Uncertain Heart von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 36: Bereuen ------------------- Als wir aus der Dusche stiegen, schnappte ich mir schnell ein Handtuch und eilte aus dem Bad. Vor dem großen Bett des Hotelzimmers blieb ich stehen und schluckte. Mein Atem ging immer noch unruhig und mein Herz schlug viel zu schnell gegen meine Brust. Blut rauschte in meinen Ohren. Das warme Wasser und die Hitze in meinem Inneren waren mir wohl zu Kopf gestiegen. Mit der Hand fuhr ich mir nervös durchs Haar und ein Gedanke kam mir in den Sinn. Das war das erste Mal seit Hayato, dass ich auf diese Art und Weise neben einem Mann im Bett liegen würde. Das eben in der Dusche … die Lust hatte uns übermannt und mit unseren Emotionen gespielt. Doch Tai wollte mehr. Er wollte alles ganz bewusst erleben. Jeden Moment genießen und in sich aufnehmen. Genau das, was ich auch wollte. Doch war ich wirklich schon bereit dafür oder würde ich aus Angst vor Enttäuschung einen Rückzieher machen? „Warum bist du denn so schnell geflüchtet?“ Zwei Arme schlossen sich von hinten um mich und Tai drückte mir einen Kuss aufs Haar. „Habe ich dich zu sehr bedrängt?“ Ich schüttelte den Kopf und strich mit meinen Fingern langsam über seine Arme. „Nein, überhaupt nicht. Es ist nur …“ Ich stockte. Wie sollte ich das nur erklären? „Es ist nur, du bist der Erste, seit …“ „Ich weiß“, unterbrach er mich und drehte mich vorsichtig zu sich um. Sein Finger legten sich unter mein Kinn und hoben es an, sodass ich ihn ansehen musste. „Und genau deshalb soll es etwas Besonderes werden. Ich weiß, dass du bisher nicht all zu gute Erfahrungen gemacht hast, aber ich verspreche dir … Wenn du diesen Schritt gehst, wirst du ihn nicht bereuen.“ Ich wusste nicht, wie mir geschah, aber irgendwie schafften es seine Worte, mir die Angst zu nehmen. Er hatte recht. Hayato und alles was vor Tai war, gehörte der Vergangenheit an. Wir hatten eine Chance verdient und ich wollte nicht, dass meine Ängste uns im Weg standen – nie wieder. Ich stellte mich auf Zehenspitzen und küsste ihn als Antwort. Tai umfasste mein Gesicht mit beiden Händen. Ich nahm den herben Duft seines Duschgels in mir auf. Er roch so gut. Seine Hände glitten meinen Rücken hinunter. „Du bist ja noch ganz nass“, bemerkte er leicht grinsend und sah an mir hinab. Ich war so schnell aus dem Bad geeilt, dass ich ganz vergessen hatte, mich abzutrocknen und dabei nasse Fußspuren auf dem Teppich hinterlassen hatte. Tai löste das Handtuch, was ich um meinen Körper gebunden hatte, ließ es aber nicht zu Boden fallen. Stattdessen nahm er es in die Hand und fuhr damit über meine feuchten Schulterpartien, die Arme hinab und strich langsam über meinen Bauch. Dann umfasste er meine Schultern und drückte mich sanft hinunter aufs Bett. Ich setzte mich hin, während er vor mir niederkniete und tatsächlich meine Wade in seine Hand nahm und mit dem Handtuch vorsichtig darüberstrich. Mein Herz begann zu flattern. Noch nie war ich auf so eine Weise berührt worden, die so verdammt sexy und intim war und doch rein gar nichts mit Sex zu tun hatte. Tai nahm mein anderes Bein in die Hand und trocknete auch das ab. Seine Augen glitten dabei über meine Haut, als würden sie jeden Zentimeter davon in sich aufsaugen wollen. „Fertig“, verkündete er grinsend, als er bei meinen Füßen angelangt war und schmiss das Handtuch zur Seite. Dann fuhr er mit den Lippen sanft über meinen Fußrücken, mein Bein hinauf. Er übersäte meine Haut mit Küssen, was mir ein angenehmes Seufzen entlockte, während er immer höher kam. Mein ganzer Körper schien zu kribbeln. Er hob mein Bein an und seine Lippen berührten die Innenseite meines