Zum Inhalt der Seite

Schlaflos

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Schlange im Paradies

Vor lauter Aufregung war Scott eine halbe Stunde zu früh an seinem neuen Arbeitsplatz angekommen und nun stand er unschlüssig vor der Tür herum und traute sich nicht zu klingeln. Er betrachtete das Messingschild, das draußen hing und las mühsam, was dort geschrieben stand: `Alan Deaton, Veterinärmedizin´ und dann noch eine Telefonnummer und die Öffnungszeiten.

Er hatte sich so sehr auf das Lesen konzentriert, dass er gar nicht mitbekommen hatte, dass mittlerweile jemand hinter ihm stand:
 

„Willst du mit reinkommen, oder willst du lieber noch ein Weilchen hier herumstehen und das Schild bewundern?“ erkundigte sich Deaton schmunzelnd.
 

Scott zuckte ertappt zusammen und stammelte:

„Ich... uhm... ich war zu früh!“
 

„Das sehe ich, Junge. Und nun lass´ uns hineingehen!“ lachte der Tierarzt.
 

Scott trottete hinter ihm her und sie gingen als Erstes in den hinteren Bereich, wo die tierischen Patienten bereits darauf warteten, begrüßt und versorgt zu werden. Scott schaute sich bei Deaton ab, wie dieser die Käfige säuberte und Futter und Wasser verteilte und tat es ihm gleich, um ihm gleich zu beweisen, dass er eine tüchtige Arbeitskraft und sein Geld wert war.

Als sie bei Skippys Käfig anlangten wollte Alan wissen:
 

„Und hast du dir schon überlegt, was mit dem kleinen Kerl geschehen soll? Wirst du ihn mitnehmen, oder in ein Tierheim bringen?“
 

Scott stellten sich bei dem Wort `Heim´ die Nackenhaare auf, denn aus Erfahrung wusste er, wie übel es bereits einem Kind in einem Heim ergehen konnte. Was dann erst in einem Tierheim los sein mochte, wollte er sich daher lieber nicht einmal vorstellen, also sagte er schnell:

„Ich denke, ich werde ihn mitnehmen. Ich weiß zwar nicht, wie mein Mitbewohner das findet, denn sein Kaninchen hat gerade Junge bekommen, aber ich will sicher gehen, dass Skippy es gut hat. Außerdem habe ich als Kind immer schon einen Hund gewollt, aber... uhm... es ging nicht.“

Er öffnete den Käfig, um den kleinen Kerl zu streicheln und dieser begann sogleich aufgeregt, Scotts Hand abzulecken, um ihn seiner Liebe und seiner Dankbarkeit zu versichern.
 

„Na wunderbar! Und hier ist es ja auch kein Problem, falls du ihn zur Arbeit mitbringen willst! Und wegen des Kaninchens würde ich mir nicht allzu große Sorgen machen, denn die können sehr wehrhaft sein, insbesondere, wenn sie Junge haben.“ erwiderte Alan: „Was hältst du davon, wenn wir Skippy gleich als Übungsobjekt verwenden und du bei ihm den Verbandswechsel vornimmst!?“
 

Scott schaute den Älteren mit großen Augen an. Er hatte das Gefühl, sich nun des neuen Arbeitsplatzes würdig erweisen zu müssen, den er erhalten hatte, also hob er vorsichtig den kleinen Hund aus dem Käfig und redete ihm beruhigend zu, als er ihn hinüber in den Behandlungsraum trug und auf den Metalltisch setzte. Er nahm die Verbände ab und inspizierte die Verletzungen:

„Diese beiden Stellen sehen gut aus!“ urteilte Scott schließlich: „Die würde ich nicht wieder verbinden, denn sie haben sich bereits geschlossen und da sollte besser ein wenig Luft drankommen. Aber die anderen drei eitern noch. Ich würde vielleicht ein desinfizierendes Medikament darauf geben, ehe ich es wieder verbinde?“ Er blickte den Älteren fragend an, doch dieser nickte nur wohlwollend, reichte ihm eine Tube mit einer Salbe, also machte Scott es genau so, wie er es gerade beschrieben hatte.
 

„Das hast du sehr gut hinbekommen, Junge! Ich hätte es genau so gemacht.“ lobte ihn der Tierarzt hinterher: „Und nun werfen wir einen Blick auf deinen Arbeitsvertrag, in Ordnung?“

Sie gingen hinüber in Alans Büro, wo dieser Scott ein Schriftstück unter die Nase hielt:

„Ich habe ja bereits angekündigt, dass ich nicht viel zahlen kann. Der Mindestlohn beträgt zurzeit fünfzehn Dollar hier bei uns in Kalifornien. Ich könnte dir vielleicht fünfzehn fünfzig pro Stunde zahlen. Bist du damit einverstanden? Ich fürchte, mehr geht leider im Augenblick nicht!“ erkundigte sich der Veterinär bedauernd.
 

Scott lächelte, denn um Geld mussten Stiles und er sich schließlich gegenwärtig keine Sorgen machen. Das war ja auch nicht der Grund, warum er den Job wollte, sondern weil er wusste, dass er diese Tätigkeit lieben würde. Außerdem wäre sie etwas, wovon er jedem ohne Scham berichten könnte, wenn er gefragt würde, was er eigentlich beruflich mache. Und Scott hoffte, sich auf diese Weise beweisen zu können, dass er noch zu mehr taugte, als dazu seinen Körper an irgendwelche Kerle zu verkaufen:

„Das Geld ist in Ordnung!“ versicherte er daher.
 

