Uncertain Heart von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 23: Eifersucht ---------------------- „Bist du nervös?“, fragte Tai, während ich vor dem Spiegel stand, mein Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt hatte und gleichzeitig versuchte, mir die Haare zu richten. „Etwas schon, ja“, gestand ich ihm. Den ganzen Tag über hatte ich schon dieses ungute Bauchgefühl. Es war wie vor einer Prüfung, vor der man nicht gelernt hatte. Apropos Prüfung… „Wie sieht’s bei Ihnen aus, Herr Yagami. Sind Sie aufgeregt?“, fragte ich und vernahm ein deutliches Zischen. „Wieso sollte ich? Wenn ich in etwas gut bin, dann ist es Mathe. Das müsstest du am besten wissen, Schätzchen.“ Ich musste grinsen. „Du bist ziemlich überheblich“, stellte ich amüsiert fest. „Ich bin nur selbstsicher“, entgegnete Tai locker und das war noch nicht mal gespielt. In zwei Stunden würden die Leute vom Jugendamt kommen, um mit uns ein Gespräch über Hopes Zukunft zu führen. Tai konnte leider nicht dabei sein, da ihm seine erste Prüfung bevorstand. Man konnte sagen, ich war doppelt aufgeregt. Wobei ich mir wegen Tai wahrscheinlich keine Sorgen machen musste. „Mach dir keine Sorgen“, sagte Tai am anderen Ende der Leitung, als hätte er schon wieder meine Gedanken gelesen. Durch das Telefon. „Meine Mutter wird nachher bei dem Gespräch dabei sein. Wir haben gestern noch lang und breit darüber gesprochen, welche Lösung es für dich und Hope geben könnte.“ „Und?“, hakte ich unsicher nach. „Ist euch was eingefallen? Ich für meinen Teil bin ziemlich ratlos.“ Die letzten Tage hatte ich krampfhaft überlegt, was ich tun konnte. Was wir tun konnten. Tais Adoption war eine Möglichkeit. Aber noch lange nicht die Beste, das wussten wir alle. Ob allein die Tatsache, dass er ein guter Vater für Hope wäre, für das Jugendamt ausreichen würde, um sie mir zu lassen? Da war ich mir nicht sicher. Es stand alles in den Sternen und alles auf dem Spiel. Und mir wollte einfach keine Lösung einfallen, als letztendlich mein Recht, meine Tochter selbst groß zu ziehen, vor Gericht einzuklagen. Dafür musste ich allerdings erst Mal das Jugendamt und meine Eltern davon überzeugen, dass ich erwachsen genug für so eine Aufgabe war. Ich war immer noch Minderjährig und das war mein großer Minuspunkt. „Uns ist etwas eingefallen“, sagte Tai schließlich und ließ mich überrascht hochfahren. „Wirklich? Und was?“ Hatten sie tatsächlich eine Lösung parat? „Meine Mutter wird dir nachher alles genauer erklären. Ich habe jetzt leider keine Zeit mehr, die Prüfung beginnt gleich.“ „Okay“, seufzte ich. „Dann bis später. Ach, und Tai?“ „Hm?“ „Viel Glück.“ „Dir auch, Prinzessin“, sagte er und legte auf. Ich lächelte und legte das Handy auf meinen Schreibtisch, ehe ich mich das gefühlt hundertste Mal vor den Spiegel stellte und kritisch beäugte. Ich hatte meine Haare zu leichten Wellen geföhnt, hatte mir eine Jeanshose und einen schwarzen Blazer angezogen. Ich zupfte ihn zurecht und betrachtete mich von allen Seiten, denn ich wollte so erwachsen wie nur irgend möglich aussehen. Was blieb mir auch sonst anderes übrig? Tai meinte zwar, dass ihm und seinen Eltern etwas eingefallen wäre, aber was sollte das sein? Ich war mehr als gespannt darauf, welches Ass Frau Yagami aus dem Ärmel zaubern würde und ob es mir wirklich weiterhelfen