Schlaflos von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 78: Walk like an egyptian --------------------------------- Die „Cora“ lag mittlerweile im Hafen von Alexandria, wo die beiden Flitterwöchler von Bord ging. Das Schiff würde vorerst hier verweilen und das Paar würde zunächst auf dem Landweg weiterreisen. Ihr Gepäck für die nächsten Tage wurde ihnen bereits ins Hotel vorausgeschickt. Derek hatte einen Einheimischen als Reiseführer in Ägypten engagiert, einen schlanken, jungen Mann von etwa achtzehn Jahren, mit dichtem, pechschwarzem Haar, welches mal wieder einen neuen Schnitt vertragen könnte, da ihm der Pony bereits in die Augen zu wachsen drohte, wie Stiles auffiel. Er sprach recht passabel englisch und war westlich gekleidet in seinen Jeans, Turnschuhen und T-Shirt, was jedoch nicht drüber hinwegtäuschen konnte, dass die Kleidungsstücke abgetragen und nicht ganz sauber waren. Er hatte eine ebenmäßige, dunkle Haut und dunkelbraune Augen mit einem fröhlichen, spitzbübischen Funkeln darin. Er stellte sich ihnen als Abdel Hassan vor und berichtete, er sei das älteste von elf Kindern und da müsse er einfach etwas zum Familieneinkommen beitragen, weshalb er bereits seit sechs Jahren als Touristenführer arbeite und daher reichlich Erfahrung mitbringe. Er sei hier in Ägyptens Hauptstadt Kairo aufgewachsen und er würde ihnen alles zeigen, was seine wundervolle Heimatstadt zu bieten habe, versprach ihr Reiseführer strahlend. Stiles fand den Jungen spontan sympathisch. Zuerst besuchten sie das das ägyptische Museum. Stiles war ein wenig unwohl dabei, als er sich bewusst machte, dass es sich bei den Mumien, welche dort wie ganz gewöhnliche Ausstellungsstücke herumlagen, um die sterblichen Überreste von echten Menschen handelte, die vor langer Zeit einmal gelebt und geatmet hatten. Irgendwie hatte er das Gefühl ihre Totenruhe zu stören, indem er sie nun einfach so anstarrte, doch er sagte nichts dazu, weil er Derek, welcher vollkommen begeistert und fasziniert von der Ausstellung war, nicht die Freude daran nehmen wollte. Im koptischen Viertel besuchten sie die sogenannte „Hanging Church“, eine zweitürmige Kirche erbaut von den koptischen Christen im dritten Jahrhundert nach Christus. Allein das schiere Alter dieses Ortes flößte Stiles Ehrfurcht ein. Was hatten diese Mauern bereits alles überstanden und mit angesehen? Es war kaum vorstellbar. Ähnlich erging es ihm, als sie die „Al-Hakim-Moschee“ besichtigten, welche immerhin auch schon seit über tausend stolzen Jahren hier am selben Ort stand. Die Sonne brannte ihnen auf Köpfe und Schultern und ohne ihre Sonnenbrillen, die Creme mit dem Lichtschutzfaktor 30 und ihre Baseballkappen wären sie sicherlich verloren gewesen, als sie über den belebten „Khan El Khalil-Basar“ flanierten, denn nun am Nachmittag lag die Temperatur bei erbarmungslosen 45 Grad. Dennoch kam es Stiles aufgrund des trockenen Windes, welcher von der Wüste her zu ihnen hinüber wehte, immer noch einigermaßen erträglich vor. Daheim im schwülen Kalifornien wäre bei derselben Temperatur ein Leben außerhalb klimatisierter Räume wohl kaum noch vorstellbar. Stiles blickte sich neugierig um, beobachtete Händler, Einheimische und Touristen beim Feilschen, lauschte den Verhandlungen in der für ihn vollkommen fremden Sprache, sog die verführerischen, fremden Düfte nach Gewürzen, unterschiedlichen Speisen, Parfüms und vielem mehr ein und weidete seine Augen an dem fantastischen Durcheinander und dem