„Und die Arbeitsstunden würde ich mit dir gern flexibel vereinbaren. Ich hatte an zwanzig bis dreißig Stunden pro Woche gedacht, je nach Bedarf. Ist das auch okay für dich?“ wollte der Tierarzt wissen.
 

Scott nickte und gab vor, den Vertrag zu lesen, ehe er seinen Namen darunter setzte. Deaton unterschrieb ebenfalls und damit schien die Sache besiegelt.
 

Doch dann geschah etwas, mit dem Scott nicht gerechnet hatte.
 

„Ich bin mit der Aktenführung ein wenig hinterher.“ erklärte Alan: „Ich würde dich daher gern darum bitten, dass du als Erstes die Ablage nach Datum erledigst, Scott, so dass die aktuellen Sachen zu oberst sind!“

Er deutete auf mehrere Papierstapel auf seinem Schreibtisch.
 

Scott wurde bleich:

„Von... von Bürotätigkeiten war nie die Rede! Es... tut mir wirklich leid.. aber... uhm... wenn ich das gewusst hätte... Ich... ich glaube, ich kann den Job doch nicht machen!“ stammelte er.

Dann drehte er sich hektisch herum und rannte davon, so schnell ihn seine Beine trugen. Mittlerweile blind vor Tränen stolperte er auf dem Weg nach draußen, rappelte sich jedoch wieder hoch und weg war er.
 

Deaton starrte ihm verwundert einen Moment hinter, ehe er dem Jungen folgte und es dauerte einen ganzen Häuserblock lang, bis er ihn endlich eingeholt hatte. Er schnappte ihn bei den Schultern und drehte ihn zu sich herum und blickte ihn fragend an.
 

Scott zog den Kopf ein, als erwarte er Schläge und wischte sich mit dem Ärmel über die feuchten Augen.
 

„Soll ich raten?“ fragte Deaton sanft und reichte ihm ein Papiertaschentuch: „Du kannst nicht lesen und schreiben, oder?“
 

„Ich lerne es gerade, Sir.“ erklärte Scott mit hängendem Kopf: „Ich bin so dumm! Wie habe ich nur glauben können, dass jemand wie ich so einen wichtigen Job machen könnte? Ich habe nicht einmal einen Highschoolabschluss! Sie finden sicher jemand Besseren, als mich!“
 

„Ich habe doch gesagt, du sollst mich Alan nennen!“ erwiderte Deaton: „Und nun komm´ wieder mit in die Praxis, bevor Junkies da rein marschieren und meinen Medizinschrank und die Kasse plündern, denn ich konnte in der Eile nicht die Tür abschließen!“
 

Scott blickte ihn verständnislos an:

„Wollen sie... ich, ich meine willst du etwa immer noch, dass ich für dich arbeite?“ fragte er ungläubig: „Ich habe doch gerade eben zugegeben, dass ich ein Idiot ohne Schulabschluss bin!“
 

„Unsinn! Es gibt sicher einen guten Grund dafür, dass du die Schule nicht beenden konntest und wenn wir uns irgendwann etwas besser kennen, dann hast du ja vielleicht Lust, mir davon zu erzählen, aber ich weiß jetzt schon ganz genau, dass du kein Idiot bist, Scott. Ich habe nämlich eine ausgezeichnete Intuition in Bezug auf Menschen und dieser vertraue ich und darum will ich auch, dass du für mich arbeitest. Und was macht es schon, dass du nicht gut Lesen und Schreiben kannst? Ich habe dich schließlich nicht als Bibliothekar angestellt, oder? Wir finden vorerst Aufgaben für dich, bei denen du nicht viel lesen musst. Und nun komm´!“

Er hatte eine Hand auf Scotts Schulter gelegt und schob ihn sanft zurück in Richtung Praxis.
 

Zum Glück hatte niemand in der Zwischenzeit versucht, etwas zu stehlen, stellte Scott erleichtert fest, denn dafür wollte er nun wirklich nicht verantwortlich sein. Er blickte unbehaglich zu Deaton hinüber und fragte noch einmal:

„Und du bist dir wirklich sicher, dass du dir so eine Last wie mich aufbürden willst?“
 

Der Tierarzt lachte leise:

„Ich bin mir sicher, du wirst mir eine große Hilfe sein. Und nun lass´ uns anfangen, Geld zu verdienen. Ich habe hinten einen Papagei sitzen, der nicht fressen will und wir Zwei finden jetzt heraus, warum nicht!“
 

Nachdem Scott und Derek am Morgen aus dem Haus waren, hatte Stiles seine beiden Anzüge aus dem Schrank geholt, außen an die Schranktüren gehängt und unterzog sie nun einer kritischen Prüfung.

War es dekadent zu denken, er könne keinen von beiden heute Abend anziehen?

Immerhin war er ja in beiden schon gesehen worden und in Dereks Welt gehörte es ja wohl zum guten Ton, dass man reichlich Auswahl im Kleiderschrank hatte und nicht immer dasselbe trug, oder nicht?

Außerdem wollte Stiles seinen Arbeitgeber überraschen und ihm eine Freude machen, also musste er Wohl oder Übel heute shoppen gehen, richtig?

Ihm war jedoch klar, dass er allein mit Sicherheit tüchtig ins Klo greifen würde und da fiel ihm bloß Eine ein, die als ideale Einkaufsberaterin in Frage käme.
 

