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Schlaflos

von

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Scherbengericht - Teil 2

Stiles hatte wieder und wieder über das Gerichtsverfahren nachgedacht, hatte sich bemüht, alles so objektiv wie möglich zu betrachten, er hatte es mit Derek und seinen Freunden ausgiebig diskutiert und hatte schließlich entschieden, dass es für Kate Argent absolut unmöglich war, einen Freispruch zu erwirken, angesichts der Schwere und der Vielzahl der Anklagepunkte gegen sie und der drückenden Beweislast. Ganz gleich welches Kaninchen ihre Anwälte also noch aus dem Hut zaubern würden, sie würde verurteilt werden. Es MUSSTE ganz einfach so sein, oder etwa nicht?
 

Und so gelang es Stiles an der Seite von Derek jeden Tag aufs Neue ein tapferes Gesicht aufzusetzen und sich seinen Weg durch eine sensationshungrige Reportermeute vor dem Gerichtsgebäude zu bahnen, welche dort geduldig wie Aasgeier auf eine sterbende Beute ausharrte. Es verwunderte nicht, dass diese Pressetypen sich derart auf diesen Fall stürzte, denn diese Geschichte hatte zugegebenermaßen alles, wovon ihresgleichen nur träumen konnte; ein gefallenes Supermodell, einen der reichsten Männer der Welt, Prostitution und Mord. Stiles konnte es diesen Leuten nicht einmal übel nehmen, dass sie sein Leben, sowie das von Derek und seinen Freunden gerade derart auseinandernahmen. Sie bedienten damit bloß den unersättlichen, ach-so-menschlichen Hunger nach Klatsch. Die Wahrheit hinter der Story interessierte dabei im Grunde niemanden, denn sie war viel zu langweilig.

Hatten sie den Pressetumult erfolgreich passiert, so empfing sie die unterkühlte, würdevolle Atmosphäre des großen, einschüchterndes Gerichtsgebäudes, wo sie dann im immer gleichen Sitzungssaal, welcher ihnen alsbald so vertraut wurde, wie ein zweites, ungemütliches Zuhause, endlose, zermürbe den Stunden der Verhandlung über sich ergehen lassen mussten.
 

Trotzdem Stiles rational klar war, dass eigentlich nichts schief gehen konnte, beobachtete er Kates zur Schau gestellte Zuversicht mit einer gewissen Beunruhigung. Wie konnte diese Frau angesichts ihrer Taten und der Situation, in welcher sie sich nun befand immer noch so aussehen, als habe sie das Recht auf ihrer Seite?

Glaubte sie am Ende gar selbst an ihre eigene Unschuld?

Oder war sie lediglich felsenfest überzeugt von ihrer eigenen Unbesiegbarkeit?
 

Dies waren die Frage, welche Stiles in den Nächten zwischen den Prozesstagen den Schlaf raubten und ihn dann allein im dunkeln Haus herumgeistern ließen.

Als Derek ihn einmal weit nach Mitternacht so vorfand, wie er im Wintergarten stand und hinaus in den dunklen Garten starrte, legte er bloß wortlos von hinten die Arme um ihn. Er erinnerte sich schließlich selbst noch allzu gut daran wie es war, nachts keine Ruhe zu finden.

Sie kehrten eine Weile später ins Bett zurück, doch Derek wusste, dass Stiles den Rest der Nacht ohnehin damit verbringen würde, mit weit geöffneten Augen in die Dunkelheit zu schauen, also fragte er seinen Geliebten unsicher:
 

„Wie kann ich dir helfen, Babe? Soll ich dich vielleicht im Arm halten, oder so?“
 

„Ich würde dich bloß wachhalten mit meiner Unruhe. Ich schlafe dann, wenn Kate verurteilt ist, abgemacht?“ erwiderte Stiles leichthin.

