Schlaflos von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 31: Seltsame Zufälle – Teil 3 ------------------------------------- Es hatte bloß drei Tage gebraucht, an denen Derek zuhause geblieben war, um Stiles zu behüten und zu bewachen wie ein deutscher Schäferhund, ehe der Patient gründlich die Schnauze voll davon gehabt und die Frage gestellt hatte: „Sag mal, hast du eigentlich nichts Besseres zu tun? Geh´ bitte wieder arbeiten, oder so. Du machst mich wahnsinnig, Baby! Ich verspreche dir auch, dass ich hier im Haus bleiben, mich nicht überanstrengen und ganz lieb sein werde, aber ich kann beim besten Willen nicht gesund werden, wenn du ständig dahockst und mich sorgenvoll belauerst!“ Derek hatte daraufhin ein wenig geschmollt und klargestellt, dass er das alles doch schließlich nur aus Liebe mache und ob das denn wohl neuerdings ein Verbrechen sei? Da hatte Stiles Derek geküsst und versichert, dass er ihn ebenso sehr liebe, aber deswegen müsse Derek ihm ja nicht gleich seine ganze Lebenszeit widmen, denn schließlich sei er ja ein sehr wichtiger Mann, der doch auch noch anderswo gebraucht werde, richtig? Und so hatte sich Derek schließlich damit einverstanden erklärt, wieder zur Arbeit zurückzukehren, jedoch nicht ohne Greenburg den Auftrag zu erteilen, dass er nun stellvertretend dafür zu sorgen habe, dass Stiles nichts täte, was seine Genesung gefährden könnte. Stiles hatte in diesem Augenblick dem Majordomus des Hause Hale hinter dem Rücken seines Liebhabers verschwörerisch zugezwinkert, denn natürlich dachte er gar nicht daran, vierundzwanzig Stunden am Tag im Bett liegen zu bleiben, wie die Prinzessin auf der Erbse. Und nun verbrachte Stiles seine Tage in Dereks Palast eben ohne diesen, doch wie sich zeigen sollte, war dies alles andere als langweilig, denn er fand heraus, dann es sehr viel mehr Leben im Haus gab, als er bislang mitbekommen hatte. Er lernte beispielsweise den Koch kennen, dessen grandiose Kreationen er zwar schon bei verschiedenen Gelegenheiten hatte kosten dürfen, dem er jedoch zuvor noch nie leibhaftig begegnet war. Als Stiles sich nämlich eines morgens in seine Großküche schlich, um zu sehen, ob er dort wohl irgendetwas Leckeres zum Frühstück fände und weil er damit Greenburg nicht belästigen wollte, dass er Hunger hatte, wurde er von dem Koch am offenen Kühlschrank in flagranti erwischt. Stiles war erschrocken zusammengezuckt, denn der Gastronom war wirklich eine imposante Erscheinung; ein zwei Meter großer, zweihundert Kilo schwerer Kreole aus New Orleans Anfang vierzig namens Jean Ribaux. Stiles fürchtete nun natürlich angeschnauzt zu werden, weil er hier einfach so in seinem Reich herumschnüffelte, doch anstatt dessen wurde er vielmehr freudig empfangen, weil dem Mann offensichtlich die Aussicht gefiel, einem hungrigen Mann eine Mahlzeit vorsetzen zu können. Jeans Stimme stand im krassen Gegensatz zu seiner gesamten übrigen Erscheinung. Statt des donnernden Basses, den Stiles eigentlich erwartet hätte, ertönte ein sanfter, samtiger und melodischer Tenor und es klang beinahe wie Gesang. Der charmante französische Akzent des Mannes tat dann das übrige, um Stiles zu begeistern: „Sie müssen sein besonderer Freund von Mr. Hale!“ rief der große Mann entzückt aus: „Hunger? Ich kann kochen, alles was wünschen, mon Cher!“ Stiles grinste. Er durfte sich also etwas aussuchen? Also nun, da ihn dieser Mann mit seiner Erscheinung und seinem Akzent mitten ins French Quarter von New Orleans versetzt hatte, wusste er ganz genau, was er sich wünschte, auch wenn das nicht unbedingt ein typisches Frühstück war: „Würde es große Umstände machen, wenn sie mir ein Jambalaya zubereiten würden?