Zum Glück stimmte Lydia begeistert zu, denn ein Make-Over war für sie stets ein Riesenspaß. Stiles ahnte jedoch, dass ihm selbst diese Sache vermutlich weniger Freude machen würde, weil seine Freundin nun damit begann, Namen von Boutiquen aufzuzählen, denen sie unbedingt ihre Aufwartung machen mussten und weil aufgeregt und detailliert beschrieb, in welchen Kleidungsstücken sie Stiles gern sehen würde.

Das klang nach Arbeit!

Und es klang, als würde es ein Kampf werden, sich hier seine Selbstbestimmung in Modefragen bewahren zu können!
 

„Also gut, aber nichts zu ausgefallenes, und ich gehe bloß in einen einzigen Laden!“ verhandelte Stiles also die Konditionen ihres Vorhabens:
 

„Wie du meinst!“ erwiderte Lydia säuerlich: „Aber mach´ mich hinterher nicht dafür verantwortlich, falls die gewünschte Wirkung ausbleibt, wenn du mir so die Hände bindest.“
 

Sie verabredeten, dass sie zunächst einmal ausgiebig bei Lydia zuhause frühstücken würden, denn diese erklärte, dass sie ihre Magie nicht wirken könne, wenn sie unterzuckert sei.

Auf der Fahrt zu ihr hielt Stiles also bei einem Bäcker, besorgte ein paar Bagels und stand eine halbe Stunde später bei der Freundin vor der Tür.
 

Lydias Einzimmerwohnung war ein bezauberndes Puppenhaus, eingerichtet in Zartrosa- und Grautönen. Überall gab es ausgewählte Dekorartikel, hübsche Bilder, Postkarten, süße Kinkerlitzchen und elegante Vintage-Möbel zu bewundern, ohne dass es überladen wirkte, was auf so engem Raum ein echtes Kunststück war. Jeder, der hier hereinkam erkannte sofort: Hier lebte eine Frau mit Geschmack!

Anfänglich hatte Stiles sich noch gefragt, warum sie und Malia nicht zusammenzogen, doch als er die beiden besser kennengelernt hatte, hatte es sich von selbst erklärt: Beide Damen hatten ein ziemlich hitziges Temperament und um sich nicht an die Gurgel zu gehen, mussten sie sich eben von Zeit zu Zeit aus dem Weg gehen.
 

Stiles umarmte die Freundin zur Begrüßung und drückte ihr die Tüte mit den Bagels in Hand, welche diese abwesend und stirnrunzelnd entgegennahm. Lydia musterte Stiles so ausgiebig, bis dieser sich nach einer Weile fühlte, als würde er bloß noch in seiner Unterwäsche dastehen:

„Umdrehen und Hemd hoch!“ forderte sie schließlich und der überrumpelte Stiles gehorchte zu seinem eigenen Ärger ohne Widerrede, wie ein gut erzogenes Hündchen:
 

„Arsch und Schultern!“ erklärte dann Lydia scheinbar zusammenhanglos.
 

„Wie bitte?“ fragte Stiles verdutzt und drehte sich sich zu der Erdbeerblondine herum:
 

„Das sind deine Schokoladenseiten: Deine Schultern und dein Arsch! Die sollten wir mit deinem Outfit hervorheben. Ansonsten ist ja auch nicht viel an dir dran.“
 

„WIE BITTE?“ wiederholte Stiles entrüstet: „An mir ist alles dran, was man braucht! Nase, Zehen, Knie, Testikel, alles...! Ich habe jedenfalls noch keine Beschwerden gehört.“
 

Lydia rollte gelangweilt mit den Augen:

„Wenn du meinst? Ich dachte, du willst meine Hilfe?“
 

„Hilfe wobei?“ wollte Stiles wissen: „Dabei, mein Selbstbewusstsein zu untergraben? Also das kriege ich auch allein schon ganz gut hin.“
 

„Im Gegenteil, mein Lieber!“ versicherte Lydia: „Wenn ich mit dir fertig bin, dann wirst du dich fühlen, wie ein Millionen Dollar! Aber jetzt wird erst einmal gegessen! Ich fürchte, ich muss mich für diese Mission ein wenig stärken.“

Die Königin hatte gesprochen, also wurde es auch so gemacht!
 

Etwa eine Stunde später betraten die Beiden eine Herrenboutique, welche Lydia für vielversprechend hielt und sie schnappte sich auch gleich einen der Verkäufer, welcher ihnen behilflich sein sollte. Es handelte sich um einen, beinahe bis auf das Skelett abgehungerten, hochgewachsenen Jungen in ihrem Alter, mit Undercut, hellrosa gefärbtem Deckhaar, Skinny-Jeans in derselben Farbe und einem langen, tief ausgeschnittenen, blau-weiß-gestreiften Shirt, welches mehr von seiner mageren Hühnerbrust enthüllte, als Stiles je hatte sehen wollen. Der Verkäufer hatte die Eleganz eines Balletttänzers, als er mit einem, irgendwie arrogant wirkenden Lächeln zu ihnen herüber geschwebt kam.

An irgendetwas erinnerte ihn dieser Typ, Stiles kam nur nicht gleich darauf, an was?
 

„Mein Freund hier muss heute Abend den bestmöglichen Eindruck machen, in Gesellschaft von ein paar reichen, wichtigen Leuten. Dafür suchen wir nun die passende Garderobe. Geld spielt keine große Rolle. Was habt ihr ihm denn so anzubieten?“ fragte Lydia ganz direkt.
 