Meer aus Farben. Gern hätte er sich einen Snack gekauft, oder hübsche Mitbringsel für seine Freunde zuhause, doch seine Sinne waren schlicht komplett überfordert. Er hätte sich hier spontan einfach für nichts entscheiden können. Als es Abend wurde, setzte Abdel Hassan sie bei ihrem Hotel, dem Royal Maxim Palace Kempinski Cairo ab. Ihr Reiseführer hatte sich bereits für den heutigen Tag verabschiedet und zum Gehen gewendet, da drehte er sich noch einmal um und raunte den Ehemännern zu: „Sie wissen, dass sie hier... vorsichtig sein müssen, oder? Hier ist es nicht wie bei ihnen in Amerika.“ Die beiden Flitterwöchner wussten sofort, was gemeint war, auch wenn es nicht direkt ausgesprochen worden war. Stiles und Derek hatten sich nicht bei den Händen gehalten, in irgendeiner Weise berührt und schon gar nicht geküsst, seit sie in Ägypten waren, doch irgendwie hatte der junge Mann offenbar trotzdem erraten, dass sie ein Paar waren. Stiles hatte keine Ahnung, was sie verraten haben mochte. Vielleicht hatte Abdel Hassan Derek aber auch bloß erkannt, weil er etwas über ihn in den westlichen Medien, oder im Internet erfahren hatte, denn immerhin war der Milliardär ja eine bekannte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens und in der jüngeren Vergangenheit war schließlich mehr über ihn berichtet worden, als dem Paar lieb gewesen war. Derek sah aus, als wollte er eine ärgerliche Erwiderung auf diese Anmaßung geben, doch Stiles kam ihm zuvor, weil er wusste, dass der Junge es lediglich gut mit ihnen meinte und dass es ihn eine Menge Überwindung gekostet haben musste, diese Worte auszusprechen: „Ja danke, wir passen auf.“ sagte er also schnell und wollte dann wissen: „Aber es ist hier in deinem Land nicht verboten, so wie wir zu sein, oder?“ Der Junge machte ein betretenes Gesicht: „Nicht verboten und nicht erlaubt. Einfach... Geheimnis.“ erwiderte er. Dann fügte er beinahe flüsternd hinzu: „Vielleicht werde ich auch einmal in Amerika leben. Und frei sein.“ Stiles brachen diese Worte beinahe das Herz, als er ihre Bedeutung ermaß. Gern hätte er etwas gesagt, doch er wusste nicht was und während er noch überlegte, winkte ihnen Abdel Hassan auch schon zum Abschied zu und verschwand dann beinahe fluchtartig, flink wie ein Wiesel. Im Hotel wurde der erfolgreiche Geschäftsmann Derek Hale von einem übereifrigen Concierge empfangen wie ein Prinz, während dieser sie beide hinauf in die teuerste Suite des Hauses begleitete. Auf Stiles Anwesenheit wusste sich dieser Mann offenbar keinen Reim zu machen machen, weshalb er von ihm nicht weiter beachtet wurde. Und im Grunde war Stiles dies auch ganz Recht, denn dieser buckelnde, kleine Speichellecker war ihm zutiefst unangenehm, so dass er froh war ihn los zu sein und sie die Türen hinter sich schließen konnten. „Endlich allein! Ich bin total erledigt.“ seufzte Stiles und stahl sich einen lang ersehnten Kuss von seinem Ehemann. Dabei bemerkte er, dass Derek irgendwie verstimmt wirkte, also fragte er: „Ist irgendwas nicht in Ordnung?“ „Was denkt sich dieser Kerl eigentlich?“ polterte der Milliardär los: „Wer? Der Concierge? Ja, ich konnte ihn auch nicht leiden.“ stimmte Stiles zu. Derek blickte ihn irritiert an: „Wieso der Concierge? Der war doch sehr freundlich und höflich?“ Stiles lachte verächtlich: „Ja zu dir und deinen Kreditkarten vielleicht. Mich hat er wie Luft behandelt.“ Derek wirkte bestürzt: „Oh Mann, das ist mir gar nicht aufgefallen. Das tut mir so leid. Weißt du was? Wir werden ihn jetzt sofort zur Rede stellen.