würde… Zwei Stunden später war es soweit und der Albtraum wurde Wirklichkeit. Ich saß mit meinen Eltern an einem Tisch, sie mir gegenüber und die Frau vom Jugendamt neben mir. Es war eine andere, als beim letzten Mal und ich wusste nicht, ob mich das erleichtern oder beunruhigen sollte. Ich konnte sie nicht einschätzen, doch sie schien noch recht jung zu sein. Zum dritten Mal in der letzten halben Stunde sah sie jetzt auf ihre Armbanduhr und räusperte sich, während mein Vater ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch trommelte. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so angespannt war die ganze Situation. „Ich denke, wir sollten anfangen“, sagte sie schließlich, doch Tais Mutter war immer noch nicht da. So langsam wurde auch ich nervös. Hatte sie es vergessen? Würde sie überhaupt noch kommen? Just in diesem Moment klingelte es an der Tür und ich sprang von meinem Stuhl auf. „Das muss sie sein!“ Ich lief schnell zur Tür, um ihr aufzumachen. Sie lächelte mich an. Und sie war nicht allein gekommen. „Hope!“, strahlte ich über beide Ohren. „Tut mir leid, dass ich zu spät bin. Ich habe niemanden gefunden, der auf sie aufpassen konnte, also musste ich sie mitbringen“, erklärte sie mir, während ich ihr die Tür aufhielt. „Das ist gar kein Problem. Ich freue mich, dass sie hier ist. Sie gibt mir Kraft.“ „Ich hoffe, ihr habt noch nicht ohne mich angefangen“, sagte Frau Yagami und zog ihre Schuhe raus, ehe sie geradewegs mit Hope ins Wohnzimmer spazierte, als wäre sie hier zu Hause. „Guten Tag, freut mich Sie alle kennenzulernen. Ich bin Frau Yagami, die Mutter von Tai. Und ich habe Besuch mitgebracht“, verkündete sie selbstbewusst, als wäre alles völlig normal und entspannt. Bewundernd sah ich ihr hinterher. Also entweder sie bluffte gerade und konnte sich verdammt gut verstellen oder sie hatte ein riesen Ass im Ärmel. Was auch immer es war – ich beschloss, ihr einfach zu vertrauen. Ich straffte meine Schultern, atmete ein letztes Mal tief ein und ging ebenfalls ins Wohnzimmer, wo ich wieder meinen gewohnten Platz einnahm. „Sehr schön. Da wir jetzt alle vollzählig sind, können wir ja beginnen“, sagte die Beamtin und schlug ihre Unterlagen auf. Ich konnte sehen, wie meine Mutter kurz abgelenkt von Hopes plötzlichem Erscheinen war. Sie sah sie an, als wäre sie eine Fata Morgana. Was nicht verwunderlich war, denn sie hatte sie noch nie in ihrem Leben gesehen. Mein Vater hingegen reagierte gewohnt kühl. Außer eines kurzen Blickes hatte er nichts für meine Tochter übrig. Ein Grund mehr ihm die Stirn zu bieten. „So, wir sind also hier, um darüber zu sprechen, wo Hope in Zukunft leben wird und vor allem, wer sie großzieht. Ich denke…“ „Ich denke, wir sollten gar nicht erst um den heißen Brei drum rumreden. Wir wissen schließlich alle, warum wir hier sind“, unterbrach Yuuko die Beamtin. Meine Güte. Diese Frau hatte vielleicht Haare auf den Zähnen. Aber wie hieß es so schön? Angriff ist die beste Verteidigung. Also los! „Ich möchte, dass Hope bei mir bleibt und auch bei mir aufwächst. Ich bin ihre Mutter. Sie gehört zu mir und zu niemanden sonst!“, sagte ich selbstbewusst, wobei Yuuko ein kurzes Grinsen über die Lippen huschte. Es war wichtig, dass wir jetzt an einem Strang zogen. „Gut, äh… ja, gut. Wie sehen Sie das, Frau und Herr Tachikawa?