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Schlaflos

von

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Scherbengericht - Teil 1

Es kostete die Polizei beinahe weitere drei Monate, ihre Ermittlungen abzuschließen und in dieser Zeit kehrte bei Derek und Stiles eine gewisse Routine ein. Nach all der Ungewissheit, den Katastrophen und der Unruhe in der Vergangenheit war dies für beide Männer der pure Genuss. Sie standen morgens gemeinsam auf, frühstückten, gingen zusammen ins Bad, rasierten sich Seite an Seite, putzten ihre Zähne im Stereomodus und brachen dann gemeinsam auf.
 

Neben dem Studium arbeitete Stiles noch immer mit Danny, Isaac, Sott und mittlerweile auch mit vielen Fachleuten, wie Pädagogen, Anwälten, Architekten, Ärzten, Krankenpflegern, Lehrern und anderen an ihrem Straßenkinder-Projekt. Es waren mittlerweile eigene Räumlichkeiten angemietet worden, wo die Kids eine warme Mahlzeit, ein Bett für eine Nacht, Kleidung, medizinische Versorgung und Beratung vorfanden, oder einfach nur einen Ort, an dem sie sich ausruhen, fernsehen, einen Computer nutzen und einfach bloß für eine Weile bloß ganz gewöhnliche Jugendliche sein konnten: Ein Stückchen Zuhause und Normalität in einem besonderen, außergewöhnlichen Leben.

Und für jene, die ernsthaft aus ihrem bisherigen Leben aussteigen und ein neues Leben beginnen wollten, gab es kleine Apartments, in denen sie leben konnten, Klinikplätze wurden für diejenigen gefunden, die einen Alkohol- oder Drogenentzug durchführen wollten und es gab die Möglichkeit einen Schulabschluss, oder eine Berufsausbildung nachzuholen.

Das nächste Ziel war nun, dieses Projekt auf andere Großstädte in anderen amerikanischen Großstädten auszuweiten.

Derek setzte Stiles morgens auf dem Weg zur Arbeit bei der Arbeit, oder bei der Uni ab und am Abend kehrten sie beide wieder heim, erzählten einander von ihrem Tag, aßen gemeinsam, verbrachten dann vielleicht noch ein wenig Zeit mit ihren Freunden, im Pool, im Fitnessraum, vor dem Fernseher, oder sie vögelten sich einfach das Hirn raus, bis sie erschöpft und befriedigt einschliefen, denn ganz gleich was auch geschah, sie bekamen ganz einfach niemals genug von einander.
 

Weil Stiles seinen besten Freund so sehr vermisste, ließ Derek schon bald in seinem Palast ein großes Zimmer nach Scotts Bedürfnissen herrichten und dieser zog mit dem kleinen Skippy dort ein.
 

Auch Lydia und Malia waren so oft bei ihnen zu Gast, dass Derek sie irgendwann fragte:

„Warum bleibt ihr nicht einfach? Ich meine für immer? Ich fände das schön!“

Und das taten die beiden Frauen, auch wenn sie Zimmer in unterschiedlichen Trakts des Hauses bezogen, damit sie die Distanz, welche ihrer Nähe seit jeher so gut getan hatte, auch in ihrem neuen zuhause aufrecht erhalten konnten.
 

Und aus Dereks kühlen Elfenbeinturm wurde auf diese Weise rasch ein warmes Heim für eine bunte, fröhliche, liebevolle Familie.

Seit dem Tod seiner eigenen hatte Derek sich nicht mehr so wohl und geborgen gefühlt.
 

Die Hochzeit von Derek und Stiles, da waren sich beide Männer einig, sollte erst nach der Gerichtsverhandlung stattfinden. Dennoch sprachen die beiden sehr oft darüber, wie sie sich ihren besonderen Tag vorstellten.
 

Es war eine wunderbar friedliche und sorglose Zeit. Es fühlte sich so normal und selbstverständlich an. So könnte das Leben für immer weitergehen, wenn es nach Derek und Stiles gegangen wäre und darüber vergaßen sie sogar beinahe, was ihnen noch bevorstand.
 

Inspektor Haynes hatte tatsächlich auf Stiles gehört und war dem Verdacht nachgegangen, Kate könnte ihren eigenen Vater ebenfalls getötet haben und wie Stiles es vorausgesagt hatte, war Gerard Argents Leben mit demselben intravenös verabreichten Gift beendet worden, wie jenes von Jamie Townsend. Dies war nun also ein weiterer Mord auf der Liste von Kates Opfern.
 

Inzwischen waren die Ermittlungen abgeschlossen und ein Prozesstermin stand fest.

Ab diesem Moment legte sich eine Art Düsternis über Dereks Gemüt. Er hätte es Stiles gern erklärt, was in ihm vorging, doch ihm fehlten die richtigen Worte. Ihm war, als würden die Augen seiner toten Familie erwartungsvoll auf ihm ruhen und er durfte einfach nichts falsch machen, denn sonst wäre es seine Schuld, wenn ihnen am Ende nicht endlich Gerechtigkeit widerfuhr.

