entschieden, dass es für Kate Argent absolut unmöglich war, einen Freispruch zu erwirken, angesichts der Schwere und der Vielzahl der Anklagepunkte gegen sie und der drückenden Beweislast. Ganz gleich welches Kaninchen ihre Anwälte also noch aus dem Hut zaubern würden, sie würde verurteilt werden. Es MUSSTE ganz einfach so sein, oder etwa nicht? Und so gelang es Stiles an der Seite von Derek jeden Tag aufs Neue ein tapferes Gesicht aufzusetzen und sich seinen Weg durch eine sensationshungrige Reportermeute vor dem Gerichtsgebäude zu bahnen, welche dort geduldig wie Aasgeier auf eine sterbende Beute ausharrte. Es verwunderte nicht, dass diese Pressetypen sich derart auf diesen Fall stürzte, denn diese Geschichte hatte zugegebenermaßen alles, wovon ihresgleichen nur träumen konnte; ein gefallenes Supermodell, einen der reichsten Männer der Welt, Prostitution und Mord. Stiles konnte es diesen Leuten nicht einmal übel nehmen, dass sie sein Leben, sowie das von Derek und seinen Freunden gerade derart auseinandernahmen. Sie bedienten damit bloß den unersättlichen, ach-so-menschlichen Hunger nach Klatsch. Die Wahrheit hinter der Story interessierte dabei im Grunde niemanden, denn sie war viel zu langweilig. Hatten sie den Pressetumult erfolgreich passiert, so empfing sie die unterkühlte, würdevolle Atmosphäre des großen, einschüchterndes Gerichtsgebäudes, wo sie dann im immer gleichen Sitzungssaal, welcher ihnen alsbald so vertraut wurde, wie ein zweites, ungemütliches Zuhause, endlose, zermürbe den Stunden der Verhandlung über sich ergehen lassen mussten. Trotzdem Stiles rational klar war, dass eigentlich nichts schief gehen konnte, beobachtete er Kates zur Schau gestellte Zuversicht mit einer gewissen Beunruhigung. Wie konnte diese Frau angesichts ihrer Taten und der Situation, in welcher sie sich nun befand immer noch so aussehen, als habe sie das Recht auf ihrer Seite? Glaubte sie am Ende gar selbst an ihre eigene Unschuld? Oder war sie lediglich felsenfest überzeugt von ihrer eigenen Unbesiegbarkeit? Dies waren die Frage, welche Stiles in den Nächten zwischen den Prozesstagen den Schlaf raubten und ihn dann allein im dunkeln Haus herumgeistern ließen. Als Derek ihn einmal weit nach Mitternacht so vorfand, wie er im Wintergarten stand und hinaus in den dunklen Garten starrte, legte er bloß wortlos von hinten die Arme um ihn. Er erinnerte sich schließlich selbst noch allzu gut daran wie es war, nachts keine Ruhe zu finden. Sie kehrten eine Weile später ins Bett zurück, doch Derek wusste, dass Stiles den Rest der Nacht ohnehin damit verbringen würde, mit weit geöffneten Augen in die Dunkelheit zu schauen, also fragte er seinen Geliebten unsicher: „Wie kann ich dir helfen, Babe? Soll ich dich vielleicht im Arm halten, oder so?“ „Ich würde dich bloß wachhalten mit meiner Unruhe. Ich schlafe dann, wenn Kate verurteilt ist, abgemacht?“ erwiderte Stiles leichthin. „Das ist doch blöd! Kann ich denn überhaupt nichts machen?“ fragte Derek unzufrieden: „Immerhin hast du mir damals auch geholfen. Irgendetwas muss ich doch auch für dich tun können?“ Stiles beugte sich zu einem Kuss zu ihm hinüber und versicherte: „Du tust bereits alles; du liebst mich, du stehst zu mir, du teilst dein Leben mit mir. Ich bin ein sehr glücklicher Mann. Und diese Schlaflosigkeit geht schon wieder vorbei.“ „Aber wenn wir... du weißt schon! Nach dem Sex bist du doch immer müde. Vielleicht hilft das ja?“ schlug Derek vor. Stiles schluckte hörbar, dennoch erwiderte: „In Ordnung, tun wir´s, wenn du es gern möchtest.“ Derek setzte sich auf, knipste die Nachttischlampe an und blickte Stiles eindringlich an: „Was soll das heißen, wenn ICH es gern möchte?“ hakte er nach: „Hast du denn keine Lust darauf?“ „Es tut mir echt leid.“ murmelte Stiles unbehaglich: „Wärst du mir sehr böse, wenn ich damit lieber bis nach der Verurteilung warten möchte.“ „Nein, natürlich nicht.“ beteuerte Derek rasch, doch Stiles runzelte die Stirn: „Nun bist du sauer, oder? Entschuldige Baby, natürlich können wir es tun, wenn du es möchtest. Ich bin egoistisch.“ Rasch begann er damit, sie auszuziehen. Derek zog ihn an sich und bestimmte sanft: „Nicht, Stiles! Das hatten wir doch schon einmal. Wir tun es immer nur dann, wenn wir es beide wollen. Du musst mir keinen Gefallen tun und etwas machen, worauf du im Grunde keine Lust hast. Das kommt überhaupt nicht in Frage.“ Stiles lagen Worte auf der Zunge, mit denen er sich selbst niedergemacht hätte, etwa in der Art, dass er doch wenigstens dazu taugen sollte, doch er sprach sie nicht aus, weil er wusste was Derek dazu sagen würde. Er schmiegte sich anstatt dessen einfach an die Seite seines Gefährten wie ein Kätzchen, woraufhin diesem alsbald wieder die Augen zufielen. Und eine ganze Weile später, als er im Grunde schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte, fand sogar Stiles selbst noch ein wenig Schlaf. Einer nach dem anderen mussten ihre Freunde vor Gericht ihre Aussagen machen und Kates Anwälte wurden nicht müde, immer und immer wieder auf die ein oder andere Weise zu betonen, welchen Lebenswandel jeder von ihnen früher geführt hat. Sie hatten natürlich gewusst, dass das kommen würde und hatten sich darauf geeinigt, dass es nur eine einzige Art gab, darauf zu reagieren, nämlich offen, aufrichtig und ohne jede Scheu, aber ohne sich sich dafür ins Unrecht setzen zu lassen. Nicht sie waren die Verbrecher und sie würden sich auch nicht wie welche behandeln lassen. Als jedoch die Verteidigung einen von Malias ehemaligen Freier in den Zeugenstand rief, verlor diese dann doch ein einziges die Fassung. Zuvor hatte sie sich, trotz ihres hitzigen Temperaments erstaunlich gut unter Kontrolle gehabt: „Dieses miese, kleine Frettchen!“ zischte sie: „Wenn ich den jemals da draußen in der realen Welt wiedertreffen sollte, dann reiße ich ihm seinen hässlichen, haarigen Arsch noch einmal vollkommen gratis nach allen Regeln der Kunst auf!“ Lydia an ihrer Seite hatte alle ihre liebe Mühe damit, ihre Geliebte in ihrem Sitz zu halten und zur Ruhe zu bringen. Dies war der einzige Moment in der gesamten Verhandlung, in welchem Stiles ganz kurz eine aufrichtige, emotionale Reaktion im Gesicht von Kate Argent aufblitzen sah. Es war Schadenfreude! Zum Glück erkannte der Richter den Auftritt dieses Zeugen als das, was er war, nämlich als durchschaubaren Versuch der Verteidigung, Malia als eine der wichtigste Zeuginnen in diesem Prozess zu diskreditieren und diese Erkenntnis sprach er auch laut aus, indem er die Verteidigung ermahnte, solch billige Tricks zu unterlassen und sich lediglich an Zeugen und Beweise zu halten, die im vorliegenden Fall weiterführten. In diesem Moment hätte Stiles ihn küssen können. Als Kate irgendwann selbst an der Reihe war ihre Aussage zu machen, konnte Stiles ledigliche mit einer Art kalter Faszination über ihr schauspielerisches Talent staunen. Als sie etwa über den Mord an ihrem eigenen Vater sprach, berichtete sie mit absolut aufrichtig wirkender Betroffenheit von dessen quälenden letzten Atemzügen, davon wie es ihr das Herz gebrochen habe, wie sie nur noch Erlösung für ihn erhofft habe und wie sie schließlich selbst für diese gesorgt habe, Gott möge ihr verzeihen! Natürlich ließ sie auch nicht aus, wie ihre Tat sie innerlich so furchtbar gequält habe, dass es sie schließlich in die Psychiatrie gebracht habe. Ja, und dort habe sie dann diesen Irren Brunski getroffen. Am Anfang habe sie noch nicht verstanden, wie verrückt dieser Mann gewesen sei und wie besessen von ihrer Person und natürlich habe sie niemals gewollt, dass er losgeht und Dereks Familie umbringt. Sie habe ihn doch nicht dazu angestiftet, nein! Sie seien doch immerhin ihre Freunde gewesen, ja sogar selbst so etwas wie Familienmitglieder für sie und Derek habe sie doch stets geliebt. Niemals hätte sie ihm derartiges Leid zufügen können! Und Jamie Townsend, den jungen Mann, welcher im Krankenhaus getötet worden war, habe Kate nicht gekannt und selbstverständlich auch nicht getötet; sie sei schließlich keine geisteskranke Mörderin! Warum er mit demselben Gift , mit welchem sie damals ihren Vater erlöst hatte getötet worden sei könne sie nicht erklären, doch dass sei alles ein großes Missverständnis und habe nichts mit ihr zu tun. Warum die Polizei niemals in eine andere Richtung ermittelt und überprüft habe, ob dieser Mann vielleicht irgendwelche Feinde gehabt habe, sei ihr unverständlich? Wie eines ihrer Haare in Stiles Auto mit den manipulierten Bremsen gelangt sein könne wisse sie natürlich nicht, aber sie frage sich ernsthaft, ob ihr jemand etwas unterschieben wolle? Und sie habe selbstverständlich niemals versucht, Derek und Stiles in dessen Apartment zu erschießen. Möglich, dass Derek und seine seltsamen neuen Freunde sich alle gegen sie verschworen hätten. Man wolle ihr hier lediglich etwas anhängen und sie wisse wirklich nicht, womit sie das verdient habe? An diesem Punkt ihrer Aussage ließ Kate wirkungsvoll ein paar verzweifelte Tränchen fließen und bedeckte ihr Gesicht schamhaft hinter ihren Händen. Es war einfach nicht zu fassen: Sie stritt tatsächlich alles ab! Würden die Geschworenen ihr dieses Theater etwa abkaufen? Die Strategie der Verteidigung war damit jedenfalls glasklar. Sie hatten es auf begründeten Zweifel abgesehen, darauf dass man nicht mit absoluter Gewissheit sagen konnte, ob Kate tatsächlich all´ diese Taten begangen hatte, derer sie beschuldigt wurde. Das Schlimme daran, wurde Stiles klar, war die Möglichkeit, dass sie damit tatsächlich erfolgreich sein könnten. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Verbrecher in den Vereinigten Staaten so vom Haken gekommen wäre. Kapitel 63: Scherbengericht - Teil 3 ------------------------------------ Einer weiteren Nacht ohne Schlaf für Stiles folgte heute der vermutlich letzte Verhandlungstag an welchem die letzten vier Zeugen ihre Aussagen machen würden und danach würden sich dann die Geschworenen zusammensetzen, um über Schuld und Unschuld Kate Argents zu befinden. Wenn sie schnell zu einem Votum kämen, dann könnte mit ein wenig Glück bereits heute Abend alles vorüber sein. Stiles war der Erste, der heute in den Zeugenstand gerufen wurde. Es war eine Art Selbstschutzmaßnahme, dass er Kate hierbei aus seiner Wahrnehmung vollständig ausblendete. Er achtete peinlich genau darauf, zu keinem Zeitpunkt zu ihr hinüberzuschauen, als sei sie Medusa mit einem Haupt voll von zischenden und sich windenden Schlangen und als könne sie ihn mit ihrem Blick in Stein verwandeln. Stattdessen schaute Stiles die Geschworenen an, den Strafverteidiger, den Staatsanwalt, den Richter und wann immer er konnte auch Derek, denn ganz gleich, wie diese Verhandlung ausgehen mochte, dort lag seine Zukunft und an diesem Gedanken hielt er sich fest. Stiles beantwortete die Fragen, welche ihm gestellt wurden präzise und sachlich, achtete sehr genau darauf, sich von Kates Verteidiger nicht provozieren, oder auf´s Glatteis führen zu lassen und obwohl er die Skepsis seiner Person gegenüber, dem Stricher, dem Toyboy des gelangweilten Milliardärs in den Augen einiger Jurymitglieder deutlich erkennen konnte, ließ er sich davon nicht entmutigen, oder verunsichern. Ja, er mochte schwul sein und seinen Körper verkauft haben und das mochte für manche von ihnen weitab der eigenen Lebensrealität, moralisch verwerflich, oder sogar abstoßend sein, doch Stiles würde sie dennoch zwingen, ihn als menschliches Wesen wahrzunehmen, als eine Person, die eine lange Zeit um ihr Leben hatte fürchten müssen, die zum Opfer eines sehr bösen Menschen geworden war, aber auch als eine Person, welche sich lediglich das wünschte, wonach die meisten Menschen sich sehnten; eine Zukunft und ein gutes Leben mit jenem Menschen, den er über alles liebte. Stiles würde vielleicht nicht den moralischen Standpunkt dieser Menschen ändern, doch er würde es ihnen auch nicht allzu zu leicht machen, ihn ohne großes Nachdenken einfach in eine Schublade zu stecken. Als er den Zeugenstand wieder verließ, hatte er zwar das Gefühl Schwerstarbeit geleistet zu haben, doch es fiel auch eine große Last von ihm ab. Er wusste, er hatte sein Bestes getan; der Rest lag nun nicht mehr in seiner Hand. Kaum hatte er seinen Platz an Dereks Seite hinter dem Staatsanwalt wieder eingenommen, wurde sein Geliebter nun ebenfalls in den Zeugenstand gerufen. Derek stockte kurz der Atem, obwohl ihm natürlich bewusst gewesen war, dass nun er an der Reihe war auszusagen. Doch dann stählte er sich innerlich und drückte noch einmal flüchtig die Hand von Stiles, ehe er langsam und bedächtig nach vorn schritt. Er nahm seinen Platz ein und wurde vereidigt. Er wusste, er würde nun sehr viele private Informationen vor einem Haufen fremder Menschen ausbreiten müssen; eine Sache, welche ihm absolut zuwider war. Er nahm die Geschworenen in den Blick und ihm gefiel überhaupt nicht, was er in ihren Gesichtern lesen konnte. Sie mochten Derek nicht, vermutlich aufgrund seines guten Aussehens und weil er viel Geld besaß, denn so waren Menschen nun einmal; sie missgönnten einem anderen, was sie selbst nicht hatten und sie schätzten es nicht, wenn ein anderer es in ihren Augen im Leben zu leicht hatte. Hinzu kam noch, dass es Dereks unterkühlte Fassade, welche ihm über die Jahre beinahe zur zweiten Natur geworden war, diesen Leuten leicht machte, ihn nicht sympathisch zu finden. Sie wussten ja nicht, welchen Weg Derek hinter sich hatte, was ihn so hatte werden lassen und was er bereits alles verloren hatte. Auch wenn es Derek absolut nicht gefiel, es half wohl nichts; er würde sich hier und heute öffnen müssen und sich zeigen wie er wirklich war, wenn er wollte, dass diese zwölf Personen diese Situation über die sie zu urteilen hatten richtig einschätzen konnten und zu einem Schuldspruch kämen. Derek war ein Geschäftsmann, besaß eine gute Menschenkenntnis und wusste in der Regel in geschäftlichen Verhandlungen, wen er vor sich hatte. Er musste an seine Aussage also herangehen, als wollte er den wichtigsten Deal seines Lebens abschließen. Wer also waren diese zwölf Personen? Der Geschworene Nummer acht trug einen teuren Anzug und neue, geputzte Schuhe. Er war ein Mann in seinen Fünfzigern mit kleinem Wohlstandsbauch, welcher jedoch offenkundig peinlich genau auf sein Äußeres achtete. Er schien beruflich erfolgreich zu sein und konnte sich somit vielleicht am ehesten in Dereks Position hineinversetzen, was zweierlei bedeuten mochte, nämlich erstens, dass er sich mit Derek solidarisierte, oder zweitens, dass er ihn dafür verurteilen würde, weil er sich mit jemandem eingelassen hatte, der gesellschaftlich weit unter ihm stand und dies auch noch in aller Öffentlichkeit verteidigte. Derek wusste es nicht. Die Geschworene Nummer elf war eine junge Frau, die nicht im eigentlichen Sinne hübsch war, die jedoch offensichtlich morgens vor dem Spiegel sehr viel Zeit darauf verwendete, um dafür gehalten zu werden. Sie las sicherlich all diese dummen Klatsch- und Beautymagazine und wusste über Leben Kate Argents, dem berühmten Model bestens Bescheid und träumte möglicherweise selbst von einem solchen Leben. Sicher würde es dieser Geschworenen schwerfallen sich vorzustellen, dass ihr großes Idol all jener Taten fähig wäre, derer sie angeklagt war. Sie dennoch davon zu überzeugen würde gewiss nicht leicht werden. Dann war da noch der Geschworene Nummer Zwei. Er war ein schmächtiger Mittdreißiger in Turnschuhen, Jeans und Motto-T-Shirt. Er beschäftigte sich in seiner Freizeit höchstwahrscheinlich ausgiebig mit Comics, Computerspiele und Internet-Pornographie. Derek hatte überdies nicht den geringsten Zweifel daran, dass der Kerl schwul war. Er war sicherlich auf ihrer Seite. Derek blickte in die Gesichter jedes einzelnen Geschworenen und machte sich ein Bild, doch die Schlüsselfigur in der Riege der Prozessbeisitzenden, so wurde ihm klar, war wohl die Geschworene Nummer sechs. Sie war zu ihrer Sprecherin gewählt worden und Derek verstand auch genau aus welchem Grund. Sie war eine Afroamerikanerin Ende vierzig; groß, mit üppigem Körper und einem wachen, eindringlichem Blick. Alles an dieser Frau strahlte Autorität und Würde aus, doch da gab es auch eine sehr anziehende Wärme und Menschlichkeit in ihrem Wesen. Sie war der Inbegriff einer Löwenmutter und Derek hätte wetten mögen, dass sie zuhause tatsächlich mehrere Kinder hatte. Möglicherweise war sie alleinerziehend, denn man spürte, dass sie sich im Leben oft ohne Unterstützung hatte durchsetzen müssen. Derek stellte sich den Haushalt dieser Frau wie eine gut geölte Maschine vor und ihren Kindern hatte Nummer sechs mit Sicherheit eingeimpft, dass nichts wichtiger war, als ein ehrbares, aufrichtiges Leben zu führen. Das kleine, silberne Kreuz an ihrem Hals verriet, dass sie Christin war und Derek schätzte sie so ein, dass ihr Glaube ihr sehr wichtig und die Quelle ihrer Kraft war, weshalb Homosexualität ihr möglicherweise nicht allzu sehr behagte. Vielleicht konnte sie sich auch schwer vorstellen, dass eine werdende Mutter wie Kate tatsächlich eine Mörderin sein konnte. Andererseits besaß sie ohne Zweifel einen starken Sinn für Gerechtigkeit und wusste als schwarze Frau aus eigener Erfahrung, was Benachteiligung aufgrund eines persönlichen Merkmals bedeutete. Das Herz dieser Frau musste er erreichen, war Derek klar und dann würde sie den Rest erledigen, wenn die Geschworenen sich später zur Beratung zurückzogen. Der Staatsanwalt stellte als erster seine Fragen. Derek sollte seine Beziehung zu Kate Argent in seiner Jugend beschreiben und er berichtete davon, wie er als siebzehnjähriger von der Älteren zu Partys mitgenommen und mit Drogen und Alkohol in Kontakt gebracht worden war, wie er sie bewundert und über ihren promiskuitiven Lebensstil hinweggesehen hatte, bis sie ihn schließlich mit ihrem eigenen Onkel betrogen hatte, was ihn ihre Beziehung schließlich hatte beenden lassen. Befragt zu seiner Begegnung mit Stiles, gab Derek ebenfalls geradeheraus Auskunft. Die Geschworene Nummer sechs war sein Gegenüber. Zu ihr sprach er in erster Linie und Derek wusste, sie würde jede Unaufrichtigkeit erkennen und verurteilen. Man musste es dieser Frau zwar nicht Recht machen, aber man musste ehrlich zu ihr sein. Derek erklärte also ohne jeden Pathos, in welcher Situation er sich damals nach dem Mord an seiner Familie emotional befunden hatte, als er Stiles am Straßenrand aufgelesen hatte und wie dieser fremde, junge Mann, dieser Prostituierte es tatsächlich geschafft hatte, ihm seinen Schlaf und seinen Seelenfrieden wiederzugeben, als er sich selbst im Grunde bereits aufgegeben hatte. Derek erzählte davon, wie sich gegen jede Wahrscheinlichkeit zunächst eine Freundschaft und dann sogar eine große Liebe zwischen Stiles und ihm entstanden war, die überschattet wurden von den Mordanschlägen auf seinen Geliebten und wie unglaublich glücklich er sei, dass sie am Ende ohne Erfolg geblieben waren und er durch Kate Argent nicht noch einen weiteren geliebten Menschen verloren hatte. Der Staatsanwalt befragte Derek, warum Kate Argent seiner Meinung nach all diese Dinge getan habe? Natürlich legte ihr Strafverteidiger an dieser Stelle einen Einspruch ein, da es sich hierbei ja lediglich um Spekulation handeln würde, doch der Richter wies dies mit dem Hinweis zurück, dass die Geschworenen klug genug seien, die Antwort auf diese Frage als die Meinungäußerung des Zeugen zu identifizieren. Ehe Derek antwortete, ließ er seinen Blick ein weiteres Mal über die Reihen der Geschworenen wandern, schaute jedem einzelnen ins Gesicht, wendete sich dann von ab, nahm stattdessen die Angeklagte ins Visier und erklärte: „Ich weiß dass jeder der Anwesenden in den letzten Monaten in den Medien hören und lesen konnte, dass es sich bei Miss Argents Tat um ein Verbrechen aus Leidenschaft gehandelt haben soll, dass es sich um die Tat einer gekränkten, zurückgewiesenen Frau handeln soll. Ich versichere ihnen heute, dass Kate Argent zu derlei Gefühlen überhaupt nicht fähig ist. Sie hat mich niemals geliebt, sondern sie wollte mein Geld, eine gesicherte gesellschaftliche Stellung und außerdem mag sie es gar nicht, wenn ein anderer mit ihren Sachen spielt. Sie hat mich offenbar als ihren rechmäßigen Besitz angesehen. Andere Menschen sind für Kate Argent nichts weiter, als die Figuren auf ihrem Spielbrett. Sie ist eine Soziopathin, welche zu Liebe und Mitgefühl nicht fähig ist. Sie ist kaltblütig, berechnend, manipulativ und grausam.“ Der Staatsanwalt bedankte sich für Dereks Aussage und überließ nun dem Strafverteidiger das Feld, welcher auch sogleich damit begann, dem Zeugen unfassbare, unverschämte Fragen zu stellen: „Die Angeklagte Kate Argent hat hier ausgesagt, dieses gesamte Verfahren sei nichts weiter ein böser Komplott, welchen ihr Geliebter und ihre Freunde gegen sie schmieden würden. Ziehen wir doch nur für einen Moment in Betracht, dass es wirklich so gewesen ist. Ist es denn nicht so, dass sie die Angeklagte einmal sehr geliebt haben, Mr. Hale, doch dass der Prostituierte, Mr. Stilinski, mit welchem sie heute zusammenleben sie gegen sie aufgehetzt hat? Ist es nicht möglich, dass dieses ganze angebliche Mordkomplott gegen seine Person, lediglich ein raffinierter Plan des Herrn Stilinski war, um sie, Mr. Hale ganz und gar für sich zu gewinnen, als er gemerkt hat, dass sie wieder Interesse an ihrer ehemaligen Partnerin Mrs. Argent gezeigt haben, intim mit ihr wurden und nun auch ein Kind mit ihr haben werden?“ Der Anwalt deutete mit einer dramatischen Geste auf das süße, kugelrunde Wahrzeichen der mütterlichen Unschuld auf der Anklagebank und Kate gelang es in diesem Moment tatsächlich, besonders betrogen und erschüttert auszusehen. Was für ein erbärmliches Schmierentheater! Die Geschworenen schienen sich von dieser absurden Verdrehung der Tatsache jedoch durchaus faszinieren zu lassen. Es war ja auch zu verführerisch daran zu glauben, der raffinierte Stricher habe den unbedarften Milliardär aus Geldgier derart betört, dass dieser am Ende gar nicht mehr wusste, was Wahrheit und was Lüge war und ihn gegen seine Nebenbuhlerin, eine unschuldige, hochschwangere Frau aufgebracht. Was für eine Geschichte! Das war der Stoff, aus dem Schundromane und Boulevardmagazine gemacht wurden. Dereks erster Impuls war es aufzuspringen und den Strafverteidiger anzubrüllen, er solle aufhören, sich derart saudumme Märchen aus dem Arsch zu ziehen, doch dann fiel sein Blick auf Stiles und dieser schenkte ihm das sonnigste und zuversichtlichste Lächeln, zu welchem er fähig war. Und so holte Derek tief Luft, um sich zu beruhigen, ehe er auf das vorgeschlagene Szenario des Anwalts einging: „Ich weiß, sie haben wahrlich nicht viel in der Hand um ihre Mandantin aus ihrer Misere herauszuholen, aber das ist der größte Haufen Schwachsinn, den ich meinem ganzen Leben gehört habe.“ erklärte er so ruhig wie möglich: „Zum ersten ist es mir wichtig klarzustellen, dass ich Kate Argent niemals geliebt habe. Ich habe sie bewundert und auch gedacht, ich sei in sie verliebt, als ich noch zu jung und zu dumm war zu bemerken, was sie für ein Mensch sie in Wirklichkeit war. Später habe ich sie dann wenigstens noch für eine Freundin gehalten, doch auch das war sie nicht.“ Derek holte tief Luft, denn das, was er als nächstes sagen würde, hatte er eigentlich um keinen Preis vor Gericht laut aussprechen wollen: „Kate Argent ist eine Vergewaltigerin!“ Ein Raunen ging durch den Saal und Derek ließ diese Worte kurz bei den Geschworenen wirken, ehe er weitersprach: „Der Grund dafür, dass Kate Argent schwanger und dieses Kind möglicherweise von mir ist ist der, dass sie mir eine Vergewaltigungsdroge verabreicht hat und ebenso eine weitere Substanz, um mich körperlich in den Zustand zu versetzen, in welchem sie mich gebraucht hat, um von mir zu bekommen, was sie wollte. Ich habe an diese Nacht lediglich bruchstückhafte Erinnerungen, doch eines ist sicher: Ich habe zu diesem Akt nicht mein Einverständnis gegeben. Dieses Kind, das die Angeklagte austrägt ist nichts weiter als ein weiterer missglückter Versuch, die Geschicke so zu lenken, wie sie ihr gefallen.“ „Das ist eine unglaubliche Behauptung. Erwarten sie von den Geschworenen etwa, dass sie ihnen das glauben? Hat ihnen das etwa ihr Lustknabe eingeredet, Mr. Hale?“ wollte der Rechtsanwalt wissen. Derek schenkte dem Mann einen eiskalten Blick, ehe er schneidend antwortete: „Sie sprechen von dem Mann, den ich heiraten werde. Sie werden ihn als meinen Partner, oder als Mr. Stilinski bezeichnen! Und nein, er hat mir nichts eingeredet!“ Er wendete sich nun wieder den Geschworenen zu und versicherte: „Es ist genauso passiert, wie ich es gesagt habe und glauben sie mir, es fällt mir unglaublich schwer, dies hier und heute auszusprechen.“ Der Anwalt bedachte Derek mit einem katzenhaften Lächeln, ehe er sagte: „Ich habe keine weiteren Fragen, euer Ehren. Sofern der Staatsanwalt ebenfalls keine hat, ist der Zeuge entlassen.“ Von Derek fiel eine schwere Last ab, als er sich erhob, um an seinen Platz zurückzukehren. Stiles empfing ihn mit einem zärtlichen Lächeln und versicherte flüsternd: „Das hast du toll gemacht, Baby.“ Sie nahmen sich bei den Händen, denn sie wussten was nun folgen würde. Der nächste Zeuge wurde aufgerufen und das war Brunski, der Mann welcher das Feuer gelegt und Dereks Familie ermordet hatte. Stiles wusste, dass es für Derek ein Alptraum sein musste, diesem Mann ein weiteres Mal gegenübersitzen zu müssen. Die Tür des Gerichtssaales öffnete sich und der Gefangene wurde, begleitet von zwei bewaffneten Beamten des Staatsgefängnisses in seiner Häftlingsuniform in den Zeugenstand geführt. Vom ersten Moment an ließ Brunski Kate nicht aus dem Blick. Er machte den Eindruck, als sei er in absoluter Hochstimmung. Kate Argent hingegen schien wenig begeistert, angesichts der Anbetung dieses Mannes aus ihrer Vergangenheit. Nun sollte eigentlich die Befragung beginnen und der Staatsanwalt stellte auch tapfer seine Fragen, das Problem dabei war bloß, dass Brunski ihn vollständig ignorierte und kein einziges Wort hervorbrachte, nicht einmal als der Richter ihn streng ermahnte endlich eine Aussage zu machen. Am Ende blieb dem Prozessvorsteher nichts anderes übrig, als die Gerichtsdiener aufzufordern, den Zeugen fortzuschaffen. Zunächst sah es auch so aus, als würde Brunski dem Geheiß ohne Widerstand Folge leisten, doch als er im Mittelgang auf der Höhe Kates angelangt war, ging plötzlich alles ganz schnell. Der Verurteilte blieb einfach abrupt stehen und es war ihm unglaublicher Weise irgendwie gelungen, sich die Schusswaffe seines Bewachers anzueignen: „FÜR DICH, MEINE GÖTTIN!“ rief er Kate zu. Dann setzte er sich die Pistole an die Schläfe und schoss sich mit einem glücklichen Lächeln den halben Kopf weg. Jeder im Gerichtssaal hielt entsetzt den Atem an. Kapitel 64: Liebe siegt weil... ------------------------------- Zunächst schien jeder im Gerichtssaal nach dem Schuss vollkommen erstarrt zu sein, doch dann begann Panik auszubrechen. Der gesamte Mittelgang war besudelt mit dem roten Lebenssaft, sowie den Schädel- und Gewebefragmenten des verstorbenen Brunski. Es war ein grauenhafter Anblick und die Luft war erfüllt von dem Geruch nach Schmauch und Blut. Die Menschen im Gerichtssaal wollten sich einfach nur so weit wie möglich davon entfernen. Sie stürzten also auf den Ausgang zu und machten dabei einen großen Bogen um den frischen Leichnam. Sie kletterten über die Bänke und stießen und schubsten sich gegenseitig auf dem Weg nach draußen. Einige fielen hin und andere trampelten einfach über sie hinweg. Es war ein einziges heilloses Chaos, in welchem es sich beinahe grotesk ausnahm, dass der Richter, offenkundig ebenfalls unter Schock, immer noch auf seinem Platz saß, seinen Hammer schwang und den zum Scheitern verurteilten Versuch machte, die Menschen zur Ordnung zu rufen. Stiles hatte nach dem Schuss seinen Platz nicht verlassen, sondern hatte lediglich einen Satz nach hinten gemacht, direkt in die Arme von Derek. Die beiden Männer klammerten sich an einander, wie Ertrinkende. Doch dann entdeckte Stiles etwas. Er saß mit einem Mal kerzengerade da, deute mit dem Finger in Richtung Ausgang und rief erschrocken aus: „Derek, schau doch nur! Sie haut ab!“ Und tatsächlich: Die hochschwangere Kate schien das allgemeine Durcheinander dafür nutzen zu wollen, um zu türmen. „Oh nein, so haben wir nicht gewettet, Schätzchen!“ erwiderte Derek ärgerlich und nun zeigte sich, wofür der ganze Sport gut war, welchen der Milliardär bereits seit vielen Jahren täglich so eisern betrieb. Er sprang auf, hechtete mühelos über sämtliche Bänke hinweg und hatte Kate erreicht, noch ehe sie bei der Tür angelangt war. Er nahm sie in den Polizeigriff und drückte sie mit dem Gesicht unsanft gegen die Wand: „Fick dich, Hale! Es ist bloß dieser verdammte Bauch. Der macht mich schwerfällig, wie eine Seekuh, denn sonst hättest du mich niemals erwischt.“ murrte Kate: „Erwarte bloß kein Mitleid von mir, Miststück! Das hast du dir alles selbst zuzuschreiben.“ gab Derek kalt zurück: „Du tust mir echt leid, Derek! Du bist so winzig, lächerlich und erbärmlich. Niemand wird dich jemals lieben, verstehst du? Und die kleine Nutte da drüben erst recht nicht. Sie werden alle immer nur den gutmütigen Trottel mit viel Geld in dir sehen. Mit mir wärst du besser dran gewesen, ich hätte mich schon um dich gekümmert, aber du hast alles versaut!“ zischte Kate ärgerlich. „Du bist echt eine vollkommen verrückte Bitch. Was verstehst du schon von Liebe, du Monster? Aber diesmal erhältst du deine Strafe. Dieses eine Mal kommst du mit deiner Scheiße nicht durch! Du wirst nie wieder die Sonne sehen, das verspreche ich dir!“ erwiderte Derek knurrend und übergab seine Gefangene an ihre beiden Wachleute, welche sich endlich wieder an ihren Job zu erinnern schienen und Kate in Handschellen legten. Mittlerweile hatten alle Prozessbeteiligten das Gerichtsgebäude verlassen und draußen war ein Großaufgebot der Polizei eingetroffen; damit beschäftigt, die Fliehenden aufzuhalten, zu den heutigen Vorgängen zu vernehmen und die neugierige Presse zurückzudrängen. Letzteres gelang ihnen mehr schlecht als recht, einfach weil die Reporter so zahlreich und unverfroren waren Auch Derek und Stiles waren mittlerweile draußen angelangt, machten den Beamten gegenüber eine kurze Aussage über das, was sie gesehen hatten und waren dann dankbar, als man sie nachhause gehen ließ. Das erste was sie taten, als sie dort ankamen war ihre Kleider loszuwerden, denn obwohl sie bei Brunskis grausigem Selbstmord zum Glück nichts abbekommen hatten, schien immer noch der Geruch von Blut in ihren Textilien zu hängen. Die beiden Männer begaben sich auf direktem Weg unter die Dusche. Derek hatte dabei von hinten die Arme um Stiles gelegt und sie verschränkten ihre Finger miteinander: „Ich werde diesen Anblick einfach nicht los. Als wäre er in meine Netzhaut eingebrannt.“ durchbrach Stiles irgendwann murmelnd ihr Schweigen. „Ja, ich weiß! Mir geht es genauso.“ bestätigte Derek: „Was denkst du, wie sich das auf den weiteren Prozess auswirkt. Meinst du, wir müssen noch einmal ganz von vorn anfangen? Ich meine, die Geschworenen sind sicherlich ebenso traumatisiert wie wir?“ Stiles Stimme klang kläglich bei dieser Frage. „Ich werde nachher Deucalion darauf ansetzen. Er soll versuchen, etwas herauszubekommen.“ versprach Derek. Stiles seufzte und schwieg erneut. Nach einer Weile versicherte er sehr ernst: „Ich habe übrigens gehört, was Kate vorhin zu dir gesagt hat. Du weißt, dass es nicht wahr ist, oder? Du weiß, ich liebe dich und nutze dich nicht aus?“ Derek küsste seinen Nacken: „Natürlich weiß ich das, Baby.“ versicherte er: „Kate hat nur versucht, mir unter die Haut zu gehen. Und dass sie glaubt das noch immer zu können, hat mir nur noch einmal gezeigt, wie sehr sie sich selbst und ihre Möglichkeit die Geschicke zu lenken überschätzt. Sie denkt tatsächlich noch immer, sie wird aus dieser Nummer als Siegerin hervorgehen.“ „Genau das macht mir ein wenig Angst.“ erwiderte Stiles beklommen: „Vielleicht übersehen wir hier ja irgendetwas? Woher nimmt sie sonst dieses Selbstvertrauen?“ „Sie ist verrückt, das ist alles, Liebling!“ beteuerte Derek: „In ihrem bisherigen Leben war es eben immer schon so; sie ist mit jeder ihrer Grausamkeiten ungestraft davongekommen. Aber dieses Mal nicht! Sie ist besiegt, sie weiß es nur noch nicht.“ Stiles drehte sich in der Umarmung und forschte im Gesicht seines Liebhabers nach einem Hinweis, dass er wirklich an seine eigenen Worte glaubte. Als Stiles sich davon überzeugt hatte, küsste er Derek und legte seinen Kopf auf dessen Schulter. Sie blieben lange unter der Dusche, doch den Schrecken dieses Tages wurden sie dennoch nicht gänzlich los. Drüben im Wohnzimmer lümmelten Lydia, Malia und Scott gemeinsam vor dem Fernseher und schauten Nachrichten, in welchen bereits über den heutigen Vorfall berichtet wurde: „Was ist dass denn nun schon wieder für Mist!“ begrüßte Malia die beiden Männer, auf den Bildschirm deutend. Lydia war da ein wenig feinfühliger und wollte wissen: „Habt ihr das etwa mit ansehen müssen, ihr Ärmsten? Das muss ja grauenhaft gewesen sein?“ „War es.“ bestätigte Derek grimmig: „Was sagen sie denn?“ „Nur dass dieser Brunski sich mitten im Gerichtssaal erschossen haben soll. Ist das wahr?“ fragte Scott. Stiles nickte und gab einen knappen Bericht: „Und was passiert jetzt?“ wollte Malia wissen: „Woher sollen wir das denn wissen?“ erwiderte Derek gereizt und tippte eine Nachricht an Deucalion in sein Telefon. In diesem Moment kündigte Greenburg Besuch an: „Hey Leute! Wie geht es euch?“ erklang hinter dem Butler der sorgenvolle Bass von Chris Argent. Ihn hatten Derek und Stiles völlig vergessen. Auch er musste sich heute irgendwo im Gerichtsgebäude aufgehalten haben, schließlich wäre er nach Brunski als letzter an der Reihe gewesen, seine Aussage zu machen. „Meine Güte war das eine Schweinerei! Ich habe einen kurzen Blick in den Gerichtssaal werfen können und war dabei, als sie die Leiche abtransportiert haben. Was zur Hölle war denn da los?“ wollte Kates Bruder wissen. Derek und Stiles tauschten einen erschöpften Blick und so übernahm es Malia Argent über die Ereignisse ins Bild zu setzen. Als sie eine Weile später alle gemeinsam beim Abendessen saßen, stieß Deucalion zu ihnen. Er schnappte sich einen Teller, begann sogleich damit, sich üppig aufzufüllen und kündigte an: „Es gibt gute Nachrichten, Leute! Trotz der heutigen Panik wurde niemand ernsthaft verletzt. Und der Richter wünscht keine großen Verzögerungen mehr. Er sagt dieser Prozess habe ohnehin schon lange genug gedauert. Die Juroren werden zur Zeit psychologisch betreut, doch sie fühlen sich allesamt in der Lage, den Prozess bald fortzusetzen. In drei Tagen gleich in aller Frühe wird unser Chris seine Aussage machen und danach wird die Jury sich zur Beratung zurückziehen. Dann habt ihr es endlich geschafft, Jungs.“ Derek und Stiles atmeten beide hörbar auf. Die kommenden drei Tage versuchte das Paar so gut es eben ging abzuschalten und möglichst nicht an Brunskis Selbstmord, oder den Prozessfortgang zu denken. Dabei war es hilfreich, sich von Fernsehgeräten, Zeitungen, Computern und Co. fernzuhalten und in die völlige Isolation abzutauchen, denn Brunskis Selbsttötung hatte nach einmal ordentlich Öl ins ohnehin schon lichterloh brennende mediale Feuer gegossen. Doch auch diese letzten Tage gingen vorüber und so saßen Stiles und Derek an diesem Morgen wieder einmal ein einem Gerichtssaal, auch wenn es dieses Mal ein anderer Raum war. Man hatte wohl angenommen, dass es so für alle Beteiligten etwas leichter werden würde weiterzumachen. Nachdem der Richter ein paar Worte zu den zurückliegenden Ereignissen gesagt und die Anwesenden begrüßt hatte, wurde Chris vom Gerichtsdiener hereingeholt und in den Zeugenstand geführt. Derek fühlte mit ihm. Die Anspannung stand seinem alten Freund deutlich ins Gesicht geschrieben, denn dies heute würde nicht leicht für ihn werden. Doch nicht nur Dereks Blick war fest auf den Zeugen gerichtet. Die Augen der Jury ruhten auf ihm und auch Kate fixierte ihren Bruder eisig, als könne sie ihn so zwingen, eine Aussage zu ihrem Gunsten machen. Chris Argent jedoch hielt dem Blick seiner Schwester eisern stand und verpflichtete sich bei seiner Vereidigung der Wahrheit. Er beantwortete die Fragen von Strafverteidiger und Staatsanwalt ruhig und besonnen und gab zu Protokoll, wie er die die Ereignisse der vergangenen Wochen erlebt hatte. Dann wollte der Staatsanwalt wissen, für welche Art Mensch er seine Schwester hielt und ob er ihr die Taten, derer Kate angeklagt wurde zutraute. Chris seufzte schwer und nickte dann: „Es tut mir leid, dies über ein Mitglied meiner Familie sagen zu müssen, doch ja, ich bin überzeugt, dass meine Schwester all diese Taten auch tatsächlich begangen hat. Sie ist ein gewissenloser und berechnender Mensch und sie schreckt vor nichts zurück, um ihre Ziele zu erreichen. Das habe ich mehr als einmal selbst erlebt.“ An dieser Stelle verlor Kate zum ersten Mal im ganzen Prozess die Fassung. Sie sprang von ihrem Sitz auf und keifte: „LÜGNER! DU VERDAMMTER, VERLOGEnER MISTKERL! WIE KANNST DU SOETWAS SAGEN? WAS BEZAHLEN SIE DIR DAFÜR, HM? WIE KANNST DU DAS DEINEM EIGENEN FLEISCH UND BLUT ANTUN?“ Der Richter schwang den Hammer und rief die Zeugin streng zur Ordnung. Ihr Anwalt hatte alle Mühe, Kate wieder in ihren Sitz zurückzuziehen und sie zum Schweigen zu bringen. Chris blickte ihr geradewegs ins Gesicht und erwiderte kühl: „Es ist vorbei Schwesterherz. Hör´ auf mit diesem Theater. Du hast zum letzten Mal Unschuldige verletzt. Aus dieser Nummer kommst du nicht mehr raus!“ Erneut hielt es Kate nicht in ihrem Stuhl. Sie tobte vor Wut und richtete die wildesten Flüche in Richtung ihres Bruders, untermalt vom Hammer des Richters, welcher schließlich eine saftige Geldstrafe gegen die Angeklagte verhängte. Als endlich wieder Ruhe eingekehrt war, entließ der Richter den Zeugen und berief eine kurze Pause ein. Im Anschluss daran folgten die Abschlussplädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Stiles gab sich alle Mühe, aufmerksam zuzuhören, doch die beiden Juristen schienen eine halbe Ewigkeit zu sprechen. Stiles war einfach nur noch müde und wollte, dass es endlich endete. Er konnte nicht einmal sagen können, ob die Plädoyers ihrer Sache eher halfen, oder schadeten. Es waren lediglich große Worte, die in Stiles in seinem überreiztem Hirn völlig willkürlich und sinnfrei aneinandergefügt schienen. Und dann war es endlich vorbei und die Geschworenen zogen sich zur Besprechung zurück. Stiles harrte mit Derek derweil im Warteraum aus und es dauerte nicht lange, ehe er an dessen Schulter eingeschlafen war. Derek warf einen zärtlichen Seitenblick auf das Gesicht des Schlafenden und wünschte sich, ihm würde es ebenfalls gelingen, einfach einzudämmern, doch leider stand noch immer vollkommen unter Strom und spürte einen heftigen Kopfschmerz aufkommen. Derek ließ noch einmal den gesamten Prozess vor seinem geistigen Auge ablaufen. Die Geschworenen sahen sich einer unglaublichen Menge von Aussagen und Beweisen gegenüber und Derek ging davon aus, dass es sicher eine Ewigkeit dauern würde, bis sie zu einer Entscheidung kämen, doch da irrte er sich. Nach nicht einmal zwei Stunden rief man sie zurück in den Verhandlungsraum. Stiles hielt Dereks Hand vor Aufregung so fest, dass es beinahe ein wenig schmerzte und jeder im Saal schien den Atem anzuhalten, als sich die Geschworene Nummer sechs erhob. Und dann war es endlich klar: Die Jury Kate Argent in sämtlichen Anklagepunkten; dem Mord an ihrem Vater und Jamie Townsend, der Anstiftung zum Mord an Dereks Familie und dem mehrfachen versuchten Mord an Stiles für schuldig befunden. Es dauerte einen kurzen Moment, ehe dieses Urteil wirklich vollständig in das Bewusstsein der beiden Männer sickerte, doch dann vielen sie sich erleichtert in die Arme. Nun fehlte lediglich noch das Strafmaß, welches jetzt vom Richter verkündet wurde. Kate wurde aufgrund der Schwere ihrer Taten und dem vollkommenen Fehlen ihrer Schuldeinsicht zu zweimal lebenslänglich verurteilt: „Gott sei Dank!“ raunte Stiles gegen Dereks Hals „Ich habe es dir doch gesagt!“ erwiderte der Ältere: „Wir haben es geschafft. Nun wird alles gut!“ Als die Verurteilte aus dem Gerichtssaal geführt wurde, warfen Derek und Stiles einen letzten Blick auf sie. Es gab keine Gegenwehr, keinen Protest, nichts von dem, was sie vielleicht erwartet hätten. Kate Argent wirkte wie gebrochen. Am Abend dieses Tages saß Mindy Petersen wie gebannt vor dem Fernseher und verfolgte die Nachrichten: „Was schaust du denn da?“ wollte ihr Mann von ihr wissen: „Ach nichts.“ sagte sie leichthin: „Aber dieses Supermodel, das da heute wegen Mordes verurteilt worden ist, ist mit mir in die Schule gegangen. Eigenartig, nicht?“ Unbewusst legte sie sich ihre eigene Hand auf den Bauch und sie lächelte. Diese Frau, die vor vielen Jahren ihr armes, unschuldiges Baby getötet hatte, hatte heute endlich ihre gerechte Strafe erhalten. Ein großer Frieden breitete sich in Mindys Herzen aus. Eva Garcia war mit ihrem Wagen gerade auf dem Highway unterwegs in Richtung zuhause, als sie im Radio die Nachrichten hörte: `Kate Argent wegen Mordes verurteilt. Sie wird das Gefängnis wohl niemals wieder verlassen´. Auf dem Gesicht des ehemaligen Dienstmädchens breitete sich ein Lächeln aus. Aus diesem wurde allmählich ein Kichern, welches sich wiederum in ein schallendes, befreiendes Gelächter verwandelte: `Fahr´ zur Hölle, Kate Argent!´ dachte sie voller Genugtuung. Kate saß auf dem Bett in ihrer Einzelzelle und starrte angewidert hinab auf ihren eigenen aufgetriebenen Bauch. Der widerliche Parasit in ihrem Inneren strampelte und zappelte, als wolle er sie verhöhnen. Eiskalter Hass stieg in ihr auf. Sie musste dieser Sache auf der Stelle ein Ende bereiten! Kate zog etwas aus dem Inneren ihrer Matratze hervor, was sie bereits vor einiger Zeit für alle Fälle dort versteckt hatte. Kapitel 65: ...so you better get this party startet --------------------------------------------------- „Dem Himmel sei Dank, es ist vorbei! Lass´ uns das feiern, ja?“ forderte Stiles, als sie sich auf dem Heimweg vom Gericht befanden: „Gern, aber wie? Wollen wir vielleicht schick essen gehen?“ hakte Derek nach. Der Jüngere schüttelte energisch den Kopf: „Oh nein, bloß das nicht! Nichts, was irgendwo in der Öffentlichkeit stattfindet und wo uns irgendwelche Reporter auflauern könnten. Nein, ich will es bei uns zuhause machen. All unsere Freunde sollen da sein und es soll so etwas wie einen Kindergeburtstag werden, mit einer riesigen, bunten Torte, Girlanden, albernen Papierhütchen... ich will dass es viel zu viel zu essen und zu trinken gibt, laute Musik und das getanzt wird, bis spät in die Nacht. Können wir das machen? Biit-ttee!“ „Meinst du etwa heute noch?“ versicherte sich Derek stirnrunzelnd: „Bist du denn dafür nicht viel zu müde?“ „Nein, jetzt nicht mehr. Es ist endlich vorbei und ich bin einfach nur überglücklich!“ „Kate könnte immer noch in Berufung gehen.“ erinnerte ihn Derek: Stiles stöhnte: „Oh Mann, sag´ doch so etwas nicht! Nicht heute! Heute will ich einfach nur dankbar dafür sein, dass sie endlich verurteilt ist und hinter Gittern sitzt. Ich will einen Abend lang unbeschwert sein. Das ist doch nicht zu viel verlangt.“ „Entschuldige Baby, du hast vollkommen recht. Lass uns feiern!“ versicherte Derek und zückte sein Handy, um den treuen Greenburg anzurufen, damit dieser alles nach Stiles Wünschen vorbereitete: „Und vergiss´ die Papierhüte nicht, die sind wichtig!“ krähte Stiles dazwischen, wie ein unerzogener Fünfjähriger: „Natürlich nicht. Für welche Art Monster hältst du mich, dass ich die Papierhüte vergessen könnte!“ gab Derek schmunzelnd zurück. Als er aufgelegt hatte, schmiegte Stiles sich an Dereks Schulter und fragte schmeichelnd: „Macht es dir eigentlich etwas aus, wenn Pedro und seine Familie heute auch dabei wären? Ich weiß, in deinen Kreisen schickt es sich nicht, mit dem Personal zu feiern, aber sie sind meine Freunde und ich habe Loba und ihre Brüder in letzter Zeit kaum gesehen. Ist das okay für dich?“ Derek rollte mit den Augen: „Was meinst du mit `In meinen Kreisen schickt sich das nicht´? Darüber ein reicher, ignoranter Snob zu sein, bin ich doch dank dir längst hinaus. Ich habe immerhin einen legalen Aufenthaltsstatus für Sofia, Gonzalo und die Kinder erwirken können, bezahle das Medizinstudium für Pedros Sohn Àlvaro, die kleine Loba wird täglich mit meiner Limousine zur Schule gefahren und mit Pedro selbst bin ich per Du und wir genehmigen uns gelegentlich einen kleinen Mescal nach Feierabend am Pool. Sie gehören für mich doch auch alle längst zur Familie.“ Stiles beugte sich strahlend zu ihm hinüber, um ihn zu küssen: „Ich liebe dich, weißt du das? So richtig, mit allem drum und dran.“ Im Inneren des Älteren breitete sich Wärme und Zufriedenheit aus. Mochte die Öffentlichkeit über sie beide denken, was immer sie wollte, er hatte sein perfektes Gegenstück gefunden und war sich deutlich bewusst, welches Glück das war und so versicherte er: „Ich dich auch Stiles. Von ganzem Herzen!“ Als sie zuhause eintrafen, waren die Partyvorbereitungen bereits in vollem Gange und Stiles ließ es sich nicht nehmen, überall ein wenig mitzuhelfen; beim Aufdecken, Dekorieren und bei ihrem Koch Jean in der Küche, welcher gerade mit Feuereifer dabei war, die himmlischsten Köstlichkeiten für eine ganze Kompanie zu zaubern. Zwei Stunden später waren alle Gäste eingetroffen und man beglückwünschte Derek und Stiles zum glücklichen Prozessausgang. Jeder war von Stiles dazu genötigt worden, eines dieser lächerlichen Partyhütchen aufzusetzen, da war jeder Widerstand zwecklos, Derek öffnete nun die großen Flügeltüren zum Festsaal und erklärte das Buffet und die Bar auch sogleich als eröffnet. Jeder möge sich nehmen, was immer er wolle und sich einfach nur wohlfühlen. Loba betrat den Saal an der Hand ihres Großonkels Pedro in einem hübschen Sommerkleidchen, bewunderte staunend die bunte Torte, welche beinahe so groß war, wie sie selbst, die farbenfrohen Papiergirlanden und als sie ihren Lieblingswahlonkel Stiles erblickte, machte sie sich los und rannte direkt in dessen Arme: 'Tío! Loba hat dich so vermisst!“ beteuerte sie: „Hola, Princesa!“ begrüßte Stiles sie freudig, nahm sie hoch, wirbelte sie herum, bedeckte ihr süßes Gesichtchen mit Küssen und drückte sie an sich: „Ich habe dich auch sehr vermisst, mein Kleines. Wie geht es dir? Erzähl´ doch mal! Gefällt es dir immer noch in der Schule? Hast du denn schon etwas gelernt?“ Das Mädchen nickte eifrig: „Schule macht groß viel Spaß!“ beteuerte sie mit ihrem wunderbaren spanischen Akzent und begann zum Beweis sogleich beinahe fehlerfrei bis hundert zu zählen, um ihre neu erworbenen Künste vorzuführen. „Wow, das machst du ja total toll.“beteuerte Stiles angemessen beeindruckt: „Wie wäre es denn zur Belohnung mit einem großen Stück Torte, hm?“ Lobas Augen begannen zu leuchten und Stiles sorgte dafür, dass sie sogleich ein riesiges Tortenstück mit einer Extra-Portion Zuckerblumen-Dekor erhielt, nahm sich auch selbst ebenfalls eines und er und das Mädchen hockten sich Seite an Seite an die lange Tafel, verputzten einträchtig ihren Kuchen und Loba berichtete nebenher alles, was ihr gerade durch den Kopf ging; von den Kindern in der Schule die sie mochte und von denen die sie ärgerten, von ihrer liebsten Fernsehserie, ihren Geschwistern und dem Rest ihrer Familie. Inzwischen war Sofia, Lobas Mutter mit ihren anderen beiden Kindern dem knapp einjährigen Enzo und dem gerade drei gewordenen Francisco herein und als die ihre Schwester Torte essen sahen, wollten sie natürlich auch welche: „Ich mache das schon, wenn ich darf?“ fragte Stiles die Mutter der drei. Offensichtlich hatte Sofia überhaupt nichts gegen einen Teilzeit-Babysitter einzuwenden, stimmte lächelnd zu und machte sich dann ihrerseits über das Buffet her. Stiles hingegen organisierte noch ein weiteres Stück Torte für Francisco, setzte ihn neben sich an den Tisch und Klein-Enzo auf Stiles Schoß durfte bei ihm ein wenig naschen. Die Kinder waren selig und Stiles war es auch. Nach allem was hinter ihm lag war das fröhliche Zusammensein mit diesen unschuldigen, freundlichen, kleinen Menschlein wie eine warme Dusche für seine Seele. Irgendwann gesellte sich Derek zu ihnen und maulte: „Werde ich heute auch noch mal etwas von dir haben, oder wirst du hier die ganze Zeit die Nanny spielen?“ „Ach komm schon Baby! Die drei müssen doch sowieso bald ins Bett und dann gehöre ich ganz dir, versprochen.“ erwiderte Stiles schmeichelnd: „Aber gerade haben wir hier doch total viel Spaß. Schau nur wie groß Enzos Augen werden, wenn ich ihm einen Löffel voll Torte hinhalte!“ Er führte es ihm vor. „Ja, wirklich süß.“ schmollte Derek und verschränkte die Arme vor der Brust. Doch Loba machte ihm ein Friedensangebot, welches der große, einschüchternde Kerl nicht ablehnen konnte. Sie nahm die schönste Zuckerrose von ihrem Teller und hielt sie Derek hin: „Nicht gucken böse, Tío!“ forderte sie und streichelte zaghaft seine dreitagebärtige Wange. Gegen seinen Willen lächelnd, öffnete der Hausherr seinen Mund und nahm die angebotene Liebesgabe der Siebenjährigen entgegen. Nach dem Essen hatten die Kinder Lust zu tanzen und Stiles war natürlich auch sofort mit Feuereifer dabei. Loba versuchte nun mit ihrem Charme auch Derek dazu zu bewegen, mit ihnen das Tanzbein zu schwingen. Sie hatte sich seine große Hand geschnappt, blinzelte süß und machte „Bitte, bitte“, doch der Geschäftsmann weigerte sich entschieden, sich hier vor aller Augen zum Affen zu machen, indem er mit einem Haufen Kinder herum hampelte. Als Lobas Mutter mitbekam, was ihr vorwitziger Nachwuchs gerade mit ihrer aller Retter, sowie Arbeit- und Obdachgeber anstellte, stürzte hinzu und rief erschrocken: „Loba, no!“ An ihren Dienstherren gewandt sagte hastig: „Lo siento, Senor!“ Derek dachte an das, was Stiles zuvor über die Standesdünkel reicher Leute gesagt hatte und es behagte ihm nicht, wie furchtsam diese junge Frau ihn gerade anschaute. Mit Stiles zusammen zu sein hatte ihn grundlegend verändert: Früher hatte es zwischen Derek und den sogenannten `einfachen Leuten´ keinerlei Berührungspunkte gegeben und er hatte auch keine großen Gedanken auf sie und das Leben verwendet, welches sie führten. Heute schämte er sich ein wenig dafür, wie selbstverständlich er es stets genommen hatte, dass man ihm seinen Kaffee kochte, den Dreck hinter ihm wegräumte und ihm das Leben so behaglich wie möglich machte: „No hay problema!“ versicherte Derek der nervösen Mutter daher schnell und lächelnd an Loba gewandt sagte er: „Tanz´ lieber mit Tío Stiles, süße Maus. Der hat Spaß daran. Ich kann gar nicht so gut tanzen, weißt du? Am Ende trete ich dir noch auf deine hübschen neuen Schuhe.“ Loba warf dem armen, minderbegabten Rhythmuslegasteniker einen überaus mitleidigen Blick zu, ehe sie seufzend von ihm abließ, um dann ausgelassen mit Stiles und ihren Brüdern zu tanzen. Derek beobachtete seinen Liebhaber, welcher gerade voll und ganz in seinem Element zu sein schien nachdenklich. Stiles hatte ganz offensichtlich überhaupt kein Problem damit, sich für die Kleinen zum Clown zu machen und Derek liebte ihn dafür. Nachdem die Kinder eine Weile später drüben in ihren Betten lagen, gesellte Stiles sich wie versprochen zu Derek, setzte sich rittlings auf dessen Schoß und gab ihm einen herzhaften, übermütigen Kuss. Seine Wangen glühten nach der Ausgelassenheit mit den Kleinen und auf seinem Gesicht lag ein seliges Lächeln. Dereks Herz schlug ein klein wenig schneller: „Hey, mein Engel. Amüsierst du dich?“ „Es ist perfekt!“ versicherte Stiles glücklich: „Es ist einfach wunderbar! Ich habe mich ewig nicht mehr so wohl gefühlt.“ Derek lächelte, schlang die Arme um den Jüngeren und gemeinsam ließen sie den Blick, über die ausgelassen feiernde Gesellschaft schweifen. Einige tanzten, andere aßen,tranken, oder lümmelten in irgendwelchen Sitzgelegenheiten herum und Malia umringt von Lydia, Scott, Chris und Allison machte sich einen Spaß daraus zu versuchen, den armen, steifen Greenburg betrunken zu machen: „Oh je! Denkst du, wir müssen den armen Kerl retten?“ fragte Stiles mitfühlend. Derek schüttelte den Kopf: „Malia wird es schon nicht übertreiben. Und ich glaube, es tut Greenberg ganz gut, wenn ihm mal jemand hilft, ein wenig lockerer zu werden. Ich meine, er ist kaum älter als ihr Kids und läuft trotzdem Tag für Tag im Livrée herum, dabei könnte er, wenn es nach mir ginge genauso gut auch Jeans und T-Shirt tragen. Doch als ich ihm das einmal vorgeschlagen habe, hat er mich völlig entsetzt angeschaut, als habe ich ihn tief in seiner Berufsehre verletzt.“ „Wirklich?“ fragte Stiles und dachte ein wenig über diesen seltsamen jungen Mann nach, welcher nun schon so lange für Derek arbeitete. Ob er wohl einsam war? Hatte er so etwas wie ein Privatleben, einen Freund, oder eine Freundin vielleicht, Eltern oder Geschwister, die er manchmal besuchte. Was mochte er insgeheim wohl über Derek, Stiles, ihre Freunde und ihrer aller Leben denken? Und wie war das wohl, sein eigenes Leben voll und ganz in den Dienst eines anderen Menschen zu stellen, denn irgendwie schien Greenberg ja zu jeder Tages- und Nachtzeit im Dienst zu sein? Ob er wohl klammheimlich in Derek verliebt sein mochte; diese Art Verliebtheit, die nur von Ferne funktionierte, aber von der man im Grunde überhaupt nicht wünschte, dass sie sich tatsächlich irgendwann einmal erfüllte? Je länger Stiles darüber nachgrübelte, umso weniger wollte er wissen, wie es tatsächlich war. Manche Geheimnisse blieben wohl besser im Dunkeln. Anstatt sich weiter damit zu befassen, erkundigte er sich bei Derek nun schmeichelnd: „Ich traue mich ja kaum zu fragen, nachdem du vorhin schon Lobas reizenden Antrag abgelehnt hast, aber tanzt du vielleicht mal mit mir, Baby?“ „Ist das unbedingt nötig, Engelchen?“ fragte Derek ein wenig gequält: „Unbedingt.“ bestätigte Stiles eifrig nickend: „Aber keine Sorge, von dir wird gar nicht viel verlangt. Wir wiegen uns einfach nur ein wenig zur Musik und du erlaubst mir, mich ein bisschen an dir zu reiben, abgemacht?“ Derek grinste: „Klingt eigentlich gar nicht so schlecht. Also gut, machen wir es so.“ bestätigte er und erhob sich, wobei er Stiles auf seinem Schoß kurzerhand mit hochhob: „Aber das darf die kleine Loba niemals erfahren. Sie würde es mir nie verzeihen.“ „Ich kann schweigen!“ beteuerte Stiles grinsend. Sie tanzten eine ganze Weile langsam und eng, ganz gleich, ob die Musik, welche im Hintergrund lief dazu geeignet war, oder nicht. Sie genossen einfach nur ihre unbeschwerte Nähe. Später ließen sie sich bei Malia und den anderen nieder und nahmen den einen oder anderen Zug aus dem Joint, welchen Dereks Cousine gerade kreisen ließ. Als auf Chris Handy ein Anruf einging, nahm zunächst kaum einer so recht Notiz davon, doch dann kündigte der Freund nach Beendigung des Telefonats an, dass er noch einmal verschwinden müsse. Er wirkte bestürzt, doch er wollte nicht damit herausrücken, worum es ging: „Ist irgendetwas passiert?“ wollte Derek wissen: „Du bist ja weiß, wie eine Wand.“ „Ich weiß es noch nicht. Ich werde es euch berichten, wenn ich wiederkomme. Ich schätze in ein bis zwei Stunden bin ich wieder da.“ gab Chris einsilbig zurück: „Willst du uns nicht wenigstens sagen, wer dich angerufen hat, Dad?“ erkundigte sich Allison nun ebenfalls besorgt: „Oder möchtest du vielleicht, dass ich dich begleite.“ „Lass´ nur Liebling. Ich gehe allein und ich erzähle euch alles, wenn ich selbst genauer Bescheid weiß.“ beharrte Argent senior. Derek konnte den Freund immerhin noch davon überzeugen, sich nicht selbst ans Steuer zu setzen, sondern ließ ein Taxi kommen, da Chris, ebenso wie sie alle, nicht mehr ganz nüchtern war. Dann war Allisons Vater verschwunden. Die Party neigte sich bereits ihrem Ende zu und alle waren schon ziemlich müde, als Chris nach dreieinhalb Stunden tatsächlich zum Halschen Anwesen zurückkehrte: „Und? Was ist denn nun passiert?“ wollte Allison wissen, die zuvor in Scotts Armen beinahe eingeschlafen, doch mit einem Mal wieder hellwach war. Chris stellte die Stereoanlage ab und setzte sich mit betretener Miene in die Runde der verbliebenen Gäste: „Es geht um Kate.“ begann er matt: „Sie liegt im Gefängniskrankenhaus. Sie hat...“ Er geriet ins Stocken: „Offenbar hatte sie ein selbst hergestelltes Messer bei sich in der Zelle; eine Spiegelscherbe, unten umwickelt mit Panzertape, um eine Art Griff herzustellen. Wie es aussieht, hat sie versucht, an sich selbst eine Art operativen Eingriff vorzunehmen, um den Fötus loszuwerden. Sie hatte tatsächlich die Nerven, sich selbst in den Bauch zu schneiden, doch dann wurde sie scheinbar bewusstlos und man hat sie zufällig gerade noch rechtzeitig gefunden, ehe sie verblutet ist. Die Notoperation war bereits eine Weile im Gange, als ich im Krankenhaus eintraf. Insgesamt haben sie mehr als fünf Stunden lang versucht, ihr Leben zu retten. Im Augenblick sieht es so aus, als würden sowohl Kate, als auch das Baby durchkommen.“ „Oh Himmel!“ rief Stiles aus: „Wie ist so etwas überhaupt möglich? Wie bringt man das fertig? Und was wird denn nun aus dem Baby?“ „Die Ärzte haben zunächst wohl überlegt, ob es möglich wäre, den Fötus jetzt schon zu entnehmen, doch die Lungen seien dafür noch nicht weit genug entwickelt gewesen. Seine Überlebenschancen seien im Uterus größer, als außerhalb.“ gab Chris zurück: „So wie man es mir erklärt hat, werden sie Kate bis zur tatsächlichen Geburt zum Schutz des Ungeborenen ständig fixieren und überwachen, damit sie so etwas nicht noch einmal versuchen kann. Ob das Baby bereits jetzt einen bleibenden Schaden erlitten hat, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.“ Stiles gab ein sorgenvolles Stöhnen von sich, als er sich vorstellte, wie es für einen kleinen Menschen sein musste, wenn er bereits vor seiner Geburt einem Mordanschlag nur knapp entging und wenn er danach noch wochenlang im Körper einer Mutter verweilen musste, welche ihn ganz offensichtlich aus tiefstem Herzen hasste? „Sagt mir bitte, ob ich als Bruder etwas falsch gemacht habe? Hätte sie vielleicht meine Hilfe gebraucht? Habe ich irgendetwas übersehen?“ fragte Chris unglücklich. Nun überraschte ihn Allison, welche Kate von allen am längsten sie Treue gehalten hatte, indem sie erklärte: „Es ist nicht deine Schuld, Dad. Tu dir das bitte nicht an. Kate ist ganz einfach ein sehr böser Mensch. Ich habe das lange nicht einsehen wollen, doch nun weiß ich, was für ein Monster sie ist. Niemand von uns ist verantwortlich dafür, dass es sich so entwickelt hat. Wir können nur froh sein, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist.“ Und Stiles fügte hinzu: „Chris, bei deiner Aussage vor Gericht hast du gesagt, dass es an der Zeit sei, dass Kate hinter Gitter komme, damit sie keine weiteren Unschuldigen verletzen könne. Sie ist jetzt genau da, wo sie sein sollte. Dass sie sich nun auch noch gegen das einzige unschuldige Leben wenden würde, welches sie noch erreichen konnte, konnte wirklich keiner ahnen. Mit einer solchen Kaltblütigkeit war nicht zu rechnen und du hast dir rein gar nichts vorzuwerfen.“ Kates Bruder nickte erschöpft und erwiderte: „Ich danke euch. Ich schätze, ich sollte jetzt heimfahren. Ich bin echt todmüde.“ Doch Derek widersprach, indem er vorschlug : „Warum bleibst du nicht? Warum bleibt ihr nicht alle hier und wir frühstücken morgen früh zusammen? In diesem Haus gibt es schließlich genügend Platz für jeden von euch. Irgendwie fühlte es sich für alle richtig an, nach diesem Abend nicht einfach so auseinanderzugehen, weshalb sie dieser Einladung gern folgten. Sie nahmen noch einen letzten Schlaftrunk miteinander ein, ehe sie sich für die Nacht zurückzogen. Kapitel 66: ...they go together like a horse and carriage – Teil 1 ------------------------------------------------------------------ „Bist du okay?“ wollte Stiles wissen, als sie nebeneinander im Dunkeln lagen: „Warum sollte ich nicht okay sein?“ fragte Derek zurück, obwohl er natürlich längst ahnte, wovon Stiles sprach: „Na ja, es war ganz schön heftig, was Chris uns da vorhin berichtet hat, findest du nicht?“ schob der Jüngere unsicher hinterher. Derek seufzte: „Ein paar Stunden Ruhe. Mehr war uns nicht vergönnt und schon sprechen wir wieder über die verdammte Kate Argent. Weißt du was, Stiles? Ich will sie einfach nur vergessen und am liebsten nie wieder ihren Namen hören! Und vielleicht haben wir ja dieses eine Mal Glück und sie stirbt am Ende an den Spätfolgen dessen, was sie sich da heute selbst angetan hat; irgendeine fiese Infektion mit fleischfressenden Keimen, die sie langsam zersetzen? Das wäre wirklich mal so etwas wie höhere Gerechtigkeit. Dann hätten wir endgültig unsere Ruhe vor diesem Monster.“ „Aber das Baby, Derek...“ begann Stiles zaghaft, doch er wurde vom Älteren unterbrochen: „Was ist mit dem Baby? Wenn du mich fragst, dann wäre es tot wesentlich besser dran, als das Kind einer solchen Mutter zu sein.“ Stiles zuckte innerlich ein wenig zusammen, angesichts der zornigen Kälte, welche in den Worten seines Liebhabers lag. Er wollte etwas einwenden, doch er spürte deutlich, dass jetzt nicht der rechte Zeitpunkt war, dieses Thema zu besprechen. Und falls das Baby nicht durchkäme, dann würden sie es ohnehin niemals diskutieren müssen, also ließ Stiles die Angelegenheit für den Augenblick ruhen und sagte stattdessen: „Also gut, dann lass´ uns über etwas anderes sprechen; über etwas sehr wichtiges: Was stellen du und ich denn nun mit dem Rest unseres Lebens an?“ Ein listiges Grinsen schlich sich auf Dereks Gesicht. Er rollte sich auf Stiles, hielt dessen Handgelenke fest und schlug vor: „Ich würde sagen, wir beginnen damit, dass du mich nicht länger warten lässt und mich endlich heiratest!“ „Hm... heiraten? Dich? Ich weiß ja nicht...?“ ließ Stiles ihn ein wenig zappeln: „Vielleicht mache ich ja noch eine viel bessere Partie? Ist Jeff Bezos eigentlich noch single?“ Derek stieg darauf ein: „Nein, sorry Baby, Jeff ist nach seiner Scheidung im letzten Jahr offenbar wieder in einer neuen Beziehung. Und du hast natürlich recht, er hat noch sehr viel mehr Geld als ich, aber ich finde, ich sehe wesentlich besser aus und habe außerdem auch immer noch alle meine Haare. Überdies führe ich seit mehreren Jahren die Forbes-Liste der begehrtesten Junggesellen Amerikas an. Ich schätze, du solltest nun endlich Nägel mit Köpfen machen, bevor mich am Ende noch ein anderer wegschnappt?“ Stiles wendete all seine Kraft auf, um ihre Position zu ändern und sich über den Älteren zu bringen: „Nichts da, du gehörst mir allein!“ verkündete er großspurig: „Ach ja? Und wann machst du dann endlich einen ehrbaren Mann aus mir?“ wollte Derek wissen: „Ob eine Ehe ausgerechnet mit mir einen `ehrbaren Mann´ aus dir macht weiß ich nicht, aber nenn´ mir einfach einen Termin und ich bin da; mit gewaschenem Hals und geputzten Schuhen, versprochen!“ versicherte der Jüngere und beugte sich zu einem Kuss zu seinem Geliebten hinab. „Also gut. Wie klingt in zwei Wochen für dich?“ fiel Derek mit der Tür ins Haus: „Hoppla?“ entfuhr es Stiles überrascht: „Du hast es aber plötzlich wirklich eilig?“ „Nein, eigentlich war ich sehr, sehr geduldig. Wenn es diese ganze leidige Gerichtsverhandlung nicht gegeben hätte, dann wären wir doch längst verheiratet. Und jetzt will ich einfach nicht mehr länger warten. Ich will dich jetzt und für immer.“ widersprach Derek: „Aber schaffen wir das denn alles in zwei kurzen Wochen? So etwas zu planen ist doch mit Sicherheit eine Menge Aufwand. Wie ich dich kenne willst du es doch sicher pompös, aufwendig und traditionell?“ wandte der Jüngere ein: „Ach Unsinn, ich will dich einfach nur so schnell wie möglich heiraten, das Wie ist mir egal. Du darfst es dir Aussuchen, ob du eine große Feier willst, einen kurzen Besuch beim Standesamt nur für uns zwei, eine kirchliche Trauung... mir soll alles recht sein, nur sag´ bitte endlich Ja zu mir.“ erwiderte Derek Stiles musste ein wenig lachen: „Ich habe doch längst Ja zu dir gesagt, Babe! Ich will zu niemand anderem gehören, als zu dir, das weißt du doch. Und die Trauung... die würde ich am Liebsten hier bei uns zuhause vollziehen, mit wenigen, ausgesuchten Gästen. Ein paar Blumen, leckeres Essen, Musik, mehr brauche ich wirklich nicht.“ „Dann machen wir es so.“ bestätigte Derek: „Und was ist mit der Hochzeitsreise? Wohin soll´s gehen?“ Stiles zuckte mit den Achseln: „Ich war ja noch nirgends. Vielleicht können wir einfach irgendwo hinfahren, wo es hübsch ist. Da weißt du doch viel besser Bescheid als ich.“ „Ausgezeichnet, ich plane alles! In diesem Fall wird es aber eine Überraschung!“ erklärte Derek begeistert: „Kannst du dich für ein paar Wochen freimachen? Wir werden Zeit für das brauchen, was mir gerade vorschwebt.“ „Wochen?“ fragte Stiles erstaunt: „Hast du selbst denn überhaupt so viel Zeit? Du bist immerhin Mr. Wichtig und leitest ein riesiges Unternehmen?“ Derek grinste: „Das ist ja das Gute an meiner Position; ich kann von überall auf der Welt Entscheidungen treffen. Wenn du mir erlaubst gelegentlich an einer Telefonkonferenz teilzunehmen, einen Geschäftsbericht zu lesen, oder eine Kleinigkeit auszuarbeiten, dann ist das überhaupt kein Problem.“ „Also gut. Dann... dann machen wir es so.“ bestätigte Stiles: „Aber werde ich denn vorher wirklich nicht erfahren, wo es hingeht? Woher weiß ich dann überhaupt, was ich packen soll?“ „Stell´ dich einfach auf alle Eventualitäten ein.“ erwiderte sein Verlobter mit einem listigen Zwinkern: „Ich verrate nur so viel: Wenn wir nachhause zurückkehren, dann wirst du nicht mehr behaupten können, du seist noch nirgendwo gewesen.“ „Hochzeit mit anschließender Entführung des Bräutigams? Verdammt, jetzt bin ich aber richtig aufgeregt und kribbelig. Wie wär´s mit ein bisschen vorehelichem Verkehr, um mich wieder runter zu bringen.“ erkundigte sich Stiles mit einem verschmitzten Grinsen: „Das klingt fantastisch. Ich bin dabei!“ versicherte der Ältere und zog ihn fester an sich. Viel zu früh am kommenden Morgen erwachte Stiles von Gemurmel in seiner Nähe. Unwillig öffnete er die Augen und blickte sich nach der Geräuschquelle um. Es stellte sich heraus, dass es sich um seinen Verlobten handelte, welcher sich auf den Balkon zurückgezogen hatte, um zu telefonieren. Sein Liebhaber wirkte trotz der frühen Stunde putzmunter. Er trug seine Sprtkleidung und sein Körper glänzte im Sonnenlicht vor Schweiß, was bedeuten musste, dass er sogar schon trainiert hatte. Seltsam? Sie waren erst um weit nach vier in der letzten Nacht eingeschlafen und ein Blick auf den Radiowecker offenbarte, dass es jetzt gerade mal zehn Uhr war. Stiles beschloss, dass es eindeutig zu früh war, um jetzt schon aus den warmen Federn zu schlüpfen und so döste er noch ein wenig weiter, bis Derek nach einer Weile ihm ins Bett gekrochen kam: „Du hast geschwitzt und du stinkst.“ behauptete Stiles verschlafen, strafte seine eigenen Worte jedoch Lügen, indem er Derek an sich zog und lustvoll an ihm zu schnuppern begann: „Mit wem hast du denn da telefoniert?“ „Ich konnte wieder einmal nicht richtig schlafen, aber dieses Mal aus einem sehr guten Grund. Ich werde nämlich den tollsten Kerl der Welt heiraten, weißt du? Und darum habe ich schon mal ein bisschen herumtelefoniert. Magst du blaue Hortensien und rosefarbene Rosen? Ich dachte, daraus könnte unser Blumenschmuck bestehen. Und ich habe einen DJ engagiert und jemanden, der die Trauung vornimmt. Wenn du mit irgendetwas nicht einverstanden bist, dann können wir alles noch ändern. Und ich habe auch schon mal eine Gästeliste angefangen, die du dir anschauen könntest. Außerdem habe ich ein mögliches Menü ausgearbeitet, welches wir später mit dem Koch besprechen können.“ verkündete Derek, ohne auch nur einmal Luft zu holen. Stiles musste lachen: „Du plapperst, Baby. Was ist los? Das ist doch sonst eher mein Part?“ Das Lächeln, welches auf Dereks Gesicht erschien machte, dass Stiles das Herz aufging: „Ich schätze, ich bin glücklich?“ erwiderte er beinahe schüchtern. „Oh Mann, ich liebe dich wirklich wie verrückt!“ schnurrte Stiles, beugte sich zu einem Kuss zu ihm herüber und verkündete dann: „Ich werde Scott darum bitten, mein Trauzeuge zu sein. Hast du dich denn eigentlich schon entschieden, wen du fragen wirst, Deucalion oder Chris?“ „Keinen von beiden.“ gab Derek zu seiner Verwunderung zurück: „Ich denke, ich werde Malia darum bitten. Wir kennen uns zwar noch nicht allzu lange, aber dennoch fühlt sie sich für mich wie Familie an. Sie ist ihrem Vater einfach so unwahrscheinlich ähnlich und wenn er noch am Leben wäre, dann hätte ich ihn gefragt. Sie ist also die logische Wahl. Denkst du, sie wird ja sagen?“ Stiles lachte: „Sicher wird sie das tun, allein schon, weil es die perfekte Ausrede ist, bei unserer Hochzeit kein Kleid tragen zu müssen.“ Als später all ihre Gäste mit ihnen beim Frühstück saßen, gab das Paar den Trauungstermin bekannt und lud die Anwesenden ein. Die beiden Nominierten nahmen ihre Wahl zum Trauzeugen mit Freuden an und damit gab es dann endgültig kein Zurück mehr. Die beiden kommende Wochen standen voll und ganz im Zeichen der Vorbereitungen für Hochzeit und Hochzeitsreise, wobei Derek um letztere noch immer ein Riesengeheimnis machte. Und dann war er plötzlich da, der große Tag. Stiles erwachte mit einem ganzen Bienenschwarm in seinem Magen und besprang Derek noch im Schlaf: „Aufwachen, Babe! Wir heiraten heute!“ krähte er fröhlich und überdreht. Der Ältere knurrte wie ein verärgerter Wolf. Er öffnete blinzelnd die Augen, schnappte sich ungeschickt den Wecker vom Nachttisch, rechnete mühsam nach und krächzte dann übellaunig und verschlafen: „Es ist gerade mal sechs Uhr morgens. Wir heiraten erst in acht Stunden. Wieso bist du schon wach und quälst mich?“ „Weil ich so aufgeregt bin. Es ist endlich soweit! Wir heiraten!“ gab Stiles zurück und versetzte unruhig auf und ab hopsend das gesamte Bett in Bewegung: „Komm´ her, du kleine Nervensäge und schlaf´ noch ein Stündchen!“ forderte Derek murrend und zog seinen Bräutigam mit starken Armen fest an sich, zurück unter die einlullende Wärme ihrer Decken. Widerstand war in dieser Umklammerung zwecklos, wie Stiles feststellen musste und auch wenn er das nicht für möglich gehalten hätte, döste er tatsächlich noch einmal für eine Weile ein. Als die beiden Männer dann später tatsächlich ausgeschlafen genug waren, um sich dem Tag zu stellen, hieß es für beide erst einmal Abschied nehmen. Ihre Freunde hatte zwar darauf bestanden, dass sie bereits in der Nacht vor der Eheschließung nicht mehr im selben Bett schlafen dürften, doch da hatte das Paar gestreikt. Sie waren in den letzten Monaten schon so oft unfreiwillig von einander getrennt gewesen, dass dies für sie überhaupt nicht infrage kam. Der Kompromiss war gewesen, dass sie sich gleich nach dem Aufstehen trennten, um sich dann bis zur Trauung nicht mehr zu sehen. Und so verabschiedeten sich die Liebenden nun von einander, als würden sie sich eine Ewigkeit nicht mehr wiedersehen. Kapitel 67: ...they go together like a horse and carriage – Teil 2 ------------------------------------------------------------------ Stiles machte sich auf zu Scotts Zimmer wo er bereits ungeduldig erwartet wurde. Scott saß auf seinem Bett und sprang sofort auf, als er den Raum betrat, um ihm um den Hals zu fallen: „Bro, es ist soweit! Du heiratest heute! Ich glaub´s immer noch nicht.“ begrüßte er ihn freudig. Doch dann ging Lydia dazwischen, die ebenfalls hier auf Stiles gewartet hatte: „Auseinander Jungs! Für diesen Blödsinn haben wir jetzt keine Zeit! Ich habe schließlich bloß ein paar Stunden, um hier ein kleines Wunder zu vollbringen!“ herrschte sie die beiden. Stiles hatte die Freundin nämlich unvorsichtigerweise zuvor gebeten, ihm dabei zu helfen, an seinem großen Tag so gut wie möglich auszusehen und so hatte sie für den Bräutigam ein zeitaufwendiges, intensives Schönheitsprogramm ausgeklügelt : „Als erstes gehst du Duschen und schrubbst dich hiermit ausgiebig am ganzen Körper ab!“ verkündete die Erdbeerblondine gebieterisch und hielt Stiles einen riesigen Luffa-Schwamm hin: „Und mach´ es ja ordentlich, sonst komme ich rein und helfe nach! Wenn du heute wirklich was hermachen willst, dann kannst du es dir nicht leisten, dass abgestorbene Hautzellen dein inneres Leuchten trüben.“ „Mein BITTE WAS?“ fragte der Bräutigam ratlos, doch da wurde er von der Freundin auch schon energisch in Richtung Badezimmer geschoben. Lydia wollte offenbar auf Nummer sicher gehen, dass Stiles hier keinen Mist baute, denn sie ließ sich auf einem Pfauenthron neben der gläsernen Duschkabine nieder und referierte ein wenig über die richtige Hautpflege: „Willst du etwa hier bleiben, während ich das mache?“ fragte Stiles entsetzt: „Nun stell´ dich nicht an, wie ein Baby! Erstens habe ich schon Schlimmeres gesehen und zweitens werde ich auch nicht allzu genau hingucken, versprochen!“ erwiderte die Freundin augenrollend und blieb ungerührt sitzen, wo sie war, während Stiles sich errötend vor ihr entkleidete und dann rasch in der Dusche verschwand. Nachdem er eine Weile später all´ die bösen, abgestorbenen Hautschuppen, die angeblich den Blick auf sein inneres Leuchten verhinderten, gründlich losgeworden war, reichte Lydia ihm einen Leave-In-Conditioner und ein duftendes Duschöl in die Kabine, welches er nun großzügig auf den betreffenden Körperregionen zu verteilen habe, so lautete der Befehl: „Auch die Scham- und Achselhaare?“ erkundigte sich Stiles, in dem Versuch witzig zu sein, doch von jenseits der Duschkabine kam lediglich ein angewidertes: „Bist du etwa nicht rasiert? Das ist ja abstoßend! Zu viele Informationen, Stiles!“ Allmählich bereute Stiles es ein wenig, Lydia um diesen Gefallen gebeten zu haben. Er tröstete sich damit, dass er dafür wenigstens in seiner Hochzeitsnacht für seinen Gatten duftend, seidenweich und unwiderstehlich sein würde. Was tat man nicht alles aus Liebe? Doch nach dem Duschen war die Tortour natürlich noch lange nicht vorüber. Lydia reichte ihm drei verschiedene Creme-Tiegel, einen für die Hände, einen für die Füße und den letzten für den übrigen Körper, aber auf keinen Fall für´s Gesicht, denn darum würde Lydia sich später höchstpersönlich kümmern, wie sie ankündigte, denn das sei ein besonders kniffliger Fall. Als er fertig war mit cremen, fühlte sich Stiles so glitschig, dass er Angst hatte auszurutschen und sich das Genick zu brechen, noch ehe er seinem Geliebten das Ja-Wort geben konnte. Sehr bedächtig watschelte er also zu Lydia hinüber, um zu sehen, welche Prüfungen nun noch auf ihn warteten. Das was nun folgte, war jedoch gar nicht so übel, wie Stiles insgeheim zugeben musste. Er sollte sich hinlegen, und zwar auf mehr Kissen gebettet, als die Prinzessin auf der Erbse und durfte sich nun voll und ganz in Lydias fähige Hände begeben. Erst waren seine Hände dran. Ein Spezialöl wurde in sein Nagelbett einmassiert, dann die Nagelhaut vorsichtig zurückgeschoben. Die Nägel selbst wurden hübsch und ordentlich rund gefeilt und ihre Oberflächen auf Hochglanz poliert. Stiles konnte nicht leugnen, dass seine Hände noch nie besser ausgesehen hatten. Es folgte die angedrohte Gesichtsbehandlung. Auf das Augenbrauenzupfen hätte Stiles offen gestanden verzichten können. Nicht nur dass es verdammt wehtat, das Ergebnis überzeugte ihn ebenfalls nicht wirklich, denn sein üblicher Wildwuchs entsprach doch deutlich mehr seinem Naturell, wie er fand, aber Lydia bestand drauf, dass es unverzichtbar sei. Stiles erhielt anschließend ein Fruchtsäure-Peeling, eine kleine Bürstenmassage, eine reichhaltige Maske und am Schluss eine leicht getönte Tagescreme. Die Lippen wurden mit einem Pflegestift versorgt. Dann waren die Augen dran. Lydia trug ein farbloses Mascara auf und erklärte mit einem verdrossenen Schnauben, dass die Welt ein ungerechter Ort sei und sie für solche Wimpern einen Mord begehen würde. Am Ende musste Stiles sich für das Frisieren in einen Stuhl setzen. Es kamen Gel, Schaum, Spray, Kamm, Bürste und Glätteisen zum Einsatz. Lydia zupfte, zerrte, knetete und formte an Stiles armen Schopf herum, bis sie endlich mit ihrem Werk zufrieden war und der derart Malträtierte erleichtert aufatmen konnte. „Du bist fertig.“ verkündete Lydia: „Und wer hätte das gedacht, du kannst mit ein wenig Mühe wirklich ganz passabel aussehen.“ „Besten Dank auch, Schwester!“ erwiderte Stiles, küsste die Freundin zum Dank auf die Wange und ging nicht weiter auf dieses fragwürdige Kompliment ein, denn dies hier war sein großer Tag und den wollte er sich schließlich nicht mit schlechter Laune verderben. Der treue Scott, der während dieser ganzen Prozedur geduldig gewartet hatte, warf sich nun neben Stiles auf´s Bett und versicherte: „Du siehst heiß aus, Kumpel. Sicher, dass du Derek heiraten willst und nicht mich?“ „Sorry Mann, wir sind zwar weit gekommen, aber Brüder lassen sie heutzutage immer noch nicht heiraten!“ erwiderte Stiles grinsend und drückte seinem besten Freund einen übermütigen kleinen Kuss auf die Lippen. Dann blickte er auf die Uhr und wurde plötzlich ganz blass unter seinem Make Up: „Verdammt! Es sind immer noch über drei Stunden bis zur Trauung? Was soll ich denn bis dahin machen? Ich könnte beim Kochen helfen? Oder beim Putzen? Oder beim Dekorieren?“ Stiles war schon im Begriff los zu flitzen, doch Scott ließ ihn nicht weg, sondern hielt seinen Arm fest, wie ein Schraubstock: „ „Nichts da, junger Mann! So etwas macht der Bräutigam an seinem Hochzeitstag nicht! Du bleibst schön hier bei mir. Ich kümmere mich um die Hummeln in deinem Hintern!“ Scott zog einen großen, in Folie eingewickelten Keks aus der Bauchtasche seines Hoodies: „Malia hat gebacken!“ verkündete er: „Oh je, das verheißt nichts Gutes. Ich kann doch bei meiner eigenen Hochzeit nicht stoned auftauchen.“ wendete Stiles ein: „Ach komm´ schon! Nur ein bisschen, um locker zu werden.Und dann spielen wir `Super Mario Bros´, bis es soweit ist, dass ich dich deinem Ehemann übergeben muss. Es wird mir das Herz brechen, denn dann bist du ein Mann und nicht mehr Mommys kleiner Junge.“ Scott drückte ihm den Keks an die Lippen, bis Stiles schließlich nachgab nach und abbiss: „Spinner!“ lachte er, mit Kekskrümeln um sich spuckend. Derek kam ein weiteres Mal aus seinem begehbaren Kleiderschrank zurück, um sich vor Malia ausgiebig zu drehen und wenden. Er führte ihr nun bereits das achte Outfit vor und wollte wissen: „Und? Was sagst du? Was soll ich heute anziehen?“ Malia hockte mit einem Joint und einer Großpackung Skittles auf seinem Bett und bemühte sich redlich um Geduld. Überbetont ruhig, als würde sie mit einem äußerst dummen Kind sprechen, erwiderte sie: „Was ich sage? Ich sage, jeder dieser Maßanzüge sitzt perfekt, darum heißen sie ja auch Maßanzüge. Aber du würdest ja auch selbst noch in irgendeinem billigen Modell von der Stange gut aussehen, Mr. Adonis. Aber selbst wenn du heute bloß in einen Müllsack gekleidet zur Trauung erscheinen würdest, würde Stiles dich noch heiraten, denn er ist zufällig total verrückt nach dir. Also können wir dieses Spielchen jetzt endlich bleiben lassen? Entscheide dich für einen Anzug und hör´ auf, mich zu nerven!“ Derek seufzte, betrachtete sich im Spiegel, inspizierte die anderen sieben Anzüge, die er überall im Raum aufgehängt hatte und traf schließlich die schwere Entscheidung: „Ich denke, ich nehme wohl den, den ich zuerst anhatte.“ Malia rollte mit den Augen: „Also das hätten wir auch einfacher haben können. Und nun setzt du dich zu mir und chillst ein bisschen, sonst bekommst du vor deiner Trauung noch einen Herzinfarkt!“ Sie klopfte auf den Platz neben sich und streckte ihrem Cousin den Joint entgegen: „Ich werde heute den bedeutungsvollsten Pakt meines Lebens schließen. Das werde ich mit Sicherheit nicht unter Drogeneinfluss tun.“ entrüstete sich Derek. Malia lachte: „Wenn Scott keinen Mist baut, dann erhält dein Süßer vor der Trauung ebenfalls seinen Anteil THC also stell´ dich nicht so an. Du sollst dir ja nicht komplett das Hirn vernebeln. Bloß ein paar Züge, damit du aufhörst, so eine gestresste Nervensäge zu sein.“ Derek seufzte, nahm Malia den Glimmstängel aus der Hand, inhalierte tief, nahm Platz und ließ sich in die Kissen sinken: „Zufrieden?“ brummte er: „Oh Mann, du bist echt ein schlechter Einfluss, hat dir das schon mal jemand gesagt?“ Malia lachte fröhlich: „Immer und immer wieder, aber dafür sorge wenigstens ich für Spaß. Das macht mich so liebenswert.“ „Du bist echt wie er.“ stellte Derek versonnen lächelnd fest: „Du ähnelst deinem Vater wahnsinnig.“ „Schade, dass ich nie die Gelegenheit bekommen werde, das selbst herauszufinden. Aber da kann man wohl nichts machen.“ erwiderte Malia achselzuckend: „Was hätte er denn eigentlich davon gehalten, dass du heute heiratest?“ „Er hätte mich wohl ausgelacht, dafür dass ich mir freiwillig die Fesseln anlegen lasse. Er hätte versucht, mich zu ärgern, zu provozieren, hätte versucht, meinen Verlobten vor meinen Augen zu knutschen, irgendetwas in dieser Art; denn er hatte immer einen Riesenspaß daran, mir auf die Eier zu gehen. Mit Sicherheit hätte er sich darüber totgelacht, dass mein Bräutigam ausgerechnet ein Ex-Prostituierter ist, hätte mir gesagt, dass er mir das gar nicht zugetraut hätte, weil ich doch so ein verkniffener Langweiler sei.“ gab Derek mit einem kleinen Lachen zurück. Und nachdenklich fügte er hinzu: „Aber er hätte mir auch alles Glück der Welt gewünscht und mir gesagt, dass ich einen Guten gefunden habe.“ „Ich kann auch nicht wirklich verstehen, warum Leute unbedingt heiraten wollen. Lyds und ich... wir wissen auch so, dass wir zusammengehören.“ erwiderte Malia: „Aber ja, du hast dir einen Guten gesucht. Stiles ist die treueste Seele, die man sich vorstellen kann. Er würde alles tun, um dich glücklich zu machen und er wird dich mit allem beschützen, was er hat, auch wenn er bloß ein dürres, kleines Frettchen mit Puddingärmchen ist.“ „Hey! Du redest hier über meinen Bräutigam!“ protestierte Derek, doch dann blickte er in das verschmitzt grinsende Gesicht seiner Cousine und ihm wurde klar, dass diese sich gerade alle Mühe gab, ihrem legendären Vater alle Ehre zu machen. Und so nahm er ihr einfach den Joint aus der Hand und nahm einen weiteren tiefen Zug. „Er wird doch keine kalten Füße bekommen, oder?“ fragte Derek, mit einem Mal wieder nervös, wobei ihm Qualm aus Mund und Nase strömte. Malia schlug ihrem Vetter wenig zimperlich mit der flachen Hand vor die Stirn und schimpfte: „Was habe ich denn gerade gesagt? Dass du dich entspannen sollst und dass Stiles verrückt nach dir ist. Er liebt dich wirklich, auch wenn du ein Trottel bist, also lass´ den Quatsch!“ Derek schenkte der jungen Frau an seiner Seite den finstersten Blick, zu dem er fähig war, auch wenn ihr das ganz offensichtlich nicht gleichgültiger hätte sein können: „Gib´ mir die Skittles!“ knurrte er und grapschte nach der Tüte: „Von dem verdammten Gras bekomme ich immer einen Heißhunger auf Zucker! Wenn ich nachher den Kummerbund nicht mehr zu bekomme, dann ist das deine Schuld!“ Kapitel 68: ...they go together like a horse and carriage – Teil 3 ------------------------------------------------------------------ „Wir müssen gehen!“ verkündete Scott und legte den Controller aus der Hand: „Dein Verlobter wartet sicher bereits auf dich.“ Stiles, welcher sich bis gerade eben noch intensiv auf das Spiel konzentriert hatte, rutschte schlagartig das Herz in die Hose. „Was ist? Kommen dir in letzter Minute etwa Zweifel?“ wollte Scott wissen, weil er es seinem besten Freund bereits an der Nasenspitze ansehen konnte, dass etwas nicht stimmte: „Sag´ mal, bin ich es wirklich wert? Verdiene ich jemanden wie Derek denn überhaupt?“ murmelte der Bräutigam: „Willst du etwa, dass ich dich schlage? Was ist das denn für eine saudämliche Frage? Du bist der beste Mensch den ich kenne und Derek kann sich glücklich schätzen, dich zu kriegen. Also los jetzt! Du willst ihn doch nicht warten lassen? Er hat doch sowieso schon die ganze Zeit übertrieben große Angst, du könntest ihn im letzten Moment doch noch vor dem Altar stehen lassen.“ „Was? Das würde ich nie tun.“ erwiderte Stiles entsetzt: „Ich liebe ihn über alles.“ Scott kniete sich vor vor seinen besten Freund auf dem Boden und dehnte mit den Händen das steife Leder der neuen, glänzenden, schwarzen Halbschuhe auf, ehe er sie Stiles überzog und die Schleife für ihn band: „Du kennst Derek doch. Er erwartet stets das Schlimmste. Und nun lass mich dir noch einmal deine Krawatte ordentlich binden und dann geht’s los, Kumpel!“ Nachdem Scott, welcher seine Rolle als Trauzeuge sehr ernst nahm, dem Bräutigam noch einmal gründlich den letzten Schliff verliehen, an seiner Frisur herumgezupft und sein Hemd und seinen Anzug gerichtet hatte, führte er ihn also hinaus in den Garten, wo die Trauung stattfinden würde. Stiles, dessen Augen ein wenig davon brannten, dass er zwei Stunden lang immer nur auf den Bildschirm gestarrt hatte, blinzelte gegen die kalifornische Sonne, welche das gesamte Anwesen in herrliches goldenes Licht tauchte. Der Bräutigam nahm sich einen Moment, um die Eindrücke auf sich wirken zu lassen. Weiter hinten im Garten war ein riesiger Zeltpavillon mit Stühlen, Tischen und einer Tanzfläche errichtet worden, wo sie später feiern würden. Direkt vor dem Haus gab es links und rechts mit rosafarbenen Rosen dekorierte Bänke, wo die Gäste bereits mit dem Rücken zu ihm saßen und darauf warteten, dass es endlich losging. Zwischen den Bänken gab es einen Mittelgang, wo ein weißer Teppich ausgerollt war. Er führte direkt bis vor den Traualtar, wo die freundliche, ältere Geistliche, welche die Zeremonie heute durchführen würde, in ihrem respekteinflößenden Talar stand und ihm aufmunternd zuzwinkerte. Hinter ihr befand sich ein großer, wunderschöner Blumenbogen mit dem gleichen Rosenschmuck wie jener an den Bänken. Und am Anfang des Mittelgangs stand er, Derek Hale, wie eine himmlische Erscheinung, in einem perfekt sitzenden weißen Smoking und einem Lächeln, als würde nach einem Wolkenbruch der Himmel aufreißen und die Sonne käme zum Vorschein! Stiles wusste, er sollte nun eigentlich gesetzten Schrittes auf seinen Verlobten zuschreiten, würdevoll lächelnd, wie man das eben so machte, doch so war er nun einmal nicht. Also rannte er los wie ein überdrehtes Kind, machte einen Satz in Dereks Arme, wurde von diesem sicher aufgefangen, sie fielen sich gegenseitig um den Hals und wirbelten gemeinsam herum, wie junge Hunde: „Verdammt Mann! Du siehst so... so schön aus!“ versicherte Stiles flüsternd in Derek Ohr: „Und du trägst weiß? Das ist so toll! Ich bin so glücklich!“ „Ich fand, einer von uns sollte an diesem Tag weiß tragen. Und mir macht es nichts aus, wenn ich dadurch zur Braut werde, denn immerhin bin ich ein moderner Mann, im Einklang mit mir und meiner Sexualität.“ erwiderte Derek mit einem verschmitzten Grinsen. Sehr leise fügte er hinzu: „Und du mein Süßer siehst wirklich teuflisch gut und unwahrscheinlich heiß aus in deinem Anzug. Ich kann es kaum erwarten, dich daraus später wieder auszuwickeln, wie ein Weihnachtsgeschenk.“ Stiles grinste dümmlich und gestand: „Ich bin ein klein wenig stoned.“ „Ich auch.“ bekannte Derek. Darauf nahmen sie sich bei den Händen und kicherten wie Schulmädchen. Die Hochzeitsgäste und der ganze Rest der Welt um sie herum war schlagartig vergessen, nun da sie so vor einander standen. Dereks Trauzeugin Malia trat an ihre Seite und knurrte genervt: „Das ist ja einfach zu putzig, Mädels! Aber vielleicht bewegt ihr jetzt endlich mal eure mickrigen Ärsche. Ich habe nämlich Hunger und will nicht den ganzen Tag hier herumstehen, wie ein Idiot!“ Die Worte verfehlten ihre gewünschte Wirkung vollkommen, denn beiden Bräutigame giggelten nur umso ausgelassener und Malia stöhnte kopfschüttelnd: „Pussies! Ein bisschen Gras und die Zwei fallen zurück ins Kleinkindalter!“ Erst als das Blumenmädchen Loba an den Hosenbeinen der beiden Männer zu zupfen begann und ihnen ihre Sträußchen zu reichen versuchte; je eine einzelne rote Rose mit ein wenig beerenfarbenem Schleierkraut, mit feinem Silberdraht kunstvoll umflochten und mit kleinen Strasssteinchen beklebt; kamen die Bräutigame wieder zur Vernunft. Sie nahmen die Blumengebinde entgegen, Stiles versicherte seinem Blumenmädchen wie wunderhübsch sie in ihrem rosafarbenen Taftkleidchen aussähe und drückte dem Kind einen Kuss auf die Stirn. Loba grinste. Sie und ihre Brüder, jeder mit einem Körbchen voller Rosenblütenblätter, gingen voran, die Musik, Johann Pachelbels Canon in D-Dur setzte ein, die beiden Bräutigame setzten sich in Bewegung und folgten der Spur aus Blüten nach vorn zum Traualtar, gefolgt von Scott und Malia, welche brummte: „Also das wurde ja auch langsam mal Zeit!“ Die Pastorin begrüßte das Paar mit einem warmen Lächeln aus einem schönen, altersweisen, wettergegerbten, tief gebräunten Gesicht und sagte dann ihren Text über Liebe, Treue, Zusammenhalt und den Segen Gottes auf. Nun war es an den Bräutigamen selbst, ihre Gelübde zu sprechen. Stiles hielt die Hände seines Geliebten fest in seinen eigenen, blickte ihm in die Augen und begann: „Derek... in der Vergangenheit hat es so viele Momente gegeben, wo ich nicht daran glauben konnte, dass es für uns beide ein Happy-End geben würde. Es gab so viele Hindernisse, die wir zu überwinden hatten und manches Mal sind wir nur knapp mit dem Leben davongekommen. Dennoch stehen wir heute hier und es gibt nichts, was uns nun noch trennen könnte. Ich verspreche dir, dass ich dich stets lieben, beschützen und achten werde.“ Und mit einem Grinsen fügte er hinzu: „Ich verspreche dir ebenfalls, dass ich dich für alle Zeit auf Trab halten, Unordnung in dein geordnetes Leben bringen, dich vor dem ersten Kaffee am Morgen vollquatschen und dich mindestens einmal täglich zum Lachen bringen werde. Ich bin Dein Derek. Für immer! “ Derek lächelte und führte die Hände seines Liebsten zu seinen Lippen , um sie zu küssen: „Stiles, ich weiß gar nicht, wie ich beginnen soll? Ich war so verloren, damals als wir uns begegnet sind. Mit meinem Leben hatte ich im Grunde bereits abgeschlossen. Und dann kamst du und hast alles so viel besser gemacht, mit deiner Lebendigkeit, deiner Freundlichkeit, deiner Frechheit und deinem Humor. Du hast mich wieder gelehrt, wie Glücklichsein funktioniert. Ich bereue lediglich, dass ich so dumm war und so unendlich lang gebraucht habe um zu erkennen, dass DU meine Bestimmung bist, derjenige nach dem ich mein Leben lang gesucht habe. Ich kann es kaum erwarten, das endlich der Teil unseres Märchens nach dem `Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende´ beginnt. Ich kann es kaum erwarten dein Mann zu sein! Ich liebe dich! Ich liebe dich über alles!“ Einige der Anwesenden räusperten sich, oder schnäuzten sich die Nase, weil die Rührung sie ergriffen hatte. Aus dem Augenwinkel konnte Stiles sehen, dass sogar der abgebrühte Isaac sich einmal rasch mit dem Ärmel über die Augen wischte. Nun fragte die Pastorin in die Runde: „Wenn jemand der Anwesenden einen Grund weiß, warum diese beiden heute nicht vermählt werden sollten, dann möge er jetzt sprechen, oder für immer schweigen.“ Ohne sich abgesprochen zu haben, blickten sowohl Derek, als auch Stiles hinüber zu Deucalion, welcher neben Erica in der ersten Reihe saß. Er blickte finster drein, holte nun tatsächlich tief Luft, doch anstatt etwas gegen die Eheschließung vorzubringen, grinste der Mistkerl nun lediglich und zwinkerte dem Paar verschmitzt zu. „Na wenn das so ist, dann tauschen sie nun bitte die Ringe, meine Herren.“ verlangte die Geistliche lachend. Das war das Stichwort für die kleine Loba. Sie begann aufgeregt in ihrer kleinen Handtasche zu kramen, welche vor ihrem Bauch baumelte und zog dann mit nervösen Fingern die beiden goldenen Ringe hervor, die sie dann eilig ihren beiden Nennonkeln reichte. „Danke mein Schatz, das hast du toll gemacht.“ flüsterte Stiles ihr zu und das Mädchen strahlte. Die Bräutigame steckten sich gegenseitig die Ringe an und zugleich verkündete die Pastorin: „Hiermit erkläre ich diese beiden nun zu Ehemann und Ehemann. Sie dürfen den Bund mit einem Kuss besiegeln.“ Das ließen Derek und Stiles sich natürlich nicht zweimal sagen. Sie fielen einander in die Arme und hatten offensichtlich nicht die Absicht, einander allzu bald wieder loszulassen, bis Dereks Trauzeugin schließlich knurrte: „Schluss jetzt, es reicht! Ich habe noch nichts gegessen und will jetzt endlich ans Buffet!“ Damit versetzte sie die Anwesenden in johlendes Gelächter und die Eheleute hatten ein Einsehen und ließen für´s Erste von einander ab. „Du bist unmöglich!“ zischte Lydia ihrer Geliebten auf dem Weg zum Festzelt zu, doch diese grinste bloß und stahl sich einen Kuss. Kapitel 69: ...they go together like a horse and carriage – Teil 4 ------------------------------------------------------------------ Kaum war die Trauung vollzogen und alle hatten sich zum Essen niedergelassen, war Derek auch schon seines frischgebackenen Ehemannes verlustig gegangen. Der Milliardär blickte sich überall in der Runde um, doch konnte er Stiles nirgends entdecken; weder bei Scott und seinen anderen Freunden, noch bei Loba und ihrer Familie. Er erspähte ihn schließlich drüben am Grill, wie er sich angeregt mit dem Koch unterhielt. Na das ging ja gleich gut los, dachte Derek finster! „Enfin, mon Cher! Nun bist du kein petit Garcon mehr. Nun bist du endlich ein geheirateter Mann!“ rief der riesige, massige Jean Ribeaux in seinem hohen, samtigen Singsang aus. Entzückt riss er Stiles in seine Arme und drückte ihn herzhaft. Dem Frischvermählte ging beinahe die Luft aus und er bestätigte kichernd: „Ja, wir haben es endlich getan. Ich habe selbst schon fast nicht mehr daran geglaubt, aber nun ist endlich alles gut. Derek und ich haben unser Happy End bekommen. Ich... ich bin wahnsinnig glücklich!“ Der beleibte Hühne gab ihn frei und versicherte: „Je suis aussi très content. Ich bin auch sehr glücklich für den Herren und für dich, mon Cher! Ihr habt Glück verdient. Aber nun du musst auch essen! Nach der Hochzeit kommt la Nuit de noces. Dafür musst du stark sein, mon petit! Jean weiß, was gut ist und Männer stark macht!“ Der Koch begann damit, Stiles einen Teller bis zum Rand vollzuladen mit allem, was das Buffet hergab; Fleisch, Austern, Erdbeeren, Spargel und verschiedenen Salaten: „Essen ist amour!