“ Die Beamtin sah meine Eltern erwartungsvoll an. Mein Vater räusperte sich. „Wir wollen nur das Beste für unsere Tochter. Sie ist definitiv noch zu jung ein Kind großzuziehen. Sie ist minderjährig und hat keine Erfahrung, was es heißt, für einen anderen Menschen Verantwortung zu übernehmen.“ „Ich weiß sehr wohl, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Ich bin schließlich nicht ihr Vater…“ Ich unterbrach meinen Satz, da mich die Beamtin bereits fragend ansah und ich nicht zu viel sagen durfte. Nachdenklich blätterte sie in ihren Unterlagen. „Fräulein Tachikawa, in den Unterlagen steht, dass sie den Vater als unbekannt angegeben haben. Ist das richtig?“ „Ja.“ „Aber hier steht auch, dass sie einen festen Freund haben, der, laut eigenen Angaben bereit wäre, ihre Tochter sogar zu adoptieren. Ist das richtig.“ „Ja“, sagte ich wieder und warf Yuuko einen kurzen Blick zu. Immer noch schien sie recht gelassen, während Hope auf ihrem Schoß vergnügt vor sich hin grinste. Die süße Kleine hatte absolut keine Ahnung, um was es hier ging und dass dieses Gespräch darüber entscheiden würde, wie ihr weiteres Leben verlaufen sollte. „In meinen Unterlagen steht auch, dass ihr Freund ebenfalls noch nicht volljährig ist. Das dürfte ihr Vorhaben sehr erschweren, wenn ich das anmerken darf“, fuhr die Beamtin fort. „Deswegen sind wir der Meinung, es wäre das Beste, wenn Mimi ihre Tochter weggeben würde“, warf mein Vater prompt ein, woraufhin ich ihn böse anfunkelte. „Es muss ja nicht für immer sein. Vielleicht besteht die Möglichkeit, sie vorerst in eine Pflegefamilie zu geben, bis Mimi ihre Schule beendet hat und dann könnten wir gemeinsam sehen, wie es weitergeht.“ „Blödsinn!“, fuhr ich ihn an und war kurz davor die Fassung zu verlieren. „Du spielst doch nur auf Zeit. Du wartest doch nur darauf, dass ich einen Fehler mache und du einen Grund hast, sie mir wegzunehmen!“ „Wenn ich dazu etwas sagen dürfte?“, mischte sich Frau Yagami ein und wir sahen sie alle gespannt an. War jetzt der Moment gekommen, in dem sie den Joker ziehen würde? „Ich weiß, dass mein Sohn selbst noch zur Schule geht und beide minderjährig sind. Aber ich kann Ihnen versichern, dass die zwei sich wirklich aufopferungsvoll um Hope gekümmert haben, in den letzten Wochen – neben der Schule. Mein Sohn schreibt gerade seine Prüfungen und trotzdem hat er es geschafft, Hope jeden Abend ins Bett zu bringen und ihr ein Gutenachtlied vorzusingen. Wenn Mimi und Tai mal keine Zeit hatten, sich um sie zu kümmern, waren entweder ich, mein Mann oder meine Tochter da, um auf sie aufzupassen. Wissen Sie…“ Und nun wandte sie sich direkt an meine Eltern. „Sie können wirklich stolz auf ihre Tochter sein. Was Mimi in den letzten Wochen alles bereit war, für Hope zu tun, war wirklich erstaunlich. Sie gibt sich außerordentlich viel Mühe, ihrer Aufgabe als Mutter gerecht zu werden. Mein Sohn und sie sind wirklich ein tolles Team, das können sie mir glauben. Und wenn sie nichts dagegen haben, würde ich gerne einen Vorschlag machen.“ Tatsächlich. Es war soweit. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Was hatten sie sich nur überlegt? Alle hörten gespannt zu, was Frau Yagami zu sagen hatte. „Kürzlich ist bei uns nebenan eine Wohnung freigeworden. Ich schlage vor, dass Mimi dort mit Hope einzieht. Das wäre eine gute Möglichkeit für sie, sich von ihrem Elternhaus zu lösen und mit ihrer Tochter auf eigenen Beinen zu stehen, ohne, dass sie dabei allein wäre. Mein Sohn und ich würden sie weiterhin unterstützen. Natürlich auch, bis sie die Schule beendet hat.