Würde er seinem Freund nun aber sagen was ihn beschäftigte, dann musste er ihn doch zweifelsfrei für verrückt halten! Er fand ja sogar selbst, dass dies irre Gedanken waren, dennoch ließen sie ihn nicht los.
 

Stiles spürte natürlich, dass in Derek etwas vorging und auch wenn dieser darüber nicht reden wollte, würde er dennoch für seinen Partner da sein, alles tun, um ihm Sicherheit zu vermitteln und seinen Wünschen und Bedürfnissen nachgehen.

Und so kam es, dass die beiden Männer zwei Tage vor Prozessauftakt unbedingt einkaufen gehen mussten, denn Derek behauptete, dass sie für das Gericht unbedingt noch etwas zum Anziehen bräuchten. Stiles verkniff sich den Hinweis, dass sein Freund doch bereits mehrere Kleiderschränke voll mit Designeranzügen besäße und er selbst sich in Jeans und T-Shirt sehr viel wohler fühlen würde, sondern sagte einfach bloß:

„Klar, machen wir es so. Wo soll es hingehen?“
 

Aus naheliegenden Gründen fand ihr Beutezug dieses Mal nicht in die Boutique von Victoria Argent statt, sondern sie wählten ein Geschäft, welches neutralen Boden bedeutete.

Einem Impuls folgend griff Stiles nach demselben Anzugmodell wie Derek, einem tiefschwarzen, eng geschnittenen Business-Zweiteiler und verschwand damit in der Kabine.

Die beiden trafen sich vor dem Spiegel wieder und Stiles fragte, seine Stupsnase rümpfend:
 

„Wie kommt es eigentlich, dass du in allem, was du anziehst immer aussiehst wie Herkules, Sohn des Zeus und ich dagegen bloß wie ein vollgeschissener Strumpf?“
 

Derek schüttelte ungläubig den Kopf:

„Wie bitte? Was redest du denn bloß? Du bist schön, Liebling, wirklich schön! Ich kenne wirklich nichts Schöneres als dich.“
 

Stiles blinzelte ihn misstrauisch an und entgegnete dann grinsend:

„Du bist lieb. Und ein schamloser Lügner!“
 

Derek lachte warm, zog Stiles in den Arm und warf einen Blick in den Spiegel:

„Wir sehen beide ziemlich gut aus, finde ich! Genauso hatte ich mir das vorgestellt. Ich mag es, wenn wir beide dasselbe tragen. So sieht jeder, dass wir zusammengehören. Ich würde sagen, wir nehmen sie!“
 

Stiles ließ zu, dass Derek bezahlte. Er hatte eingesehen, dass es falscher Stolz war, sich jedes Mal dagegen zu wehren und wenn er wirklich wollte, dass er und Derek auf Dauer zusammen sein konnten, dann würde er sich dessen Lebensrealität eben ein wenig anpassen müssen. Derek sollte seinetwegen nicht auf Dinge verzichten müssen, die er gern tat und mochte, die ihm Freude bereiteten und die er gern mit Stiles gemeinsam erleben wollte. Sie hatten daher folgendes Arrangement getroffen: Stiles zahlte für diejenigen Dinge, die er sich Leisten konnte, etwa wenn sie sich eine Pizza kommen ließen, oder gemeinsam ins Kino gingen und Derek für alles, was für seinen Verlobten unerschwinglich wäre.

Derek war unendlich erleichtert gewesen, als Stiles diesen Vorschlag gemacht hatte.
 

Zusätzlich zu den Anzügen kauften sie sich noch dunkel getönte Sonnenbrillen und Stiles verkniff sich die Bemerkung, dass sie damit aussähen, wie Jake und Elwood aus dem Film „The Blues Brothers“.
 

Als sie zwei Tage später von Greenberg zum Gericht gefahren wurden, wurde Stiles schlagartig klar, warum Derek die neuen Kleider gewollt hatte. Die Brillen und die Anzüge waren ihre Uniform, ihre Rüstung, ihr Panzer, um durchzustehen was vor ihnen lag. Durch die Scheiben der Limousine, die für die Insassen des Fahrzeugs zwar durchsichtig waren, die für Personen außerhalb jedoch schwarz erschienen, sah man bereits jetzt schon das das Blitzlichtgewitter.

Der Prozess würde zum Glück unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, das hinderte die Presseleute jedoch nicht daran, den Beteiligten vor dem Gebäude aufzulauern, wie eine Meute hungriger Löwen.
 

Garrett und Violett saßen mit ihnen im Wagen und auf ein Kopfnicken von Derek hin stiegen sie zuerst aus. Sie würden Derek und Stiles diese Pest vom Hals halten, so gut es ging.

Das Paar blieb noch einen Moment im Wagen sitzen, um sich zu wappnen:
 

„Tut mir leid.“ murmelte Stiles.
 

