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Schlaflos

von

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Mein Freund Harvey

Derek erwachte vom Vogelgezwitscher vor dem Fenster und weil ihn die Sonne auf der Nase kitzelte.
 

Und erst da wurde es ihm bewusst: Sonne?
 

Er schlug die Augen auf und konnte es nicht fassen. Er hatte wirklich die ganze Nacht durchgeschlafen, ohne auch nur einmal zwischendrin aufzuwachen?

Es grenzte beinahe an ein Wunder!
 

Scheinbar hatte er sich in der Nacht noch nicht einmal wirklich bewegt, denn er lag immer noch genauso da, wie er sich am Abend gebettet hatte; mit dem Kopf an Stiles Schulter.

Für den verletzten Jungen musste dies mit Sicherheit schrecklich unbequem gewesen sein und dennoch hatte er eigenartigerweise im Schlaf nicht versucht, seine Last abzuschütteln.
 

Trotzdem erhob Derek sich nun so vorsichtig er konnte und riskierte dann einen genauen Blick auf den Schlafenden.

Stiles Mund war leicht geöffnet. Die Wunde an seiner Lippe hatte sich in der Nacht scheinbar wieder geöffnet, denn er hatte ein wenig getrocknetes Blut im Mundwinkel und die Beule an seiner Stirn hatte sich mittlerweile gelb-grünlich verfärbt.
 

In seinem entspannten Zustand und insbesondere mit seinen gegenwärtigen Blessuren sah Stiles sehr jung und irgendwie unschuldig aus.

Es war in diesem Augenblick für Derek kaum vorstellbar, dass jemand mit so einem Gesicht tagtäglich draußen auf der Straße stand und seinen Körper an wildfremde Kerle verkaufte.

Derek hatte Stiles nicht einmal gefragt, wie alt dieser eigentlich war und betete inständig, dass er wenigstens bereits volljährig sein möge.
 

„Wie hast du geschlafen?“ nuschelte Stiles und der Ältere zuckte ertappt zusammen:
 

„Gut!“ antwortete Derek knapp.
 

Natürlich war die Untertreibung des Jahrtausends.
 

Er hatte geschlafen, wie ein Baby!

Er hatte geschlafen, wie ein Stein!

Er hatte geschlafen, wie ein Toter!

Er hatte geschlafen, wie in Abrahams verdammtem Schoß!
 

„Schön!“ erwiderte Stiles, reckte sich und stöhnte gleich darauf auf, denn er hatte offenbar seine angeschlagenen Rippen vergessen.
 

„Wie fühlst du dich heute Morgen?“ fragte Derek also:
 

„Prima!“ behauptete Stiles.

Dieser Junge konnte lügen, ohne rot zu werden, stellte Derek fest.
 

In diesem Moment klopfte es sacht an der Tür:
 

„Herein!“ rief Derek.
 

Es war dieser Butler Greenburg, welcher fragte:

„Was möchten sie und ihr Gast frühstücken, Mr. Hale?“
 

„Ich hätte gern ein französisches Omelett mit Pilzen.“ erwiderte Derek und blickte Stiles fragend an.
 

Der zuckte schüchtern mit den Schultern und weil er nicht so dreist sein wollte irgendwelche Sonderwünsche anzumelden, entschied er sich ganz einfach für dasselbe.
 

Greenburg zog sich zurück und Stiles bemerkte überrascht:

„Er hat nicht einmal mit der Wimper gezuckt, obwohl ich hier mit dir liege. Heißt das, du hast öfter männliche Übernachtungsgäste?“
 

Derek gab eine kleines, genervtes Seufzen von sich:

„Habe ich nicht, aber selbst wenn: Er ist ein Butler! Die oberste Regel in seines Berufsstandes lautet Diskretion.“
 

„Und macht es dir gar nichts aus, dass er denken könnte, du und ich...?“ fragte Stiles.
 

„Dass du und ich... WAS?“ hakte Derek mürrisch nach.
 

Stiles rollte mit den Augen:

„Na was denkst du wohl?“
 

„Es ist völlig egal, was Greenburg denkt!“ gab Derek zurück: „Ich wohne hier und kann machen, was ich will!“
 

Plötzlich wurde Stiles etwas klar:

„Er hat dich Mr. Hale genannt!“
 

Derek stöhnte:
 

„Du bist DEREK HALE, der Dot-Com-Milliardär!“ stellte Stiles fassungslos fest.