Schenkels. Diesmal musste ich mir in die Unterlippe beißen, um nicht laut aufzustöhnen. Meine Finger krallten sich in die Decke. Was machte er nur mit mir? Mein Herz schlug immer schneller, als er sich mit seinen Lippen immer weiter nach vorn arbeitete, sich dem Zentrum meiner Begierde näherte … und plötzlich stoppte. Neckisch sah er mich an. Ich stutzte zunächst, bis ich begriff, dass es ihm Freude bereitete, mit mir zu spielen. Na, warte, Tai Yagami … Er richtete sich auf und beugte sich mir entgegen, um mich zu küssen, wodurch er mich unweigerlich weiter nach hinten drängte, bis ich schließlich auf dem Bett lag, er über mir gebeugt. Von meinen Lippen ließ er nicht ab, seine Zunge drang in meinen Mund, spielte mit meiner, während seine Hand weiter meinen ganzen Körper erforschte. Sie glitt von meinen Brüsten hinab über meinen Bauch, verharrte jedoch nicht dort, sondern fand den Weg weiter hinunter zu meiner empfindlichen Stelle. Seine Berührung ließ mich kurz zusammenzucken, doch dann entspannte ich mich und genoss seine kreisenden Bewegungen und wie er mich damit Stück für Stück in den Wahnsinn trieb. Ich stöhnte in unseren Kuss hinein, als er mit dem Finger in mich eindrang und mein inneres Feuer so nur noch weiter anfachte. Seine Bewegungen wurden schneller und fordernder und ich wand mich unter ihnen, warf den Kopf in den Nacken und spürte, wie mein Unterleib sich genüsslich zusammenzog. Diesmal zog er sich nicht zurück, sodass ich mich fallen lassen und die Welle, die mich mit einem Mal überkam, voll und ganz genießen konnte. Schwer atmend blickte ich ihm entgegen und sah sein verschmitztes Grinsen, was mir verriet, dass Tai mich die ganze Zeit über beobachtet hatte. „Was grinst du denn so?“, fragte ich leicht verunsichert. „Nur so“, entgegnete er und strich mir eine immer noch feuchte Haarsträhne hinters Ohr. „Es ist nur schön für mich, dich so zu sehen.“ „Ach ja?“, meinte ich daraufhin süffisant. „Das Grinsen wird dir bald vergehen.“ Mit einer gekonnten Bewegung hatte ich ihn von mir runter und auf den Rücken gedreht, sodass ich mich rittlings auf ihn setzen konnte. Allein das entlockte ihm einen genüsslichen Laut. Ich beugte mich zu ihm hinab und grinste gegen seine Lippen, als ich meine Finger in seinem Haar vergrub und fest zupackte. „Vielleicht gefällt es mir ja auch, dich so zu sehen.“ Seine Mundwinkel wanderten nach oben und er wollte etwas erwidern, doch ich war schneller. Kurzerhand ließ ich mich auf ihn sinken und meine Hüften zugleich kreisen, woraufhin er stöhnend den Kopf in den Nacken warf und die Augen schloss. Ein „Oh Gott“, entfuhr ihm und brachte mich fast zum Lachen. Dass nicht nur er mich, sondern auch ich ihn um den Verstand bringen konnte, gefiel mir. Sein Becken drängte sich mir verlangend entgegen, doch ich übernahm weiterhin die Führung. Wenn er meinte, dass nur er dominant sein konnte, dann hatte er sich geschnitten. Quälend langsam bewegte ich mich auf ihm, fachte seine Lust weiter an und trieb seine Begierde unendlich in die Höhe. Tai packte mich an den Hüften und seine Finger bohrten sich in mein Fleisch, doch das war weniger schmerzhaft als anturnend. Ich spürte, wie seine Finger sich verkrampften und er kurz vor dem Höhepunkt war. Sein Stöhnen erstarb jedoch, als ich mitten in der Bewegung innehielt und er mich fassungslos ansah. „Was …?“ „Sorry“, grinste ich belustigt. „Ich wollte nicht, dass es zu schnell für dich geht. Außerdem haben wir ja noch die ganze Nacht Zeit.