Schlaflos von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 51: Sherlockin´ around, Teil 2 -------------------------------------- Stiles war in aller Herrgottsfrühe aufgestanden und hatte soeben zweihundert Kilometer Autofahrt an Kaliforniens Küste hinter sich gebracht, um von Los Angeles nach San Diego zu gelangen. Er war vollkommen durchgeschwitzt, denn es herrschten Temperaturen an die vierzig Grad und in seinem Leihwagen war die Klimaanlage defekt gewesen. Sie hatte stotternde Laute und einen höllischen Gestank verbreitet, so dass Stiles sie dann lieber aus gelassen und anstatt dessen das Fenster heruntergekurbelt hatte, um sich durch den Fahrtwind ein wenig abzukühlen. Das hatte auch recht gut funktioniert und es war eine angenehme Fahrt gewesen, doch dann kam das allerletzte Stück der Strecke, denn kaum war er an der Stadtgrenze San Diegos angelangt, war er in den morgendlichen Berufsverkehr geraten. Eine Dreiviertelstunde lang ging daher überhaupt mehr und er wurde in seinem Wagen lebendig gekocht. Doch irgendwie hatte er es dennoch ans Ziel geschafft und nun zog er sich im Auto rasch ein frisches T-Shirt über und ging im Geiste noch einmal durch, was er gleich sagen wollte. Stiles hatte sich bei Mindy Petersen vorher nicht angekündigt, also wusste er gar nicht, ob sie überhaupt zuhause sein und wenn ja, ob sie ihm die Tür öffnen würde. Er hatte sich auf sein Gefühl verlassen und es einfach darauf ankommen lassen. In der Auffahrt der Petersens stand ein großer schwarzer SUV mit sieben Sitzen. Wie es aussah, könnte er Glück haben. Er betrachtete das schlichte, aber recht große Einfamilienhaus von außen. Ein typisch kalifornisches Gebäude; weiß gestrichen mit großen Fenstern und das Dach war gedeckt mit leuchtend orangefarbenen Schindeln. Im Vorgarten standen zwei große Palmen. Der Rasen wurde offensichtlich regelmäßig gemäht und der Fußweg zur Eingangstür war links und rechts von bunten Blumen gesäumt. An der weißgekalkten Hauswand lehnten mehrere Kinderfahrräder und Roller und es gab ein großes Gartentrampolin. Keine Frage, hier lebte eine große Familie, die ihr Heim liebte und es pflegte Stiles atmete noch einmal tief durch, stieg dann aus dem Wagen aus und lief den Pfad zur Eingangstür hinauf. Die Klingel war schrill und ließ ihn ein wenig zusammenzucken. Es dauerte einen Augenblick, ehe geöffnet wurde, doch Stiles hörte, dass sich im Inneren des Hauses etwas regte. Dann ging die Tür auf und eine Frau in einem noppig-verwaschenen, hochgeschlossenen, rosafarbenen Morgenmantel aus Polyester öffnete ihm. „Sind sie Mindy Petersen?“ fragte Stiles unsicher, weil er nicht glauben konnte, dass diese Frau die hier vor ihm stand tatsächlich im selben Alter wie Kate Argent sein sollte. Sie hatte bläuliche Schatten unter ihren Augen, die von mehr herrühren mussten, als von einer einzigen, schlaflosen Nacht. Ihr blondes Haar war strähnig und kraftlos und der Körper, der sich unter dem Morgenrock verbarg, wirkte irgendwie aufgedunsen und unsportlich: „Die bin ich.“ bestätigte die Frau wider Erwarten: „Und wer sind sie?“ Ihre Augen waren misstrauisch verengt. Stiles wusste, dass er nun etwas Überzeugendes vorbringen musste, wenn er nicht wollte, dass ihm die Tür sofort vor der Nase zugeklappt wurde: „Mein Name ist Stiles Stilinski. Ich komme aus Los Angeles. Ich möchte gern mit ihnen über Kate Argent sprechen. Ich weiß, was sie ihnen vor vielen Jahren angetan hat und nun bin ich in ihr Visier geraten und sie versucht, mich zu töten. Ich habe Angst!“ erklärte er also aufrichtig, denn sein Gefühl sagte ihm, dass er mit der Wahrheit bei dieser Frau am Weitesten käme. Mindy Petersen ließ ihren Blick misstrauisch über Stiles schweifen, zweifellos um herauszufinden, ob er eine Bedrohung darstellte. Dann reckte sie ihren Kopf aus der Tür, schaute sich nach links und rechts um, wohl um zu sehen, ob neugierige Nachbarn sie beobachteten und dann forderte sie: „Kommen sie rein!“ Im angenehm kühlen Inneren konnte man, wohin man auch schaute sehen, dass in diesem Haus Kinder lebten; im Eingangsbereich standen unzählige Paar kleine Schuhe, auf der Treppe nach oben und auch in dem kleinen Flur, durch welchen Stiles gerade geführt wurde, lagen Spielzeuge verstreut und in der Küche auf dem Tisch standen mehrere leere, oder halbvolle Schalen mit Frühstücksflocken: „Entschuldigen sie die Unordnung, aber bei fünf Kindern mit der Hausarbeit hinterher zu kommen ist nicht so einfach.“ rechtfertigte sich Mindy Petersen. Stiles pfiff überrascht durch die Zähne: „Fünf Kinder?“ wiederholte er überrascht. Das Lächeln auf Mindys Gesicht wischte einen Moment lang die Spuren der Erschöpfung in ihrem Gesicht beiseite und Stiles konnte erahnen, dass diese Frau einmal ein sehr hübsches Mädchen gewesen sein musste: „Ich habe immer eine große Familie gewollt und die habe ich bekommen!“ erklärte sie mit nicht zu übersehendem Stolz. Stiles betrachtete ein großes Holzkreuz an der Küchenwand und Mindy erläuterte: „Wir sind Christen, mein Mann und ich. Er darf nie erfahren, dass ich keine Jungfrau mehr gewesen bin, als ich in die Ehe gegangen bin und schon gar nicht, dass ich bereits einmal schwanger war.“ „Verstehe!“ Stiles nickte. Ihre Stimme verriet, dass Mindy Petersen tatsächlich Angst hatte, ihr Mann könnte etwas über ihr Vorleben erfahren. Das waren keine guten Ausgangsbedingungen für Stiles Vorhaben, denn diese Frau würde dann wohl auch niemals etwas Belastendes über Kate vor der Polizei, oder einem Gericht aussagen. Dennoch fragte er: „Würden sie mir erzählen, was ihnen damals passiert ist? Kate hat ihnen heimlich etwas verabreicht, wodurch sie ihr Kind verloren haben, richtig?“ Es mochte schon sehr lange her sein, dennoch füllten sich Mindy Petersens Augen schlagartig mit Tränen und Stiles bedauerte, seine Frage nicht ein wenig feinfühliger gestellt zu haben. „Sie hätte das doch wirklich nicht tun müssen. Mein armes Baby war doch vollkommen unschuldig! Ich war bereits am Anfang des fünften Monats und man fing gerade an, etwas zu sehen und als ich noch überlegt habe, wie ich es meinen Eltern bloß sagen könnte, hatte Kate mich auch schon vergiftet.“ erzählte die Frau mit zitternder Stimme: „Mein Baby war zwar noch ganz winzig, als es tot zur Welt kam, aber es war schon alles dran, wissen sie? Finger, Zehen, Augen....“ nun liefen die Tränen über den Lidrand und hinterließen feuchte Spuren auf dem verzweifelten Gesicht: „Warum würde jemand so etwas tun? Wie kann man denn nur so grausam sein?“ fragte Mindy Petersen schluchzend. Stiles zuckte hilflos mit der Schulter und seine Brust schmerzte vor Mitgefühl. Was sollte man darauf auch antworten? Es war ja einfach nur unbegreiflich. Stiles legte seine Hand sacht auf die der fremden Frau und wartete, bis sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte und fragte dann sanft: „Woher wissen sie denn eigentlich, dass Kate ihnen etwas gegeben hat und dass es nicht einfach nur... na ja... eine Fehlgeburt gewesen ist?“ „Weil sie es mir gesagt hat!“ In Mindy Petersens Stimme schwang so viel Bitterkeit mit, dass es Stiles ein wenig erschaudern ließ: „Ich hatte mich schon gewundert, dass Kate so nett zu mir war. In der Schule hieß es manchmal, dass sie gemein sein könne, doch wir hatten uns angefreundet, obwohl ihr damaliger Freund Cliff sie verlassen und später mit mir zusammen gewesen ist. Kate und ich kannten uns vom Cheerleader-Training und sie hat mir versichert, dass es ihr gleichgültig sei, dass Cliff nun mit mir zusammen sei. Darüber sei sie hinweg, hat sie mir versichert und sie hatte auch schon längst einen neuen Freund. Ich habe Kate vertraut. Sie war sehr nett zu mir und ich habe mich geschmeichelt gefühlt, weil das beliebteste Mädchen der Schule meine Freundin sein wollte. Sie war die Einzige, der ich von der Schwangerschaft erzählt habe und sie war fürsorglich und verständnisvoll, weswegen ich mir auch nichts dabei gedacht habe, als sie mit dieser Packung Schwangerschaftsvitamine ankam. Ich habe die Pillen einfach genommen, ohne Fragen zu stellen. Und als mein Baby dann tot zur Welt kam, hat sie scheinheilig gefragt: `Das wird doch wohl nicht an den Vitaminen gelegen haben?´ Und sie hat GELACHT! Können sie sich so etwas vorstellen? Mein Baby ist gestorben und dieses Mädchen LACHT!“ Stiles zuckte innerlich ein wenig zusammen, bei so viel Schmerz: „Es tut mir so leid!“ murmelte er leise. Mindy Petersen sprach einfach weiter. Es war, als habe sie nur auf eine Chance gewartet, sich das alles einmal von der Seele zu reden und wer wäre da als Zuhörer besser geeignet, als ein vollkommen Fremder, wenn sie es sich sogar verboten hatte, ihrem eigenen Ehemann davon zu berichten? „Ich sehe meine fünf Kinder an und frage mich beinahe an jedem Tag meines Lebens, was für ein Mensch dieses andere Kind wohl geworden wäre, das ich niemals kennenlernen durfte. Es war ein Junge. Wäre er wohl so ähnlich geraten, wie einer meiner beiden Söhne, oder vollkommen anders? Wäre er gescheit gewesen? Sensibel, oder eher robust? Oder vielleicht wäre er ja auch so lustig geworden, wie sein Vater? Ich werde es niemals erfahren und das lässt mich nachts manchmal nicht schlafen.“ Stiles rang den Impuls in sich nieder, ein weiteres Mal zu sagen, wie leid es ihm täte, denn damit war schließlich auch niemandem geholfen. Stattdessen sagte er: „Sie sind mit fünf Kindern gesegnet. Als Christin glauben sie bestimmt daran, dass das Kind, das gestorben ist nun bei Gott ist, oder nicht? Und können sie sich einen besseren Ort für ihren Sohn vorstellen?“ Stiles glaubte nicht wirklich an das, was er da sagte, denn er war nie sonderlich religiös gewesen, doch die Miene von Mindy Petersen hellte sich auf, so als habe sie sich genau dies nie zu denken getraut: „Aber mein Sohn war nicht getauft?“ erwiderte sie und ihre Stimme klang unsicher, beinahe wie die des Mädchens, dass sie damals gewesen ist, als ihr dieses Unheil widerfahren ist. Stiles seufzte. Genau das was das Problem, dass er mit Religion hatte: Diese Engstirnigkeit und die Grausamkeit, die damit einherging und so sagte er: „Glauben sie wirklich, dass ein gütiger Gott ein unschuldiges Baby, welches man ermordet hat an der Himmelspforte abweisen würde?“ Nun wirkte es, als fiele eine tonnenschwere Last von Mindy Petersen ab. Sie lächelte durch den Tränenschleier und schüttelte den Kopf: „Nein, das würde Gott nicht tun, nicht wahr?“ „Nein, das würde er nicht!“ bestätigte Stiles mit aller Überzeugung, die er aufbringen konnte. Es war vollkommen egal, woran er persönlich glaubte, solange es dieser armen Frau ein wenigstens ein wenig Trost spendete. Sie beide schwiegen einen Augenblick. Dann fragte Mindy in die Stille hinein: „Was hat Kate eigentlich gegen sie, Stiles?“ „Der Mann den ich liebe und der mich liebt, ist ihr Ex-Freund und sie will ihn zurück.“ erwiderte Stiles unumwunden, auch wenn er ahnte, was diese Frau, die ihm ihm gegenüber saß von gleichgeschlechtlicher Liebe halten würde. Und tatsächlich ging Mindy Petersens Blick nun hinüber zu dem großen Holzkreuz an der Wand, ehe er zu Stiles zurückkehrte. Doch was immer ihr gerade durch den Kopf gehen mochte, sie sprach es nicht aus. Anstatt dessen sagte sie: „Wenn sie zwischen Kate und dem was sie haben will stehen, dann sind sie wirklich in Gefahr. Bitte passen sie gut auf sich auf. Ich kann spüren, dass sie ein guter Mensch sind und guten Menschen sollten keine furchtbaren Dinge passieren.