“ hatte er also schüchtern gefragt. Der Koch hatte begeistert gegrinst: „Ich kann bestes Jambalaya in ganz Lousiana, Monsieur!“ versicherte der beleibte Koch und daran hatte Stiles auch wirklich nicht den geringsten Zweifel gehabt, nach all den himmlischen Ergötzlichkeiten, welche er in diesem Hause bereits genossen hatte. Stiles hatte sich also still in eine Ecke gehockt und dem Küchengott beim Wirken seiner kulinarischen Magie zugeschaut, in der Hoffnung auf diese Weise auch selbst noch etwas zu lernen. Und daraus hatten sie bald eine regelmäßige Einrichtung gemacht; Stiles setzte sich in die Küche, schaute Jean zu, wie er, für einen derart mächtigen Mann erstaunlich behände, zwischen Herd, Kühlschrank und Arbeitsfläche hin- und herwirbelte und seine Köstlichkeiten zubereitete. Und während Jean kochte erzählte er; von seiner Heimat Lousiana, von der Hitze, der Schwüle, den Bayous mit seinen Moskitos und Alligatoren, dem Mardi Gras, vom Aufwachsen als Jüngstes von acht Kindern, wo man hatte zusehen müssen, dass man bei Tisch nicht leer ausging, weshalb er heute so dick sei und von seiner Großmutter, welche angeblich eine wirkliche, leibhaftige Bruja gewesen sei, die draußen in den Sümpfen gelebt, Warzen weggebetet, mit Verstorbenen Kontakt aufgenommen und unfreiwillig kinderlosen Paaren zu Nachwuchs verholfen habe. Jean konnte sehr bildhaft erzählen und die angenehme Stimme taten das ihrige, dass vor Stiles innerem Auge farbenfrohe Bilder entstanden. Doch Jean war nicht der Einzige, der tagsüber in Dereks Haus fleißig war, damit es der Hausherr hier allzeit schön hatte. Stiles hatte es sich zur Angewohnheit gemach, täglich Spaziergänge auf dem gewaltigen Anwesen mit dem riesigen Pool, dem Rosengarten, dem kleinen Wäldchen, der endlosen Fläche englischen Rasens, der Kaninchenkolonie und den Gemüse- und Kräuterbeeten, die Jean hier angelegt hatte zu unternehmen und dabei lernte er schließlich auch die Gärtnerschar kennen, welche hier alles in Stand hielten. Es handelte sich sich um acht mexikanische Männer unterschiedlichen Alters, mit denen Stiles zu seiner großen Freude sein eingerostetes Spanisch wieder ein wenig aufpolieren konnte. Er hatte bald sämtliche Namen drauf: Da waren Sergio, Mateo, Carlos, Nicolas und Marco, alle in ihren Dreißigern. Dann gab es noch Pedro. Er war der Älteste von ihnen, war etwa Mitte fünfzig und erinnerte Stiles trotz der braunen, wettergegerbten Haut und der schwarzen Haaren ein kleines bisschen an seinen eigenen Vater, weshalb er sich bei ihm auch besonders wohl fühlte. Seine Söhne waren Anfang und Mitte zwanzig und hießen Javier und Álvaro. Álvaro berichtete einmal, dass er gern Medizin studiert hätte und seine Noten seien auch dementsprechend gewesen, aber das Geld habe dann leider nicht gereicht. Doch hier im Garten für Mr. Hale zu arbeiten sei auch gut, versicherte er schnell, als habe er schon zu viel gesagt und hätte nun Angst um seinen Job. Es machte Stiles traurig, denn hier blieb geistiges Potenzial ungenutzt, bloß aufgrund von Herkunft und wirtschaftlicher Verhältnisse und das war einfach nicht gerecht! Und Stiles wurde mit einem Mal klar, dass er plötzlich auf der anderen Seite stand, was ein beklemmendes Gefühl in seiner Brust verursachte. Durch seine Beziehung zu Derek erschien er diesen Leuten als so etwas wie der Hausherr, als reicher Mann, dabei war es erst Monate her, da hatte er in der Gosse gelebt und sich für wenig Geld an Fremde verkauft! Es war einfach verrückt, doch er schwor sich, es würde seinen inneren moralischen Kompass