„Das ist doch blöd! Kann ich denn überhaupt nichts machen?“ fragte Derek unzufrieden: „Immerhin hast du mir damals auch geholfen. Irgendetwas muss ich doch auch für dich tun können?“
 

Stiles beugte sich zu einem Kuss zu ihm hinüber und versicherte:

„Du tust bereits alles; du liebst mich, du stehst zu mir, du teilst dein Leben mit mir. Ich bin ein sehr glücklicher Mann. Und diese Schlaflosigkeit geht schon wieder vorbei.“
 

„Aber wenn wir... du weißt schon! Nach dem Sex bist du doch immer müde. Vielleicht hilft das ja?“ schlug Derek vor.

Stiles schluckte hörbar, dennoch erwiderte:

„In Ordnung, tun wir´s, wenn du es gern möchtest.“

Derek setzte sich auf, knipste die Nachttischlampe an und blickte Stiles eindringlich an:

„Was soll das heißen, wenn ICH es gern möchte?“ hakte er nach: „Hast du denn keine Lust darauf?“
 

„Es tut mir echt leid.“ murmelte Stiles unbehaglich: „Wärst du mir sehr böse, wenn ich damit lieber bis nach der Verurteilung warten möchte.“
 

„Nein, natürlich nicht.“ beteuerte Derek rasch, doch Stiles runzelte die Stirn:
 

„Nun bist du sauer, oder? Entschuldige Baby, natürlich können wir es tun, wenn du es möchtest. Ich bin egoistisch.“ Rasch begann er damit, sie auszuziehen.
 

Derek zog ihn an sich und bestimmte sanft:

„Nicht, Stiles! Das hatten wir doch schon einmal. Wir tun es immer nur dann, wenn wir es beide wollen. Du musst mir keinen Gefallen tun und etwas machen, worauf du im Grunde keine Lust hast. Das kommt überhaupt nicht in Frage.“
 

Stiles lagen Worte auf der Zunge, mit denen er sich selbst niedergemacht hätte, etwa in der Art, dass er doch wenigstens dazu taugen sollte, doch er sprach sie nicht aus, weil er wusste was Derek dazu sagen würde. Er schmiegte sich anstatt dessen einfach an die Seite seines Gefährten wie ein Kätzchen, woraufhin diesem alsbald wieder die Augen zufielen.

Und eine ganze Weile später, als er im Grunde schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte, fand sogar Stiles selbst noch ein wenig Schlaf.
 

Einer nach dem anderen mussten ihre Freunde vor Gericht ihre Aussagen machen und Kates Anwälte wurden nicht müde, immer und immer wieder auf die ein oder andere Weise zu betonen, welchen Lebenswandel jeder von ihnen früher geführt hat. Sie hatten natürlich gewusst, dass das kommen würde und hatten sich darauf geeinigt, dass es nur eine einzige Art gab, darauf zu reagieren, nämlich offen, aufrichtig und ohne jede Scheu, aber ohne sich sich dafür ins Unrecht setzen zu lassen. Nicht sie waren die Verbrecher und sie würden sich auch nicht wie welche behandeln lassen.

Als jedoch die Verteidigung einen von Malias ehemaligen Freier in den Zeugenstand rief, verlor diese dann doch ein einziges die Fassung. Zuvor hatte sie sich, trotz ihres hitzigen Temperaments erstaunlich gut unter Kontrolle gehabt:
 

„Dieses miese, kleine Frettchen!“ zischte sie: „Wenn ich den jemals da draußen in der realen Welt wiedertreffen sollte, dann reiße ich ihm seinen hässlichen, haarigen Arsch noch einmal vollkommen gratis nach allen Regeln der Kunst auf!“

Lydia an ihrer Seite hatte alle ihre liebe Mühe damit, ihre Geliebte in ihrem Sitz zu halten und zur Ruhe zu bringen.
 

Dies war der einzige Moment in der gesamten Verhandlung, in welchem Stiles ganz kurz eine aufrichtige, emotionale Reaktion im Gesicht von Kate Argent aufblitzen sah. Es war Schadenfreude!
 