Ganz kurz huschte ein Ausdruck über das Gesicht des Verkäufers, der soviel besagte wie: `Ich soll DAS DA in ein menschliches Wesen verwandeln?´, doch Pinkie war ein Profi, also fasste er sich rasch wieder und begann damit, Stiles eingehend von allen Seiten zu begutachten.
 

Unter dem abschätzigen Blick fühlte Stiles sich fett und widerlich, ganz so, als sei er ´Swamp Thing´ und würde hier auf dem sorgfältig gebohnerten Dielenboden schlammige Fußspuren hinterlassen.
 

„Arsch und Schultern!“ lautete Pinkies abschließendes Urteil und Lydia triumphierte:
 

„Es geht doch nichts über die Meinung eines Profis!“
 

„Ihr verarscht mich doch!“ brummte Stiles, doch er wurde nicht mehr gehört, denn Lydia und der Verkäufer waren bereits in verschiedene Richtungen verschwunden, um unzählige Kleidungsstücke herbeizuschleppen, welche er dann ohne Widerrede mit in eine Kabine nehmen und anprobieren musste:
 

„So kann ich da unmöglich auftauchen?“ erklärte Stiles, als er mit angewidertem Gesicht sein erstes Outfit präsentierte; einen brombeerfarbenen, weiß karierten Anzug, Slim-fit und dabei so eng, dass er sich nicht traute auszuatmen, damit die Knöpfe nicht abrissen und in alle Richtungen sprangen:
 

„Gar nicht schlecht!“ fand Lydia und der Verkäufer versicherte:
 

„Das war in der vergangenen Saison in Paris der letzte Schrei.“
 

„Ich sehe aus, wie ein riesiges Kreuzworträtsel!“ murrte Stiles beim Blick in den Spiegel und fügte grollend hinzu: „Ich hätte etwas gesagt, wenn ich wie ein riesiges Kreuzworträtsel hätte aussehen wollen; will ich aber nicht! Ich will GUT aussehen, um einem wirklich tollen Kerl eine Freude zu machen. Kriegen wir das hin, Leute?“
 

„Probier´ diese Kombination doch mal. Ein bisschen moderner, aber darin ist man trotzdem in jeder Gesellschaft gut angezogen!“ schlug der Verkäufer großzügig vor, um Kompromissbereitschaft zu signalisieren und plötzlich wusste Stiles, an wen er ihn erinnerte; nämlich an `Pink Panther´, die Zeichentrickfigur aus den sechziger Jahren!

Er grinste in sich hinein.
 

Bei dem Outfit, welches Pinkie ihm als gütlichen Vergleich hinhielt, handelte sich um eine schwarze Stoffhose und ein pflaumenfarbenens, leicht changierendes Oberhemd; beides scheinbar in Kindergröße.

Das machte der Typ doch mit Absicht, damit er sich fett fühlte!
 

Stiles quetschte sich trotzdem hinein.
 

„Das ist es!“ rief Lydia und der Verkäufer nickte begeistert und klatschte affektiert in die Hände.
 

„Wieso ist die Hose so kurz? Erwarten wir ein Hochwasser?“ empörte sich Stiles: „Außerdem schläft mir hier gerade der Schwanz ein. Ich glaube nicht, dass das gesund ist!“
 

Lydia lief einmal um ihn herum und wandte dann ein:

„Aber dafür kommt dein Arsch darin bestens zur Geltung! Außerdem solltest du dich echt nicht so anstellen, Prinzessin! In meinen Zehen habe ich bereits seit Jahren kein Gefühl mehr, aber dafür sehe ich in diesen Stilettos unheimlich heiß aus! Und sie machen mich zwölf Zentimeter größer!“
 

Stiles rollte mit den Augen:

„Mir doch egal! Ich will diese Hose in mindestens einer Größe mehr, auch wenn mein Arsch dann Matsch ist und das bitteschön ein bisschen plötzlich, bevor ich nie wieder in der Lage bin, einen Orgasmus zu erleben!“

Er drehte sich auf dem Absatz um und warf mit einer divaesquen Bewegung den Kabinenvorhang hinter sich zu, um sich schleunigst wieder aus dieser schwarzen Wurstpelle zu befreien.
 

Unterdessen lief der Pink Panther auf seinen dürren Stelzen los, um seinem pummeligen, schlecht gelaunten, schwierigen Kunden die gewünschte Riesenhose herbeizuschaffen.
 

Größer hieß im Falle dieser Hose auch länger, was Stiles wesentlich besser gefiel und als ihm nun nicht mehr die Genitalien abgeklemmt wurden, war er auch gleich wieder besserer Stimmung und er urteilte:

„Das ist schon besser. Ich nehme Hemd und Hose!“
 

Lydia und der Verkäufer tauschten einen vielsagenden Blick und die Erdbeerblondine erklärte:

„Er braucht noch eine Fliege dazu. Mint oder rosa, wenn ihr habt!“
 

Und der Verkäufer verschwand gehorsam, um das gewünschte zu besorgen.
 

Nun probierte sich Stiles weiter tapfer durch unzählige Hosen, Hemden, Westen, Jacketts und so weiter bis er am Ende mit vier vollen Tragetaschen und um Zweitausendfünfhundert Piepen ärmer das Geschäft verließ.
 

Pinkie blickte ihnen hinterher und tupfte sich mit einem Stofftaschentuch erschöpft die Stirn.