Derek blickte ihn ratlos an:

„Wofür entschuldigst du denn dich, Baby?“
 

„Dafür dass sie nun wieder über uns beide schreiben werden. Diese ganzen „Der-Milliardär-und-sein-Stricher“-Artikel. Das tut mir einfach leid für dich. Das verdienst etwas besseres. Hätte ich geahnt, dass mein Leben irgendwann den Mann den ich liebe derart kompromittieren würde, dann hätte ich damals sicherlich eine bessere Entscheidung getroffen.“
 

„Lass´ es Stiles!“ sagte Derek schärfer, als er selbst beabsichtigt hatte und Stiles zuckte ein wenig zusammen, also fügte er sanfter hinzu: „Es ist vollkommen gleichgültig, was sie schreiben werden, denn wir Zwei kennen die Wahrheit. Komme was wolle, ich bin unheimlich stolz, dass du mein Freund und Verlobter bist und die ganze Welt soll das sehen.“

Er ergriff Stiles Hand und sie verließen den Wagen gemeinsam. Die Journalisten machten ihre Fotos und brüllten ihnen Fragen zu, auf die sie keine Antwort erhalten würden und Derek ließ Stiles erst wieder los, als sie beide im Gerichtssaal ihren Platz hinter dem Staatsanwalt eingenommen hatten.
 

Dann wurde die Angeklagte hereingeführt.

Derek hätte Kate beinahe nicht wiedererkannt. Sie hatte ihr blondes Haar zu Zöpfen geflochten und diese ordentlich hochgesteckt. Sie trug kaum Make-Up und ein blütenweißes, hochgeschlossenes Chemisenkleid aus Baumwolle, welches unter der Brust gegürtet war und unter welchem sich mittlerweile ein deutlicher Babybauch abzeichnete.

In Punkto Schwangerschaft hatte sie also bedauerlicherweise nicht gelogen, dachte Derek finster.
 

Sie sah süß und unschuldig aus, wie eine Milchbäuerin aus dem mittleren Westen, die noch nie eine Großstadt besucht hatte. Es war eine absolut lächerliche Verkleidung, doch auf die Geschworenen würde sie vermutlich dennoch Eindruck machen. Wer würde einer unschuldig dreinblickenden Schwangeren einen mehrfachen Mord, Heimtücke, Lüge, Manipulation, oder Vergewaltigung zutrauen.

So ein Miststück!
 

An diesem ersten Prozesstag wurden weder Derek, noch Stiles oder Kate selbst angehört. Stattdessen wurden Beweise vorgelegt und man vernahm Zeugen, wie Inspector Haynes, den Gerichtsmediziner, jemanden vom Sicherheitsdienst des Krankenhauses, in welchem Jamie Townsend gestorben war, Zeugen vom Campus, die beobachtet hatten, wie Stiles an der Treppe angegriffen worden war, der Polizeiexperte, der Stiles Jeep untersucht hatte, aber auch Violett und Garret.

Die Taktik der Verteidigung war eindeutig: Sie setzten alles daran, die Glaubwürdigkeit der Zeugen infrage zu stellen, sie in Misskredit zu bringen, Beweise zu entkräften und Kate so unschuldig erscheinen zu lassen, wie frisch gefallenen Schnee.
 

Der Staatsanwalt erschien im Vergleich dazu geradezu handzahm und stellte nach Dereks Ansicht nicht immer die richtigen Fragen.
 

Derek und Stiles mussten hilflos mit ansehen, was vor sich ging, ohne eingreifen zu können und während Derek darauf reagierte, indem er körperlich versteinerte und die Hände zu festen Fäusten ballte, wurde Stiles zunehmend unruhiger, knetete seine Hände und begann auf seinem Platz hin- und her zu rutschen.

Dadurch erwachte Derek schließlich aus seiner Erstarrung, legte einen Arm um seinen Geliebten, zog ihn an sich und flüsterte:

„Shh Baby! Ist in Ordnung.“

Sein Blick fiel in diesem Moment auf die Jury, doch die Augen der Geschworenen ruhten ebenso auf ihnen. Derek versuchte auszumachen, was jeder Einzelne von ihnen über sie dachte, doch leider hatte er nicht die geringste Ahnung.
 

An diesen zwölf Frauen und Männern hing nun also ihre Zukunft.
 

Dieser erste Prozesstag dauerte ganze acht zermürbende, ermüdende Stunden lang, doch dies war erst der Anfang. Die Beweisführung war noch längst nicht abgeschlossen.
 

Als das Paar an diesem Abend Seite an Seite in ihrem Bett lag, fragte Stiles in die Dunkelheit hinein:

„Was machen wir eigentlich, wenn Kate freigesprochen wird?“
 

Darauf hatte Derek keine Antwort, er wusste nur, dass sie beide einer langen, schlaflosen Nacht entgegenblickten.



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