“ Stiles lächelte bitter und bedankte sich. Danach wechselten sie noch ein paar Worte, doch irgendwie war spürbar, dass ihr Gespräch nun beendet war und schließlich verabschiedete Stiles sich. Im Haus war es klimatisiert gewesen. Als er nun in die sommerliche Hitze zurückkehrte, lief ihm wie auf Knopfdruck wieder der Schweiß in Strömen herunter. Er stieg in den Wagen und fuhr los, doch plötzlich spürte er, wie durstig er war und dass er es keine zwei Stunden Autofahrt aushalten würde, ohne etwas zu trinken. Er träumte von einem riesigen Glas hausgemachter Limonade und als er an einem Café mit einer Regenbogenfahne über der Tür vorbeifuhr, wo genau dies angeboten wurde, machte er kehrt, um dort einzukehren. Stiles nahm am Tresen Platz, gab seine Bestellung bei einem, dürren, hübschen, feminin anmutendem Kellner auf und nahm wenig später dankbar das große, schwitzende Glas mit der hellen, trüben Flüssigkeit und den klimpernden Eiswürfeln darin entgegen. Er nahm eine großen Schluck und spürte, wie seine Lebensgeister zurückkehrten. Er rekapitulierte, was seine Nachforschungen bislang ergeben hatten und das war im Grunde weniger als nichts. Er hatte lediglich eine Bestätigung für das erhalten, was er ohnehin bereits ahnte, nämlich das Kate Argent kalt, grausam und unfähig zu normalen menschlichen Regungen war. Und eben diese Person hatte er, dank seiner bescheuerten Idee nun auf seinen Geliebten losgelassen. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Weder Eva Garcia noch Mindy Petersen würden Stiles helfen können, Kate das Handwerk zu legen und nun hatte er nur noch eine einzige weitere verrückte Idee, wie er gegen Kate Argent vorgehen konnte und das war nichts weiter als ein dämliches Hirngespinst. Man konnte sie einfach nicht dingfest machen, realisierte Stiles frustriert. Er nahm noch einen weiteren, tiefen Zug aus seinem Glas: „Hey Süßer! Stört´s dich, wenn ich mich zu dir setze!“ Die Stimme war tief und angenehm und sie gehörte einem Kerl, der sich wie ein Panther an ihn herangeschlichen hatte. Stiles warf einen Blick auf den attraktiven Fremden: Groß, athletisch, schwarzes Haar, Dreitagebart. Alles in allem nah dran, aber nicht nah genug, Kumpel, dachte Stiles bei sich: „Sorry Mann, aber ich habe einen Freund.“ erwiderte er also. Der Fremde setzte sich dennoch auf den Hocker direkt neben ihn: „Wir müssen es deinem Freund ja nicht erzählen.“ schlug er verschwörerisch zwinkernd vor. Stiles Lächeln fiel sparsam aus: „Sorry, aber ich liebe ihn wirklich. Also keine Chance!“ „Zu scha...“ setzte der Fremde gerade zu sprechen an, doch da brach völlig unvermittelt die Hölle um sie herum los. Der Boden unter ihren Füßen bewegte sich, Stühle und Tische fielen um, die Gäste und Bedienungen schrien, rannten panisch herum und Geschirr und Flaschen gingen klirrend zu Bruch. `Ein Erdbeben!´ schoss es Stiles durch den Kopf, als er von seinem Hocker zu Boden fiel. Ein paar ängstliche Gäste trampelten einfach über ihn hinweg. Er schaffte es gerade noch schützend die Arme über sein Gesicht zu heben. Plötzlich wurde er von starken Händen gepackt und wieder auf die Beine gezogen. Es war der Fremde, der ihn über den wankenden Boden hin zu einem Türbogen zog, wo sie beide Schutz fanden. Das Beben dauerte keine zwei Minuten und dann war alles wieder ruhig. Der Fremde lockerte seinen Griff um Stiles und sie blickten einander an. „Danke!“ sagte Stiles. Seine Stimme zitterte und er spürte, wie ihm die Tränen kamen. „Hey, Kleiner! Alles gut! Das war doch nur ein harmloses kleines Erdbeben.“ erwiderte der Fremde lachend. Dann zog er Stiles an sich und legte einfach seine Lippen auf seine. Stiles riss entsetzt die Augen auf, machte sich los, stieß seinen Retter von sich und rannte. Sein Leihwagen vor der Tür hatte bei dem Erdbeben nichts abbekommen und so sprang Stiles hinein und fuhr mit quietschenden Reifen los. Ihm war egal, ob gleich vielleicht noch ein Nachbeben folgen mochte und er möglicherweise in Gefahr schwebte. Er wollte einfach nur weg von hier, zurück nachhause und am liebsten direkt in die Arme von Derek. Angewidert wischte er sich den Mund am Ärmel seines T-Shirts ab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)