Dann schob er sanft hinterher:

„Das mit deiner Familie tut mir übrigens leid!“
 

Man musste schon die letzten eineinhalb Jahre in einer Höhle gelebt, oder im Koma gelegen haben, um nichts über den Mordanschlag auf die Familie Hale gehört zu haben. Es war wochenlang in allen Medien gewesen.
 

Und vor Stiles saß also tatsächlich Derek Hale, der einzige Überlebende dieses furchtbaren Massakers.

Kein Wunder, dass er nicht schlafen konnte!
 

Derek hatte unzufrieden die Arme vor der Brust verschränkt. Ganz offensichtlich passte es ihm ganz und gar nicht, dass Stiles nun wusste wer er war, also versicherte dieser:

„Hey! Keine Angst! Ich bin diskret! Ich renne jetzt nicht zu den Paparazzi und erzähle ihnen: `Ich bin der Stricher, den Derek Hale bezahlt!´ , oder so etwas.“
 

„Da entgeht dir aber ein Vermögen!“ knurrte Derek bitter: „Ich habeschon immer versucht, mein Gesicht aus den Medien herauszuhalten, aber seit meine Familie tot ist, lassen diese Schmeißfliegen lassen einfach nicht locker. Sogar auf der Beerdigung sind sie über mich hergefallen. Danach haben sie mir monatelang vor meinem Grundstück aufgelauert, als ob es auf der Welt keine interessanteren Dinge gebe, als wann ich komme und gehe, wen ich bei mir habe, was ich anhabe, oder ob ich einen Burger esse! Ich brauchte einen Gerichtsbeschluss, um dieses Gesindel wieder loszuwerden!“
 

Stiles griff vorsichtig nach Dereks Hand und verschränkte ihre Finger:

„Klingt Scheiße! Aber nur damit du es weißt: Ich würde nicht zu den Medien gehen! Du warst sehr nett zu mir. Ich habe echt kein Interesse daran, dir zu schaden.“
 

Derek schaute ihn skeptisch an und zog vorsichtig seine Hand wieder aus der von Stiles:

„Du kennst mich überhaupt nicht und ich bedeute dir nichts, also warum sollte ich dir das glauben? Es ist ja nicht so, dass du die Kohle nicht gebrauchen könntest.“
 

„Ich bin so aber nicht!“ erwiderte Stiles ein klein wenig verletzt „Außerdem: Du kennst mich überhaupt nicht und ich bedeute dir nichts und trotzdem hast du mich gestern nicht blutend am Straßenrand liegen lassen, sondern hast mir geholfen.“
 

Derek zuckte mit den Schultern und setzte gerade dazu an etwas zu erwidern, als es erneut an der Tür klopfte.

Greenburg trat ein und hatte ihr Frühstück dabei.
 

Ohne, dass sie selbst irgendetwas tun mussten, wurden sie rundum versorgt. Der Butler stellte ihnen kleine Tischchen auf den Schoß, auf welchen er die dampfenden Teller platzierte. Dazu erhielten sie Orangensaft welcher aussah, als sei er extra frisch für sie gepresst worden und einen Milchkaffee im hohen Glas und festem Milchschaum darauf und einem Strohalmlöffel darin.

Ein Traum!
 

Derek nahm das alles als vollkommene Selbstverständlichkeit hin, während Stiles den Mund nicht mehr zu bekam.

Er nahm eine Gabel voll von dem Omelett und hätte fast geweint. Vermutlich hatte er noch nie etwas Besseres gegessen:

„Dein Butler kocht gut!“ kommentierte er.
 

Derek musste lachen:

„Greenburg kocht nicht, Stiles! Das war der Koch!“

Stiles blickte ihn fassungslos an:

„Du hast einen eigenen Koch? Nur für dich allein? Und der hockt hier einfach so dumm herum, falls du mal Appetit auf Filet Mignon bekommst, oder wie?“
 

„Na ja... JA!“ gab Derek verlegen zu: „Dafür bezahle ich ihn ja schließlich auch gut!“
 

„Und hast du noch mehr Personal?“ wollte Stiles wissen.
 