nicht durcheinanderbringen: Niemals wollte er vergessen, woher er kam! Wie Stiles bald herausfand, waren die Hauswirtschafterinnen, welche Dereks Palast sauber und ordentlich hielten allesamt in irgendeiner Weise mit den Gärtnern verbunden. Rosita war Pedros Ehefrau und Valeria und Alba ihre gemeinsamen Töchter. Carmen war die Schwester von Marco, Marta die Ehefrau von Carlos und Maria war ihre Schwester. Anfangs hatten diese Ladies ziemliche Augen gemacht und sich auch reichlich unwohl deswegen gefühlt, aber Stiles ließ es sich dennoch nicht nehmen, gelegentlich einen Staubwedel oder einen Wischlappen zur Hand zu nehmen, um ihnen zu helfen, wenn er sie im Haus arbeiten sah. Doch Derek davon zu erzählen kam selbstverständlich ohnehin nicht in Frage, denn wenn es nach diesem ginge, würde Stiles schließlich bloß den ganzen Tag auf seinen vier Buchstaben sitzen und Däumchen drehen. Stiles war überrascht zu erfahren, dass sämtliche Hausangestellten auch auf Dereks Anwesen lebten. Greenburg und Jean Ribaux hatten jeweils ein eigenes Zimmer unter dem Dach der Villa und die Gärtner und Hausmädchen bewohnten ein Haus an der Grundstücksgrenze, weit entfernt von Dereks Palast. An einem besonders heißen Tag hatte Stiles beschlossen, den Gärtnern selbstgemachte Limonade zu bringen. Er war also mit einer Kanne und einigen Gläsern hinüber zu ihrem Wohnhaus gelaufen, als ihm plötzlich aus dem Gebäude ein kleines Mädchen von etwa sechs Jahren entgegengelaufen kam, welches er noch nie gesehen hatte. „Loba! No!“ ertönte die Stimme von Pedro, der nun hinter ihr aus der Tür gelaufen kam und vor Schreck erstarrte, als er Stiles erblickte. Stiles stellte das Geschirr ab, kniete sich vor das süße Kind hin, welches ihn mit riesigen, erstaunten, kohleschwarzen Augen anschaute und sagte freundlich: „Hola, Loba! Cómo te va?“ Das Kind brachte kein Wort heraus und rannte stattdessen hinüber zu Pedro, um sich hinter dessen Beinen zu verstecken. Der Gärtner starrte Stiles angsterfüllt an, also lächelte dieser beschwichtigend und fragte sanft: „Wer ist denn die kleine Prinzessin?“ Und da war Pedro schweren Herzens und mit hängendem Kopf mit der Wahrheit herausgerückt: Er, die anderen Gärtner und die Frauen, die ihm Haus arbeiteten waren zwar legal im Land und durften auch hier arbeiten, aber vor etwa einem Jahr sei Pedros Nichte Sofía mit ihrem Mann Gonzalo und ihren drei Kindern in die Vereinigten Staaten geflüchtet. Loba sei mit ihren sechs Jahren die Älteste. Dann gäbe es noch den zweijährigen Francisco und Baby Enzo, welcher hier in den USA geboren worden sei. Weil die Familie nicht wusste wohin, hatte man damals beschlossen, sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion hierher in dieses Haus zu schaffen und hier lebten sie seither eingesperrt, im Verborgenen und wurden von den anderen mit versorgt. Es war ihr winziges Stück Amerika, dem Land der Freien, Heimat der Tapferen... Es trieb einem beinahe die Tränen in die Augen! Pedro flehte, dass Stiles bitte, bitte dem Senor nichts verraten möge, damit die Familie nicht wieder abgeschoben werden würde. Stiles hatte es ein ganz übles Gefühl in der Magengrube verursacht, Derek etwas zu verschweigen, andererseits war Pedro so verzweifelt gewesen und das Ganze war so wahnsinnig traurig und so hatte er es ihm einfach nicht abschlagen können, doch er wollte wissen: „Aber was ist mit Loba? Sie muss doch in eine Schule gehen?“ Pedro fand, dass die Kleine doch alles Nötige vom Fernseher lernen konnte, aber da war für Stiles der Spaß vorbei: „Nein, kommt nicht in Frage!