“ Eine Weile herrschte Schweigen. Alle dachten angestrengt nach und auch bei mir musste diese Idee erstmal sacken. Aber eins wusste ich schon jetzt: ich fand sie genial! „Und wer soll diese Wohnung bezahlen?“, warf mein Vater schleunigst ein, da er bereits sah, wie sein Plan den Bach runterging. „Nun ja“, sagte sie Beamtin und überlegte. „Wir könnten Ihre Tochter natürlich finanziell unterstützen. Allerdings würden Sie weiterhin das vorläufige Sorgerecht für Hope behalten, bis sie volljährig ist. Einwilligen müssten Sie also schon, sonst darf ihre Tochter nicht allein wohnen.“ Ich warf meiner Mutter einen flehenden Blick zu. Warum sagte sie nichts? Ihre Augen huschten immer wieder zwischen Hope und mir hin und her. „Bitte, Mom“, formte ich mit meinen Lippen und hoffte, an das letzte Fünkchen Verstand in ihr zu appellieren. Sie wandte sich meinem Vater zu. „Ich finde, das ist vielleicht gar keine schlechte Idee“, äußerte sie zaghaft. Mein Vater sah erst sie und dann uns alle fassungslos an. „Haben denn hier alle plötzlich den Verstand verloren? Mimi ist doch selbst noch ein Kind und sie kann nicht…“ „Sie ist kein Kind mehr!“, warf Yuuko nun etwas lauter ein. „Sie hat eine Tochter und sie möchte Verantwortung für ihr Kind übernehmen und für sie sorgen. Macht Sie das nicht stolz?“ Ich konnte sehen, wie sehr es in seinem Kopf arbeitete. Er suchte nach einer Lösung. Doch er fand sie nicht. „Ich wäre stolz, wenn ich eine Tochter, wie Mimi hätte. Sie macht ihre Sache wirklich ganz toll für ihr Alter.“ Yuuko griff nun nach der Hand meiner Mutter und sah sie eindringlich an, da sie anscheinend gemerkt hatte, dass mit meinem Vater kein Reden war. Plötzlich lächelte meine Mutter und sie sah mich an, als wären das erste Mal seit Monaten Worte zu ihr durchgedrungen. Sie nickte mir zu, wandte sich dann meinem Vater zu. „Ich finde, ein Versuch ist es wert.“ „Was?“ „Wir müssen anfangen, Mimi zu vertrauen, dass sie das Richtige tun wird. Ich denke, sie kann es schaffen. Wenn wir sie nur lassen.“ Mein Vater stöhnte schwermütig auf und fuhr sich durch die Haare. Er stand nun ganz alleine da. Was wollte er noch tun? Sicherlich dachte er gerade an seinen Job, seinen Chef und an Hayato. Doch das half ihm jetzt auch nicht weiter. „Komm schon! Gib dir einen Ruck, Keisuke“, versuchte meine Mutter weiterhin auf ihn einzureden. „Wir können Fräulein Tachikawa eine Frist setzen“, sagte nun die Beamtin, da sie sah, wie sehr mein Vater mit sich haderte. „Wir geben ihr, sagen wir, ein halbes Jahr Zeit, um sich in ihrer Rolle als Mutter einzufinden. Natürlich werden regelmäßige Besuche unsererseits stattfinden. Nach sechs Monaten können wir sehen, wie sie sich gemacht hat und dann entscheiden, wie es weitergeht. Das wäre sicher auch in Ihrem Interesse, Frau Tachikawa“, sagte sie nun und lächelte mich an. Diese Frau wurde mir immer sympathischer. „Wenn sie sich in diesem halben Jahr bewehren, sollte es kein Problem sein, dass Hope bis zu ihrer Volljährigkeit bei Ihnen bleibt. Und wenn Sie sie dann immer noch behalten wollen, sehe ich keinen Anlass für eine Adoption. Es sei denn, ihr Freund möchte dann immer noch… Ach, wo wir gerade beim Thema wären.“ Sie wandte sich an Yuuko, die sie gespannt ansah und der ich am liebsten augenblicklich um den Hals gefallen wäre. „Mimis Chancen würden sich deutlich verbessern, wenn sie in einer stabilen Beziehung leben würde und somit Hope ein familiäres Umfeld bieten könnte. Aber dies nur so am Rande…“ Ich sah sie mit großen Augen an. Hatte sie gerade Yuuko vorgeschlagen, dass sie ihren Sohn mit bei mir einziehen lassen sollte? Ich musste mich ernsthaft beherrschen, dass mein Mund nicht aufklappte, denn dieses Gespräch verlief überhaupt nicht so, wie ich es mir ausgemalt hatte. Es verlief besser! Deutlich besser! Frau Yagami und ich tauschten einen kurzen Blick aus, in dem sie mir bedeutete, dass wir über dieses Thema noch sprechen würden. Ich machte mir nicht viele Hoffnungen, dass sie Tai erlauben würde, mit bei mir einzuziehen, aber allein der Gedanke daran, verschaffte mir innerliche Luftsprünge. Nun lag es nur noch an meinem Vater, der inzwischen angestrengt auf seiner Unterlippe herum kaute. „Ein halbes Jahr?“, sagte er und sah mich an. Ich nickte. „Und wenn du es nicht schaffst, kommst du nach Hause zurück und gibst Hope in eine Pflegefamilie?“ Es fiel mir schwer, doch ich nickte und stimmte somit dieser Bedingung zu. Denn das würde niemals passieren! Ich würde nicht versagen. Da konnte er lange darauf warten! „Gut, von mir aus“, sagte er schließlich und lehnte sich zurück. „Versuch es. Wenn du es unbedingt willst.“ Sämtliche Anspannung fiel in diesem Moment von mir ab und ich konnte nicht anders, als aufzuspringen und nun tatsächlich Yuuko um den Hals zu fallen. Ich konnte mich sogar dazu durchringen, meine Mutter dankend zu umarmen. „Danke, dass du das gemacht hast, Mom“, flüsterte ich in ihr Ohr. Sie lächelte mich an und eine kleine Träne rollte ihre Wange hinab. Ich beugte mich zu Hope hinab und schloss sie in meine Arme. Nun konnte uns nichts und niemand mehr trennen. „Dann wären wir hier fertig“, sagte Frau Yagami und erhob sich, ebenso wie die Beamtin. „So wie ich. Richten Sie sich in Ruhe ein, Fräulein Tachikawa. Ich komme Sie dann in ein paar Wochen besuchen und sehe nach dem rechten. Wenn Sie Hilfe brauchen, rufen Sie mich an.“ „Haben Sie vielen Dank!“, sagte ich und reichte ihr die Hand. Ich war überglücklich! Das war der beste Tag seit langem! Die Beamtin verabschiedete sich höflich von meinen Eltern und bedankte sich für die kooperative Zusammenarbeit, ehe sie die Wohnung verließ. „Da wir das erledigt hätten, werden wir uns auch wieder auf den Heimweg begeben“, verkündete Frau Yagami und verabschiedete sich dennoch höflich von meinen Eltern, als ich ihr Hope wiedergeben wollte. Fragend sah sie mich an und grinste dann. „Kommst du nicht mit?“ „Wie?“ Wahrscheinlich war ich noch so unter Schock über diese Neuigkeiten, dass ich echt auf dem Schlauch stand. „Die Wohnung steht seit zwei Wochen leer, Mimi. Ich habe schon mit dem Vermieter gesprochen, wir kennen uns ja bereits seit Jahren. Wenn du möchtest, kannst du morgen einziehen.“ Meine Augen weiteten sich und wurden feucht. Ich durfte mitkommen? Mit Hope? „Heute Nacht kannst du mit Hope gerne noch mal bei uns schlafen“, schlug sie mir vor und ich begann heftig zu nicken, da ich außerstande war noch irgendetwas zu sagen. Das musste sie mir nicht zwei Mal sagen! Ich war einfach sprachlos. Tai würde ausflippen, wenn er davon erfuhr! „Ich bin etwas aufgeregt“, gestand ich Yuuko, als sie das erste Mal mit mir in meiner ersten, eigenen Wohnung stand. Als ich mir die leeren Zimmer ansah, konnte ich immer noch nicht glauben, was während der letzten Stunden alles passiert war und wie sehr sich mein Leben dadurch verändert hatte. Falls das ein Traum war, wollte ich nie wieder daraus aufwachen. „Das ist verständlich, Mimi. Es ging ja auch alles recht schnell. Aber wir können morgen die ersten Sachen rüber schaffen. Dann sieht es gleich etwas wohnlicher hier aus“, sagte sie und strich mit dem Finger über den angesetzten Staub auf der Küchenzeile. Sie verzog das Gesicht, lächelte dann jedoch zuversichtlich. „Na ja, das kriegen wir schon hin. Einmal mit dem Lappen drüber und schon ist es schick hier.“ „Frau Yagami?“, unterbrach ich sie und sah sie dankend an. „Danke, dass Sie mir beigestanden haben. Ohne Sie und Tai hätte ich das nie geschafft.“ „Ist schon gut, Mimi“, lächelte sie und legte den Kopf schief. „Du scheinst Tai eine Menge zu bedeuten und wenn er glücklich ist, dann bin ich es auch. Und übrigens: nenn mich Yuuko. Schließlich sind wir ja bald Nachbarn.“ Sie zwinkerte mir zu, als mir etwas einfiel. Tai… Ich hatte mich noch gar nicht bei ihm gemeldet. Ob seine Prüfung schon vorbei war? „Oh, ich rufe Tai gleich mal an und erzähle ihm alles.“ „Gut, mach das. Ich lass dich erst mal allein.“ Ich kramte in der Hosentasche nach meinem Handy, als Yuuko die Wohnung verließ. Eilig wählte ich seine Nummer. Ich konnte es kaum erwarten, ihm die Neuigkeit zu berichten. Es dauerte nicht lange, bis er abhob. „Mimi?“ „Tai“, sagte ich und grinste so heftig ins Telefon, dass ich sicher schon albern dabei aussah, doch ich konnte einfach nicht anders. „Es hat geklappt, Tai. Ihr seid genial! Ich ziehe bei euch ein! Also… nebenan, meine ich natürlich. Ach, ich bin so aufgeregt“, verkündete ich begeistert und strahlte dabei über beide Ohren. „Das sind sehr gute Neuigkeiten. Siehst du, ich hab doch gesagt, alles wird gut.“ „Ja, das hast du…“, sagte ich verlegen und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Ob ich ihm schon davon erzählen sollte, dass die Frau vom Jugendamt vorgeschlagen hatte, dass er ebenfalls hier einziehen könnte? Nein, das würde ich ihm lieber persönlich sagen. Unter vier Augen. Ich konnte es kaum erwarten, ihn zu sehen. „Wann kommst du nach Hause? Oh, und wie war deine Prüfung? Ist es gut gelaufen? Hast du den Abschluss so gut wie in der Tasche?“, grinste ich, woraufhin Tai lachte. „Na und ob, Kleines. Das war ein Klacks für mich. Aber gut, dass du es ansprichst. Yamato und Sora wollten noch mit mir darauf anstoßen, dass wir unsere erste Prüfung hinter uns gebracht haben…“ Die eben empfundene Euphorie verflüchtigte sich und mein Herz rutschte augenblicklich in den Keller. Sora? „Oh, ähm… ja. Ja, natürlich“, sagte ich unsicher. Zum Glück konnte Tai gerade nicht sehen, wie unruhig ich innerlich wurde. War denn tatsächlich alles schon wieder vergeben und vergessen? Taten denn alle einfach so, als wäre nichts gewesen? Tai wusste es nicht, aber als er ihren Namen sagte und dass er den Abend mit ihr, anstatt mit mir verbringen würde, wurde ich eifersüchtig. Er konnte nicht wissen, warum das so war. Er wusste ja schließlich nichts davon, dass ich seinen Nachrichtenverlauf gelesen hatte. Er wusste nur, dass ich mich mit ihr ausgesprochen hatte und dass offensichtlich wieder alles okay zwischen uns war. War es das auch wirklich? „Okay, ich melde mich später bei dir“, sagte Tai und ich wollte schon auflegen. „Ach, und Mimi?“ „Hm?“ „Ich freue mich wirklich für dich. Du hast es verdient.“ „Ja… Ja, danke“, brachte ich nur noch über die Lippen. „Bis später.“ Ich legte auf und ließ frustriert das Handy sinken. Er würde heute Abend nicht da sein. Er würde bei ihr sein. Es fiel mir schwer, mir das einzugestehen, aber es wurmte mich. Und sofort machte sich wieder dieses ungute Gefühl in mir breit. Misstrauen. Die Tatsache, dass Yamato ja dabei war, half dabei wenig… Ein paar Stunden später lag ich bereits in seinem Bett, denn es war schon spät. An Schlaf war leider nicht zu denken. Immer wieder schielte ich zu dem Handy, auf dem Nachttisch hinüber, in der Hoffnung, eine Nachricht von ihm zu erhalten. So gerne hätte ich die Gedanken vertrieben, die sich wie wild in meinem Kopf tummelten und wie leise Stimmen auf mich einredeten. Es ist alles in Ordnung. Sie sind nur Freunde. Sind sie nicht und du weißt es. Ich weiß gar nichts. Doch! Erinner dich, du hast die SMS gelesen. Irgendwas ist da faul. Da ist gar nichts faul. Sora ist meine Freundin und Tai ist quasi mit mir zusammen… na ja, zumindest denke ich das. Er würde das nicht tun. Wie sehr kannst du ihm vertrauen? Wie sehr kannst du ihr vertrauen? Gerade, als die Gedanken anfingen mich mürbe zu machen, klingelte das Handy und versetzte mir einen Schock. Hektisch hob ich ab. „Hallo?“ „Mimi, du bist ja noch wach.“ „Tai…“, sagte ich und fuhr mir nervös durch die Haare. „Ja, ich konnte nicht schlafen. Das war alles etwas viel für einen Tag.“ „Verstehe“, sagte Tai und zögerte einen Moment, als ich im Hintergrund lautes Gelächter hörte und eindeutig die Stimme meiner besten Freundin erkannte. „Tai, wo bleibst du denn? Komm wieder rüber!“ Sie war definitiv angetrunken! Tai lachte. „Ja, ich komme gleich.“ Mir gefiel das gar nicht… „Ist… ist Yamato gar nicht bei euch?“, fragte ich unsicher nach. „Was? Nein, der ist schon gegangen. Der hat morgen einen wichtigen Auftritt mit seiner Band und wollte fit sein. Ich bringe Sora nachher noch nach Hause. Das heißt, wenn ich sie irgendwann mal hier wegbekomme.“ Wieder hörte ich, wie sie miteinander rumalberten und lachten und am liebsten hätte ich aufgelegt. Was ich letztendlich auch tat. „Alles klar, dann viel Spaß noch! Ich schlafe jetzt“, sagte ich und legte auf, ohne eine Antwort abzuwarten. Ich konnte das nicht ertragen! Selbst, wenn es rein freundschaftlich war, war es momentan einfach zu viel für mich. Für mich waren längst noch nicht alle Fragen geklärt, auch, wenn ich mich mit Sora ausgesprochen hatte. Frustriert ließ ich mich zurück ins Kissen fallen, um die dunkle Decke von Tais Zimmer anzustarren. Ich musste daran denken, was Sora gesagt hatte. Dass sie glücklich mit Yamato war und wie toll er zu ihr war. Doch… ich musste auch daran denken, was ich einst zu Tai gesagt hatte. Was, wenn man dieselben Gefühle für zwei Personen hatte? Und was, wenn eine der Personen davon wusste…? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)