Derek zuckte unbehaglich mit den Schultern:

„Das hier ist ein großes Haus! Das kann ich schließlich nicht allein in Stand halten!“ rechtfertigte er sich: „Ich habe Reinigungspersonal, Gärtner, Handwerker, einen Personal-Trainer... und zeitweise beschäftige ich auch Bodyguards.“
 

Stiles spottete lachend:

„Unsere Leben sind sich ja so ähnlich!“

Dann wollte er wissen:

„Aber wozu braucht ein großer Junge wie du denn Bodyguards? Du bist gebaut, wie ein Preisboxer, oder so!“

Er kniff nachdenklich die Augen zu: „Es ist wegen dem, was deiner Familie passiert ist, richtig? Aber sind die Leute, die das getan haben nicht hinter Gitter gekommen?“
 

Statt einer Antwort zuckte Derek lediglich mit den Schultern und Stiles hatte das deutliche Gefühl, dass er besser nicht weiter nachhakte. Stattdessen forderte er:

„Na komm´! Zeig´ mir dein Schloss, Prinz Charming! Und lass´ nichts aus! Ich will sehen, wie die besseren Menschen so leben!“
 

„Es gibt keine `besseren Menschen´, Stiles; bloß dieselben Arschlöcher mit dickere Geldbörsen. Menschen sind Bestien, egal in welchen Kreisen du verkehrst!“ behauptete Derek knurrend.
 

Stiles schob kichernd ihre Tabletts beiseite, hockte sich ungefragt rittlings auf Dereks Schoß und entgegnete:

„Du bist zu süß, um so bitter zu sein, mein Großer!“

Dann begann er, sacht am Hals des Älteren zu knabbern.
 

Derek ergriff die Arme des jungen Mannes; nicht eben sanft, schob dessen Oberkörper so weit von sich fort, dass er ihm ins Gesicht schauen konnte und schimpfte:

„Sag´ mal, was glaubst du eigentlich, was du da machst?“
 

„Ich helfe dir, ein bisschen lockerer zu werden. Ehrlich, ich kann das!“ versicherte Stiles und rieb seinen Schoß gegen Dereks Becken: „Entspann´ dich und lass´ mich einfach machen. Ich schwöre dir, du wirst deinen Spaß haben!“
 

Derek hob den jungen Mann von seinem Schoß und sagte scharf:

„Ich bin allergisch gegen Spaß, also lass´ es bleiben!“
 

Stiles legte den Kopf schief und fragte stirnrunzelnd:

„Stehst du eigentlich nicht auf Kerle, oder was ist dein Problem?“
 

„Wofür ist das denn wichtig?“ schnappte Derek genervt:
 

„Ich frage mich nur langsam, ob´s an mir liegt. Ich meine... ich bin da, ich bin willig, du kannst es dir mehr als leisten...! Stimmt etwas nicht mit mir? Rieche ich komisch? Findest du mich nicht attraktiv, oder woran liegt´s?“
 

Derek zog finster die dichten, dunklen Augenbrauen zusammen:

„Ich habe doch schon gesagt, das mit dir alles in Ordnung ist. Ich zahle bloß nicht... DAFÜR!“
 

„Aha!“ machte Stiles: „Du bezahlst also dafür, dass jemand dir Rührei macht, dafür dass man deinen Müll hinter dir wegräumt und dir die Unterwäsche für den nächsten Tag raus legt, aber nicht für deine Orgasmen, hm? DA ziehst du also die Grenze?“
 

„Schnauze Stiles! Niemand legt mir meine Unterwäsche raus. Und Prostitution ist nun mal nicht mein Ding. Sie ist erbärmlich!“
 

„Ach echt?“ rief Stiles ärgerlich und verletzt: „Weißt du was? Dann fick´ dich doch einfach selbst! Ich verschwinde jedenfalls!“

Er sprang auf, schlüpfte aus dem luxuriösen, geliehenen Satinpyjama und schnappte sich seine Jeans.
 

Derek war mittlerweile hinter ihm her gehechtet, hatte ihn an den Schultern gepackt und zu sich herumgedreht:

„Ach komm´ schon, Stiles!“ sagte er mit Kreide in der Stimme, denn schließlich brauchte er den Jungen noch:

„So meinte ich das doch gar nicht. Nicht DU bist erbärmlich, sondern die Typen, die zu dir kommen. Ich meine... es hat doch wohl einen Grund, dass sie keinen finden, der es freiwillig mit ihnen macht, oder nicht? Komm´ schon! Sei ehrlich!“
 

Stiles schüttelte ärgerlich den Kopf:

„Was weißt du schon, reicher Junge? Du hast doch überhaupt keine Ahnung, wovon du eigentlich sprichst! Du lebst hier oben auf deinem Olymp und blickst auf uns arme Sterblichen hinab!“ schimpfte er unversöhnlich: „Aber es ist nun mal nicht jeder ein griechischer Gott! Sicher, manche meiner Kunden sind echte Arschgeigen und andere kommen einfach zu mir, um ein bisschen Druck loszuwerden, aber viele sind auch einfach nur traurige, einsame Männer die sich wünschen, dass jemand mal einen Augenblick lang lieb zu ihnen ist. Jeder möchte doch hin und wieder einfach nur berührt werden. Und mir ist es egal, ob sie alt sind, fett oder hässlich. Ich... sehe den Menschen hinter der Fassade!“
 

Derek senkte verlegen den Kopf:

„Ich habe dich verletzt! Das tut mir leid, Stiles! Du hast vollkommen recht! Was weiß ich schon? Ich bin ein dämlicher, reicher Snob und habe im Grunde keine Ahnung von deinem Leben. Verzeihst du mir?“
 

Stiles sah immer noch ein wenig säuerlich aus und knurrte:

„Fällt schwer, es nicht zu tun, bei DEINEM Augenaufschlag, Hollywood!“
 

Derek lächelte.

Er hatte wirklich ein spektakuläres Lächeln

Unfair!
 

„Bleibst du noch? Und willst du jetzt das Haus sehen? Ich habe Schlangen im Keller!“ säuselte er.
 

Stiles krauste die Nase:

„Huh? Dann solltest du einen Kammerjäger kommen lassen, oder nicht?“
 

Derek lachte:

„Es sind Haustiere, Stiles. Boas! Die längste von ihnen ist über drei Meter lang!“
 

„Andere Leute haben Welpen, Wellensittiche oder Häschen.“ erwiderte Stiles ein wenig angewidert.
 

„Also Häschen habe ich auch. Irgendwas müssen die Schlangen schließlich fressen.“ gab Derek schulterzuckend zurück.
 

„Das ist echt widerlich!“ rief Stiles aus.

Dann bestimmte er gnädig

„Also gut, du darfst mir jetzt dein Haus zeigen.“
 

Wie erwartet, war das Haus gewaltig und wirklich von Derek bewohnt wurde wohl nur ein sehr kleiner Bereich, nämlich das Schlafzimmer, in welchem sie genächtigt hatten, eine kleine Küche, ein angeschlossenes Wohnzimmer und ein Bad.

Darüber hinaus gab es aber noch etliche Gästezimmer, einen riesigen Salon, der eigentlich schon eher einem Ballsaal glich, in welchem Derek große Empfänge geben konnte, wenn er wollte.

Und Stiles fragte sich flüchtig, ob dieser Einsiedler das wohl jemals tat?

Dahinter lag ein riesiges Esszimmer mit einer endlos langen Tafel.
 

Im Oberen Stock befand sich ein Fitnessraum, der praktisch über alles verfügte, was das Sportlerherz begehrte. Außerdem gab es einen Kinosaal für etwa dreißig Personen und eine riesige Bibliothek, die neben vielen modernen Romanen auch eine Unzahl an uralten, wertvoll aussehenden, ledergebundenen Wälzern enthielt:
 

„Das ist der Wahnsinn!“ rief Stiles fassungslos aus: „Der absolute Himmel!“
 

„Echt? DAS beeindruckt dich? Dass ich viele Bücher habe? Liest du denn überhaupt, Stiles?“ wollte Derek wissen.
 

Der Junge blinzelte ihn misstrauisch an:

„In welche Richtung zielt deine Frage, reicher Junge? Willst du wissen, ob ich das Alphabet beherrsche, oder wie? Ich habe zufällig die Highschool mit einem Einser-Durchschnitt verlassen und mir stand eine glänzende Zukunft am College bevor!“ stellte er klar:
 

„Was ist dann passiert?“ hakte Derek nach:
 

„Das Leben!“ erwiderte Stiles einsilbig: „Du bist nicht der Einzige, dem das Schicksal ein Bein gestellt hat!“
 

Derek blickte den jungen Mann forschend an.

Er hätte gern mehr erfahren, doch der feindselige Unterton in dessen Stimme riet ihm, es bleiben zu lassen.
 

Stattdessen zogen sie vom ersten Stock aus direkt in den Keller um, um die angekündigten Schlangen zu bewundern.

Und Derek hatte nicht gelogen: Die drei waren riesig!
 

„Na, ihr Süßen!“ sagte ihr Herrchen mit deplatzierter Zärtlichkeit und öffnete das Terrarium.
 