“ hatte er entschlossen erklärt: „Ich werden ihr englisch beibringen und sie vorerst unterrichten, bis mir etwas Besseres einfällt!“ Und so hatte Stiles Scott kurzerhand zu seinem Mitverschwörer gemacht, hatte ihn Schulmaterialien und Bücher kaufen lassen und weil sie ohnehin gerade dabei waren, auch noch reichlich Spielsachen und Kleidung für die Kinder, denn immerhin hatte Stiles momentan noch reichlich Geld auf dem Konto. Das ganze Zeug hatten sie dann an mehreren Tage nach und nach heimlich ins Haus geschafft und dann der Familie übergeben. Es hatte Tränen, Umarmungen und Ungläubigkeit angesichts dieser unerwarteten Hilfe gegeben und seitdem besuchte Stiles Loba wie versprochen jeden Tag, um mit ihr zu spielen und zu lernen. Überdies kam nach dem Mittagessen an fünf Tagen in der Woche auch noch eine Physiotherapeutin ins Haus, welche Stiles aufgrund seiner Halswirbelverletzung und seiner gebrochenen Rippen behandelte. Stiles hatte zwar anfangs darauf hingewiesen, dass dies doch unnötig und überdies wahnsinnig teuer sei, doch dieses eine Mal war Derek hart geblieben und hatte darauf bestanden. Und insgeheim musste Stiles nach einer Weile zugeben, dass es wirklich gut tat und hilfreich war. Außerdem war Kendra Hayes, seine Therapeutin eine wahnsinnig lustige und angenehme Person. Sie war energiegeladene Mittfünfzigerin mit dickem, grauen Pferdeschwanz und strahlend blauen Augen, die einem verrieten, dass sie den Schalk im Nacken hatte. Nein, Stiles hatte wirklich keine Langeweile während er im Hale´schen Sanatorium darauf wartete, dass Dr. Derek ihm wieder erlaubte nach draußen in die reale Welt zu gehen, denn hier im Haus gab es schließlich eine Menge für ihn zu tun! Und an den Nachmittagen, nach Feierabend kam dann ja auch noch der regelmäßige Besuch mit den neuesten Nachrichten aus der Außenwelt. Scott war eigentlich jeden Tag da und manchmal brachte er Allison mit. Diese beiden hatten sich einander glücklicherweise Stück für Stück wieder angenähert, auch wenn Allison die Enthüllungen über Scotts Vergangenheit noch immer nicht vollständig verdaut zu haben schien. Dennoch hatte sie es gemeinsam mit Stiles übernommen, Scott bei seinen Studien zu unterstützen, denn anstatt noch einmal die Schulbank zu drücken, hatte Stiles bester Freund beschlossen, sich in Eigenleistung den Schulstoff anzueignen und sich zu gegebener Zeit zu einer schulexternen Highschool-Abschlussprüfung anzumelden. Und Scott machte hierbei auch erstaunlich rasche Fortschritte, denn er hatte in dieser Angelegenheit wirklich einen großen Ehrgeiz entwickelt. Lydia und Malia besuchten Stiles etwa ein- bis zweimal pro Woche und es war für Stiles schön zu sehen, dass Derek und seine Cousine sich langsam immer näherkamen. Es verblüffte Derek dabei immer wieder, wie ähnlich Malia Peter, ihrem biologischen Vater in ihrem Wesen war, obgleich die Zwei sich ja nie hatten kennenlernen dürfen. Auch wenn Malia sich eher mithilfe ihrer Raubeinigkeit in der Welt durchsetzte, wo Peter wohl eher seinen enormen Charme eingesetzt hätte, erkannte Derek seinen Onkel manchmal in einem Blick, einer Geste oder einer Äußerung Malias wieder. Es vermittelte Derek ein familiäres Gefühl, so als habe er seinen Onkel nicht gänzlich verloren, weil ein Stück von ihm noch hier war. Derek hatte Danny vor einer Weile wie versprochen einen Job in seiner Firma verschafft, wo dieser nun als `Junge für alles´ tätig war, Kaffee kochte, Post sortierte, im Haus Aktenordner verteilte, Meetings vorbereitete und so weiter. Und Danny liebte seinen neuen Job! Und weil die Katze nun aus dem Sack war und er wusste, dass sein neuer Boss Stiles Liebhaber war, brachte Scott