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Schlaflos

von

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These vagabond shoes, they are longing to stray...

„Wir sind zu keiner Zeit über den Ozean geflogen, also geht unsere Reise weder nach Westen, noch nach Süden. Bleiben also der Norden und der Osten.“ schlussfolgerte Stiles, begleitet von einem wichtigtuerischen Schwenken des Zeigefingers und fuhr fort: „Allerdings denke ich nicht, dass wir nach Norden fliegen, weil es schon ein wenig dämmrig wird, dabei ist es doch erst kurz nach halb fünf. Ergo haben wir bereits einige Längengrade überquert, fliegen nach Osten und unterliegen der Zeitverschiebung. Und? Habe ich Recht?“

Derek zog ein unzufriedenes Schnäuzchen:
 

„Das ist eine schlüssige Deduktion, Sherlock. Auch wenn du mir mit deiner Schläue den ganzen Spaß daran nimmst, dich zu entführen und zu überraschen.“
 

„Ach komm´ schon Daddy! Ich kann mich für dich auch dumm stellen, wenn dir das besser gefällt.“ schnurrte Stiles und setzte sich rittlings auf Dereks Schoß:
 

„Ich habe dir schon mal gesagt, dass du mich nicht Daddy nennen sollst, du kleiner Frechdachs!“ schalt ihn Derek und kniff ihm leicht in einen Nippel. Dann fügte er gutmütig hinzu: „Außerdem finde ich es ja im Grunde toll, dass du so clever bist. Immerhin hast du uns mit deiner Klugheit mehr als einmal gerettet.
 

Stiles rieb sich die malträtierte Brustwarze und erwiderte:

„Du hättest mir übrigens vorher sagen müssen, dass dies hier eine Entführung ist, dann hätte ich mitgespielt; dich zunächst bitterlich bekämpft, mit heißen Tränchen gegen deine breite Brust getrommelt, dann jedoch irgendwann das Stockholm-Syndrom bekommen und mich dir, meinem heißen Kidnapper mit Haut und Haaren hingegeben. Und außerdem... eine Überraschung ist es doch immer noch, denn ich weiß ja nicht ganz genau, wo es hingeht. Wahrscheinlich in eine größere Stadt? Doch welche wird es wohl genau sein? Wird sie in Kanada liegen? Vielleicht Ottawa oder Toronto? Oder bleiben wir in den USA und schauen uns zum Beispiel Boston, Gettysburg, oder Washington an. Oder vielleicht auch New York? Gott, ich hoffe es ist New York! Da wollte ich immer schon einmal hin.“
 

Derek schüttelte ungläubig den Kopf:

„Stockholm-Syndrom und Sex mit dem Entführer, Stiles? Was hast du denn für ungezogene Fantasien? Und da du ja sowieso keine Ruhe geben wirst, verrate ich dir jetzt unser erstes Etappenziel: Ja, wir fliegen nach New York. In fünfundvierzig Minuten sind wir da. Bist du nun zufrieden?“
 

Und ob Stiles zufrieden war. Er stieß einen schrillen Jubelschrei aus, welcher Dereks Ohren klingeln ließ und hüpfte auf dessen Schoß auf und ab:
 

„Also wenn du es nicht auf eine zweite Runde abgesehen hast, solltest du diese Hopserei besser bleiben lassen.“ teilte Derek ihm mit.
 

Stiles grinste frech auf ihn hinab:

„Du sagst, wir haben noch eine Dreiviertelstunde...?“
 

Derek lachte leise, brachte sich mit einem kleinen Knurren über Stiles und stellte zufrieden fest:

„Du bist wirklich unersättlich, oder Babe?“
 

„Was soll ich sagen? Ich bin mit dem heißesten Mann der Welt verheiratet.“ gab dieser zurück und zog Dereks Kopf zu einem Kuss zu sich heran.
 

Als nach einer Weile die Durchsage des Piloten ertönte, dass sie zum Landeanflug ihre Plätze wieder einnehmen müssten, hieß es für die beiden Männer, die selbstverständlich vollkommen die Zeit vergessen hatten, eilig aus dem Bett und zurück in ihre Kleider zu schlüpfen, um dann atemlos ihre Plätze wieder einzunehmen, sich anzuschnallen und sich vor dem Steward nichts anmerken zu lassen.

Als sie endlich soweit waren schauten sie einander an und dann platzten sie los vor Lachen.
 

Am Flughafen wartete bereits eine Limousine mit Chauffeur auf sie. Ihr Gepäck wurde von hilfreichen Geistern verladen und sie hatten nichts weiter zu tun, als einfach nur einzusteigen.