“ Empörung legte sich auf sein Gesicht, darüber, dass ich ihn eben mit seinen eigenen Waffen geschlagen hatte. Ha! Das war die Retourkutsche für diese Aktion unter der Dusche. „Oh, nein. So nicht“, entgegnete Tai, packte mich an der Taille warf mich rücklings in die Kissen. Ein quietschender Schrei entfuhr mir und ich musste kichern, als er sich über mich beugte und mich fordernd ansah. „Vergiss, was ich gesagt habe“, hauchte er mir entgegen und drang erneut mit einem Stoß in mich ein. Unwillkürlich breitete sich wieder diese Hitze in mir aus, die meinen ganzen Körper durchströmte. Mein Kichern erstarb und ich schloss genüsslich die Augen. Tai presste seine Lippen auf meine, während er sich in mir immer schneller, immer fordernder bewegte und mich erneut dem Höhepunkt näherbrachte. Ich wusste, dass es ihm genauso ging. Denn wir hatten uns völlig ineinander verloren. Zeit spielte keine Rolle mehr. Als wäre um uns herum nichts mehr existent, außer wir zwei. Eine Welle der Erleichterung überkam uns, überrollte uns und riss uns beide mit sich. Ein letztes Mal versank er in mir, während ich die Finger in seinen Rücken gekrallt hatte. Tai hauchte meinen Namen, dann erschlaffte sein Körper und er ließ sich schwer atmend auf mich hinabsinken, jedoch nicht ohne mir weiter fest in die Augen zu blicken. Seine Augen funkelten, als er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich und mit dem Daumen über meine geschwollenen Lippen fuhr. Er hätte mich ewig so ansehen können … „Geht’s dir gut?“, wisperte er. Ich lächelte und berührte seine Wange. „Mehr als das.“ Es fühlte sich so perfekt, so vollkommen an, ihm so nah zu sein. Als hätten zwei Teile zueinander gefunden, um endlich eins zu werden. Am Anfang unserer Reise hätte ich nie gedacht, dass es hier soweit kommen würde. Doch ich hatte es zugelassen und es fühlte sich richtig an – wie das einzig Richtige. Endlich war ich mir sicher, dass wir beide unsere Vergangenheit hinter uns lassen konnten. Dass wir uns gegenseitig verzeihen konnten und es irgendwie schaffen würden einander festzuhalten – hoffentlich für immer. Am nächsten Morgen wachte ich in Tais Armen auf. Ich fühlte mich geborgen und aufgehoben und ein tiefer Seufzer kam mir unweigerlich über die Lippen, als ich an die vergangene Nacht dachte. Ich hatte ihm mehr geschenkt als nur meinen Körper. Ich hatte ihm mein Herz geschenkt. Und diesmal war ich mir sicher, es nicht bereuen zu müssen. Langsam fuhr ich mit dem Finger über seine nackte Brust. Ich konnte noch immer das Prickeln spüren, welches seine Haut auf meiner hinterlassen hatten. Ein leises Murren ließ mich innehalten. Hatte ich ihn etwa aufgeweckt? „Mach weiter.“ Ich grinste. „Hey, seit wann bist du wach?“, fragte ich und sah zu ihm auf. Seine Mundwinkel zuckten. „Seit du angefangen hast, mich zu betatschen.“ Empört richtete ich mich auf. „Ich habe dich nicht betatscht.“ Tai öffnete ein Auge und grinste mir verschmitzt entgegen. „Ach, nein?“ Dann packte er mich und warf mich zurück in die Kissen. Ich musste lachen, als seine Hand langsam unter die Bettdecke glitt und meinen Bauch streichelte. „Ich glaube, das war dein Wunschdenken“, kicherte ich, woraufhin er die Augen verdrehte. „Ja, vielleicht. Aber daran bist nur du schuld.“ „Oh, ich alleine, ja?“ „Ja, du alleine.“ „Dann hast du ja sicher nichts dagegen, dass ich dein Wunschdenken in die Tat umsetze“, bemerkte ich verführerisch und ließ meine Hand ebenfalls unter die Decke verschwinden. Er zuckte zusammen und seine Augen weiteten sich für einen kurzen Augenblick, ehe sich seine Gesichtszüge entspannten. „Tust du mir einen Gefallen?“, fragte ich ihn. Tai schloss genüsslich die Augen, während ich meine Hände für mich sprechen ließ. „Alles, was du willst.“ Ich grinste. „Bringst du mir Frühstück? Ich hab einen Bärenhunger“, sagte ich und entfernte mich von ihm. Tai öffnete die Augen und sah mich enttäuscht und zugleich gekränkt an. „Oh, man“, sagte er. „Du hast mir das unter der Dusche wohl immer noch nicht verziehen.“ Ich zog eine Augenbraue in die Höhe. „Oh, was hast du denn?“, amüsierte ich mich. „Wir haben doch schließlich noch den ganzen Tag Zeit.“ Tai lachte gequält auf und ließ den Kopf hängen. „Wohl eher nur noch den ganzen Morgen. Wir müssen uns gegen Mittag schon auf den Heimweg machen.“ Frustriert zog ich eine Schnute. „Was? So bald schon?“ „Ja, leider“, gab er zurück und drückte mir einen Kuss auf die Nase, ehe er von mir abließ und sich aus dem Bett schwang. „Und damit du mir unterwegs nicht verhungerst, gehe ich jetzt duschen und besorge dir dann dein Frühstück. Und danach haben wir vielleicht noch eine halbe Stunde Zeit für … na ja, für was auch immer du willst.“ Er zwinkerte mir zu, bevor er im Bad verschwand. Ich grinste ihm hinterher und in mich hinein. Warum hatten wir noch mal so lang damit gewartet? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es je wieder anders zwischen uns sein könnte. Seufzend rollte ich mich auf Tais Bettseite und umklammerte sein Kissen. Es roch nach ihm. Ich beschloss, noch ein wenig zu ruhen und schloss die Augen. Die letzte Nacht war nicht nur wunderschön, sondern auch etwas anstrengend. Und von der Wanderung tat mir noch immer jeder einzelne Muskel weh. Ich war gerade dabei wegzudösen, als etwas auf Tais Nachttisch vibrierte. Verstohlen öffnete ich ein Auge und erkannte, dass es sein Handy war. Vermutlich ein Anruf, doch ich hatte nicht vor Tai jetzt zu stören und mich deshalb aus dem Bett zu schälen. Er konnte den Anruf später beantworten. Als es aufhörte, schloss ich erneut meine Augen, dachte jedoch daran, wie Tai gerade unter der Dusche stand, denn ich konnte das Rauschen des Wassers hören. Der Gedanke entlockte mir ein Lächeln und ich fragte mich, wie wir es früher nur geschafft hatten, so lang die Finger voneinander zu lassen. Vielleicht sollte ich mich ja doch zwingen aufzustehen und ihm unter der Dusche Gesellschaft leisten. Ich schlug die Decke zurück und setzte mich vorsichtig auf, um zu gähnen und mich zu strecken. Ein Knochen in meiner Schulter knackte und ich verzog das Gesicht. Verdammte Wanderung. Das Vibrieren des Handys erschrak mich erneut. Man, wer war denn da so verdammt hartnäckig? Wie ein Blitz schoss es mir durch den Kopf, dass ich schon seit Stunden nicht mehr auf mein Handy gesehen hatte. Vielleicht war ja etwas mit Hope … Kurzentschlossen griff ich nach seinem Handy und erwartete schon, Karis oder Frau Hanadas Nummer auf dem Display zu sehen. Doch der Name, der mir entgegen blinkte, ließ mich erstarren. Sora. Ihr Name leuchtete mich an und mit jedem weiteren Vibrieren begannen meine Finger ein wenig mehr zu zittern. Was wollte sie von ihm? Warum rief sie hier an? Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Sollte ich einfach rangehen? Oder es ignorieren? Noch ehe ich mich entscheiden konnte, brach der Anruf ab und die Anzeige, dass keine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen wurde erschien. Das Herz schlug mir bis zum Hals, als plötzlich sämtliche Anrufe der letzten Stunden aufblinkten. Wie oft hatte sie versucht, ihn zu erreichen, während wir schliefen? Ich hörte immer noch das Rauschen des Wassers, was mir verriet, dass Tai noch unter der Dusche stand. Ich versuchte mich zu besänftigen. Keine Ahnung, was sie von ihm wollte, aber Tai würde sich sicher nicht heimlich hinter meinem Rücken mit ihr treffen. Das konnte ich mir nicht vorstellen. Und doch war da dieser winzig kleine Zweifel, der in mir aufkeimte und sich einen Weg an die Oberfläche bahnte. Was, wenn