Zum Glück erkannte der Richter den Auftritt dieses Zeugen als das, was er war, nämlich als durchschaubaren Versuch der Verteidigung, Malia als eine der wichtigste Zeuginnen in diesem Prozess zu diskreditieren und diese Erkenntnis sprach er auch laut aus, indem er die Verteidigung ermahnte, solch billige Tricks zu unterlassen und sich lediglich an Zeugen und Beweise zu halten, die im vorliegenden Fall weiterführten.

In diesem Moment hätte Stiles ihn küssen können.

Als Kate irgendwann selbst an der Reihe war ihre Aussage zu machen, konnte Stiles ledigliche mit einer Art kalter Faszination über ihr schauspielerisches Talent staunen. Als sie etwa über den Mord an ihrem eigenen Vater sprach, berichtete sie mit absolut aufrichtig wirkender Betroffenheit von dessen quälenden letzten Atemzügen, davon wie es ihr das Herz gebrochen habe, wie sie nur noch Erlösung für ihn erhofft habe und wie sie schließlich selbst für diese gesorgt habe, Gott möge ihr verzeihen! Natürlich ließ sie auch nicht aus, wie ihre Tat sie innerlich so furchtbar gequält habe, dass es sie schließlich in die Psychiatrie gebracht habe. Ja, und dort habe sie dann diesen Irren Brunski getroffen. Am Anfang habe sie noch nicht verstanden, wie verrückt dieser Mann gewesen sei und wie besessen von ihrer Person und natürlich habe sie niemals gewollt, dass er losgeht und Dereks Familie umbringt. Sie habe ihn doch nicht dazu angestiftet, nein! Sie seien doch immerhin ihre Freunde gewesen, ja sogar selbst so etwas wie Familienmitglieder für sie und Derek habe sie doch stets geliebt. Niemals hätte sie ihm derartiges Leid zufügen können!

Und Jamie Townsend, den jungen Mann, welcher im Krankenhaus getötet worden war, habe Kate nicht gekannt und selbstverständlich auch nicht getötet; sie sei schließlich keine geisteskranke Mörderin! Warum er mit demselben Gift , mit welchem sie damals ihren Vater erlöst hatte getötet worden sei könne sie nicht erklären, doch dass sei alles ein großes Missverständnis und habe nichts mit ihr zu tun. Warum die Polizei niemals in eine andere Richtung ermittelt und überprüft habe, ob dieser Mann vielleicht irgendwelche Feinde gehabt habe, sei ihr unverständlich?

Wie eines ihrer Haare in Stiles Auto mit den manipulierten Bremsen gelangt sein könne wisse sie natürlich nicht, aber sie frage sich ernsthaft, ob ihr jemand etwas unterschieben wolle?

Und sie habe selbstverständlich niemals versucht, Derek und Stiles in dessen Apartment zu erschießen. Möglich, dass Derek und seine seltsamen neuen Freunde sich alle gegen sie verschworen hätten. Man wolle ihr hier lediglich etwas anhängen und sie wisse wirklich nicht, womit sie das verdient habe?

An diesem Punkt ihrer Aussage ließ Kate wirkungsvoll ein paar verzweifelte Tränchen fließen und bedeckte ihr Gesicht schamhaft hinter ihren Händen.
 

Es war einfach nicht zu fassen: Sie stritt tatsächlich alles ab! Würden die Geschworenen ihr dieses Theater etwa abkaufen?

Die Strategie der Verteidigung war damit jedenfalls glasklar. Sie hatten es auf begründeten Zweifel abgesehen, darauf dass man nicht mit absoluter Gewissheit sagen konnte, ob Kate tatsächlich all´ diese Taten begangen hatte, derer sie beschuldigt wurde.

Das Schlimme daran, wurde Stiles klar, war die Möglichkeit, dass sie damit tatsächlich erfolgreich sein könnten. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Verbrecher in den Vereinigten Staaten so vom Haken gekommen wäre.



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