“ versicherte er und war schon auf dem Weg zur Tür, doch Stiles hielt ihn am Arm zurück und beteuerte: „Das ist absolut nicht nötig. Ich pfeife drauf, was so einer von mir hält. Mach´ bitte keinen Aufstand deswegen, okay?“ Stattdessen wollte er wissen: „Aber wenn du nicht den Concierge gemeint hast, wen denn dann?“ „Na diesen Jungen! Wieso bildet der sich ein, uns sagen zu können, was wir tun und lassen sollen?“ empörte sich Derek. Stiles seufzte: „Er war bloß besorgt um uns. Er kennt sein Land und seine Kultur eben. Und er weiß aus erster Hand wovon er spricht.“ Derek wirkte verwirrt: „Wie? Aus erster Hand? Du meinst er ist...? Nein Blödsinn, das kann nicht sein.“ Stiles schüttelte den Kopf und machte ein Gesicht, als habe er einen Idioten vor sich: „Manchmal bist du wirklich ein bisschen langsam, oder Hale?“ Derek sah aus, als würde er angestrengt nachdenken. Dann erwiderte er geschlagen: „Ja, scheinbar bin ich das. “ Stiles lachte: „Na macht nichts, ich liebe dich trotzdem!“ Er begann damit, sich die Kleider vom Leib zu reißen und rief übermütig: „Wer zuerst in der Dusche ist.“ Dann flitzte er los. Derek folgte ihm lachend. Als das Paar am folgenden Morgen in die Lobby des Hotels kam, wartete dort bereits ihr überpünktlicher Reiseführer auf sie. Der Junge aus einfachen Verhältnissen nahm sich wie ein Fremdkörper aus in dieser noblen Umgebung und Stiles wunderte sich nur, dass er überhaupt hier geduldet wurde, anstatt vom Personal direkt vertrieben zu werden. Er wirkte so, als würde er sich an diesem Ort nicht recht wohlfühlen und Stiles konnte sich gut in ihn hineinversetzen. Auch er selbst war in all diesem Luxus nicht wirklich zuhause, trotz der langen Zeit, die er bereits an Dereks Seite verbracht hatte und er würde es auch niemals sein. Er würde für immer ein Gast in der Welt der Reichen bleiben, doch das war in Ordnung und es bedeutete nicht, dass er nicht die meisten der unglaublichen und außergewöhnlichen Erfahrungen, welche er mit Derek bereits gemacht hatte nicht hoch schätzte und sich an ihnen erfreute. Heute würden sie die größte und bekannteste Attraktion des Landes besuchen, das Weltkulturerbe und einziges der sieben Weltwunder, welches bis zum heutigen Tag noch existierte, nämlich die Pyramiden von Gizeh, welche gerade einmal fünfzehn Kilometer vom Stadtkern Kairos gelegen waren. Derek hatte für die Strecke einen Geländewagen gemietet, welcher glücklicherweise über eine Klimaanlage verfügte, denn obwohl es erst neun Uhr am Morgen war, betrug die Außentemperatur bereits sechsunddreißig Grad. Am Ziel angekommen und dem wohltemperierten Fahrzeug wieder entstiegen, traf die Männer dafür dann allerdings beinahe der Schlag, als ihnen die brüllend heiße Luft entgegenschlug. Es dauerte einige Minuten, ehe sie sich wieder einigermaßen akklimatisiert hatten. Sie waren bei weitem nicht die einzigen Menschen hier, was Stiles ein wenig bedauerte, denn die Touristenhorden, die hier mit ihren bunten Sonnenhüten und ihren Kameras hindurch trampelten, nahmen dem Ort einiges von seinem Zauber, ebenso wie die einheimischen Händler, welche sich hier niedergelassen hatten, um den Besuchern hässliche Andenken und billigen Schnick Schnack zu überhöhten Preisen anzudrehen. Und nun warnte ihr junger Reiseführer sie auch noch, gut auf ihre Wertsachen zu achten, da hier reichlich Taschendiebe unterwegs seien. Dennoch gelang es Stiles, all dies ein wenig auszuklammern und sich auf diesen magischen, einzigartigen Ort einzulassen. Er war allein schon von der Größe dieser Bauwerke zutiefst beeindruckt. Das höchste von ihnen, die Cheops-Pyramide sei ungefähr 140 Meter hoch, referierte Abdel-Hassan. Wie war es den Menschen damals vor 4500 Jahren bloß gelungen so etwas Grandioses zu erschaffen, ganz ohne dass ihnen dabei moderne Maschinen zur Verfügung gestanden hatten? Stiles fand es einfach unvorstellbar! Es dauerte mehr als dreieinhalb Stunden, ehe die Reisenden das gesamte Areal, sämtliche Pyramiden und selbstverständlich auch die weltberühmte Sphinx gesehen und bewundert hatten. Als sie danach wieder in ihrem Leihwagen saßen und in die Hauptstadt zurückkehrten, erklärte Stiles strahlend: „Das war wirklich unglaublich toll! Das werde ich mit Sicherheit niemals vergessen. Ich danke dir, dass du mir das gezeigt hast, Derek.“ Er hätte seinen Ehemann wohl nicht glücklicher machen können, als mit diesen Worten, denn genau dies war es ja, was Derek so unbedingt wollte, nämlich Stiles welcher ja noch nie irgendwo gewesen war zu zeigen, wie wunderschön und vielfältig diese Welt war. Abdel Hassan wollte von seinen Kunden wissen, was diese denn wohl als nächstes gern sehen wollen würden, oder ob sie möglicherweise Hunger hätten, doch da Stiles und Derek am Morgen in ihrem Hotelzimmer ein üppiges Frühstück eingenommen und überdies aufgrund der Hitze bislang noch keinen großen Hunger hatten, wollten sie als nächstes viel lieber irgendwo hingehen, wo man seinen Durst löschen könnte, da sie vollkommen ausgetrocknet waren; bevorzugt an einem Ort mit Klimaanlage. Ein Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht des jungen Reiseführers und er behauptete: „Ich weiß genau richtigen Ort!“ Der genau richtige Ort führte sie in eine eher schäbige, vorwiegend industriell genutzte Gegend Kairos und das Gebäude zu welchem Abdel Hassan sie führte, machte von außen zunächst wenig her. Der Eingang war mit einer schweren Stahltür verschlossen. Der junge Einheimische klingelte und blickte nach oben, in eine ein wenig versteckt angebrachte Kamera. Irgendwie hatten die Flitterwöchner die Befürchtung, dass hier etwas Illegales vor sich gehen könnte. Dennoch war es irgendwie abenteuerlich und sie waren neugierig, wohin es sie nun wohl verschlagen mochte? Als ein Summer ertönte und die Tür für sie geöffnet wurde, folgten sie dem jungen Mann also mit einer kleinen Spur Unbehagen einen wenig einladenden, kahlen Gang entlang. Nun wurde eine weitere Tür für sie geöffnet. Die Szenerie veränderte sich, denn sie betraten einen großen, einladenden Raum mit einer Bar, einer Bühne und vielen einzelnen Tischen, auf welchen Shishas standen und an welchen sowohl Einheimische, als auch einige Touristen saßen, rauchten und tranken. Fast alle Anwesenden waren Männer, wie Stiles nicht entging. Die Einrichtung war gemütlich, im orientalischen Stil gestaltet, mit farbenfrohen Motivwebteppichen an den Wänden und vielen bunten Lampen überall, welche den Raum in ein warmes Licht tauchten. Abdel Hassan führte die Ehemänner direkt zur Bar und raunte ihnen grinsend zu: „Es ist zwar „Haram“, aber hier können sie auch Alkohol trinken, wenn sie möchten.“ „Nein danke, aber nicht wenn es so heiß ist.“ lehnte Derek ab und Stiles schloss sich ihm an. Der junge Mann wirkte ein wenig enttäuscht, so dass Stiles sich beeilte zu versichern: „Aber du kannst dir doch ruhig etwas Alkoholisches bestellen, wenn du willst. Wir verraten es auch keinem.“ Abdel Hassan winkte ab. Scheinbar wäre dies für ihn nur eine Option gewesen, wenn er in Gesellschaft trank. Doch wenn selbst die Ungläubigen aus dem fernen, sündigen Amerika es ablehnten, konnte er es eben auch nicht tun. So waren offenbar die Regeln und da konnte man nichts machen. Eine interessante Logik, dachte Stiles im Stillen amüsiert. Sie nahmen einen der Tische in der Nähe der Bühne und erhielten dort ihre Getränke. Außerdem zogen sie jeder an seinem eigenen Mundstück der Shisha vor ihnen, was Abdel Hassan und Derek durchaus zu munden schien. Bei Stiles jedoch rief es lediglich einen angewiderten Gesichtsausdruck, gefolgt von einem Hustenanfall und begleitet von dem Kommentar aus, dass dies ja schlimmer als ein Zug aus Malias Bong sei und überdies auch noch viel weniger Spaß mache. Derek lachte und klopfte seinem Gatten erst einmal hilfreich auf den Rücken. Seit sie eingetreten waren, war im Hintergrund leise arabische Musik zu hören gewesen, doch diese verstummte nun urplötzlich. Außerdem wurde das Licht im Saal gedimmt und ein Scheinwerfer erleuchtete stattdessen die Bühne. Dann erklang erneut Musik, doch wesentlich lauter dieses Mal und sehr rhythmisch. Nun öffnete sich auf dem Podium ein glitzernder Vorhang und dahinter erschien eine umwerfend schöne Frau, welche nun ins Scheinwerferlicht trat und sogleich zu tanzen begann. Ihre schönen, riesigen, grünen Augen waren mit reichlich Kajal betont, die Sinnlich aufgeworfenen Lippen in grellem Rot geschminkt. Sie trug ein ausgesprochen knappes Outfit, bestehend aus einem Bustier und knapp über der Scham beginnende Pluderhose , welche lediglich Po und Genitalien blickdicht bedeckte, an den Beinen hingegen durchscheinend war. Das Kostüm war mehr als üppig mit Strass, kleinen Münzen und Glöckchen versehen, welche nun im Rhythmus des Tanzes lustig klingelten. Die Bewegungen der Tänzerin waren gleichsam kraftvoll, wie auch anmutig. Nach westlichen Maßstäben hatte sie sicherlich keine Idealmaße. Ihre Taille war schmal, doch Bauch, Hüften, Brust und Gesäß waren üppig und ihr Tanz brachte diese Kurven sinnlich in Wallung. Selbst Stiles musste zugeben, dass diese Darbietung sexy war. Sein Blick fiel auf Derek und diesem schien diese Vorführung ein wenig zu gut zu gefallen, so dass selbst sein Mund ein wenig offen stand, weshalb sein Ehemann ihm nun nicht eben sanft den Ellenbogen in die Seite rammte und giftig zischte: „Pass´ nur auf, dass du nicht auch noch anfängst zu sabbern!“ Da besann sich Derek auf seinen Geliebten und erwiderte mit einem verlegenen Lächeln: „Was hast du denn, Liebling? Du musst doch nicht eifersüchtig sein, nur weil ich die Vorführung genieße. Du weißt doch, dass ich dir treu ergeben bin, oder nicht?“ „Na, wie es aussieht kann ich dir dennoch nicht alles bieten, was dir so gefällt, richtig?“ murrte Stiles reichlich verschnupft. Derek nahm unter dem Tisch verstohlen die Hand seines Mannes und versicherte: „Du kannst vielleicht nicht alles sein, aber mit Sicherheit bist du alles was ich brauche.“ Leiser fügte er hinzu: „Ich bin verrückt nach dir und liebe dich über alles, weißt du das denn nicht?“ Ein wenig versöhnt gab Stiles also großzügig zurück: „Also gut, dann will ich mal nicht so sein. Genieße die Show, du Lustmolch!