Zweifelsohne würde er nach dieser Strapaze jetzt erst mal ein Mineralwasser mit einem Spritzer Zitrone und ein Drittel Müsliriegel zur Stärkung brauchen, dachte Stiles gehässig.
 

Seine Freundin Lydia war da allerdings weit weniger leicht zufrieden zu stellen.

Es war bereits später Nachmittag und sie forderte müde:

„Und nun lädst du mich auf einen großen Soja-Latte und ein paar Zimtschnecken ein, denn dich zu beraten ist echt kräftezehrend!“
 

Stiles schaute sie ungläubig an, denn immerhin war er es doch gewesen, der sich von einem katastrophalen Outfit in das nächste hatte quälen müssen, doch er sagte nichts, sondern steuerte ganz einfach bloß den nächsten Coffeeshop an.

Immerhin hätte er nun wenigstens etwas zum Anziehen im Schrank, also wären seine Leiden die Sache wert gewesen, oder nicht?

Über ihr Café-Glas hinweg fragte Lydia später:

„Was wirst du eigentlich mit deinen Haare machen?“
 

„Was ist los?“ bellte Stiles verstimmt: „Was sollte ich wohl damit machen? Vielleicht eine süße Hochsteckfrisur mit eingearbeiteten Blüten? Was zu Teufel stimmt denn nicht meinen Haaren?“
 

„Du solltest sie mal wieder schneiden lassen. Der Schnitt ist ja schon ganz herausgewachsen. Diese reichen Typen achten auf so etwas!“ entgegnete Lydia bloß seelenruhig.
 

„Also, Derek ist so etwas scheißegal.“ konterte Stiles mürrisch, denn er fühlte sich leider überhaupt nicht, wie eine Millionen Dollar, wie Lydia es ihm versprochen hatte.

Er fühlte sich mangelhaft!
 

Eigentlich hatte Stiles fest vorgehabt, direkt nachhause zu fahren, nachdem er Lydia wie gewünscht bei Malia abgesetzt hatte, aber dann ließen ihm seine blöden Haare doch keine Ruhe und er steuerte tatsächlich einen Friseurladen an.
 

Die Hairstylistin, welche ihn betreute, war von Kopf bis Fuß ein echtes Kunstprodukt. Die blonde Mähne auf ihrem Haupt hätte jeden Löwen vor Neid erblassen lassen, allerdings bestand sie in ihrem Fall zu mindestens dreiundsiebzig Prozent aus Extensions.

Überdies hatte die Dame mörderische Acrylkrallen, passenderweise in blutrot, und Stiles fragte sich, wie irgendjemand mit diesen Nägeln seiner Arbeit nachgehen konnte.

Oder wie es dieser Frau gelang, so eine einfache Aufgabe zu bewältigen, wie sich ein Sandwich zu belegen?

Und nicht auszudenken, was erst geschehen mochte, wenn sie jemandem einen Handjob zu geben versuchte?

Stiles schüttelte sich.

Er fragte sich, wie man mit diesen Klauen überhaupt irgendetwas tun konnte, ohne sich selbst, oder andere in Lebensgefahr zu bringen und fürchtete sich ein wenig davor, sich von ihr frisieren zu lassen?

Das Gesicht der Blondine war ohne nennenswerten Ausdruck und Stiles ahnte, das der Grund hierfür Botox sein musste. Ihre riesigen Silikonbrüste schwebten vor Stiles Gesicht wie Fesselballons, als die Friseurin nachdenklich in seinen Haare herumwuschelte:

„Wie wär´s mal mit etwas Neuem? Strähnchen vielleicht? Oder ein Side-Cut?“ fragte sie Kaugummi kauend, produzierte damit eine Blase und ließ diese dann geräuschvoll wieder zerplatzen.
 

„Nur nachschneiden!“ erklärte Stiles unfreundlicher als nötig. Er hatte für einen Tag wirklich genug davon, sich sagen zu lassen, was an ihm alles nicht stimmte und überarbeitet werden könnte.
 

Die Plastikbraut ließ die barsche Ansprache jedoch völlig kalt und sie urteilte:

„Du könntest mehr aus dir machen Kleiner! Gutes Aussehen ist ein Haufen Arbeit! Siehste ja an mir!“
 

„Kein Interesse!“ murrte Stiles: „Ich bleibe lieber Durchschnitt!“
 

„Wie du meinst.“ erwiderte die Friseurin schulterzuckend und gab Stiles das, was er verlangt hatte: Einen normalen, langweiligen Durchschnittshaarschnitt!
 

Mit diesem hochzufrieden, machte er sich dann auf den Heimweg.
 

Zuhause fütterte Stiles als erstes Harvey, streichelte sie ausgiebig und sah bei den Babys nach dem Rechten.

Dann schob sich selbst noch rasch ein Sandwich rein, ehe er damit begann, sich für den Abend aufzubretzeln: Duschen, ein wenig Pampe in die Haare und das Ganze in die gewünschte Form bringen, rasieren, ein Spritzer Eau de Cologne und dann entscheiden, welches neue Outfit es für heute sein sollte. Stiles befand schließlich, dass er es am Besten schlicht halten sollte, um nicht zu sehr herauszustechen. Er wählte daher ein blütenweißes Hemd und eine edle, graue Stoffhose, weil diese Kombination ihm am Elegantesten erschien und gleichzeitig seine angeblichen Schokoladenseiten am besten in Szene setzte. Er legte noch die Cartier an, die Derek ihm geschenkt hatte, band sich einen schmalen, schwarzen Schlips um und zog sich die elegante, schwarze Lederjacke über, welche sein Lieblingsstück des heutigen Einkaufs war. Er schlüpfte in nagelneue, schwarze Halbschuhe, drehte sich vor dem Spiegel und sagte schließlich aufmunternd zu seiner Reflexion:

„Also ich würd´s mit dir machen, Stilinski!“ ehe er sich ein Taxi rief und sich auf den Weg machte.