Stiles zog sich vorsichtshalber in eine Ecke, weit entfernt von den Ungeheuern zurück.
 

„Was denn? Hast du etwa Angst? Komm´ ruhig näher! Die drei sind vollkommen harmlos!“ versicherte Derek.
 

Eine ungesicherte und ziemlich leichtsinnige Behauptung, fand Stiles und lehnte dankend ab.
 

Und ihn packte das kalte Grausen, als er sah wie ausgerechnet die größte der Schlangen nun ihre Behausung verließ, Dereks Arm hinauf wanderte und sich dann um seinen Nacken wand:
 

„Cora ist die zutraulichste von den dreien!“ erklärte Derek verliebt und streichelte die glatte Haut:

„Der Kleinere, helle ist Peter und die dritte heißt Laura!“
 

„Aha!“ piepste Stiles und drückte sich ängstlich gegen die Wand.
 

Als Derek es sah lachte er:

„Du musst ehrlich keine Angst haben. Würgeschlangen tun Menschen nichts!“
 

„Na sicher!“ schnappte Stiles: „Darum nennt man sie ja auch WÜRGEschlangen; weil sie so lieb und kuschelig sind! Drollige Namen hast du übrigens für sie ausgesucht. Als wären es Menschen, oder so.“
 

„Es sind die Namen meiner Schwestern und meines Onkels. Willst du sie mal anfassen, Stiles?“ wollte Derek wissen.
 

Das war nun wirklich das Allerletzte, was Stiles wollte, also rief er schrill:

„Sehe ich für dich etwa so aus, als wollte ich diese glitschigen Dinger berühren?“
 

„Schlangen sind überhaupt nicht glitschig!“ verteidigte Derek seine Schätzchen: „Ihre Haut ist ganz trocken und ihre Körper bestehen praktisch nur aus Muskeln. Die brauchen sie, um ihre Nahrung durch den Verdauungstrakt zu transportieren.“
 

Stiles hatte begonnen ein wenig grün im Gesicht auszusehen, doch davon hatte Derek nichts mitbekommen, denn er war voll und ganz auf seine possierlichen Haustierchen konzentriert:

„Und siehst du diese zuckenden Zungen? Es ist wirklich Wahnsinn, was Schlangen damit in ihrer Umwelt wahrnehmen können. Der menschliche Geruchssinn ist ein Witz dagegen!“
 

Stiles gab einen würgenden Laut von sich und Derek lachte:

„Ich sehe schon; du und die Reptilien, ihr werdet so schnell keine Freunde, richtig?“
 

Er beförderte Cora zurück zu ihren Artgenossen und als er das Terrarium wieder verschlossen hatte, atmete Stiles endlich ein wenig auf.
 

„Jetzt würde ich gern dein Schlangenfutter sehen! Vielleicht beruhigt es mich ein wenig, wenn ich mir hiernach etwas Süßes und Flauschiges anschauen kann?“
 

Derek grinste nachsichtig und nickte.
 

Sie gingen wieder nach oben und dort durch einen Wintergarten hinaus in den Garten.
 

Wenigstens war der Todestrakt für die kleinen Fellknäulchen richtig schön, was Stiles ein wenig dafür entschädigte, dass sie am Ende gefressen werden würden. Es handelte sich um ein eingezäuntes Gehege mit jeder Menge Futter; Heu, Getreide und reichlich Obst und Gemüse. Trinken konnten die Tierchen aus einem kleinen Brunnen und sie hatten mehrere Häuschen, in welche sie sich zum Schlafen oder bei schlechtem Wetter zurückziehen konnten:
 

„Verdammt, wie viel fressen deine wechselwarmen Haustiere denn am Tag? Das müssen doch mindestens fünfzig Kaninchen sein!“ staunte Stiles.
 

Derek sah ein wenig verlegen aus:

„Im Schnitt vertilgt jede Schlange etwa ein Kaninchen im Monat! Aber wusstest du, dass Kaninchen sogar dann noch schwanger werden können, wenn sie es längst sind? Eigentlich müsste ich hier mal hart durchgreifen, ein paar von ihnen töten, oder wegschaffen, oder was auch immer, aber irgendwie bringe ich es nicht fertig.“
 

Stiles kicherte:

„So tough bist du also gar nicht! Du hast die kleinen Nager schon irgendwie gern, oder? Zumindest hast du ihnen ein hübsches Zuhause bauen lassen!“ stellte er fest.
 