“ behauptete Ribaux und drückte Stiles den übervollen Teller in die Hand. Der Bräutigam erklärte lachend: „Wenn ich das alles esse, dann fällt die Nuit de noces heute wohl aus. Dann verbringe ich meine Hochzeitsnacht nämlich reihernd über der Kloschüssel!“ „Na, dann du musst teilen avec ton mari, Stiles!“ lachte der freundliche Riese und scheuchte den Frischvermählten hinüber zum Esstisch. Derek starrte auf die Riesenportion, mit welcher Stiles nun neben ihm Platz nahm und brummte: „Da bist du ja endlich. Und was ist das alles? Etwa deine neue Diät? Will dieser Mann vielleicht, dass du so dick wirst wie er selbst?“ „Sein nett, Derek! Das ist Jeans Art, uns zur Vermählung zu gratulieren. Eine Auswahl an aphrodisierenden Lebensmitteln, um unsere Manneskraft für die Hochzeitsnacht zu steigern. Lieb, oder nicht?“ Eine intensive Röte breitete sich ausgehend von seinen Ohrläppchen über Dereks gesamtes Gesicht aus: „Lieb?“ rief er aus: „Das ist eine ziemliche Unverschämtheit, wenn du mich fragst. Der Mann arbeitet für mich! Was erlaubt er sich?“ „Hey Baby, nun entspann´ dich doch mal. Er ist mein Freund und er hat es nur gut gemeint!“ erwiderte Stiles in besänftigendem Ton: „Das muss dir doch nicht peinlich sein. Koste lieber mal! Das sieht SO GUT aus!“ Er rutschte hinüber auf Dereks Schoß, strahlte über das ganze Gesicht und hielt seinem Mann eine Gabel voll Hühnchen und gegrillten Spargel hin. Der Ältere seufzte, als hätte er es furchtbar schwer im Leben, nahm dann aber doch den hingehaltenen Bissen und musste gegen seinen Willen grinsen: „Das ist wirklich gut.“ bestätigte er geschlagen: „Und spürst du schon, wie es wirkt?“ fragte Stiles mit dem unverfrorensten Grinsen, welches überhaupt nur vorstellbar war, während er anregend mit seinem kleinen Arsch auf dem Schoß seines Gatten herumrutschte. „Ich spüre... ETWAS.“ bekannte Derek: „Doch ich bezweifle, dass es etwas mit dem Essen zu tun hat. Und jetzt hör´ sofort auf damit, du frecher Schlingel! Die Leute gucken schon.“ „Sicher, dass ich aufhören soll?“ fragte Stiles schnurrend, veränderte seine Position, so dass er nun rittlings auf dem Älteren saß und bewegte sich noch ein wenig weiter: „Ja, ganz sicher!“ bestätigte Derek grinsend: „Aber heute Nacht, da bist du fällig, das schwöre ich dir!“ Überaus zufrieden mit sich selbst glitt Stiles wie ein wohlerzogener Junge zurück auf seinen eigenen Stuhl, aß weiter, als sei nichts geschehen, gab seinem Gemahl hin und wieder einen Happen ab und Derek murmelte: „Was habe ich mir mit dir nur eingehandelt?“ „Ich halte dich eben auf Trab, Hale!“ erklärte Stiles fröhlich. Nachdem Bräutigame und geladene Gäste für´s Erste gesättigt waren, wurde es Zeit für den Eröffnungstanz. Hierüber hatten Derek, welcher kein begeisterter Tänzer war und sich am Liebsten davor drücken wollte und Stiles im Vorfeld intensiv verhandelt und natürlich hatte Derek hierbei verloren. Doch dann hatte der Ältere entschieden, wenn sie es schon tun mussten, dann würden sie es auch gleich richtig machen. Also hatte er einen Tanzlehrer engagiert und sie hatten in den vergangenen beiden Wochen täglich ein bis zwei Stunden trainiert. Und als sie nun die Cha-Cha-Cha-Coreographie zu Michael Bublés „Sway“ tanzten, kamen die umher stehenden Anwesenden aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie hatten sich bei den Proben schnell darauf geeinigt, dass Derek führte, denn das war nicht unbedingt Stiles Stärke. Er ließ sich dafür klaglos von Derek herumwirbeln wie ein Derwisch, ging das ein oder andere Mal, mit einem nach hinten gestreckten und einem angewinkelten Bein vor seinem Ehemann in die Knie und erhob sich grazil wieder. Sie tanzten elegant und verführerisch umeinander herum, blickten sich intensiv in die Augen, hielten einander Mal bei den Händen, mal hatten sie jeweils eine Hand sinnlich und besitzergreifend im Nacken des anderen und zum Finale gab es sogar eine Hebefigur, bei welcher Derek Stiles hoch über sich stemmte, um ihn dann langsam an seinem Körper hinabgleiten zu lassen. Als das Lied verstummte erscholl sofort der tosende Applaus aller Hochzeitsgäste. Hernach war die Tanzfläche dann für alle freigegeben. Deucalion marschierte zu Derek hinüber und schimpfte:“ „Verdammt Mann, warum tust du mir das an? Erica ist vollkommen aus dem Häuschen nachdem sie euch Zwei gesehen hat und will dass wir beide etwas vergleichbares bei unserer Hochzeit auf die Beine stellen. Aber du lieber Himmel... ich kann das nicht! All diese Hüftschwingerei! Ich bin kein junger Mann mehr! Ich bin so beweglich wie ein Stück Holz!“ Derek lachte und erwiderte ohne allzu großes Mitgefühl: „Denkst du etwa MIR wurde das in die Wiege gelegt? Ich habe geübt, wie ein Idiot. Ich bin sogar ein, zwei Mal auf dem Arsch gelandet. Ich habe es aus Liebe zu diesem kleinen Verrückten da drüben getan.“ Er deutete auf Stiles, welcher sich längst wieder ins Getümmel gestürzt hatte: „Und das kannst du auch, alter Freund!“ „Himmel Stilinski! Das war echt heiß!“ ließ Isaac, welcher mit Danny an der Hand zu Stiles hinüber scharwenzelt gekommen war, diesen wissen: „Entweder gehe ich jetzt kalt duschen, oder mein hawaiianischer Traumprinz und ich müssen mal kurz irgendwo in den Büschen verschwinden: „Eine schnelle, Nummer hinter der Hecke Wow, du bist echt ein Romantiker, Lahey!“ lachte Danny und drückte dem Größere einen Kuss auf die Lippen. „Was soll ich sagen? Hochzeiten machen mich eben geil!“ erwiderte Isaac mit einem schiefen Grinsen. Nun kam die kleine Loba ebenfalls zu ihrem Lieblingswahlonkel hinüber geflitzt, und dieser zischte, den beiden Freunden so leise, dass das Kind ihn nicht hören konnte: „Ruhe! Ihr haltet jetzt eure Schandmäuler, ihr Flittchen!“ Loba hatte sie nun erreicht, schlang ihre Ärmchen um Stiles Beine rief aufgeregt: „Tio, das war sooo hübsch! Loba will auch so machen, mit tanzen und dann hoch fliegen und viel drehen. BITTE-BITTE!“ Stiles nahm seine kleine Freundin bei den Händen und versprach: „Aber sicher Princesa, das machen wir.“ An Isaac und Danny gerichtet sagte er: „Bitte entschuldigt mich, meine Herren. Mein Typ wird verlangt.“ Er ging mit Loba hinüber zur Tanzfläche und sie versuchten ihr Glück. Das kleine Mädchen ahmte so gut sie es vermochte das nach, was sie gerade bei den beiden Bräutigamen beobachtet hatte und sah dabei so linkisch und putzig aus, dass Stiles schwer an sich halten musste, um nicht vor Entzücken zu Quietschen, oder die Kleine in seine Arme zu reißen, um sie ausgiebig zu Knutschen und zu Knuddeln. Anstatt dessen zeigte er ihr geduldig die Choreographie und die kleine Maus mühte sich redlich, es ihm nachzumachen. In sicherer Entfernung an einem der Tische saß Derek an Deucalions Seite und der Ältere wollte wissen: „Sag mal, haben dein Süßer und du eigentlich schon mal über Kinder gesprochen?“ Derek zuckte unsicher mit den Schulter: „Na ja, noch nicht ernsthaft.“ „Ich schätze, das solltet ihr. Für mich sieht es so aus, als sei Stiles bereit?“ entgegnete Deucalion nachdenklich. Derek schluckte. Kapitel 70: ...they go together like a horse and carriage – Teil 5 ------------------------------------------------------------------ Derek hätte zwar gut darauf verzichten können, doch Stiles hatte darauf bestanden, dass sie bei ihrer Hochzeit all die lächerlichen kleinen Rituale zelebrierten, die so üblich waren. Und Derek ließ nichts davon aus, weil er genau begriffen hatte, warum es seinem Geliebten wichtig war. Es war einfach so NORMAL und normal war etwas, was es in Stiles Leben lange nicht gegeben hatte. Da waren der Verlust seiner Eltern, sein Leben auf der Straße, die Art und Weise, wie er sein Geld verdienen musste und dann ihre Begegnung mit all den Umwegen, Gefahren und Katastrophen, die diese nach sich gezogen hatte. Kein Wunder, dass er sich nun einfach nach etwas durch und durch Gewöhnlichem sehnte. Und so kam es, dass es eine Weile nach dem Eröffnungstanz Zeit für das Brautstraußwerfen wurde. Zwar gab es in diesem Fall überhaupt keine Braut und die winzigen Gebinde der beiden Männer als Sträuße zu bezeichnen war vielleicht auch ein wenig großspurig, dennoch mussten sich nun alle unverheirateten Personen hinter den Rücken der beiden versammeln, es wurde bis zehn gezählt und dann wurde geworfen. Die Bräutigame blickten sich um, nur um festzustellen, dass einer der Sträuße von Malia gefangen worden war, welche sofort laut protestierte, dass sie mit Sicherheit nicht die Nächste sei, die heiraten werde, weil sie Ehe nämlich dämlich sei und eine Erfindung der Männer, um die Damenwelt auf Spur zu halten. Und bei so einem antiquierten und unterdrückerischen Brauchtum werde sie mit Sicherheit nicht mitmachen. Dieses Statement wurde von ihrer Liebsten, welche ihre Ansichten offenkundig ganz und gar nicht teilte, mit einem beherzten Nippelzwirbler, gefolgt von einem divaesquen Abgang kommentiert. Malia jaulte kurz auf, rieb sich die malträtierten Brüste und versicherte sogleich: „Aber Baby! Das hat doch nichts mit dir und mir und unserer Liebe zu tun!“ Dann stolperte sie hinter ihrer rotblonden Göttin her, um diese wieder zu besänftigen. Das andere Sträußchen hatte der treue Greenberg gefangen, welcher sich zunächst gesträubt hatte, überhaupt an diesem Ritual teilzunehmen, weil er meinte, es würde sich in seiner Stellung doch nicht geziemen und er sich im Hintergrund zu halten habe. Stiles hatte dies mit einem : „Papperlapapp!“ zurückgewiesen und den jungen Mann dennoch zur Teilnahme genötigt. Nun blickte der Butler schuldbewusst auf das Gebinde in seiner Hand hinab und stammelte, an Derek gewandt: „Es tut mir leid, Sir!“ Doch sogleich war Jean Ribeaux zur Stelle, legte einen seiner massigen Arme um den Hausangestellten und säuselte: „Pourqoi, Chéri. J'aime ça! Mir gefällte das!“ Greenberg errötete heftig. Stiles grinste in sich hinein. Er hatte schon lange das Gefühl gehabt, dass zwischen diesen beiden klammheimlich etwas lief. Die Bräutigame mochten zwar keine Juden sein, doch Stiles gefiel der Brauch des Glaszertretens und er war sicher, dass ein paar Scherben ihrer Ehe Glück bringen würden, weshalb beide als nächstes je ein in Tuch eingeschlagenes Weinglas mit dem Fuß zerstörten. Zuletzt wurde die Hochzeitstorte angeschnitten, wobei die Frischvermählten das Messer selbstverständlich gemeinsam führten. Dann reichten sie einander ein Schnapsglas gefüllt mit Magenbitter, stürzten diesen mit verzogenen Gesichtern hinunter und entschädigten sich hierfür anschließend gegenseitig, indem sie sich mit ihren Fingern mit dem Kuchen fütterten. Das herbe Getränk und die Süße des Gebäcks standen hierbei symbolisch für die guten und die schlechten Zeiten, welche das Leben zu zweit für sie bereit halten mochte. Nachdem all diese Rituale absolviert und sie ausgiebig für eine glückliche gemeinsame Zukunft gerüstet waren, war Derek, welcher es überhaupt nicht liebte die ganze Zeit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, endlich entlassen und er zog sich gemeinsam mit Deucalion, Chris und Pedro an einen der Tische am Rand der Tanzfläche zurück. Auf die Männer warteten teurer Whiskey und kubanische Zigarren. Malia, welcher es nicht gelungen war ihre Geliebte wieder gnädig zu stimmen, schloss sich ihnen an, blies Rauchkringel in die Luft und schmollte in ihr edles Kristallglas. Stiles hingegen tanzte; er tanzte mit den Kindern, er tanzte mit Scott, mit Allison, mit Erica, mit Lydia, mit Jean, mit den mexikanischen Haushälterinnen, er tanzte als sexy Burgerpattie eingeklemmt zwischen Isaac und Danny, oder er tanzte allein. Er strahlte, lachte, jubelte und feierte. Er war scheinbar unermüdlich, sang schräg und ausgelassen mit, er hüpfte und wirbelte herum und wenn er sich abkühlen und kurz zu Atem kommen wollte, dann schnappte er sich ein Glas Champagner und stürzte es hinunter. Es waren viele Gläser, die er im Laufe dieses Tages leerte.. Derek wollte und konnte sich ihm nicht anschließen. Es war einfach nicht seine Art auf diese Weise zu feiern, was nicht bedeutete, dass er nicht Anteil nahm. Zwar war er mit seinen Tischnachbarn in mehr oder weniger tiefsinnige Gespräche vertieft, dennoch ließ er Stiles kaum je aus den Augen. Und was er sah, zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht, welches bisweilen ans Debile grenzte. Dieser kleine Verrückte dort drüben war sein Mann! Er war der glücklichste Mensch auf Erden! Es wurde sehr spät. Die Hochzeitsgesellschaft war angemessen betrunken, vollgefressen und selig, so wie es sein sollte und so zogen sie sich Einer nach dem Anderen in die vielen bereitstehenden Zimmer im Hause für die Nacht zurück. Und auch Derek nahm den erschöpften Stiles bei der Hand. Gemeinsam warfen sie noch einmal einen Blick zurück auf das mittlerweile verwaiste Chaos aus schmutzigem Geschirr, Essensresten, umgekippten Stühlen und langsam verwelkenden Blumen, ehe sie sich selbst zum Gehen wandten. Als sie an der Tür zum Wintergarten ankamen lallte ein angetrunkener Stiles, mit einem Mal wieder putzmunter: „Halt! Stopp! Du musst mich über die Schwelle tragen.“ Dann schüttelte er heftig den Kopf: „Nein warte... nein ich muss DICH über die Schwelle tragen!“ Derek lachte: „Ich wiege bestimmt vierzig Pfund mehr als du. Du KANNST mich nicht tragen, Süßer.“ „Doch, kann ich wohl!“ behauptete Stiles: „Ich kann dich tragen. Mh-hmm! Ja, kann ich! Komm, sitz´ auf.“ Er schwankte ein wenig und streckte auffordernd beide Arme aus: „Du bist betrunken, Stiles. Und du bist furchtbar süß!“ stellte Derek fest. Stiles grinste dümmlich. Dann streckte er den Zeigefinger in die Luft, als Zeichen, dass er eine großartige Idee hatte und rief aus: „Ich hab´s! Ich werde dich Huckepack nehmen, Großer.“ „So, so. Aber sag´ mal, warum kann ich DICH nicht einfach über die Schwelle tragen, mein Engel?“ schlug Derek kompromissbereit vor: „Es ist doch nicht wichtig, wer wen trägt, oder etwa doch?“ Stiles dachte einen Augenblick darüber nach und entschied dann: „Nö, geht nicht. Das wäre sexistisch, stereotyp und folgte heteronormativen Normen, jawohl!“ Derek blickte ihn verblüfft an. Dann musste er lachen: „Na du kennst ja tolle, wichtige Worte, mein Schatz!“ lobte er: „Und wieso wäre es das?“ Darüber musste Stiles einen Moment nachdenken: „Is´ einfach so.“ erklärte er schließlich. Derek zog fragend die Augenbrauen hoch und so gab Stiles sich dann doch noch ein wenig mehr Mühe mit seiner Erklärung: „Das ist so, weil du größer bist. Und schwerer. Und reicher. Und älter. Und weil ich Bottom bin.“ Derek seufzte schwer: „Das klingt wie ziemlicher Unsinn, Stiles. Wir sind zwei Männer, vollkommen gleichberechtigt und ich liebe und achte dich über alle Maßen. Außerdem bin ich müde und mir wird hier draußen langsam kalt. Können wir jetzt nicht einfach reingehen? Bitte!“ Wieder ein heftiges Kopfschütteln von Stiles: „Nein geht nicht! Das bringt Unglück. Jemand muss jemanden über die Schwelle tragen, jawohl! So macht man das! Das ist ein Gesetz, oder so!“ Derek begann sich die Haare zu raufen: „Also gut, Liebe meines Lebens...“ begann er, innerlich um Geduld betend: „Wir machen es so: Ich trage dich über die Schwelle und dafür darfst du mich heute Nacht toppen. Abgemacht?“ Stiles Gesicht hellte sich auf: „Gute Idee!“ stimmte er zu. Dann verfinsterte sich seine Miene wieder: „Nein, schlechte Idee. Dafür bin ich zu betrunken.“ „STILES...!“ mahnte Derek Dann verkündete der Jüngere: „Ich weiß, wie wir es machen! Ich trage dich Huckepack über diese Schwelle und dann bist du dran und du trägst mich ins Schlafzimmer.“ „Machen wir es so!“ seufzte Derek ergeben. Das taten sie. Und der schwankende, schwer angeheiterte Stiles schaffte es tatsächlich, seinen Ehemann hineinzuschleppen, ohne ihn fallen zu lassen, oder allzu sehr mit ihm irgendwo anzustoßen; nur ein, zwei Mal, oder so. Im Wintergarten setzte er ihn wieder ab und küsste ihn: „Na endlich! Das wäre geschafft!“ sagte Derek erleichtert. Und offenbar hatte er nicht die Absicht, bis zur Schlafzimmertür zu warten, sondern nahm Stiles jetzt schon hoch und begann ihn zu tragen. Der Jüngere gab ein zufriedenes Seufzen von sich und versicherte mit glühenden Wangen: „Ich bin so wahnsinnig glücklich, Derek.“ Dann schmiegte er den Kopf an die Brust seines Mannes, schloss die Augen und war eingeschlafen, noch ehe sie im Schlafgemach angekommen waren. Ihre Hochzeitsnacht mussten sie wohl nachholen, wie es aussah, dachte Derek amüsiert bei sich, legte seinen Gatten in ihr Bett, zog ihm die Schuhe aus, öffnete behutsam dessen Krawatte und die oberen beiden Hemdknöpfe und deckte ihn zu. Dann zog er sich selbst aus, legte sich daneben und blickte mit gutmütigem Lächeln auf Stiles hinab: „Ich liebe dich, du kleine Nervensäge!“ flüsterte er und hauchte einen zarten Kuss auf dessen Himmelfahrtsnase. Kapitel 71: The Honeymooners ---------------------------- Derek betrachte noch eine geraume Weile das hübsche, entspannte Gesicht seines schlafenden Gefährten im schwachen Licht der Nachttischlampe. Dies war nun also sein Ehemann. Sie hatten es geschafft; sie hatten jenes Happy End erhalten, für welches sie so lange und hart hatten kämpfen müssen. Und nun konnte keine Macht dieser Welt sie noch auseinanderbringen. Es war alles so, wie es sein sollte! Wärme breitete sich in Dereks Innerem aus. Er schlang einen Arm um seinen Mann und ein leises Lächeln lag auf seinem Gesicht, als ihm endlich ebenfalls die Augen zufielen. Der Friede währte jedoch nur kurz, denn urplötzlich wurde Derek wieder davon geweckt, dass Stiles aus seinem Schlaf hochschreckte, nun aufrecht in ihrem Bett saß und ausrief: „Fuck, ich bin eingeschlafen! Wie lange habe ich... ? Ich meine, ist es immer noch unsere Hochzeitsnacht, oder... oder ist es schon zu spät?“ „Hey Baby, ganz ruhig!“ erwiderte Derek ein wenig benommen: „Du hast nur ganz kurz geschlafen, aber das spielt doch auch überhaupt keine Rolle. Schlaf´ einfach weiter, in Ordnung? Du bist doch todmüde.“ Derek versuchte ihn wieder in eine liegende Position in seine Arme zu ziehen, doch Stiles beharrte: „Nein, das geht nicht. Es ist unsere Hochzeitsnacht... und ich... ich brauche das jetzt. Sonst werde ich wohl niemals glauben, dass es wahr ist; dass du und ich wirklich eins sind. Wir müssen es richtig machen, sonst bringt es Unglück!“ Er nickte heftig, wie um sich selbst Recht zu geben. Derek setzte sich nun ebenfalls auf und blickte ihn ratlos an: „Seit wann bist du denn so abergläubisch, Süßer. Ich bin Dein und du bist Mein.“ versicherte er: „Du musst nun keine Angst mehr haben.“ „Bitte!“ hauchte Stiles in Dereks Ohr und ließ sich rittlings auf dessen Schoß nieder: „Lass es uns einfach tun. Nur um sicher zu gehen. Ich will dich, mein Ehemann. Ich brauche dich jetzt!“ Derek hätte jetzt sagen können, dass das Ganze doch wohl ein wenig ZU schwülstig sei, ein wenig ZU pathetisch und kitschig. Er hätte sagen können, dass Stiles lediglich betrunken war und er nur deswegen so darauf beharrte, doch Derek sagte nichts von alledem und zwar deswegen, weil die Worte seines Geliebten ihm durch und durch gingen und er schlagartig nichts dringender wollte, als mit seinem Mann die Ehe zu vollziehen: „In Ordnung. Tun wir es!“ erwiderte er also raunend. Sie nahmen sich viel Zeit, waren verspielt wie Kinder, mal sanft wie kleine Kätzchen, mal ungestüm wie ausgelassene Welpen. Sie waren nicht auf irgendein Ziel, sondern einzig und allein auf den gemeinsamen Moment fokussiert. Und gerade als am Horizont die erste Morgenröte erschien und die ersten Sonnenstrahlen die Hollywood Hills küssten, sanken beide befriedigt und in einander verschlungen in ihre Kissen und versicherten einander gegenseitig wie sehr sie sich liebten. Es dauerte nur Minuten, ehe sie ein weiteres Mal eingeschlafen waren. Als sie das nächste Mal erwachten, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Ein Blick auf den Wecker auf dem Nachttisch zeigte, dass es bereits kurz nach eins war: „Der halbe Tag ist bereits vorbei.“ stellte Stiles verschlafen fest, rollte sich auf Derek und parkte seinen Kopf in dessen Halsbeuge. Der Ältere vergrub seine Finger in dessen zerzaustem Haarschopf und erwiderte: „Na und? Das macht doch nichts. Es sind unsere Flitterwochen. Wir haben alle Zeit der Welt. Oder hast du etwa noch irgendwelche Termine, von denen ich wissen sollte?“ „Keine Termine. Nur Hunger wie ein Bär.“ erwiderte Stiles und platzierte einen sanften Biss am Hals seines Ehemannes: „Hey, was soll das denn werden.“ lachte Derek: „Es ist schon zu spät. Wir werden kein Frühstück mehr bekommen. Da muss ich eben nehmen, was ich kriegen kann.“ erklärte Stiles und schnappte gleich noch einmal zu: „Du vergisst wohl, dass ich ein reicher Sack mit eigenem Koch bin. Ich kann frühstücken, wann immer ich will und nun hör auf zu beißen, sonst beiße ich vielleicht zurück.“ Von Dereks Drohung unbeeindruckt machte Stiles einfach weiter. Derek setzte sich dieses Mal jedoch zur Wehr. Ein Gerangel entstand, sie kicherten und wanden sich, eins führte zum anderen, ihr Appetit auf Frühstück war vorerst verschwunden und ersetzt durch ein Verlangen anderer Art Und als sie dann eine Stunde später frisch geduscht und vollständig bekleidet tatsächlich doch noch an den Frühstückstisch kamen, saßen dort ihre Freunde und hatten ihre eigene, verspätete Morgenmahlzeit bereits beinahe beendet: „Seht mal an, wer da kommt, die Frischvermählten. Wie sieht´s aus, ihr kleinen Perversen. Habt ihr überhaupt geschlafen, oder habt ihr euch wundgevögelt und dabei einen neuen Rekord aufgestellt?“ begrüßte Malia die beiden Männer. Derek lief kirschrot an, doch Stiles ließ sich von dem frechen Mundwerk seiner Freundin nicht aus der Ruhe bringen. Er setzte sich auf ihren Schoß, stahl ein halbes Croissant von ihrem Teller und erwiderte: „Deine Sorge um unsere Gesundheit ist rührend Teuerste, aber uns beiden geht es bestens, wir sind ausgeschlafen und dennoch in jeder Hinsicht voll und ganz auf unsere Kosten gekommen. Das einzige was ich jetzt noch will sind Kalorien.“ Und mit diesen Worten biss er herzhaft in das fettige, erbeutete Gebäckstück. „Runter von mir, du Flittchen und nimm´ dir deinen eigenen Teller!“ lachte Malia und schob Stiles von sich. Dieser erhob sich freiwillig, doch er berichtigte mit näselnder Falsettstimme: „Ein guter Mann hat mich geheiratet und eine anständige Lady aus mir gemacht, also darfst du mich so nicht mehr nennen, Bitch.“ „Lasst den Unsinn!“ forderte Derek gespielt streng, zog Stiles neben sich auf den Stuhl und lud ihm reichlich Rührei und Speck auf den Teller: „Iss´ das! Vielleicht steht dein vorlautes Mundwerk dann endlich mal still? Außerdem brauchst du nach letzter Nacht reichlich Eiweiß und Cholesterin.“ Stiles grinste: „Jetzt darf ich ja wohl nicht mehr widersprechen, was?“ Derek erwiderte das Lächeln und stellte fest: „Schön wär´s, aber ich weiß zufällig ganz genau, wen ich geheiratet habe.“ Er zog seinen Mann zu einem Kuss zu sich heran: „Nun schau sich einer diese Turteltäubchen an.“ kommentierte Deucalion mit einem väterlichen Schmunzeln: „Und wann geht es für euch zwei auf die große Reise?“ „Na ja... eigentlich direkt nach dem Essen hatte ich gedacht?“ gab Derek zurück und warf einen fragenden Blick auf Stiles. Dieser machte große Augen: „Es war dir also ernst damit, direkt nach der Heirat auf Hochzeitsreise zu fahren? Aber ich habe doch noch überhaupt nichts gepackt?“ „Natürlich habe ich es ernst gemeint. So gut müsstest du mich doch mittlerweile kennen, dass ich ein Mann bin, der zu seinem Wort steht. Machst du etwa einen Rückzieher?“ wollte Derek wissen „Nein, natürlich nicht.“ beeilte sich Stiles zu versichern: „Aber... ich weiß ja gar nicht, wo es hingeht?“ „Das ist ja auch eine Überraschung. Aber soviel sei verraten, nämlich dass wir nicht bloß an einen einzigen Ort reisen und dort bleiben werden. Nein, ich habe verschiedene Plätze im Kopf, die ich dir zeigen möchte. Du hast einmal gesagt, dass du noch nicht viel von der Welt gesehen hast. Nun... das wird sich schon sehr bald ändern.“ „Oh- okay...?“ stammelte Stiles: „Und wie lange werden wir unterwegs sein?“ „Eine Weile. So lange, bis uns das Heimweh wieder nachhause ruft, würde ich sagen. Wie gefällt dir das?“ erkundigte sich der Ältere. Stiles setzte ein breites Grinsen auf: „Ich find´s toll. Lass´ mich nur schnell aufessen und dann kann´s losgehen.“ beteuerte er. Und tatsächlich hatte Stiles ja momentan keine unaufschiebbaren Verpflichtungen. Das aktuelle Semester am College hatte er ohnehin längst abgeschrieben, weil die Bedrohung seines Lebens durch eine durchgeknallte Soziopathin und ein langwieriger Gerichtsprozess gegen ebendiese ihn in den letzten Monaten doch ein wenig abgelenkt hatten. Er hatte bereits so viele Vorlesungen versäumt, dass er die Zeit ohnehin nicht mehr aufholen konnte. Und das Straßenkinderprojekt lag in den fähigen Händen von Scott, Danny und Isaac und sollten diese Stiles brauchen, so konnten sie ebenso gut auch aus der Ferne miteinander konferieren. Wie sich zeigen sollte, brauchte Stiles sich über das Kofferpacken keine Sorgen zu machen, denn als er ins Schlafzimmer kam, waren seine Sachen bereits von hilfreichen Geistern bestens verstaut worden. Er musste lediglich noch ein paar persönliche Dinge zusammensuchen, auf die er in den nächsten Wochen, wenn er wo-weiß-wo-auf der-Welt weilte meinte nicht verzichten zu können und schon war er startklar. Natürlich musste er sich nun noch ausgiebig von seinen Lieben verabschieden. Er stattete Loba und ihrer Familie einen kleinen Besuch ab, umarmte alle und versicherte seiner kleinen Freundin, dass er immer an sie denken, auch gelegentlich anrufen und vor allem ganz bald wieder da sein werde. Das Mädchen musste im Gegenzug versprechen lieb zu sein und sich in der Schule Mühe zu geben. Sie besiegelten die Sache mit einem Pinkie-Schwur und drückten sich noch einmal ganz fest. Dann setzte Stiles seine Abschiedstour im Haus fort. Der steife und beherrschte Greenburg erhielt eine Umarmung, jedoch nur eine ganz kurze, um den armen Kerl nicht zu überfordern. Als der Hausangestellte Stiles hinterher anschaute, wie das Kaninchen die Schlange, musste er Lachen und zerzauste dem Butler mit einem kleinen Zwinkerer die Beton-Frisur. Und zum ersten mal seit sie sich kannten, sah der frischgebackene Ehemann Greenburg ebenfalls lachen. Der Koch Jean war der nächste, der von Stiles mit einer Umarmung verabschiedet wurde, nur das diese längst nicht so zaghaft ausfiel, wie die mit Greenburg, ganz im Gegenteil! Stiles hörte es sogar einmal kurz in seinem Inneren Knacken, weil der liebevolle Hühne ihm offenbar ganz nebenbei den Rücken eingerenkt hatte. Nun waren Derek und Stiles auf dem Weg nach draußen, wo all ihre Freunde Spalier standen, um sich ebenfalls noch eine persönliche Verabschiedung von dem Paar abzuholen. „Treibt´s nicht zu bunt und habt viel Spaß!“ forderte Deucalion, was Stiles zu der Frage provozierte: „Was denn nun? Sollen wir Spaß haben, oder uns mäßigen? Entscheide dich mal, böser Wolf!“ Der Ältere lachte: „Lass´ einfach meinen Freund am Leben, okay? Dann bin ich schon zufrieden.“ „Er ist bei mir in den besten Händen, immerhin bin ich ein Profi.“ versicherte Stiles. Derek hatte unterdessen mit seiner Cousine geklärt, dass diese seine Schlangen in seiner Abwesenheit betreuen würde und Stiles mischte sich ein: „Wehe wenn du Harvey verfütterst! Dann bist du fällig, Schwester!“ „Ich passe schon auf sie auf.“ versicherte Scott und die beiden Freunde legten eine Verabschiedung hin, als sei es eine Trennung auf alle Ewigkeit, bis Derek schließlich mahnte: „Ihr müsst jetzt endlich mal ein Ende finden. Unser Transport kommt jeden Augenblick.“ Widerwillig trennten sich die Herzensbrüder von einander und Derek forderte von den zurückbleibenden Freunden: „Versucht das Haus stehen zu lassen, während Stiles und ich unterwegs sind, sonst kann ich sehr ungemütlich werden!“ Die Anderen versprachen brav zu sein und nun ging es für die beiden Honeymooners nach draußen in den Vorgarten, wo bereits ihre Koffer auf sie warteten: „Und nun?“ fragte Stiles und blickte sich ratlos um: „Laufen wir etwa zu Fuß, oder rufen wir uns ein Taxi?“ Derek grinste: „Nicht ganz, mein Schatz. Schau mal nach oben!“ Und da hörte der Jüngere auch schon das näher kommende Flap-flap-flap eines Hubschraubers. Ihm gingen vor Überraschung beinahe die Augen über: „FUUUCK! NICHT DEIN ERNST!“ rief er überwältigt aus. Kapitel 72: Come fly with me ---------------------------- Stiles ließ sich von seinem frisch angetrauten Ehemann in den Hubschrauber hieven, nahm auf dem, für ihn vorgesehenen Sitz Platz und legte den Gurt an. Derek und der Pilot begrüßten sich kurz und schon hob der Metallvogel ab. Stiles klammerte sich an Dereks Bizeps und überwältigt von der Erfahrung, erstmals in einem Hubschrauber zu sitzen, ja überhaupt zum ersten Mal in seinem Leben zu fliegen, stand sein Mundwerk ausnahmsweise einmal vollkommen still. Er blickte wie gebannt nach unten, sah wie seine winkenden Freunde, die Villa und das Anwesen unter ihnen immer kleiner und kleiner wurden. Schon bald waren sie so hoch, dass er meinte, ganz Los Angeles unter sich erkennen zu können. Als er endlich seine Stimme wiedergefunden hatte, wollte er wissen: „Und sagst du mir nun endlich, wohin wir überhaupt fliegen, Baby?“ „Also im Grunde sind wir schon fast da.“ gab Derek zurück. Auf Stiles Miene zeigte sich Enttäuschung, hatte er sich doch vorgestellt, erstmals einen vollkommen neuen, exotischen Ort kennenzulernen und nicht hier in Kalifornien zu bleiben; dem so ziemlich einzigen Ort auf der Welt, welchen er ja bereits recht gut kannte. „Nun zieh´ doch nicht so ein Gesicht!“ forderte sein Ehemann grinsend: „Der nächste Stopp ist doch lediglich eine kurze Zwischenetappe auf unserer Reise, also keine Sorge!“ Stiles, der sich fragte was das zu bedeuten habe, drückte sich die Himmelfahrtsnase an der Scheibe platt. Er realisierte, dass sie sich im Landeanflug befanden und da entdeckte er unter ihnen einen kleinen privaten Flughafen: „Wir steigen um in deinen Jet? Ist es nicht ein bisschen dekadent, für diesen kurzen Weg einen Hubschrauber zu nehmen? Ein Taxi hätte es doch auch getan.“ kommentierte er: „Ich dachte, du findest es vielleicht aufregend?“ gab Derek mit schlecht verborgener Enttäuschung in der Stimme zurück. Schon tat es Stiles leid. Er fuhr herum, nahm die Hände seines Ehemannes in seine eigenen und versicherte: „Das ist es doch auch, ganz ehrlich! Mit einem Hubschrauber zu fliegen ist der Wahnsinn! Vergiss´ einfach was ich gesagt habe. Du weißt ja, dass ich dieses ganze „Reiche-Leute-Zeug“ nicht gewohnt bin und dass es mir auch ein bisschen unangenehm ist. Aber während unserer Hochzeitsreise ist alles erlaubt. Wir machen es auf deine Weise und ich verspreche, ich lasse mich voll und ganz darauf ein und von mir wird während der ganzen Zeit kein einziger kritischer Spruch mehr kommen, okay? Es wird spitze werden und ich freue mich schon total darauf, an deiner Seite die Welt zu sehen und die abgefahrensten Abenteuer zu erleben.“ Er beugte sich zu einem Kuss zu Derek hinüber und dieser sah bereits wieder vollständig versöhnt aus. Kaum dass der Hubschrauber gelandet war, stürzte bereits ein Flugbegleiter herbei, welcher ihnen beim Aussteigen behilflich war und ihre Koffer übernahm. Und obwohl Stiles sich Unwohl dabei fühlte, derart verhätschelt zu werden, hielt er Wort und enthielt sich jeglichen Kommentars. Dereks Jet war sehr viel größer und prächtiger, als Stiles es sich vorgestellt hatte. Er hatte vielleicht an so etwas wie eine kleine, niedliche „Cessna“ gedacht, doch in diesem Flieger hätte neben ihnen gut und gerne auch noch ein komplettes Footballteam bequem Platz gehabt. `Nicht an den CO-2-Ausstoß denken!´, betete er sich im Stillen vor und ließ sich von Derek eine kleine Führung durch das Flugzeug geben, dessen Vorzüge und Annehmlichkeiten ihm dieser, Stolz wie ein kleiner Junge mit seinem Lieblingsspielzeug präsentierte. Es gab direkt im Anschluss an das Cockpit des Piloten eine Art Wohnbereich mit mehreren, mit weißem Leder bezogenen Sofas, um einen flachen, edlen, geschliffenen Glastisch herum, eine Essnische und eine größere Leinwand, um Filme zu sehen. Im Sanitärbereich gab es neben einer Toilette, einem Bidet und einem Waschbecken sogar eine Dusche. Stiles traute seinen Augen kaum. Es gab also tatsächlich Leute, die 40.000 Fuß über der Erde ein Duschbad nahmen? Das war einfach unfassbar! Doch damit war die Führung noch nicht beendet. Eine schmale Tür führte in den hinteren Bereich des Flugzeugs und dort befand sich ein Schlafbereich mit einem runden Bett, groß genug, dass zwei Männer sich dort richtig ausstrecken, oder wahlweise auch amüsanten Lustbarkeiten nachgehen konnten. Stiles ließ sich mit einem Hechtsprung auf das bequeme Lager nieder, warf sich lasziv in Positur und schnurrte: „Weißt du eigentlich, was der `Mile-High-Club´ ist?“ Derek grinste und bestätigte: „Ja, das weiß ich und ich werde später sehr gern darauf zurückkommen, aber jetzt werden wir gleich starten, also müssen wir erst einmal nach nebenan gehen, unsere Plätze einnehmen und die Gurte anlegen.“ Er reichte Stiles die Hand, half ihm hoch und sie kehrten in den Wohnbereich zurück. Kaum dass sie saßen, war auch schon der eifrige Flugbegleiter zur Stelle und fragte sie, was sie trinken wollten. Derek orderte Champagner für sie beiden, mit welchem sie auf die Reise anstießen, welche vor ihnen lag. Als nächstes ertönte die Durchsage des Piloten, welcher sie begrüßte, bekanntgab dass sie bestes Flugwetter mit wenig Turbulenzen erwarte und dass sie nun die Gurte anlegen sollten. Kein Wort über das Flugziel, wie Stiles selbstverständlich sofort klarwurde: „Ich erfahre also wirklich nicht, wohin wir überhaupt fliegen, sehe ich das richtig?“ fragte er schmollend. „Es ist eine Überraschung. Wart´s einfach ab!“ erwiderte Derek, der offensichtlich große Freude daran hatte, seinen Gatten im Ungewissen zu lassen: „Na gut, ich finde es schon heraus!“ behauptete Stiles und schaute wie gebannt aus dem Fenster, als der Flieger sie in Bewegung setzte. Während des Steigflugs wurden sie in ihre Sitze gedrückt und in Stiles Bauch breitete sich ein angenehmes Kribbeln aus. Als sie nach einer ganze Weile ihre notwendige Flughöhe erreicht hatten, durften sie ihre Gurte wieder lösen und sich frei im Flieger bewegen. Stiles lümmelte sich auf eines der Sofas und klopfte auf den Platz neben sich: „Ich will einen Film sehen. Ist das möglich? Irgendwas Lustiges mit reichlich Action vielleicht?“ Derek ließ sich neben ihn fallen, erlaubte es Stiles seinen Kopf auf seinem Schoß zu platzieren, rief das Menü mit den verfügbaren Filmen auf und reichte seinem frischgebackenen Ehemann die Fernbedienung. Die Wahl war schnell getroffen und sie fiel auf „Deadpool 2“. Bereits nach den ersten Minuten des Films erkundigte sich Derek missmutig: „Sag´ mal, ist das dein Ernst? Das ist doch total dämlich und der Humor ist wirklich unterste Schublade!“ Stiles blickte süß wie ein Welpe zu ihm hinauf und klimperte mit den Wimpern: „Also wenn das so ist, brauche ich aber etwas stärkeres als Champanger.“ seufzte der Milliardär, drückte auf den Rufknopf für den Flugbegleiter und bestellte sich Whiskey: „Willst du auch irgendetwas?“ wollte er von Stiles wissen. „Gibt es zufällig Ginger Ale und irgendwelche Snacks?“ fragte dieser zaghaft. Der Flugbegleiter lächelte, offensichtlich hochzufrieden darüber dass er seinen Kunden zufrieden stellen konnte. Er zählte ausführlich die lange Liste der verfügbaren Knabbereien auf. Stiles, der angesichts dieser Vielfalt überfordert war und vieles aus dieser Aufzählung nicht einmal kannte antwortete: „Ja in Ordnung, bringen sie mir das, bitte!“ Der Steward blickte ihn ratlos an: „Was denn genau, Sir?“ „Na ja... alles.“ gab Stiles ein wenig verunsichert zurück: „Wie sie wünschen.“ gab der Flugbegleiter zurück, bemüht seine Stimme bar jeglicher Wertung zu halten, angesichts dieses ungewöhnlichen Wunsches. Er verschwand, nur um wenig später schwer bepackt mit ihrer Bestellung zurückzukehren. Überrascht stellte Stiles fest, dass Flugzeugportionen offensichtlich für Mäuse, oder andere winzige Säugetiere, aber keinesfalls für Menschen produziert wurden. Dereks Whiskeyfläschchen war winzig. Man brauchte mindestens ein Dutzend davon, um halbwegs betrunken zu werden. Das gleiche galt für die georderten Knabbereien, bei denen jede der kleinen Tüten die ausgesprochen überschaubare Füllmenge von zehn bis zwanzig Gramm aufwies. Was hatte dieser Steward denn bloß? Stiles jedenfalls war hochzufrieden damit, nun mehr als zwanzig dieser Tütchen vor sich auf dem Tisch ausgebreitet zu sehen, sich nach und nach durch die exotischen Sorten zu futtern und dabei Dereks Schoß voll zu krümeln. Von den getrüffelten Kartoffelchips hätte er gern noch mehr gehabt, die mit Käsecreme gefüllten Waffelkügelchen waren so widerlich, dass Stiles sie sofort wieder ausspuckte, die Wasabi-Nüsse waren so scharf, dass er die Englein singen hörte, doch irgendwie gefiel ihm das und an die Brezelchen mit Senf-Honig-Würzung könnte er sich wirklich gewöhnen: „Wenn du nicht aufhörst alles durcheinander zu essen, dann wird dir noch schlecht werden.“ kommentierte Derek mit einer Spur Besorgnis, doch Stiles stellte klar: „Das gehört doch zu einem Kinonachmittag dazu. Außerdem solltest du mich nicht unterschätzen. Ich habe nämlich einen Pferdemagen.“ Er spülte zufrieden mit einem großen Schluck Ginger Ale nach. Als der Film vorüber war, sprang Stiles dann jedoch urplötzlich auf und verschwand in der Toilette. Derek wusste nicht, auf welchem Wege die breite Palette fettiger Naschereien den Körper seines frisch Angetrauten wieder verließen und er wollte es auch lieber gar nicht wissen. Tatsache war nur, dass dieser eine ganze Weile fortblieb. In der Zwischenzeit hatte Derek für Stiles eine Wärmflasche geordert und als dieser wieder bei ihm war wollte er wissen: „Und? Wie geht es deinem Pferdemagen denn so, Babe?“ „Jetzt wieder besser. Ich weiß auch nicht, was da los war? Es muss wohl an der dünnen Luft hier oben gelegen haben.“ gab Stiles zurück. Im Gesicht war er immer noch ein wenig fahl. „Ja, das muss es gewesen sein.“ stimmte Derek mit einem kleinen ironischen Unterton zurück, während er seinen Blick über das Schlachtfeld aus leeren Snacktüten gleiten ließ: „Na komm´ Süßer, wir machen ein Schläfchen!“ Ohne Protest folgte Stiles seinem Ehemann in den Schlafbereich, ließ sich von ihm zudecken und umarmen, genoss die Wärmflasche auf seinem Bauch und war im Nu eingeschlafen. Derek, welcher im Grunde nicht müde war, hatte sich sein E-Book mitgenommen und nutzte die Zeit, um endlich mal wieder etwas anderes als Geschäftsberichte zu lesen. Er tauchte stattdessen in eines seiner Lieblingsbücher, einen Klassiker der Weltliteratur, nämlich „Ruf der Wildnis“ von Jack London ein. Eine Dreiviertelstunde später war Stiles jedoch wieder hellwach und offensichtlich wieder vollkommen genesen. Anders zumindest waren dieser ungezogene Blick und das, was er als nächstes zu sagen hatte nicht zu erklären: „Mile High Club, Mr. Hale. Ich will endlich dazugehören!“ Derek legte seine Lektüre beiseite und erkundigte sich stirnrunzelnd: „Sag´ mal bist du dir sicher? Du hast vorhin überhaupt nicht gut ausgesehen.“ „Das war vorhin.“ grinste Stiles, öffnete geschickt Dereks Hose und verschwand kurzerhand mit dem Kopf unter der Bettdecke. Was blieb seinem Mann da anderes übrig, als sich ganz einfach geschlagen zu geben? Eine halbe Stunde später, als sie nackt, befriedigt und mit zerwühlten Haaren beieinander lagen, verkündete Stiles: „Ich weiß jetzt übrigens, wohin wir fliegen.“ „Ehrlich Stiles? Darüber denkst du in diesem Moment nach?“ fragte sein Gatte ungläubig. Stiles grinste. Kapitel 73: These vagabond shoes, they are longing to stray... -------------------------------------------------------------- „Wir sind zu keiner Zeit über den Ozean geflogen, also geht unsere Reise weder nach Westen, noch nach Süden. Bleiben also der Norden und der Osten.“ schlussfolgerte Stiles, begleitet von einem wichtigtuerischen Schwenken des Zeigefingers und fuhr fort: „Allerdings denke ich nicht, dass wir nach Norden fliegen, weil es schon ein wenig dämmrig wird, dabei ist es doch erst kurz nach halb fünf. Ergo haben wir bereits einige Längengrade überquert, fliegen nach Osten und unterliegen der Zeitverschiebung. Und? Habe ich Recht?“ Derek zog ein unzufriedenes Schnäuzchen: „Das ist eine schlüssige Deduktion, Sherlock. Auch wenn du mir mit deiner Schläue den ganzen Spaß daran nimmst, dich zu entführen und zu überraschen.“ „Ach komm´ schon Daddy! Ich kann mich für dich auch dumm stellen, wenn dir das besser gefällt.“ schnurrte Stiles und setzte sich rittlings auf Dereks Schoß: „Ich habe dir schon mal gesagt, dass du mich nicht Daddy nennen sollst, du kleiner Frechdachs!“ schalt ihn Derek und kniff ihm leicht in einen Nippel. Dann fügte er gutmütig hinzu: „Außerdem finde ich es ja im Grunde toll, dass du so clever bist. Immerhin hast du uns mit deiner Klugheit mehr als einmal gerettet. Stiles rieb sich die malträtierte Brustwarze und erwiderte: „Du hättest mir übrigens vorher sagen müssen, dass dies hier eine Entführung ist, dann hätte ich mitgespielt; dich zunächst bitterlich bekämpft, mit heißen Tränchen gegen deine breite Brust getrommelt, dann jedoch irgendwann das Stockholm-Syndrom bekommen und mich dir, meinem heißen Kidnapper mit Haut und Haaren hingegeben. Und außerdem... eine Überraschung ist es doch immer noch, denn ich weiß ja nicht ganz genau, wo es hingeht. Wahrscheinlich in eine größere Stadt? Doch welche wird es wohl genau sein? Wird sie in Kanada liegen? Vielleicht Ottawa oder Toronto? Oder bleiben wir in den USA und schauen uns zum Beispiel Boston, Gettysburg, oder Washington an. Oder vielleicht auch New York? Gott, ich hoffe es ist New York! Da wollte ich immer schon einmal hin.“ Derek schüttelte ungläubig den Kopf: „Stockholm-Syndrom und Sex mit dem Entführer, Stiles? Was hast du denn für ungezogene Fantasien? Und da du ja sowieso keine Ruhe geben wirst, verrate ich dir jetzt unser erstes Etappenziel: Ja, wir fliegen nach New York. In fünfundvierzig Minuten sind wir da. Bist du nun zufrieden?“ Und ob Stiles zufrieden war. Er stieß einen schrillen Jubelschrei aus, welcher Dereks Ohren klingeln ließ und hüpfte auf dessen Schoß auf und ab: „Also wenn du es nicht auf eine zweite Runde abgesehen hast, solltest du diese Hopserei besser bleiben lassen.“ teilte Derek ihm mit. Stiles grinste frech auf ihn hinab: „Du sagst, wir haben noch eine Dreiviertelstunde...?“ Derek lachte leise, brachte sich mit einem kleinen Knurren über Stiles und stellte zufrieden fest: „Du bist wirklich unersättlich, oder Babe?“ „Was soll ich sagen? Ich bin mit dem heißesten Mann der Welt verheiratet.“ gab dieser zurück und zog Dereks Kopf zu einem Kuss zu sich heran. Als nach einer Weile die Durchsage des Piloten ertönte, dass sie zum Landeanflug ihre Plätze wieder einnehmen müssten, hieß es für die beiden Männer, die selbstverständlich vollkommen die Zeit vergessen hatten, eilig aus dem Bett und zurück in ihre Kleider zu schlüpfen, um dann atemlos ihre Plätze wieder einzunehmen, sich anzuschnallen und sich vor dem Steward nichts anmerken zu lassen. Als sie endlich soweit waren schauten sie einander an und dann platzten sie los vor Lachen. Am Flughafen wartete bereits eine Limousine mit Chauffeur auf sie. Ihr Gepäck wurde von hilfreichen Geistern verladen und sie hatten nichts weiter zu tun, als einfach nur einzusteigen. Innerlich staunte Stiles immer noch darüber, dass man wirklich so leben konnte und in ihm regte sich die kleine Angst, dass er irgendwann einmal vergessen könnte, woher er kam, wie es früher einmal war und dass er gegen diesen ganzen neuen Luxus irgendwann abstumpfen könnte. Die Limousine brachte sie zu ihrem Hotel, welches selbstverständlich kein geringeres war, als das Ritz-Carlton, gelegen am Central Park. Ihnen wurde die Autotür geöffnet, wiederum kümmerten sich andere um ihre Koffer und das Hotelpersonal hofierte sie beide, als seien sie ein Prinzenpaar. Stiles und seinem ADHS wäre beinahe herausgerutscht, dass er diese Art Behandlung ganz einfach nur unverzeihlich fände und man doch zumindest erwarten könne, dass man sie beide auf einem, mit rotem Samt bezogenen Kanapee ins Foyer und... ja warum auch nicht?... gleich in ihr Zimmer trüge, wie seinerzeit Mariah Carey, doch er schaffte es gerade noch an sich zu halten, weil ihm klar wurde, dass die reale Gefahr bestand, dass man seinen Sarkasmus nicht als solchen erkennen und ihn beim Wort nehmen könnte. Und wie sich kurze Zeit später zeigen sollte, war das Wort „Zimmer“ im Singular falsch gewählt, denn eine Suite bestand, wie Stiles in diesem Augenblick lernte, gleich aus mehreren Räumen, Schlafzimmern, einem Esszimmer und mehreren Bädern. Zudem war ihnen eine schier unglaubliche Aussicht über den Central Park vergönnt, sowie ein 24-Stunden-Concierge-Service. Als sie wieder unter sich waren, fragte Stiles zaghaft: „Ich weiß, dass ich gesagt habe, ich lasse dich diese Hochzeitsreise planen, aber können wir es vielleicht in nächster Zeit doch ein bisschen bescheidener gestalten? Nur ein ganz klein wenig? Ein normales Zimmer hätte es doch ebenso getan, oder nicht? Ich habe nämlich Angst dass, wenn sich zu den anderen Todsünden in meinen bisherigen Leben, wie Wollust, Zorn und Völlerei nun auch noch Habsucht gesellt, dass ich dann endgültig in die Hölle komme.“ „Oh Mann, ich mache alles falsch und du hasst es hier.“ stellte Derek resigniert fest. Stiles trat vor ihn, schlang seine Arme um den Nacken seines Ehemannes und versicherte: „Nein, das tust du nicht. Du bist wundervoll und großzügig, willst mir unvergessliche Momente schenken und mir die Welt zeigen, in der du aufgewachsen bist und lebst und das will ich ja auch alles kennenlernen und erleben. Aber weißt du, auch wenn alles ein ganz klein wenig bescheidener ausfällt, wird es mich immer noch tief beeindrucken und über die Maßen überwältigen. Also lass´ uns im nächsten Hotel einfach ein bescheideneres Zimmer nehmen und wenn du dein Geld so unbedingt loswerden willst, gibst du anstatt dessen dem Zimmermädchen ein Trinkgeld, dass ihr die Augen übergehen und sie ihrem Kind damit das College finanzieren kann, oder so? Damit würdest du mich sehr glücklich machen.“ Eine Weile starrte Derek Stiles einfach nur nachdenklich an. Dann sagte er: „Du bist wirklich zu gut um wahr zu sein, weißt du das eigentlich, Babe?“ „Ja, ich bin schon echt klasse oder?“ stimmte sein Mann mit einem frechen Grinsen zu: „Kleiner Spinner!“ schalt Derek ihn zärtlich, zog sein Gesicht zu einem Kuss zu sich heran und versprach dann: „Ich werde es mir zu Herzen nehmen. Alles ein bisschen bescheidener. Das bekomme ich hin. Ist eine Kutschfahrt durch den Central-Park und ein Essen in einem 5-Sterne-Restaurant dennoch in Ordnung? Das habe ich nämlich für heute geplant. Die nächste Mahlzeit danach kann dann auch gern ein Burger, oder so sein.“ „Das klingt nach einem perfekten Abend. Machen wir es so!