ihn nachmittags bei seinen Krankenbesuchen sehr zu Stiles Freude gelegentlich mit. Und manchmal ließ sich auch Deucalion blicken, um sich von Stiles Genesung zu überzeugen und meistens hatte er dann Erica dabei. Auch ihr hatte er damals die Wahrheit über Stiles Vorleben erzählt, doch anders als ihr Verlobter, hatte diese von Anfang an keinerlei Probleme damit und sogar erfolglos versucht Deucalion davon abzuhalten, sich da einzumischen. Hätte er nur auf sie gehört! Erica konnte sachlich und ohne Scham, Sensationslust oder andere Misstöne im zwischenmenschlichen Bereich mit dieser Situation umgehen und Stiles liebte sie dafür. Und so vergingen die Wochen in Dereks Villa. Stiles Verletzungen schmerzten kaum noch, seine blauen Flecken waren längst verheilt und mittlerweile hatte ihn auch die eine, oder andere gute Nachricht erreicht: Scott war die blöden Chlamydien endlich los und die endgültigen Ergebnisse ihrer beider Blutuntersuchungen waren mittlerweile eingetroffen: Weder bei Stiles noch bei Scott hatte es irgendwelche Befunde gegeben und darüber waren beide ungemein erleichtert. Und auch Derek schien Glück im Unglück gehabt zu haben, denn er hatte seine PEP-Behandlung mittlerweile abgeschlossen und eine Blutuntersuchung hatte gezeigt, dass auch er sich in der Nacht mit Kate, an die er sich bis heute nicht vollständig erinnern konnte, nichts eingefangen hatte. Und zum Glück hatte Kate sich außerdem in Dereks Nähe nicht mehr blicken lassen. Sie war sogar praktisch wie vom Erdboden verschluckt; nicht einmal Allison oder Chris Argent wussten, wo sie steckte und das gab Derek die Chance zu vergessen, was vorgefallen war und wieder zur Ruhe zu kommen. Und dann kam Scott eines Abends mit einem Briefumschlag für Stiles von der UCLA zur Tür herein. Man hatte Stiles tatsächlich zum Sommersemester angenommen. Anfang August würde es losgehen und so stellte Stiles Derek gegenüber klar, dass sein Kuraufenthalt bis dahin beendet sein würde, auch wenn dann die drei Monate, die seine Rippen brauchten, um vollständig auszuheilen noch nicht vollendet wären. Seit diese Neuigkeit eingetroffen war hatte Stiles nun auch damit begonnen, Stellenangebote zu studieren, wie Derek zähneknirschend zur Kenntnis nahm. Sein Geliebter lehnte es strikt ab, dass Derek für ihn die Studiengebühren bezahlte, nicht einmal wenn es ein zinsloser Kredit wäre! Und noch hatte Stiles auch tatsächlich noch genug Geld auf der Bank, um sich diese Art Stolz zu erlauben, doch dieses würde ihm früher oder später ausgehen und dann würde er eben einen Studentenjob brauchen, hatte er erklärt. Derek zermarterte sich nach wie vor das Hirn, wie er es verhindern konnte, dass der Mann den er liebte irgendwo als Tellerwäscher oder Hilfskellner schuften musste, wenn er doch eigentlich die Nase in die Bücher stecken sollte. Bislang war ihm noch nichts eingefallen, was Stiles überzeugen würde. Der Juli war selbst für kalifornische Verhältnisse unwahrscheinlich heiß und so hatte Stiles es sich neuerdings in den Kopf gesetzt, dass er der kleinen Loba das Schwimmen beibringen müsste, also hatte er ihr via Scott einen Badeanzug und Schwimmflügelchen besorgen lassen und nun gingen sie jeden Tag um die Mittagszeit für eine Weile in den Pool. Womit Stiles allerdings nicht gerechnet hatte, war die Möglichkeit, dass Derek eines Tages sehr viel früher nachhause kommen würde als sonst. Stiles und Loba planschten gerade vergnügt im kühlen Wassertr und hörten daher auch gar nicht das Auto, welches sich ihnen näherte. Pedro, welcher mit hochgekrempelter Hose am Beckenrand saß, sah es jedoch irgendwann kommen und sprang auf, wie von der Tarantel gestochen. Erst da wurde Stiles ebenfalls aufmerksam und noch ehe er sich eine Ausrede für Derek ausdenken konnte, welcher mittlerweile aus dem Wagen gestiegen war und auf sie zukam, verlor Pedro die Nerven und rief aufgebracht „Por favor Senor! No hay Policía!