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Erinnerungen an ein Palastleben

von

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Verzweiflung

„Keiji,

bitte verzeih mir. Auch wenn es dir gerade unmöglich erscheint.

Wenn du diesen Brief in Händen hältst, bedeutet das, dass du nicht mehr Herr der Lage bist. Das ich mein Schicksal in die Hand genommen und dich außen vor gelassen habe. Dafür möchte ich mich aufrichtig entschuldigen. Ich weiß, dass du mich immer nur beschützen wolltest. Vor den Gesetzen dieser Stadt, vor den Soldaten und vor allem vor deinem Onkel. Und dennoch befinde ich mich jetzt in seinen Fängen.

Aber bitte, nimm die Schuld nicht auf dich. Gib sie mir. Sei wütend, zornig, schrei und tobe. Lass alles raus und verstecke es nicht hinter dieser Maske eines zu guten Hauptmannes. Du bist besser als dieser Schatten einer anderen Person. Ich weiß das, denn ich habe dich kennen gelernt.

Ich habe mich für einen Schritt entschieden, den mein früheres Ich sicher schon längst getan hätte. Ich habe mich dem größten aller Dämonen gestellt und ich werde einen Weg finden um zu beweisen, dass er hinter all dem steckt. Dafür brauche ich nur noch einmal deine Hilfe. Auch wenn du danach nie wieder ein Wort mit mir sprechen willst. Es gibt noch eine Sache, die du für mich tun kannst…“

 

 

Vom vielen lesen war Kasumis Brief mittlerweile so zerknittert, dass das Papier bei nur einer falschen Bewegung reißen konnte. Keiji hatte nach dem ersten Lesen überlegt, dass sofort zu tun, hatte ihn dann aber nur zerknüllt und weg geworfen. Keine fünf Minuten später hatte er ihn in dem Chaos, dass er zu Hause angerichtet hatte, wieder gesucht, glatt gestrichen und erneut gelesen.

In den letzten Tagen hatte er dieses Prozedere mehrmals widerholt, bis das Papier so zerschunden aussah, wie er sich fühlte. Doch wie sehr er diesen Brief auch von sich stoßen oder vernichten wollte. Er war ihn nicht losgeworden und jetzt trug er ihn in einer Innentasche seines Kimonos. Direkt über seinem Herzen.

Beim Gedanken daran seufzte er resignierend auf. Sogar wenn sie nicht anwesend war, beherrschte Kasumi sein Denken und Handeln.

Als sie sich von den Soldaten seines Onkels hatte gefangen nehmen lassen, hatte Keiji kämpfen wollen. Er hätte sogar sein Leben gegeben, hätte das Kasumi vor diesem Schicksal bewahrt. Doch sie hatte ihn gebeten aufzuhören… Er hatte es nicht begreifen können. Wieso sie so etwas gewollt hatte. So etwas Dummes!

Er hatte sie fragen wollen:

„Wieso würdest du so etwas Selbstsüchtiges wollen? Hast du dabei auch nur eine Sekunde an uns gedacht?“

Doch noch bevor ein Wort über seine Lippen gekommen war, hatte er ihr Lächeln gesehen. Dieses Lächeln, das jeden Zweifel aus seinen Gedanken gewischt hatte. Ein Lächeln, das in ihm Vertrauen geweckt hatte. Vertrauen in Kasumi und dem, was sie tat.

Für einen Augenblick hatte er geglaubt einer ganz anderen Kasumi gegenüber zu stehen. Vielleicht war es ihr früheres Ich gewesen. Das, bevor sie ihr Gedächtnis verloren hatte. Auf jeden Fall hatte er sich Hals über Kopf in sie verliebt.

Keiji ballte eine Hand zur Faust, als er daran dachte. Liebe! Noch nie hatte er auch nur eine Frau geliebt. Er hatte sich ausprobiert. Doch geliebt hatte er noch keine. Trotzdem wusste er, dass es nur Liebe sein konnte, die er für Kasumi empfand. Was es nur noch schwerer machte, sie in den Fängen seines Onkels zu wissen.

Wenn Keiji die Augen schloss, dann konnte er noch immer Kasumis Wärme spüren. Ihr Körper war so klein und zierlich gewesen, als sie ihn auf dieser Wiese umarmt hatte, doch von ihm war eine Wärme ausgegangen, die ihn noch jetzt erfüllte und jede seiner Faser durchdrang. Noch ein Grund, weshalb er Kasumi nicht hassen konnte und alles tun würde, um ihren Plan zu verwirklichen.