“ bestätigte Stiles. Die Kutschfahrt war dann auch tatsächlich genau nach Stiles Geschmack. Der Droschkenkutscher war in einen altmodischen Mantel gewandet, das ganze Gefährt wirkte wie aus einer völlig anderen Zeit und Stiles wurde es erlaubt vor dem Einsteigen das Pferd zu begrüßen. Er streichelte sanft sein weiches Maul, sprach leise zu ihm und entschuldigte sich flüsternd dafür, dass es einen derart schweren Job zu verrichten hatten. Der Gaul schien ihn zu verstehen und einen kurzen Moment lang, legte er seine Stirn an die des Menschen und sie schienen in vollkommenem Einvernehmen miteinander. Derek betrachtete die Szene verstohlen aus dem Augenwinkel und verliebte sich in diesem Moment auf´s Neue in seinen Mann. In New York war es viel kälter als zuhause in Los Angeles. Zum Glück trugen sie warme Mäntel und es lagen Wolldecken bereit, die sie sich über die Beine legen konnten, damit sie in der offenen Kutsche nicht steif froren. Von ihrem erhöhten Standort aus bewunderten sie, eng aneinander geschmiegt, die Aussicht auf die Straßen der Millionenmetropole und den weltberühmten Central Park. Eine Weile später, als ihre Mägen bereits gewaltig zu knurren begannen, stiegen die Honeymooners in ein Yellow Cab um, eines der berühmten New Yorker Taxis und fuhren damit weiter in das „Le Bernardin“, ein exklusives, französisches Restaurant, welches insbesondere für seine Fischspezialitäten bekannt war. Derek behauptete, Stiles würde Essen nie wieder mit denselben Augen sehen, wenn er einmal dort gespeist habe. Stiles zweifelte im Stillen daran, doch er nickte, denn das einzige was er wollte, war endlich etwas Ordentliches in den Magen zu bekommen, ehe er noch in Versuchung geriet, seinen Tischnachbarn zu beißen. Leider hatte der Junge aus einfachen Verhältnissen da die Rechnung ohne die Gesetze der „Haute Cuisine“ gemacht. Derek bestellte für sie zwar ein Menü, welches zwölf Gänge hatte, doch das was letztlich nach und nach in winzigen Tellerchen und Schälchen vor ihnen aufgetischt wurde, war zumindest quantitativ eine Enttäuschung. Ein Fingerhut voll Hummercremesuppe, welche in Begleitung eines Krümelchens Weißbrot daherkam, war jedenfalls nichts, was einem auch nur im geringsten den Magen füllte. Das gleiche galt für den Esslöffel Lachstatar, die einsame Jakobsmuschel, oder das briefmarkengroße Haifischsteak. Einer der Gänge bestand sogar lediglich aus einem aromatischen Schaum, garniert mit einigen Fäden Kresse! Stiles ließ sich nichts anmerken, doch er verstand die Welt nicht mehr. Etwas dass wie das Nebenprodukt eines Vollbads aussah, sollte Bestandteil einer Mahlzeit sein? Zugegeben schmeckte jeder einzelne Bissen ihrer Mahlzeit hervorragend, überraschend, interessant, und vollkommen abgerundet, doch leider konnte Stiles Dereks Begeisterung darüber nicht vollständig teilen, weil seine Gier zu groß und die Portionen definitiv zu klein waren! Derek schien sich daran jedoch nicht im Geringsten zu stören, weil er in einem Fort so etwas sagte wie: „Unglaublich! Schmeckst du diese zurückhaltende Note des Zitronengrases?“, „Diese Konsistenz...das ist weich wie Butter.“, oder auch: „Dieses grasige im Abgang kommt ganz sicher von der Koriander-Reduktion!“ Stiles Zunge war wohl bereits zu verkorkst von all dem Fast-Food, welches diese Zeit seines Lebens passiert hatte, zumindest konnte er all diese feinen Nuancen nicht auf dieselbe Weise wahrnehmen, wie es sein Angetrauter vermochte. Er fand ihr Essen lecker, doch insgeheim sehnte sich in diesem Augenblick eher nach der prompten Befriedigung einer XL-Pizza mit doppelt Käse, die einem mit fettig-salziger Glücksseligkeit die Eingeweide vollkleisterte und schlagartig in ein Fresskoma beförderte. Dennoch war bis hierhin alles gut gegangen. Stiles hatte nicht gekleckert oder gerülpst, er hatte alles aufgegessen, auch das exotischste Zeug, doch beim nächsten Gang, welcher vor ihnen aufgetragen wurde, drehte sich ihm dann ohne jede Vorwarnung der Magen um und mit schreckgeweiteten Augen verlangte er zu wissen: „Sag es mir ehrlich, Derek: Sind das da etwa Maden?“ Derek, welcher von der aufkommenden Panik in der Stimme seines Gefährten scheinbar nichts mitbekam, antwortete im Plauderton: „Also Maden hatte ich auch schon einmal, nämlich in einem sehr exklusivem Restaurant auf Barbados. Das waren Sago-Maden, aus denen später die roten Palmrüsselkäfer werden. Diese Maden sind riesig. Sie haben in etwa die Größe eines kleinen menschlichen Fingers, ist das nicht unglaublich? Und man sollte es gar nicht annehmen, doch diese kleinen Tierchen sind wirklich ganz köstlich, mild und unglaublich cremig im Geschmack. Und natürlich auch reich an hochwertigem Eiweiß.“ „Schön!“ würgte Stiles hervor, bereit auf der Stelle alles wieder von sich zu geben, was er bislang verzehrt hatte: „Aber sind DIES HIER Maden?“ Da erst wurde Derek die Verfassung seines Tischnachbarn bewusst und mit einem entschuldigenden Lächeln erwiderte er: „Nein Stiles, keine Sorge. Das hier sind Oca, die fermentierten Knollen des peruanischen Sauerklees. Sehr gesund und rein pflanzlich, versprochen. Die sind leicht säuerlich und zitronig im Geschmack... wirklich sehr lecker. Koste doch mal! “ Stiles atmete erst einmal erleichtert auf, piekste dann dennoch ein wenig skeptisch in das „versprochen rein pflanzliche“ Gewürm und nahm zunächst einen ganz kleinen, vorsichtigen Bissen, denn sein Magen musste sich erst einmal wieder von seinem unappetitlichen Kopfkino erholen. Wie sich zeigen sollte, war diese Knolle durchaus genießbar, dennoch würde sie es wohl niemals in Stiles persönlich Top-Ten schaffen. Hundertprozentig auf seine Kosten kam er schließlich beim Dessert, welches aus drei Gängen bestand. Zum Auftakt gab es zwei kleine Kugeln Gurken-Limetten-Sorbet in einer Waffel aus roter Beete. Und auch wenn diese Zutaten in Stiles Vorstellung sehr viel besser in einen Salat gepasst hätten, ergaben sie, dank eines begnadeten Patissiers, eine traumhafte Nachspeise. Doch es wurde noch besser, denn als nächstes folgten mit Tannenhonig gegrillte Fruchtspieße, begleitet von einer hellen Tonkabohnen-Mousse, die so fantastisch war, dass Stiles unsittliche Fantasien darüber entwickelte, was Derek und er in einer ganzen Badewanne gefüllt damit für wundervolle Unaussprechlichkeiten anstellen könnten. Und gerade als Stiles glaubte, dass es besser gar nicht mehr kommen konnte, servierte man ihnen ein warmes Schokotörtchen mit flüssigem Kern, einem Krönchen aus zartem Frischkäse-Erdbeer-Frosting mit kleinen Blattgoldsprenkeln und über der ganzen Herrlichkeit spannte sich ein zartes Gitter aus sahnig-klebrigem Karamell. Kurz stellte Stiles sich beim Verzehr dieses Desserts die Frage, ob Food-Porn wohl auch tatsächlich Orgasmen auslösen konnte, denn das dürfte wohl peinlich werden in dieser vornehmen Umgebung. Als die beiden Flitterwöchler sich später im Taxi zurück ins Hotel befanden, fragte Derek unsicher: „Das Essen war nicht dein Ding, habe ich Recht?“ Stiles grinste: „Also anfangs habe ich noch geglaubt, wir müssten hinterher noch einmal bei Pizza-Hut halten, weil die einzelnen Gänge alle so winzig waren. Aber rückblickend war diese Essen eine wirklich eine einzigartige Erfahrung. Es gab so viele Sinneseindrücke, die Düfte und Geschmäcker und alles war so wunderhübsch angerichtet... es war ein bisschen so wie Sex mit DIR: Am großartigsten ist er immer dann, wenn wir uns so richtig Zeit dafür nehmen.“ Auf Dereks Gesicht zeigte sich dieses großartige Strahlen, welches Stiles so sehr liebte; jenes Strahlen dass ihn an jenen Sonnenschein erinnerte, welcher sich nur dann zeigte, wenn nach einem schweren Unwetter unerwartet und wundervoll der Himmel aufriss. Er konnte nicht anders, er musste seinen Mann einfach küssen. Nachdem sich ihre Lippen wieder voneinander gelöst hatten, fügte Stiles jedoch hinzu: „Aber wenn wir wieder einmal ein schickes Mehrgänge-Menü in so einem Edelschuppen einnehmen sollten, dann tun wir das nicht in einem Moment, wo ich schon kurz vor dem Verhungern bin, denn das ist eine echte Geduldprobe gewesen. Und noch etwas: Setz´ mir nie wieder Maden vor!“ „Aber... das waren doch bloß Knollen.“ erwiderte Derek kleinlaut. Stiles zwinkerte ihm breit grinsend zu. Kapitel 74: Start spreading the news I'm leaving today ------------------------------------------------------ Die Frischvermählten blieben noch einige Tage in New York und sie folgten dabei den typischen Touristenpfaden. Zu Stiles Freude beherzigte Derek zumeist seinen Wunsch, es insgesamt ein wenig bescheidener anzugehen. Sie nahmen zum Beispiel zusammen mit all den Normalsterblichen die kostenlose Fähre hinüber nach Staten Island, um Lady Liberty zu besuchen und den grandiosen Blick hinüber auf die Skyline von Manhattan zu genießen, anstatt ein Boot für sie ganz allein zu mieten. Innerlich amüsierte Stiles sich dabei köstlich über seinen Ehemann, welcher um sich zu tarnen damit er von niemandem erkannt wurde, eine Art Kostümierung anlegte. Statt förmlich im Anzug wie man ihn von den Titelseiten kannte, trug er Jeans, ein Henley-Shirt, darüber eine Lederjacke, eine Baseballkappe und eine verspiegelte Fliegerbrille. Das sah zweifelsohne heiß aus und dennoch wirkte der Geschäftsmann und Globalplayer darin eben seltsam unbehaglich und verkleidet. Stiles kam sich unglaublich kultiviert vor, als er an Dereks Seite durch die Gänge des „MoMA“, des Museum of Modern Art schlenderte und sich abwechselnd von der Mitarbeiterin des Hauses, welche die Führung durchführte und seinem allseits gebildeten Ehemann die Kunst erklären ließ, auch wenn er sich bei manchen Werken insgeheim fragte, welcher talentlose Fünfjährige sich hier wohl ausgetobt haben mochte. Andere Exponate hingegen sprachen durchaus zu ihm und sein Blick blieb wie gebannt daran hängen, also war für ihn und sein Kunstverständnis möglicherweise noch nicht alle Hoffnung verloren. Am Abend desselben Tages ging es dann auch gleich mit Kultur weiter, denn nachdem sie sich auf dem Times Square von den unzähligen blinkenden Bildschirmen hatten überwältigen lassen, besuchten sie auf dem weltberühmten Broadway die Acht-Uhr-Vorstellung des Musicals „Chicago“. Es war vielleicht ein wenig ironisch, extra nach New York zu kommen um sich Chicago anzuschauen, doch der staunende Stiles ließ sich dennoch durch Songs wie „Cell Block Tango“, „All that Jazz“, oder „Nowadays“ in die „Windy City“ der 20er Jahre entführen. Am Tag ihrer Abreise aus dem Big Apple, wirkte Derek bereits am Morgen schon irgendwie zerknirscht, doch weil er von sich aus nicht mit der Sprache herausrückte, fragte Stiles beim Frühstück streng: „Sagst du mir freiwillig, was gerade in deinem Kopf vorgeht, oder muss ich dich foltern?“ Ertappt blickte sein Ehemann von seinem Obstsalat auf und murmelte dann: „Na ja... du weißt doch, dass die Hale-Company hier in New York eine große Zweigstelle hat, oder?“ „Und...?“ fragte Stiles ungeduldig, weil er sich fragte, warum sein Gatte wie so häufig wieder einmal nicht einfach auf den Punkt kommen konnte. „Also... irgendwie erwartet man hier wohl, dass ich mich dort einmal sehen lasse, wenn ich schon in der Stadt bin.“ Derek schielte unsicher zu seinem Geliebten hinüber. Stiles blickte ihn verständnislos an: „Ja und? Dann tu das doch?“ „Aber es ist doch unsere Hochzeitsreise? Ich will dich nicht so im Stich lassen!“ erwiderte Derek unglücklich. Stiles lachte laut auf: „Du musst doch nicht die ganze Zeit den Babysitter für mich spielen. Ich komme auch ein paar Stunden ganz alleine klar.“ versicherte er: „Oder ich begleite dich einfach. Was hältst du davon?“ „Das würdest du tun?“ fragte sein Ehemann erstaunt: „Das wird doch todlangweilig für dich?“ „Ich kann ja verschwinden, wenn´s mir zu lange dauert. Dann gehe ich eben shoppen und gebe dein Vermögen mit vollen Händen aus.“ lachte Stiles. Es sollte nur ein Scherz sein, doch Derek strahlte bei dieser Aussicht über das ganze Gesicht: „Das ist eine großartige Idee. Also machen wir es so?“ Stiles nickte. In der Niederlassung seiner Firma wurde Derek empfangen wie ein König und der neue Ehemann an der Seite seiner Majestät wurde dementsprechend auch derart neugierig gemustert, als sei Stiles so etwas wie ein Einhorn, welches soeben durch das Foyer des Unternehmens spazierte. Natürlich war dem Jungen aus bescheidenen Verhältnissen klar, dass all die Mitarbeiter, welche ihnen begegneten, während sie hier geschäftig mit Aktentaschen und Businesskleidung durch die Gänge hasteten, die Schlagzeilen über ihren obersten Vorgesetzten und seinen Stricher mit Sicherheit kannten. Jeder den sie trafen begrüßte Derek und Stiles mit überschwänglicher Freundlichkeit, dennoch wollte Stiles lieber nicht wissen, was hinter so mancher Stirn in Wirklichkeit vor sich ging. Herumgeführt wurden sie beide von einer schönen, hochgewachsenen Brünetten, die sich Stiles als Jennifer Blake vorstellte und die Derek mit einer Umarmung empfing. Die beiden wirkten ungewöhnlich vertraut miteinander und Stiles spürte eine gewisse subtile, gegen ihn gerichtete Ablehnung. Er beschloss, Derek später danach zu fragen. Der Big-Boss und sein Angetrauter wurden in den Abteilungen herumgereicht, wie ein Wanderpokal. Und überall war es dasselbe Spiel. Es wurden überreichlich Erfrischungen gereicht und schwitzende, übereifrige Mitarbeiter präsentierten Bilanzen und Geschäftsberichte, in dem Versuch, ihren Brötchengeber bestmöglich zu beeindrucken. Als Stiles irgendwann tatsächlich begann sich zu langweilen und sich gleichermaßen unangenehm von dem beständig scharfen Blick Jennifer Blakes, welcher dauerhaft auf ihm ruhte durchbohrt zu fühlen, verabschiedete er sich kurzerhand wie angekündigt von Derek, um auf eigene Faust die Stadt unsicher zu machen. Als sie sich am Abend im Hotel wiedertrafen, war Stiles erste Frage: „Diese Jennifer und du... ist da eigentlich mal etwas gelaufen?“ Derek sah ertappt aus und beeilte sich zu erklären: „Das ist eine Ewigkeit her! Das war sogar noch lange bevor sie für mich gearbeitet hat. Wir haben uns damals auf der Business-School kennengelernt. Und das mit uns ging auch bloß ein paar Wochen, du musst also wirklich nicht eifersüchtig sein.“ Stiles versicherte lachend: „Ich bin nicht der, der eifersüchtig ist. Bezüglich Jennifer würde ich dafür aber nicht die Hand ins Feuer legen.“ Derek wirkte verblüfft: „Wieso? Was ist mir denn entgangen? Hat sie irgendetwas gesagt, oder getan?“ Stiles schüttelte den Kopf: „Nein, sie war sehr diskret. Trotzdem bin ich nur froh, dass Blicke nicht töten können.“ „Bist du sicher?“ fragte Derek skeptisch: „Das kann ich mir gar nicht vorstellen nach all den Jahren?“ „Ziemlich sicher. Also, mein Liebster... wie viele Ex-Freundinnen von dir, die mir nach dem Leben trachten, laufen da draußen eigentlich noch so herum? Nur so als grobe Schätzung, damit ich weiß, worauf ich mich künftig einstellen muss?“ „Ich... uhm... keine, hoffe ich?“ stammelte Derek hilflos. Er wirkte wirklich alarmiert. Da beschloss Stiles ihn zu erlösen und versicherte: „Ich mache doch auch bloß Spaß. Nur weil diese Frau möglicherweise ein Foto von mir zuhause an der Wand hängen hat, bei dem sie mir die Augen mit einer Stecknadel ausgekratzt hat, muss sie ja nicht gleich wirklich meinen Tod planen. Und selbst wenn schon? Wir verlassen ja bald die Stadt, richtig? Also kriegt sie mich nicht. Schau dir lieber an, was ich alles gekauft habe! Ich war nämlich ein sehr fleißiger Milliardärsgatte heute, schau her!“ Derek atmete ein wenig auf und Stiles begann stolz damit, seine Beute zu präsentieren. Es gab Spielsachen und Bilderbücher für die kleine Loba und ihre Bruder Francisco und Enzo, ein Paar Ohrringe für Lydia, ein lustiges Statement-Shirt für Malia, Zigarren für Chris, eine Flasche guter Wein für Deucalion, eine silberne Haarspange für Erica, ein Hoodie für Scott, kuschlige Bademäntel im Partnerlook für Jean Ribaux und Greenberg, sowie für Danny und Isaac, eine nette individuelle Kleinigkeit für jedes der Dienstmädchen und jeden der Gärtner im Haus, ein Laufgeschirr mit flexibler Leine für Harvey, sowie ein Halstuch für Scotts Hund Skippy. Stiles hatte wirklich an jeden gedacht, sogar für Derek hatte er eine schöne, edle, neue Krawatte ergattert und fragte seinen Mann grinsend: „Und was sagst du? Bin ich gut darin, dein Geld in Umlauf zu bringen?“ Derek wirkte irgendwie nicht so zufrieden, wie Stiles sich das erhofft hatte: „Irgendwie hast du das Prinzip des Daseins als Milliardärsgatte noch nicht verstanden, oder? Hast du denn gar nichts für dich selbst gekauft?“ Stiles grinste und versicherte: „Wo denkst du hin? Natürlich habe ich das.“ Er griff in seine Hosentasche und zog einen Schlüsselanhänger aus Plastik mit einem „New-York“-Schriftzug daraus hervor: „Ein Andenken, damit ich mich immer an unsere tolle Zeit hier erinnere.“ erklärte er begeistert. Das Ding hatte sicherlich nicht mehr als einen Dollar gekostet. Derek schüttelte gutmütig den Kopf und versicherte: „Ich liebe dich, du kleiner Spinner!“ Er zog ihn in eine Umarmung und forderte: „Und nun lass´ uns unser Zeug zusammenpacken. Der Flieger wartet.“ Kapitel 75: Von Brokeback-Mountain in die alte Welt --------------------------------------------------- Als sie ein weiteres Mal in Derek Privatjet auf die Starterlaubnis warteten, erkundigte sich Stiles: „Du verrätst mir wohl wieder nicht, wohin es als nächstes geht, was?“ Grinsend schüttelte der Milliardär den Kopf, doch er überreichte seinem Ehemann eine Tüte und versprach: „Aber ich gebe dir einen Hinweis?“ Stiles kippte den Inhalt aus, hielt ein paar Reithosen hoch und fragte mit einem frechen Grinsen: „Was soll das denn werden? Hast du uns vielleicht ein altes Landhaus irgendwo in der Pampa gemietet, um dort heiße Rollenspiele mit mir zu spielen? Ich sehe es regelrecht vor mir: Du mimst den zurückgezogen lebenden, traurigen, einsamen Lord und ich bin dein einfacher, aber gut bestückter Stallbursche. Und so sehr du es auch versuchst, kannst du meiner derben, animalischen Sexualität auf die Dauer einfach nicht widerstehen. Zwischen uns entflammt ein Feuer der Leidenschaft, was darin gipfelt, dass wir fortan bis in alle Ewigkeit unaussprechliche Schweinereien in den Stallungen zwischen Strohballen und Pferdeäpfeln miteinander treiben, richtig?“ „Pferdeäpfel?“ fragte Derek mit gekrauster Nase: „Echt sexy! Aber abgesehen davon hast du da ein sehr stimmungsvolles Szenario für uns entworfen. Du solltest Schundromane für gelangweilte Hausfrauen schreiben, Süßer. Doch leider liegst du vollkommen falsch! Nein, ich habe mich nur gefragt, ob du wohl gern reitest?“ Das Grinsen auf Stiles Gesicht wurde noch ein wenig breiter und unverschämter, also beeilte Derek sich klarzustellen: „Auf einem Pferd meine ich selbstverständlich. Meine Güte, was ist denn los mit dir? Du bist ja ganz wuschig?“ „Ich kann nichts dagegen tun!“ gab Stiles zurück und hockte sich auf seinen Schoß: „Ich bin in den Flitterwochen und ich habe den heißesten Mann der Welt geheiratet. Egal was ich auch tue, meine Gedanken schlagen stets dieselbe Richtung ein. Aber zu deiner Frage: Ich habe keine Ahnung, ob ich reiten kann, denn ich habe es noch nie ausprobiert.“ „Super, dann kannst du es nun lernen.“ versprach Derek: „Denn unsere nächste Etappe hat etwas mit Pferden zu tun.“ Mit dieser Aussage musste Stiles sich zufrieden geben, denn Derek verriet kein weiteres Wort. Sie bekamen von dem eifrigen Steward an Bord ihr Abendessen serviert und danach war es für sie Schlafenszeit, welche sie auch tatsächlich schlafend verbrachten. Nicht dass Stiles nicht versucht hätte, seinen Ehemann noch ein wenig für vergnügliche Aktivitäten wach zu halten, doch Derek stellte klar, dass sie ohnehin schon eine kurze Nacht haben würden, weshalb sie dies auf einen späteren Zeitpunkt verschieben müssten. Das Gesicht zu einem beleidigten Schnäuzchen verzogen, kehrte der Jüngere ihm daraufhin den Rücken zu. Derek umfing ihn von hinten, küsste seinen Nacken und versicherte: „Es lohnt sich, jetzt darauf zu verzichten wenn du das, was als nächstes geplant ist, ausgeschlafen genießen kannst, glaub´ mir!“ „Wie auch immer.“ brummte Stiles mürrisch. Er war nicht wirklich sauer, nur ein wenig geil und er ließ sich sogar dazu herab, seine Finger mit denen seines Geliebten zu verschränken, ehe ihm die Augen zufielen. Knapp sechs Stunden später wurden sie von der Durchsage des Kapitäns geweckt, welcher ihnen mitteilte, dass sie in dreißig Minuten landen würden. Die beiden Männer waren schlagartig wach, verschwanden gemeinsam im Bad, um sich frisch zu machen und schlüpften dann in die Kleider, die der Steward für sie herausgelegt hatte: Jeans, halbhohe Stiefel und Flanellhemden – Alltagskleidung für Stiles, an Derek jedoch eine Premiere: „Mhh... du siehst aus, wie ein sexy Holzfäller!“ schnurrte Stiles, schnappte sich seinen Gatten bei seinem Gürtel und zog ihn zu sich heran: „Verrätst du mir jetzt endlich, wo es hingeht?“ „Wir landen gleich am Jackson Hole Airport.“ teilte sein Ehemann mit und gab ihm einen Kuss, doch leider sagte Stiles das gar nichts und so erläuterte Derek: „Wir sind in Wyoming. Wir verbringen einen Tag im Grand Teton Nationalpark. Reichlich Natur, frische Luft und großartige Landschaft. Was sagst du?“ Stiles gefiel diese Aussicht, denn in den Bergen war er noch niemals gewesen. Am Flughafen angekommen ging es mit einem Hubschrauber weiter, welcher sie direkt hinauf in die Berge hinauf zu ihrer Unterkunft brachte, einem umgebauten ehemaligen Farmhaus, wo die Wirtin, eine robuste Frau in ihren Sechzigern, mit roten Wangen, freundlichem Lächeln und einem dicken, grauen Pferdeschwanz, bereits mit dem Frühstück auf sie beide wartete. Offensichtlich hatte Derek die gesamte Pension für sie gemietet, denn sie waren die einzigen Gäste im Haus. Das Frühstück war ganz nach Stiles Geschmack. Anstelle von winzigen, französischen Häppchen mit unaussprechlichen Namen, gab ein rustikales, frischgebackenes Brot mit Butter und verschiedenen regionalen Käsesorten, gekochte Eier, hausgemachte Marmeladen, ein wenig Gemüse und ein paar Äpfel. Stiles staunte selbst darüber, wie viel er essen konnte und sogar der sonst so figurbewusste Derek langte heute tüchtig zu. Ihre Wirtin, welche sich ihnen als Mary Winston vorstellte erklärte ihnen lachend, dass dies an der Höhenluft läge: „Macht die Leute gefräßig.“ ließ sie die beiden Männer wissen, als sie ihren Brotkorb ein zweites Mal auffüllte. Nach ihrer Mahlzeit und einem kleinen Verdauungsschläfchen in ihrem großzügigen Schlafzimmer, sollte es weitergehen zu einer Erkundungstour zu Pferde. Stiles war in die Reithose geschlüpft und drehte sich naserümpfend vor dem Spiegel: „Man sieht meine Eier.“ murrte er unzufrieden: „Warum ist die denn so verdammt eng?“ „Ich schätze, das gehört so?“ erwiderte Derek ebenfalls ein wenig skeptisch, während er an sich hinabblickte. „Nein, tut mir leid, aber so gehe ich nicht los!“ entschied Stiles, heftig mit dem Kopf schüttelnd: „Darin machen wir uns hier vollkommen lächerlich. So können wir vielleicht bei einem Poloturnier im Londoner Windsor Great Park aufschlagen, aber sicher nicht hier, unter lauter Cowboys und Farmern. Da können wir uns ja auch gleich ein „Tritt-Mich-Ich-Bin-Dummer-Stadtmensch“-Schild um den Hals hängen!“ „Vielleicht hast du Recht?“ gestand Derek ein und beide schlüpften zurück in ihre bequemen, die Eier trefflich verbergenden Jeans. Und als sie einen Augenblick später ihren Reiseführer kennenlernten wussten sie, dass dies eine ganz ausgezeichnete Idee gewesen war. Sein Name war Joe Fister und Stiles musste sich bei diesem großartigen Porno-Namen so fest in die Innenseiten seiner Wangen beißen um nicht zu lachen, dass er irgendwann Blut schmeckte. Joe Fister war ein großer, sehniger, wettergegerbter Kerl, dessen schwer zu schätzendes Alter irgendwo in der Spanne zwischen fünfzig und siebzig Jahren liegen musste. Er war ein Ex-Marine, wie er ihnen berichtete und das glaubte Stiles ihm auf der Stelle. Er war der Inbegriff eines toughen Kerl, einer Art Männlichkeit, die sich längst im Aussterben befand, für die Stiles jedoch ohnehin nie viel übrig gehabt hatte. Joe hatte drei gesattelte Pferde im Schlepptau und reichte den beiden Flitterwöchnern je die Zügel des ihnen zugedachten Gaul. Stiles Pferd war eine riesige Stute namens Sally, mit großen, gütigen Augen, schwarzem, glänzenden Fell und einem weichen, freundlichen Maul. Ihm hätte es schon vollkommen gereicht, dieses wunderbare Tier einfach nur ewig lang zu streicheln, mit ihm zu sprechen und Seite an Seite mit ihm ein wenig herumzulaufen, um die Landschaft zu genießen, doch Stiles wusste, dass von ihm nun erwartet wurde, tatsächlich zu reiten. Wie sich rasch herausstellte, fehlte ihm hierzu jedoch offensichtlich jegliches Talent. Schon das Aufsitzen war ein einziger Kraftakt, er stellte sich dabei an, wie ein besoffener Waschbär und entschuldigte sich währenddessen mehrfach bei der großen Sally, die ihrem Menschen seine Ungeschicklichkeit mit Engelsgeduld nachsah. Irgendwann gelang es Stiles endlich, in den Sattel zu gelangen, in welchem er dann aber hing, wie ein Sack voller Steckrüben. Aber immerhin schaffte er es oben zu bleiben und er entschied, dies als Triumph zu verbuchen, anstatt mit seinem offensichtlichen Mangel an Anmut und Körperspannung zu hadern. Von der Tatsache, dass sein Ehemannes selbstverständlich im Sattel saß, wie die Statue eines Thrakischen Reiters, dessen wilde Schönheit ein begabter Bildhauer für die Ewigkeit festgehalten hatte, versuchte Stiles sich diesbezüglich nicht allzu sehr beeindrucken zu lassen. Es wurde eine schweigsame Unternehmung. Ihr Reiseleiter schien nicht unbedingt der gesprächige Typ zu sein und auch Derek war ja nicht gerade für seine Redseligkeit bekannt, doch selbst Stiles verschlug es die Sprache, angesichts der wundervollen Kulisse, welche sie umgab. Die endlos weiten, grünen Plateaus, die eiskalten Bäche, die tiefen, dunklen Seen und die ewigen, massiven, auf den Gipfeln verschneiten Berge, wirkten wie gemalt, zu schön und vollkommen, um wirklich zu sein. Der strahlende Sonnenschein, einige vorüberziehende weiße Schäfchen und die Berge führten überdies noch ein atemberaubendes Schattentheater für sie auf. Stiles war so überwältigt von all dem, dass er sich den Tränen nahe fühlte. Er hatte das Bedürfnis, all seine Sinne weit stellen zu müssen, damit ihm auch ja nichts entging. Er wollte diese Pracht einfach nur für immer in seinem Inneren speichern. Am frühen Nachmittag machten sie Rast und verspeisten hungrig ein reichliches Picknick, welches ihre Wirtin für sie zusammengestellt hatte. Danach meinte Stiles nie wieder etwas essen zu können, doch als sie am Abend in der Herberge ankamen, sah die Sache schon wieder ganz anders aus und er und Derek machten sich über das dreigängige Abendmahl her, bestehend aus einer Pilzrahmsuppe vorweg, einem Braten mit Wurzelgemüse zum Hauptgang und einem Obstkuchen mit reichlich Schlagsahne zum Dessert. „Müssen wir wirklich morgen schon wieder abreisen?“ erkundigte sich Stiles nach dem Essen: „Es ist so wahnsinnig schön hier.“ „Ich finde es hier auch toll, aber wenn dir das gefallen hat, dann wirst du das, was als nächstes kommt mit Sicherheit lieben.“ behauptete Derek und versicherte dann: „Wir können jederzeit wieder hierher zurückkehren, wenn wir es wollen. Diese Berge sind bereits seit einer Ewigkeit hier. Sie werden auf uns warten.“ „Also gut, aber dann musst du mir einen Tipp geben, was als nächstes auf unserer Reiseroute kommt.“ verlangte Stiles. Derek grinste geheimnisvoll und entgegnete: „Feen und die alte Welt.“ Und mit diesen Stichworten musste Stiles sich wieder einmal zufrieden geben. Es war noch keine acht Uhr am Abend, da rief es die Hochzeitsreisenden auch schon in ihr Zimmer. Der Tag war anstrengend und überwältigend gewesen, doch sie hatten noch etwas vor: „Okay Baby, ich bin zwar von der ganzen Reiterei grün und blau im Schritt, aber ich will jetzt meinen Ehemann!“ erklärte Stiles, gähnte herzhaft und zog sich aus: „Ich will dich auch!“ versicherte Derek, rieb sich mit dem Handrücken über die Augen und ließ dann ebenfalls die Hüllen fallen. Sie krochen gemeinsam in das weiche, warme und überaus bequeme Bett und begannen damit, sich zu küssen und zu berühren. Derek brachte sich über Stiles und murmelte: „Ich liebe dich!“ „Liebe dich auch, Babe!“ erwiderte Stiles, gefolgt von einem weiteren Gähnen und er schlang die Beine um ihn. Derek küsste sich behutsam am Hals seines Gemahls hinab, doch er spürte, wie ihm dabei immer wieder die Augen zufielen. Er wollte sich gerade bei Stiles dafür entschuldigen, als er an dessen gleichmäßigem Atem hörte, dass dieser bereits eingeschlafen war. Da hörte auch Derek auf, dagegen anzukämpfen und ließ sich von Gott Hynpnos in dessen Reich entführen. Die ungewohnte Höhenluft hatte ihren Tribut von dem Paar gefordert. Kapitel 76: Von Feen und Seefahrern ----------------------------------- Stiles war der Abschied von Wyoming schwergefallen. Mittags waren er und Derek abgereist und nun saßen sie ein weiteres Mal in dessen komfortablem Privatjet, welcher Stiles mittlerweile eigenartig vertraut und heimelig vorkam. Das Fliegen selbst hingegen war für ihn immer noch spannend und aufregend. Die meiste Zeit beobachtete er einfach bloß durch das Fenster, wie sich unter ihnen die Landschaft veränderte. Sie flogen Richtung Nordosten, also praktisch vorwärts in der Zeit. Und wo auch immer ihr nächstes Ziel liegen mochte, sie hatten offenbar einen weiten Weg vor sich. Es ging einmal quer über Southdakota, Northdakota, dann verließen sie die USA und befanden sich über Kanada. Irgendwann waren sie über dem Atlantik und da wurde es bereits Nacht, obwohl es nach Stiles Uhr gerade erst früher Abend war. Der Blick auf den dunkeln Ozean hatte etwas hypnotisches und nach einer Weile war Stiles in seinem bequemen Sitz ganz einfach eingeschlafen. Als er wieder erwachte, war unter ihnen in der Dunkelheit eine verschneite Landschaft zu sehen. Das musste Grönland sein, richtig? Wohin entführte ihn Derek denn bloß? Das verriet ihm sein frischgebackener Ehemann natürlich wieder einmal nicht. Vielmehr nutzte dieser den Langstreckenflug schon die ganze Zeit, um zu arbeiten. Wenn er nicht gerade etwas las, oder schrieb, war er am Telefon, oder führte am Bildschirm geschäftliche Verhandlungen. Stiles musste es wohl ganz einfach abwarten. Irgendwann machte der Geschäftsmann dann jedoch Feierabend, sie nahmen ihr Abendessen ein und es wurde Zeit zum Schlafengehen. Es wurde jedoch nur eine kurze Nacht. Laut Ortszeit war es an ihrem Zielort sieben Uhr dreißig am Morgen, doch für Stiles inneren Chronometer war nach dem elfstündigen Flug gerade mal eine halbe Stunde vor Mitternacht. Er war komplett durcheinander, als ihm an dem kleinen Flughafen mitten im Nirgendwo die Morgensonne ins Gesicht lachte: „Wo zur Hölle bin ich?“ fragte er seinen Gatten ein wenig mürrisch. Derek hatte offensichtlich nicht so große Probleme mit dem Jetlag, doch natürlich war der Geschäftsmann auch schon des öfteren in seinem Leben um den Globus gejettet: „Dies hier ist Nordkapp. Es ist der nördlichste Zipfel Norwegens. Zieh´ besser eine Jacke über, denn es ist frisch hier.“ erwiderte er munter und reichte Stiles das Kleidungsstück: „Und verabschiede dich vom Jet. Wir werden ihn so bald nicht wiedersehen.“ Stiles blickte Derek staunend an, doch er ließ dessen Aussage unkommentiert und zog sich brav die Jacke über. Derek war der Reiseleiter und er allein wusste, wo es langging. Damit hatte sein Mann sich abgefunden. Ihre Weiterfahrt erfolgte in einem geliehen Geländewagen, welcher von hilfreichen Geistern bereits mit ihrem Gepäck beladen worden war und dann fuhr Derek sie zwei Stunden lang durch eine Natur, wie Stiles sie noch niemals gesehen hatte. Die Eiszeiten hatten den felsigen Untergrund gebogen, zerschrammt und stellenweise förmlich zerrissen, doch über die Spuren dieser Naturgewalt hatte sich heutzutage ein weiches, harmlos wirkendes Polster aus Flechten, Moosen und Gräsern gelegt. Es ging durch eine praktisch baumlose Landschaft, vorbei an vielen kleinen und größeren Seen und zeitweise auch direkt an der Küste entlang. Ein wenig monoton wirkende Ebenen wechselten sich ab mit felsigen Erhöhungen und auf der endlosen Landstraße waren sie beinahe die einzigen Menschen. Zeitweise konnte man fast glauben, die Welt sei untergegangen und man habe lediglich vergessen, ihnen Bescheid zu geben. Und dann tauchte urplötzlich aus der Ferne doch noch ein Lastwagen auf und holte einen in die Realität zurück. Und über dieser ganzen Kulisse erstreckte sich ein endloser blauer Himmel mit schweren, üppigen Wolkengebirgen. Hatte Derek zuvor nicht etwas von Feen gesagt? Stiles hatte keinen Zweifel, wenn es irgendwo auf der Welt welche gab, dann lebten sie genau hier, verbargen sich zwischen den ewigen Felsen und folgten ihren uralten Weisen. Die beiden Männer sprachen nicht viel während dieser Fahrt, was wohl daran lag, dass sie von dieser kargen und doch so wundervollen Landschaft schlicht überwältigt waren, dennoch fiel Stiles auf, dass Derek dann und wann mit finsterem Blick in die Wolken hinauf und dann wiederum auf sein Handy starrte, also fragte er ihn schließlich: „Ist alles in Ordnung, Baby?“ „Ich habe Angst, dass das Wetter umschlägt und dann wäre alles verdorben!“ grollte sein Ehemann finster: „Also das bezweifle ich.“ versicherte Stiles: „Hier ist es mit Sicherheit bei jedem Wetter schön.“ „Aber es gibt etwas ganz Bestimmtes, was ich dir zeigen will. Ich hatte es mir so vollkommen ausgemalt.“ erwiderte Derek traurig. Stiles nahm seine Hand und versicherte: „Egal wie es wird, es wird vollkommen werden. Wir sind zusammen, es ist unsere Hochzeitsreise... das ist schon mehr als ich mir je hätte träumen lassen. Und nun entspann´ dich wieder, okay? Denn sie mögen zwar ein mächtiger Mann sein, Mr. Hale, aber das Wetter gehorcht ihnen trotzdem nicht, egal wie finster sie in den Himmel starren, Sir.“ Derek holte tief Luft und dann schenkte er seinem Mann ein Lächeln: „Du hast Recht, Süßer. So wie meistens.“ „Es ist ein Segen. Und ein Fluch.“ erwiderte Stiles mit einem spitzbübischen Grinsen. Kurze Zeit später verließen sie die Landstraße und es ging weiter auf holprigen, unbefestigten Wegen und dann waren sie schließlich offenbar am Ziel, denn Derek stoppte den Wagen. Nur wo waren sie hier? Hier gab es weit und breit nichts, als noch mehr von dieser atemberaubenden Landschaft, ein merkwürdiges Gebäude und die Steilküste in einiger Entfernung: „Das da ist unser Domizil für heute Nacht.“ kündigte Derek an und deutete auf das seltsame Haus. Sie mussten näher heran, damit Stiles sich ein genaueres Bild davon machen konnte, womit sie es zu tun hatten. Es sah aus wie ein übergroßes Iglu, nur konnte es nicht aus Schnee bestehen, denn dafür war die Umgebungstemperatur zu warm. Es musste sich um Blöcke aus trübem Glas, Stein, oder irgendeinem Kunststoff handeln: „Willst du reingehen und dich drinnen umsehen?“ Und ob Stiles das wollte. Wie bei einem echten Iglu war der Eingang ein kleiner Gang, geformt wie ein, auf dem Kopf stehendes U. Sie mussten sich ein wenig bücken, um hindurchzugehen. An dessen Ende befand sich eine Tür, zu der Derek den Schlüssel hatte. Mit dem was sie im Inneren erwartete, hatte Stiles nicht gerechnet. Es war richtig gemütlich! Im Grunde war der ganze Innenbereich, abgesehen von einem kleinen abgetrennten Bereich an der linken Seite, bei dem es sich vermutlich um ein Badezimmer handelte, eine riesige Liegewiese, ausgelegt mit unzähligen Kissen, Decken und flauschigen Fellen: „Ich bin doch längst Dein!“ lachte Stiles und hielt seine Hand mit dem Ehering hoch: „Du musst mich doch nicht in eine Fickhöhle entführen, um mich dir zu Willen zu machen.“ „Zu... zu Willen zu machen?“ stammelte Derek verlegen: „Das hier... das ist keine Fickhöhle!“ Er schüttelte sich und setzte nach: „Ist es nicht!“ Stiles kicherte, schnappte sich Dereks Hände, ließ sich fallen und zog seinen Mann mit sich ins gemachte Nest: „Es ist toll und richtig gemütlich!“ versicherte er und gab Derek einen Kuss: „Aber was werden wir essen? Hier ist doch weit und breit nichts, keine Restaurants, kein Supermarkt.“ Derek blickte sich suchend um und deutete dann auf einen kleinen Kühlschrank in einer Ecke: „Da sollte alles drin sein.“ „Hier gibt es sogar Strom?“ fragte Stiles verblüfft und kroch hinüber zum Kühlgerät: „Ja, es gibt einen Generator draußen!“ erwiderte Derek und folgte Stiles, um auch zu sehen, was es zu Essen gab, denn mittlerweile knurrte ihnen beiden der Magen. Der Kühlschrank war bis oben hin gefüllt mit allerhand exquisiten Leckerbissen, wie geräuchertem, oder eingelegtem Fisch, Fleisch- und Wurstspeisen, lokalen Käsesorten und Champagner. In einem Schrank neben dem Kühlschrank fanden sie Brot und Einweggeschirr: „Das wird reichen.“ stellte Stiles zufrieden fest: „Was hältst du von einem Picknick?“ Derek blickte ihn ratlos an, doch Stiles packte kurzerhand das Blubberwasser und ein paar der Leckereien in einer Decke zusammen, knotete diese zu einem Bündel und bedeutete seinem Mann ihm zu folgen. Draußen steuerte er schnurgerade die Steilküste an und suchte nach einem geeigneten Plätzchen. Schließlich fand er einen Ort mit ein paar Felsen, die sich als Tisch und Sitzgelegenheiten anboten. Die Decke nutzte Stiles als Tischtuch und baute darauf das Büffet auf: „Voilá!“ sagte er und bedeutete seinem Mann Platz zu nehmen: „Du bist genial!“ urteilte Derek grinsend und nahm auf dem, für ihn vorgesehen Sitz Platz. „Weiß ich!“ entgegnete Stiles unbescheiden, setzte sich ebenfalls, sie stießen mit dem teuren Gesöff in billigen Plastikbechern miteinander an und beide begannen zu essen. Der Blick den sie von ihrem Standort aus hatten war unglaublich. Er ging ungehindert in die scheinbare Unendlichkeit. In der Ferne zeichneten sich ein paar kleine Inseln ab, doch dahinter war nichts weiter als ewiger Ozean. Der Wind zerzauste ihnen das Haar, einige Seevögel krakeelten an der Steilwand, sie stritten sich vielleicht um Nahrung, oder die besten Brutplätze, oder sie unterhielten sich ganz schlicht miteinander, wer konnte das schon sagen, doch wurden sie dabei beinahe übertönt vom Meer, welches sich brüllend und Gischt geifernd tief unter ihnen an den Felsen brach. Auch noch lange nachdem das Paar sich satt gegessen hatte, verharrten sie, der Kälte trotzend an ihrem Aussichtspunkt und weideten ihre Augen und Seelen an der Szenerie. Schließlich waren es die Müdigkeit und der Jetlag, welche sie schließlich doch noch zurück in ihre Unterkunft trieben. Sie schafften ihr Gepäck vom Wagen in das Iglu-Haus, zogen ihre Kleider aus und kuschelten sich in der großzügigen, bequemen Liegelandschaft zum Schlafen aneinander. Als sie Stunden später endlich wieder erwachten, war es draußen bereits dunkel geworden. Derek tastete in seiner Jeans neben sich nach seinem Handy, einmal um für ein wenig Licht zu sorgen, die Schalter der im Raum befindlichen Lampen zu finden und diese anzuknipsen, aber auch um anschließend etwas in seinem Telefon nachzuschauen. Ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit: „Was führst du im Schilde, Hale?“ wollte Stiles wissen und streckte sich lasziv und immer noch ein wenig schläfrig. Dereks Grinsen wurde breiter: „Ich habe dir doch gesagt, dass ich dir gern etwas zeigen wollte. Es sieht aus, als könnten wir Glück haben.“ „Na dann los! Lass´ sehen, was du für mich hast!“ forderte der Jüngere. Derek schüttelte den Kopf und bestimmte: „Jetzt noch nicht! Nun gibt es erst einmal Abendessen.“ „Das klingt ebenfalls nach einer guten Idee.“ stimmte sein Ehemann zu und diesmal bauten sie ihr Picknick inmitten ihres Nachtlagers auf, wo sie es, nackt wie die waren verputzten und sich damit gegenseitig fütterten: „Verdammt, haben wir es gut!“ seufzte Stiles nach einer Weile und rieb sich zufrieden den gut gefüllten Bauch: „Es wird noch besser!“ versprach Derek: „Lass´ uns ein wenig Ordnung machen und dann kann die Show beginnen.“ „Ich bin gespannt.“ erwiderte Stiles und sie beseitigten die Spuren ihres Mahls. Derek grinste noch einmal, ehe er sämtliche Lampen wieder ausknipste. Dann vernahm Stiles das Geräusch eines kleinen Motors und wenig später erkannte er auch, was gerade vor sich ging. Ihr Haus hatte ein Dach, welches sich öffnen ließ, so dass sie jetzt nur noch eine Glasscheibe vom Himmel trennte. Und was das für ein Himmel war! Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah Stiles unendlich viele Sterne, welche über ihnen funkelten, wie kostbarste Juwelen. Der Mond war heute Nacht nicht weiter als eine schmale Sichel, so dass sein schwaches Licht die anderen Himmelskörper auch nicht überstrahlen konnte: „Das ist unheimlich schön.“ murmelte er, legte sich an Dereks Seite und platzierte seinen Kopf mit Blickrichtung in den Himmel in dessen Achsel: „Ist es und vielleicht wird es sogar noch besser?“ erwiderte sein Ehemann und seine Stimme war beinahe so etwas, wie ein andächtiges Flüstern: „Ich weiß gar nicht, ob ich bei solch einer Aussicht in dieser Nacht überhaupt irgendwann ein Auge zu tun werde?“ erwiderte Stiles versonnen. „Wir haben ja auch gerade erst geschlafen und haben nun reichlich Zeit, den Blick zu genießen.“ gab Derek zurück. Und so lagen die beiden Männer eine Ewigkeit lang einfach nur so in der Finsternis beieinander, Arm in Arm, Haut an Haut, eingewickelt in dieselbe Decke und starrten schweigend und versonnen in den Himmel. Dann plötzlich geschah etwas, das Stiles nur von Bildern, oder aus dem Fernsehen kannte: „Das ist es, was ich dir zeigen wollte, den Tanz der Feen.“ flüsterte Derek und Stiles konnte das Lächeln in seiner Stimme hören: „Polarlichter. Sie sind wunderschön!“ erwiderte er ehrfürchtig: „Und gleichzeitig ein wenig unheimlich, findest du nicht?“ Derek gab ein zustimmendes Brummen von sich: „Ich weiß dass es eine ganz nüchterne, wissenschaftliche Erklärung für dieses Phänomen gibt und dennoch... Wie muss das für die frühen Menschen gewesen sein? Kein Wunder, dass es ihnen wie das Werk von Göttern, Feen, oder anderen übernatürlichen Wesen vorgekommen sein muss.“ Das Paar beobachtete gebannt das grün-blaue, tanzende Lichtspiel hoch über sich in der Erdatmosphäre: „Danke dass du mir das gezeigt hast. Das werde ich wohl nie vergessen.“ flüsterte Stiles nach einer Weile: „Sehr gern.“ erwiderte Derek, rollte sich auf ihn und küsste sich dann ganz langsam von seinem Hals abwärts. „Nanu Sir? Was wird das denn jetzt?“ kicherte Stiles leise: „Weiß nicht?“ nuschelte sein Mann zwischen den Küssen: „Irgendwie überkommt mich wohl gerade die Romantik des Augenblicks?“ Stiles lachte: „So, so, du denkst also Blow-Jobs wären romantisch, ja?“ „Aber unbedingt!“ bestätigte Derek kichernd und machte sich sogleich fachkundig ans Werk. Und irgendwie hatte er Recht. Stiles lehnte sich zurück, genoss das Panorama und ebenso die überaus freundliche Behandlung, die ihm durch seinen Gatten in diesem Moment Zuteil wurde. Und nachdem er einen der besten Orgasmen seines Lebens erfahren hatte, beschloss er umgehend sich hierfür zu revanchieren, also verschwand er nun seinerseits mit dem Kopf unter der Decke, denn schließlich wusste er was sich gehörte, verfügte über so etwas ähnliches wie eine gute Kinderstube und war vertraut mit den Grundregeln schwuler Etikette. Später als die beiden im oxitocinseligen Nachklang eng umschlungen beieinander lagen, murmelte Stiles, bereits im Einschlafen begriffen: „So eine Fickhöhle ist toll. Bau´ mir eine, wenn wir wieder zuhause sind!“ „Wird erledigt.“ versprach Derek zufrieden in sich hinein grinsend Schon am nächsten Tag sollte ihre Reise weitergehen. Nachdem sich die beiden Männer von ihrem norwegischen Liebesnest verabschiedet hatten, ging es mit dem Geländewagen weiter. Aus der nun vor ihnen liegenden Autostrecke von insgesamt zwölf Stunden, machten sie eine Viertagestour quer durch Norwegen, Schweden und schließlich Finnland. Sie hielten auf dieser Strecke überall dort, wo es ihnen gefiel, bewunderten die Landschaft, machten Spaziergänge, nahmen sich Zeit die Ortschaften und Städte, welche sie passierten ausgiebig touristisch zu erkunden, schliefen in verschiedenen Hotels und wenn der Hunger sie trieb, probierten sie sich durch die unterschiedlichen Restaurants, welche die jeweiligen Landesküchen anboten. Am vierten Tag endlich hatten sie ihr nächstes Etappenziel erreicht, eine finnische Hafenstadt namens Oulu. Wie immer hatte Stiles keine Ahnung, was sie hier erwartete. Sie schlenderten ein wenig durch die Innenstadt, besichtigten das Rathaus und dessen prächtige Fassade, sowie die wunderschöne Domkirche und fuhren danach mit dem Auto hinunter zum Ostseehafen. Sie stiegen aus und gingen ein Stück. Irgendwann behauptete Derek dann: „Wir sind da!“ Stiles stutzte und wollte wissen: „Und wo genau sind wir?“ Derek deutete auf ein prachtvolles, großes Schiff: „Das da drüben ist die „Cora“, meine Yacht. Damit geht es ab jetzt weiter.“ Stiles fiel beim Anblick des riesigen Bootes vor Staunen die Kinnlade herunter: „Wow! Das ist total krass!“ rief er aus. Kapitel 77: Seefahrt Deluxe --------------------------- Derek liebte seine Reiche-Leute-Spielsachen, seine Autos, seinen Jet und natürlich auch seine Yacht. Und Stiles liebte IHN dafür, dass er sich wie ein kleiner Junge darüber freute, seinem Ehemann seine Spielzeuge stolz vorzuführen. Mit gut fünfzig Metern Länge lag Dereks Schiff gut hundert Meter unter der Größe der echten Giganten auf dem Markt, wie all diese Scheichs und russischen Oligarchen sie besaßen, war dem Milliardär sehr wichtig zu betonen, denn offenbar wollte er von Stiles nicht für einen Snob, sondern eher für bescheiden gehalten werden, wie dieser amüsiert schlussfolgert. Für Stiles jedoch war die „Cora“ immer noch unvorstellbar groß und er durfte nicht allzu genau darüber nachdenken, welche Verschwendung und ökologische Schweinerei es darstellte, solch ein Gefährt bloß für sie beide, nebst Bordcrew zu betreiben. Jedoch kam ihm in diesem Augenblick eine Idee, welche er seinem Ehemann, quasi als Wiedergutmachung, in einem günstigen Moment unterbreiten würde, sobald sie wieder zuhause wären. Dann würde er ihn nämlich fragen, ob er seine Yacht den Straßenkindern und den Pädagogen, die sie unterstützten, für einen kleinen „Urlaub von der Straße“ zur Verfügung stellen würde. So eine Auszeit und etwas Abstand würde den Kids sicherlich guttun und einigen von ihnen vielleicht sogar den Ausstieg aus diesem Leben erleichtern. Gut, hinterher wären wohl einige kleine Sanierungsarbeiten fällig, wenn sich hier eine Horde verwilderter Halbwüchsiger amüsiert hatte, aber was bedeutete das schon, im Hinblick auf den guten Zweck, welchem das Ganze diente? Ob Derek sein Prachtstück dafür wohl zeitweise hergeben würde? Vielleicht wenn Stiles ihn ganz lieb bitten würde, inklusive süßem Augenaufschlag? Konnte er da wirklich Nein sagen? Und es wäre doch ganz einfach perfekt. An Bord befanden sich immerhin unzählige Kajüten, die endlich mal genutzt werden würden. Stiles fragte sich ohnehin ernsthaft, was der Sinn von so viel Platz sein mochte, denn kein Mensch hatte schließlich so viele Freunde und Bekannte. Dann wurde ihm klar, dass Derek dieses Schiff vermutlich in erster Linie zu repräsentativen Zwecken nutzte, also Geschäftspartner und deren Familien einlud, um diese so zum Beispiel für neue Projekte und Investitionen zu gewinnen. So machten es reiche Geschäftsleute doch wohl, richtig? Das erklärte auch das Vorhandensein eines Ball- und Speisesaals, mit Platz für mindestens dreißig Personen. Es gab einen Fitnessraum, eine kleine Bibliothek und der Gipfel der Dekadenz war wohl der Pool auf dem Oberdeck. Wie kamen Menschen bloß auf die Idee, eine große Menge Wasser auf dem Wasser hin und her zu kutschieren? War das nicht vollkommen absurd? Doch weil Derek sich so sehr über all dies freute, vermutlich auch weil er es endlich einmal mit jemandem teilen konnte den er liebte, enthielt sich Stiles jeglichen kritischen Kommentars, sondern zeigte sich stattdessen angemessen beeindruckt. Als sie die große, bestens ausgestattete Bordkombüse betraten, gab es für Stiles dann ein unverhofftes freudiges Wiedersehen, denn dort trafen sie auf Jean Ribaux, Dereks Privatkoch. Der massige, herzliche Hühne begrüßte den Gatten seines Chefs mit übermütigen Wangenküssen und einer knochenbrecherischen Umarmung: „So gut dich zu sehen, Mann! Jetzt freue ich mich richtig auf´s Abendessen!“ versicherte Stiles strahlend und reckte und streckte sich, um sein Skelett nach diesem Empfang wieder ein wenig richten: „Es tut auch gut zu sehen dich, mon Petit!“ versicherte der Kreole leidenschaftlich: „Tes Amis sagen mir, sie vermissen dich. Ich soll grüßen.“ Seine Freunde vermissten ihn? Das versetzte Stiles einen kleinen sehnsüchtigen Stich, denn sie fehlten ihm ebenso: „Danke!“ erwiderte er mit einem kleinen Lächeln. „Willst du eigentlich sehen, wie wir ablegen, Stiles?“ unterbrach Derek dass Wiedersehen zwischen seinen Mann und seinem Angestellten. Stiles nickte, verabschiedete sich für´s Erste von dem Koch und folgte seinem Gatten zurück an Deck, wo sie Seite an Seite in bequemen Liegestühlen Platz nahmen und dabei zuschauten, wie das Festland nach und nach in der Ferne verschwand. Die Ostsee war war in keiner Weise wie der Pazifik, an dessen Gestaden ihre Heimatstadt Los Angeles gelegen war, stellte Stiles im Stillen fest. Das Wasser hier war nicht blau, sondern eher grau, ebenso wie der Himmel, welcher darüber hing. Der Anblick, untermalt von den melancholischen Rufen der Seevögel und dem Gesang der Wellen, stimmte einen ein wenig schwermütig, aber auf eine gute Weise; auf die Art nämlich, welche einen wünschen ließ ein Poet des achtzehnten Jahrhunderts zu sein, welcher epische, tragische Verse über die Kräfte der Natur erschuf. In den nächsten Tagen durchquerten sie das kleine europäische Binnenmeer in südlicher Richtung und ihr nächster Anlegehafen war Danzig in Polen, wo Stiles beim Landgang auf den Spuren seiner Ahnen wandeln konnte, die vor über zweihundert Jahren von hier aus in die USA ausgewandert waren. Und auch wenn der fitness- und figurbewusste Derek sich ein wenig zierte, ließ er sich von seinem Mann dazu überreden, in einem Restaurant mit Landesküche ein Mehrgänge-Menü mit reichlich Schweinefleisch und Teigwaren einzunehmen. Stiles versprach dafür im Gegenzug, dass sie sich die Mahlzeit gern später gemeinsam auf die amüsante Art ausgiebig wieder abtrainieren könnten. Wie konnte der Milliardär dazu wohl Nein sagen? In Deutschland wollte Derek Berlin besuchen und Stiles wollte nach Hamburg, also machten sie beides, erst mit einem Flieger und zwar ausnahmsweise einem ganz banalen Linienflug, von der Küste in die Hauptstadt und dann mit einem weiteren in die nördliche Hafenstadt. In beiden Städten wandelten sie auf den typischen Touristenrouten, lernten ein wenig über Geschichte und Kultur des europäischen Staates und Derek nahm dies zum Anlass, um Mode shoppen zu gehen, obwohl er daheim natürlich bereits über einen bestens gefüllten Kleiderschrank verfügte. Gern hätte der Milliardär auch Stiles reichlich beschenkt, doch dieser beteuerte nachdrücklich wirklich nichts zu brauchen und mit seiner gegenwärtigen Garderobe mehr als zufrieden zu sein. Der Kapitän hatte die „Cora“ unterdessen in die Hansestadt gesteuert, von wo aus es für das Paar auf dem Wasser weiterging auf ihrer Tour durch Europa. Sie reisten mittlerweile auf der Nordsee, umrundeten den britischen Inselstaat, machten an verschiedenen Orten Halt und besuchten selbstverständlich auch die Hauptstadt London. Von da aus ging es weiter nach Irland und die genossen ein paar Tage lang die wundervolle Natur der grünen Insel. In Frankreich war Derek selbstverständlich im siebten Himmel, denn hier genoss er endlich einmal die fantastische Küche vor Ort. Wie sich bereits zuvor gezeigt hatte, war das französische Essen nicht wirklich Stiles Favorit und er würde sich später von Jean noch mit einem deftigen Rindfleischsandwich verwöhnen lassen, doch dafür konnte er sich für Kunst und Architektur des Landes begeistern und von beidem gab es hier reichlich zu sehen. In Portugal verbrachten die beiden Flitterwöchner zwei Tage in der Hafenstadt Porto direkt am Atlantik, genossen den köstlichen örtlichen Portwein und das milde maritime Klima, flanierten an den lauen Abenden am Ufer des Flusses Douro und durch die romantischen kleinen Gässchen der Stadt. Sie besichtigten die städtische Kathedrale und die prunkvolle Igreja Sao Francisco mit ihren beeindruckend-schönen vergoldeten Schnitzereien und fuhren mit der historischen Straßenbahn. Die „Cora“ war mittlerweile im Mittelmeer entlang der europäischen Küste in Richtung Osten unterwegs. Es war Spätsommer, das Wetter war herrlich und da sie auf ihrer Reise bereits reichlich Kultur, Landschaft und Kulinarisches erfahren hatten, gönnten sie sich nun eine Weile einfach bloß schwimmen, faulenzen und sonnenbaden an den Stränden der südeuropäischen Staaten. Derek war es dabei nicht entgangen, dass Stiles seine Blicke hierbei schweifen ließ. Eine ganze Weile schwieg er dazu, doch dann am Strand von Mykonos einer griechischen Insel, die ganz offensichtlich von schwulen Urlaubern klar bevorzugt wurde, fragte er seinen Ehemann schließlich: „Gefällt er dir?“ „Huh? Wer?“ Stiles schien ratlos: „Na wer wohl?“ fragte Derek zurück: „Der Typ, dem du gerade hinterher gestarrt hast: Groß, breit, schwarzes Haar, grüne Augen...“ Stiles zuckte gleichgültig mit den Schultern: „Klar. Der sah gut aus. Scheinbar mag ich den Typ Mann?“ Er zwinkerte seinem Liebsten zu: „Ja, aber ich meine, würdest du ihn gern kennen lernen?“ erkundigte sich Derek vorsichtig. Stiles blickte ihn ratlos an: „Wie bitte? Warum sollte ich den denn kennenlernen wollen?“ Derek zögerte ein wenig, dann murmelte er irgendwann: „Wie haben noch nie über Monogamie gesprochen.“ Stiles hatte bis gerade eben bequem in seinem Liegestuhl gefläzt. Nun setzte er sich kerzengerade hin, funkelte Derek böse an und donnerte: „Was ist los? Reiche ich dir plötzlich nicht mehr, oder wie? Wir sind gerade mal ein paar Wochen verheiratet und du schlägst einen Dreier vor? Verdammt, was stimmt denn nicht mit dir?“ Derek hatte sich ebenfalls aufgesetzt, hob beschwichtigend die Hände und beteuerte: „Davon spreche ich doch überhaupt nicht. Glaub´ mir, ich habe keinerlei Interesse an irgendwem außer dir. Ich habe mich in meinem Leben reichlich ausgetobt. Aber was ist mit dir? Du hast das nicht getan und vielleicht denkst du ja, dass dir da eine Erfahrung fehlt? Ich will nur dass du weißt... ich würde dir nie im Weg stehen falls... ich meine, sofern es sich bloß um etwas Sexuelles handelt, verstehst du?“ Der Milliardär wirkte mit einem Mal überhaupt nicht mehr souverän und selbstbewusst: „Ob ich verstehe?“ pöbelte Stiles und scherte sich nicht im geringsten darum, was die anderen Badegäste um sie herum denken könnten: „Nein Derek, ich verstehe überhaupt nicht? Für was hältst du mich denn? Du weiß wie mein früheres Leben war. Denkst du echt, gerade ich hätte Lust, mich auf den nächstbesten dahergelaufenen, fremden Schwanz zu stürzen? Bist du eigentlich bescheuert?“ „Aber Stiles...!“ begann Derek hilflos, doch der Jüngere unterbrach ihn sofort mit einer gebieterischen Handbewegung: „Nein Mann, du hast jetzt gerade Sendepause! Ich will nichts mehr von dir hören!“ er erhob sich und schnappte sich Kleidung und Handtuch: „Du gehst?“ fragte Derek nervös: „Mir ist für´s Erste die Lust vergangen. Ich gehe zurück auf´s Schiff. Ich will allein sein.“ teilte Stiles mit, drehte sich auf dem Absatz um und stapfte durch den heißen, feinen Sand davon. Derek blieb nichts weiter übrig, als ihm hilflos hinterher zu schauen. Eineinhalb Stunden hatte er seinem Ehemann Raum gegeben, sich zu beruhigen, ehe er sich selbst wieder an Bord traute. Von da an hielt Derek sich stets in Stiles Nähe auf, schweigend, ohne diesem zu sehr auf die Pelle zu rücken, mit betretener Miene, hängendem Kopf und insgesamt ein Bild des Elends, bis Stiles schließlich seufzte: „Du bist echt ein Trottel, Hale!“ „Ich weiß.“ erwiderte der Angesprochene: „Ich liebe dich!“ Stiles trottete hinüber zu seinem Mann, welcher verloren und traurig auf einer Bank an Deck saß, nahm auf dessen Schoß Platz, fuhr mit den Fingern durch das dichte dunkle Haar und fragte: „Was soll ich nur mit dir machen, hm?“ „Mich behalten?“ schlug der Ältere hoffnungsvoll vor: „Ich schätze, das werde ich wohl.“ gab Stiles zurück: „Es tut mir so leid. Ich wollte dich wirklich nicht kränken.“ beteuerte Derek: „Weiß ich doch.“ versicherte Stiles: „Und was machen wir jetzt? Vögeln wir? Derek hob den Kopf, grinste zaghaft und nickte. Die beiden Männer verschwanden in ihrer Kajüte und versöhnten sich erst einmal ausgiebig, während die Yacht ein weiteres Mal ablegte und diesmal Kurs in Richtung Nordafrika aufnahm. Kapitel 78: Walk like an egyptian --------------------------------- Die „Cora“ lag mittlerweile im Hafen von Alexandria, wo die beiden Flitterwöchler von Bord ging. Das Schiff würde vorerst hier verweilen und das Paar würde zunächst auf dem Landweg weiterreisen. Ihr Gepäck für die nächsten Tage wurde ihnen bereits ins Hotel vorausgeschickt. Derek hatte einen Einheimischen als Reiseführer in Ägypten engagiert, einen schlanken, jungen Mann von etwa achtzehn Jahren, mit dichtem, pechschwarzem Haar, welches mal wieder einen neuen Schnitt vertragen könnte, da ihm der Pony bereits in die Augen zu wachsen drohte, wie Stiles auffiel. Er sprach recht passabel englisch und war westlich gekleidet in seinen Jeans, Turnschuhen und T-Shirt, was jedoch nicht drüber hinwegtäuschen konnte, dass die Kleidungsstücke abgetragen und nicht ganz sauber waren. Er hatte eine ebenmäßige, dunkle Haut und dunkelbraune Augen mit einem fröhlichen, spitzbübischen Funkeln darin. Er stellte sich ihnen als Abdel Hassan vor und berichtete, er sei das älteste von elf Kindern und da müsse er einfach etwas zum Familieneinkommen beitragen, weshalb er bereits seit sechs Jahren als Touristenführer arbeite und daher reichlich Erfahrung mitbringe. Er sei hier in Ägyptens Hauptstadt Kairo aufgewachsen und er würde ihnen alles zeigen, was seine wundervolle Heimatstadt zu bieten habe, versprach ihr Reiseführer strahlend. Stiles fand den Jungen spontan sympathisch. Zuerst besuchten sie das das ägyptische Museum. Stiles war ein wenig unwohl dabei, als er sich bewusst machte, dass es sich bei den Mumien, welche dort wie ganz gewöhnliche Ausstellungsstücke herumlagen, um die sterblichen Überreste von echten Menschen handelte, die vor langer Zeit einmal gelebt und geatmet hatten. Irgendwie hatte er das Gefühl ihre Totenruhe zu stören, indem er sie nun einfach so anstarrte, doch er sagte nichts dazu, weil er Derek, welcher vollkommen begeistert und fasziniert von der Ausstellung war, nicht die Freude daran nehmen wollte. Im koptischen Viertel besuchten sie die sogenannte „Hanging Church“, eine zweitürmige Kirche erbaut von den koptischen Christen im dritten Jahrhundert nach Christus. Allein das schiere Alter dieses Ortes flößte Stiles Ehrfurcht ein. Was hatten diese Mauern bereits alles überstanden und mit angesehen? Es war kaum vorstellbar. Ähnlich erging es ihm, als sie die „Al-Hakim-Moschee“ besichtigten, welche immerhin auch schon seit über tausend stolzen Jahren hier am selben Ort stand. Die Sonne brannte ihnen auf Köpfe und Schultern und ohne ihre Sonnenbrillen, die Creme mit dem Lichtschutzfaktor 30 und ihre Baseballkappen wären sie sicherlich verloren gewesen, als sie über den belebten „Khan El Khalil-Basar“ flanierten, denn nun am Nachmittag lag die Temperatur bei erbarmungslosen 45 Grad. Dennoch kam es Stiles aufgrund des trockenen Windes, welcher von der Wüste her zu ihnen hinüber wehte, immer noch einigermaßen erträglich vor. Daheim im schwülen Kalifornien wäre bei derselben Temperatur ein Leben außerhalb klimatisierter Räume wohl kaum noch vorstellbar. Stiles blickte sich neugierig um, beobachtete Händler, Einheimische und Touristen beim Feilschen, lauschte den Verhandlungen in der für ihn vollkommen fremden Sprache, sog die verführerischen, fremden Düfte nach Gewürzen, unterschiedlichen Speisen, Parfüms und vielem mehr ein und weidete seine Augen an dem fantastischen Durcheinander und dem Meer aus Farben. Gern hätte er sich einen Snack gekauft, oder hübsche Mitbringsel für seine Freunde zuhause, doch seine Sinne waren schlicht komplett überfordert. Er hätte sich hier spontan einfach für nichts entscheiden können. Als es Abend wurde, setzte Abdel Hassan sie bei ihrem Hotel, dem Royal Maxim Palace Kempinski Cairo ab. Ihr Reiseführer hatte sich bereits für den heutigen Tag verabschiedet und zum Gehen gewendet, da drehte er sich noch einmal um und raunte den Ehemännern zu: „Sie wissen, dass sie hier... vorsichtig sein müssen, oder? Hier ist es nicht wie bei ihnen in Amerika.“ Die beiden Flitterwöchner wussten sofort, was gemeint war, auch wenn es nicht direkt ausgesprochen worden war. Stiles und Derek hatten sich nicht bei den Händen gehalten, in irgendeiner Weise berührt und schon gar nicht geküsst, seit sie in Ägypten waren, doch irgendwie hatte der junge Mann offenbar trotzdem erraten, dass sie ein Paar waren. Stiles hatte keine Ahnung, was sie verraten haben mochte. Vielleicht hatte Abdel Hassan Derek aber auch bloß erkannt, weil er etwas über ihn in den westlichen Medien, oder im Internet erfahren hatte, denn immerhin war der Milliardär ja eine bekannte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens und in der jüngeren Vergangenheit war schließlich mehr über ihn berichtet worden, als dem Paar lieb gewesen war. Derek sah aus, als wollte er eine ärgerliche Erwiderung auf diese Anmaßung geben, doch Stiles kam ihm zuvor, weil er wusste, dass der Junge es lediglich gut mit ihnen meinte und dass es ihn eine Menge Überwindung gekostet haben musste, diese Worte auszusprechen: „Ja danke, wir passen auf.“ sagte er also schnell und wollte dann wissen: „Aber es ist hier in deinem Land nicht verboten, so wie wir zu sein, oder?“ Der Junge machte ein betretenes Gesicht: „Nicht verboten und nicht erlaubt. Einfach... Geheimnis.“ erwiderte er. Dann fügte er beinahe flüsternd hinzu: „Vielleicht werde ich auch einmal in Amerika leben. Und frei sein.“ Stiles brachen diese Worte beinahe das Herz, als er ihre Bedeutung ermaß. Gern hätte er etwas gesagt, doch er wusste nicht was und während er noch überlegte, winkte ihnen Abdel Hassan auch schon zum Abschied zu und verschwand dann beinahe fluchtartig, flink wie ein Wiesel. Im Hotel wurde der erfolgreiche Geschäftsmann Derek Hale von einem übereifrigen Concierge empfangen wie ein Prinz, während dieser sie beide hinauf in die teuerste Suite des Hauses begleitete. Auf Stiles Anwesenheit wusste sich dieser Mann offenbar keinen Reim zu machen machen, weshalb er von ihm nicht weiter beachtet wurde. Und im Grunde war Stiles dies auch ganz Recht, denn dieser buckelnde, kleine Speichellecker war ihm zutiefst unangenehm, so dass er froh war ihn los zu sein und sie die Türen hinter sich schließen konnten. „Endlich allein! Ich bin total erledigt.“ seufzte Stiles und stahl sich einen lang ersehnten Kuss von seinem Ehemann. Dabei bemerkte er, dass Derek irgendwie verstimmt wirkte, also fragte er: „Ist irgendwas nicht in Ordnung?“ „Was denkt sich dieser Kerl eigentlich?“ polterte der Milliardär los: „Wer? Der Concierge? Ja, ich konnte ihn auch nicht leiden.“ stimmte Stiles zu. Derek blickte ihn irritiert an: „Wieso der Concierge? Der war doch sehr freundlich und höflich?“ Stiles lachte verächtlich: „Ja zu dir und deinen Kreditkarten vielleicht. Mich hat er wie Luft behandelt.“ Derek wirkte bestürzt: „Oh Mann, das ist mir gar nicht aufgefallen. Das tut mir so leid. Weißt du was? Wir werden ihn jetzt sofort zur Rede stellen.“ versicherte er und war schon auf dem Weg zur Tür, doch Stiles hielt ihn am Arm zurück und beteuerte: „Das ist absolut nicht nötig. Ich pfeife drauf, was so einer von mir hält. Mach´ bitte keinen Aufstand deswegen, okay?“ Stattdessen wollte er wissen: „Aber wenn du nicht den Concierge gemeint hast, wen denn dann?“ „Na diesen Jungen! Wieso bildet der sich ein, uns sagen zu können, was wir tun und lassen sollen?“ empörte sich Derek. Stiles seufzte: „Er war bloß besorgt um uns. Er kennt sein Land und seine Kultur eben. Und er weiß aus erster Hand wovon er spricht.“ Derek wirkte verwirrt: „Wie? Aus erster Hand? Du meinst er ist...? Nein Blödsinn, das kann nicht sein.“ Stiles schüttelte den Kopf und machte ein Gesicht, als habe er einen Idioten vor sich: „Manchmal bist du wirklich ein bisschen langsam, oder Hale?“ Derek sah aus, als würde er angestrengt nachdenken. Dann erwiderte er geschlagen: „Ja, scheinbar bin ich das. “ Stiles lachte: „Na macht nichts, ich liebe dich trotzdem!“ Er begann damit, sich die Kleider vom Leib zu reißen und rief übermütig: „Wer zuerst in der Dusche ist.“ Dann flitzte er los. Derek folgte ihm lachend. Als das Paar am folgenden Morgen in die Lobby des Hotels kam, wartete dort bereits ihr überpünktlicher Reiseführer auf sie. Der Junge aus einfachen Verhältnissen nahm sich wie ein Fremdkörper aus in dieser noblen Umgebung und Stiles wunderte sich nur, dass er überhaupt hier geduldet wurde, anstatt vom Personal direkt vertrieben zu werden. Er wirkte so, als würde er sich an diesem Ort nicht recht wohlfühlen und Stiles konnte sich gut in ihn hineinversetzen. Auch er selbst war in all diesem Luxus nicht wirklich zuhause, trotz der langen Zeit, die er bereits an Dereks Seite verbracht hatte und er würde es auch niemals sein. Er würde für immer ein Gast in der Welt der Reichen bleiben, doch das war in Ordnung und es bedeutete nicht, dass er nicht die meisten der unglaublichen und außergewöhnlichen Erfahrungen, welche er mit Derek bereits gemacht hatte nicht hoch schätzte und sich an ihnen erfreute. Heute würden sie die größte und bekannteste Attraktion des Landes besuchen, das Weltkulturerbe und einziges der sieben Weltwunder, welches bis zum heutigen Tag noch existierte, nämlich die Pyramiden von Gizeh, welche gerade einmal fünfzehn Kilometer vom Stadtkern Kairos gelegen waren. Derek hatte für die Strecke einen Geländewagen gemietet, welcher glücklicherweise über eine Klimaanlage verfügte, denn obwohl es erst neun Uhr am Morgen war, betrug die Außentemperatur bereits sechsunddreißig Grad. Am Ziel angekommen und dem wohltemperierten Fahrzeug wieder entstiegen, traf die Männer dafür dann allerdings beinahe der Schlag, als ihnen die brüllend heiße Luft entgegenschlug. Es dauerte einige Minuten, ehe sie sich wieder einigermaßen akklimatisiert hatten. Sie waren bei weitem nicht die einzigen Menschen hier, was Stiles ein wenig bedauerte, denn die Touristenhorden, die hier mit ihren bunten Sonnenhüten und ihren Kameras hindurch trampelten, nahmen dem Ort einiges von seinem Zauber, ebenso wie die einheimischen Händler, welche sich hier niedergelassen hatten, um den Besuchern hässliche Andenken und billigen Schnick Schnack zu überhöhten Preisen anzudrehen. Und nun warnte ihr junger Reiseführer sie auch noch, gut auf ihre Wertsachen zu achten, da hier reichlich Taschendiebe unterwegs seien. Dennoch gelang es Stiles, all dies ein wenig auszuklammern und sich auf diesen magischen, einzigartigen Ort einzulassen. Er war allein schon von der Größe dieser Bauwerke zutiefst beeindruckt. Das höchste von ihnen, die Cheops-Pyramide sei ungefähr 140 Meter hoch, referierte Abdel-Hassan. Wie war es den Menschen damals vor 4500 Jahren bloß gelungen so etwas Grandioses zu erschaffen, ganz ohne dass ihnen dabei moderne Maschinen zur Verfügung gestanden hatten? Stiles fand es einfach unvorstellbar! Es dauerte mehr als dreieinhalb Stunden, ehe die Reisenden das gesamte Areal, sämtliche Pyramiden und selbstverständlich auch die weltberühmte Sphinx gesehen und bewundert hatten. Als sie danach wieder in ihrem Leihwagen saßen und in die Hauptstadt zurückkehrten, erklärte Stiles strahlend: „Das war wirklich unglaublich toll! Das werde ich mit Sicherheit niemals vergessen. Ich danke dir, dass du mir das gezeigt hast, Derek.“ Er hätte seinen Ehemann wohl nicht glücklicher machen können, als mit diesen Worten, denn genau dies war es ja, was Derek so unbedingt wollte, nämlich Stiles welcher ja noch nie irgendwo gewesen war zu zeigen, wie wunderschön und vielfältig diese Welt war. Abdel Hassan wollte von seinen Kunden wissen, was diese denn wohl als nächstes gern sehen wollen würden, oder ob sie möglicherweise Hunger hätten, doch da Stiles und Derek am Morgen in ihrem Hotelzimmer ein üppiges Frühstück eingenommen und überdies aufgrund der Hitze bislang noch keinen großen Hunger hatten, wollten sie als nächstes viel lieber irgendwo hingehen, wo man seinen Durst löschen könnte, da sie vollkommen ausgetrocknet waren; bevorzugt an einem Ort mit Klimaanlage. Ein Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht des jungen Reiseführers und er behauptete: „Ich weiß genau richtigen Ort!“ Der genau richtige Ort führte sie in eine eher schäbige, vorwiegend industriell genutzte Gegend Kairos und das Gebäude zu welchem Abdel Hassan sie führte, machte von außen zunächst wenig her. Der Eingang war mit einer schweren Stahltür verschlossen. Der junge Einheimische klingelte und blickte nach oben, in eine ein wenig versteckt angebrachte Kamera. Irgendwie hatten die Flitterwöchner die Befürchtung, dass hier etwas Illegales vor sich gehen könnte. Dennoch war es irgendwie abenteuerlich und sie waren neugierig, wohin es sie nun wohl verschlagen mochte? Als ein Summer ertönte und die Tür für sie geöffnet wurde, folgten sie dem jungen Mann also mit einer kleinen Spur Unbehagen einen wenig einladenden, kahlen Gang entlang. Nun wurde eine weitere Tür für sie geöffnet. Die Szenerie veränderte sich, denn sie betraten einen großen, einladenden Raum mit einer Bar, einer Bühne und vielen einzelnen Tischen, auf welchen Shishas standen und an welchen sowohl Einheimische, als auch einige Touristen saßen, rauchten und tranken. Fast alle Anwesenden waren Männer, wie Stiles nicht entging. Die Einrichtung war gemütlich, im orientalischen Stil gestaltet, mit farbenfrohen Motivwebteppichen an den Wänden und vielen bunten Lampen überall, welche den Raum in ein warmes Licht tauchten. Abdel Hassan führte die Ehemänner direkt zur Bar und raunte ihnen grinsend zu: „Es ist zwar „Haram“, aber hier können sie auch Alkohol trinken, wenn sie möchten.“ „Nein danke, aber nicht wenn es so heiß ist.“ lehnte Derek ab und Stiles schloss sich ihm an. Der junge Mann wirkte ein wenig enttäuscht, so dass Stiles sich beeilte zu versichern: „Aber du kannst dir doch ruhig etwas Alkoholisches bestellen, wenn du willst. Wir verraten es auch keinem.“ Abdel Hassan winkte ab. Scheinbar wäre dies für ihn nur eine Option gewesen, wenn er in Gesellschaft trank. Doch wenn selbst die Ungläubigen aus dem fernen, sündigen Amerika es ablehnten, konnte er es eben auch nicht tun. So waren offenbar die Regeln und da konnte man nichts machen. Eine interessante Logik, dachte Stiles im Stillen amüsiert. Sie nahmen einen der Tische in der Nähe der Bühne und erhielten dort ihre Getränke. Außerdem zogen sie jeder an seinem eigenen Mundstück der Shisha vor ihnen, was Abdel Hassan und Derek durchaus zu munden schien. Bei Stiles jedoch rief es lediglich einen angewiderten Gesichtsausdruck, gefolgt von einem Hustenanfall und begleitet von dem Kommentar aus, dass dies ja schlimmer als ein Zug aus Malias Bong sei und überdies auch noch viel weniger Spaß mache. Derek lachte und klopfte seinem Gatten erst einmal hilfreich auf den Rücken. Seit sie eingetreten waren, war im Hintergrund leise arabische Musik zu hören gewesen, doch diese verstummte nun urplötzlich. Außerdem wurde das Licht im Saal gedimmt und ein Scheinwerfer erleuchtete stattdessen die Bühne. Dann erklang erneut Musik, doch wesentlich lauter dieses Mal und sehr rhythmisch. Nun öffnete sich auf dem Podium ein glitzernder Vorhang und dahinter erschien eine umwerfend schöne Frau, welche nun ins Scheinwerferlicht trat und sogleich zu tanzen begann. Ihre schönen, riesigen, grünen Augen waren mit reichlich Kajal betont, die Sinnlich aufgeworfenen Lippen in grellem Rot geschminkt. Sie trug ein ausgesprochen knappes Outfit, bestehend aus einem Bustier und knapp über der Scham beginnende Pluderhose , welche lediglich Po und Genitalien blickdicht bedeckte, an den Beinen hingegen durchscheinend war. Das Kostüm war mehr als üppig mit Strass, kleinen Münzen und Glöckchen versehen, welche nun im Rhythmus des Tanzes lustig klingelten. Die Bewegungen der Tänzerin waren gleichsam kraftvoll, wie auch anmutig. Nach westlichen Maßstäben hatte sie sicherlich keine Idealmaße. Ihre Taille war schmal, doch Bauch, Hüften, Brust und Gesäß waren üppig und ihr Tanz brachte diese Kurven sinnlich in Wallung. Selbst Stiles musste zugeben, dass diese Darbietung sexy war. Sein Blick fiel auf Derek und diesem schien diese Vorführung ein wenig zu gut zu gefallen, so dass selbst sein Mund ein wenig offen stand, weshalb sein Ehemann ihm nun nicht eben sanft den Ellenbogen in die Seite rammte und giftig zischte: „Pass´ nur auf, dass du nicht auch noch anfängst zu sabbern!“ Da besann sich Derek auf seinen Geliebten und erwiderte mit einem verlegenen Lächeln: „Was hast du denn, Liebling? Du musst doch nicht eifersüchtig sein, nur weil ich die Vorführung genieße. Du weißt doch, dass ich dir treu ergeben bin, oder nicht?“ „Na, wie es aussieht kann ich dir dennoch nicht alles bieten, was dir so gefällt, richtig?“ murrte Stiles reichlich verschnupft. Derek nahm unter dem Tisch verstohlen die Hand seines Mannes und versicherte: „Du kannst vielleicht nicht alles sein, aber mit Sicherheit bist du alles was ich brauche.“ Leiser fügte er hinzu: „Ich bin verrückt nach dir und liebe dich über alles, weißt du das denn nicht?“ Ein wenig versöhnt gab Stiles also großzügig zurück: „Also gut, dann will ich mal nicht so sein. Genieße die Show, du Lustmolch!“ Er schenkte seinem Mann ein schiefes Grinsen. Abdel Hassan hatte während des Zwists zwischen den Liebenden still und starr vor sich auf das Tischtuch gestarrt und so getan, als sei er gar nicht da. Nun hob er erleichtert wieder den Kopf, traute sich weiter seine Cola zu trinken und verfolgte die Bauchtanzshow. Als sie das Etablissement nach einer ganzen Weile wieder verließen war es bereits früher Abend und den Hochzeitsreisenden begann der Magen zu knurren. Da sie nicht schon wieder im Hotel essen wollten fragte Stiles ihren Reiseführer, wo man gute und authentische ägyptische Küche genießen könne? Der junge Mann erklärte grinsend, dass seine Mutter mit Sicherheit die beste Köchin des ganzen Landes sei. Stiles hielt die angedeutete Einladung für einen Scherz und erwiderte, dass sie ja nicht einfach so bei seiner Familie einfallen und sich zum Abendessen ankündigen könnten, doch da hörte Abdel Hassan schon gar nicht mehr zu, denn er hatte bereits sein Handy gezückt und führte auf arabisch ein Gespräch. Als er wieder aufgelegt hatte, versicherte er eifrig: „Ist in Ordnung. Meine Mutter freut sich auf ihren Besuch!“ „Wie bitte? Aber... nein, das können wir wirklich nicht annehmen.“ erwiderte Derek überrumpelt: „Meine Mutter wäre gekränkt, wenn sie nicht kommen.“ gab der Junge zurück und wirkte im Grunde selbst irgendwie verletzt: „Hörst du das, Derek? Wir können diese Einladung nicht ausschlagen. Es wäre beleidigend.“ setzte Stiles nach, dem die Aussicht gefiel ein wenig mehr von Land und Leuten kennenzulernen, anstatt die ganze Zeit wie ein Tourist bloß von außen auf alles zu schauen: „Komm´ schon, Baby! Wir lernen Abdel Hassans Familie kennen. Das wird bestimmt nett werden. “ „Aber wir werden auf keinen Fall mit leeren Händen dort ankommen. Wir bringen wenigstens den Nachtisch mit.“ erwiderte Derek in einem Ton, welcher keine Gegenrede duldete. So stiegen die drei Männer also in den Leihwagen und fuhren los. Und einem Geschäft für Back- und Süßwaren machte wenig später ein Händler, das Geschäft seines Lebens, als der Milliardär nämlich dort gefühlt die Hälfte seines Bestandes aufkaufte. Die Familie ihres Reiseführers hauste in einer ärmlichen, heruntergekommenen Gasse in einer Art Innenhof. Der Duft von frisch gewaschener Wäsche, welche hier überall an langen Leinen zwischen den Häusern herumhing, mischte sich mit den Gerüchen nach gekochtem Essen, Müll und den Ausdünstungen aus der Kanalisation. Die eng beieinander stehenden Gebäude wirkten schäbig, einige gar akut baufällig, doch über ihren Köpfen, erlaubten sie einen hoffnungsvollen Blick auf ein kleines Stück blauen Himmels. Die Menschen lebten hier sehr nah beieinander. Ein Privatleben war da wohl kaum möglich, dachte Stiles bei sich, doch irgendwie fühlte er sich dennoch sogleich heimelig. Es erinnerte ihn irgendwie an jene Bauruine, in welcher er mit Scott damals gelebt hatte ehe er Derek kennengelernt hatte, zusammen mit so vielen anderen obdachlosen Kids. Er warf einen Blick neben sich auf seinen Mann, um zu sehen wie dieser mit dem Anblick derart ärmlicher Lebensverhältnisse zurecht käme, doch der Milliardär verzog immerhin keine Miene Stiles hatte zunächst die Befürchtung gehabt, dass er und Derek für all das Zeug, welches sie bei dem Süßwarenhändler erworben hatten, nicht genügend Abnehmer finden könnten, doch wie sich zeigen sollte war der Großeinkauf wahrlich keine schlechte Idee gewesen, da Abdel Hassans Familie riesig war und zum größten Teil aus Kindern bestand. Da waren zum einen seine zehn jüngeren Geschwister, welche sich sogleich begeistert auf die Süßigkeiten stürzten. Aber dann gab es da auch noch die einmal acht und einmal neun Kinder der Onkel und Tanten, welche hier ebenfalls in direkter Nachbarschaft wohnten. Stiles und Derek sahen sich im Nu umkreist von einer ganzen Horde von Bälgern mit leuchtenden Augen und schmuddeligen ausgestreckten Fingerchen, allesamt gierig darauf, ihren Anteil des Zuckerzeugs abzustauben. Die Männer kamen sich vor wie hochsommerliche Weihnachtsmänner. Nachdem Bonbons und Schokolade verteilt waren, ging es hinein zu den Erwachsenen. Neben den Geschwistern wohnte Abdel Hassan nämlich mit seinen Eltern und Großeltern zusammen. Und all diese Menschen teilten sich gerade einmal zwei kleine Zimmer, auf welchen sich das gesamte Familienleben abspielte: „Salam aleikum.“ grüßten die Gäste höflich beim Eintreten. „Aleikum Salam!“ antwortete Abdel Hassans Mutter Fatima, eine winzige, runde, freundliche Frau munter, zog die beiden Männer überhaupt nicht schüchtern an den Händen in das Innere ihres Heims und begann auf arabisch hektisch auf diese einzureden. Abdel Hassan hatte seine Mühe zu versuchen, den Wortschwall simultan zu übersetzen. Die anwesenden Erwachsenen, sogar die sehr Alten, saßen allesamt direkt am Boden, doch die Besucher aus dem Westen wurden gedrängt, sich auf kleinen Schemelchen niederzulassen, damit sie es bequemer hätten. Derek übergab die Kuchen, welche er besorgt hatte an die Gastgeberin, welche diese mit mit vielen weiteren Worten, welche unter dem Strich eigentlich bloß ein Dankeschön waren, entgegennahm. Die Kinder, nicht nur die Verwandten, sondern auch noch weitere aus der Nachbarschaft, drückten sich immer wieder in der Tür herum, um mit unverhohlener Neugier und untereinander tuschelnd die Gäste aus dem fernen Amerika zu begaffen. Sie mussten wiederholt von Abdel Hassan, welcher schimpfend die Fäuste in die Luft reckte, vertrieben werden. Stiles und Derek genossen die volle Dosis der legendären arabischen Gastfreundschaft und wurden mit Tee und Knabbereien versorgt, während im Hintergrund Fatima am holzbefeuerten Ofen das Abendessen richtete. Und während man in Amerika wohl eher den Fernseher abstellen würde, wenn Besucher kamen, wurde das alte Röhrengerät, welches hier an der Decke hing, extra für Stiles und Derek zur Unterhaltung angestellt. Stiles überlegte, wo die vielen Menschen wohl schlafen mochten, doch dann fiel sein Blick auf einen Stapel dünner Matratzen in einer Ecke hinten im Raum. Da wurde ihm klar dass sich bei Nacht dieses Zimmer in ein einzigen großes Bettenlager verwandelte. Doch Stiles Überlegungen gingen noch weiter. Wie schaffte man es wohl bei solch beengten Wohnverhältnissen immerhin elf Kinder zu produzieren? Da musste man schon ausgesprochen gut im Organisieren sein und jede sich bietende Gelegenheit nutzen, richtig? Stiles würde diese Frage selbstverständlich nicht stellen, denn er war schließlich nicht vollkommen taktlos. Stattdessen wollte er von ihrem Reiseführer wissen, ob er eigentlich häufig seine Kunden zum Essen mit nachhause brächte? Abdel Hassan wirkte ertappt. Er schüttelte den Kopf: „Nein, eigentlich habe ich das noch nie getan.“ erklärte er. Stiles war gleichfalls überrascht und fühlte sich zutiefst geschmeichelt. Wie sich zeigen sollte, hatte Abdel Hassan nicht übertrieben, denn das Essen welches seine Mutter auf den Tisch brachte, war zwar einfach, aber dennoch köstlich. Es gab Couscous mit einer Soße aus Tomaten, Gemüse, Kichererbsen, jedoch lediglich ein paar verstreuten Brocken Hammelfleisch, weil mehr davon für eine so große Familie vermutlich unerschwinglich wäre. Doch das machte überhaupt nichts fand Stiles, denn man schmeckte die Liebe in jedem einzelnen Bissen. Derek versuchte sich sein Befremden darüber nicht anmerken zu lassen, dass die ganze Familie aus derselben, riesigen, tellerartigen Schale speiste und die meisten von ihnen gar mit bloßen Fingern aßen, wobei man für ihn und seinen Mann glücklicherweise Löffel vorgehalten hatte. Stiles hingegen fand es großartig. Er hatte um authentische Küche gebeten? Dies hier war sie, also ließ auch er das Besteck ganz einfach weg und hatte großen Spaß dabei. Nach dem Essen fragte Derek seinen Mann raunend: „Sollte ich diesen Leuten vielleicht Geld für das Essen geben?“ „Wenn du sie schwer beleidigen willst, dann mach das ruhig.“ erwiderte Stiles kopfschüttelnd: „Du warst hier zu Gast. Gibst du ihnen Geld, weist du diese Gastfreundschaft zurück. Willst du das etwa?“ Derek sah erschüttert aus und schüttelte den Kopf. Sie verabschiedeten sich von den diversen Familienmitgliedern und bedankten sich vielmals für die Essenseinladung, ehe sie sich von ihrem jungen Reiseführer zu ihrem Wagen zurückbringen ließen. Auch von Abdel Hassan nahmen sie nun endgültig Abschied, denn morgen früh würden das Paar Ägypten verlassen. Aber Derek fand doch noch einen Weg, sein Geld loszuwerden, denn anstatt der eintausend ägyptischen Fund, welche das vorab vereinbarte Honorar für die Dienste ihres Reiseführer gewesen ist, überreichte er dem Jungen eintausend US-Dollar, also beinahe das zwanzigfache der abgesprochenen Summe. Dem jungen Mann gingen beinahe die Augen über, denn innerlich rechnete er wohl schon nach, wie lange er seine Familie damit ernähren könnte. Doch dann besann er sich und erklärte kopfschüttelnd: „Nein Sir! Das kann ich nicht annehmen. Das ist viel zu viel. Das wäre Unrecht.“ Derek wollte widersprechen, doch Stiles kam ihm zuvor, schloss die Finger des Jungen um den Geldschein und erklärte lachend: „Nimm es einfach an! Für jemanden wie Derek ist das doch bloß Spielgeld. Er kann es sich leisten und du und deine Familie könnt es doch sicher gut gebrauchen. Komm, steck es schnell ein, ehe es noch jemand sieht und dich beklaut!“ Und dies tat der Junge mit einem schüchtern Lächeln und während er sich ein paar dutzend Mal bedankte. Doch Derek hatte noch eine andere Überraschung für den jungen Mann parat. Er überreichte Abdel Hassan eine seiner Visitenkarten und raunte ihm zu: „Falls du tatsächlich ernsthaft darüber nachdenkst, irgendwann einmal nach Amerika zu kommen, um dort zu leben, dann kannst du mich in ein paar Wochen anrufen. Vielleicht kann ich dir mit dem Visum helfen und du kannst ein bezahltes Praktikum in meiner Firma machen, oder so. Wie klingt das?“ Der Junge strahlte über das ganze Gesicht, nahm die Karte entgegen wie ein Heiligtum und flüsterte: „Das klingt wundervoll!“ Er steckte das kleine Stück Pappe sorgfältig weg, bedankte sich nochmals überschwänglich und dann verabschiedete er sich. „Du bist ein guter Mensch, Derek Hale!“ sagte Stiles lächelnd, als sie wieder unter sich waren, doch Derek widersprach: „Nein, ich bin nur mit einem guten Menschen verheiratet und habe das Glück, von ihm zu lernen.“ Stiles seufzte: „Verdammt, ich würde dich jetzt so gern küssen. Ich liebe dich, Mann!“ „Ich liebe dich auch!“ versicherte Derek, griff verstohlen nach der Hand des Jüngeren und drückte sie kurz, ehe sie in ihren Leihwagen stiegen und zurück in ihr Hotel fuhren. Kapitel 79: Rock the casbah --------------------------- Das nächste Ziel der Hochzeitsreisenden am kommenden Tag sollte Algerien sein. Derek berichtete seinem Ehemann, dass er dessen Hauptstadt schon immer hatte besuchen wollen und dies lediglich aufgrund eines Filmes aus dem Jahr 1936 mit dem Titel „Im Dunkel von Algier“, welchen er sehr lieben würde. Sie hatten sich diesen am Abend noch im Hotel auf Dereks Handy angeschaut, aber entweder lag es daran, dass die Bedeutung dieses Uralt-Streifens sich auf dem winzigen Bildschirm nicht recht entfalten konnte, oder Stiles fehlte einfach der Sinn für diese Kunstform. Er verstand bloß, dass es sowohl eine Gangster- als auch eine dramatische Liebesgeschichte war und das Ganze wurde serviert in schwarz/weiß und auf französisch mit englischen Untertiteln. Offensichtlich, so musste Stiles sich eingestehen, war er wohl ein Kunstbanause, mehr der Typ „Blockbuster“, als „Cinema des Arts“. Derek und Stiles hatten frühmorgens einen Direktflug von Kairo nach Algier genommen. Die „Cora“ würde erst in etwa zwei Tagen gemütlich auf dem Wasserweg folgen und ein Hotel würden sie sich ganz einfach vor Ort suchen. Sie reisten ohne nennenswertes Gepäck, hatten lediglich eine kleine Umhängetasche mit Kleidung für diesen Zeitraum, mit ihrem Geld, ihren Handys und ihren Papieren bei sich und Stiles musste ein wenig über seinen steinreichen Ehemann lächeln, der sich allein deswegen offenbar bereits wie ein echter Abenteurer, ein Draufgänger, ja gar ein Backpacker vorkam. Einen Reiseführer hatte Derek trotzdem engagiert, jemanden der die Landessprache sprach und entsprechende Ortskenntnisse besaß. Er holte die beiden Amerikaner direkt am Flughafen ab. Said war ein Mann Anfang fünfzig, nicht sehr groß, schmal, in abgetragener Stoffhose, schmuddelig wirkendem Oberhemd in offenen Sandalen, aus denen staubige, wenig gepflegte Zehen hervorlugten. Der leichte Silberblick gab ihm etwas vermeintlich Liebenswertes, doch irgendetwas sträubte sich in Stiles gegen diesen Mann. Andererseits musste der Kerl ja nicht ihr neuer bester Freund werden, sondern sollte einfach nur seinen Job machen, entschied er und schob sein Unbehagen beiseite. Und wie sich zeigen sollte, kannte Said die Stadt offenbar tatsächlich wie seine Westentasche und war auch seinerseits bekannt, wie ein bunter Hund. Wo sie auch hinkamen, wurde er von Einheimischen, von Straßenhändlern, Marktstandbetreibern und Menschen die vom Tourismus lebten gegrüßt. Und es war nicht schwer zu durchschauen, was diesen Mann so beliebt machte, denn wo immer sie hinkamen versuchte er diesen Leuten ein Geschäft zuzuschanzen, indem er die beiden Reisenden zu überreden versuchte, deren Waren zu kaufen, oder ihre Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Und viel öfter als Stiles lieb war, hatte er bei Derek damit auch Erfolg, doch er mischte sich nicht ein. Sein Ehemann war schlau genug um zu bemerken, was dieser Kerl für ein Schlitzohr war und es tat ihm ja nicht wirklich weh, denn Geldsorgen hatte er ja wahrlich keine. Und so kosteten sie eben Datteln, Baklava, CousCous mit dünner Tomatenbrühe, reichlich Gemüse und tranigem Hammelfleisch und Orangen, welche um Längen besser waren als jene, die in ihrer Heimat Kalifornien gediehen. Sie ritten auf Kamelen, fuhren in einem Eselkarren und Derek verteilte reichlich Dollarscheine an schmutzige kleine Kinderhände, die ab und an in kleinen Scharen angerannt kamen, um die merkwürdigen, bleichgesichtigen Fremden anzubetteln. Stiles entging dabei nicht, dass Algerien touristisch deutlich weniger erschlossen war, als das Nachbarland Ägypten. Hier fielen er und Derek als Reisende aus einem fernen Land jedenfalls deutlich auf und die ihnen geltenden Blicke, welche sich in einem Spektrum von unverhohlener Neugierde bis hin zu Skepsis und Misstrauen bewegten, sprachen eine deutliche Sprache. Ihr Reiseführer Said zeigte ihnen die Sehenswürdigkeiten seiner Stadt. Sie besuchten das Märtyrer-Denkmal, welches an die gefallenen Kämpfer des Unabhängigkeitskrieges gegen die französischen Besetzer erinnerte, welcher im Jahr 1962 geendet hatte. Eingeweiht wurde das Monument, ein hoher Turm aus drei aufstrebenden, sich in der Mitte treffenden Säulen, zwanzig Jahre nach Kriegsende am 05.07.1982. Stiles staunte, als Said ihnen eine riesige römisch-kaholische Wallfahrtskirche, die „Basilique de Notre-Dame d’Afrique“, also die „Basilika Unserer Lieben Frau von Afrika“ präsentierte. Damit hätte er in einem islamisch geprägten Land wie diesem nicht gerechnet. Und es verwunderte auch nicht, dass Derek und er erst an diesem Ort die ersten anderen Ausländer abgesehen von ihnen selbst antrafen, wobei es sich bei diesen hauptsächlich um Europäer handelte. Das Gebäude war alt, man sah ihm die Spuren von Zeit, Wind und Wetter an, auch wenn man erkennen konnte, dass hier in der Vergangenheit bereits einmal aufwendige Sanierungsarbeiten vorgenommen worden sein mussten. Die rundlichen Formen der Basilika, das schöne Ornamentband rund um die Außenfassade, sowie die aufwendigen Wandmalereien im Innenraum beeindruckten Stiles zutiefst. Die Flitterwöchner besichtigten überdies einige Moscheen, zwei Museen und den botanischen Garten der Stadt. Der Muezzin rief bereits zum Maghrib, dem Abendgebet, die Sonne stand schon tief und Stiles hatte im Grunde längst genug und hätte nichts dagegen gehabt, seine wehen Füße in einem kuscheligen Hotelbett hochzulegen, doch irgendwie bekam sein Liebster den Hals von Land, Leuten und Kultur nicht voll und wollte unbedingt noch die berühmt-berüchtigte Kasbah, die Altstadt Algiers, ein verschlungenes, lebhaftes, bevölkertes Netz aus Straßen und Gassen und dem hauptsächlichen Drehort von Dereks Lieblingsfilm besichtigen. Da wollte Stiles kein Spielverderber sein und ließ sich darauf ein. Mit ihrem Reiseführer durchstreiften sie nun also auf krumm getretenem Pflaster die engen, teilweise vollkommen heruntergekommenen, überfüllten Gassen. Es dauerte eine ganze Weile, ehe die beiden amerikanischen Touristen realisierten, dass sie Said im Gedränge verloren hatten. Und während die sich noch suchend nach ihm umschauten, näherten sich ihnen unbemerkt zwei fremde Kerle, entrissen Derek die Tasche mit all´ ihren Habseligkeiten und sprinteten blitzschnell davon. Zwar bemerkte der Milliardär rasch was geschehen war und folgte den Männern und Stiles tat es ihm nach einer kurzen Schrecksekunde gleich, doch auf diesem verwinkelten und unbekannten Spielfeld hatten sie keine Chance, die Diebe einzuholen. Die Fremden entkamen mit ihren Sachen, verschwanden in irgendeinem Eingang und es fehlte jede Spur von ihnen. Das Paar suchte noch über eine Stunde lang verzweifelt nach ihnen, ebenso wie nach ihrem Reiseführer, doch sie blieben erfolglos und mittlerweile war bereits die Nacht heraufgezogen: „Verdammt, verdammt, verdammt!“ fluchte Derek laut, als ihm klar wurde, was das bedeutet. Sie hatten nun nichts mehr, keine Pässe, keine Telefone, kein Geld, keine Kreditkarten, ja nicht einmal etwas wärmeres zum Anziehen, denn nachdem die Sonne verschwunden war, war es reichlich kühl geworden: „Was machen wir denn jetzt? Wir sitzen in diesem Land fest und haben nur noch das, was wir am Leib tragen. Wir sind komplett geliefert!“ Stiles spürte die aufkommende Panik in seinem Ehemann sofort und liebend gern hätte er ihn in den Arm genommen und geküsst, um ihn zu beruhigen, doch ihm war klar, dass zwei Männer dies in diesem Land nicht einfach so tun konnten und so nahm er einfach nur verstohlen Dereks Hand und erwiderte sanft: „Shh, alles wird gut! Wir finden einen Weg, Babe! Lass´ uns erst einmal aus diesem Labyrinth heraus zurück auf eine Hauptstraße finden und dann sehen wir weiter, in Ordnung?“ Derek nickte ohne große Überzeugung. Stiles blickte sich um und bedeutete Derek dann, ihm zu folgen: „Wir müssen nach oben und irgendwo einen Aussichtspunkt finden, um uns einen Überblick zu verschaffen. Dann sehen wir, in welche Richtung wir gehen müssen.“ Derek hätte sich treten können, weil ihm das nicht selbst eingefallen war! Tatsächlich fand Stiles einen Punkt, von dem aus er die Stadt sehr gut überblicken konnte und erklärte, auf die entsprechende Orte deutend: „In dieser Richtung ist das Meer. Wenn alle Stricke reißen sollten, dann suchen wir uns dort am Strand irgendwo ein windgeschütztes Plätzchen, um auf den Morgen zu warten, aber ich würde zuerst versuchen, dort drüben hin zu gelangen. Da sind noch etliche Cafés und Geschäfte geöffnet und vielleicht finden wir dort jemanden, der uns versteht und uns helfen kann?“ Derek nickte lediglich. Eine Nacht am Strand, mit nichts, nicht einmal einem Schlafsack, ohne Nahrung, oder Wasser? Er hoffte inständig, dass sich ihnen eine bessere Möglichkeit eröffnen möge. Was wenn sie dort überfallen und ermordet werden würden? Er spürte wie seine Panik wuchs. Absolut nichts in seinem Leben hatte ihn jemals auf eine Situation wie diese hier vorbereitet. Geld und sein bekannter Name hatten ihm stets alle Türen geöffnet und nun war er hier in einem fremden Land, wo er sich nicht im Geringsten auskannte und dessen Sprache er nicht sprach. Sein Schicksal hing davon ab, dass irgendwer ihm half, denn er selbst hatte absolut keine Kontrolle über die Situation. Und nichts hasste der Geschäftsmann mehr, als den Zustand der Ohnmacht! Als habe Stiles seine Gedanken erraten, hakte er sich nun bei ihm unter und sagte sanft: „Ich verspreche dir, alles wird gut, Babe! Zum Glück sind wir zusammen und passen auf einander auf. Wir schaffen das.“ Derek musterte Stiles eindringlich. Der Milliardär hatte keinen Schimmer, woher sein Mann diese Zuversicht nahm, doch sie wirkte absolut aufrichtig und so entschied er, seinen Worten Glauben zu schenken. Während sie noch ihren Ausgang aus der Kasbah suchten, bemerkte Stiles, dass Derek sich laufend suchend umblickte: „Ich hoffe ja immer noch, dass wir vielleicht unseren Reiseführer wiederfinden.“ kommentierte der Ältere sein Tun. Stiles zuckte mit den Achseln und gab zurück: „Also ehrlicherweise glaube ich nicht, dass es Zufall ist, dass er unmittelbar vor dem Diebstahl verschwunden ist. Ich vermute, dass dieser Said mit den beiden Typen, die uns ausgeraubt haben gemeinsame Sache gemacht hat. Er hat zwei einfältige Touristen mit Geld gesehen und seine Chance gewittert, denkst du nicht?“ Derek wurde ein wenig blass: „Glaubst du wrklich? Oh Mann, ich bin so ein Idiot!“ schimpfte er: „Bist du nicht!