“ Er schenkte seinem Mann ein schiefes Grinsen. Abdel Hassan hatte während des Zwists zwischen den Liebenden still und starr vor sich auf das Tischtuch gestarrt und so getan, als sei er gar nicht da. Nun hob er erleichtert wieder den Kopf, traute sich weiter seine Cola zu trinken und verfolgte die Bauchtanzshow. Als sie das Etablissement nach einer ganzen Weile wieder verließen war es bereits früher Abend und den Hochzeitsreisenden begann der Magen zu knurren. Da sie nicht schon wieder im Hotel essen wollten fragte Stiles ihren Reiseführer, wo man gute und authentische ägyptische Küche genießen könne? Der junge Mann erklärte grinsend, dass seine Mutter mit Sicherheit die beste Köchin des ganzen Landes sei. Stiles hielt die angedeutete Einladung für einen Scherz und erwiderte, dass sie ja nicht einfach so bei seiner Familie einfallen und sich zum Abendessen ankündigen könnten, doch da hörte Abdel Hassan schon gar nicht mehr zu, denn er hatte bereits sein Handy gezückt und führte auf arabisch ein Gespräch. Als er wieder aufgelegt hatte, versicherte er eifrig: „Ist in Ordnung. Meine Mutter freut sich auf ihren Besuch!“ „Wie bitte? Aber... nein, das können wir wirklich nicht annehmen.“ erwiderte Derek überrumpelt: „Meine Mutter wäre gekränkt, wenn sie nicht kommen.“ gab der Junge zurück und wirkte im Grunde selbst irgendwie verletzt: „Hörst du das, Derek? Wir können diese Einladung nicht ausschlagen. Es wäre beleidigend.“ setzte Stiles nach, dem die Aussicht gefiel ein wenig mehr von Land und Leuten kennenzulernen, anstatt die ganze Zeit wie ein Tourist bloß von außen auf alles zu schauen: „Komm´ schon, Baby! Wir lernen Abdel Hassans Familie kennen. Das wird bestimmt nett werden. “ „Aber wir werden auf keinen Fall mit leeren Händen dort ankommen. Wir bringen wenigstens den Nachtisch mit.“ erwiderte Derek in einem Ton, welcher keine Gegenrede duldete. So stiegen die drei Männer also in den Leihwagen und fuhren los. Und einem Geschäft für Back- und Süßwaren machte wenig später ein Händler, das Geschäft seines Lebens, als der Milliardär nämlich dort gefühlt die Hälfte seines Bestandes aufkaufte. Die Familie ihres Reiseführers hauste in einer ärmlichen, heruntergekommenen Gasse in einer Art Innenhof. Der Duft von frisch gewaschener Wäsche, welche hier überall an langen Leinen zwischen den Häusern herumhing, mischte sich mit den Gerüchen nach gekochtem Essen, Müll und den Ausdünstungen aus der Kanalisation. Die eng beieinander stehenden Gebäude wirkten schäbig, einige gar akut baufällig, doch über ihren Köpfen, erlaubten sie einen hoffnungsvollen Blick auf ein kleines Stück blauen Himmels. Die Menschen lebten hier sehr nah beieinander. Ein Privatleben war da wohl kaum möglich, dachte Stiles bei sich, doch irgendwie fühlte er sich dennoch sogleich heimelig. Es erinnerte ihn irgendwie an jene Bauruine, in welcher er mit Scott damals gelebt hatte ehe er Derek kennengelernt hatte, zusammen mit so vielen anderen obdachlosen Kids. Er warf einen Blick neben sich auf seinen Mann, um zu sehen wie dieser mit dem Anblick derart ärmlicher Lebensverhältnisse zurecht käme, doch der Milliardär verzog immerhin keine Miene Stiles hatte zunächst die Befürchtung gehabt, dass er und Derek für all das Zeug, welches sie bei dem Süßwarenhändler erworben hatten, nicht genügend Abnehmer finden könnten, doch wie sich zeigen sollte war der Großeinkauf wahrlich keine schlechte Idee gewesen, da Abdel Hassans Familie riesig war und zum größten Teil aus Kindern bestand. Da waren zum einen seine zehn jüngeren Geschwister, welche sich sogleich begeistert auf die Süßigkeiten stürzten. Aber dann gab es da auch noch die einmal acht und einmal neun Kinder der Onkel