Als er dem Fahrzeug im Business District von Downtown L.A. wieder entstieg, schaute er ein wenig eingeschüchtert den Hale-Tower hinauf. Er hatte ein wenig von einer gewaltigen Kathedrale und war auch genau so einschüchternd!
 

Wenn sie nebeneinander im Bett lagen, dann konnte Stiles sich einreden, Derek und er seien Gleiche; einfach nur zwei Männer, die einander gut taten, die Gesellschaft des Anderen genossen und die beinahe so etwas wie Freunde waren, doch hier vor diesem Wolkenkratzer zu stehen machte Stiles eines klar: Derek und er waren keineswegs gleichgestellt und sie würden es auch niemals sein!

In diesem Gebäude arbeiteten Tausende von Menschen für einen einzigen Mann und Stiles war bloß einer von ihnen, auch wenn seine Dienste etwas andere sein mochten!
 

Und dieses Gebäude war ja war bloß die Hauptgeschäftsstelle! Es gab Hunderte Filialen auf der ganzen Welt, genau wie diese hier, gefüllt mit den Mitarbeitern der Hale Company.

Nein, Stiles war nichts Besonderes; nur ein weiterer Angestellter.

Er holte tief Luft und betrat das Foyer.
 

Eigenartiger Weise war der gesamte Vorraum mit fliederfarbenen und silbernen Luftballons dekoriert. Dies schien wohl doch etwas mehr, als ein zwangloser Umtrunk mit ein paar Mitarbeitern zu sein, wie Stiles erwartet hatte.
 

Ein Pförtner erklärte ihm, dass er für die Feierlichkeiten mit dem gläsernen Fahrstuhl in den siebenundzwanzigsten Stock hinauffahren müsse.

Oben angekommen war bereits eine riesige Party im Gange. Kellner von einem Cateringservice liefen mit Tabletts herum, auf denen sich Getränke und kleine Snacks befanden. Überdies gab es allerdings noch ein riesiges Buffet und eine üppig ausgestattete Bar, so dass für das leibliche Wohl bestens gesorgt war.
 

Es gab eine kleine Bühne, auf der eine schlanke, hübsche Afroamerikanerin in einem engen roten Paillettenkleid mit ihrer tiefen, rauchigen, wundervollen Stimme Bluesklassikern auf leise und schwermütige Art neues Leben einhauchte.

Es waren mindestens hundert Gäste anwesend. In diesem Durcheinander Derek auszumachen erschien beinahe wie eine Unmöglichkeit, doch Stiles entdeckte etwas anderes, nämlich einen riesigen Tisch, der überquoll von Geschenken und ein Spruchband darüber mit der Aufschrift:

`Happy Birthday, Derek Hale!´
 

`So ein Mistkerl!´, dachte Stiles ärgerlich. Wieso hatte er ihm das denn nicht vorher gesagt?
 

In diesem Moment löste sich Derek aus einer Gruppe von Anzugträgern und kam auf Stiles zu.

Er sah tatsächlich aufrichtig glücklich aus, ihn zu sehen, legte die Arme um ihn, küsste ihn weich auf die Lippen und versicherte:

„Verdammt Stiles! Du siehst echt heiß aus. Warst du etwa extra beim Friseur? Das ist ja süß von dir, aber das wäre doch nicht nötig gewesen!“
 

Diese warme Begrüßung entwaffnete Stiles im ersten Moment vollkommen und er nahm sich vor, Lydia als Dankeschön zum Essen einladen würde, oder so.

Wesentlich sanfter, als er zunächst beabsichtigt hatte, flüsterte Stiles:

„Eine Bürosache, ja? Du hättest mir sagen mir sagen müssen, dass heute dein Geburtstag ist! Nun stehe ich wie ein Idiot da und habe nicht einmal ein Geschenk für dich. Was sollen die Leute denken?“
 

Dereks Lächeln wurde noch ein wenig breiter. Es war ein wunderschöner Anblick, der ein wohliges Ziehen in Stiles Bauch verursachte:
 

„Die Leute werden denken, dass Liebende ihre Geschenke nicht in der Öffentlichkeit bei einer Firmenparty austauschen. Und außerdem bist DU doch das Geschenk, weil du dich für mich schön gemacht und deinen kleinen sexy Knackarsch in diese gutsitzende Hose verpackt hast!“

Derek ließ seine Hand einen kurzen Moment zu eben jenem kleinen sexy Knackarsch hinunter wandern und strich darüber, was kleine Stromstöße über Stiles gesamten Körper schickte.

Dann jedoch zog Derek seine Finger wieder fort und bedeute jemandem vom Personal, Stiles seine Jacke abzunehmen. Er führte ihn herum, zum Buffet und zur Bar und als dann für sein leibliches Wohl gesorgt war, stellte er ihm einige der Mitarbeiter und Geschäftspartner vor, die heute hier versammelt waren. Und während der ganzen Zeit hielt Derek seine Hand, hatte einen Arm um ihn gelegt, oder küsste ihn hin und wieder flüchtig.