“ Stiles und das Kind hatten mittlerweile den Pool verlassen. Derek schaute die beiden ratlos an und wollte wissen: „Was zum Teufel geht denn hier vor sich? Wer ist dieses Mädchen?“ Stiles seufzte. Er wusste, dass lügen nun keinen Sinn mehr hatte, also begann er: „Das ist meine kleine Freundin Loba, Pedros Großnichte.“ „Pedro?“ fragte Derek verständnislos. Stiles hatte bereits geahnt, dass Derek die Menschen, die unter seinem Dach arbeiteten überhaupt nicht kannte: „Pedro ist dieser nette Herr hier. Er ist einer deiner Gärtner und er ist ein Freund von mir. Ich muss dir jetzt wohl etwas gestehen, Derek, aber du musst mir versprechen, nichts zu tun, was diesen Leuten schadet, ja? Wenn du wütend sein willst, dann sei es auf mich!“ Stiles blickte seinen Geliebten flehend an und dann begann er, mit der Wahrheit ganzen herauszurücken. Derek hörte sich die gesamte Geschichte schweigend an und ließ währenddessen allein seine ausdrucksstarken Augenbrauen für sich sprechen, die mal überrascht in die Höhe schnellten und sich dann wiederum ärgerlich und sorgenvoll zusammenzogen. Als Stiles geendet hatte, zückte Derek sein Handy und wählte eine Nummer: „Was hast du vor? Du rufst doch nicht etwa die Einwanderungsbehörde oder die Polizei, oder Derek?“ fragte Stiles nervös. Derek ignorierte die Frage und begann stattdessen mit der Person am anderen Ende der Leitung zu sprechen: „Ich habe hier ein ziemlich dickes Problem. Können sie heute noch zu mir nachhause kommen? Ich denke, ich werde ihre Hilfe brauchen!“ hörte Stiles ihn sagen. Die kleine Loba, welche nicht verstand, was hier vor sich ging, die jedoch scheinbar befürchtete, dass es etwas Schlechtes sein musste, wenn ihr Großonkel und ihr Freund Stiles so sorgenvoll aussahen und der große, breite Fremde so böse guckte, hatte mittlerweile leise zu weinen begonnen. Stiles nahm sich hoch, schlang Schutz spendend seine Arme um sie. Stiles fragte Derek, welcher inzwischen zu telefonieren aufgehört hatte: „Was ist los? Wer war das, Baby?“ „Das war einer meiner Anwälte. Wir müssen uns ja wohl etwas einfallen lassen, um dieses Schlamassel wieder in Ordnung zu bringen. Ihm wird schon sichereinfallen, wie wir einen legalen Aufenthalt für diese Leute erwirken können.“ gab Derek grimmig zurück. Stiles Gesicht erhellte sich und erklärte Pedro auf spanisch, was er soeben erfahren hatte. Der ältere Gärtner atmete auf, nahm Stiles Loba ab und an Derek gewandt sagte er immer wieder: „Gracias, Senor! Gracias! Gracias!“ ehe er sich zurückzog. Stiles folgte Derek ins Haus und blickte ihn schuldbewusst an: „Bist du sauer auf mich?“ „Weiß ich noch nicht!“ brummte der Ältere: „Wie lange weißt du schon von dieser Sache? Wieso hast du mich nicht eingeweiht? Was hast du denn gedacht, was langfristig aus diesen Leuten werden soll? Dieses Mädchen ist doch zum Beispiel schulpflichtig! Und was, wenn einer von ihnen irgendwann einen Arzt gebraucht hätte? Hast du auch darüber nachgedacht, dass ich dafür ziemlichen Ärger hätte bekommen können, wenn ich hier illegale Einwanderer beherberge? Hast du ÜBERHAUPT nachgedacht, Stiles?“ Stile wurde unter dem Bombardement von Fragen immer kleiner. Er zuckte nur ratlos mit den Schultern und murmelte: „Es tut mir leid!“ „Was hast du dir denn nur dabei gedacht, Stiles?