und Tanten, welche hier ebenfalls in direkter Nachbarschaft wohnten. Stiles und Derek sahen sich im Nu umkreist von einer ganzen Horde von Bälgern mit leuchtenden Augen und schmuddeligen ausgestreckten Fingerchen, allesamt gierig darauf, ihren Anteil des Zuckerzeugs abzustauben. Die Männer kamen sich vor wie hochsommerliche Weihnachtsmänner. Nachdem Bonbons und Schokolade verteilt waren, ging es hinein zu den Erwachsenen. Neben den Geschwistern wohnte Abdel Hassan nämlich mit seinen Eltern und Großeltern zusammen. Und all diese Menschen teilten sich gerade einmal zwei kleine Zimmer, auf welchen sich das gesamte Familienleben abspielte: „Salam aleikum.“ grüßten die Gäste höflich beim Eintreten. „Aleikum Salam!“ antwortete Abdel Hassans Mutter Fatima, eine winzige, runde, freundliche Frau munter, zog die beiden Männer überhaupt nicht schüchtern an den Händen in das Innere ihres Heims und begann auf arabisch hektisch auf diese einzureden. Abdel Hassan hatte seine Mühe zu versuchen, den Wortschwall simultan zu übersetzen. Die anwesenden Erwachsenen, sogar die sehr Alten, saßen allesamt direkt am Boden, doch die Besucher aus dem Westen wurden gedrängt, sich auf kleinen Schemelchen niederzulassen, damit sie es bequemer hätten. Derek übergab die Kuchen, welche er besorgt hatte an die Gastgeberin, welche diese mit mit vielen weiteren Worten, welche unter dem Strich eigentlich bloß ein Dankeschön waren, entgegennahm. Die Kinder, nicht nur die Verwandten, sondern auch noch weitere aus der Nachbarschaft, drückten sich immer wieder in der Tür herum, um mit unverhohlener Neugier und untereinander tuschelnd die Gäste aus dem fernen Amerika zu begaffen. Sie mussten wiederholt von Abdel Hassan, welcher schimpfend die Fäuste in die Luft reckte, vertrieben werden. Stiles und Derek genossen die volle Dosis der legendären arabischen Gastfreundschaft und wurden mit Tee und Knabbereien versorgt, während im Hintergrund Fatima am holzbefeuerten Ofen das Abendessen richtete. Und während man in Amerika wohl eher den Fernseher abstellen würde, wenn Besucher kamen, wurde das alte Röhrengerät, welches hier an der Decke hing, extra für Stiles und Derek zur Unterhaltung angestellt. Stiles überlegte, wo die vielen Menschen wohl schlafen mochten, doch dann fiel sein Blick auf einen Stapel dünner Matratzen in einer Ecke hinten im Raum. Da wurde ihm klar dass sich bei Nacht dieses Zimmer in ein einzigen großes Bettenlager verwandelte. Doch Stiles Überlegungen gingen noch weiter. Wie schaffte man es wohl bei solch beengten Wohnverhältnissen immerhin elf Kinder zu produzieren? Da musste man schon ausgesprochen gut im Organisieren sein und jede sich bietende Gelegenheit nutzen, richtig? Stiles würde diese Frage selbstverständlich nicht stellen, denn er war schließlich nicht vollkommen taktlos. Stattdessen wollte er von ihrem Reiseführer wissen, ob er eigentlich häufig seine Kunden zum Essen mit nachhause brächte? Abdel Hassan wirkte ertappt. Er schüttelte den Kopf: „Nein, eigentlich habe ich das noch nie getan.“ erklärte er. Stiles war gleichfalls überrascht und fühlte sich zutiefst geschmeichelt. Wie sich zeigen sollte, hatte Abdel Hassan nicht übertrieben, denn das Essen welches seine Mutter auf den Tisch brachte, war zwar einfach, aber dennoch köstlich. Es gab Couscous mit einer Soße aus Tomaten, Gemüse, Kichererbsen, jedoch lediglich ein paar verstreuten Brocken Hammelfleisch, weil mehr davon für eine so große Familie vermutlich unerschwinglich wäre. Doch das machte überhaupt nichts fand Stiles, denn man schmeckte die Liebe in jedem einzelnen Bissen. Derek versuchte sich sein Befremden darüber nicht anmerken zu lassen, dass die ganze Familie aus derselben, riesigen, tellerartigen Schale speiste und die meisten von ihnen gar mit bloßen Fingern aßen, wobei man für ihn und seinen Mann glücklicherweise Löffel vorgehalten hatte. Stiles hingegen fand es großartig. Er hatte um authentische Küche gebeten? Dies hier war sie, also ließ auch er das Besteck ganz einfach weg und hatte großen Spaß dabei. Nach dem Essen fragte Derek seinen Mann raunend: „Sollte ich diesen Leuten vielleicht Geld für das Essen geben?“ „Wenn du sie schwer beleidigen willst, dann mach das ruhig.“ erwiderte Stiles kopfschüttelnd: „Du warst hier zu Gast. Gibst du ihnen Geld, weist du diese Gastfreundschaft zurück. Willst du das etwa?“ Derek sah erschüttert aus und schüttelte den Kopf. Sie verabschiedeten sich von den diversen Familienmitgliedern und bedankten sich vielmals für die Essenseinladung, ehe sie sich von ihrem jungen Reiseführer zu ihrem Wagen zurückbringen ließen. Auch von Abdel Hassan nahmen sie nun endgültig Abschied, denn morgen früh würden das Paar Ägypten verlassen. Aber Derek fand doch noch einen Weg, sein Geld loszuwerden, denn anstatt der eintausend ägyptischen Fund, welche das vorab vereinbarte Honorar für die Dienste ihres Reiseführer gewesen ist, überreichte er dem Jungen eintausend US-Dollar, also beinahe das zwanzigfache der abgesprochenen Summe. Dem jungen Mann gingen beinahe die Augen über, denn innerlich rechnete er wohl schon nach, wie lange er seine Familie damit ernähren könnte. Doch dann besann er sich und erklärte kopfschüttelnd: „Nein Sir! Das kann ich nicht annehmen. Das ist viel zu viel. Das wäre Unrecht.“ Derek wollte widersprechen, doch Stiles kam ihm zuvor, schloss die Finger des Jungen um den Geldschein und erklärte lachend: „Nimm es einfach an! Für jemanden wie Derek ist das doch bloß Spielgeld. Er kann es sich leisten und du und deine Familie könnt es doch sicher gut gebrauchen. Komm, steck es schnell ein, ehe es noch jemand sieht und dich beklaut!“ Und dies tat der Junge mit einem schüchtern Lächeln und während er sich ein paar dutzend Mal bedankte. Doch Derek hatte noch eine andere Überraschung für den jungen Mann parat. Er überreichte Abdel Hassan eine seiner Visitenkarten und raunte ihm zu: „Falls du tatsächlich ernsthaft darüber nachdenkst, irgendwann einmal nach Amerika zu kommen, um dort zu leben, dann kannst du mich in ein paar Wochen anrufen. Vielleicht kann ich dir mit dem Visum helfen und du kannst ein bezahltes Praktikum in meiner Firma machen, oder so. Wie klingt das?“ Der Junge strahlte über das ganze Gesicht, nahm die Karte entgegen wie ein Heiligtum und flüsterte: „Das klingt wundervoll!“ Er steckte das kleine Stück Pappe sorgfältig weg, bedankte sich nochmals überschwänglich und dann verabschiedete er sich. „Du bist ein guter Mensch, Derek Hale!“ sagte Stiles lächelnd, als sie wieder unter sich waren, doch Derek widersprach: „Nein, ich bin nur mit einem guten Menschen verheiratet und habe das Glück, von ihm zu lernen.“ Stiles seufzte: „Verdammt, ich würde dich jetzt so gern küssen. Ich liebe dich, Mann!“ „Ich liebe dich auch!“ versicherte Derek, griff verstohlen nach der Hand des Jüngeren und drückte sie kurz, ehe sie in ihren Leihwagen stiegen und zurück in ihr Hotel fuhren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)