Innerlich staunte Stiles immer noch darüber, dass man wirklich so leben konnte und in ihm regte sich die kleine Angst, dass er irgendwann einmal vergessen könnte, woher er kam, wie es früher einmal war und dass er gegen diesen ganzen neuen Luxus irgendwann abstumpfen könnte.

Die Limousine brachte sie zu ihrem Hotel, welches selbstverständlich kein geringeres war, als das Ritz-Carlton, gelegen am Central Park. Ihnen wurde die Autotür geöffnet, wiederum kümmerten sich andere um ihre Koffer und das Hotelpersonal hofierte sie beide, als seien sie ein Prinzenpaar. Stiles und seinem ADHS wäre beinahe herausgerutscht, dass er diese Art Behandlung ganz einfach nur unverzeihlich fände und man doch zumindest erwarten könne, dass man sie beide auf einem, mit rotem Samt bezogenen Kanapee ins Foyer und... ja warum auch nicht?... gleich in ihr Zimmer trüge, wie seinerzeit Mariah Carey, doch er schaffte es gerade noch an sich zu halten, weil ihm klar wurde, dass die reale Gefahr bestand, dass man seinen Sarkasmus nicht als solchen erkennen und ihn beim Wort nehmen könnte.

Und wie sich kurze Zeit später zeigen sollte, war das Wort „Zimmer“ im Singular falsch gewählt, denn eine Suite bestand, wie Stiles in diesem Augenblick lernte, gleich aus mehreren Räumen, Schlafzimmern, einem Esszimmer und mehreren Bädern. Zudem war ihnen eine schier unglaubliche Aussicht über den Central Park vergönnt, sowie ein 24-Stunden-Concierge-Service.
 

Als sie wieder unter sich waren, fragte Stiles zaghaft:

„Ich weiß, dass ich gesagt habe, ich lasse dich diese Hochzeitsreise planen, aber können wir es vielleicht in nächster Zeit doch ein bisschen bescheidener gestalten? Nur ein ganz klein wenig? Ein normales Zimmer hätte es doch ebenso getan, oder nicht? Ich habe nämlich Angst dass, wenn sich zu den anderen Todsünden in meinen bisherigen Leben, wie Wollust, Zorn und Völlerei nun auch noch Habsucht gesellt, dass ich dann endgültig in die Hölle komme.“
 

„Oh Mann, ich mache alles falsch und du hasst es hier.“ stellte Derek resigniert fest.
 

Stiles trat vor ihn, schlang seine Arme um den Nacken seines Ehemannes und versicherte:

„Nein, das tust du nicht. Du bist wundervoll und großzügig, willst mir unvergessliche Momente schenken und mir die Welt zeigen, in der du aufgewachsen bist und lebst und das will ich ja auch alles kennenlernen und erleben. Aber weißt du, auch wenn alles ein ganz klein wenig bescheidener ausfällt, wird es mich immer noch tief beeindrucken und über die Maßen überwältigen. Also lass´ uns im nächsten Hotel einfach ein bescheideneres Zimmer nehmen und wenn du dein Geld so unbedingt loswerden willst, gibst du anstatt dessen dem Zimmermädchen ein Trinkgeld, dass ihr die Augen übergehen und sie ihrem Kind damit das College finanzieren kann, oder so? Damit würdest du mich sehr glücklich machen.“
 

Eine Weile starrte Derek Stiles einfach nur nachdenklich an. Dann sagte er:

„Du bist wirklich zu gut um wahr zu sein, weißt du das eigentlich, Babe?“
 

„Ja, ich bin schon echt klasse oder?“ stimmte sein Mann mit einem frechen Grinsen zu:
 

„Kleiner Spinner!“ schalt Derek ihn zärtlich, zog sein Gesicht zu einem Kuss zu sich heran und versprach dann: „Ich werde es mir zu Herzen nehmen. Alles ein bisschen bescheidener. Das bekomme ich hin. Ist eine Kutschfahrt durch den Central-Park und ein Essen in einem 5-Sterne-Restaurant dennoch in Ordnung? Das habe ich nämlich für heute geplant. Die nächste Mahlzeit danach kann dann auch gern ein Burger, oder so sein.“
 

„Das klingt nach einem perfekten Abend. Machen wir es so!“ bestätigte Stiles.
 

Die Kutschfahrt war dann auch tatsächlich genau nach Stiles Geschmack. Der Droschkenkutscher war in einen altmodischen Mantel gewandet, das ganze Gefährt wirkte wie aus einer völlig anderen Zeit und Stiles wurde es erlaubt vor dem Einsteigen das Pferd zu begrüßen. Er streichelte sanft sein weiches Maul, sprach leise zu ihm und entschuldigte sich flüsternd dafür, dass es einen derart schweren Job zu verrichten hatten. Der Gaul schien ihn zu verstehen und einen kurzen Moment lang, legte er seine Stirn an die des Menschen und sie schienen in vollkommenem Einvernehmen miteinander.
 