“ fragte Derek noch einmal. „Sie haben Hilfe gebraucht, also habe ich geholfen. Ich habe Scott für sie einkaufen lassen und ich habe Loba unterrichtet. Sie ist wahnsinnig schlau, weißt du? Ich... ich habe sie lieb!“ erwiderte Stiles kleinlaut und ihm stand bereits das Wasser in den Augen. Derek seufzte, schloss Stiles in seine Arme, küsste ihn und schimpfte zärtlich: „Wie soll ich denn böse auf dich sein, wenn du einfach nur ein wirklich guter Mensch bist, hm? Ich liebe dich, du kleiner Spinner; das tue ich wirklich!“ „Ich konnte nicht anders, als es für mich zu behalten. Sie haben mich darum gebeten und sie hatten so große Angst.“ nuschelte Stiles schniefend gegen Dereks Brust. „Aber du hättest es mir sagen können, Süßer. Wir hätten zusammen nach einer Lösung suchen können. Du weißt doch, dass ich dir nichts abschlagen kann, oder?“ versicherte Derek geschlagen. „Tut mir leid!“ versicherte Stiles ein weiteres Mal und begann dann spielerisch mit unschuldigen Fingern, Dereks Hemdknöpfe zu öffnen: „Wir haben eine knappe Stunde, bis mein Anwalt an meiner Tür klingelt!“ gab Derek zu bedenken, doch Stiles versicherte zuversichtlich: „Das schaffen wir!“ Und so verschwanden die beiden Männer rasch gemeinsam im Schlafzimmer. Als Greenburg schließlich Besuch diskret klopfte und Besuch ankündigte, standen Stiles und Derek soeben unter der Dusche, denn natürlich hatten sie sich dann doch etwas mehr Zeit gelassen, als sie sich eigentlich vorgenommen hatten. Sie beeilten sich also, um den Juristen nicht unnötig warten zu lassen. Dann führte Stiles ihn und Derek auf direktem Weg hinüber zum Wohnhaus der Hausangestellten, stellte die Familie vor, um die es ging und bot sich als Dolmetscher an. Am Ende des Gesprächs war der Rechtsanwalt optimistisch, dass er trotz des aktuellen politischen Klimas im Land einen legalen Aufenthalt für alle Familienangehörigen erwirken könne, wenn Derek den Eltern eine Arbeit geben würde. Natürlich versprach der Hausherr, alles zu tun, was nötig sei und der Anwalt würde sich nun um alles Weiter kümmern. Die Familie bedankte sich überschwänglich und bestand darauf, dass Senor Hale und Senor Stilinski zum Abendessen bleiben müssten, um dies zu feiern. Eigentlich hatte Jean heute Abend Entrecote zum Diner für seinen Arbeitgeber und Stiles geplant und war nun ein wenig säuerlich als er erfuhr, dass dies nun zugunsten mexikanischer Hausmannskost ausfallen sollte, doch Stiles hatte ihn und auch den überrumpelten Greenberg kurzerhand mit hinüber in das andere Haus genommen. Später kamen dann auch noch Scott und die Mädchen vorbei und schlossen sich an und für einen Abend waren alle Grenzen zwischen Schicht, Herkunft, Sprache und Rang aufgehoben. Alle saßen vor dem kleinen Haus an der langen Tafel im Schein der untergehenden Sonne, lachten, redeten und ließen sich die Enchiladas, die gebackenen Frijoles, die Quesadillas und Burritos schmecken. Derek beobachtete über den Tisch hinweg Stiles, welcher Loba auf einem Knie und Klein-Enzo auf dem anderen hatte und sich einfach nur mit ihnen und ihrer Familie freute, weil für sie nun bessere Zeiten anbrechen würden und er war mit einem Mal wahnsinnig stolz, diesen Mann seinen Gefährten nennen zu dürfen. Und da kam Derek eine Idee. Er wusste nun, wie er Stiles vor einer Karriere als Tellerwäscher bewahren und seine Fähigkeiten sehr viel gewinnbringender einsetzen konnte. Er würde das gleich morgen früh mit seinen Leuten aus der Finanz- und Rechtsabteilung klären und dann würde er Stiles ein Angebot machen, dass dieser nicht ablehnen konnte. Zufrieden lächelte der Geschäftsmann in sich hinein. Warum war er nicht eher darauf gekommen? Es