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Schlaflos

von

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Seefahrt Deluxe

Derek liebte seine Reiche-Leute-Spielsachen, seine Autos, seinen Jet und natürlich auch seine Yacht. Und Stiles liebte IHN dafür, dass er sich wie ein kleiner Junge darüber freute, seinem Ehemann seine Spielzeuge stolz vorzuführen.

Mit gut fünfzig Metern Länge lag Dereks Schiff gut hundert Meter unter der Größe der echten Giganten auf dem Markt, wie all diese Scheichs und russischen Oligarchen sie besaßen, war dem Milliardär sehr wichtig zu betonen, denn offenbar wollte er von Stiles nicht für einen Snob, sondern eher für bescheiden gehalten werden, wie dieser amüsiert schlussfolgert. Für Stiles jedoch war die „Cora“ immer noch unvorstellbar groß und er durfte nicht allzu genau darüber nachdenken, welche Verschwendung und ökologische Schweinerei es darstellte, solch ein Gefährt bloß für sie beide, nebst Bordcrew zu betreiben.
 

Jedoch kam ihm in diesem Augenblick eine Idee, welche er seinem Ehemann, quasi als Wiedergutmachung, in einem günstigen Moment unterbreiten würde, sobald sie wieder zuhause wären. Dann würde er ihn nämlich fragen, ob er seine Yacht den Straßenkindern und den Pädagogen, die sie unterstützten, für einen kleinen „Urlaub von der Straße“ zur Verfügung stellen würde. So eine Auszeit und etwas Abstand würde den Kids sicherlich guttun und einigen von ihnen vielleicht sogar den Ausstieg aus diesem Leben erleichtern. Gut, hinterher wären wohl einige kleine Sanierungsarbeiten fällig, wenn sich hier eine Horde verwilderter Halbwüchsiger amüsiert hatte, aber was bedeutete das schon, im Hinblick auf den guten Zweck, welchem das Ganze diente?
 

Ob Derek sein Prachtstück dafür wohl zeitweise hergeben würde? Vielleicht wenn Stiles ihn ganz lieb bitten würde, inklusive süßem Augenaufschlag? Konnte er da wirklich Nein sagen? Und es wäre doch ganz einfach perfekt. An Bord befanden sich immerhin unzählige Kajüten, die endlich mal genutzt werden würden.
 

Stiles fragte sich ohnehin ernsthaft, was der Sinn von so viel Platz sein mochte, denn kein Mensch hatte schließlich so viele Freunde und Bekannte. Dann wurde ihm klar, dass Derek dieses Schiff vermutlich in erster Linie zu repräsentativen Zwecken nutzte, also Geschäftspartner und deren Familien einlud, um diese so zum Beispiel für neue Projekte und Investitionen zu gewinnen. So machten es reiche Geschäftsleute doch wohl, richtig? Das erklärte auch das Vorhandensein eines Ball- und Speisesaals, mit Platz für mindestens dreißig Personen. Es gab einen Fitnessraum, eine kleine Bibliothek und der Gipfel der Dekadenz war wohl der Pool auf dem Oberdeck. Wie kamen Menschen bloß auf die Idee, eine große Menge Wasser auf dem Wasser hin und her zu kutschieren? War das nicht vollkommen absurd?

Doch weil Derek sich so sehr über all dies freute, vermutlich auch weil er es endlich einmal mit jemandem teilen konnte den er liebte, enthielt sich Stiles jeglichen kritischen Kommentars, sondern zeigte sich stattdessen angemessen beeindruckt.
 

Als sie die große, bestens ausgestattete Bordkombüse betraten, gab es für Stiles dann ein unverhofftes freudiges Wiedersehen, denn dort trafen sie auf Jean Ribaux, Dereks Privatkoch. Der massige, herzliche Hühne begrüßte den Gatten seines Chefs mit übermütigen Wangenküssen und einer knochenbrecherischen Umarmung:
 

„So gut dich zu sehen, Mann! Jetzt freue ich mich richtig auf´s Abendessen!“ versicherte Stiles strahlend und reckte und streckte sich, um sein Skelett nach diesem Empfang wieder ein wenig richten:
 

„Es tut auch gut zu sehen dich, mon Petit!“ versicherte der Kreole leidenschaftlich: „Tes Amis sagen mir, sie vermissen dich. Ich soll grüßen.“
 

Seine Freunde vermissten ihn? Das versetzte Stiles einen kleinen sehnsüchtigen Stich, denn sie fehlten ihm ebenso:

„Danke!“ erwiderte er mit einem kleinen Lächeln.
 

„Willst du eigentlich sehen, wie wir ablegen, Stiles?“ unterbrach Derek dass Wiedersehen zwischen seinen Mann und seinem Angestellten.
 