Es war richtig schön!
 

Stiles genoss die bewundernden und teilweise auch ein wenig neidischen Blicke ein kleines bisschen, auch wenn dies hier ja bloß Show war. Immerhin war Derek nicht nur unerhört attraktiv, er fand sich überdies auch noch in den oberen Rängen der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt. Dass so jemand sich überhaupt mit ihm abgab war schon höchst unwahrscheinlich. Dass es ihm überdies nichts ausmachte, die Menschen glauben zu lassen, Stiles sei sein Partner konnte dieser noch immer kaum glauben.

Stiles fühlte sich wohl und sicher an Dereks Seite und er erlaubte sich einen kurzen Moment lang davon zu träumen, dass ihre Lüge eines Tages doch noch zur Wahrheit werden könnte.
 

Und dann kam Deucalion!

Er war in Begleitung von Erica und beide umarmten das Geburtstagskind überschwänglich.

Auch Stiles wurde von beiden freundlich begrüßt und da hätte dieser bereits stutzig werden müssen, denn einer wie Deucalion änderten seine Ansichten über einen Menschen nun mal nicht einfach so. Und da kam auch schon das dicke Ende: Der Ältere winkte eine schönen Blondine heran, welche gerade aus dem Fahrstuhl ausgestiegen war und erklärte munter:
 

„Ich habe eine besondere Überraschung für dich, Derek! Sieh nur, wer pünktlich zu deinem Geburtstag über den großen Teich geflogen ist, damit sie heute bei dir sein kann?“
 

„Kate!“ rief Derek begeistert und lief der Fremden entgegen. Sie fielen sich lachend um den Hals und wollten sich nun scheinbar eine Ewigkeit lang nicht mehr loslassen.

Dann endlich besann Derek sich scheinbar endlich, dass sie ja nicht allein im Raum waren:
 

„Stiles, ich will dir jemanden vorstellen. Das hier ist Kate Argent! Die kleine Schwester von Chris und Allisons Tante! UND ich habe sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen! Kate, das hier ist Stiles, mein... uhm...mein Freund!“
 

Die Frau lächelte herzlich und streckte Stiles die Hand zur Begrüßung hin.

Was niemand außer ihnen beiden ahnte, war die Tatsache, dass Kate Argent ein wenig fester und länger zudrückte, als unbedingt nötig und sie Stiles damit regelrecht wehtat:

„Es freut mich sehr, zu sehen, dass unser Derek endlich wieder jemanden gefunden hat!“ behauptete das Miststück, während sie sich nach Kräften bemühte, Stiles den Mittelhandknochen zu zerquetschen.
 

„Wann bist du angekommen, Kate?“ wollte Derek wissen, der nichts davon mitbekam und erst da gab sie Stiles malträtierte Finger wieder frei und antwortete fröhlich:
 

„Gerade eben erst. Ich bin praktisch vom Flughafen direkt hierher! Du wirst schließlich nur einmal dreißig, richtig Baby?“
 

„Das ist ja wirklich lieb von dir!“ versicherte Derek: „Und nun sorgen wir erst einmal dafür, dass du etwas zu Essen und zu Trinken bekommst. Und dann musst du mir alles über Europa erzählen! Ich habe gehört, du bist für Lagerfeld gelaufen? Stimmt das? Wie ist er denn so!“
 

„Ein furchtbarer Perfektionist und ein echt schräger Kauz!“ seufzte Kate dramatisch und Erica erklärte: „Also dass will ich auch hören!“ und so steuerten sie zu dritt das Buffet an und Stiles war mit einem Mal vollkommen abgeschrieben!
 

Einer blieb jedoch bei ihm zurück, und das war Deucalion:

„Sie sind ein schönes Paar, nicht war, Stile? Kate ist ein Modell.“ berichtete er mit einem gemeinen Grinsen, welches seine Lippen umspielte: „Vor ein paar Jahren konnten die Zwei gar nicht die Finger von einander lassen. Wie ich gehört habe, kamen sie überhaupt nicht mehr aus dem Bett raus, doch Kate war damals noch nicht zu einer festen Bindung bereit. Aber weißt du, was ich jetzt höre, Kleiner? Dích höre das leise Tick-Tack ihrer biologischen Uhr! Und Derek wird eines Tages ein paar Erben für sein Unternehmen brauchen, oder was denkst du? Du legst dich zwar echt ins Zeug, um dir diese einmalige Chance nicht durch die Lappen gehen zu lassen, aber dieses kleine Kunststückchen bringst du ja wohl trotzdem nicht fertig, was Stiles?“ Deucalio lachte leise: „Du sollst wissen, dass dies hier nur der Anfang ist! Wer weiß, welches Kaninchen ich als nächstes aus dem Hut zaubere! Du kannst dieses Spiel nicht gewinnen und am Ende wirst du ohne alles dastehen, mein Junge! Aber du hast Glück, denn ich bin schließlich kein Unmensch! Mein Angebot steht noch, weißt du? Eine Millionen, wenn du auf Nimmerwiedersehen verschwindest und Derek in Ruhe lässt!“
 

Stiles schüttelte den Kopf und entgegnete:

„Ich weiß wirklich nicht, was ich getan habe, damit du mich so hasst, Decalion, aber Geld interessiert mich nicht! Derek braucht mich und ich bin für ihn da. Vielleicht kann einer wie du das nicht verstehen, aber meine Antwort lautet weiterhin Nein! Behalt´ deine blöde Kohle! Und nun lass´ mich einfach in Frieden!“

Er drehte sich auf dem Absatz um und marschierte hinüber zu Derek und den beiden Frauen. Kate berichtete immer noch von Europa; von Mailand, Paris und Berlin, von Naomi, Gisele und Gigi... es war voll und ganz IHRE Show und Erika und Derek hingen quasi an ihren Lippen. Das ging beinahe zwei Stunden so! Stiles interessierte das Ganze einen Scheiß, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und an den richtigen Stellen zu lachen, oder beeindruckt zu tun.
 