“ versicherte Stiles: „Ich bin einfach schon viel öfter Typen wie ihm begegnet, das ist alles. Ich hatte gleich ein komisches Gefühl bei ihm. Es tut mir leid, dass ich nicht darauf gehört und etwas gesagt habe.“ „Du musst dich für nichts entschuldigen, Süßer.“ gab Derek zurück: „Lass´ uns einfach nur versuchen, aus dieser Misere schnell wieder herauszufinden. Ich würde ungern zwei Tage lang hier darauf warten, dass meine Yacht uns hier aufliest, wenn wir längst komplett verdreckt, verhungert und verdurstet sind.“ Stiles musste an dieser Stelle ein wenig lachen: „Das liebe ich besonders an dir, mein Schatz, nämlich dass du so ein optimistisches Sonnenscheinchen bist.“ Und tatsächlich ließ sein Ehemann sich einen kurzen Moment von dieser Heiterkeit anstecken und stimmte in das Lachen ein. Als die beiden Männer die zuvor erspähte Hauptstraße erreicht hatten, begannen sie dort Passanten anzusprechen und um Hilfe zu bitten, doch leider kamen sie mit den beiden Sprachen, welche sie fließend beherrschten, nämlich englisch und spanisch, nicht besonders weit. Und dass Derek auf französisch im Restaurant luxuriöse Speisen bestellen konnte, half ihnen hier ebenso wenig weiter, wie die paar Brocken französisch, die Stiles von Jean Ribaux aufgeschnappt hatte, weil dieser sie immer mal wieder in ihre Gespräche einfließen ließ. Erst nach einer ganzen Weile traf Stiles in einem kleinen Straßenrestaurant auf eine Gruppe junger Männer, welche neben arabisch und französisch auch ein paar Brocken englisch sprachen. Ihnen konnte er mit Ach und Krach verdeutlichen, dass sie sich in einer Notlage befanden und dringend telefonieren müssten. Und tatsächlich war einer von ihnen so freundlich, den beiden Fremden sein Handy zu leihen: „Und wen wollen wir nun anrufen?“ wollte Stiles nun von Derek wissen. Wie zu erwarten war, entschied sich sein Ehemann für seinen Freund und Geschäftspartner Deucalion, was sich als weiser Entschluss erweisen sollte, denn nicht nur versprach dieser, sich um alles zu kümmern, er sprach überdies auch fließend französisch und ließ sich den Besitzer des Telefons für ein paar Instruktionen geben, was nun zu tun sei. Als Derek seinen Freund nach einer Weile wieder am Apparat hatte, erklärte dieser ihm: „Ich habe diesem Burschen erklärt, dass ihr ausgeraubt worden seid und Hilfe braucht. Wer du bist habe ich ihm verschwiegen, um nicht zu riskieren, dass er am Ende noch denkt, es würde sich finanziell lohnen, dich zu entführen, oder so, aber ich habe ihm eine großzügige finanzielle Entschädigung versprochen, wenn er für euch beide erst einmal etwas zu essen und zu trinken ordert und euch anschließend ins „Hilton Algiers“ fährt. Er hat ein Auto, wie er mir versichert hat. Ich reserviere dort ein Zimmer für euch und kümmere mich um alles weitere. Ich schlage vor, wir sprechen noch einmal, wenn ihr im Hotel angekommen seid, einverstanden?“ Derek atmete erleichtert auf, stimmte zu und bedankte sich, ehe er das Telefon an seinen Besitzer zurückreichte. Er und Stiles setzten sich zu den jungen Männern an den Tisch und es wurde für sie etwas geordert, dass sich „Shakshuka“ nannte. Hinter diesem Namen verbarg sich ein pikantes Gemüsegericht mit darüber aufgeschlagenen Eiern und den Reisenden, welche bereits seit vielen Stunden nichts mehr gegessen hatten kam es vor, wie das reinste Ambrosia. Zu trinken gab es Gazoz, was im Grunde einfach nur eine farbintensive, extrem süße Limonade war, welche in einer schwitzenden, dickwandigen Glasflasche serviert wurde. Sie schmeckte für ihre amerikanischen Gaumen abscheulich, doch sie waren derart durstig, dass sie es dennoch in einem Zug hinunter stürzten. Das Auto ihres Retters entpuppte sich als uralter Peugeot-Pick-Up-Truck ohne Verdeck, welcher im Grunde mehr nach Altmetall, als nach einem wirklichen Fahrzeug aussah und den Hochzeitsreisenden wurde ein Platz auf der Laderampe angeboten. Zu ihrer Überraschung sprang der Wagen jedoch anstandslos an. Auf holprigen Straßen wurden sie tüchtig durchgerüttelt und handelten sich mit Sicherheit den einen oder anderen blauen Fleck ein. Dennoch wurden sie nach etwa einer halben Stunde Fahrt wie versprochen in einem Stück vor dem „Hilton Algiers“ abgesetzt. Sie verabschiedeten sich von ihren Rettern mit einem „Merci Beaucoup“, denn dafür reichte ihr französisch gerade aus und damit war ihr kleines Abenteuer für diesen Tag beendet. Im Hotel hingegen erwartete sie nun das komplette Kontrastprogramm. Ein übereifriger Portier erwartete sie bereits in der Lobby und führte sie in ihre luxuriöse Suite, welche Deucalion für sie geordert hatte und wo bereits Pyjama für die Nacht und je eine komplette Garnitur Kleidung für den kommenden Tag für sie bereitlagen, sowie eine Auswahl an Süßigkeiten, eine Flasche Champagner und zwei Kristallgläser: „Dein Kumpel Deuc ist ein Genie!“ kommentierte Stiles glücklich, lümmelte sich auf eines der Sofas im Wohnraum der Suite und stopfte sich eine handvoll Pralinen in den Mund. Der Portier zog sich diskret zurück und Derek setzte sich erst einmal ans Telefon, um sich bei dem „Genie“ zu bedanken und das weitere Vorgehen zu besprechen. Als er wieder bei Stiles saß, wirkte er irgendwie schuldbewusst, so dass sein Ehemann seine Hand nahm und wissen wollte: „Was ist los, mein Großer, hm? Gibt es Schwierigkeiten?“ Derek sah ertappt aus und fragte kleinlaut: „Wäre es sehr schlimm, wenn wir morgen früh wieder nachhause fliegen würden? Deucalion braucht nämlich offenbar meine Unterstützung bei einem geschäftlichen Projekt. Aber wenn du noch nicht zurück willst, dann bringe ich dich an jeden Ort, den du noch sehen willst und komme nach, sobald ich kann, versprochen!“ Stiles lächelte und schmiegte sich an ihn: „Nein Babe, ich komme mit dir. Das war eine lange, aufregende Tour, aber ich vermisse auch irgendwie meine Freunde und mein Zuhause. Irgendwann gehen wir bestimmt wieder einmal auf Reisen, aber für´s Erste reicht es, denke ich. Außerdem will ich nicht ohne dich irgendwo sein. Ich liebe dich und mein Leben ist bei dir, weißt du?“ Derek grinste zufrieden und schloss die Arme um ihn: „Ja, so geht es mir auch. Also geht es morgen nachhause.“ Er schenkte für sie beide Champagner ein, reichte Stiles sein Glas, doch ehe er einen Schluck nahm, gab er zu: „Ich komme mir irgendwie total lächerlich vor. Als unsere Sachen weg waren und du mir in Aussicht gestellt hast, dass wir vielleicht sogar irgendwo am Strand übernachten müssten, da dachte wirklich, es wäre nun aus mit uns. Ich glaube ohne deine Zuversicht und Tatkraft hätte ich gar nicht gewusst, was ich tun sollte. Und einen Anruf später sitze ich wieder in der teuersten Suite eines Hotels, trinke Champagner und für alles wird gesorgt. Wie erbärmlich ist das denn bitte?“ Stiles schenkte ihm einen zärtlichen Blick und versicherte: „Ach komm´ schon Großer, du bist doch nicht erbärmlich. Du bist in solchen Situationen einfach überhaupt nicht erfahren, das ist alles. Ich aber sehr wohl. Ich stand schon oft ohne einen Cent da und wusste nicht, wo ich nachts schlafen sollte. Aber ich habe eben auch die Erfahrung gemacht, dass das Leben immer irgendwie weitergeht, dass sich stets etwas findet und man manchmal auch Hilfe von wildfremden Menschen erfährt, wenn man darum bittet. Und darum hatte ich vorhin auch keine große Angst.“ Er schüttete seinen Champagner in einem Zug hinunter und fragte mit schelmischem Grinsen: „Weißt du, was ich jetzt tun werde? Ich gehen sehr, seeehhr lange Duschen. Und du kommst mit!“ „Bin dabei!“ versicherte Derek. Die Flitterwöchner sprangen auf, liefen los und hinterließen kichernd eine Spur aus schmutzigen Kleidern auf ihrem Weg ins Bad. Kapitel 80: Kleine Überraschung ------------------------------- Derek und Stiles waren gerade erst wach geworden, es war kurz nach neun am Morgen und schon schien das Telefon nicht stillstehen zu wollen. Der erste Anrufer war der amerikanische Botschafter Algeriens, welcher tatsächlich anbot, sich höchstpersönlich in etwa einer Stunde mit ihnen in der Hotellobby zu treffen, um ihnen Passersatzdokumente für die Ausreise auszuhändigen. Stiles konnte immer wieder bloß darüber staunen, was alles möglich war, wenn man reich und berühmt war. Jeder Otto-Normalverbraucher in ihrer Lage hätte vermutlich wochenlang darauf warten und beharrlich immer wieder nachhaken müssen, um an diese wichtigen Papiere zu kommen und den Botschafter hätte er mit Sicherheit niemals in persona getroffen, so schätzte er. Als das nächste Mal das Telefon klingelte, war es der CEO der pariser Zweigstelle des Hale-Unternehmens, welcher seinem Chef mitteilen wollte, dass er über dessen Misere des gestrigen Tages in Kenntnis gesetzt worden war und dass der hiesige Firmenjet soeben aufgetankt würde, um Mr. Hale und seinen Gatten um die Mittagszeit am Flughafen Algier abzuholen und zurück nachhause in die USA zu bringen. Danach rief Deucalion an, um sich zu vergewissern, ob Stiles und Derek sich bereits von dem gestrigen Schrecken erholt hätten und auch um zu fragen, ob der amerikanische Botschafter sich wegen der Papiere und der CEO aus Paris sich wegen des Fliegers gemeldet hätten. Derek hatte seinen Freund damit aufgezogen, dass er eine absolute Glucke sei, versichert aber auch, dass alles bestens organisiert sei, seinen Gang nähme und er bedankte sich, dass er sich so schnell und gründlich um alles gekümmert hatte. Und mit diesen Worten schickte er Deucalion nachdrücklich zurück ins Bett, denn in L.A. war es schließlich bereits halb zwei in der Nacht. Doch auch Scott ließ sich von der nächtlichen Stunde in seiner Heimat offenbar nicht abschrecken, denn er war der vierte und letzte Anrufer an diesem Morgen und wollte mit Stiles sprechen: „Hey Bro, ich habe gehört, ihr kommt nachhause? Ich vermisse dich furchtbar, aber leider werden Allison, Lydia, Malia, Danny, Isaac und ich nicht da sein, wenn ihr ankommt. Wir haben uns selbst ein paar Tage frei gegeben und haben uns ein kleines Häuschen an der Küste gemietet. Ich hoffe, du bist nicht böse oder enttäuscht? Am Wochenende sind wir wieder zuhause, versprochen!“ Stiles war tatsächlich ein wenig enttäuscht, dass seine Freunde nicht zuhause sein würden, wenn er eintraf, doch er wollte sich nichts anmerken lassen, also wünschte er ihnen viel Spaß in ihrem Kurzurlaub und versicherte, dass sie sich bald wiedersehen und dann einen drauf machen würden. Der amerikanische Botschafter traf überpünktlich ein und ließ es sich bei der Übergabe der Papiere nicht nehmen zu versuchen, den großen Geschäftsmann Derek Hale davon zu überzeugen, eine Zweigstelle der Hale-Company in diesem Land einzurichten. Er zählte ihm in aller Kürze äußerst eloquent all die Vorteile einer solchen Unternehmung auf. Derek, welcher nach der unbürokratischen Hilfe, die ihm Zuteil wurde nicht unhöflich sein wollte, versprach immerhin darüber nachzudenken und nahm die Visitenkarte des Diplomaten entgegen. Weil die beiden Männer noch ein wenig Zeit hatten ehe ihr Flieger gehen würde, nahmen sie noch ein reichliches kontinentales Frühstück ein und sonnten sich anschließend eine Weile am Pool. Als die Zeit gekommen war, wurden sie vom Hotel aus in einer Limousine zum Flughafen gefahren, wo bereits der Privatjet desselben Models, über das auch die Niederlassung in Los Angeles verfügte, auf sie wartete. Sie hoben um 13.00 Uhr Ortszeit ab und vor ihnen lag ein ein Flug von mindestens fünfzehn Stunden. Für sie würde es also bereits vier Uhr in der Nacht sein sein, wenn sie in L.A. ankämen, auch wenn es dort dann erst acht Uhr am Abend wäre. Der Jetlag der ihnen bevorstand würde mit Sicherheit heftig ausfallen. Derek entschuldigte sich vielmals bei seinem Ehemann, weil vor ihm ein Haufen Arbeit lag. Deucalion hatte ihn mit reichlich Dokumenten versorgt, die es durchzusehen galt, ehe er Zuhause eintraf. Stiles, welcher seinen Ehemann in den letzten Wochen ja beinahe rund um die Uhr vollkommen für sich allein gehabt hatte, ließ diesen nun großzügig gewähren und genoss ganz einfach die Annehmlichkeiten an Bord; das Essen, die Drinks und das Kinoprogramm. Und als er genug von alledem hatte, labte er seinen Blick schlicht an der großartigen Aussicht auf das Himmelblau, die Wolken und glitzernden Ozean unter sich, hing seinen Gedanken nach und schwelgte in den Erinnerungen an diese unglaublichen, erlebnisreichen letzten Wochen. Die Erlebnisse und Erfahrungen seiner ausgedehnten Hochzeitsreise würden Stiles gewiss sein Leben lang erhalten bleiben, was immer auch geschah. Als ihn irgendwann die Müdigkeit überkam, machte er es sich in dem erstaunlich großen, bequemen Bett gemütlich und döste ein. Es dauerte nicht lange, ehe Derek ihm folgte, und sie aneinander geschmiegt einschliefen, während der Jet sie ruhig und sicher Richtung Heimat trug. Am Flughafen Los Angeles angekommen wurden sie von einer Firmenlimousine abgeholt und direkt nachhause gefahren, wo sich das Paar sogleich wieder hinlegte, um ihre unterbrochene Nachtruhe fortzusetzen, obwohl in ihrer Heimatstadt gerade erst die Abendsonne unterging. Als Stiles zum zweiten Mal erwachte, zeigte der Wecker am Bett vier Uhr am Morgen an und draußen war noch stockfinstere Nacht. Er langte hinüber zur anderen Bettseite und stellte fest, dass Derek nicht mehr neben ihm lag. Er schlüpfte in seine Pantoffeln, erhob sich und machte sich auf die Suche nach seinem Ehemann. Er fand ihn. wie erwartet, in seinem Arbeitszimmer über seinem Laptop brütend vor: „Kannst du nicht mehr schlafen, Babe?“ erkundigte er sich: „Hey Süßer!“ begrüßte Derek ihn mit einem zärtlichen Lächeln: „Nein, ehrlich gesagt bin ich hellwach und es juckt mich in den Fingern, wieder mit der Arbeit anzufangen. Dieses neue Projekt ist wirklich spannend und vielversprechend. Leider fürchte ich deswegen aber auch, dass in den kommenden Wochen viel Stress und lange Tage auf mich zukommen. Bist du böse?“ Stiles drehte Dereks Bürostuhl ein wenig, so dass er sich auf den Schoß seines Mannes setzen konnte und versicherte: „Keine Sorge, du musst nicht ständig für meine Unterhaltung sorgen. Ich weiß doch, dass du ein total wichtiger Mann bist, mein Großer. Und wenn Scott und die anderen aus ihrem Kurzurlaub zurück sind, dann gibt es im Straßenkinderprojekt sicherlich auch wieder viel für mich zu tun. Und bis dahin werde ich mir schon irgendwie die Zeit vertreiben. Es wird bloß eine ganz schöne Umstellung für mich werden, nach der wunderschönen und intensiven gemeinsamen Zeit die hinter uns liegt, nicht mehr ständig bei dir zu sein.“ Derek zog das Gesicht des Jüngeren zu einem Kuss zu sich heran und bestätigte: „Ja, das wird mir auch fehlen. Unsere Flitterwochen waren wirklich unglaublich schön. Die Welt kam mir viel aufregender vor, als ich sie mit dir teilen konnte, auch wenn ich zuvor schon sehr viel gereist bin. Ich liebe dich und ich bin einfach nur froh dich zu haben.“ „Dito!“ bestätigte Stiles: „Und ich würde dir gestatten, bald ins Büro zu fahren, doch vorher duschen und frühstücken wir noch einmal zusammen. Anordnung von deinem Boss!“ Bei diesem letzten Satz deutete er mit beiden Daumen auf sich selbst. „Aye, Sir!“ erwiderte Derek lachend, küsste ihn noch einmal und folgte ihm dann ins Bad. Eine Weile später saßen die beiden Männer am Esstisch, welchen Stiles überreichlich für sie gedeckt hatte. Er hatte das Frühstück selbst zubereitet, da der Koch Jean Ribaux sich ja momentan noch mit der „Cora“ auf hoher See befand. Denn ursprünglich war ja geplant gewesen, dass die Yacht das Paar nachhause brächte. Doch Stiles war sicher, dass sein Freund gegen diese kleine Planänderung gewiss nichts einzuwenden hatte. Der Kreole war ein Mann, welcher das Leben zu genießen verstand und er sonnte sich höchstwahrscheinlich gerade selbst bei einem guten Frühstück an Deck. Stiles hatte für sich und seinen Mann einige Scheiben Parmaschinken aufgeschnitten, Bagels aufgebacken und mit Ziegenfrischkäse bestrichen , Wachteleier gekocht und einen starken Espresso zubereitet. Das sollte Derek wohl für ein paar Stunden bei Kräften halten, denn Stiles wusste, dass sein Liebster schon einmal das Essen vergessen konnte, wenn er sehr in seine Arbeit vertieft war. Als Derek schließlich aufbrach, stand bereits die Morgensonne am Himmel und die Luft war erfüllt vom Blütenduft und dem Gesang der Vögel. Stiles verabschiedete ihn mit einer Umarmung und einem Kuss von seinem Gemahl und als er dem mitternachtsblauen BMW mit diesem darin hinterher winkte, spürte er mit einem Mal, wie ihm schwer ums Herz wurde. Er musste sich ablenken, um dem aufkommenden Gefühl von Einsamkeit etwas entgegenzusetzen, also lief er zu dem kleinen Zimmerchen, welches von seiner kleinen Häsin Harvey und ihren Kindern bewohnt wurde. Er hockte sich an den Boden und beobachtete die kleinen Langöhrchen eine Weile bei ihren Verrichtungen und dabei wurde ihm klar, dass die Kinder mittlerweile beinahe ausgewachsen waren und von ihrer Mutter verbissen wurden, wenn diese sich ihr näherten. Harvey betrachtete ihre Aufgabe als Mama offensichtlich als abgeschlossen und wenn die Tiere sich in freier Wildbahn befänden, dann würden die Jungen nun ihrer Wege gehen. Stiles erkannte, dass er hier nun etwas unternehmen musste. Die Jungen in das Gehege mit dem „Schlangenfutter“ im Garten zu setzen fiel als Option jedoch ausdrücklich aus. Er hatte sie immerhin aufwachsen sehen und lieb gewonnen. Und da kam ihm mit einem Mal eine sehr naheliegende Idee. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und stellte fest, dass die Tagenszeit für das was er vorhatte vermutlich genau die richtige wäre. Stiles verlud die Hasenkinder in Transportkörbe, empfahl Harvey sich noch einmal zu verabschieden, doch diese zeigte daran kein großes Interesse, also machte er sich auf den Weg. Die mexikanische Großfamilie, die dafür angestellt war Dereks Haus und Garten instand zu halten, saß gerade beim Frühstück und Stiles entschuldigte sich für die Störung, doch alle versicherten, dass sie sich darüber freuten, ihn wohlbehalten wieder bei sich zu haben. Die siebenjährige Loba sprang gar von ihrem Stuhl auf, fiel ihm um den Hals und rief begeistert: „Du bist wieder zuhause, Tio! Ich habe dich so viel vermisst!“ Stiles versicherte, dass es ihm genauso gegangen sei und dass er sie furchtbar lieb habe. Die Anwesenden versuchten nun überschwänglich ihn dazu zu überreden, mit ihnen zu Speisen und Stiles musste mehrfach versichern, dass er bereits gegessen habe und leider absolut keinen Bissen mehr herunter bekäme. Stattdessen winkte er Lobas Eltern Sofia und Gonzalo zu sich, um sie flüsternd zu fragen, ob es erlaubt sei, dass er die Hasenbande in die Obhut ihrer Tochter und deren Brüder zu übergeben und versicherte schnell, dass er selbstverständlich für alle Kosten für Futter und Unterbringung aufkommen werde. Das Elternpaar erklärte darauf, dass dies selbstverständlich nicht nötig sei, doch dass sie die Tiere sehr gern bei sich aufnehmen würden. Stiles insistierte, dass er das Finanzielle dennoch gern übernehmen würde und während die Erwachsenen noch darüber diskutierten, hatten Loba und der dreijährige Francisco bereits spitzgekriegt, dass sie ab jetzt süße, kleine Haustierchen hatten. Sie hopsten jubelnd und begeistert auf und ab. Davon ließ sich auch der einjährige Enzo anstecken, welcher zwar keine Ahnung hatte was vor sich ging, der sich jedoch dennoch darüber freute, dass seine Geschwister sich so freuten. Die Kinder stürzten sich also auf die Häschen, wobei Loba als Älteste aber peinlich genau darauf achtete, dass ihre kleinen Brüder nicht zu grob mit den Tieren umgingen. Sie hatte frisches Möhrenkraut organisiert, verfütterte es an die Kaninchen und überlegte schon laut, welche Namen sie den Tieren geben wollte. Loba erwies sich somit als vollendete kleine Häschen-Mami und Stiles beglückwünschte sich im Stillen zu seiner Idee, ihr und ihren Brüdern die Tiere zu überlassen. Als Greenburg eintraf, um Loba wie an jedem Morgen in die Schule zu fahren, übergab das Mädchen die Verantwortung für ihre neuen Haustiere ihrem Großonkel Pedro und trug diesem auf, ein Haus für diese zu bauen, welches sie dann nach dem Unterricht auf Tauglichkeit zu überprüfen beabsichtige. Sie spezifizierte hierbei auch genauestens, welche Anforderungen diese Unterbringung zu erfüllen habe. Pedro lachte gutmütig über das energische Mädchen, welches ihm einfach so Arbeitsaufträge gab, doch er versicherte, dass er sich selbstverständlich darum kümmern werde. Nach der erfolgreichen Weitergabe seiner Schützlinge, kehrte Stiles ins Haus zurück und holte Harvey zu sich, um mit ihr auf dem Sofa in Dereks Wohnbereich ein wenig zu kuscheln: „Nun heißt es wieder einmal nur wir Zwei, was meine Süße?“ flüsterte er dem Tier zu und kraulte es hinter den Ohren, wo sie es am liebsten hatte, als es unvermittelt an der Pforte klingelte. Da Stiles momentan der Einzige im Haus war, ging er nachsehen, wer da wohl gekommen sei? Er sah ein Taxi die lange Auffahrt hinauffahren und ihm entstieg ein Fremder, welcher in einer Hand einen Aktenkoffer und in der anderen eine Art Tragekorb hielt. Beim Näherkommen erkannte Stiles, dass es sich hierbei um eine Babyschale mit einem schlafenden Neugeborenen darin handelte. Der fremde Mann stellte sich als Adrian Harris vor und sagte: „Guten Tag. Sie müssen Mister Stilinski sein. Ist Mister Hale ebenfalls zuhause?“ Stiles schüttelte den Kopf und hatte keine Ahnung, was hier gerade vor sich ging: „Das ist sehr schade.“ fuhr Harris fort: „Ich bin als Sozialarbeiter für das Familiengericht Los Angeles tätig und bin hier, um Mister Hales Tochter an sie zu übergeben.“. Stiles klappte die Kinnlade herunter. Kapitel 81: Offspring --------------------- Stiles versuchte noch immer zu begreifen, was soeben geschehen war, während er auf das winzige, schlafende Baby neben sich hinabblickte. Dieser Mr. Harris vom Familiengericht, obwohl er irgendwie unsicher und nervös gewirkt hatte, hatte weder sonderlich schnell, noch in irgendeiner Weise undeutlich gesprochen. Dennoch hatte Stiles in seiner Schockstarre etwas Mühe gehabt, den Worten dieses Mannes zu folgen. Das Kind sei vor zwei Tagen geboren worden, hatte er berichtet. Es sei bei bester Gesundheit, was angesichts der vorliegenden Umstände wohl an ein Wunder grenze, denn immerhin habe die Mutter ja bereits vor seiner Geburt versucht, es zu töten. Es sei damals ja nur in einer Notoperation möglich gewesen, sein Leben zu retten und man habe Kate Argent danach nur durch Rund-Um-Die-Uhr-Überwachung und dauerhafte Fixierung davon abhalten können, einen solchen Mordversuch zu wiederholen. An dieser Stelle war Stiles schlagartig übel geworden, als er versuchte sich auszumalen, was es für ein heranwachsendes Leben bedeutet haben musste, von der Mutter die es trug, in jeder einzelnen Minute aus tiefstem Herzen gehasst zu werden? Man habe Mr. Hale persönlich noch nicht erreichen könne und deshalb beim Familiengericht lange beratschlagt, wie nun mit dem Baby zu verfahren sei, hatte Harris weiter ausgeführt. Und sicher sei es sehr ungewöhnlich, es nun direkt an den mutmaßlichen Vater zu übergeben, wenn die Eltern nicht miteinander verheiratet wären, aber da ja gerichtlich genau dokumentiert sei, wie es zu dieser Schwangerschaft gekommen sein soll und angesichts der herausragenden Stellung, die jemand wie Derek Hale gesellschaftlich innehätte, habe man sich dazu entschieden, ein Entgegenkommen zu zeigen und das Kind direkt dem Vater zuzuführen, anstatt es vorläufig in ein Kinderheim, oder eine Pflegefamilie zu geben. Nun müsse zur letzten Sicherheit natürlich noch zeitnah ein Vaterschaftstest erfolgen, doch dies sei ja lediglich reine Formsache, beeilte sich Harris hinzuzufügen. Stiles übersetzte diese Aussage in seinem Kopf folgendermaßen: Man war davon ausgegangen, dass Derek sein Kind selbstverständlich bei sich haben wolle und die Behörden hatten sich aus Angst vor der Macht und dem Einfluss von jemandem wie ihm und um ein Gerichtsverfahren und einen riesigen Skandal zu vermeiden, für diese „unbürokratische“ und auch sicherlich alles andere als legale Vorgehensweise entschieden. Da das Kind noch keinen Namen habe, seien alle Unterlagen des Krankenhauses und die Geburtsurkunde vorläufige Dokumente, ausgestellt auf den Namen Jane Doe und sobald eine offizielle Namensgebung vorliege, werden diese selbstverständlich umgehend geändert werden. Harris hinterließ Stiles eine Visitenkarte und die besten Grüße für Mr. Hale. Man dürfe ihn innerhalb der angegebenen Geschäftszeiten jederzeit anrufen, falls es weitere Nachfragen gäbe. Und damit war er verschwunden und überließ den überrumpelten Stiles und das kleine Mädchen ihrem Schicksal. Und was nun? Natürlich war es Stiles allererster Impuls Derek anzurufen, doch dieser hatte ja unmissverständlich klar gemacht, dass er viel Arbeit und leider überhaupt keine Zeit habe. Und ein flüchtiges Telefonat zwischen Tür und Angel wäre wohl keinesfalls der beste Weg, seinem Mann die überwältigenden Neuigkeiten mitzuteilen, zumal wenn man bedachte, wie Derek bereits im Vorfeld über dieses Kind gesprochen hatte. Damals hatte er unmissverständlich klar gemacht, dass er nichts von seinem Nachwuchs wissen wollte. Natürlich konnte sich das ganz schnell ändern, nun da dieses Kind nicht bloß eine Idee, sondern ein wirklicher, real existierender, kleiner Mensch war. So oder so mussten Stiles und Derek von Angesicht zu Angesicht und ohne Zeitdruck darüber sprechen, wie es mit dem Baby weitergehen sollte. Und da wurde Stiles etwas klar: Derek, er selbst und jeder in ihrem Umfeld hatte es so gründlich vermieden daran zu denken, was wohl wäre, wenn Kates Kind erst einmal auf der Welt war, dass es sich beinahe so angefühlt hatte, als sei diese Schwangerschaft nichts weiter als ein böser Traum gewesen. Das war es ja wohl, was man als Verdrängung nach schwerem Trauma bezeichnete, richtig? Doch nun war das Baby da, es lebte, war gesund und es war der Obhut von Derek und Stiles anvertraut. Und Babys hatten Bedürfnisse! Stiles war klar, dass es nicht lange dauern würde, ehe die Kleine aufwachen würde. Und dann würde sie weinen; vielleicht vor Hunger, oder weil ihre Windel gewechselt werden müsste, oder aus einem der vielen anderen Gründe, die Säuglinge schreien ließen. Und Stiles war darauf in keinster Weise vorbereitet. Ja, er hatte bis zum heutigen Tag ja nicht einmal ein Neugeborenes auf dem Arm gehalten. Nicht dass sich ihm in seinem bisherigen Leben häufig die Gelegenheit hierzu geboten hätte, doch selbst wenn, hätte er es sicherlich abgelehnt, denn diese kleinen Dinger waren viel zu winzig und zerbrechlich. Hatte er nicht einmal gelesen, dass Babys mit einem Loch in ihrem Schädel Welt kamen, der lediglich von ein wenig Haut bedeckt war? Welcher unbarmherzige Gott hatte sich denn bloß solch einen kranken Scherz erlaubt; ein in jeder Weise hilfloses und ausgeliefertes Wesen mit einer solch empfindlichen Sollbruchstelle auszustatten? Und dann war da ja auch noch das Köpfchen. Soweit Stiles wusste, musste man es jederzeit stützen, da es dem Baby noch an Muskulatur fehlte, um seinen Kopf selbst zu halten. Und wenn man das Kind nicht richtig hielt, dann konnte man ihm damit leicht das Genick brechen! Stiles betrachtete den Säugling in seiner Schale wie eine winzige, tickende Zeitbombe, die jederzeit hochgehen konnte. Er wusste, er musste schnell etwas unternehmen, musste beschaffen, was immer so ein kleiner Wurm brauchen mochte,, doch andererseits konnte er ja auch momentan überhaupt nicht hier weg. Also schnappte er sich kurzerhand ein Telefon und rief Greenburg an, welcher sich gerade auf dem Rückweg von Lobas Schule befand, um diesem einen Einkaufszettel zu diktieren, ohne groß zu erklären, was sich heute morgen Unerwartetes uns Überwältigendes ereignet hatte. Er orderte also Milch für ein Neugeborenes, Fläschchen, Schnuller, Windeln, Cremes, Puder, Babyöl, Reinigungstücher, ein Kuscheltier, reichlich Kleidung zum Wechseln und einen Kinderwagen mit Schlafsack. Sicherlich fragte sich der Butler nun, ob Stiles wohl endgültig seinen Verstand verloren haben mochte, doch er blieb seiner Rolle des neutralen, hilfreichen Geistes treu, stellte keine Fragen und versicherte, umgehend alles zu beschaffen und heimzukehren, ehe er auflegte. Erneut spürte Stiles den starken Drang in sich, Derek Bescheid zu geben. Er sagt sich, er musste ihm ja nicht schon am Telefon alles erklären, sondern ihn lediglich bitten, so schnell wie möglich wiederzukommen, damit sie über etwas Wichtiges reden könnten. Doch leider erhielt er dazu keine Möglichkeit. Als er Dereks Büronummer wählte, wurde er automatisch zu dessen Assistentin durchgestellt, welche ihm mitteilte, dass der Chef in einer wichtigen Konferenz sei und diese würde gewiss noch einige Stunden dauern. Doch auch danach sei sein Terminkalender heute schon sehr voll. Aber natürlich würde sie Mr. Hale ausrichten, dass sein Ehemann angerufen habe und er würde sich melden, sobald es ihm möglich war. Stiles legte entmutigt auf und leider wählte das Baby genau diesen Augenblick aus, um aufzuwachen. Das Mädchen schaute sich aus müden, blauen Augen blinzelnd um. Dann fiel ihr Blick auf Stiles und sie fing sofort an verzweifelt zu weinen. Das war aber wirklich kein guter Start! „Shh, shh, shh...“ machte Stiles hilflos und schaukelte die Babyschale in der Hoffnung, das Kind dadurch zu beruhigen, doch es half natürlich nicht. Er hatte im Gegenteil das Gefühl, ihr Rufen würde durch seinen stümperhaften Trostversuch bloß noch eindringlicher werden. Sein innerer Impuls war es, die Kleine ganz einfach hochzunehmen, doch er hatte einfach viel zu große Angst davor, ihr weh zu tun, oder sie gar fallen zu lassen: „Hättest du nicht wenigstens so lange warten können, bis dein Essen und deine Windeln hier sind?“ murmelte er unglücklich, hob die Babyschale sehr bedächtig am Griff hoch und begann dann damit, mit dem Kind durch das Haus zu wandern. Leider führte dies ebenfalls nicht dazu, dass das Schreien verstummte. Und jeder einzelne Schrei riss an Stiles Nerven, wie das Lärmen einer Kreissäge. Alle seine Instinkte verrieten ihm deutlich, dass er hier in seiner Eigenschaft als verantwortungsvolle, erwachsene Fürsorgeperson angerufen wurde, doch er hatte keine Ahnung, wie man diese Rolle ausfüllte? Als endlich Greenberg mit den Einkäufen eintraf, war Stiles zunächst erleichtert, doch dann wurde ihm klar, dass er auch keinen Schimmer vom Füttern und Windelwechseln eines Babys hatte: „Wie funktioniert das denn nun?“ fragte er den Majordomus, doch Greenberg zuckte lediglich hilflos und unbehaglich mit den Schultern: „Ich vermute, dies ist das Baby von Misses Argent und Mister Hale?“ erkannte der Hausangestellte scharfsichtig. Stiles nickte lediglich und blickte sorgenvoll auf das Kind hinab, dessen Gesichtchen mittlerweile schon hochrot angelaufen war. Dann kam ihm endlich eine sinnvolle Idee und er hätte sich selbst treten können, dass er nicht schon früher darauf gekommen war! Es gab doch mindestens eine erfahrene Mutter gleich hier auf dem Gelände, welche ihm mit Sicherheit ein wenig zur Hand gehen und ihm zeigen konnte, wie man einen Säugling versorgte. Sofia, die Mutter von Loba und ihren Brüdern, hatte soeben Baby Enzo zum Mittagsschlaf hingelegt. Sein Bruder Francisco war vertieft in sein Spiel und somit hatte die junge Frau Zeit für Stiles Anliegen. Sie ließ sich kurz erklären, wer der neue Familienzuwachs sei und wurde dann nicht müde zu betonen welch ein Segen dieses neue Leben im Haus sei, ja ein Gottesgeschenk für Stiles und den Herren. Und wie entzückend und wunderschön das Baby von Senor Hale sei, wiederholte sie wieder und wieder. Und ab da übernahm Sofia zu Stiles Erleichterung die Regie, hob den Säugling ohne jede Scheu aus der Babyschale, legte ihn sich auf den Oberkörper, hielt ihn mit einer Hand und wiegte ihn sanft, während sie mit der freien Hand Wasser aufstellte, um damit und mit dem Milchpulver die Mahlzeit für die Kleine herzustellen. Und währenddessen beruhigte sich das Baby allmählich. Greenburg hatte lediglich die Einkäufe hinter Stiles hergetragen, doch als er erkannte dass man die Situation nun im Griff zu sein schien, hatte er sich klammheimlich zurückgezogen. Stiles vermutete, dass der Butler mit Babys wenig anzufangen wusste, damit ebenso überfordert war wie Stiles selbst und überhaupt, so etwas wie Brutpflege unter der Würde eines Majordomus war. Das Wasser hatte gekocht und das Fläschchen stand bereit, doch Sofia erklärte, dass es ja erst noch abkühlen müsse. Hierfür stellte die junge Mutter die Flasche in den Kühlschrank. Sie machte sich zunächst daran, das Kind zu wickeln und kaum hatte sie die Kleine abgelegt, ging das Weinen wieder los. Stiles blickte Sofia bei ihrer Tätigkeit genau über die Schulter, weil er es selbst lernen wollte, doch er erschrak beinahe zu Tode, als er sah, dass der Inhalt der Windel grünlich, beziehungsweise beinahe schon schwarz war: „Um Himmels Willen, ist das normal?“ rief er aus. Sofia kicherte amüsiert und versicherte, dass dies in den ersten Tagen nach der Geburt überhaupt nicht ungewöhnlich sei. Stiles war nicht vollkommen überzeugt, dass der arme kleine Wurm nicht bereits jetzt schon dem Tode geweiht war, weshalb er es zur Sicherheit noch einmal googelte und er stieß bei seiner Suche auf die Begriffe Mekonium, beziehungsweise Kindspech, wobei es sich laut Internet um den ersten angesammelten Stuhl aus der Zeit der Schwangerschaft handele. Doch als Sofia die Kleine beim Anziehen auf den Bauch drehte, entdeckten sie beide auf dem Rücken des Kindes noch etwas sehr viel Erschreckenderes. Stiles wusste natürlich, woher die etwa zehn Zentimeter lange, unregelmäßig gezackte Narbe stammte, doch Sofia hielt sich entsetzt eine Hand vor den Mund: „Dios Mío!“ rief sie aus. Stiles verstand sie nur allzu gut. Ein neugeborener Mensch sollte doch sein wie ein unbeschriebenes Blatt; unschuldig, neu, heil und ganz und nicht bereits vor der Geburt gezeichnet für sein ganzes Leben, richtig? Etwas griff mit Macht nach seinem Herzen und beinahe war es ihm, als träfe ihn selbst schmerzhaft eine hinterhältige Klinge in seine Rückseite: „Es tut mir leid, mein Kleines. Es tut mir so furchtbar leid!“ flüsterte er und streichelte unendlich sanft den dichten, pechschwarzen Flaum auf dem kleinen Köpfchen. Nachdem Sofia sich wieder ein wenig gesammelt hatte, kleidete sie das Mädchen wieder vollständig an, nahm es auf den Arm, schaukelte es und wie durch ein Wunder hörte das Baby erneut auf zu weinen.' Als das Fläschchen kühl genug war, setzte sich Sofia mit dem Kind in einen Schaukelstuhl und begann es zu füttern. Stiles beobachte auch hier ganz genau, wie die junge Frau dies anstellte. Zwar spürte er die Sehnsucht in sich, selbst die Kleine zu halten und ihr zu Essen zu geben, doch noch traute er sich das nicht zu. Als das Fläschchen geleert war, gab das Baby einen tiefen Seufzer von sich und irgendwie rührte Stiles diese zufriedene Erleichterung zutiefst. Sofia erhob sich, lief mit dem Säugling ein wenig auf und ab und streichelte und klopfte sanft auf dessen Rücken: „Luft.“ erklärte sie Stiles: „Muss raus, damit la Ninia nicht bekommt... „ sie suchte nach dem richtigen Wort im Englischen und das passendste was ihr einfiel war: „... Schmerz von Ballon-Bauch?“ Stiles musste ein wenig lächeln, doch er nickte verstehend. `Ninia´ dachte er bei sich? Das war doch mal ein erster Arbeitstitel, bis Derek und er sich auf den endgültigen Namen der Kleinen geeinigt hatten. Es war in jedem Fall besser, als sie Jane Doe zu nennen. Sofia versuchte Ninia wieder in ihre Schale zu legen, doch das Kind begann sogleich wieder zu weinen. Als die junge Frau sie wieder hochnahm, war allerdings sogleich wieder Ruhe: „Deine Hija braucht immer warmen Körper.“ stellte sie wissend fest. Stiles wollte widersprechen, dass Ninia ja nicht seine Tochter sei, sondern lediglich die von Derek, doch er tat es aus irgendeinem Grund nicht. Stattdessen sagte er: „Ich würde sie gern selbst tragen, aber ich habe wirklich Angst, dass sie mir herunterfällt.“ „Das passiert nicht.“ erwiderte Sofia überzeugt. Dann schien ihr ein Gedanke gekommen zu sein, denn sie verschwand kurz, nur um wenig später mit einem merkwürdigen Beutel mit Gurten daran zurück zu kommen: „Baby festbinden.“ erklärte sie: „Sehr gut, weil man auch kann benutzen seine Manos.“ Sie legte die unzufriedene Ninia kurz ab, legte Stiles die Tragevorrichtung an und beförderte dann das Baby hinein. In jenem Moment, als er sich des warmen, winzigen Körpers an seiner Brust gewahr wurde, spürte er ein mächtiges, ungekanntes Gefühl in sich aufwallen und ein verdächtiges Brennen hinter seinen Augenlidern. Er atmete tief durch, um seine Emotionen wieder in den Griff zu bekommen und konstatierte knapp: „Fühlt sich schön an.“ Sofia nickte und lächelte zufrieden. Da Ninia gerade nicht daran dachte wieder einzuschlafen, fing Stiles an mit der Kleinen ein wenig herumzulaufen. Erst machten sie einen kleinen Rundgang durch das Haus und anschließend durch den ausgedehnten Garten. Und während der gesamten Zeit plapperte er unermüdlich sanft auf den Winzling ein, erzählte ihr was er sah, oder hörte und berichtete ihr von ihrem Daddy und von der Zukunft, welche vor ihnen dreien lag. Natürlich spielte der Inhalt seiner Erzählung überhaupt keine Rolle, denn das Mädchen verstand schließlich ohnehin kein Wort, doch es schien ihr zu gefallen und sie zu beruhigen, seine Stimme zu hören, denn irgendwann sank sie tatsächlich wieder in tiefen, friedlichen Schlummer. Stiles kehrte zu Sofia ins Haus ihrer Familie zurück, doch es dauerte eine Weile, ehe er sich auch traute sich von ihr helfen zu lassen, den Säugling wieder in die Babyschale zurückzulegen, weil er fürchtete die Kleine wieder aufzuwecken. Doch Sofia beruhigte ihn dass Babys, wenn sie einmal eingeschlafen waren, so schnell auch nichts wieder weckte. Als Stiles seine winzige Last erfolgreich wieder losgeworden war, blieb er dennoch im Haus der Mexikaner, hockte sich zu Sofias mittlerem Kind Francisco an den Boden und spielte mit ihm mit dessen Legosteinen. Als Loba aus der Schule heimkehrte und die kleine Ninja entdeckte, rief sie entzückt: „Du hast ein neues Baby, Tio? Das ist sooo schön! Wie heißt es? Ist es ein Mädchen, oder ein Junge? Darf ich mit ihm spielen, wenn es aufwacht?“ Stiles musste über diese überschwängliche Freude ein wenig lachen: „Sie ist ein Mädchen und sie hat noch keinen richtigen Namen. Ich sage Ninja zu ihr. Aber sie ist nicht mein Baby, sondern das von Derek.“ Loba blickte ihn skeptisch an und schüttelte dann energisch den Kopf: „Du hast Derek doch geheiratet, Tio, also gehört das Baby euch beiden.“ erwiderte sie, als sei daran nun wirklich nichts zu rütteln. Stiles dachte daran zu erklären, dass die Dinge manchmal nicht so einfach waren, wie sie zunächst aussahen, doch er entschied, dass dieses Thema vielleicht noch ein wenig kompliziert für eine Siebenjährige war, also zuckte er lediglich unschlüssig mit den Schultern. Als Ninja nach einer Weile tatsächlich erwachte, fing sie auch sogleich wieder zu weinen an. Loba war umgehend zur Stelle, wie sie es angekündigt hatte und schickte sich an, das Baby aus der Schale zu heben: „Warte!“ rief Stiles erschrocken aus: „Ein Baby zu halten ist schwer. Man muss den Kopf stützen und so. Das ist nicht einfach so.“ Loba blickte ihn mit einer Mischung aus Mitleid und gekränktem Stolz an. Dann nahm sie die Kleine hoch, wie ein Profi, hielt sie sicher, stützte den Kopf, murmelte beruhigende Worte und da machte Stiles sich klar, dass dieses kleine Mädchen eine sehr erfahrene große Schwester war: „Du musst keine Angst haben, Tio.“ versicherte Loba: „Babys sind gar nicht schwer. Schau! Sie wiegt fast gar nichts!“ zum Beweis hob das Mädchen das Baby einige Male vorsichtig über den eigenen Kopf und ließ es wieder herab. Und dann forderte sie: „Hier, versuch es auch einmal!“ Sie drückte dem überrumpelten Stiles das Baby in den Arm und nun hielt er es zum ersten Mal ohne Hilfsmittel fest. Und die kleine Ninja krallte sich mit beiden Fäustchen in sein T-Shirt, hörte vollständig auf zu weinen und blickte ihm geradewegs in die Augen. Stiles schien es, als würde für einen kurzen Moment die Zeit stillstehen. Kapitel 82: Daddy Issues ------------------------ Stiles fütterte und wickelte das Baby unter dem wachsamen Blick von Sofia und Loba zum ersten Mal selbst und ohne Hilfe. Die Frau und das Mädchen nickten einander anschließend offenbar zufrieden zu, was für den frischgebackenen Hilfs-Papa das höchste Lob bedeutete. Danach blieb er noch eine Weile im Haus der mexikanischen Familie und zwar vor allem deswegen, weil Loba ihn noch nicht gehen lassen wollte. Sie hatte eine weiche, zweifach gefaltete Decke auf dem Boden ausgebreitet, Babyspielzeug herbeigeschafft und ihren Lieblings-Wahl-Onkel mit ihrem unwiderstehlichen Charme dazu gebracht, sich mit ihr und der kleinen Ninia dort niederzulassen. Als er das Baby auf der improvisierten Spielwiese ablegte, hatte er eigentlich erwartet, dass nun auch prompt das Geschrei wieder losgehen würde, doch soweit ließ Loba es nicht kommen. Sie hielt der Kleinen Püppchen und bunte Greifspielzeuge vor das Gesicht, welche Ninia interessiert betrachtete und auch schon einmal versuchsweise danach grapschte. Währenddessen sprach Loba auf spanisch in sanftem Sing-Sang zu der Kleinen, schnitt für sie Grimassen, oder sang ihr Kinderlieder vor. Stiles hatte sich dazu gelegt und beobachtete ganz einfach amüsiert und auch ein wenig gerührt das Geschehen: „Du machst das wirklich gut, Süße!“ lobte er Loba aufrichtig. Die Kleine grinste und erwiderte selbstbewusst: „Ja, ich kann das!“ Dann wollte sie wissen: „Kann ich die Tía für dein Baby sein, Tío?“ Da musste Stiles wirklich nicht lange überlegen. Er konnte schließlich jede Hilfe gebrauchen: „Darüber müssen wir natürlich noch mit Derek sprechen, aber von mir aus gern, mein Spatz. Das würde mich sehr freuen.“ Loba klatschte begeistert in die Hände und bedeckte dann das kleine Gesichtchen des Babys mit Küssen, was dessen Kehle tatsächlich ein begeistertes Quieken entlockte. Stiles ging das Herz auf. Sofia hatte unterdessen das Essen für eine ganze Kompanie gekocht und nun kam auch nach und nach die Familie von der Arbeit im Haus und auf dem Grundstück zum Mittagessen heim. Stiles wollte sich nun gern diskret zurückziehen um nicht zu stören, doch natürlich ließ man das nicht zu. Alle Familienmitglieder bestanden zunächst einmal darauf, seinen Familienzuwachs zu begrüßen und zu bewundern und überdies stellten Sofia und ihr Onkel Pedro klar, dass Stiles selbstverständlich zum Essen bleiben müsse, denn als Vater eines Neugeborenen kam er sicherlich gar nicht dazu, sich selbst etwas zuzubereiten. Es war Stiles schlicht nicht erlaubt, diese Einladung auszuschlagen, das gebot ganz einfach die Höflichkeit, also verfrachtete er Ninia wieder in die Trage vor seinem Bauch und setzte sich zu der Familie an den Tisch. Nachdem die Mahlzeit beendet war, war auch das Baby eingeschlafen und Stiles zog sich in Dereks Villa zurück. Pedro und Loba halfen ihm noch dabei, die Babyausstattung hinüberzutragen, zu der Sofia noch einige ausgediente Utensilien ihrer eigenen Kinder hinzugefügt hatte und dann waren Stiles und Ninia wieder unter sich. Er steckte das schlafende Baby vorsichtig in den neuen Schlafsack, bettete es neben sich auf dem Sofa und nahm sein I-Pad zur Hand, denn was er nun dringend brauchte, waren reichlich Informationen. Er durchforstete das Internet nach allem was ihm zum Thema der menschlichen Brutpflege einfiel, von der Ernährung und Körperpflege für ein Kleinkind, über Kinderkrankheiten, bis hin zum Verlauf frühkindlicher Entwicklung. Er las einen Artikel zu plötzlichem Kindstod, welcher ihn zutiefst erschreckte und stellte dann aber erleichtert fest, dass er es instinktiv vollkommen richtig gemacht hatte, indem er die Kleine im Schlafsack auf den Rücken gelegt hatte, denn so konnten weder der Untergrund noch eine Decke ihr die Atemwege verlegen, denn aus so einer Position konnte ein Neugeborenes sich noch nicht selbst wieder befreien, weil die Nackenmuskulatur dafür noch zu schwach war. Nun fragte Stiles sich natürlich, welche Todesfallen es noch gab, von denen er keinen blassen Schimmer hatte? Er erfuhr, dass Säuglinge irgendwann zwischen dem vierten und siebten Monat damit begannen, sich zu drehen und dass man sie ab dann sehr gut schützen musste, damit sie nicht irgendwo herunterfallen konnten. Bis dahin war zwar noch reichlich Zeit, doch Stiles wollte sich nicht darauf verlassen. Möglicherweise war Ninia ja ein Wunderkind und beherrschte dieses Kunststückchen jetzt schon. Eilends machte sich Stiles daran den kleinen Wurm rundum mit Kissen und Decken zu schützen – sicher war sicher! Durch seine Studien stieß Stiles auf Begriffe wie „Objektpermanenz“, was bedeutete, dass für ein Baby bis etwa zum sechsten Moment nur das real und Teil seiner Welt war, was es unmittelbar vor sich sah, weswegen man es auch niemals lange allein lassen durfte, weil es sich dann furchtbar einsam und verlassen fühlte. Er erfuhr, dass Babys und Kleinkinder noch sehr lange ihre Emotionen nicht selbst kontrollieren konnten und dafür die Unterstützung ihrer Betreuungsperson benötigten. Doch auch andere Fragen beschäftigten Stiles, nämlich zum Beispiel wie er legal der Vater dieses Babys werden und ob Kate ihm dabei wohl einen Strich durch die Rechnung machen konnte? Als die Buchstaben vor seinen Augen irgendwann zu tanzen begannen, schaute Stiles sich mit Kopfhörern in den Ohren, um das schlafende Kind neben sich nicht zu wecken, Filmbeiträge im Internet zu jenen Themen, die ihn beschäftigten an, weil er einfach nicht genug bekam. Sein Kopf brummte bereits von all´den Informationen, doch er hatte einfach das Gefühl sehr viel nachholen zu müssen, wofür andere Eltern in der Regel ja mindestens die neun Monate Zeit gehabt hatten, welche die Schwangerschaft angedauert hatte. Er wollte es richtig gut machen, keine Fehler begehen, die dem kleinen Mädchen schaden könnten und er hatte das Gefühl, er würde es vielleicht auch Derek beweisen müssen, dass sie beide diese neue Aufgabe, die ihnen da in den Schoß gefallen war, bewältigen konnten. Als Ninja erneut erwachte, wusste Stiles was zu tun war: Fläschchen vorbereiten und während es abkühlte, musste eine neue Windel her und das ganze ein bisschen plötzlich, denn Neugeborene hatten keine große Geduld mit ihren Betreuungspersonen, wie Stiles bereits jetzt schon gelernt hatte. Als Stiles die alte Windel entfernte, traf ihn ein kleiner Schrecken. Der kleine Rest Nabelschnur, welcher immer noch dagewesen war, war nun abgefallen und zurückgeblieben war an dieser Stelle lediglich eine kleine Wunde. Ein weiteres Mal zog Stiles das Internet zurate, ob dies normal sei und ob es etwas zu beachten gäbe. Er erfuhr, dass es dafür zwar noch sehr früh sei und dass diese Abnabelung sich oft erst nach ein bis zwei Wochen vollzog, doch dass es keinen Grund zur Besorgnis gäbe. Die hinterbliebene Wunde müsse einfach nur sauber und trocken gehalten werden und dann werde es hoffentlich auch nicht zu einer Infektion, oder einer anderen Komplikation kommen. Stiles betrachtete den bräunlichen, vertrockneten Nabelschnurrest und ein Gedanke ging ihm durch den Kopf: Die kleine Ninja hatte es ganz offensichtlich sehr eilig gehabt, diese letzte Verbindung zu ihrer biologischen Mutter, welche nichts als Hass für ihren Nachwuchs übrig gehabt hatte zu trennen und einen Neuanfang zu machen: „Das hast du sehr gut gemacht, mein Engelchen. Du gehörst von jetzt an voll und ganz zu mir und zu deinem anderen Daddy.