Stiles nickte, verabschiedete sich für´s Erste von dem Koch und folgte seinem Gatten zurück an Deck, wo sie Seite an Seite in bequemen Liegestühlen Platz nahmen und dabei zuschauten, wie das Festland nach und nach in der Ferne verschwand.
 

Die Ostsee war war in keiner Weise wie der Pazifik, an dessen Gestaden ihre Heimatstadt Los Angeles gelegen war, stellte Stiles im Stillen fest. Das Wasser hier war nicht blau, sondern eher grau, ebenso wie der Himmel, welcher darüber hing. Der Anblick, untermalt von den melancholischen Rufen der Seevögel und dem Gesang der Wellen, stimmte einen ein wenig schwermütig, aber auf eine gute Weise; auf die Art nämlich, welche einen wünschen ließ ein Poet des achtzehnten Jahrhunderts zu sein, welcher epische, tragische Verse über die Kräfte der Natur erschuf.
 

In den nächsten Tagen durchquerten sie das kleine europäische Binnenmeer in südlicher Richtung und ihr nächster Anlegehafen war Danzig in Polen, wo Stiles beim Landgang auf den Spuren seiner Ahnen wandeln konnte, die vor über zweihundert Jahren von hier aus in die USA ausgewandert waren. Und auch wenn der fitness- und figurbewusste Derek sich ein wenig zierte, ließ er sich von seinem Mann dazu überreden, in einem Restaurant mit Landesküche ein Mehrgänge-Menü mit reichlich Schweinefleisch und Teigwaren einzunehmen. Stiles versprach dafür im Gegenzug, dass sie sich die Mahlzeit gern später gemeinsam auf die amüsante Art ausgiebig wieder abtrainieren könnten. Wie konnte der Milliardär dazu wohl Nein sagen?
 

In Deutschland wollte Derek Berlin besuchen und Stiles wollte nach Hamburg, also machten sie beides, erst mit einem Flieger und zwar ausnahmsweise einem ganz banalen Linienflug, von der Küste in die Hauptstadt und dann mit einem weiteren in die nördliche Hafenstadt. In beiden Städten wandelten sie auf den typischen Touristenrouten, lernten ein wenig über Geschichte und Kultur des europäischen Staates und Derek nahm dies zum Anlass, um Mode shoppen zu gehen, obwohl er daheim natürlich bereits über einen bestens gefüllten Kleiderschrank verfügte. Gern hätte der Milliardär auch Stiles reichlich beschenkt, doch dieser beteuerte nachdrücklich wirklich nichts zu brauchen und mit seiner gegenwärtigen Garderobe mehr als zufrieden zu sein. Der Kapitän hatte die „Cora“ unterdessen in die Hansestadt gesteuert, von wo aus es für das Paar auf dem Wasser weiterging auf ihrer Tour durch Europa.
 

Sie reisten mittlerweile auf der Nordsee, umrundeten den britischen Inselstaat, machten an verschiedenen Orten Halt und besuchten selbstverständlich auch die Hauptstadt London. Von da aus ging es weiter nach Irland und die genossen ein paar Tage lang die wundervolle Natur der grünen Insel.
 

In Frankreich war Derek selbstverständlich im siebten Himmel, denn hier genoss er endlich einmal die fantastische Küche vor Ort. Wie sich bereits zuvor gezeigt hatte, war das französische Essen nicht wirklich Stiles Favorit und er würde sich später von Jean noch mit einem deftigen Rindfleischsandwich verwöhnen lassen, doch dafür konnte er sich für Kunst und Architektur des Landes begeistern und von beidem gab es hier reichlich zu sehen.
 

In Portugal verbrachten die beiden Flitterwöchner zwei Tage in der Hafenstadt Porto direkt am Atlantik, genossen den köstlichen örtlichen Portwein und das milde maritime Klima, flanierten an den lauen Abenden am Ufer des Flusses Douro und durch die romantischen kleinen Gässchen der Stadt. Sie besichtigten die städtische Kathedrale und die prunkvolle Igreja Sao Francisco mit ihren beeindruckend-schönen vergoldeten Schnitzereien und fuhren mit der historischen Straßenbahn.
 

Die „Cora“ war mittlerweile im Mittelmeer entlang der europäischen Küste in Richtung Osten unterwegs. Es war Spätsommer, das Wetter war herrlich und da sie auf ihrer Reise bereits reichlich Kultur, Landschaft und Kulinarisches erfahren hatten, gönnten sie sich nun eine Weile einfach bloß schwimmen, faulenzen und sonnenbaden an den Stränden der südeuropäischen Staaten.

Derek war es dabei nicht entgangen, dass Stiles seine Blicke hierbei schweifen ließ. Eine ganze Weile schwieg er dazu, doch dann am Strand von Mykonos einer griechischen Insel, die ganz offensichtlich von schwulen Urlaubern klar bevorzugt wurde, fragte er seinen Ehemann schließlich:

„Gefällt er dir?“
 

„Huh? Wer?“ Stiles schien ratlos:
 

„Na wer wohl?“ fragte Derek zurück: „Der Typ, dem du gerade hinterher gestarrt hast: Groß, breit, schwarzes Haar, grüne Augen...“
 

Stiles zuckte gleichgültig mit den Schultern:

„Klar. Der sah gut aus. Scheinbar mag ich den Typ Mann?“ Er zwinkerte seinem Liebsten zu:
 

„Ja, aber ich meine, würdest du ihn gern kennen lernen?“ erkundigte sich Derek vorsichtig.
 

Stiles blickte ihn ratlos an:

„Wie bitte? Warum sollte ich den denn kennenlernen wollen?“
 

Derek zögerte ein wenig, dann murmelte er irgendwann:

„Wie haben noch nie über Monogamie gesprochen.“
 

Stiles hatte bis gerade eben bequem in seinem Liegestuhl gefläzt. Nun setzte er sich kerzengerade hin, funkelte Derek böse an und donnerte:

„Was ist los? Reiche ich dir plötzlich nicht mehr, oder wie? Wir sind gerade mal ein paar Wochen verheiratet und du schlägst einen Dreier vor? Verdammt, was stimmt denn nicht mit dir?“
 

Derek hatte sich ebenfalls aufgesetzt, hob beschwichtigend die Hände und beteuerte:

„Davon spreche ich doch überhaupt nicht. Glaub´ mir, ich habe keinerlei Interesse an irgendwem außer dir. Ich habe mich in meinem Leben reichlich ausgetobt. Aber was ist mit dir? Du hast das nicht getan und vielleicht denkst du ja, dass dir da eine Erfahrung fehlt? Ich will nur dass du weißt... ich würde dir nie im Weg stehen falls... ich meine, sofern es sich bloß um etwas Sexuelles handelt, verstehst du?“ Der Milliardär wirkte mit einem Mal überhaupt nicht mehr souverän und selbstbewusst:
 

„Ob ich verstehe?“ pöbelte Stiles und scherte sich nicht im geringsten darum, was die anderen Badegäste um sie herum denken könnten: „Nein Derek, ich verstehe überhaupt nicht? Für was hältst du mich denn? Du weiß wie mein früheres Leben war. Denkst du echt, gerade ich hätte Lust, mich auf den nächstbesten dahergelaufenen, fremden Schwanz zu stürzen? Bist du eigentlich bescheuert?“
 

„Aber Stiles...!“ begann Derek hilflos, doch der Jüngere unterbrach ihn sofort mit einer gebieterischen Handbewegung:
 

„Nein Mann, du hast jetzt gerade Sendepause! Ich will nichts mehr von dir hören!“ er erhob sich und schnappte sich Kleidung und Handtuch:
 

„Du gehst?“ fragte Derek nervös:
 

„Mir ist für´s Erste die Lust vergangen. Ich gehe zurück auf´s Schiff. Ich will allein sein.“ teilte Stiles mit, drehte sich auf dem Absatz um und stapfte durch den heißen, feinen Sand davon. Derek blieb nichts weiter übrig, als ihm hilflos hinterher zu schauen.
 

Eineinhalb Stunden hatte er seinem Ehemann Raum gegeben, sich zu beruhigen, ehe er sich selbst wieder an Bord traute. Von da an hielt Derek sich stets in Stiles Nähe auf, schweigend, ohne diesem zu sehr auf die Pelle zu rücken, mit betretener Miene, hängendem Kopf und insgesamt ein Bild des Elends, bis Stiles schließlich seufzte:
 

„Du bist echt ein Trottel, Hale!“
 

„Ich weiß.“ erwiderte der Angesprochene: „Ich liebe dich!“
 

Stiles trottete hinüber zu seinem Mann, welcher verloren und traurig auf einer Bank an Deck saß, nahm auf dessen Schoß Platz, fuhr mit den Fingern durch das dichte dunkle Haar und fragte:

„Was soll ich nur mit dir machen, hm?“
 

„Mich behalten?“ schlug der Ältere hoffnungsvoll vor:
 

„Ich schätze, das werde ich wohl.“ gab Stiles zurück:
 

„Es tut mir so leid. Ich wollte dich wirklich nicht kränken.“ beteuerte Derek:
 

„Weiß ich doch.“ versicherte Stiles: „Und was machen wir jetzt? Vögeln wir?
 

Derek hob den Kopf, grinste zaghaft und nickte.
 

Die beiden Männer verschwanden in ihrer Kajüte und versöhnten sich erst einmal ausgiebig, während die Yacht ein weiteres Mal ablegte und diesmal Kurs in Richtung Nordafrika aufnahm.



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