doch? Ich war ja bereit, die Vergangenheit ruhen zu lassen, aber … beide hatten mich hintergangen. Mich angelogen. Wer versicherte mir, dass das nicht wieder passieren konnte? Gab es überhaupt irgendeine Sicherheit für mich? Würde es immer so sein, dass Tai mit mir zusammen und gleichzeitig ihr bester Freund sein würde? So, dass ich mein Leben lang misstrauisch und eifersüchtig sein würde? War es das, was ich wollte? Nein. Ich brauchte Gewissheit. Es fiel mir nicht schwer, sein Passwort zu entschlüsseln – Karis Geburtstag. Mein Puls begann förmlich zu rasen, während ich durch sein Mail Fach scrollte. Ich erstarrte. Sie hatte ihm geschrieben? Vor zwei Tagen? Was sollte das? Ich öffnete irgendeine Nachricht. „Wie wär’s mit diesem Wochenende?“ Unwillkürlich hielt ich die Luft an. Tais Antwort war kurz und knapp. „Nein, dieses Wochenende geht es nicht. Ich bin mit Mimi unterwegs.“ Mein Herz zog sich schmerzlich zusammen. Hatten die beiden etwa vor, sich zu treffen? Meine Handflächen begannen zu schwitzen und mir wurde regelrecht übel, als ich sah, dass der Schriftverkehr noch weiter ging. Sora: „Wann dann?“ Tai: „Ich ruf dich an, sobald ich zurück bin. Dann kannst du vorbeikommen. Oder ich komme zu dir. Ist vielleicht besser.“ Ich merkte nicht, wie mir die erste Träne über die Wange rollte und ich die Hand vor den Mund schlug, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Sie wollten sich tatsächlich treffen. Hinter meinem Rücken. Ich konnte es nicht fassen. War denn alles, was wir letzte Nacht miteinander geteilt hatten eine Lüge? Eine weitere Illusion? Eine naive Wunschvorstellung, dass wir alles zusammen schaffen würden, wenn wir uns nur stark genug liebten? Das Rauschen des Wassers verklang und ich konnte hören, wie Tai die Duschtür öffnete. Eine Welle der Verzweiflung überrollte mich, ließ mich für einen Moment erstarren, das Handy immer noch in meiner Hand. Dann ließ ich es unsanft auf den Nachttisch fallen, als wäre es eine ansteckende Krankheit. Ich wollte nichts mehr von alledem wissen. Es fühlte sich an, als hätte man mir das Herz in der Brust zerquetscht, ein beklemmendes Gefühl, was jede Faser meines Körpers erfüllte. Mein Magen verkrampfte sich und ich kämpfte gegen die aufkommende Übelkeit an, die diese Nachrichten in mir auslösten. Die Realität hatte mich eingeholt. Es war eben doch alles nur ein Traum gewesen, pures Wunschdenken, was mich für kurze Zeit beflügelt hatte und mich glauben ließ, es wäre alles richtig so wie es war. Doch das war es nicht. Nichts war mehr richtig oder fühlte sich vollkommen an. Gar nichts. Ich musste mich fassen. Irgendwie beruhigen. In ein paar Stunden kehrte ich zurück zu meiner Tochter. Ich konnte nicht als ein seelisches Wrack zurückkommen. Dieser Urlaub sollte uns wieder zusammenführen und uns nicht nur noch weiter voneinander entfernen. Ich zwang mich dazu, zwei, drei Mal tief durchzuatmen, bevor ich meine Klamotten aufsammelte und mich schleunigst anzog. Der Fön ging im Bad an und ich nutzte die Chance, um Tais Zimmer zu verlassen. Ich ging nach nebenan und schloss die Tür hinter mir. Dann brach plötzlich alles über mir zusammen. Meine Knie gaben nach und ich sank mit dem Rücken an die Tür gepresst zu Boden. Schluchzend zog ich meine Beine an und ließ den Tränen freien Lauf. Was sollte ich jetzt nur tun? Und vor allem: wie hatte ich mich ein zweites Mal so in Tai täuschen können? Die Fahrt zurück nach Hause fühlte sich wie die Hölle auf Erden an. Nachdem ich aus Tais Zimmer geflüchtet war und er mich dort nicht mehr vorgefunden hatte, klopfte er mehrmals an meine Tür. Ich regte mich nicht, also ging er wieder, wahrscheinlich um sonst wo nach mir zu suchen. Ich hatte versucht, mich zu beruhigen, mich irgendwie wieder zu sammeln, einen kühlen Kopf zu bewahren. Doch ich musste mich dazu zwingen, die Tränen zurückzuhalten, als ich zu Tai ins Auto stieg. Er war sehr aufgebracht und fragte mich, wo ich die ganze Zeit über gewesen wäre – er hätte sich Sorgen gemacht. Ich gab ihm keine Antwort darauf, denn sobald ich den Mund aufgemacht hätte, hätte ich entweder angefangen zu weinen oder ich hätte ihn angeschrien und ihm noch vor dem Hotel eine furchtbare Szene gemacht. Also schwieg ich einfach. Demnach war die Fahrt zurück nach Tokio die reinste Tortur für mich. Natürlich merkte Tai mir an, dass etwas nicht stimmte, doch ich ignorierte seine bohrenden Blicke und starrte stattdessen fast die ganze Zeit über aus dem Fenster. Plötzlich, kurz vor Tokio, hielt er am Straßenrand einer Landstraße an. „So, das reicht“, sagte er entschieden und wandte sich zu mir um. Ich hatte die Arme vor der Brust verschränkt und war nicht bereit, ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. „Was verdammt noch mal ist mit dir los?“ Seine Stimme klang deutlich erregt und allein danach zu urteilen, würde er mir gleich wie ein Tier an den Hals springen, wenn ich nicht mit ihm redete. Doch ich schnaufte nur und presste die Zähne aufeinander. „Verflucht, Mimi!“, fuhr er mich erzürnt an. „Hör endlich auf mich zu ignorieren und gib mir eine Antwort. Warum bist du vorhin einfach so verschwunden? Was ist in den letzten drei Stunden passiert? Hab ich irgendwas verpasst?“ So, das reichte. Ich wirbelte zu ihm rum und funkelte ihn böse an. „Ob du was verpasst hast? Nein, ich denke nicht. Aber ich scheine einiges verpasst zu haben.“ „Was bitte meinst du damit?“ Verständnislos sah er mich an. Dieser Heuchler. Ich verschränkte erneut meine Arme vor der Brust und lehnte mich etwas weiter zurück, um irgendwie Abstand zu ihm zu bekommen. Am liebsten wäre ich aus dem Auto gesprungen und hätte den Rest des Weges zu Fuß zurückgelegt. „Wann wolltest du mir eigentlich erzählen, dass du dich heimlich mit Sora triffst?“, platzte es schließlich aus mir heraus. „Das ich … was?“ Oh, natürlich. Jetzt spielte er den Ahnungslosen. „Du brauchst überhaupt nicht so zu tun“, wies ich ihn zurecht. „Ich weiß genau, dass ihr euch heimlich seht.“ Tais Gesichtszüge entgleisten und seine Schultern sackten zusammen. Er drehte sich nach vorn und umfasste das Lenkrad mit beiden Händen. Dann schüttelte er fassungslos den Kopf, gefolgt von einem ungläubigen Lachen. „Ich fass es nicht.“ Was zum Teufel war das denn jetzt? Irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass er sich ertappt fühlte. Seine Reaktion vermittelte mir eher den Eindruck, dass er mich für komplett bescheuert hielt. Na, das Spielchen kannte ich ja schon. Aber diesmal würde ich mich nicht von ihm täuschen lassen. Er legte den ersten Gang ein und fuhr los. Doch das brachte das Fass erst recht zum überlaufen. Meine Enttäuschung über diesen Betrug wich augenblicklich der Wut, die sich tief in meinem Bauch angesammelt hatte und die nun bereit war, zu explodieren. „Sag mal, willst du mich verarschen?“ „Ich dich verarschen? Ich fass es einfach nicht, dass du immer noch auf der Sache mit Sora rumreitest. Ich dachte, wir hätten das geklärt und wollten es hinter uns lassen.“ „Oh ja“, sagte ich abwertend. „Sagst du mir auch noch, wann genau du es hinter dir lassen wolltest?“ „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst“, antwortete er deutlich genervt. Schmerzlich biss ich mir auf die Unterlippe. Das war ja wohl die absolute Krönung. Wollte er mich für dumm verkaufen? „Ach, nein?