Derek zuckte mit einem kleinen Grinsen die Achseln und wollte dann wissen:

„Willst du zu ihnen rein, Stiles? Oder hast du vor kleinen Häschen etwa auch Angst?“
 

„Arsch!“ erwiderte Stiles schmunzelnd, betrat das Gehege, hockte sich im Schneidersitz an die Erde und wartete ab. Kaninchen kamen aus allen Richtungen angehoppelt, eines bezaubernder, als das andere und sie beschnupperten den Fremdkörper in ihrem Zuhause, ehe sie wieder ihren Geschäften nachgingen.

Eines war jedoch anders, als die anderen. Es war weiß, mit beigefarbenen Öhrchen und Pfötchen und hatte hellbraune Augen.

Es war wunderschön!

Und nun rieb es sein Kinn an Stiles Knie, um ihn als Seins zu markieren, hopste ihm dann auf den Schoß und machte es sich dort so richtig gemütlich:
 

„Hey, kleiner Freund!“ sagte Stiles zärtlich und kraulte sacht das seidige Fell: „Du bist ja lieb.“

Er warf einen hilflosen Blick aus runden Kinderaugen über seine Schulter auf Derek und dieser seufzte:
 

„In Ordnung Stiles! Dieser kleine Kerl wird niemals als Schlangenfutter enden. Versprochen! Willst du ihn mitnehmen?“
 

Stiles blickte ihn ungläubig an:

„Und was mache ich dann mit dem kleinen Harvey? Lasse ich ihn mit den Ratten Freundschaft schließen, die bei mir zuhause herumrennen, oder wie? Du hast unsere Bude doch gesehen! Dort sollte sich überhaupt nichts Lebendiges aufhalten!“
 

„Na dann besuchst du es eben, wenn du bei mir bist!“ erwiderte Derek und wurde schlagartig ein wenig bleich:

„Also ich meine wenn... uhm... beziehungsweise falls... du weißt schon… du nochmal wiederkommen willst!“
 

Stiles grinste amüsiert und Derek knurrte mürrisch:

„Spar´s dir, Stiles! Und überhaupt: Harvey? Das ist aber auch ein drolliger, menschlicher Name für so ein Tierchen, oder nicht?“
 

„Na ja, so wie in diesem alten Film. `Mein Freund Harvey´! Ein Typ unterhält sich die ganze Zeit mit einem großen, weißen Kaninchen! Kennst du den denn nicht?“ wollte Stiles wissen, nahm das Häschen hoch, vergrub sein Gesicht in dessen Fell und rieb zärtlich seine Stupsnase an ihm.

Dann verkündete er:

„Ich schätze ich muss wohl bald mal wieder los. Ich will nach Scott sehen und dann muss ich noch ein bisschen arbeiten. Und du musst doch bestimmt auch noch in deine Firma und ein paar weitere Millionen scheffeln, oder nicht?“
 

Derek musste ein wenig schlucken, weil jener Junge, der gerade vor ihm saß und wie ein Zehnjähriger mit einem Kaninchen schmuste nun wieder davon sprach, hinaus auf die Straße zu gehen, wo es Freier gab, die ihn zusammenschlugen, weil sie nicht einmal den Spottpreis für ihn zahlen wollten, zu dem er bereit war, sich herzugeben!
 

Derek versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und erwiderte:

„Das ist das Gute, wenn du der Chef bist: Du kannst kommen und gehen, wann du willst. Und seit das mit meiner Schlaflosigkeit angefangen hat setze ich kein Meeting mehr vor zwölf Uhr mittags an, also habe ich noch ein wenig Zeit. Wenn du es nicht ganz so eilig hast, setze ich dich nachher auf dem Weg zuhause ab. Wir können ja erst mal wieder hineingehen... vielleicht noch etwas trinken, oder so? Du darfst Harvey auch mitnehmen, wenn du willst.“
 

Sie kehrten zurück in den Wintergarten und diesen erklärte Stiles still für sich zum schönsten Raum in Dereks Palast, also gleich nach der Bibliothek selbstverständlich, denn anders als die anderen Räume die eher kühl, schlicht und gradlinig waren, besaß der Wintergarten sehr viel Wärme und Atmosphäre. In seiner Mitte gab es einen Zimmerbrunnen, auf dem eine große Kugel aus Rosenquarz ruhte, die vom Wasser bewegt und gedreht wurde. Das leise Plätschern, welches der Brunnen von sich gab, war ungemein beruhigend.
 