war doch so naheliegend. Am folgenden Tag erklärte Stiles Derek, als dieser gerade in die Firma aufbrechen wollte, dass er heute ebenfalls erstmals wieder das Haus verlassen würde. Die Uni bräuchte noch einige Unterlagen und Unterschriften von ihm und er fühle sich mittlerweile weiß Gott wieder gesund und fit genug, um dort persönlich vorzusprechen, denn er bräuchte einfach endlich mal wieder eine Luftveränderung. Und nein, er wolle nicht, dass Greenburg ihn mit der Limousine dort hinführe, denn er könne ebenso gut auch den Bus nehmen. Er würde aber Loba mitnehmen, denn auch die sollte endlich mal etwas mehr von den USA sehen als bloß Dereks Anwesen und niemand würde schließlichnach ihren Papieren fragen, wenn die Kleine mit einem Gringo unterwegs wäre, also sei es auch ungefährlich. Natürlich war Derek mit dieser Eröffnung alles andere als einverstanden, doch Stiles wirkte sehr entschlossen und der Ältere wusste auch, dass er seinen Geliebten hier nicht ewig festhalten konnte, wie einen Gefängnisinsassen. Natürlich kam Busfahren überhaupt nicht in Frage und er wusste auch schon, wie er das Stiles verkaufen musste: „Aber dann nimm doch lieber eines meiner Autos. Wie wär´s mit dem SUV? Das würde Loba doch mit Sicherheit gefallen, oder nicht?“ fragte er scheinheilig mit schmeichelnder Stimme. Natürlich durchschaute Stiles ihn sofort und erwiderte daher: „Na gut, aber wenn ich die kleine Maus wirklich beeindrucken will, dann sollte es wohl eher dein Camaro sein, oder nicht?“ Der SUV wäre Derek natürlich sehr viel lieber gewesen, weil er sicherer war, doch der Camaro war immerhin besser als öffentlicher Personennahverkehr, wo man beschimpft, bespuckt, bestohlen oder verprügelt werden konnte und so stimmte er zu. Nachdem Stiles die staunende, aufgeregte Loba auf dem Rücksitz des Sportwagens angeschnallt hatte, erwischte er sich selbst dabei, wie er zum Schnurren des Motors die Melodie von `Free at last!´ pfiff. Er grinste in sich hinein und musste ehrlicherweise zugeben, dass die Wochen seiner `Gefangenschaft´ SOO übel gar nicht gewesen waren. Es hatte ihm wirklich an nichts gefehlt, er hatte neue Freundschaften geschlossen und er hatte wirklich viel Spaß gehabt. Dennoch spürte er die Erleichterung, als er das große, schmiedeeiserne Tor passierte und den Wagen hinaus in die Freiheit rollen ließ. Mit Loba an der Hand erledigte er auf dem Universitätsgelände den Papierkram, stromerte ein wenig über den Campus und sie nahmen in der Mensa ein kleines, zweites Frühstück ein. Stiles und das Kind waren eigentlich schon auf dem Weg zurück zum Auto und stiegen gerade eine große freie Treppe hinab, als Stiles völlig unerwartet einen heftigen Tritt ins Kreuz erhielt. Er besaß gerade noch die Geistesgegenwart Lobas Hand loszulassen, um sie im Fallen nicht mit sich hinab zu reißen. Ergeben in sein Schicksal bereite Stiles sich bereits darauf vor, hart auf die Stufen aufzuschlagen und sich den Hals, oder zumindest erneut die gerade einigermaßen verheilten Rippen zu brechen, doch seltsamerweise geschah nichts dergleichen? Ein junger Mann in Stiles Alter mit flachsblonden Haaren fing ihn nämlich beherzt im Sturz auf. Zur selben Zeit realisierte Stiles, dass hinter ihm zwei Personen wegrannten, ohne dass er erkennen konnte, um wen es sich handelte. Er wollte sich gerade bei seinem Retter bedanken, doch dieser hatte nun sein Telefon gezückt: „Mr. Hale? Es hat einen Vorfall gegeben. Ich denke, es wäre am besten, wenn sie vorbeikommen würden.“ Stiles riss überrascht die Augen auf. Was zur Hölle ging denn hier vor? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)