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Erinnerungen an ein Palastleben

von

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Widerstand

„Kazuma,

mein lieber Bruder.

Ich erinnere mich noch genau, wie du an meinem ersten Tag als deine Schwester in diesem Lichtstrahl gestanden hast, der durch die Zeltdecke herein fiel. Dein Haar leuchtete, als würde es in Flammen stehen, während deine grünen Augen so beruhigend wie ein tiefer See auf mich wirkten. Du hattest deine Hand ausgestreckt. Eine Einladung. In die Familie, in das Leben, in euren Schutz.

Ich denke, als ich deine Hand ergriff, hast du gesehen wo diese Reise hingehen wird. Wie es enden wird. Also lass mich dir sagen: Ich habe keine Angst. Ich tue das für meinen Ehemann. Für mein Leben und auch für euch. Schließlich kann ich mich nicht für immer hinter euch verstecken.

Zu wissen, wohin das alles führen wird, muss eine schreckliche Bürde gewesen sein. Ich hätte dich damals fragen können, doch ich hatte ein bisschen Angst. Ich hoffe du kannst mir diese Feigheit verzeihen.

Wobei ich mir sicher bin, dass du mir nie etwas Beunruhigendes erzählt hättest. Ich glaube sogar, dass deine fröhliche Art meine Zeit bei euch so süß wie irgendwie möglich machen sollte. Damit ich zu keiner Zeit Angst verspüren musste. Und soll ich dir etwas sagen? Es hat funktioniert. Dafür danke ich dir von ganzem Herzen.

Ich kann mir kaum ein größeres Opfer vorstellen, als das, was du für eine völlig Fremde auf dich genommen hast. Es erfüllt mich mit unendlicher Dankbarkeit und ich möchte dir sagen, dass es mir eine Ehre war, dass ich dir begegnen durfte.

Trotzdem möchte ich dir noch sagen, dass man nicht immer alles glauben kann, was man sieht…“

 

 

„Noch mal!“, wies Kazuma die Reihen der trainierenden Yōkai an.

Die Hände zu Fäusten geballt und die Zähne zusammengebissen schritt er mit prüfendem Blick durch die Kämpfenden und korrigierte Fehler in der Haltung oder der Ausführung eines Angriffs. Sie trainierten jetzt bereits seit Sonnenaufgang ohne Pause, doch Kazuma würde erst zufrieden sein, wenn alles reibungslos lief.

„Du solltest ihnen eine Pause gönnen, sonst werden sie dieses Training nicht durchhalten, geschweige denn für eine Schlacht bereit sein. Viele von ihnen sind noch verletzt und nicht auf der Höhe ihrer eigentlichen Leistung.“

Kazuma wand seinen Blick vom Trainingsplatz ab und begegnete den weißen Augen einer Frau. Sie war groß. Größer als Kazuma aber so zierlich, dass er manchmal das Gefühl hatte, er könnte sie wie einen Zweig in zwei brechen, wenn er wollte. Ihr langes kirschrotes Haar hatte sie in einer komplizierten Frisur hochgesteckt und ihre Lippen, die in der gleichen Farbe bemalt waren, verzogen sich vor Besorgnis.

Mit dem teuren Kimono, dem roten Lackschirm und der schneeweißen Haut wirkte sie wie eine luxuriöse Geisha, die sich gerade bei ihrem Spaziergang verirrt hatte. Keine ihrer Bewegungen war zufällig. Alles was sie tat führte sie mit Bedacht aus und dem Wissen, wie alles auf ihre Umgebung wirkte. Sie war absolut im Reinen mit ihrem Körper und beherrschte ihn, wie ein alter Musiker sein liebstes Instrument.

Ein Diamant unter all den heruntergekommenen Kreaturen, die hier draußen im Wald hinter einem verlassenen Temple vor sich hin vegetierten.

„Wir können uns keine Pause leisten, Sakura.“, erwiderte Kazuma verbissen und wand sich wieder dem Trainingsgelände zu.

Wenn er Sakura ansah, schossen ihm bei all dem Rot wieder die Bilder in den Kopf, die er vor so vielen Wochen gesehen hatte. Blut und Zerstörung und Tod. So viel Tod, dass seine Hände zu zittern begannen, wenn er daran dachte.

Er biss seine Zähne fester aufeinander. Diese Bilder musste er unbedingt verhindern. Denn er könnte nicht damit leben, zu versagen. Auch wenn er tief in seinem Inneren wusste, dass man das Schicksal selten besiegen konnte. Er hatte es schon oft vergeblich versucht. Doch dieses eine Mal wäre ein bloßer Versuch keine Option.

Sakuras zierliche Hand, die sich auf seinen Arm legte, ließ Kazuma wieder zu ihr auf sehen.

„Wenn du die Yōkai jetzt schon an ihre Grenzen bringst, wirst du niemanden haben, der mit dir in die Schlacht zieht. Und wenn du nicht besser auf dich achtest, wirst nicht einmal du zu dieser Schlacht erscheinen. Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen, Kazuma? Seit du vor einer Woche hier aufgetaucht bist, habe ich dich noch kein einziges Mal essen sehen. Oder schlafen.“

Die Sorge in ihrer Stimme war nicht zu überhören und trotzdem stand Kazuma kurz davor ihre Hand abzuschütteln. Zeit für Essen und Schlafen war ein Luxus, den er sich nicht leisten konnte. Er brauchte die Yōkai aus dieser Zufluchtsstätte um das Schicksal seiner Schwester zu verändern. Doch es war eine weitere weibliche Stimme, die ihn innehalten ließ.

„Sie hat Recht Kazuma. Auch wenn ich nicht so viel Zeit mit Kasumi verbracht habe wie ihr, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie gewollt hätte, dass du dich hier bis aufs Blut verausgabst. Sicher wollte sie, dass du Glücklich bist.“

„Fuyu…“

Ihr Name war über Kazumas Lippen geschlüpft, noch bevor er sich zu ihr umgedreht hatte.

Fuyu stand auf der obersten Stufe der Treppe, die zum Trainingsplatz führte. Vor sich hielt sie eine Bentobox, die in ein Tuch eingeschlagen war. Als er das sah, sah er kurz von ihr zu Sakura.

„Du hast sie hierher bestellt oder?“

Als Sakura nur stumm nickte, wand sich Kazuma wieder an Fuyu.

„Erklär mir, wie ich Glücklich sein soll, solange meine Schwester in irgendeiner finsteren Kerkerzelle sitzt und ich keine Chance habe, sie von dort zu befreien?“

Kazuma wollte nicht schreien, doch jedes einzelne Wort kam lauter über seine Lippen, als beabsichtigt. Das die Yōkai aufgehört hatten zu trainieren um die Szene vor sich zu beobachteten, konnte auch damit zusammen hängen, dass Kazumas Worte lauter erschienen, als sie eigentlich waren.

Davon unbeeindruckt kam Fuyu die Treppe herunter und direkt auf ihn zu. Wäre es jemand anderes gewesen, hätte Kazuma die Flucht ergriffen. Hätte die Yōkai angewiesen weiter zu machen und alles andere ignoriert. Doch nicht bei Fuyu. Keijis Cousine, die so viel vom Charakter seines Bruders in sich trug, dass es Kazuma oft so vorkam, als stünde er vor eben diesem. Sie konnte er einfach nicht ignorieren.

Erst als Fuyu vor ihm stand, bemerkte er, dass Sakura irgendwann von seiner Seite verschwunden war. Ebenso wie die Yōkai hinter ihm. Auch bei ihnen war Fuyu eine einzige Respektsperson. Allein deshalb schon, weil sie immer hier her kam und ihre Wunden behandelte. Fuyu war ein Mensch, der versuchte seine schützende Hand über diesen Wald zu legen. Wofür sie auch Kazumas vollsten Respekt hatte.

„Mir ist klar, dass du jetzt nicht Glücklich sein kannst, aber du bist nicht allein. Keiji und Benjiro leiden mit dir und werden Kasumis Verhaftung sicher ebenso wenig schweigend mit ansehen. Auch sie werden tun, was in ihrer Macht steht um sie zu retten. So wie du es tust mithilfe der Yōkai hier. Doch um Kasumi retten zu können, musst du in Bestform sein. Das geht aber nur, wenn du isst und schläfst und dir einen Moment Zeit nimmst, um dir einen Plan auszudenken. Andernfalls wirst du noch getötet, bevor du überhaupt etwas ausrichten konntest.“

Kazuma sah Fuyu nicht an, als sie sich erklärte. Allein deshalb schon, weil sie die Wahrheit sagte. Er wusste es ja. Irgendwo tief in seinem Inneren wusste er schon lange, dass er nicht vorankommen würde, wenn er sich bereits heute so auszehrte, dass er kaum stehen konnte. Dass er so schon lange vor der Schlacht verloren hätte. Der Gedanke schwach zu sein, brachte ihn jedoch um den Verstand. Und obwohl er das Kämpfen verachtete, war er bereit alles für diesen einen Kampf zu geben.

„Teile sie mit mir, Kazuma. Diese Finsternis, die dich zu verschlingen droht. Ich helfe dir, sie zu tragen und lasse dich nicht allein. Das verspreche ich dir!“

Fuyus Hand lag auf seinem Unterarm und brannte sich durch den Stoff seines Ärmels wie Feuer. Brannte sich durch seine Haut in seine Muskeln, in sein Blut und von dort durch seinen gesamten Körper. Bis das Feuer schließlich an diesem Klumpen Eis in seinem Inneren leckte, der seit Kasumis Gefangennahme immer größer geworden war.

Kazuma hörte es förmlich, als das Eis einen ersten Riss bekam und atmete scharf ein. Immer weiter öffnete sich der Riss, verzweigte sich und sorgte dafür, dass Stücke des Eises herausbrachen. Es schmerzte. So sehr, dass Kazuma am liebsten geschrien hätte, doch stattdessen zog er Fuyu in seine Arme und hielt sie fest. Er umarmte ihr Feuer, bis sein Eis in heißen Tränen über sein Gesicht strömte.

 

 

„Noch mal!“, wies Kazuma die Reihen der trainierenden Yōkai an.

Mit einem scharfen Auge beobachtete er die Fortschritte der Yōkai. Kleine und große. Starke und schwache. Jeder, der nicht ans Krankenbett gefesselt war, war bereit ihm zu helfen. Also würde er sie nicht enttäuschen.

„Kazuma!“

Fuyus Stimme ließ Kazuma zum Tisch sehen, den sie unter einem großen Schirm aufgestellt hatte. Dort breitete sie gerade das Mittagessen aus. Als sie seinen Blick bemerkte winkte sie ihm auffordernd zu. Unwillkürlich schlich sich ein kleines Lächeln auf Kazumas Gesicht.

„In Ordnung, wir machen eine Stunde Pause, danach geht es weiter.“, entließ er die Yōkai, bevor er zu Fuyu ging.

„Tut mir Leid, aber es hat heute etwas länger gedauert. Bitte lass es dir schmecken.“, sagte Fuyu, während sie Kazuma eine Schüssel mit Reis füllte.

Kazuma setzte sich an den Tisch auf dem normalerweise seine strategischen Unterlagen ausgebreitet lagen. Für das Essen hatte Fuyu diese zur Seite geräumt. Sie hatte sich einen zweiten Stuhl mitgebracht und setzte sich ebenfalls, um mit Kazuma zu essen.

„Lecker!“

War alles, was Kazuma zwischen zwei Happen hervor brachte. Woraufhin Fuyu ein Kichern nicht unterdrücken konnte.

„Es freut mich, dass es dir schmeckt.“

Seit sie zu ihm gekommen war, hatte sie den Wald nicht mehr verlassen. Sie kümmerte sich darum, dass er mindestens zweimal am Tag eine vernünftige Mahlzeit zu sich nahm und nicht die ganze Nacht durcharbeitete. Und wenn es nötig war, hörte sie sich seine Sorgen auch zum zehnten Mal an und versuchte ihn auf andere Gedanken zu bringen.

„Es sind nur noch ein paar Tage, oder?“

Ihre Frage veranlasste Kazuma dazu von seinem Essen aufzusehen und Fuyus Blick zu begegnen. Ihre Hand, die ihm am nächsten war, hatte sie mit der Handfläche nach oben entspannt auf den Tisch gelegt. Einen Augenblick zögerte er, bevor er seinen Handschuh auszog und sie mit seinen Fingerspitzen berührte.

Die Bilder, die er in diesem Moment vor seinem inneren Auge sah, hatten sich in den letzten Tagen kaum verändert. Sie waren immer noch geprägt von Zerstörung und unzähligen Opfern. Doch einen Ausgang dieses Kampfes konnte Kazuma nicht mehr sehen. Was bedeutete, dass dieses Ende von vielen verschiedenen Faktoren abhing, die noch nicht endgültig entschieden waren. Das hieß auch, dass eine Chance bestand, dass es nicht mehr die schreckliche Katastrophe werden würde, die Kazuma einst bei Kasumi gesehen hatte.

Zuerst hatte es Kazuma erschreckt, dass er ausgerechnet bei Fuyu diese Schlacht vorhergesehen hatte. Denn das bedeutete, dass sie auch dort sein würde. Keiji würde ihn dafür später noch einiges vorwerfen. Doch er hatte schnell gesehen, dass ihr nichts passieren würde. Egal wie er seine Pläne in den letzten Tagen geändert hatte, ihr würde nichts geschehen und so stand er kurz davor eine gute Strategie für diesen Kampf parat zu haben.

„Ich vermute, noch zwei oder drei Tage.“, erklärte sich Kazuma, als er seine Hand zurück und seinen Handschuh wieder überzog.

In den seltensten Fällen konnte Kazuma genau sagen, wann ein Ereignis stattfand, welches er durch seine Gabe sah, doch in diesem Fall wusste er, dass dieser Kampf in kürzester Zeit stattfinden würde. Dem Stand der Kirschblüten nach zu urteilen, dauerte es nicht mehr lange bis dahin.

„Die Yōkai des Waldes werden bis dahin bereit sein. Ihre Fortschritte in den letzten Tagen waren enorm und das haben sie nur dir zu verdanken.“

Kazuma nickte zustimmend bei ihren Worten und ließ dabei seinen Blick über das Trainingsgelände wandern. Er hatte versucht ihnen alles Mögliche beizubringen. Zweikämpfe, Hinterhalte, Wurftechniken und Verteidigung. Sie würden Kämpfen und ihren Grund eine Weile halten können. Vielleicht reichte das schon aus, um Keiji oder Benjiro genügend Zeit zu verschaffen um Kasumi zu retten.

„Das werden sie. Genau wie du, aber ich will, dass du dich zurückhältst. Keine waghalsigen Aktionen oder Alleingänge. Bleib einfach im Hintergrund und kümmere dich um die Verletzten. Sollte dir etwas passieren, wird Keiji mir nämlich den Kopf abreißen.“, erklärte sich Kazuma.

Noch am ersten Abend hatte Fuyu ihm eröffnet, dass sie ebenfalls mitkommen wollte. Sie wollte etwas für Kasumi tun und für die Yōkai da sein, um die sie sich bisher gekümmert hatte. Natürlich hatte Kazuma diesen Vorschlag sofort abgelehnt. Doch in den letzten Tagen hatte sie damit nicht locker gelassen. Bis er ihr schließlich gestattet hatte, im Hintergrund die Wunden ihrer Freunde zu versorgen.

„Das sagst du mir immer, wenn wir darauf zu sprechen kommen und wie ich dir jedes Mal antworte: Ich werde aufpassen und mich im Hintergrund halten. Versprochen!“, versicherte sie ihm ernst.

Ihre Worte sorgten dafür, dass Kazuma erleichtert aufatmete. Denn er war nicht bereit schon wieder eine Frau zu verlieren, die er unter seinen persönlichen Schutz gestellt hatte. Diesen Fehler hatte er einmal begangen und er würde sich den Rest seines Lebens dafür hassen. Egal wie diese Schlacht ausgehen würde. Ein zweites Mal, würde ihm das nicht noch einmal passieren.

Noch während er daran dachte, kamen ihm wieder Kasumis letzte Worte aus ihrem Brief in den Sinn und zum ersten Mal glaubte er daran, dass diese Worte tatsächlich wahr werden könnten.

 

„…Wir können unser Schicksal immer noch ändern!

In Liebe, Kasumi“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen,

wir sind angekommen. Beim letzten Kapitel der Brüder. Fehlt nur noch das große Finale. Wie das wohl ausgeht? Es bleibt noch spannend…

Gruß
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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kandy2015
2019-06-22T03:28:06+00:00 22.06.2019 05:28
Wird er ein spandedes Kapitel. Rin bald bist du frei uns wieder bei Sesshomaru und deinen Brüdern.

Gleichzeitig finde ich es schade, da dann auch die FF bald vorbei ist😣.

Von:  Anitasan
2019-06-20T19:45:09+00:00 20.06.2019 21:45
Ja um nicht zu sagen mega spannend.
Bin schon sehr auf den großen Showdown gespannt.
Also mach schnell weiter.
LG Anitasan


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