“ lobte er das Baby, nahm es auf den Arm und ging mit ihr hinüber in die Küche, wo er den kleinen Rest Nabelschnur kurzerhand im Biomüll entsorgte: „Nun sind wir diese böse Frau los und du musst nie wieder an sie denken.“ erklärte er ihr, auch wenn er da bereits ahnte, dass es ganz so einfach vielleicht doch nicht werden würde. Nachdem Ninja gefüttert, aber noch nicht wieder müde war, legte er sich mit ihr ein weiteres Mal auf den Boden und spielte mit ihr, hielt ihr seine Finger hin, damit sie danach greifen konnte, redete mit ihr über alles, was ihm so einfiel, oder er betrachtete sie ganz einfach und lernte sie kennen. Loba hatte vollkommen recht gehabt: Er war der Vater dieses kleinen Menschen, ganz gleich was die Biologie dazu sagte. Er spürte es in jeder Zelle seines Körpers und DAS war die einzige Wahrheit die zählte. Es war bereits Abend, als endlich Derek zurückrief, doch da war Stiles gerade mit einer weiteren Runde füttern und wickeln beschäftigt und konnte nicht den Hörer abnehmen. Erst als Ninja nach einer Weile wieder eingeschlafen war, konnte Stiles endlich die Sprachnachricht seines Gatten abhören. Leider war das Gesagte jedoch ganz und gar nicht das, was Stiles gern gehört hätte: „Hey Babe, schade dass ich dich nicht persönlich erreiche. Ich hoffe du bist mir nicht böse, dass ich mich den ganzen Tag nicht melden konnte, doch ich hatte wirklich viel zu tun. Hier ist gerade echt einiges los und leider werde ich heute wohl auch nicht mehr nachhause kommen können, denn wie wir gerade erst herausgefunden haben, braut sich einiges zusammen. Es droht die feindliche Übernahme einer meiner Tochtergesellschaften, die Deucalion und ich zu verhindern versuchen. Wir haben gegen einundzwanzig Uhr eine Aktionärsversammlung einberufen und ich werde wohl die Nacht durcharbeiten müssen, obwohl ich todmüde bin. Mit ein wenig Glück finde ich eventuell auf meiner Bürocouch ein paar Stunden Schlaf, aber die Chance dafür stehen schlecht. Ich hoffe, ich bin morgen im Laufe des vormittags wieder bei dir. Ich liebe dich!“ Stiles spürte, wie sein Hals eng wurde und Tränen in ihm aufstiegen. Er wollte Derek bei sich haben. JETZT! Er wollte mit ihm über Ninja sprechen und darüber, wie es nun weitergehen sollte. Er wollte endlich die Ungewissheit darüber loswerden, wie Derek über diese neuen Entwicklungen dachte. Und dann wollte er ihre Zukunft zu dritt planen! Und diese Geschäftsangelegenheiten, mit denen Derek da gerade beschäftigt war, erschienen ihm im Vergleich dazu absolut unbedeutend zu sein. Er blickte hinab auf das schlafende Baby, so winzig, süß und schützenswert und das Herz in seiner Brust zog sich beinahe schmerzhaft zusammen. Das war das einzige, was wirklich zählte! Stiles trug das kleine Mädchen vorsichtig hinüber ins Schlafzimmer, platzierte es im Ehebett und legte sich daneben. Er stellte sich vor wie es wäre, wenn Derek nun bei ihnen sein könnte. Er und sein Mann würden links und rechts von ihrer Tochter liegen, auf das kleine Wunder hinabblicken und sich einen Namen für sie überlegen. Stiles seufzte schwer, fühlte sich allein gelassen und tat sich ein wenig selbst leid. Irgendwann schlief er an der Seite des Kindes ein, doch der Friede währte nicht lange, denn Ninja erwachte und weinte mit allem, was ihre kleinen Lungen hergaben. Und alles wickeln, füttern, Spielangebote machen, singen, sie herumtragen der Welt half nicht, sie wieder zu beruhigen. Während Stiles nun also mit der einen Hand den schreienden Winzling hielt, suchte er mit der anderen via Handy im Internet nach Antworten, was der Kleinen fehlen könnte. Er grenzte es schließlich ein auf Koliken, Magenschmerzen, oder Reizüberflutung durch die Erlebnisse dieses Tages und die noch fehlende Fähigkeit, diese Reize zu verarbeiten. Stiles probierte es also mit sanften Bauchmassagen und übte sich einfach darin, das Weinen zu ertragen, während er weiterhin geduldig bei der Kleinen blieb, sie herumtrug, sie wiegte, ihr vorsang und ihr zeigte, dass sie nicht allein mit ihrem Kummer war: „Du bist wirklich die Tochter deines Daddys, was?“ stellte er irgendwann fest: „Magst auch die Nächte nicht und kannst dann nicht gut schlafen? Aber bei deinem Daddy habe ich das in Ordnung gebracht und bei dir schaffe ich es auch, wirst schon sehen. Gib´ mir nur ein bisschen Zeit, Engelchen!“ versicherte er dem Baby. Es wurde eine lange Nacht. Eine wirklich verdammt lange Nacht! Und sie hielt für Stiles sehr wenig Schlaf und eine enorme Herausforderung an seine Geduld bereit. Und der Jetlag von der Hochzeitsreise tat sein übriges, dass er am nächsten Tag vollkommen erschöpft und emotional aufgerieben war. Sollte es mit Ninja so weitergehen, dann könnten sie vielleicht jemanden einstellen, welcher ihnen bei der Säuglingspflege behilflich war, eine Nanny, oder etwas in dieser Art, sagte sich Stiles, um sich selbst ein wenig Mut zu machen. Oder vielleicht würden ihre Freunde ihnen ja auch manchmal ein wenig zur Hand gehen? Es war eben einfach nur Pech, dass dieses Kind in einem Moment zu ihm gefunden hatte, als er vollkommen allein war. Alles würde leichter werden, wenn das Rudel erst wieder komplett wäre, ganz bestimmt! Gerade als Stiles zum gefühlt hundertsten Mal das Windel- und Fläschchenritual wiederholte, tauchte plötzlich Loba hinter ihm auf und rief ihm ein fröhliches: „Hola Tio! Hola Ninja!“ zu. Er wirbelte herum und hätte in seinem übernächtigten Zustand vor Schreck beinahe das Baby fallen lassen. Loba zuckte zusammen und blickte ihren Lieblings-Wahl-Onkel mit ängstlich geweiteten Augen an: „Bist du krank, Tio?“ erkundigte sie sich zaghaft. Stiles holte tief Luft, presste sein Baby fest an sich und versuchte mit aller Kraft nicht darüber nachzudenken, was passiert wäre, wenn er den kleinen Wurm wirklich hätte fallen lassen: „Nein, mein Schatz, ich bin nicht krank. Ich bin bloß sehr, sehr müde.“ gab er so sanft und freundlich zurück, wie es ihm möglich war. Das Mädchen nickte wissend: „Babys weinen. Immer nur Bauchweh, Hunger, Pups und Pipi gemacht, Zähne kommen. Das hört nie auf!“ zählte sie altklug auf: „Manchmal nerven Babys.“ Dann fügte sie schnell hinzu: „Aber nicht meiner Mama sagen, bitte! Willst du, dass ich in der Schule Bescheid sage, dass ich nicht kommen kann? Dann kann ich dir helfen und du kannst schlafen?“ Stiles ahnte, dass Loba schon sehr früh dabei helfen musste, ihre kleinen Brüder zu versorgen und dass dabei womöglich auch ein Teil ihrer eigenen Kindheit auf der Strecke geblieben war: „Kommt nicht infrage, Süße.“ erwiderte er also: „Schule ist wichtig für dich. Dort kannst du lernen, spielen und Zeit mit deinen Freunden verbringen. Ich kriege dass mit Ninja schon in den Griff und später kommt ja Derek nachhause und kann mir mit ihr helfen. Aber du darfst sie noch ein wenig halten und knuddeln, ehe du gehst, wenn du das möchtest.“ Loba nickte begeistert und streckte sogleich die Arme nach dem Baby aus. Als das Mädchen von Greenburg in die Schule gebracht wurde, gelang es Stiles tatsächlich, Ninja wieder zum Schlafen zu bewegen. Und weil er irgendwo gelesen hatte, dass Eltern von unruhigen Babys am besten dann schlafen sollten, wenn ihr Nachwuchs es ebenfalls tat, platzierte er die Kleine auf dem Sofa und legte sich zu ihr, wo ihm ebenfalls nach wenigen Minuten die Augen zufielen. Er wusste nicht, ob er Stunden, oder nur Minuten geschlafen hatte, als er unerwartet von Dereks fassungsloser Stimme geweckt wurde: „Was zur Hölle ist denn hier los? Was ist das für ein Baby?“ Stiles schreckte benommen hoch, rieb sich die vom Schlafmangel gereizten Augen und stand so abrupt auf, dass ihm ganz ein wenig schwindelig wurde: „Das.. das ist deine Tochter. Also ich meine, es ist unsere. Du... du weißt schon!“ sprudelte es aus ihm hervor. Und dann berichtete er genauestens, was sich am gestrigen Tag hier ereignet hatte und wie es kam, dass man Ninja einfach hier bei ihm gelassen hatte. Derek hörte sich die Erklärung seines Ehemannes mit finsterer Miene zu ende an und polterte dann los: „SIE HBEN WAS GETAN? Die haben Kates Balg einfach so hier bei uns abgeladen? Sind die verrückt geworden? Das Kind kommt wieder weg, aber sofort! Was habe ich denn damit zu tun? Ich wollte es nie und ich will es auch jetzt nicht. Ich rufe sofort da an und kläre das! Die sollen sie gefälligst wieder abholen. Mir ist scheißegal, wo sie sie hinbringen, aber hier kann diese Teufelsbrut nicht bleiben.“ Und schon hatte Derek sein Handy in der Hand: „Wie hieß der Kerl vom Jugendamt, der sie gebracht hat? Dem werde ich jetzt aber etwas erzählen!“ „Derek, stopp!“ rief Stiles aus: „Jetzt warte doch mal und denk` darüber nach! Sie ist doch auch dein Baby und sie ist richtig lieb und süß. Ich will nicht, dass sie sie wegholen. Ich will sie behalten.“ In ihm vereinten sich Panik und enttäuschte Hoffnungen. Sicher hatte er nicht damit gerechnet, dass Derek über diese neuen Entwicklungen sogleich begeistert sein würde, doch mit solch einer kategorischen Ablehnung hatte er auch nicht gerechten. Derek hielt inne und starrte seinen Ehemann eine Weile stumm und fassungslos an: „Du... du willst WAS? Sie behalten? Bist du vollkommen verrückt geworden? Hast du vergessen, was Kate mir angetan hat, damit es überhaupt zu der Schwangerschaft kommen konnte? Und was sie DIR angetan hat? Sie hat versucht dich umzubringen und hätte es auch beinahe geschafft. Und nun willst du IHR KIND großziehen?“ Stiles Kehle schnürte sich zu: „Aber die Kleine kann doch für all das gar nichts.“ gab er hilflos zurück: „Sie ist bloß ein unschuldiges Baby.“ „Tut mir leid, Stiles, doch die Sache ist entschieden. Ich will dieses Kind hier nicht. Ich lasse es heute noch wegbringen.“ herrschte Derek ihn an, als sei damit das letzte Wort bereits gesprochen. Tränen stiegen in Stiles auf: „Das kannst du nicht tun. Ich... ich habe sie lieb. Ich werde sie behalten, ganz egal, was du sagst!“ „Es ist aber nicht deine Entscheidung, sondern meine.“ urteilte Derek: „Du kannst sie doch noch gar nicht lieb haben, nach so kurzer Zeit und du hast mit diesem Kind nichts zu tun, Stiles.“ „Habe ich wohl!“ antwortete Stiles trotzig: „Ich gebe dieses Baby nicht wieder her!“ „Sie ist aber nicht irgendein Hund, der dir zugelaufen ist, Liebling. Wir können sie nicht behalten. Sie gehört nicht zu uns.“ versuchte Derek es sanfter, in der Hoffnung dadurch wieder ein wenig mehr Ruhe in diese Situation zu bringen. Leider erreichte er dadurch das genaue Gegenteil, denn nun war Stiles richtig wütend: „Sprich´ nicht mit mir, als wäre ich ein Kind! Ich weiß, dass sie kein Hund ist. Sie ist ein hilfloser, winziger Mensch und sie braucht jetzt jemanden, der sich um sie kümmert, sie liebt und versorgt. Und wie es aussieht bin ich dieser Mensch, da du dich ja wohl lieber wie ein elender Feigling aus der Affäre ziehen willst! Ich lasse nicht mit mir verhandeln, Derek. Diesmal nicht! Ich behalte sie.“ „Das ist nicht deine Entscheidung, Stiles. Du hast hier keinerlei Rechtsanspruch.“ Dereks Stimme war eiskalt als er dies sagte. Und schon hatte er sein Handy wieder zur Hand und schickte sich an irgendwen, vermutlich dass Jugendamt anzurufen. Doch da war Stiles blitzschnell bei ihm, riss ihm das Gerät aus der Hand und warf es gegen eine Wand: „Mir ist scheißegal was du sagst, ich behalte sie! Du wirst mich überhaupt nicht finden, um sie mir wegzunehmen, denn ich verschwinde jetzt mit ihr, in der Hoffnung dass du dich beruhigst und zur Vernunft kommst. Was du da vorhast, ist nämlich der größte Fehler deines Lebens.“ Derek stand da wie vom Donner gerührt und blickte hinab auf sein zu Bruch gegangenes Telefon: „Du willst mich verlassen?“ fragte er ungläubig: „Ich will nicht, ich MUSS!“ gab Stiles zurück, fing an die Babyausstattung zusammen zu sammeln und in den Kinderwagen zu laden. Zu guter Letzt hob er noch die kleine Ninja selbst hinein, die soeben im Begriff war aufzuwachen und schob den Wagen in das Schlafzimmer, wo er Schränke und Schubladen Aufriss und seine eigene Kleidung in einen Rucksack zu stopfen begann. Derek war ihm gefolgt, schaute ihm hilflos dabei zu und stammelte: „Aber... aber was... hast du denn jetzt vor? Wo willst du hin? Was wirst du tun?“ „Weiß ich noch nicht. Ich suche für mich und unsere Tochter ein Zimmer und lebe dort mit ihr. Und dann hoffen sie und ich wohl darauf, dass Daddy seine Meinung ändert und uns wieder zu sich nachhause holt, schätze ich?“ gab Stiles zurück. Bei diesen Worten zitterte seine Stimme, doch dieses Mal nicht vor Wut, sondern vor Trauer. Er wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und schob dann den Kinderwagen, mit dem weinenden Baby in Richtung Ausgang. Er hörte Derek hinter sich kramen und ihm dann hinterher laufen: „Warte Stiles! Das wirst du brauchen.“ murmelte er und drückte seinem Ehemann ein Bündel Geldscheine in die Hand: „Nicht nötig. Ich habe Geld auf dem Konto.“ gab Stiles grimmig zurück: „Nimm´ es trotzdem!“ forderte Derek und drückte ihm die Scheine in die Hand. Stiles nahm es, seufzte tief und bat dann, ohne Derek anzublicken: „Bitte ruf´ jetzt noch niemanden an, Derek. Wenn die mich finden, komme ich wegen Kidnapping in den Knast. Gib uns beiden noch ein paar Tage Bedenkzeit, kannst du das tun?“ Derek nickte. Dann sah er, wie die Haustür hinter seinem Ehemann zufiel und er war allein. Kapitel 83: Zwei kleine Mädchen ------------------------------- Während er schwer bepackt den Kinderwagen die Auffahrt hinunter schob, hatte Stiles bereits sein Handy in der Hand und telefonierte ein Taxi herbei, auch wenn er noch keine Ahnung hatte, wohin dieses ihn überhaupt fahren sollte. Begleitend dazu weinte wieder einmal das Baby und er hatte keine Ahnung, was er in diesem Augenblick dagegen unternehmen sollte. Dann wurde ihm mit einem Mal klar, dass er in seiner Aufregung gerade tatsächlich sein Kaninchen Harvey im Haus vergessen hatte. Ein Mann, welcher sich anschickte alleinerziehender Vater einer Neugeborenen zu werden, besaß nicht einmal genügend Verantwortungsgefühl, um sich angemessen um sein Haustier zu kümmern? Er war offensichtlich der mieseste Erwachsene auf der ganzen, weiten Welt! Jetzt umzukehren und sein Häschen zu holen kam jedoch nicht infrage, nach der Szene, welche sich soeben abgespielt hatte, denn vielleicht war Derek mittlerweile zur Besinnung gekommen und würde ihn kein zweites Mal einfach so ohne Gegenwehr mit Ninja verschwinden lassen. Stiles musste sich also später etwas anderes einfallen lassen, wie seine kleine, tierische Freundin dennoch versorgt werden würde. Als es in diesem Augenblick auch noch heftig zu regnen begann, war die dramatische Kulisse schließlich perfekt. Stiles bastelte schnell das Verdeck, welches dem Kinderwagen beigelegen hatte an, während er selbst im Nu nass bis auf die Haut war. Zum Glück traf in diesem Augenblick das Taxi ein. Die Fahrerin, eine muskulöse, übergewichtige afroamerikanische Mitvierzigerin mit Buzzcut in Jeans, ärmelosem Flanellhemd und Sneakern stieg aus und half ihm dabei, die weinende Ninja in die Babyschale umzubetten, ohne dass die Kleine allzu viel Regen abbekam, sie ins Auto zu verfrachten und dort mit dem Gurt fachgerecht zu sichern. Nachdem der Kinderwagen und das gesamte restliche Gepäck hinten im Kofferraum verfrachtet und alle an Bord waren, schaute die Fahrerin Stiles im Rückspiegel fragend an. Gewiss konnte sie sich auf das Bild, welches sich ihr gerade geboten hatte, keinen Reim machen: Ein verstörter junger Mann mit Baby und Sack und Pack vor einer der teuersten Villen in Beverly Hills? So etwas bekam sie sicherlich nicht alle Tage zu Gesicht: „Und? Wohin soll´s gehen?“ fragte die Fahrerin in diesem Augenblick. Und obwohl Stiles mit dieser Frage natürlich gerechnet hatte, zuckte er zusammen und dann brach er in Tränen aus, denn ihm wurde klar, dass er keine Ahnung hatte, wie er darauf antworten sollte. „Ich kenne ein familienfreundliches, kleines Hotel nicht weit von hier. Wie wäre es damit für´s Erste?“ schlug die Fahrerin mitfühlend vor. Stiles nickte dankbar und das Taxi setzte sich in Bewegung. Derek wanderte durch sein stilles, menschenleeres Haus und versuchte zu verstehen, was gerade geschehen war? Stiles war fort. Würde er überhaupt jemals wiederkommen? Gerade noch waren sie beide ein frisch vermähltes Paar gewesen, hatten eine unglaubliche, abenteuerliche, romantische, wundervolle Hochzeitsreise um die halbe Welt unternommen und nun sollte alles vorbei sein? Also hatte die verdammte Kate am Ende doch noch gewonnen? Vermutlich saß sie gerade feixend in ihrer Zelle, nachdem sie diese Bombe, in Gestalt eines Babys, über seinem Leben abgeworfen hatte. „Fuck, fuck, fuck!“ brüllte Derek ins Leere und prügelte dann mit den Fäusten auf die nächstgelegene Wand ein, bis seine Knöchel bluteten. Dann sank er kraftlos in einen seiner bequemen Sessel und blieb dort reglos hocken, ehe ihn irgendwann der Schlaf übermannte. Als er die Augen wieder öffnete, stand vor ihm dieses Kind, die Enkelin von Pedro und starrte ihn aus ihren riesigen, dunklen, dicht bewimperten Disney-Augen an: „Was willst du?“ wollte Derek wissen und konnte sogar selbst deutlich hören, dass dies nicht der Tonfall war, in dem man mit einem unschuldigen kleinen Mädchen sprach, welches niemandem etwas getan hatte. Die Kleine zuckte ein wenig zusammen, doch sie wich nicht zurück: „Tío Stiles schickt mich. Ich soll sein Häschen holen und darauf aufpassen.“ piepste sie. „Ach so? Ja... dann mach das doch. Du weißt ja, wo es ist, oder?“ versuchte Derek es diesmal deutlich sanfter. Die Kleine nickte und rannte los. Wenig später war sie mit dem Transportkorb mit dem Kaninchen darin wieder da und blickte ihn erneut fragend aus ihren runden Kinderaugen an: „Hast du dir wehgetan, Tio?“ fragte sie und deutete auf Dereks Hände. „Das ist nichts.“ behauptete der Hausherr, obgleich seine Knöchel blutig aufgeschürft und geschwollen waren und schmerzhaft vor sich hin puckerten: Das Mädchen zog skeptisch die Augenbrauen hoch und entschied dann: „Doch wohl, das ist richtig dolle schlimm! Du musst zum Doktor gehen.“ „Ich will aber nicht zum Doktor gehen.“ erwiderte Derek und konnte selbst hören, dass er wie ein trotziges Kind klang. Die kleine Loba schien nachzudenken. Dann entschied sie: „Also gut, dann mache ich das. Ich bin gleich wieder da.“ Derek hatte selbstverständlich widersprechen wollen, denn er wollte gerade einfach bloß allein sein, doch es war zu spät. Das Mädchen war bereits mit dem Kaninchen losgeflitzt und war fünf Minuten später mit einem Erste-Hilfe-Koffer und wichtiger Miene wieder bei ihm. „Ich brauche keine Hilfe. Mir geht es gut.“ versicherte Derek erneut, doch die Kleine war hartnäckig: „Keine Sorge Tío, ich kann das. Du musst keine Angst haben. Ich bin ganz vorsichtig.“ beteuerte sie: „Bei uns tut sich dauernd jemand weh, meine Tíos, meine Brüder, alle. Erst habe ich meiner Mama immer nur zugeschaut, wie sie alles wieder gut macht. Jetzt mache ich es selber. Gib mir deine Hände, Tío!“ Das letzte war keine Frage, es war auch keine Bitte, es war ein Befehl. Und Derek konnte selbst nicht fassen, dass er der energischen Siebenjährigen gehorchte, die sich nun auch sofort fachmännisch ans Werk machte. Sie gab ein Desinfektionsspray auf die aufgerissene Haut, was ein wenig brannte und Derek zusammenzucken ließ: „Stillhalten!“ ordnete das Kind an, legte Wundauflagen auf die offenen Stellen und machte sich dann geschickt daran, einen Verband um die Hand zu wickeln, nicht zu fest, nicht zu locker, sondern genau richtig: „Du machst das aber wirklich gut.“ staunte Derek: „Habe ich doch gesagt. Ich kann das.“ gab das Kind selbstbewusst zurück und als sie ihr Werk vollendet hatte, fügte sie hinzu: „Siehst du? Alles wieder gut!“ und sie streichelte tröstend wie eine kleine Mami Dereks behaarten Unterarm. Dieser konnte sich ein gleichsam gerührtes, wie belustigtes Schmunzeln nicht verkneifen und bedankte sich artig für die Versorgung. Dann schickte Loba sich an zu gehen, zögerte jedoch, drehte sich wieder zu ihm um und fragte: „Warum ist Tío Stiles weggegangen? Wann kommt er wieder?“ Derek seufzte und zuckte mit seinen Schultern: „Hast du sein neues Baby gesehen? Es ist sehr niedlich und ganz klein und zerknautscht. Es ist ein Mädchen. Stiles hat versprochen, ich darf ihre Tía sein.“ „Ja, ich habe es gesehen.“ knurrte Derek knapp. Loba schien unschlüssig, was sie als nächstes tun oder sagen könnte. Schließlich murmelte sie: „Aber sie ist doch auch dein Baby, oder nicht? Willst du sie denn nicht bei dir haben?“ Derek rieb sich die Stirn und bemühte sich um Geduld: „Ich bin müde, Kleine. Kannst du jetzt bitte wieder nachhause gehen. Deine Mama vermisst dich bestimmt auch schon.“ Wieder sah es so aus, als würde sich Loba zurückziehen, doch sie drehte sich noch ein weiteres Mal um und sagte leise: „Tío Stiles hat geweint. Das konnte ich am Telefon hören. Warst du gemein zu ihm?“ Diese Worte und insbesondere diese letzte Frage bohrten sich in Dereks Brust wie ein Schwert. Er spürte wie wie es hinter seinen Augen zu brennen begann. Er presste seine Lippen so fest aufeinander, dass sie ganz weiß wurden, nur um zu verhindern, dass etwas von den aufgewühlten Empfindungen in seinem Inneren von dort entkommen konnte. Doch dann krabbelte Loba auf seine Sessellehne und legte einen Arm um ihn. Derek erschrak selbst über den schluchzenden, gequälten Laut, welcher seiner eigenen Kehle entstammte. Er krümmte seinen Oberkörper so sehr, als wolle er sich in sich selbst verkriechen und presste beide Hände fest auf sein tränennasses Gesicht, während kleine Kinderhände sacht und beständig seinen Rücken streichelten. Stiles blickte sich in seinem Hotelzimmer um. Es war alles da, was sie brauchten: Es gab ein kleines Sofa, einen Tisch mit vier Stühlen, einen Wickeltisch, ein Babybett, einen Wasserkocher mit dem er die Milch für die Kleine zubereiten konnte und sogar einen Kühlschrank und eine kleine Spüle. Die Einrichtung war aus Kiefernholz, die Betten und alle Sitzmöbel waren mit demselben farbenfrohen Stoff bezogen und die Wände waren in einem zarten Pfirsichton gestrichen. Die Fenster vor dem langen, schmalen Balkon waren bodentief und ließen viel Tageslicht herein. Sie waren weit oben im siebten Stock, so dass man den Verkehr von der Hauptstraße vor dem Gebäude nur noch als beruhigendes Hintergrundrauschen hörte und wenn man hinaussah, konnte man in einiger Entfernung sogar den Ozean sehen. Es war gemütlich und sicherlich konnten seine Tochter und er es hier ein paar Tage aushalten, bis Stiles eine dauerhafte Bleibe für sie beide gefunden hatte. Seine Tochter? Ja, das war sie wirklich, wusste Stiles tief in seinem Inneren, ganz gleich was Derek, das Gesetz oder sonst irgendwer dazu sagen mochten. Dieses Baby gehörte zu ihm, das spürte er ganz deutlich und er schickte den inständigen Wunsch gen Himmel, dass Derek dies über kurz oder lang auch noch begreifen würde. Ninja war bei der Taxifahrt eingeschlafen. Vermutlich hatte das Schaukeln des Gefährts sie beruhigt, doch nun begann sie sich im Schlaf zu bewegen, was Stiles als Zeichen deutete, dass sie bald wieder erwachen würde, also hielt er sich besser ein wenig ran und bereitete ein Fläschchen vor. Loba hatte sich irgendwann ohne ein Wort einfach zurückgezogen, nachdem Dereks Schluchzen versiegt war. Dieser schämte sich furchtbar, dass das kleine Mädchen ihn so gesehen hatte, doch er hatte es nun mal einfach nicht zurückhalten können. Er tat an diesem Tag nicht mehr viel. In der letzten Zeit war einfach zu viel geschehen; der Überfall, die lange Rückreise über Zeitzonen hinweg, dann direkt zur Arbeit, um die dortigen Katastrophen zu verarzten und dann nachhause kommen, von der erschütternden Neuigkeit überfallen werden, dass er nun eine Tochter habe, welche er nicht wollte und der heftige Streit mit Stiles, welcher nun einfach fort war, der Himmel wusste wohin. Derek war unglaublich erschöpft! Er hatte sich den Fernseher angestellt, ließ sich von Gameshows und Telenovelas berieseln und fiel zeitweise in einen wenig erholsamen Dämmerschlaf. Das Baby weinte viel und Stiles konnte es der Kleinen wirklich nicht verdenken. Was war das bloß für ein Start ins Leben? Von der Mutter schon vor der Geburt beinahe ermordet, vom Vater verstoßen, kein richtiges Zuhause und die einzige Bezugsperson die sie hatte, war ein dummer Junge, welcher kaum eine Ahnung hatte, was er hier überhaupt tat. Es war wieder einmal Zeit für ein Fläschchen, doch irgendwie wollte Ninja nicht recht trinken. Stiles hatte den Verdacht, dass die Kleine von dem Milchpulver Koliken bekam und überraschend fand er dies überhaupt nicht, denn immerhin war diese Form der Ernährung ja auch bloß eine Notlösung. Missmutig warf Stiles einen Blick hinab auf seine flache, nutzlose Brust, die niemals sein Kind nähren würde, ganz gleich wie sehr er sich für ihre Familie hielt. Dann kam ihm jedoch ein Gedanke. Sein Körper konnte vielleicht keine Milch für Ninja produzieren, aber doch wenigstens Wärme, welche ja möglicherweise ihrem kleinen Nervensystem helfen mochte, sich zu beruhigen und besser zu verdauen. Und so zog er sich kurzerhand sein T-Shirt aus und hielt seine Tochter eng an seinem Körper, während er es ein weiteres Mal mit dem Fläschchen versuchte. Und siehe da, das Baby trank! Als das Fläschchen nach einer Weile bis zur Neige geleert war und das Baby mit schläfrigem Blick satt und zufrieden zu ihm hinauf blinzelte, entschied Stiles: „Du brauchst endlich einen richtigen Namen, süße Maus.“ Und einer Eingebung folgend entschied er: „Ich werde dich Talia nennen. Talia Hale, so wie deine Oma im Himmel. Ich vermute, sie war eine großartige Frau. Wie gefällt dir das, mein Engel?“ Das Mädchen griff nach seinem Zeigefinger und hielt diesen erstaunlich fest: „Das nehme ich mal als ein Ja.“ sagte Stiles mit einem kleinen Lachen. Kapitel 84: Unverstanden ------------------------ Es war Nacht geworden. Ein stilles, dunkles Haus, allein die spätherbstlichen Santa-Ana-Winde vor dem Fenster waren zu hören, welche Reste buntem Laubes von den Bäumen im Garten rissen und durch Ritzen an Fenstern und Türen pfiffen. Derek lag allein in seinem Bett und lauschte. Er fragte sich, was Stiles wohl gerade tat? Wo er steckte? Ob er wohl mittlerweile zur Vernunft gekommen war? Diese verdammte Kate! Sie war der Fluch, welcher auf seinem Leben lag. In diesem Moment wünschte er ihr einfach nur den Tod! Derek wollte so unbedingt schlafen, doch daran war gerade nicht zu denken. Ihm ging einfach zu viel durch den Kopf. Stiles hatte natürlich recht damit gehabt, dass man ein Neugeborenes nicht einfach sich selbst überlassen konnte, doch das Mädchen großzuziehen war nun einmal keine Option für Derek. Er würde sie aufwachsen sehen und dadurch an jedem Tag seines Lebens ebenso an jene Frau erinnert werden, welche ihn vergewaltigt hatte, die für den Tod seiner Familie und anderen Menschen verantwortlich war, die versucht hatte, seinen Partner zu ermorden und die so unglaublich viel Leid über so viele Leben gebracht hatte. Und wie konnte diese Bosheit nicht ebenfalls tief in jede Zelle dieses Kind eingraviert sein? Derek war ja bereit beinahe alles für Stiles Glück zu tun, doch das war einfach zu viel verlangt! Mit so etwas durfte er einfach nicht ihrer beider Leben vergiften! Aber nun, da Derek sich ein wenig beruhigt hatte, war ihm klar, dass eine gute Alternative für das Kind her musste. Sie mussten ein Zuhause für das Mädchen finden; eines das Stiles überzeugte, in welchem die Kleine sicher und zufrieden aufwachsen konnte. Selbstverständlich würde Derek für das Finanzielle zu sorgen, das war ja gar keine Frage. Er würde sicherstellen, dass es ihr materiell niemals an etwas mangeln musste. Ein solches Arrangement würde Stiles doch sicherlich zufriedenstellen, oder nicht? Dann würde sein Ehemann gewiss ein Einsehen haben, ihm verzeihen, zu ihm nachhause zurückkehren? Und wenn das Kind für Stiles in so kurzer Zeit wirklich derart wichtig geworden war, dann gäbe es gewiss auch eine Möglichkeit, dass er irgendwie Teil ihres Lebens sein könnte, vielleicht als eine Art Patenonkel, oder so? Und um den Trennungsschmerz zu lindern, konnten er und Stiles sich doch auch sofort um eine Adoption eines eigenen Kindes kümmern. Oder von ihm aus auch eine Leihmutterschaft, falls Stiles die biologische Verwandtschaft wichtig sein sollte? Es würde sich jedenfalls eine zufriedenstellende Möglichkeit finden lassen und dann würde alles wieder gut werden. Dann kam Derek ein Gedanke. Vielleicht würde Chris ja auch Kates Tochter großziehen wollen? Sie war immerhin seine Nichte und er war doch bereits ein erfahrener Vater? Und so wäre auch gewährleistet, dass das Kind sozusagen `in der Familie´ blieb. Das musste Stiles doch mit Sicherheit überzeugen? Gleich morgen würde Derek seinen alten Freund Chris Argent kontaktieren und diese Option mit ihm besprechen. In diesem Gedanken fand Derek endlich genug Frieden um einzuschlafen. Er war so unendlich erschöpft. Als Derek erwachte, war bereits helllichter Tag, es musste beinahe schon Mittag sein und im Haus waren verschiedene Stimmen zu vernehmen. Derek verschwand kurz im Bad, schlüpfte dann in ein Shirt und eine Trainingshose, atmete tief durch und dann fühlte er sich bereit für das, was nun vor ihm lag. Die Kids waren von ihrem Kurzurlaub zurückgekehrt, gut gelaunt, schwatzend, lachend und offensichtlich ziemlich hungrig, denn sie hatten die Speisekammer geplündert, eine riesige Menge Essen auf den Tisch gehäuft und waren gerade dabei, gierig ihre Beute zu verschlingen, wie eine Horde Heuschrecken. Malia entdeckte ihn zuerst und fragte munter: „Na, endlich ausgeschlafen, Großer? War wohl ´ne wilde Nacht, wie? Habt ihr euch denn in euren Flitterwochen noch nicht genug ausgetobt? Wo ist denn unser Stiles? Liegt der noch im Koma, oder wie?“ Derek schluckte: „Stiles ist... nicht hier.“ Scott blickte alarmiert von seinem Teller auf: „Nicht hier? Was bedeutet `nicht hier´? Wo ist er denn?“ Derek zuckte mit den Schultern: „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht?“ Mittlerweile hatte jeder am Tisch aufgehört zu essen und Derek schaute in die fragenden Gesichter von Malia, Lydia, Allison, Danny, Isaac und Scott. „Häh? Was soll dass den bedeuten? Hattet ihr Krach? Du hast Stiles doch wohl nicht etwa irgendwo in Timbuktu zurückgelassen und bist einfach nachhause geflogen, oder?“ fragte Lydia scharf: „Timbuktu? Wie... wieso denn Timbuktu?“ stammelte Derek: „Wir waren gar nicht in Mali. Wir waren viel weiter westlich in Afrika, in Ägypten und Algerien.“ „Sagt mal, will der Typ uns eigentlich verarschen?“ schaltete sich nun wieder Malia ein: „Du sollst uns sagen, wo zur Hölle unser Freund Stiles steckt! Was hast du angestellt, du Idiot?“ „Ich habe gar nichts angestellt. Es war seine Entscheidung zu gehen. Und es war eine dumme, leichtsinnige Entscheidung, typisch Stiles eben!“ rechtfertigte sich Derek ärgerlich: „Wieso ist er gegangen? Und wohin? War es hier in L.A., oder auf eurer Reise. Rück´ endlich mit der Sprache raus!“ brüllte Scott, welcher mittlerweile vom Tisch aufgesprungen und kurz davor war, auf Derek loszugehen: „Ich würde es euch ja erklären, wenn ihr endlich mal alle die Klappe halten und aufhören würdet, mich mit Fragen zu bombardieren.“ schnaubte Derek: „Also... selbstverständlich habe ich Stiles nicht irgendwo auf der Welt im Stich gelassen und bin ohne ihn zurückgekehrt. Wie könnt ihr das überhaupt von mir denken? Wir hatten eine wundervolle Hochzeitsreise und haben uns sehr gut vertragen. Aber dann kamen wir wieder und ich musste erst einmal mein Unternehmen retten und war einige Tage nicht da. Stiles war allein zuhause. In dieser Zeit ist aber etwas passiert. Kate hat nämlich mittlerweile ihre Höllenbrut zur Welt gebracht und man hat das Baby einfach so hier bei Stiles abgeladen. Ich wusste davon nichts.“ „Wow, das Kind ist da? Ich habe einen Cousin, oder eine Cousine?“ fragte Allison dazwischen: „Es ist eine Cousine, aber das ist doch gerade überhaupt nicht der Punkt!“ bellte Derek wütend: „Der Punkt ist, das Stiles mich dann zwingen wollte, dieses Kind zu behalten und großzuziehen, aber das werde ich selbstverständlich nicht tun. Dieses Kind ist nicht mein Problem. Ich will es nicht haben! Aber dann hat Stiles mich einfach so mit dem Gör verlassen, so als würden ich, unsere Ehe und unser gemeinsames Leben überhaupt nichts bedeuten! Ich kann immer noch nicht fassen, dass er mir das angetan hat. Wie ihr also seht, habe ich absolut nichts falsch gemacht und habe diese Behandlung mit Sicherheit nicht verdient!“ Eine Weile herrschte ratloses Schweigen am Tisch. Scott war der Erste, welcher dieses durchbrach: „Du hast Stiles einfach so gehen lassen? Ich dachte, du würdest ihn lieben?“ Er sprach leise, doch die Anklage in seiner Äußerung war unüberhörbar, also rechtfertigte sich Derek: „Ich liebe ihn über alles, aber was hätte ich denn tun können? Es war doch Stiles Entscheidung zu gehen. Ich wollte das bestimmt nicht, ich wollte nur dieses Kind loswerden, das war alles.“ „Ich fasse es echt nicht, was du für ein Trottel bist.“ urteilte Malia kopfschüttelnd: „Scheinbar kennst du Stiles kein Stück! Du hast ihm doch überhaupt keine Wahl gelassen, als vor dir zu fliehen. Ich würde dir am liebsten eine reinhauen, Mann!“ Derek knurrte leise und erwiderte: „Wisst ihr was, ihr könnt mich alle mal! Ich habe keinen Bock mehr mit euch zu reden. Ihr seid allesamt unsensible Arschlöcher. Meine Sichtweise ist euch doch scheißegal. Ich bin hier fertig! Ich verschwinde!“ Er drehte sich auf dem Absatz um und flüchtete in sein Schlafzimmer, wo er vorsichtshalber die Tür abschloss, damit es sich keiner von den Anderen einfallen ließ, ihm folgen und dieses unsägliche Gespräch fortzusetzen. Kapitel 85: Pep Talk -------------------- „Scheiße, was machen wir denn jetzt? Da müssen wir doch irgendwie helfen.“ fragte ausgerechnet Isaac betroffen. Danny staunte über ihn und dies tat er nicht zum ersten Mal in der jüngeren Vergangenheit. Er kannte Isaac bereits seit mehreren Jahren, so gut wie Zwei sich eben kennen konnte, wenn beide Straßenkids waren, jeder Tag ein Kampf ums nackte Überleben war und man nie genau wusste, wem man überhaupt vertrauen durfte. Ein Paar waren Danny und Isaac erst seit wenigen Monaten und in dieser kurzen Zeit war mit Isaac etwas geschehen. Er hatte sich verändert, hatte sich geöffnet, so dass von dem knallharten Bastard, welchen er früher allen präsentiert, hatte im Grunde kaum noch etwas übrig geblieben war. Die harte Schale war fort und Isaac hatte sich von einem menschenfeindlichen Egozentriker, hin zu einem Mann gewandelt, der Liebe geben und für seine Freunde eintreten wollte. Danny nahm die Hand seines Geliebten und verschränkte ihre Finger: „Wir werden etwas unternehmen.“ versprach er: „Aber geben wir Derek erst einmal ein bisschen Zeit.“ „Von mir aus kann der Trottel da in seinem Zimmer verschimmeln.“ mischte sich Scott ärgerlich ein: „Aber ich will wissen, was mit Stiles ist und wo er und das Baby stecken.“ Er schnappte sich sein Handy und sprang vom Tisch auf. Als er nach einer Weile wiederkehrte, wurde er von den fragenden Blicken seiner Freunde begrüßt: „Nichts!“ schnaubte Scott: „Stiles geht nicht dran. Er hat mich immer wieder weggedrückt und nach dem dritten Versuch war sein Telefon aus. Fuck, ich mache mir richtige Sorgen.“ „Ich glaube, das musst du aktuell nicht.“ urteilte Lydia: „Er will einfach gerade nicht gestört werden. Vielleicht schläft das Baby, oder er hat Angst Derek würde versuchen, ihn über dein Telefon zu erreichen, oder er braucht ganz einfach Zeit und Ruhe, um darüber nachzudenken, wie es nun in seinem Leben weitergehen soll. Er wird sicher ein Lebenszeichen von sich geben, wenn er dazu bereit ist. Und wenn er dich wegdrücken, beziehungsweise sein Telefon abstellen kann, liegt er ja offensichtlich auch nicht sterbend im Straßengraben, also kannst du dich erst einmal ein wenig entspannen, Mutter McCall. Deinem Baby geht es so gut, wie es in dieser verkackten Situation eben möglich ist.“ „Hey, nenn´ mich nicht so, Bitch!“ murrte Scott: „Und nenn´ du mich nicht Bitch, Bitch!“ konterte Lydia empört: „Hört auf zu zanken!“ herrschte Allison die beiden an: „Danny hat Recht, wir sollten erst einmal eine Weile die Füße stillhalten und abwarten, wie es weitergeht. Und wenn wir helfen können, dann helfen wir. Darauf schienen alle Paare sich für´s Erste einlassen zu können. Sie beendeten schweigend ihre Mahlzeit, denn von der Fröhlichkeit nach ihrem Kurzurlaub war gerade nicht mehr viel zu spüren. Nachdem sie satt waren, machten sie gemeinsam noch ein wenig Ordnung und anschließend zogen sie sich paarweise in ihre jeweiligen Zimmer zurück. Stiles auf seinem Bett in seinem Hotelzimmer und blickte auf das Baby hinab, welches endlich Schlaf gefunden hatte. Stille Tränen kullerten über seine Wangen. Er hatte wirklich verdammt wenig geschlafen in letzter Zeit, sein Leben war Scheiße, er war absolut nicht vorbereitet auf die Elternrolle und die Fürsorge für ein Neugeborenes, seine Ehe war möglicherweise bereits am Ende, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte und er fühlte sich vollkommen allein auf der Welt. Als vorhin sein Telefon geklingelt hatte und Scotts Name auf dem Display erschienen war, war es unglaublich verführerisch gewesen abzunehmen, doch er wusste ja nicht nicht, was ihn am anderen Ende der Leitung wirklich erwarten würde? Es hätte ebenso gut Derek sein können, der versuchen wollte ihn zu bequatschen, die kleine Talia aufzugeben und nachhause zu kommen. Vielleicht hätte sein Mann ja sogar bereits die Polizei und das Jugendamt alarmiert und man würde versuchen, mittels einer Fangschaltung seinen Standort zu ermitteln, um das Kind von ihm weg zu holen? Aber möglicherweise machte ihn auch bloß der Schlafmangel mittlerweile paranoid? So etwas würde ihm Derek, SEIN Derek ihm doch gewiss nicht antun, richtig? Andererseits hatte der auch wirklich keinen Hehl aus seinem Abscheu gegen ihre Tochter gemacht. Und Stiles war sich momentan nur einer einzigen Sache vollkommen sicher: Er musste Talia beschützen, da konnte kommen, was wollte. Das war das Allerwichtigste! Und selbst wenn es wirklich Scott gewesen sein sollte, welcher ihn anzurufen versucht hatte, wer wusste denn schon, wie dieser über die ganze Sache dachte? Vielleicht wollte sein Herzensbruder ihn ja auch bloß überreden nachhause zu kommen, das Kind aufzugeben und zur Vernunft zu kommen? Für solch ein Gespräch war er momentan einfach nicht stark genug. Nein, da war er allein doch besser dran. Er legte sich dicht neben seine Tochter, schloss die Augen und hoffte auf ein wenig Schlaf, hoffte darauf, dass ein ausgeschlafener Kopf ihm helfen würde wieder durchzublicken, damit er entscheiden konnte, wie es nun weitergehen sollte. Derek lag auf seinem Bett und starrte hinauf zur Decke. Er fühlte sich allein, unverstanden, im Stich gelassen. Er war einfach nur wütend und es tat gut wütend zu sein. Und er hatte immerhin auch jedes Recht dazu, fand er. Er hatte schließlich überhaupt nichts Unrechtes getan, nichts womit er es verdient hätte, verlassen, oder beschimpft zu werden. ER war hier das Opfer! Das hatten scheinbar alle vergessen? Er stellte sich vor, wie die verdammte Kate Argent im Knast von irgendeiner Mitgefangenen zu Tode geprügelt, oder mit einer rostigen Klinge abgestochen wurde. Ehemalige Models und Jetsetterinnen waren im Gefängnis bestimmt nicht sonderlich beliebt, richtig? Sich dies in allen Farben auszumalen, tat Derek einen Moment lang wirklich gut. Bis die Sehnsucht nach seinem Freund, seinem Gefährten, seinem Ehemann in mit einem Mal wie eine heftige Woge überkam. Nie zuvor hatte hatte es in Dereks Leben jemanden wie Stiles gegeben, jemanden der ihn ohne Wenn und Aber liebte und nicht nur deswegen bei ihm war, weil er sich irgendeinen Vorteil davon erhoffte. Stiles, dem all sein Geld nichts bedeutete, der wirklich IHN meinte, der ihn liebte. Und Derek wusste, dass es so war, auch jetzt noch, wo sein Mann ihn verlassen hatte. Dennoch war Stiles nun fort und das war für den Milliardär, welcher beinahe jeden verloren hatte, den er je geliebt hatte, die Höchststrafe. Derek zog sich die Decke über den Kopf, lauschte den roten Winden des Herbstes, wie sie um sein Haus bliesen und nach einer Weile fiel er in einen leichten, unruhigen Schlaf, welcher ihn mit unangenehmen Träumen quälte. Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, als er nach einer Weile von einem kratzenden, schabenden Geräusch geweckt wurde. Er brauchte eine Weile, ehe er wach genug war zu verstehen, was hier gerade vor sich ging. Jemand machte sich nämlich soeben am Schloss seiner Schlafzimmertür zu schaffen. `Diese kleinen Mistkerle!´, dachte er ärgerlich. Nicht einmal ein wenig Ruhe und Zeit zum Nachdenken waren ihm vergönnt! Derek wollte soeben aufstehen, um etwas gegen den Einbruch unternehmen, da schwang seine Tür auch bereits auf und Malia kam frech hereinspaziert. Eigentlich hätte er sich denken können, dass nur sie es sein konnte, die seine persönlichen Grenzen derart missachtete: „Du bist wohl verrückt geworden! Verschwinde und zwar sofort!“ pöbelte er. Malia schloss die Tür wieder hinter sich und trat unbeirrt auf ihn zu: „Nichts da! Du hast jetzt lange genug hier gehockt und vor dich hin geschmollt. Jetzt wird es höchste Zeit, dass jemand kommt und ein bisschen Vernunft in deinen Dickkopf bringt. Und wie du sicherlich schon selbst erraten hast, bin ich genau die richtige Frau für diesen Job. Rück´ doch mal rüber, Dickerchen, ich will mich zu dir legen.“ „Dickerchen? Was soll das denn heißen? Ich habe die Topform eines Olympioniken.“ protestierte Derek: „Außerdem habe ich doch wohl deutlich gesagt, dass du verschwinden sollst.“ „Nun... das werde ich aber nicht, denn ich habe etwas zu sagen. Etwas das du hören musst!“ Und weil Derek nicht freiwillig rutschen wollte, krabbelte seine Cousine kurzerhand über ihn hinweg und machte es sich auf Stiles Seite des Kingsize-Bettes bequem: „Du kannst wirklich eine verdammte Pest sein.“ murrte Derek: „Ich weiß. Ich bin wie mein Vater, richtig? Ich kann zwar nicht beurteilen, ob das stimmt, aber ich bemühe mich nach Kräften, seine Essenz zu channeln und dir Rat zu geben, wie er es in meiner Situation sicherlich getan hätte. Also spitz´ die Ohren, Blödmann, denn es gibt ein paar Dinge, die du verstehen musst.“ „Wieso bin ich eigentlich immer derjenige, der etwas verstehen muss? Wer versteht mich denn? Ist dir eigentlich klar, was mir widerfahren ist? Dieses Baby existiert nur, weil mir Gewalt angetan wurde! Niemand, wirklich niemand kann von mir verlangen, dass ich es annehme.“ erklärte Derek, so ruhig wie es ihm angesichts seines Ärgers möglich war: „Keiner hat je behauptet, dass das Leben fair wäre?“ erwiderte Malia ungerührt: „Dein Schätzchen hat es sich in den Kopf gesetzt, dass dieses Baby seines ist. Denkst du wirklich, er wird es einfach so aufgeben? Stiles ist ein fürsorglicher Typ und dieses Baby hat doch sonst niemanden auf der Welt. Er kann doch gar nicht anders handeln, als für die Kleine zu sorgen..“ „Er könnte doch wenigstens einmal über Alternativen nachdenken, oder nicht? Wir würden gewiss ein gutes und sicheres Zuhause für die Kleine finden. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, dass sie bei uns aufwachsen muss.“ beharrte Derek. Malia schüttelte gutmütig den Kopf, als würde sie mit einem einfältigen Kind sprechen: „Irrtum, Mann! Einen Grund gibt es schon und ich fürchte dieser Grund trumpft alles, was du vorzubringen hast: Stiles LIEBT dieses Kind.“ „WIE KANN ER ES LIEBEN? ER HAT ES DOCH GERADE ERST KENNENGELERNT!“ brüllte Derek zornig: „Was weiß ich? Mutterinstinkt, oder so?“ gab Malia gelassen zurück: „Diese Art der Bindung entsteht jedenfalls unheimlich schnell, das hat die Natur so eingerichtet. Das hat mit Hormonen und so zu tun.“ „Ich habe langsam das Gefühl, ich habe es hier nur mit Verrückten zu tun. Das ist KATES verdammtes Kind. Du erinnerst dich an Kate, oder? Eine wahnsinnige Mörderin, die es auf uns alle abgesehen hatte? Ihr Kind kann doch gar nichts anderes als ein Monster sein! So etwas will ich mit Sicherheit nicht in meinem Leben haben. Ist das denn so schwer nachzuvollziehen?“ knurrte Derek und funkelte seine Cousine wütend an. Malia sah seltsamer Weise eigenartig getroffen bei diesen Worten aus: „Denkst du so vielleicht auch über mich?“ wollte sie wissen. „Häh?“ machte Derek verständnislos: „ Stell´ dich nicht dümmer als du bist! Du weißt doch genau, was meine Mutter für ein Mensch war. Sie hat mein Geld eingesackt, mich von meinem biologischen Vater ferngehalten, bis es zu spät war und hat ihm gedroht, mich umzubringen, wenn er es wagen sollte, Kontakt zu mir zu suchen. Hast du das schon vergessen? Meine Mutter war ein echtes Ungeheuer! Bin ich deswegen etwa auch eines? Und was ist mit deinem Freund Chris? Er ist immerhin Kates Bruder? Was ist mit Allison? Macht die Blutsverwandtschaft mit Kate sie beide vielleicht auch zu Monstern?“ schnaubte Malia: „Und hast du vergessen, dass dieses Mädchen auch DEIN Kind ist? Sie hat auch dein Blut, oder etwa nicht? Und vermutlich ist das ebenfalls ein wichtiger Grund dafür, dass Stiles dieses Baby beschützen will, weil es ein Stück von dir ist, Mann!“ Derek war mittlerweile verstummt. Malia konnte sehen, wie es im Gesicht ihres Cousins arbeitete, doch sie hatte keine Ahnung, ob es ihr endlich gelungen war, zu ihm durchzudringen, bis dieser nach einer ganzen Weile sagte: „Ich weiß doch gar nicht, wie ich Stiles überhaupt finden soll?“ Malia atmete auf: „Keine Sorge Kumpel, darum hat Tante Malia sich bereits gekümmert. In dieser Minute wird an diesem Problem gearbeitet. Komm´ einfach zu uns, sobald du bereit bist, diese Sache in Ordnung zu bringen und unseren Jungen nachhause zu holen!“ Mit diesen Worten erhob sie sich und ließ Derek allein in seinem Schlafzimmer zurück. Kapitel 86: Der rote Wind treibt mich zu dir -------------------------------------------- Als Derek das selbstgewählte Exil seines Schlafzimmers wieder verließ, wurde er eigenartigerweise begrüßt vom entfernten Gemurmel zahlreicher Stimmen. Er folgte dem Klang und fand in seinem Wohnbereich nicht nur Stiles Freunde, sondern ebenso auch Chris Argent und Deucalion vor, allesamt schwer beschäftigt, so dass niemand sein Eintreffen so wirklich zu registrieren schien. Die einen hatten ihre Handys am Ohr und telefonierten, während wieder andere am Computer waren und eifrig damit zu tun hatten, etwas zu recherchieren, bis schließlich Deucalion laut ausrief: „Ha, ich hab´s Leute! Ihr könnt jetzt mit der Suche aufhören.“ Telefonate wurden beendet und der Rechner heruntergefahren. Alle Blicke richteten sich auf Dereks Freund und Geschäftspartner und dieser würdigte nun endlich auch Dereks Ankunft, indem er ihn mit den Worten: „Da bist du ja endlich, mein Junge! Du kommst gerade recht. Setz´ dich doch zu uns!“ begrüßte. Dann wandte er sich wieder an alle und verkündete: „Ich habe das Taxiunternehmen gefunden, welches Stiles bei seiner Abfahrt genommen hat und so die Adresse des Hotels herausgefunden, in welchem er abgestiegen ist. Ein Anruf in der Unterkunft ergab, dass er sich offenbar immer noch dort aufhält. Wir haben ihn!