Um ihn herum gab es mehrere weidengeflochtene Pfauenthrone mit kleinen Beistelltischchen, und in großen, schweren Terracottatöpfen, die überall verteilt waren wuchsen gewaltige Farne.
 

Die beiden Männer ließen sich in den Sesseln nieder und Stiles war immer noch völlig hingerissen von seinem neuen, pelzigen Freund, welcher seine Liebkosungen geduldig über sich ergehen ließ.
 

Derek beobachtete die innige Interaktion von Mensch und Tier und wollte irgendwann wissen:

„Deinen... uhm... Job... machst du den eigentlich schon lange?“
 

Stiles blickte überrascht auf und schüttelte den Kopf:

„Nein, nicht lange. Seit etwa einem Jahr.“
 

„Und wie alt bist, Stiles?“ hakte der Ältere nun unbehaglich nach.
 

Der Junge lachte:

„Alt genug, also keine Sorge! Ich bin neunzehn!“
 

Derek atmete tatsächlich ein klein wenig auf. Neunzehn war immer noch jung, aber immerhin war ein halbwegs erwachsen.

Er fuhr fort:

„Du hast mir vorhin eine Frage gestellt. Ich weiß nicht, warum ich mich so angestellt habe, denn eigentlich kann ich´s dir auch sagen: Ich mag Männer! Und Frauen mag ich auch! Und du, Stiles? Wenn du es nicht gerade... beruflich tust? Welches Geschlecht ziehst du da vor?“
 

Stiles schwieg und machte aus irgendeinem Grund ein unbehagliches Gesicht:
 

Derek interpretierte es falsch und schnappte ein wenig verletzt:

„Fein! Du musst es mir ja auch nicht verraten!“
 

Stiles seufzte:

„Sei nicht so! Ich würde es dir ja sagen, aber ich weiß es selbst nicht so genau!“
 

Derek blickte ihn verständnislos an:

„Wie meinst du das? Wie kannst du das nicht wissen? Ich meine... mit wem schläfst du denn... privat?“
 

Stiles zuckte ein wenig mit den Schultern und da ging Derek ein Licht auf:

„Soll das bedeuten, du hattest noch nie Sex, einfach weil du Lust auf jemanden gehabt hast? Hast du es bislang etwa immer nur gegen Geld gemacht? FUCK! Dann bist du ja praktisch noch Jungfrau!“
 

Da musste Stiles schallend lachen, so dass das Kaninchen in seinem Schoß ein wenig zusammenzuckte:

„Du bist echt ein Spinner! Ich hab´ mit Sicherheit schon Sachen gemacht, die du dir nicht träumen lassen würdest. Ich bin ja so was von keine Jungfrau mehr.“
 

„Wie du meinst!“ erwiderte Derek achselzuckend: „Aber warum suchst du dir denn nicht jemanden, mit dem du es einfach nur zum Spaß machst? Jemanden, den du gern hast! Zum Beispiel diesen Jungen, mit dem du zusammenwohnst.“
 

Greenburg kam und servierte ihnen eine hausgemachte Limonade.
 

Stiles nahm einen Schluck und schüttelte dann den Kopf:

„So ist das mit uns beiden nicht! Ich liebe Scotty, aber nicht auf diese Art. Und wenn ich ehrlich bin, dann habe ich gar keine große Lust auf Sex!“
 

Derek schaute ihn mit großen Augen an:

„Was? Warum denn nicht?“ fragte er beinahe entsetzt: „Wenn du mich fragst, dann ist es so ziemlich die beste Sache, die es gibt!“
 

„Ach ja?“ hakte Stiles nach: „Und warum gibt es dann niemanden, der nachts bei dir schläft?“
 

„Weil ich kein Interesse an einer festen Bindung habe! Und für jemanden in meiner Position ist es gar nicht so einfach jemanden zu finden, mit dem ich unverbindlichen Spaß haben kann, ohne dass ich darüber gleich am nächsten Tag alles in der Zeitung lesen muss!“
 

Stiles schenkte ihm ein ungezogenes Grinsen, doch Derek schüttelte den Kopf:

„Wenn ich es tue, dann mit jemanden, der es aus denselben Gründen tut wie ich, Stiles, nämlich weil er oder sie es will!“ sagte er ernst: „Und du sagst doch selbst, dass diese Sache dir eigentlich nichts bedeutet. Auch wenn du mir immer noch nicht verraten hast, warum eigentlich nicht.“
 

Stiles lachte und es klang ein klein wenig bitter:

„Durch meine Arbeit habe ich Einblick in ein paar ziemlich kranke Köpfe erhalten. Da kann einem wirklich der Appetit vergehen!“
 

„Was verlangen diese Kerle denn von dir?“ fragte Derek unbehaglich.
 

Statt einer Antwort schüttelte Stiles lediglich den Kopf.

Er hatte einfach keine Lust, es zu sagen.

Und schon gar nicht wollte er laut aussprechen, was er bereits zu tun bereit gewesen war.
 

Derek schien es sich dennoch irgendwie denken zu können, zumindest hakte er nicht weiter nach und dafür war Stiles dankbar.
 

Um diesem heiklen Thema zukehren zu können, fingen sie an, über Bücher zu sprechen.
 

Stiles erklärte ausführlich, warum die französischen Existenzialisten und ihr Entwurf von Freiheit ihn deprimierten
 

Derek führte aus, dass ihm an den Klassikern der russischen Literatur gefiel, weil sie episch und von einer gewissen Schwermut geprägt seien.
 

Und innerlich schüttelte Derek den Kopf: Was machte ein Junge wie dieser; sensibel, clever und belesen, denn bloß auf der Straße?

Irgendwann fiel Dereks Blick auf seine Armbanduhr, welche ihm verriet, dass nun doch langsam an der Zeit war, sich auf den Weg zur Arbeit zu machen.
 

Er drückte dem verblüfften Greenburg Stiles Kaninchen mit dem Hinweis in die Hand, dass es ein Upgrade erhalten hatte, vom Nutztier zum Familienmitglied und dass der Butler von nun an für dessen Sicherheit bürge!
 

Wie versprochen fuhr Derek Stiles auf dem Weg in die Firma zuhause vorbei und drückte dem verblüfften Jungen bevor dieser aussteigen konnte ein weiteres Mal tausend Dollar in die Hand:
 

„Was soll das, Derek? Wofür ist das!“ wollte Stiles wissen: „Ich war doch nicht bei dir, weil du mich gebucht hast, sondern wegen meiner Gehirnerschütterung, also behalte dein Geld!“

Er hielt ihm das Bündel Geldscheine hin, doch anstatt danach zu greifen, schloss Derek die Finger des Jungen darum und versicherte:
 

„Das war doch unsere Deal, oder nicht? Tausend, damit du die Nacht bei mir verbringst! Du hast genau das für mich getan, was ich von dir gewollt habe und es war wirklich jeden Cent wert, Stiles!“

Ein wenig zögerlich fügte Derek hinzu:

„Und du kannst es doch auch gut gebrauchen, oder nicht? Dann musst du erst mal nicht arbeiten und kannst dich in Ruhe auskurieren!“
 

Stiles sah aus, als ob er noch etwas sagen wollte, doch er tat es nicht.

Stattdessen drückte er Derek einen kleinen Kuss auf die Wange, bedankte und verabschiedete sich und dann war er verschwunden.
 


 

______________________________________
 

Nachwort:
 

Bei den Haustierschilderungen hat´s mich ein wenig fortgerissen. ;-) Ich hoffe, es langweilt euch nicht!
 

Liebe Grüße

Eure Ginger



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Tomi
2017-05-19T03:55:36+00:00 19.05.2017 05:55
Hallöchen,

Keine Sorge, Stiles Reaktion waren es wert, es in die Länge zu ziehen. Aber ich kann den Armen verstehen :-D

Die beiden sind ja sehr süß miteinander und Derek kann sagen was er will, der ist doch schon verknallt. :-)
Ich finde es auch gut, das die beiden relativ offen dem anderen gegenüber sind, obwohl ich auch glaube, das das Gespräch irgendwann mal für Missverständnise sorgen wird :-D

Lieben Gruß
Tomke
Antwort von:  GingerSnaps
19.05.2017 06:34
Hello again,

ja, da könntest Du recht haben. Auf dieses Gespräch werde ich mit Sicherheit nochmal Bezug nehmen und es wird zu Unstimmigkeiten führen.
Du findest die beiden also "offen"? Ich dachte eigentlich, dass da vieles ist, was sie sich nicht erzählen. Andererseits kennen sie sich ja auch noch nicht so richtig.

Danke für´s Kommentieren und liebe Grüße,
Ginger


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