 

Es hatte ein paar Tage gedauert, um ohne Verdacht zu erregen, die richtigen Leute ausfindig zu machen. Doch heute Abend wollte er ein paar Soldaten, in einer Kneipe etwas abseits der Massen, treffen. Er war eine halbe Stunde zu früh, doch er wollte zuerst die Gegend und den Laden erkunden, bevor er sich in unbekanntes Terrain begab. Immerhin konnten alle Soldaten, die er heute hier traf, auch potentielle Spione seines Onkels sein.

Nachdem er alle Fenster und Türen des Lokals überprüft hatte und auch sämtliche Gassen in der Nähe abgelaufen war, wollte er gerade die Tür der Kneipe öffnen, als ihn eine Stimme zurückhielt.

„Taii Maeda! Wir müssen euch dringend sprechen.“

Mit der Hand an der Tür hielt Keiji inne und sah sich nach dem Sprecher um. Hinter ihm standen zwei Soldaten aus dem Kaiserpalast. Beide hatten sie ihren Oberkörper respektvoll nach vorne geneigt und den Kopf gesenkt. Keiji nahm sich einen Moment um die Beiden genau zu studieren und es waren die geballten, zitternden Fäuste der Männer, die sie verbissen an ihre Seiten gepresst hatten, die ihn dazu brachten sich vollständig von der Tür zur Kneipe abzuwenden.

„Wer seid ihr und was kann ich für euch tun?“, fragte er argwöhnisch.

Das hier konnten auch Spione seines Onkels sein. Oder Auftragskiller. Doch Keiji war gewillt ihnen einen kleinen Vertrauensbonus einzuräumen.

„Mein Name ist Tetsuo, Herr!“, erklärte der vordere der Beiden.

Der, der ihn auch davon abgehalten hatte, die Kneipe zu betreten. Er war Klein. Das erkannte Keiji selbst, als dieser sich noch in seiner Verbeugung befand. Doch seine Muskeln und sein breiter Körperbau schienen seine Größe wieder wett zu machen. Seine kurzen, zerzausten Haare gaben ihm zudem ein wildes Aussehen. Im Kampf konnte er sicher dem einen oder anderen Gegner durch seine bloße Erscheinung das Fürchten lehren.

„Und das hier ist Reiji.“, erklärte er weiter und wies mit seiner Hand auf seinen Begleiter.

Dieser war größer. Vielleicht so groß wie Keiji und besaß einen schmächtigen, fast filigranen Körperbau. Seine langen Haare hatte er in einem losen Zopf zusammengebunden und in seiner Verbeugung waren sie ihm über die Schulter gefallen und berührten nun fast den Boden.

„Taii Maeda.“, begann Reiji, seine Stimme war überraschend hoch und klar.

„Wir müssen dringend mit euch über die Geschehnisse im Palast sprechen.“

Die Art und Weise, wie Reiji das sagte, ließ Keiji einen Schauer über den Rücken laufen. Trotzdem dachte er an die Soldaten, die er in der Kneipe treffen wollte und zögerte einen Moment. War das hier ein falsches Spiel? Oder war diese abgelegene Kneipe eine Falle? Gehörte das alles zu einem großen, verrückten Plan seines Onkels? Wenn er recht darüber nachdachte, konnte er keinem Einzigen in dieser Stadt vertrauen, außer seinen Brüdern.

„Von welchen Geschehnissen sprechen wir hier?“, fragte er deshalb misstrauisch.

Dabei ließ er eine Hand an das Heft seines Katanas wandern. Sollte irgendjemand versuchen ihn anzugreifen, wäre er auf jeden Fall bereit. Sein Griff um das Heft wurde noch fester, als sich der erste Sprecher, Tetsuo, aus seiner Verbeugung erhob und Keiji direkt in die Augen blickte.

„Verzeiht meine Unverfrorenheit, aber wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir waren hauptsächlich für die Bewachung der Prinzessin zuständig und müssen euch bitten, sie zu befreien!“

„Bitte hört uns an, Taii Maeda! Nicht weit von hier gibt es einen Ort an dem wir ungestört reden können. Ohne die Augen und Ohren von Neugierigen.“, mischte sich Reiji mit ein, bevor Keiji etwas erwidern konnte.

„Prinzessin?“

Er sprach zu sich selbst und noch während er das Wort aussprach, wurde ihm bewusst worum es hier ging. Überrascht sah er die zwei Soldaten vor sich an, die ihn beide mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung anstarrten. Langsam löste er die Hand von seinem Heft und nickte dabei.

„Führt mich zu diesem Ort!“

Diese Beiden kamen direkt aus Kasumis Nähe. Wenn sie nicht wussten was los war, dann würde es wohl niemand wissen. Und ihre Bitte konnte er unmöglich ignorieren. Diese Beiden waren mit Sicherheit die beste Chance, die er bekommen konnte.

Erleichtert atmeten die Soldaten auf und begannen sofort damit Keiji zu einer kleinen Hütte ein paar Bocks entfernt zu führen. Die Hütte besaß nur ein einziges Zimmer in dem das gesamte Leben stattfand. Eine kleine Feuerstelle, ein niedriger Tisch und ein Regal auf dem das nötigste Geschirr stand. Mehr befand sich nicht in diesem Raum, doch so wie sich die Beiden benahmen, musste das ihr Zuhause sein.

Keiji hatte schon Unterkünfte für Soldaten begutachtet und weitaus Schlimmere gesehen. Die beiden mussten es, trotz ihrer Wächter-Position in der kaiserlichen Armee, ganz gut getroffen haben.

Kaum hatten sie die Hütte betreten, bereitete Reiji einen Tee zu, während sich Tetsuo zu Keiji an den Tisch setzte. Keiji wartete, bis auch Reiji zu ihnen gestoßen war, bevor er seine Fragen stellte. Die Zeit, bis dahin kam ihm wie eine Ewigkeit vor und das Gefühl, dass die Zeit drängte, ließ ihn einfach nicht los.

„Also, was müsst ihr mir sagen?“, fragte Keiji schließlich.

Reiji war Tetsuo einen Blick zu, woraufhin dieser leicht nickte und anschließend tief Luft holte.

„Wir waren es, die die Prinzessin auf der Wiese gefangen nahmen und seitdem mit der Bewachung ihrer Zelle beauftragt waren.“

Allein diese Eröffnung ließ Keijis Hand zum Heft seines Katanas zucken. Diese Beiden hier waren tatsächlich dafür verantwortlich, dass sich Kasumi jetzt in den Händen seines Onkels befand? Am liebsten hätte er sie auf der Stelle gevierteilt, doch Reiji hob beschwichtigend eine Hand.

„Versteht uns nicht Falsch, wir sind große Bewunderer der Prinzessin. Die Art und Weise, wie sie diese Gefangenschaft erträgt… Noch nie haben wir eine Frau erlebt, die weder eine Träne über ihre Situation vergossen, noch verzweifelt um Gnade gefleht hatte…“

„Aber genau das bereitet uns die größte Sorge.“, erklärte Tetsuo und verschränkte die Arme vor der Brust.

Reiji nickte und starrte einen Moment in seinen Tee.

„Der Taishō hatte sie kürzlich während Tetsuos Wache zu sich bringen lassen und sie kam erst kurz vor dem Ende seiner Schicht in ihre Zelle zurück…“

Reijis Stimmlage und die Tatsache, dass er seinen Blick nicht mehr aus seiner Teetasse hob, sagten Keiji genug. Genauso wie die Tatsache, dass sich beide so stark an ihrer Tasse festhielten, dass ihre Knöchel weiß hervor traten. Noch bevor er seine dunkelsten Vermutungen aussprechen konnte, schlug Tetsuo mit der Faust auf den niedrigen Tisch, so dass das Geschirr darauf klirrte.

„Dieser verdammte Bastard!“

Tetsuo zitterte am ganzen Körper und spie die Worte aus, als wollte er seinen General persönlich für seine Vergehen hinrichten. Dieser Ausbruch ließ Keiji mit einem Gefühl zurück, als wäre er gerade in eiskaltes Wasser eingetaucht.

„Was haben sie ihr angetan?“, fragte er fast lautlos.

„Die Prinzessin hat kein Wort gesprochen, seit sie vom Taishō zurückgekehrt ist, doch wir haben die blauen Flecken gesehen, das getrocknete Blut und… und ihren zerrissenen Kimono…“

„Seit sie zurück ist, lässt sie sich nicht berühren oder helfen. Sie rührt ihr Essen nicht an und am aller Schlimmsten: Sie leidet Schmerzen. Zwar versucht sie es sich nicht anmerken zu lassen, doch hin und wieder kann man das Wimmern in ihrer Zelle hören. Und wir wissen mittlerweile sehr gut, dass die Prinzessin sich niemals beklagen würde, würde sie nicht unerträgliche Schmerzen erleiden. Wir haben beim Taishō und seinen Männern nach Antworten gesucht, doch das Einzige, das wir erhalten hatten, war die Freistellung von unserem Amt. Seitdem ist es uns untersagt den Kerkerbereich auch nur nah zu kommen. Deshalb bitten wir euch, Taii Maeda. Befreit sie aus dieser Qual.“

Irgendwann, zwischen den Erklärungen von Reiji und Tetsuo hatte Keiji nichts mehr gehört. Das Blut, das durch seine Adern rauschte, war das Einzige, das er noch vernahm. Seine Sicht war verschwommen und mit einem roten Film zurück geblieben und sein ganzer, angespannter Körper hatte begonnen zu zittern.

Dass er sein Katana ein Stück aus seiner Scheide gezogen hatte und seinen Daumen gerade in dessen Schneide presste, spürte er nicht. Er spürte gar nichts mehr. Sein ganzer Körper fühlte sich wie in Watte gehüllt und nur seine Gedanken schrien laut in seinem Kopf.

Wie hatte er das nur zulassen können?

Wieso war er ihr nicht zu Hilfe geeilt?

Wieso hatte er auch nur für eine Sekunde geglaubt, dass Kasumi seinen Onkel zu einer Vereinbarung überreden konnte? Sein Onkel war ein Monster, das nur nach seinen Gelüsten handelte. Er war kein Mensch und konnte nicht als solcher in einer Planung berücksichtigt werden.

Wieso hatte er Kasumi nicht aufgehalten?

Wieso war er nicht an ihrer Stelle?

Keiji schloss seine Faust um die Schneide seines Katanas und Blut strömte über die Klinge und tropfte auf den Holzboden. Auch diesen Schmerz spürte er nicht, denn er war zu gering im Vergleich zu seinem Herzen, das gerade in tausende Teile zersprang. Er hatte Kasumi verraten und seinem wahnsinnigen Onkel ausgeliefert.

Hätte er damals nur besser mit diesem Bogen umgehen können, dann wäre das alles niemals geschehen. Dann wäre Kasumi niemals in Gefahr geraten. Dann wäre nicht einmal ihr Palast zerstört worden. Sie hätte für immer glücklich mit ihrem Ehemann leben können. Hätte ihr Kind in Ruhe und Frieden zur Welt bringen können und wäre Glücklich gewesen. All dieses Leid hätte sie niemals erfahren dürfen. Denn es war nur Keijis Schuld, dass sie das jetzt durchmachte.

Zitternd kam Keiji auf die Füße und schwor dabei Vergeltung. Bei dem Blut, das er hier vergoss, schwor er, seinen Onkel ein für alle Mal zur Strecke zu bringen.

„Taii Maeda?“

Keiji konnte nicht sagen, wer von den Beiden ihn angesprochen hatte. Er registrierte ihre Anwesenheit auch nur am Rande. Alles worum seine Gedanken jetzt noch kreisten, war der Tod seines Onkels und die Befreiung seiner geliebten Schwester.

„Wir werden Kasumi da raus holen. Dafür werde ich sorgen.“, erklärte Keiji mit einem wütenden Knurren in der Stimme, das er selbst nicht wiedererkannte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen!

Das Finale rückt immer näher. Noch ein weiteres Kapitel, dann sind wir wieder bei Kasumi (Rin) und sehen was aus ihr wurde. Bis dahin müsst ihr euch aber leider noch ein bisschen gedulden. Ich weiß wie hart das ist, aber ich bin dran ;)
Ich hoffe die Brüder können euch bis dahin etwas die Zeit überbrücken…

Gruß
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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kandy2015
2019-06-06T05:57:32+00:00 06.06.2019 07:57
Arme Rin😭😢.
Ihr
Oh je wenn Sesshomaru das erfährt...
Mach schnell weiter.

Von:  Anitasan
2019-06-01T21:09:00+00:00 01.06.2019 23:09
Mach schnell weiter.
Ich kaue schon an meinen Fingernägeln vor lauter Spannung.
LG Anitasan



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