“ Die Anwesenden jubelten und klatschten und nun richteten sich alle Blicke auf Derek: „Sieht aus, als seist du nun am Zug, Cuz.“ stellte Malia trocken fest: „Also los, mach´ dich hübsch und dann mach´ dich auf die Socken! Sprich´ mit Stiles und überzeug´ ihn, zurück nachhause zu kommen.“ Derek blickte unzufrieden auf die Spitzen seiner Schuhe: „Aber... vielleicht will er gar nicht nachhause kommen? Und was ist mit dem Baby? Was machen wir mit dem? Ich weiß nicht, was ich zu Stiles sagen soll?“ Malia verdrehte die Augen: „Dann überleg´ dir gefälligst etwas auf der Fahrt zum Hotel, aber bring´ den Mist den du verzapft hast endlich wieder in Ordnung!“ „Ja, sieh´ zu!“ setzte Scott ärgerlich nach: „Stiles ist vollkommen allein und ganz bestimmt ist er traurig und total verzweifelt. Alles deine Schuld, Alter!“ „Na, na!“ mischte sich nun Chris ein und sprang seinem Freund bei: „Nun lasst Derek doch mal in Ruhe! Diese Dinge darf man doch nicht bloß schwarz und weiß sehen. Das ist sicher nicht einfach für ihn.“ An Derek selbst gewandt fügte er hinzu: „Fahr´ zu Stiles und dann redet miteinander. Du musst dir keine tolle Rede einfallen lassen, oder was auch immer. Sei einfach ehrlich und halt dir stets vor Augen, dass du diesen Jungen liebst. Der Rest findet sich schon von allein. Vielleicht braucht es ein wenig Zeit, vor allem aber Geduld, aber am Ende wird alles gut werden.“ Derek nahm einen tiefen Atemzug und seufzte: „Also gut, ich ziehe mich eben um und dann mache ich mich auf den Weg. Ich mache mir doch auch Sorgen um Stiles. Immerhin ist er mein Mann. Ich liebe ihn wie verrückt!“ „Guter Junge!“ kommentierte Malia und dann verpasste sie ihrem überrumpelten Cousin eine herzhafte Umarmung, welche dieser stoisch ertrug. Als er wieder freigegeben wurde, kehrte er in sein Schlafzimmer zurück, um sich umzuziehen. Er kehrte wenig später zu den Anderen zurück; in einem hautengen blauen Henley, worunter sich seine gut definierte Brust deutlich abzeichnete, einer schwarzen Lederjacke über der Schulter und einer ausgezeichnet sitzenden Jeans und Isaac kommentierte, eingeleitet von einem vielsagenden Pfiff durch die Zähne: „Also das dürfte Stiles ja wohl mit Sicherheit überzeugen mit dir zu kommen, Boss.“ Derek blickte irritiert an sich hinab und Danny schalt seinen Freund: „Jetzt halt doch mal die Klappe, Flittchen! Guck ihn dir an! Ganz verunsichert sieht er nun aus.“ „Was denn?“ rechtfertigte sich Isaac: „Er sieht verdammt heiß aus, das musst du doch zugeben! Also ich an Stiles Stelle würde ihm so überall hin folgen. Mehr sag´ ich doch gar nicht.“ „Ach so ist das, du treuloses Stück. Genüge ich dir etwa nicht mehr?“ wollte Danny wissen und zwickte Isaac zur Strafe in einen Nippel: „Autsch!“ rief dieser aus, rieb sich diesen sensiblen, malträtierten Körperteil und beteuerte: „Du weißt doch, dass es für mich nur noch dich gibt, mein hawaiianischer Prinz. Ich bin dir mit Haut und Haar ergeben.“ „Beachte diese albernen Hühner gar nicht.“ mischte sich nun Lydia ein, tätschelte beruhigend Dereks Arm und fuhr fort: „Du schaffst das schon. Ich glaube an dich. Und nun los, geh´ zu deinem Mann!“ Sie verpasste dem Milliardär einen aufmunternden, kleinen Klaps auf den Allerwertesten, woraufhin dieser entsetzt die Augen weit aufriss, doch natürlich scherte sich Lydia überhaupt nicht darum, sondern hockte sich stattdessen ungerührt auf Malias Schoß und stahl sich zur Belohnung für ihre gute Tat von dieser einen Kuss. „Also dann...“ sagte Derek vage in die Runde, nahm von Deucalion den Zettel mit den Daten über Stiles Aufenthaltsort entgegen und machte sich auf den Weg. Vor dem Haus begrüßte ihn der ungemütliche Santa Ana Wind und wehte ihm eine gute Portion welkes Laub um die Ohren. Rasch lief er hinüber zu seinem BMW, jenem Wagen in welchem er Stiles vor einer gefühlten Ewigkeit in seiner schlaflosen Verzweiflung aufgelesen und mitgenommen hatte, stieg ein und startete den Motor. Als er eine Weile später vor dem Hotel hielt, in welchem Stiles abgestiegen war, parkte er und betrachtete den Bau eine Weile nachdenklich. Sicher hätte Stiles genug Geld für eine bessere, komfortablere Bleibe gehabt, doch sein Mann hielt es wie immer eher bescheiden. Dereks Herz pochte mit einem Mal heftig: Hinter diesen Mauern befand sich sein Liebster und ein Teil von ihm konnte es kaum erwarten, ihn wieder zu sehen, ihn zu umarmen und vielleicht sogar zu küssen? Ein anderer Teil hatte Angst vor einer Fortsetzung ihres hässlichen Streits, davor dass die Wunden, welche sie sich bereits gegenseitig geschlagen hatten, noch tiefer werden würden und sie am Ende vielleicht gar nicht wieder zu einander finden würden? Doch es half alles nichts, er musste nun seinen ganzen Mut zusammen nehmen und es herausfinden. Er stieg aus dem Wagen und hatte den herbstlichen Wind jetzt im Rücken, wurde von diesem quasi direkt in die Lobby des Hotels hineingeweht, was Derek als ein aufmunterndes Zeichen der Natur verstand, dass er offenbar auf dem richtigen Weg war. Vor Stiles Zimmertür hatte Derek mit einem Mal das Gefühl, sein Herz wolle ihm aus der Brust springen und sein Magen zog sich beinahe schon schmerzhaft vor Aufregung zusammen. Er nahm einen tiefen Atemzug. Dann wagte er es zu klopfen. Stiles in seinem Zimmer zuckte heftig zusammen, als er das Klopfen an seiner Tür vernahm. Immerhin wusste doch niemand, dass er hier war, also konnte er nur hoffen, dass sich jemand in der Zimmernummer geirrt hätte. Er blickte durch den Türspion und sein Herz setzte einen Schlag aus, als er draußen seinen Ehemann erblickte. Er nahm all seinen Mut zusammen und öffnete die Tür gerade weit genug, dass er seinen Kopf hinausstrecken konnte: „Hey.“ machte Derek schüchtern. Ehe Stiles ihm antwortete, blickte er sich rasch nach links und rechts um: „Hey.“ antwortete er dann leise. „Wonach suchst du, Stiles?“ wollte Derek wissen. Stiles blickte vage an ihm vorbei, noch nicht in der Lage ihm schon wieder in die Augen zu sehen, als er antwortete: „Ich wollte einfach nur sichergehen, dass du allein gekommen bist und nicht das Jugendamt, oder gar die Polizei im Schlepptau hast, um mich wegen Kindesentführung verhaften zu lassen.“ Dereks Mut sank: „Dessen hältst du mich wirklich für fähig?“ fragte er traurig. Stiles schluckte ein wenig, doch dann entgegnete er aufmüpfig: „Ich weiß doch nicht, was ich erwarten soll, nach all dem was du bei unserem letzten Gespräch gesagt hast. Wie hast du mich überhaupt gefunden?“ Derek ließ nach der barschen Antwort den Kopf hängen und murmelte: „Unsere Freunde haben Detektiv gespielt.“ Dann erkundigte er sich zaghaft: „Darf ich vielleicht reinkommen?“ Stiles nickte und öffnete die Tür weiter, um ihn einzulassen: „Wir müssen bloß leise sein. Die Kleine ist endlich eingeschlafen. Sie hat vorhin eine Ewigkeit lang geweint.“ teilte er mit. Er rückte an einem kleinen Tisch in einer Ecke des Zimmers zwei Stühle so zurecht, dass sie beide Platz nehmen konnten: „Hast DU auch geweint, Stiles?“ fragte Derek, nun mit unüberhörbarer Sorge in der Stimme, nachdem er seinen Liebsten nun ein wenig näher in Augenschein genommen hatte: „Nein!“ behauptete Stiles und wischte sich trotzig mit dem Ärmel über das Gesicht. Dann gab er zu: „Na ja, vielleicht ein wenig? Ich... kriege nicht viel Schlaf in letzter Zeit. Und diese ganze Situation ist ja irgendwie auch total verkorkst.“ „Das ist sie. „bestätigte Derek und bestätigte: „Du siehst wirklich müde aus.“ „Ich bin auch echt müde. Und nicht nur das: Mein Shirt ist voller Babykotze und ich wollte gerade endlich mal wieder duschen gehen, solange sie schläft. Ich weiß ich stinke und sehe scheiße aus!“ murrte Stiles und verschränkte die Arme vor der Brust. Dann schaute auch er sich sein Gegenüber endlich einmal eingehend an und fügte beinahe zärtlich hinzu: „Doch du siehst schön aus. Beinahe perfekt, bis auf...“ Er streckte die Hand aus und pflückte ein welkes Blatt aus Dereks Haar: „... das hier.“ Die Hand, die sich ihm genähert hatte überwand jene Distanz, welche zwischen ihnen entstanden war gerade weit genug, dass Derek sich traute, Stiles Hand zu ergreifen und diese sanft zu küssen: „Du siehst gut aus Stiles. Du riechst auch gut und...Gott, du hast mir so wahnsinnig gefehlt.“ seufzte er: „Du hast mir auch gefehlt.“ bekannte Stiles: „Aber was wird denn nun? Was machen wir aus diesem Schlamassel?“ Derek gab Stiles Hand wieder frei und entgegnete seufzend: „Ich weiß es doch auch nicht.“ Dann blickte er hinüber zum Bett, in dessen Mitte das Baby, umringt von vielen Kissen, friedlich schlief: „Erlaubst du es mir, meine Tochter kennenzulernen?“ Stiles registrierte sehr wohl Dereks Wortwahl und traute sich vorsichtig, ein wenig Hoffnung zu schöpfen. Er nickte. Gemeinsam gingen die beiden Ehemänner hinüber zum Bett und legten sich, einander zugewandt, links und rechts neben den schlafenden Säugling: „Sie ist so winzig?“ flüsterte Derek: „Findest du? Ich habe das Gefühl, Talia ist in der kurzen Zeit in der ich sie bei mir habe, schon ganz schön gewachsen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel sie essen kann.“ „Talia?“ stutzte Derek: „Ist das okay? Es war fast so etwas wie eine Eingebung, sie nach deiner Mutter zu nennen. Talia Hale. Ich dachte, unser Baby kann ein wenig himmlische Unterstützung wirklich gut gebrauchen?“ erwiderte Stiles verunsichert: „Damit hast du sicher recht. Ich finde es schön.“ versicherte Derek und betrachtete das Kind eingehend: „Erzählst du mir von ihr und eurer gemeinsamen Zeit?“ Stiles nahm einen tiefen Atemzug, ehe er versonnen lächelnd antwortete: „Sie sieht dir wahnsinnig ähnlich, finde ich. Nicht nur die dichten, dunklen Haare, sondern auch die Augen. Noch sind sie zwar blau, aber sicher wird sich das bald ändern und dann werden sie das gleiche Grün haben, wie deine. Und siehst du diese Augenbrauen? Sie sind natürlich noch ganz weich und flaumig, aber man erkennt schon, wie kräftig und ausdrucksstark sie sind. Und wenn sie mal böse auf mich ist, weil das Fläschchen nicht schnell genug kommt, oder ich nicht gleich verstehe, was sie gerade von mir braucht, dann zieht sie die auch genauso grummelig zusammen wie du, wenn dir etwas nicht passt.“ In Stiles Blick, welcher auf dem Winzling haftete, lag so viel Zärtlichkeit, das Derek eines unmissverständlich klar wurde: Sein Mann würde dieses Kind um keinen Preis der Welt wieder hergeben! „Sie kann sich natürlich noch nicht wirklich gut verständlich machen.“ sprach Stiles weiter: „Doch ich werde immer besser darin, ihre Signale zu lesen. Wenn sie sich die Lippen leckt, dann hat sie Hunger, wenn sie die Beinchen anzieht, dann sind es Koliken und wenn sie sich mir entgegen reckt, dann will sie kuscheln. Und eigentlich will sie ständig nur kuscheln. Darin seid ihr beide euch auch ziemlich ähnlich. Ich kriege einfach nicht genug davon, sie einfach nur anzuschauen. Sie ist so unglaublich schön. Manchmal tut mir richtig das Herz weh, vor lauter Liebe zu ihr.“ schwärmte Stiles und törichter Weise spürte Derek bei diesen Worten einen kleinen Stich der Eifersucht in sich, für den er sich selbst sogleich innerlich streng verurteilte. In diesem Moment tat das kleine Mädchen plötzlich die Augen auf und anstatt direkt wieder anzufangen zu weinen, wanderte ihr Blick neugierig hin zu ihrem biologischen Vater, welchen sie aufmerksam betrachtete: „Hallo, Kleines! Bist du wieder bei uns?“ begrüßte Stiles das Baby sanft: „Dein Daddy ist gekommen, um uns zu besuchen. Wie findest du das?“ Vorsichtig, als habe er einigen bissigen Hund vor sich, streckte Derek ihr den Zeigefinger hin. Doch Talia biss ihn nicht. Stattdessen griff sie den Finger ihres Vaters und hielt ihn erstaunlich fest. Mit dem anderen Ärmchen und den Beinchen begann sie aufgeregt herumzufuchteln. Und dann sah es sogar kurz so aus, als würde sie lächeln: „Ich schätze, sie freut sich dich kennenzulernen.“ stellte Stiles fest: „Wow, das ist...“ sagte Derek, überwältigt von seinen Gefühlen: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll?“ „Nicht schlimm. Ich war auch erst überfordert. Es ist alles so neu und da ist was man verdauen muss, stimmt´s?“ erwiderte Stiles: „Aber ich schätze, hier braucht jemand eine frische Windel. Sie hat vorhin so viel getrunken, dass es mich schwer wundern würde, wenn es nicht so wäre.“ Also machte Stiles sich geschickt ans Werk und beinahe wirkte es so, als habe er noch nie etwas anderes getan, als einen Säugling zu versorgen: „Wow, kleine Prinzessin. So viel Pipi?“ fragte er das Baby lachend: „Na dann wurde es ja höchste Zeit, dich wieder frisch zu machen, was.“ Und als sein Mann das frisch gewickelte Baby ein wenig drehte, um den Body zu richten, damit er ihn wieder verschließen konnte, erblickte Derek die Narbe von der pränatalen Stichverletzung auf dem Rücken seiner Tochter. Entsetzt atmete er scharf ein. „So habe ich auch reagiert, als ich es zum ersten Mal gesehen habe.“ sagte Stiles traurig: „Es ist ein Wunder, dass Talia das überlebt hat. Es ist wirklich furchtbar, oder nicht?“ Derek gelang es nicht, etwas zu sagen. Er nickte bloß. Nachdem Stiles das Baby wieder angezogen hatte, fragte er seinen Mann mit einem aufmunternden Lächeln: „Willst du sie vielleicht mal halten, während ich mich um ein frisches Fläschchen kümmere? Ich fürchte, sonst fängt sie nämlich gleich an zu weinen: „Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt kann?“ erwiderte Derek und blickte zweifelnd hinab auf seine großen Hände: „Sicher kannst du das. Hab´ keine Angst!“ ermunterte ihn sein Mann, nahm das Kind hoch und legte es behutsam in dessen Arme. Derek traute sich kaum, sich zu rühren. Er blickte wie gebannt hinab auf das winzige, zappelnde Wesen, als könne er es einfach nicht fassen, dass es real war. Als die Flasche fertig war, erkundigte sich Stiles: „Willst du?“ Derek nickte und gab ihrer Tochter zu trinken: „Unglaublich, wie fest sie saugt. Sie muss wirklich hungrig sein.“ „Ich schätze, sie kann es nicht erwarten, bald schon ebenso so groß und stark wie ihr Daddy zu sein, bei ihrem Appetit.“ erwiderte Stiles lachend und korrigierte Dereks Handhaltung ein wenig: „Sie darf keine Luft schlucken, sonst gibt’s Bauchweh.“ kommentierte er: „Du machst das richtig gut.“ stellte Derek bewundernd fest: „Denk´ nicht, das wäre von Anfang an so gewesen. Ich habe gebüffelt, wie für die wichtigste Prüfung meines Lebens.“ stöhnte Stiles: „Aber ich werde immer besser.“ Als das Fläschchen geleert war, zeigte Stiles seinem Mann noch, wie man das Baby dazu brachte, sein Bäuerchen zu machen, ehe er die Kleine wieder an sich nahm. Derek sank ein wenig in sich zusammen, so als habe er sich gerade wahnsinnig angestrengt. Und vermutlich war es ja auch so, zumindest emotional: „Das ist alles echt viel. Ich... ich denke, ich muss ein wenig über das alles nachdenken. Ich schätze, ich werde jetzt erst einmal gehen.“ erklärte er dann auch seufzend: „Ist das okay?“ Er blickte unsicher hinüber zu Stiles. Sein Mann nickte: „Ich verstehe das.“ versicherte er. „Ich melde mich morgen, wenn das für dich in Ordnung ist?“ erkundigte sich Derek unsicher: „Es ist in Ordnung.“ bestätigte Stiles. Sie erhoben sich vom Bett und gingen hinüber zur Tür, Talia dabei weiterhin auf Stiles Arm: „Darf ich dich küssen?“ erkundigte sich Derek schüchtern. „Oh ja, bitte!“ hauchte Stiles sehnsuchtsvoll. Sie küssten sich. Sanft. Behutsam. Lange. Als sich ihre Lippen endlich wieder voneinander lösten, kam von Stiles ein niedergeschlagenes: „Bis morgen, Babe.“ „Bis morgen.“ bestätigte Derek. Und an Talia gewandt sagte er: „Sei lieb zu deinem Papa, in Ordnung Kleines? Lass´ ihn ein bisschen schlafen!“ Er streichelte sanft mit einem Finger über die Wange des Babys. Dann riss er sich von den beiden los und verschwand. Kapitel 87: I can deal with the bad nights when I´m with my Baby - Teil 1 ------------------------------------------------------------------------- Als Derek heimkehrte, begrüßten ihn selbstverständlich die unvermeidlichen fragenden Blicke der Anderen, doch sie mussten sich mit einem knappen: „Stiles geht es gut. Wir haben geredet. Es war eine gute Unterhaltung. Morgen sprechen wir weiter.“ begnügen. Weitere Nachfragen ließ er nicht zu, sondern zog sich in seine Festung der Einsamkeit zurück. Zum Glück gab es in seinem Heim genügend Platz, so dass man sich nicht begegnen musste, wenn man es nicht wollte, denn Derek brauchte gerade einfach nur zeit um nachzudenken, nachzuspüren, sich über Dinge klar zu werden und dabei brauchte er niemanden, der ihm da reinquatschte. Derek war ein Sportler und konnte einfach besser nachdenken, wenn er sich bewegte. Überdies war er innerlich noch immer sehr in Aufruhr und auch dagegen half es, sich körperlich richtig zu verausgaben. Also begann er mit einer ausgedehnten Joggingrunde durch die Nachbarschaft, gefolgt von einer Stunde Kraftsport in seinem Fitnessraum und abschließend zog er einige Bahnen in seinem Pool vor dem Haus. Und nach und nach kehrte endlich allmählich ein wenig Ruhe in seinem Inneren ein. Nachdem er geduscht und etwas Frisches angezogen hatte, machte er es sich mit einer Kanne Tee im Wintergarten in einem der Pfauenthrone bequem und spielte klassische Musik, Rachmaninovs 2. Klaviekonzert in D-Dur. Er schloss die Augen, genoss die tief stehende herbstliche Nachmittagssonne und folgte mit seinem Herzen den verschiedenen Stimmungen des musikalischen Werkes. Als die Musik schließlich verklang, hatte Derek eine Entscheidung getroffen. Und schon war es mit seiner Ruhe wieder vorbei. Er hatte wirklich viel zu tun und er wollte absolut keine weitere Zeit verlieren. Bis spät in die Nacht hinein klebte er nun an seinem Telefon und seinem Computer, machte Pläne, verwarf sie wieder und schmiedete Neue. Er wollte ganz sicher gehen, dass alles wirklich perfekt wäre. Derek schlief in dieser Nacht kaum, denn dafür war er viel zu aufgeregt. Doch Schlaflosigkeit war ja wahrlich nichts Neues für ihn und er konnte damit umgehen, in der Gewissheit, dass es bald wieder besser werden würde. Am Morgen zitierte Derek Greenburg zu sich, um diesen über die Dinge ins Bild zu setzen, die heute anstanden und um die der Butler sich zu kümmern hätte. Dann nahm der Hausherr allein ein kleines Frühstück ein, denn alle anderen Personen im Haus schliefen gern aus. Nach der Mahlzeit nahm er mit pochendem Herzen ein weiteres Mal sein Handy zur Hand und wählte die Nummer von Stiles: „Ja?“ Die Stimme seines Ehemannes am anderen Ende der Leitung klang gereizt und im Hintergrund war das ungeduldige Weinen des Babys zu vernehmen: „Hey du. Ich will gar nicht lange aufhalten, aber darf ich zu euch kommen? Jetzt gleich? Vielleicht kann ich helfen?“ erwiderte Derek beinahe schüchtern. Stiles Stimme klang belegt, als er antwortete: „Ja. Ja sicher, du kannst uns besuchen.“ Besuchen? Das klang total falsch, doch Derek wusste, diese Situation und dazu noch am Telefon, das war nicht der rechte Moment, um darüber zu diskutieren, also antwortete er bloß: „In Ordnung, in etwa einer halben Stunde bin ich bei euch. Bis gleich.“ Sie verabschiedeten sich und Derek verlor keine Zeit. Er schlüpfte in seine Sneaker, warf sich seine Lederjacke über und verließ das Haus. Die Wahl des Fahrzeugs aus seinem Fuhrpark fiel ihm heute nicht schwer. Er entschied sich für den SUV, denn sie würden vielleicht etwas mehr Platz brauchen. Er stieg ein und fuhr so schnell es möglich und erlaubt war dorthin, wohin sein Herz ihn so dringend rief. Stiles sah übernächtigt und verheult aus, als er ihm die Tür öffnete: „Nimmst du sie? Ich kann nicht mehr!“ seufzte er und drückte seinem überrumpelten Mann ohne ein weiteres Wort der Begrüßung den schreienden Säugling, dessen Köpfchen schon hochrot angelaufen war, in den Arm. Stiles selbst warf sich auf das Bett und wickelte sich schluchzend in eine Bettdecke ein, so dass nur noch ein wirrer Haarschopf hervorlugte. Derek atmete erst einmal tief durch, blickte von seinem Mann zu seinem Baby und fragte sich, wo er anfangen sollte: „Hat sie schon gegessen?“ wollte er wissen: „Natürlich hat sie gegessen.“ knurrte Stiles von seinem Versteck aus, dessen Stimmung von Verzweiflung nun offenbar zu Zorn umschwang: „Denkst du ich bin blöd? Sie hat gegessen, gebadet, eine frische Windel erhalten. Sie hat alles, was sie braucht. Nur schlafen will sie nicht. Sie will nur schreien, schreien und noch mehr schreien!“ Derek holte tief Luft und bemühte sich die Stimmung seines Geliebten nicht aufzunehmen, sondern mit einer doppelten Portion Liebe dagegen zu halten: „Hast DU denn schon etwas gegessen, Süßer?“ „Wann denn? Sie lässt mich ja nicht!“ bellte Stiles zurück. Da wusste Derek, wo er ansetzen konnte und bestellte über das Haustelefon erst einmal ein üppiges Frühstück mit reichlich Kaffee für Stiles. Dann wanderte er mit Talia im Zimmer auf und ab und gab tiefe, beruhigende Summtöne von sich und noch ehe der Zimmerservice mit dem Tablett da war, war das Baby eingeschlafen: „Das ist doch wohl nicht dein Ernst?“ murmelte Stiles verschnupft, setzte sich auf und blickte hinab auf das friedliche Baby, welches von Derek sanft neben ihm gebettet worden war: „Nimm´ es doch nicht persönlich, Liebling.“ bat Derek: „Du bist außer dir. Sie spürt das. Sie bezieht ihre Sicherheit aus dir, doch wenn du verzweifelt bist, dann ist sie es eben auch. Darum isst du jetzt erst einmal etwas und sammelst dich wieder ein bisschen, einverstanden?“ Derek öffnete auf das Klopfen hin die Zimmertür und ließ den Pagen mit dem Tablett ein: „Ich schaffe das nicht allein.“ seufzte Stiles resigniert, als sie wieder unter sich waren: „Ich weiß nicht, was ich mir da eingebildet habe, aber es ist einfach zu viel! Ich bin so ein Versager. Ich kann das nicht!“ Derek strich Butter auf ein Croissant, reichte es Stiles auf einem Teller und versicherte: „Du bist mit Sicherheit kein Versager. Du bist großartig und ich bin dir unendlich dankbar, dass du so beharrlich warst und Verantwortung übernommen hast, als ich es noch nicht sehen konnte, dass dieses süße Baby hier UNSERES ist. Wenn hier einer ein Versager ist, dann bin ich es wohl. Aber ich will alles wieder gut machen. Ich bin hier, um dich um Verzeihung zu bitten und euch beide nachhause zu holen.“ Er blickte Stiles erwartungsvoll an: „Meinst du das wirklich ernst? Hast du dir das auch gut überlegt?“ versicherte sich Stiles skeptisch: „Ich meine es todernst. Iss´ auf und dann werde ich es dir beweisen. Ich habe schon alles in die Wege geleitet und bin gespannt, was du sagen wirst. Aber wir müssen bald aufbrechen, denn wir haben heute noch einiges vor uns.“ erwiderte Derek: „Ach ja? Was denn?“ wollte Stiles wissen: „Du wirst schon sehen.“ gab Derek geheimnisvoll, während er sich mittlerweile daran gemacht hatte, Stiles Sachen einzupacken. „Aber ich bin so müde.“ jammerte Stiles. Derek küsste ihn auf die Stirn und versprach: „Bald kannst du schlafen. Doch jetzt isst du erst einmal und da dann gehen wir los. Stiles gehorchte uncharakteristischer Weise und eine halbe Stunde später saßen sie in Dereks Wagen, Klein-Talia dabei immer noch schlafend in ihrer Babyschale auf dem Rücksitz: „Was wollen wir denn im Krankenhaus?“ fragte Stiles verwirrt, als sie auf den Parkplatz des Cedars-Sinai Medical Centers fuhren, wo sie zuvor schon einmal gemeinsam gewesen waren in jener Nacht, als Derek sein Blut auf die Rückstände von Kates Drogen hatte untersuchen lassen: „Es gibt da ja noch ein paar Formalitäten zu klären.“ gab sein Ehemann zurück, parkte den Wagen, stieg aus und schnappte die Schale mit ihrer Tochter darin. Im Krankenhaus wartete bereits Dereks Leibarzt Dr. Geyer auf sie und ließ sich nach der Begrüßung der beiden Männer erst einmal ausgiebig über die Niedlichkeit ihrer kleinen Tochter aus: „Diese kleine Prinzessin ist ja wirklich bezaubernd.“ versicherte er: „Und bei dieser Familienähnlichkeit erübrigt sich ja auch beinahe schon der Test, den wir nun machen müssen, was?“ Der Arzt nahm dennoch, seinen Worten zum Trotz, als erstes den inneren Wangenabstrich beim Vater vor und als er dasselbe auch beim Baby versuchte, erwachte die Kleine und gab ein kurzes, unzufriedenes Quäken von sich: „Ich weiß, das gefällt dir nicht, was? Aber du hast es auch schon geschafft, kleine Zuckermaus.“ versicherte der Arzt sanft und da lächelte Talia den Fremden tatsächlich kurz an: „Oh, was für ein Sonnenschein!“ freute sich Dr. Geyer: „Babys sind einfach großartig, nicht wahr? Ich bedauere sehr, dass ich dieses Alter nicht auch bei meinem Sohn Liam erleben konnte, doch als seine Mutter und ich ein Paar wurden, war er bereits zwei Jahre alt.“ Dann wirkte der Mediziner plötzlich ernst: „Dabei fällt mir ein, dass ich sie ohnehin demnächst anrufen wollte, Mr. Hale. Unser Liam... ich denke, es gibt da etwas, worüber er mit uns sprechen will, doch er scheint sich noch nicht recht zu trauen? Seine Mutter und ich glauben er könnte schwul sein? Immerzu redet er von seinem Mitschüler Theo, mit dem er eigentlich ständig im Clinch liegt, doch es scheint noch mehr dahinter zu stecken, wie uns scheint? Wir als Eltern wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen? Wir wollen ja auch nichts Falsches sagen und das ist ja auch ein sehr sensibles Thema für einen Heranwachsenden, verstehen sie?“ „Ich verstehe! Sie können mich jederzeit anrufen und wir reden in Ruhe darüber. Jetzt danke ich ihnen erst einmal, dass sie sich für uns Zeit genommen haben.“ versicherte Derek. Dann erkundigte er sich: „Und wann können wir mit dem Ergebnis des Vaterschaftstests rechnen?“ „Wenn das Labor sich beeilt, dann liegt es wohl bereits morgen vor.“ antwortete Dr. Geyer: „Und nun wartet im ersten Stock meine Kollegin Dr. Blake darauf, ihre Tochter kennenzulernen. Ich gratuliere ihnen jedenfalls heute schon einmal zur neuen Familie. Ein wirklich entzückendes kleines Mädchen haben sie da, meine Herren.“ Und damit verabschiedete sich der Arzt von ihnen. Dr. Jennifer Blake war die leitende Kinderärztin der Klinik. Sie war eine hübsche, schlanke, hochgewachsene Brünette, die eine süße, mädchenhafte Zerbrechlichkeit ausstrahlte und vom ersten Augenblick an mit Derek flirtete, wobei sie Stiles komplett aus ihrer Wahrnehmung ausblendete. Sie untersuchte ihre Tochter ausgiebig, erklärte dass die Narbe an Talias Rücken regelmäßig ärztlich begutachtet und im Verlauf des Wachstums des Kindes eventuell mit Salben, oder Lasertechnik behandelt werden müsse und flötete abschließend: „Wie es aussieht komme ich wohl um das Vergnügen, sie allzu bald wiederzusehen, Mr. Hale, denn sie haben da ein kerngesundes kleines Mädchen.“ „Ich bin froh das zu hören.“ gab Derek erleichtert zurück und Stiles schnaubte: „Also das hätte ich ihnen auch vorher schon sagen können, dass sie gesund ist.“ An Derek gewandt fuhr er fort: „Und was ist nun? Können wir jetzt von hier verschwinden, Babe? Ich kann Krankenhäuser echt nicht leiden.“ Derek folgte seinem Mann nach draußen und als sie im Auto wieder unter sich waren, wollte er wissen: „Wieso warst du denn eben so unhöflich zu der Ärztin?“ „Machst du Witze? Die Tante hatte es doch total auf dich abgesehen. Ich dachte wirklich, als nächstes steckt sie dir ihre Nummer zu!“ knurrte Stiles erbost: „Und du schienst ihren Flirtversuchen gegenüber ja auch nicht gerade abgeneigt gewesen zu sein.“ „Waa...?“ machte Derek überrascht: „Sie hat geflirtet? Glaube ich nicht. Ich bin doch verheiratet und alles?“ Dann wiederholte er: „Nein das glaube ich nicht.“ „Glaub´ was du willst, doch es war so. Die blöde Kuh hatte es total auf dich abgesehen. Aber du gehörst MIR, damit das klar ist!“ Stiles verschränkte energisch die Arme vor der Brust und Derek konnte nicht anders, als ein wenig zu lachen: „So ist es Stiles, ich bin ganz und gar Dein und du musst dir absolut keine Sorgen wegen dieser Frau machen.“ bestätigte er und zog seinen Mann zu einem Kuss zu sich heran. Und irgendwie führte dieser kleine Zwischenfall dazu, dass Derek sich zum ersten Mal seit Stiles Flucht aus seinem Haus wieder vollkommen sicher fühlte. Stiles liebte ihn noch, wollte ihn noch, war eifersüchtig, wenn jemand anderes Interesse zeigte. Und das war ein gutes Gefühl. Ihr nächster Stopp war ein riesiges Geschäft für Babyausstattung und Spielwaren, wo sich Stiles ihre Tochter ins Tragetuch vor der Brust legte, um sie vor dem Trubel ein wenig abzuschirmen, in der Hoffnung, dass sie vielleicht sogar alsbald wieder einschlief. Derek hatte sich einen der Verkäufer geschnappt, welcher ihnen nun bei ihrer Tour durch den Laden folgte und eifrig Bestellungen aufnahm: „Liebling, warum sagst du dem Mann nicht gleich, sie sollen alles liefern, was sie im Haus haben. Wäre das nicht für alle Beteiligten einfacher?“ erkundigte Stiles sich nach einer Weile: „Was denn? Findest du, ich übertreibe es?“ erkundigte sich Derek unsicher: „Aber Hallo! Was soll Talia denn mit dem ganzen Zeug? Sie ist ein Baby. Sie braucht nichts weiter als Liebe, ein Fläschchen dann und wann und viel, viel Schlaf.“ entgegnete Stiles: „Aber sie wird älter werden. Ich will drauf vorbereitet sein. Es soll ihr doch an nichts fehlen.“ Dereks Stimme klang bekümmert und Stiles schmolz: „Ist okay, mach´ was du denkst, Babe. Es ist schließlich dein Geld.“ entgegnete er gutmütig: „Ich glaube trotzdem, wir brauchen nicht einmal die Hälfte von dem ganzen Zeug.“ Also machten sie es so, wie Derek es wollte und dieser wurde dabei ein kleines Vermögen los, doch Stiles sagte nichts weiter dazu. Ihm war klar, dass sein Mann beweisen wollte, dass es ihm Ernst mit seiner Verantwortung für ihre Tochter war. Und wenn es ihm dabei half, mit einem einzigen Einkauf den Kindern eines Spielwarenladenbesitzers das College zu finanzieren, dann sollte es eben so sein. All das soeben erworbene Zeug würde bereits heute Abend zu Derek nachhause geliefert werden. Allein einen mannshohen, flauschigen Riesen von einem fliederfarbenen Teddybären nahm Derek sofort mit und schleppte diesen nun mühsam hinüber zum Auto: „Das Vieh ist größer als du, Liebling.“ merkte Stiles an: „Mir ist unklar, was Talia damit anfangen soll?“ „Er wird sich gut in ihrem Kinderzimmer machen.“ rechtfertigte sich Derek: „Und wenn sie etwas älter ist, dann hat sie stets einen großen, kuscheligen Freund, der auf sie aufpasst.“ „Und ich habe schon gedacht, du brauchst gerade einfach etwas zu festhalten.“ zog Stiles seinen Mann mit einem Grinsen auf. Derek ließ sich die Frechheit seines Geliebten klaglos gefallen und mühte sich nun damit ab, das Ungetüm im Auto zu verstauen: „Bitte sag´ mir, dass wir nun endlich nachhause gehen können.“ seufzte Stiles müde, als sie schließlich wieder in den Sitzen von Dereks SUV saßen: „Ja, jetzt bringe ich euch heim.“ versicherte sein Ehemann. Und bei dem Lächeln, welches Dereks Worte begleitete, ging Stiles das Herz auf. Kapitel 88: I can deal with the bad nights when I´m with my Baby – Teil 2 ------------------------------------------------------------------------- Irgendwer im Haus musste ihre Ankunft schon vorher bemerkt und den anderen Bescheid gesagt haben, denn sämtliche Hausbewohner warteten bereits hinter der Eingangstür der Villa, als Derek, Stiles und ihr Nachwuchs eintrafen: „Ich will das Baby als Erste halten.“ verkündete Malia und hatte sich ganz nach vorn gedrängt, doch da alle anderen dasselbe Ansinnen zu haben schienen, brach sogleich ein wilder Wortwechsel aus, bei welchem die Beteiligten Argumente vorbrachten, warum ausgerechnet ihnen dieses Privileg am meisten zustünde, bis Derek dieses Durcheinander leise, aber äußerst bestimmt unterbrach, indem er forderte: „Werdet ihr wohl alle mal eure Klappe halten? Talia ist gerade erst wieder eingeschlafen und ihr weckt sie mit eurem Blödsinn noch auf. Außerdem wird keiner von euch das Baby anfassen, ehe er sich nicht gründlich die Hände gewaschen hat. Woher weiß ich denn, wo eure sündigen Schmutzfinger gerade eben noch unterwegs gewesen sind?“ „Wow krass! Ich spüre hier plötzlich verdammt starke `Mamma-Bear-Vibes´, Cuz.“ zog Malia ihren Cousin auf und ihre Worte waren gleich doppelt lustig, da Derek noch immer den riesigen, lila Teddybären vor sich her trug, hinter welchem er beinahe verschwand, weshalb es beinahe so wirkte, als habe das überdimensionale Stofftier selbst und nicht Derek soeben gesprochen. Entsprechend lachten alle ein wenig und nun war der frisch gebackene Papa erst recht sauer und zischte: „Was habe ich denn gerade gesagt? Ihr sollt leise sein, verdammt!“ Doch natürlich war es da schon zu spät, denn Talia erwachte, erblickte das plötzliche Gewimmel um sich herum und fing sogleich entsetzt an zu schreien: „Na großartig, jetzt habt ihr es tatsächlich geschafft, ihr Idioten!“ schalt sie Stiles, ehe er fluchtartig mit seiner Tochter im Schlafzimmer verschwand und die Tür hinter sich schloss. Mit viel Geduld, sanftem Wiegen, Singen und liebevollem Flüstern gelang es ihm schließlich, dass Talia sich wieder beruhigte. Als es wenig später an der Tür klopfte vermutete Stiles, dass es Derek sein würde, doch tatsächlich war es Scott: „Hey Bro, darf ich reinkommen? Ich habe total saubere Finger und auch etwas zu futtern für die kleine Maus dabei.“ flüsterte er, hielt ein frisches Fläschchen als Friedensangebot hoch und blieb abwartend im Türrahmen stehen. Stiles nickte, legte sich mit dem Baby auf´s Bett und Scott kroch neben die beiden: „Ich hatte in den letzten Tagen echt Angst um dich, Mann.“ ließ er Stiles wissen und reichte diesem die frische Flasche. Nachdem der frischgebackene Vater die Temperatur der Milch an seinem Puls getestet hatte, begann er das Baby zu füttern und erwiderte: „Ja ich weiß, tut mir leid! Aber ich musste einfach abhauen, um Talia zu beschützen. Ich konnte an nichts anderes denken, als daran.“ „Das verstehe ich. Gut dass du da warst, als sie hier ankam und nicht Derek. Und gut, dass du sie beschützt hast.“ Er betrachtete das trinkende Baby und stellte versonnen fest: „Sie ist wirklich wunderschön.“ Ein breites Lächeln legte sich auf Stiles Gesicht: „Ja, das ist sie, oder? Sie sieht Derek so unwahrscheinlich ähnlich und ist doch ein ganz eigenes kleines Persönchen. Du kannst dir wirklich nicht vorstellen, wie lieb ich die Kleine habe.“ „Doch das kann ich, Mann.“ entgegnete Scott: „Ich sehe es in deinem Gesicht.“ Er hielt inne, blickte seinen besten Freund eine Weile wortlos an und dann fuhr er fort: „Also... ich muss dir etwas erzählen. Etwas wirklich Schönes. Und ich habe auch Allisons Erlaubnis, es dir zu sagen, nur die Anderen sollen es noch nicht erfahren. Es ist nämlich so... wenn alles gut geht, wird die kleine Talia in etwa sieben Monaten eine kleine Cousine, oder einen kleinen Cousin bekommen.“ Stiles Augen wurden groß: „WAS? Ihr seid schwanger?“ Scott grinste verlegen und nickte: „Ja, wir werden ein Baby bekommen. Was sagst du dazu?“ „Was ich sage?“ fragte Stiles: „Ich sage, das sind die besten Neuigkeiten, die ich seit langem gehört habe. Unsere Kinder, deines und meines werden wie Geschwister aufwachsen. Das ist fantastisch!“ „Ist es.“ bestätigte Scott mit einem zufriedenen Lächeln, den Blick auf das trinkende Baby im Arm seines Herzensbruders gerichtet und vermutlich in Gedanken ganz bei seinem eigenen Nachwuchs, welchem er sehnsüchtig entgegen fieberte: „Aber warum dürfen die anderen denn eigentlich noch nichts davon erfahren?“ hakte Stiles nach: „Ist Allison sich ihrer Sache vielleicht noch gar nicht so sicher? War das mit dem Baby überhaupt geplant?“ „Nein, geplant war das nun wirklich nicht, aber wir freuen uns trotzdem beide total darauf. Wir sind die ganze Zeit dabei Pläne für die Zukunft zu machen, denken daran zu heiraten, überlegen uns Namen und so weiter. Aber Allison will es noch nicht an die große Glocke hängen, denn erstens findet sie es noch zu früh, weil im ersten Schwangerschaftstrimester noch sehr viel schief gehen kann und zweitens weiß sie noch nicht, wie sie es ihrem Vater sagen soll. Ich schätze sie befürchtet, er wird es nicht so gut aufnehmen, dass er jetzt schon Opa wird. Immerhin studiert Allison noch und möchte eine Karriere machen. Sicherlich wird Chris denken, dass ein Kind zu diesem frühen Zeitpunkt die gesamte Lebensplanung seiner Tochter über den Haufen werfen könnte? Aber ich habe Allison bereits versprochen, dass ich den größten Teil der Säuglingspflege übernehmen werde. Sie soll im Leben auf rein gar nichts verzichten müssen. Außerdem kann ich mir ehrlich gesagt nichts Schöneres vorstellen, als mit meinem besten Freund gemeinsam unsere beiden Babys großzuziehen.“ Scotts Blick wanderte hinauf zu Stiles Gesicht und er entdeckte, dass diesem die Tränen in den Augenwinkeln standen: „Wow, Mann, das wird so cool.“ bestätigte er mit belegter Stimme. Scott zog seinen besten Freund in seine Arme und erklärte: „Ich liebe dich, Bro!“ „Ich liebe dich auch, Mann.“ erwiderte Stiles und weinte leise gegen die Schulter des Freundes: „Hättest du dir je vorstellen können, dass unser Leben sich je so entwickeln könnte?“ „Machst du Witze? Ich hatte damals überhaupt keine Zukunftspläne, weil ich ziemlich sicher war, vor meinem dreißigsten Geburtstag abzukratzen. Dass alles so gekommen ist, ist unfassbar!“ Die Antwort ließ Stiles schlucken, doch er nickte. Er wusste, dass dieses Szenario noch vor etwas mehr als einem Jahr ziemlich realistisch gewirkt hätte. Inzwischen hatte Talia ihr Fläschchen geleert und lag satt und schläfrig in seinem Arm. Stiles konnte sie gerade eben noch zu einem Bäuerchen bewegen, ehe die Kleine fest eingeschlafen war. Ihr Daddy platzierte sie zwischen sich und seinen besten Freund, ehe es ein weiteres Mal an der Tür klopfte und sich eine bessere Schlaflösung für das Kind eröffnete. Derek trat leise ein und schob eine Wiege vor sich her: „Die Lieferung vom Babyladen ist soeben eingetroffen.“ flüsterte er, stellte das neue Möbelstück neben dem Ehebett ab und hob sehr behutsam seine Tochter hinein: „Hier schläft sie deutlich besser, denkt ihr nicht?“ kommentierte er: „Und nun brauche ich dich da draußen, Stiles. Kommst du mit?“ „Wofür brauchst du mich denn? Wir können Talia doch nicht allein lassen? Was ist wenn sie aufwacht? Sie wird Todesangst haben, wenn ich sie nicht rufen höre und sie vollkommen allein ist. Das ist sie nicht gewöhnt.“ warf Stiles besorgt ein. Derek lächelte siegessicher und zog aus den Gesäßtaschen seiner Jeans den Sender und Empfänger eines Babyfons hervor: „Wir werden es sofort mitbekommen, wenn das passiert, weil wir ja die hier haben. Und nun komm mit. Es gibt einiges zu entscheiden und zu tun. Ich brauche dich dabei.“ Stiles hatte zwar keine Ahnung, wovon sein Ehemann sprechen mochte, doch er folgte ihm, nachdem er sich zuvor vergewissert hatte, dass das Babyfon auch tatsächlich funktionierte und Scott schloss sich ihnen an, ebenfalls neugierig zu erfahren, wovon Derek wohl sprechen mochte. Zur Überraschung der beiden Freunde herrschte im Haus mittlerweile geschäftiges Treiben. Überall waren fremde Menschen unter der Aufsicht Greenburgs und Pedros, Lobas Großonkel, eifrig mit unterschiedlichen Arbeiten befasst. Da waren einerseits natürlich die Lieferanten, welche den umfangreichen Einkauf aus dem Babyladen ins Haus trugen, doch das war noch lange nicht alles. Derek dirigierte seinen Ehemann zu jenem Zimmer, welches er als Talias Schlafzimmer auserkoren hatte. Es war eine großer, heller Raum mit Blick auf den vorderen Garten, gegenüber vom Schlafzimmers von Stiles und Derek. Der Raum war vollkommen leergeräumt worden und ein ganzer Renovierungstrupp wartete hier auf seinen Einsatz: „Du musst auswählen, welche Farbe der Raum bekommen soll. Ich hatte an apricot und lindgrün gedacht, aber wir können auch etwas ganz anderes nehmen, wenn du willst. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Deckenfresco? Irgendetwas Hübsches mit Blumen, oder Tieren villeicht? Auch eine Seidentapete mit hübschem Muster wäre denkbar.“ berichtete Derek, für seine Verhältnisse auffallend aufgedreht und munter: „Deckenfresko? Seidentapete?“ fragte Stiles verständnislos: „Du weißt aber schon, dass Kinder noch nicht unbedingt einen Sinn für so etwas haben und auch Wände gern einmal mit schmutzigen Händen anfassen, oder mit ihren Wachsmalstiften darauf herummalen, oder? Nein, ein einfacher Anstrich und vielleicht ein paar hübsche bunte Bilder an der Wand tun es doch auch. Und momentan wird Talia dieses Zimmer doch sowieso noch nicht wirklich nutzen. Sie ist ein Baby und alles was sie will, ist bei ihrer Familie sein.“ „Weiß ich doch.“ versicherte Derek: „Ich will nur, dass alles für sie bereits ist. Ich schätze nach meiner katastrophalen Reaktion muss ich dir ja wohl erst einmal beweisen, wie ernst ich es meine. Unserer Tochter soll es an nichts fehlen. Dies hier ist Talias Zuhause und du und ich, wir sind ihre Dads. “ In diesem Moment fiel Stiles ihm um den Hals und bestätigte: „Ja, das sind wir. Und ich hatte solche Angst, dass du das vielleicht niemals erkennen würdest.“ „Es tut mir so leid!“ flüsterte der Ältere in sein Ohr. Doch das Kinderzimmer war nicht der einzige Ort, an welchem gerade gearbeitet wurde. Weitere Handwerker und Experten waren dabei das Haus zu begehen und kindersicher umzugestalten. Durch das große Frontfenster war zum Beispiel zu sehen, wie Männer in Blaumännern den Pool mit Glas einfassten, damit ein übermütiges Kleinkind dort nicht versehentlich hineinfallen und ertrinken konnte. Bei dem was Stiles als nächstes erblickte, staunte er nicht schlecht: „Was ist denn mit Peter, Paul und Mary los? Machen die einen Ausflug, oder wie?“ „Das sind Peter, Cora und Laura.“ berichtigte ihn Derek: „Die Namen meines Onkels und meiner Schwestern und kein Folk-Trio aus den sechziger Jahren. Und nein, die Drei machen keinen Ausflug, sondern sie ziehen um.“ Einige Frauen und Männer in Tropenkleidung schleppten die drei Würgeschlangen in großen Transportkörben in Richtung Ausgang und Derek warf den Tieren einen bedauernden Blick hinterher: „Aber warum trennst du dich denn von ihnen? Du liebst sie doch?“ wollte Stiles wissen: „Ich werde doch keine gefährlichen Raubtiere mehr halten, wenn meine Tochter hier durchs Haus zu krabbeln beginnt!“ stellte Derek klar: „Was wenn sie entkommen und versuchen, sie zu fressen? Außerdem habe ich ein gutes neues Zuhause für die Drei gefunden. Eigentlich hatte ich daran gedacht sie auszuwildern, doch die Leute mit denen ich gesprochen habe sagen, das sei leider nicht möglich. Sie kommen stattdessen in eine Wildtier-Auffangstation, wo sie viel freier und natürlicher leben können, als hier bei mir. Ich habe mir das gut überlegt und es ist in Ordnung. Ehrlich!“ Stiles fand das Szenario, dass träge, gut gefütterte, domestizierte Würgeschlangen aus ihrem gut gesicherten Gehege entkommen und dann ihre Tochter verspeisen könnten zwar nicht sonderlich wahrscheinlich, doch er wusste diese große Geste seines Gatten zu schätzen und überdies freute er sich für die Tiere, dass sie nun so etwas Ähnliches wie Freiheit kennenlernen würden. Ihm hatte es nie so recht behagt, dass sie in einem Keller eingesperrt leben mussten, ohne jemals das Licht der Sonne zu erblicken. Derek teilte Stiles nun mit, dass auf seinem Schreibtisch noch ein ganzer Stapel Bewerbungen von möglichen Nannys von der besten Agentur Kaliforniens darauf wartete gesichtet zu werden, doch dazu sei später ja auch noch ausreichend Zeit. Erst einmal müsste Stiles noch etwas im Garten hinter dem Haus in Augenschein nehmen. Bei dieser letzten Station der Umbauarbeiten handelte es sich um einen Spielplatz, welchen einige externe Handwerker mit Baumaschinen und schwerem Gerät, zusammen mit den angestellten Gärtnern soeben errichten. Man arbeitete an einer großen Sandkiste, sowie der Installation verschiedener Schaukeln, Rutschen, Klettergerüsten, Wippen und sogar einer Seilbahn: „Der Wahnsinn!“ entfuhr es Stiles, begleitet von einem kleinen Pfiff durch die Zähne Am Rande der Baustelle entdeckte Stiles Loba, die ihren dreijährigen Bruder Francisco an der einen und ihre Mutter mit dem Baby auf dem Arm an der anderen Hand hielt: „Tìo! Du bist wieder da!“ begrüßte sie ihn freudig und lief auf ihn zu: „Ich habe gut auf dein kleines Conejo aufgepasst, ihr immer Heu, Karotten und Wasser gegeben, so wie du es mir gezeigt hast.“ „Danke mein Schatz! Ich wusste dass ich mich auf dich verlassen kann.“ erwiderte Stiles und kraulte das Haar seiner kleinen Freundin: „Ich hole Harvey nachher bei euch ab, in Ordnung?“ Loba grinste listig, als sie antwortete: „Nein besser ich bringe sie. Und dann kann ich auch deine, kleine Ninja besuchen, okay?“ „Abgemacht.“ erwiderte Stiles lachend. Loba deutete auf die Bauarbeiten und fragte schüchtern: „Glaubst du, meine Brüder und ich dürfen diese schönen Sachen auch einmal benutzen?“ „Aber ganz bestimmt!“ bestimmte Stiles: „Unser Baby ist doch sowieso noch viel zu klein für all´ das. Und weißt du was? Wenn der Spielplatz erst fertig ist, dann probieren wir die ganzen Geräte gemeinsam aus, in Ordnung? Ich freue mich schon darauf.“ Loba strahlte und nickte eifrig. Wieder an Derek gewandt murmelte Stiles: „Das alles ist wirklich toll und ich danke dir dafür, dass du dir so viele Gedanken gemacht hast...“ „Aber?“ fragte Derek unsicher: „Habe ich etwas falsch gemacht? Oder etwas vergessen? Sag´s mir!“ Stiles schüttelte den Kopf und versicherte: „Nein, hast du nicht. Nur die Sache mit der Nanny... ehrlich gesagt will ich nicht, dass unsere Tochter von einer Fremden großgezogen wird. Ich will das selbst tun. Und wenn ich dabei einmal Hilfe brauche, dann hätte ich gern dass es Sofia, Lobas Mutter ist. Ihr vertraue ich und sie ist eine wirklich tolle Mutter. Wenn dir das Recht ist, dann können wir ja später mit ihr darüber sprechen? Oder... oder ist es dir extrem wichtig, jemanden für Talia zu haben, der fünf Sprachen spricht und weiß, mit welcher Gabel man Hummer isst?“ Derek lachte erleichtert: „Nein, unsere Tochter darf ihren Hummer auch mit den Fingern essen, Hauptsache sie wird ein glückliches, kleines Mädchen. Wir machen es so, wie du willst. Und eines ist sicher: Niemand wird Talia so gut versorgen, wie du Babe!“ Stiles grinste. Und wie auf´s Stichwort meldete sich in diesem Augenblick Talia über das Babyfon und ihre Väter sprinteten los, um nach ihr zu sehen. Nachdem die Kleine mit einer frischen Windel und einem weiteren Fläschchen versorgt und rundum zufrieden mit ihren Dads im großen Himmelbett lag, trafen nun auch nach und nach ihre Freunde bei ihnen ein, welche sich zu einem großen Gelage bei ihnen versammelten. Talia wurde von Hand zu Hand weitergereicht. Jeder bekam seinen Moment mit ihr, damit sie die Menschen kennenlernen konnte, welche in Zukunft ihr Leben teilen und sie lieb haben würden. Sogar Chris Argent und Deucalion stießen irgendwann dazu, weil sie Wind davon bekomme hatten, dass Derek endlich Stiles und ihre gemeinsame Tochter nachhause geholt hatte. Es war ein friedlicher, glücklicher, vollkommener Moment. Und da entschied Allison, dass wohl keine bessere Gelegenheit kommen würde, um ihre eigenen großen Neuigkeiten zu verkünden. Die befürchtete Sorge blieb aus. Anstatt dessen waren die Reaktionen Erstaunen, Begeisterung, Freude, Anteilnahme und Glück. Sie alle waren auf ungewöhnlichen Wegen eine große, bunte Familie geworden. Und sie würden noch weiter wachsen. - E N D E- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)