“, fuhr ich ihn an. „Dann solltest du vielleicht noch mal deinen Mail Verlauf checken. Vielleicht fällt es dir dann wieder ein.“ Im nächsten Moment machte Tai einen Schlenker, der völlig unerwartet kam. Ich wurde zur Seite geschleudert und meine Schulter schlug unsanft gegen die Fensterscheibe. Ein wütender Autofahrer fuhr hupend an uns vorbei und zeigte Tai den Vogel. Dieser fing sich jedoch schnell und hielt nun wieder die Spur. „Was soll das heißen?“, platzte es aus ihm heraus, den Blick stur auf die Straße gerichtet. „Hast du etwa in meinem Handy rumspioniert?“ Ich zog eine Augenbraue nach oben und wandte den Blick von ihm ab. Ich war nicht stolz darauf. Aber lieber erfuhr ich es so als gar nicht. „Ja, das habe ich. Und ich bin froh darüber, dass ich es getan habe. Denn ich glaube nicht, dass ihr mir von eurer heimlichen Affäre erzählt hättet.“ Es schmerzte so sehr, das zu sagen. Doch es musste sein. Meine schlimmste Angst hob erneut ihren Kopf und spuckte mir ins Gesicht. Nun war es an der Zeit, dieser hässlichen Wahrheit in die Augen zu blicken. „Unserer … Affäre?“, hakte Tai empört und irritiert zugleich nach. „Wie bitte kommst du darauf, dass ich mit ihr eine Affäre hätte? Hast du irgendwo das Wort Affäre gelesen … oder denkst du ernsthaft, ich würde dir das, nach allem was passiert ist, wirklich antun?“ Ich schnaufte verächtlich. „Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll.“ Tai entfuhr ein tiefer Seufzer, während ich mit den Tränen zu kämpfen hatte. Wir schwiegen den Rest der Fahrt, die nicht mehr lang dauerte. Ich hielt es kaum noch in seiner Nähe aus. Ich wollte einfach nur noch dieses verfluchte Wochenende hinter mir lassen. Als Tai an der letzten Kreuzung rechts abbog und endlich vor die Einfahrt unseres Wohnblockes fuhr, hätte mir das Herz in der Brust zerspringen können. Das war’s also. Unser Ende. Und er unternahm nicht mal etwas dagegen. Aber es wäre sowieso sinnlos gewesen. Wie soll man einen Kampf führen, den man vorher schon verloren hatte? Ich blinzelte die letzten Tränen weg und drehte mich um. „Dann war’s das wohl“, sagte ich leise und wollte aus dem Auto aussteigen, doch Tai war schneller und schaltete mit einem Knopfdruck die Kindersicherung ein. Ich rüttelte mehrmals am Griff, ehe ich ihn verärgert ansah. „Sag mal, spinnst du? Was soll das? Lass mich sofort hier raus!“ „Nicht, bevor wir nicht miteinander geredet haben“, widersprach Tai und wandte sich mir zu. „Es gibt nichts mehr zu reden“, antwortete ich verbissen. Was wollte er denn noch? Es war so schon alles schlimm genug, musste er es denn noch schlimmer machen? „Es tut mir weh, dass du das immer noch tust“, sagte er geknickt. Sein Blick trübte sich. „Dass ich was tue?“ „Dass du mir immer noch misstraust. Mimi …“ Er wollte nach meiner Hand greifen, doch ich entzog sie ihm so schnell, als hätte er Gift an den Händen. Er seufzte schwer. „Ich liebe dich, Mimi. Weißt du das denn nicht? Ich dachte, die letzte Nacht hätte alles verändert. Ich dachte, wir hätten noch eine Chance.“ „Das habe ich auch gedacht“, stimmte ich traurig zu. „Dann gib uns nicht auf, Mimi. Nicht jetzt“, flehte Tai. „Es kann nicht funktionieren, wenn du mir nicht vertraust. Solang du mir nicht vertraust, können wir uns noch so sehr lieben, können wir es noch so sehr wollen … Wenn du mir nicht vertrauen kannst, ist es, als würden wir gegen Windmühlen kämpfen.“ Ich fuhr zu ihm rum. Meine Hände krallten sich in meinen Rock und Tränen glitzerten in meinen Augen, doch das war mir egal. „Wie soll ich dir vertrauen, Tai? Wie? Wie oft willst du dich noch heimlich mit Sora treffen und wie oft muss ich es noch über irgendwelche Nachrichten, die ihr euch heimlich schreibt, erfahren?“ Kurz herrschte beklemmende Stille zwischen uns. Nur das Rauschen meines pulsierenden Blutes klang in meinem Ohr. Plötzlich veränderte sich etwas in Tais Miene. „Wie oft du noch …? Moment mal. Was soll das heißen? Liest zu etwa öfters meine Nachrichten?“ Ich zuckte zurück. Verdammt. Aber jetzt war es auch egal. Eigentlich war doch nun alles egal, da wir eh verloren hatten. Eine Träne rollte mir über die Wange, doch ich wischte sie schnell weg. „Ja. Ja, das tue ich. Na und? Ich hab schon mal Nachrichten von ihr gelesen, die sie dir geschrieben hat. Aber nur, weil ich die ganze Zeit über das Gefühl hatte, dass da doch was zwischen euch ist. Dass ihr mir was verheimlicht.“ Doch das beschwichtigte Tai nicht. Er wurde stinkesauer. „Mimi, ich … ich fass es nicht, dass du das getan hast.“ Er ballte die Hände zu Fäusten und auf seiner Stirn bildete sich eine tiefe Zornesfalte. „Wir reden hier von Vertrauen. Und darüber, dass wir unsere Beziehung retten wollten. Und anstatt mit mir darüber zu reden oder … mich überhaupt auch nur ansatzweise zu fragen, um was es in diesen Nachrichten geht, verheimlichst du es und reimst dir irgendwelche Geschichten zusammen, die nicht im Geringsten etwas mit der Wahrheit zu tun haben. Hättest du mich einfach gefragt, hätte ich es dir erklären können. Aber du bist so besessen von der Idee, ich könnte dich mit Sora betrügen, dass du mir überhaupt keine Chance gibst und auch nie geben wirst. Dabei habe ich dich nie mit ihr betrogen und das weißt du auch. So langsam denke ich, dass nicht Sora das Problem zwischen uns ist, sondern dein Mangel an Vertrauen mir gegenüber.“ Wow. Das hatte gesessen. Und zwar wie ein Schlag ins Gesicht. Sprachlos saß ich da und starrte ihn einfach nur an, während mein Magen sich schmerzhaft zusammenzog. Meine Kehle wurde staubtrocken. Ich brachte kein einziges Wort hervor. Tai atmete schwer vor Aufregung, schüttelte dann jedoch nur den Kopf, entriegelte die Kindersicherung und stieg aus. Ehe er die Tür schloss, beugte er sich noch einmal ins Wageninnere hinein. „Und eins noch: hättest du mich gefragt, dann hätte ich dir erklären können, dass es in den Nachrichten lediglich um ein paar beschissene Bücher ging.“ Ungläubig und verwirrt sah ich zu ihm auf. „Bücher?“, wiederholte ich tonlos. „Ja, Mimi. Bücher. Falls du dich erinnerst, ich hatte mich am selben College wie Sora eingeschrieben. Aber nachdem, was alles passiert war, wollte ich unseren Neuanfang nicht gefährden. Ich hatte mich dazu entschieden, den Platz nicht anzutreten. Und das nur, weil Sora dort studieren wird. Nur, damit du nicht länger misstrauisch sein musst. Tja, leider hatte ich mir schon sämtliche Bücher zugelegt und die waren ziemlich teuer, wie du dir sicher denken kannst. Ich wollte sie nicht umsonst gekauft haben. Und da Sora dieselben Hauptfächer gewählt hatte, hat sie mich gefragt, ob sie sie mir für ein bisschen weniger Geld abkaufen kann. Das war alles. Ich wollte sie ihr heute vorbeibringen.“ Ich biss mir auf die Unterlippe. Es war wie ein Schlag vor den Kopf. „Das war alles?“, wisperte ich in mich hinein. „Ja, das war alles. Du hast unsere Beziehung wegen ein paar dämlicher Bücher aufs Spiel gesetzt. Das nächste Mal liest du besser den ganzen Nachrichtenverlauf, bevor du mir unterstellst, ich hätte eine Affäre.“ Und mit diesen Worten knallte er die Autotür zu. Ich sank in mich zusammen und vergrub das Gesicht in meinen Händen. Was hatte ich nur getan? Ich hatte unserer Beziehung den Gnadenstoß versetzt, nur, weil ich viel zu schnell geurteilt hatte. Weil ich Tai nicht vertraut hatte. Weil ich nicht an uns und unsere Liebe geglaubt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)