Derek betrachtete die Szene verstohlen aus dem Augenwinkel und verliebte sich in diesem Moment auf´s Neue in seinen Mann.
 

In New York war es viel kälter als zuhause in Los Angeles. Zum Glück trugen sie warme Mäntel und es lagen Wolldecken bereit, die sie sich über die Beine legen konnten, damit sie in der offenen Kutsche nicht steif froren. Von ihrem erhöhten Standort aus bewunderten sie, eng aneinander geschmiegt, die Aussicht auf die Straßen der Millionenmetropole und den weltberühmten Central Park.
 

Eine Weile später, als ihre Mägen bereits gewaltig zu knurren begannen, stiegen die Honeymooners in ein Yellow Cab um, eines der berühmten New Yorker Taxis und fuhren damit weiter in das „Le Bernardin“, ein exklusives, französisches Restaurant, welches insbesondere für seine Fischspezialitäten bekannt war. Derek behauptete, Stiles würde Essen nie wieder mit denselben Augen sehen, wenn er einmal dort gespeist habe. Stiles zweifelte im Stillen daran, doch er nickte, denn das einzige was er wollte, war endlich etwas Ordentliches in den Magen zu bekommen, ehe er noch in Versuchung geriet, seinen Tischnachbarn zu beißen.
 

Leider hatte der Junge aus einfachen Verhältnissen da die Rechnung ohne die Gesetze der „Haute Cuisine“ gemacht. Derek bestellte für sie zwar ein Menü, welches zwölf Gänge hatte, doch das was letztlich nach und nach in winzigen Tellerchen und Schälchen vor ihnen aufgetischt wurde, war zumindest quantitativ eine Enttäuschung. Ein Fingerhut voll Hummercremesuppe, welche in Begleitung eines Krümelchens Weißbrot daherkam, war jedenfalls nichts, was einem auch nur im geringsten den Magen füllte. Das gleiche galt für den Esslöffel Lachstatar, die einsame Jakobsmuschel, oder das briefmarkengroße Haifischsteak. Einer der Gänge bestand sogar lediglich aus einem aromatischen Schaum, garniert mit einigen Fäden Kresse! Stiles ließ sich nichts anmerken, doch er verstand die Welt nicht mehr. Etwas dass wie das Nebenprodukt eines Vollbads aussah, sollte Bestandteil einer Mahlzeit sein?
 

Zugegeben schmeckte jeder einzelne Bissen ihrer Mahlzeit hervorragend, überraschend, interessant, und vollkommen abgerundet, doch leider konnte Stiles Dereks Begeisterung darüber nicht vollständig teilen, weil seine Gier zu groß und die Portionen definitiv zu klein waren!
 

Derek schien sich daran jedoch nicht im Geringsten zu stören, weil er in einem Fort so etwas sagte wie: „Unglaublich! Schmeckst du diese zurückhaltende Note des Zitronengrases?“, „Diese Konsistenz...das ist weich wie Butter.“, oder auch: „Dieses grasige im Abgang kommt ganz sicher von der Koriander-Reduktion!“
 

Stiles Zunge war wohl bereits zu verkorkst von all dem Fast-Food, welches diese Zeit seines Lebens passiert hatte, zumindest konnte er all diese feinen Nuancen nicht auf dieselbe Weise wahrnehmen, wie es sein Angetrauter vermochte. Er fand ihr Essen lecker, doch insgeheim sehnte sich in diesem Augenblick eher nach der prompten Befriedigung einer XL-Pizza mit doppelt Käse, die einem mit fettig-salziger Glücksseligkeit die Eingeweide vollkleisterte und schlagartig in ein Fresskoma beförderte.
 

Dennoch war bis hierhin alles gut gegangen. Stiles hatte nicht gekleckert oder gerülpst, er hatte alles aufgegessen, auch das exotischste Zeug, doch beim nächsten Gang, welcher vor ihnen aufgetragen wurde, drehte sich ihm dann ohne jede Vorwarnung der Magen um und mit schreckgeweiteten Augen verlangte er zu wissen:

„Sag es mir ehrlich, Derek: Sind das da etwa Maden?“
 

Derek, welcher von der aufkommenden Panik in der Stimme seines Gefährten scheinbar nichts mitbekam, antwortete im Plauderton:

„Also Maden hatte ich auch schon einmal, nämlich in einem sehr exklusivem Restaurant auf Barbados. Das waren Sago-Maden, aus denen später die roten Palmrüsselkäfer werden. Diese Maden sind riesig. Sie haben in etwa die Größe eines kleinen menschlichen Fingers, ist das nicht unglaublich? Und man sollte es gar nicht annehmen, doch diese kleinen Tierchen sind wirklich ganz köstlich, mild und unglaublich cremig im Geschmack. Und natürlich auch reich an hochwertigem Eiweiß.“
 

„Schön!“ würgte Stiles hervor, bereit auf der Stelle alles wieder von sich zu geben, was er bislang verzehrt hatte: „Aber sind DIES HIER Maden?“
 

Da erst wurde Derek die Verfassung seines Tischnachbarn bewusst und mit einem entschuldigenden Lächeln erwiderte er:

„Nein Stiles, keine Sorge. Das hier sind Oca, die fermentierten Knollen des peruanischen Sauerklees. Sehr gesund und rein pflanzlich, versprochen. Die sind leicht säuerlich und zitronig im Geschmack... wirklich sehr lecker. Koste doch mal! “
 

Stiles atmete erst einmal erleichtert auf, piekste dann dennoch ein wenig skeptisch in das „versprochen rein pflanzliche“ Gewürm und nahm zunächst einen ganz kleinen, vorsichtigen Bissen, denn sein Magen musste sich erst einmal wieder von seinem unappetitlichen Kopfkino erholen. Wie sich zeigen sollte, war diese Knolle durchaus genießbar, dennoch würde sie es wohl niemals in Stiles persönlich Top-Ten schaffen.
 

Hundertprozentig auf seine Kosten kam er schließlich beim Dessert, welches aus drei Gängen bestand. Zum Auftakt gab es zwei kleine Kugeln Gurken-Limetten-Sorbet in einer Waffel aus roter Beete. Und auch wenn diese Zutaten in Stiles Vorstellung sehr viel besser in einen Salat gepasst hätten, ergaben sie, dank eines begnadeten Patissiers, eine traumhafte Nachspeise.

Doch es wurde noch besser, denn als nächstes folgten mit Tannenhonig gegrillte Fruchtspieße, begleitet von einer hellen Tonkabohnen-Mousse, die so fantastisch war, dass Stiles unsittliche Fantasien darüber entwickelte, was Derek und er in einer ganzen Badewanne gefüllt damit für wundervolle Unaussprechlichkeiten anstellen könnten.

Und gerade als Stiles glaubte, dass es besser gar nicht mehr kommen konnte, servierte man ihnen ein warmes Schokotörtchen mit flüssigem Kern, einem Krönchen aus zartem Frischkäse-Erdbeer-Frosting mit kleinen Blattgoldsprenkeln und über der ganzen Herrlichkeit spannte sich ein zartes Gitter aus sahnig-klebrigem Karamell.
 

Kurz stellte Stiles sich beim Verzehr dieses Desserts die Frage, ob Food-Porn wohl auch tatsächlich Orgasmen auslösen konnte, denn das dürfte wohl peinlich werden in dieser vornehmen Umgebung.
 

Als die beiden Flitterwöchler sich später im Taxi zurück ins Hotel befanden, fragte Derek unsicher:

„Das Essen war nicht dein Ding, habe ich Recht?“
 

Stiles grinste:

„Also anfangs habe ich noch geglaubt, wir müssten hinterher noch einmal bei Pizza-Hut halten, weil die einzelnen Gänge alle so winzig waren. Aber rückblickend war diese Essen eine wirklich eine einzigartige Erfahrung. Es gab so viele Sinneseindrücke, die Düfte und Geschmäcker und alles war so wunderhübsch angerichtet... es war ein bisschen so wie Sex mit DIR: Am großartigsten ist er immer dann, wenn wir uns so richtig Zeit dafür nehmen.“
 

Auf Dereks Gesicht zeigte sich dieses großartige Strahlen, welches Stiles so sehr liebte; jenes Strahlen dass ihn an jenen Sonnenschein erinnerte, welcher sich nur dann zeigte, wenn nach einem schweren Unwetter unerwartet und wundervoll der Himmel aufriss.
 

Er konnte nicht anders, er musste seinen Mann einfach küssen.
 

Nachdem sich ihre Lippen wieder voneinander gelöst hatten, fügte Stiles jedoch hinzu:

„Aber wenn wir wieder einmal ein schickes Mehrgänge-Menü in so einem Edelschuppen einnehmen sollten, dann tun wir das nicht in einem Moment, wo ich schon kurz vor dem Verhungern bin, denn das ist eine echte Geduldprobe gewesen. Und noch etwas: Setz´ mir nie wieder Maden vor!“
 

„Aber... das waren doch bloß Knollen.“ erwiderte Derek kleinlaut.
 

Stiles zwinkerte ihm breit grinsend zu.



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