Im Grunde war er jedoch voll und ganz mit seinem eigenen Gefühlsleben beschäftigt. Er sich gelangweilt und niedergeschlagen und biss lediglich Derek zuliebe in diesem Moment die Zähne zusammen. Eines wurde Stiles in diesem Moment ganz deutlich: Selbst wenn sein Arbeitgeber irgendwann anfangen würde, mehr als bloß einen Angestellten, oder einen bezahlten Freund, oder was auch immer zu sehen, würde dieser Deucalion mit Sicherheit einen Weg finden, das Ganze im Keim zu ersticken. Er war nicht Cinderella und das Leben war nun mal kein Märchen und darum sollte er auch endlich mal damit anfangen, der Realität ins Auge zu blicken!

Stiles griff sich ein Glas Rotwein von einem Tablett, welches soeben an ihm vorüber getragen wurde, in der Hoffnung, das Ganze mit Alkohol im Blut leichter zu ertragen, hakte sich bei Derek unter und schmiegte sich an dessen breiten Bizeps, was das Geburtstagskind scheinbar endlich daran erinnerte, dass Stiles überhaupt noch anwesend war:
 

„Hey, Süßer! Fühlst du dich nicht gut?“ wollte er wissen: „Du bist ein bisschen blass?“
 

„Es geht schon!“ behauptete Stiles.

Er wollte gerade einen Schluck aus seinem Glas nehmen, als Kate bei den Schilderungen ihres fantastischen, schillernden Modellalltags einmal ein wenig zu wild gestikulierte und Stiles damit den Inhalt seines eigenen Weinglases über das neue weiße Hemd kippte. Die dunkelrote Flüssigkeit breitete sich sogleich auf seiner gesamten Brust aus wie Blut.
 

Es klang beinahe aufrichtig, als Kate sagte:

„Oh Mann, es tut mir entsetzlich leid! Ich bin so furchtbar ungeschickt! Vielleicht lässt das Hemd sich ja noch retten, wenn du es jetzt gleich auswäschst?“
 

Stiles war sich trotzdem sicher, dass es reine Absicht von ihr gewesen sein musste. Schließlich hatte er es ja auch gewagt, für einen kurzen Moment Dereks Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und dies war mit Sicherheit die Rache dafür.

So ein Miststück!
 

„Das ist ja schade!“ sagte nun auch Derek bedauernd: „Es war so ein schönes Hemd. Ich werde es dir ersetzen! Lass´ mich schnell nachsehen, ob wir hier im Haus nicht irgendwo etwas anderes haben, was du überziehen kannst! Warte kurz hier!“
 

Stiles hielt ihn am Arm zurück und erklärte niedergeschlagen:

„Nein lass´ es! Ich werde einfach nachhause gehen!“
 

Derek sah bestürzt aus und bot an:

„Dann werde ich aber mit dir kommen, in Ordnung?“
 

Stiles schüttelte heftig den Kopf:

„Kommt nicht in Frage! Das hier ist schließlich deine Geburtstagsparty. All´ die Leute hier sind doch nur wegen dir hier. Mach´ dir keine Gedanken um mich! Du hast doch nette Gesellschaft. Hab´ viel Spaß, Baby! Und wenn du später noch vorbeikommen willst, dann hast du ja deinen Schlüssel.“

Er schenkte Kate ein gezwungen-herzliches Lächeln, gab Derek einen Kuss und wandte sich zum Gehen.
 

Diese Bitch mochte vielleicht einen Zickenkrieg wollen, aber Stiles würde da nicht mitmachen!

Und wenn Derek seine alten Gefühle für Kate Argent wiederentdeckte, dann gab es ja wohl auch nichts, was er dagegen tun konnte, richtig?
 

„Warte mal!“ rief Derek ihm hinterher und drehte ihn zu sich um: „Bist du wirklich in Ordnung, Stiles?“
 

„Sicher, Baby!“ beteuerte er: „Bloß ein bisschen müde und ich rieche wie eine Kneipe. Darum würde ich gern duschen, mir etwas Sauberes anziehen und mich dann ins Bett legen.“

Er küsste Derek noch einmal nach allen Regeln der Kunst und verabschiedete sich damit endgültig.
 

Als er an der Garderobe seine Lederjacke abholen wollte, stand urplötzlich Deucalion hinter ihm:

„Ts, ts! Wirklich schade um das schöne Hemd! Sieht teuer aus! Und nun willst du uns wirklich schon verlassen, Stiles?“
 

Stiles schnappte sich seine Jacke und zischte:

„Ja, du mich auch, Mann! Und nun geh mir aus dem Weg!“ Er rempelte den Älteren mit einer Schulter an und schob ihn so beiseite und marschierte dann schnurstracks auf den gläsernen Fahrstuhl zu.
 

Er wollte einfach nur noch hier raus!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück