Uncertain Heart von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 1: Wiedersehen ---------------------- „Mimi, was machst du denn hier?“, fragte mich Sora und sah mich mit leuchtenden Augen an, als sie sich nach einer halben Ewigkeit wieder von mir löste. Immer noch sprachlos über ihre herzliche Begrüßung stand ich da und brachte kein Wort heraus. Meine Augen huschten nur immer wieder hin und her, während mein Kopf nach einer passenden Antwort suchte. „Sieht so aus, als würde sie wieder auf unsere Schule gehen“, antwortete Tai für mich und nahm mir somit die Entscheidung, was ich sagen sollte, ab. Sora sah ihn überrascht an und betrachtete dann meine Schuluniform. „Sieht wohl so aus“, bemerkte sie und musterte mich eindringlich von oben bis unten. „Du siehst anders aus.“ Bis jetzt hatte ich noch keinen Ton über die Lippen gebracht, doch diese Bemerkung ließ mich unwillkürlich zusammenzucken. „Wie meinst du das?“, hakte ich unsicher nach. Sora legte nachdenklich ihre Stirn in Falten, während ihr Blick weiterhin an mir haftete. „Na ja, du hast dich irgendwie verändert“, stellte sie fest. Wahrscheinlich spielte sie darauf an, dass ich deutlich abgenommen hatte und meine Haare selbst für meine Verhältnisse ungewöhnlich lang waren, doch ehe ich etwas darauf erwidern konnte, grinste sie mich auch schon freudestrahlend an. „Na egal, wir haben uns ja auch lang nicht gesehen. Ich freue mich so, dass du wieder da bist!“ Erneut fiel sie mir um den Hals und drückte mich an sich. Diesmal erlaubte ich es mir, sie ebenfalls zu umarmen und schloss dabei die Augen. „Ich freue mich auch“, sagte ich und hoffte, dass sie nicht merken würde, wie mir das Herz bis zum Hals schlug. „Warum seid ihr wieder zurückgezogen? Ihr habt doch nur ein paar Monate in den USA gelebt oder?“, mischte Tai sich ein und unterbrach somit diesen innigen Moment. „Ja, das stimmt“, nickte ich zustimmend und winkte schnell ab, als wäre es gar keine große Sache. „Wegen meines Vaters mal wieder. Sein Chef hat es sich wohl doch anders überlegt und jetzt soll er wieder von Japan aus arbeiten, weil er hier die besseren Kontakte hat und er sich außerdem mit den japanischen Produkten besser auskennt und…“ „Schon gut, schon gut“, unterbrach Tai mich in meiner Erklärung und grinste verlegen. „So genau wollte ich es nun auch nicht wissen.“ „Sehr einfühlsam!“, merkte Sora an und zog eine Augenbraue hoch, ehe sie sich wieder mir zuwandte und mich bei der Hand nahm. „Komm, lass uns reingehen! Die Anderen werden vielleicht Augen machen, wenn sie dich sehen. Und in der Pause musst du mir alles von Amerika erzählen!“ Sie zog mich durch die Eingangstür, hinein in die große Halle. Die vielen Schüler, das viele Gerede… alle liefen und sprachen durcheinander und am liebsten hätte ich mich von Sora losgerissen und wäre wieder raus gerannt, denn ich glaubte zu spüren, wie bereits die ersten Blicke auf mir klebten. Doch Sora zog mich weiter die Treppen hinauf zu den Klassenräumen, während mich ungläubige Augen verfolgten. „Ist das Mimi Tachikawa?“, hörte ich ein Mädchen sagen, hatte jedoch keine Zeit mich nach ihr umzudrehen. Oben angekommen, stieß Sora die Tür zu ihrem Klassenraum auf, was natürlich sofort die Blicke der darinsitzenden Schüler auf sich zog. Ich sah in ihre verdutzten Gesichter, viele von ihnen kannte ich nicht, doch zwei von ihnen waren mir sehr vertraut. „Guckt mal, wer wieder da ist“, posaunte Sora heraus und sah in Richtung Yamato und Izzy, die am Fenster standen und sich bis eben noch unterhielten. Izzy klappte förmlich der Mund auf, als er mich sah, während Yamato nur ein leichtes Grinsen über die Lippen huschte. „Mimi, was machst du hier? Ich dachte, du wärst wieder nach New York gezogen?“, fragte Izzy ungläubig und ging mit großen Augen auf mich zu. „Ja… und jetzt bin ich wieder hier“, entgegnete ich etwas unsicher, als er mich umarmte. Auch Yamato kam zu uns herüber. Seine Begrüßung fiel weniger euphorisch und herzlich aus, wie die der Anderen, doch das hatte ich auch nicht erwartet. „Schön, dass du wieder da bist“, sagte er dennoch aufrichtig und lächelte mich an. „Ist das nicht toll?“, meinte Sora begeistert und legte einen Arm um meine Schultern. „Endlich sind wir alle wieder vereint.“ Selten hatte ich mich so unwohl in meiner Haut gefühlt, wie in diesem Moment. Alles hatte sich für mich verändert und sie wussten es nicht. Für sie war alles so wie immer, als wäre ich nie weg gewesen. Plötzlich tätschelte eine Hand von hinten meinen Kopf und als ich mich umdrehte, sah ich in das bekannte Gesicht von Tai, der mich frech angrinste. „Ich find’s auch super, dass du wieder da bist. Endlich kann ich wieder jemanden ärgern.“ Beleidigt schlug ich seine Hand weg und funkelte ihn an. „Du Blödmann! Das war ja wieder klar!“ „Was denn?“, erwiderte er und zog grinsend die Schultern hoch. „Ich hab’s ja mit Sora versucht, aber sie lässt sich eben nicht so leicht aus der Reserve locken, wie du.“ Sie zischte, stemmte die Arme an die Seite und sah ihn triumphierend an. „Keine Chance, Tai! Dafür kenn ich dich zu lange, als dass ich mich von dir provozieren lasse.“ „Ja, eben“, stimmte der Braunhaarige ihr widerwillig zu. „Deswegen freue ich mich ja so, dass Mimi wieder da ist.“ Er zwinkerte mir zu und ging an mir vorbei in den Klassenraum, als auch schon die Schulglocke ertönte. „Oh, wir müssen los. Bist du wieder in meiner Klasse?“, fragte mich Izzy. Ich nickte und wir verabschiedeten uns von den anderen. „Bis später, Mimi. Wir sehen uns zum Mittagessen“, rief Sora mir noch hinterher und ich schenkte ihr ein zustimmendes Lächeln. Unser Klassenraum lag eine Etage tiefer, sodass wir uns etwas beeilen mussten, um nicht zu spät zu kommen. Leider saßen schon alle auf ihren Plätzen, als wir leicht außer Atem ankamen. Na toll – alle Blicke waren auf mich gerichtet und um die offizielle „Vorstellungsrunde“ kam ich wohl auch nicht drum rum, denn die Lehrerin sah mich bereits erwartend an. „Wir freuen uns Mimi Tachikawa wieder als unsere Mitschülerin begrüßen zu dürfen. Ihr kennt sie ja noch aus dem letzten Schuljahr. Mimi war eine längere Zeit nicht da, also helft ihr bitte, wenn sie fragen hat.“ Sie wies mir den Platz neben Izzy zu, was mich ein wenig erleichterte. Trotzdem fühlte ich mich unwohl in meiner Haut. Alle sahen mich neugierig an und die Fragezeichen standen ihnen ins Gesicht geschrieben. Ich versuchte es zu ignorieren und nahm neben Izzy Platz, der mir sofort seine Notizen der letzten Stunde rüberschob. Ich lächelte ihn dankend an und las sie mir aufmerksam durch, während die Lehrerin mit dem Mathe Unterricht begann. Doch je mehr ich von Izzy’s Aufzeichnungen las, desto mehr schwirrte mir der Kopf. Super! Ich verstand nur Bahnhof! Nach der zweiten Seite gab ich mich geschlagen und seufzte frustriert auf. Ich hatte allerhand nachzuholen! Wie sollte ich das nur schaffen? Ich musste mich schleunigst um einen Nachhilfelehrer bemühen, so viel stand fest. Doch wie sollte ich das alles unter einen Hut kriegen? Die Stunden gingen langsamer vorbei, als mir lieb war und als es endlich zur Pause klingelte, packte ich hektisch meine Sachen ein, bis mir klar wurde, dass mir direkt das nächste Problem bevorstand, als Izzy mich erwartungsvoll ansah. „Kommst du?“ Na klasse… Mittagessen mit Sora und den anderen… na das konnte ja heiter werden! „Und, konntest du einigermaßen folgen?“, fragte mich Izzy auf den Weg nach unten. Ich zuckte mit den Schultern und sah ihn hilflos an. „Nicht so richtig. Ich glaub, ich bin nicht besonders gut in Mathe und muss einiges nachholen“, gestand ich ihm, doch in Wahrheit war es noch viel schlimmer. Ich war der Verzweiflung nahe! Jetzt schon! Nach der ersten Stunde! Das restliche Schuljahr würde mit Sicherheit ein einziges Desaster werden. Durch meine Abwesenheit hatte ich so viel versäumt, dass ich den Stoff in 100 Jahren nicht aufholen würde. „Mmh, aber war der Unterrichtsstoff in Amerika so anders?“, meinte Izzy nachdenklich. „Irgendwie schon“, log ich und sah betrübt zu Boden. Ich hatte wirklich einiges vor mir! Als wir draußen ankamen, saßen die Anderen schon unter dem Baum und aßen ihr Mittagessen. Ein wirklich vertrautes Bild. Doch irgendwie war mir gar nicht danach mich in diese vertraute Runde zu gesellen. Nur was sollte ich machen? Sora strahlte mich bereits an, als sie mich erblickte und winkte mich zu sich rüber. Ich nahm neben ihr Platz und hoffte insgeheim darauf, dass es nicht allzu schlimm für mich werden würde, doch noch bevor ich zu Ende denken konnte, platzte es schon aus ihr heraus. „Also? Erzähl doch mal! Wie war es in den USA? Und warum hast du dich so lang nicht gemeldet? Was hast du alles gemacht?“ Die Fragerunde war somit eröffnet. „Nun ja“, begann ich und versuchte meine Unsicherheit zu verbergen. „Es war gut.“ „Wow!“, nuschelte Tai mit vollem Mund und unterbrach sein Mittagessen, um mich mit hochgezogener Augenbraue anzusehen. „Klingt ja interessant. Da hat man ja glatt das Gefühl, dabei gewesen zu sein!“ Ich funkelte ihn böse an, doch er schaufelte einfach weiter sein Essen in sich hinein. „Nun lass sie doch mal erzählen!“, schimpfte ihn Sora und sah mich wieder erwartungsvoll an. Was wollte sie denn hören? Ich hatte ihr nichts zu erzählen! Was sollte ich ihr denn auch sagen? Dass ich gar nicht in Amerika war? Ich hatte dieses Szenario die letzten Wochen über mehrmals in meinen Kopf abgespielt, mir Ausreden zurechtgelegt, da ich wusste, dass diese Fragen kommen würden. Doch Sora jetzt von Angesicht zu Angesicht anzulügen, war etwas völlig anderes! Doch irgendetwas musste ich sagen! „Also ich war viel mit der Schule beschäftigt und mein Vater war viel auf Geschäftsreise, so dass ich wenig Zeit hatte, mich zu melden.“ „Verstehe“, nickte Sora verständnisvoll und wartete anscheinend auf weitere Erklärungen. „Auf jeden Fall braucht Mimi Hilfe in Mathe“, unterbrach mich Izzy und rettete mir so den Hintern. Denn noch mehr Ausreden wollten mir beim besten Willen nicht einfallen. „Ich würde ihr ja selbst Nachhilfe geben, aber ich hab so viel mit meinem Nebenjob zu tun“, meinte er und sah erwartungsvoll in die Runde. „Vielleicht kann einer von euch ihr Nachhilfe geben?“ „Klar!“, meinte Yamato sofort, was mich irritiert aufsehen ließ. „Ich will nicht zu viel versprechen, aber ich könnte versuchen dir den Stoff beizubringen, den du versäumt hast“, bot er freundlich an, während mir fast der Mund aufklappte. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet! Irgendwie war er immer der Unnahbare gewesen. Er war zwar immer mit dabei und gehörte definitiv zu unserem Freundeskreis, hielt sich jedoch überwiegend aus anderer Angelegenheiten heraus. Umso mehr überraschte mich seine Reaktion. „Ich hab eine Idee!“, sagte Sora plötzlich und grinste begeistert. „Warum machen wir nicht eine Lerngruppe, um Mimi zu helfen?“ „Eine Lerngruppe?“, fragte Tai verwirrt nach und stopfte sich weiter Reis in den Mund. „Ja! Sicher muss sie noch einiges nachholen und ich finde, wir sollten sie dabei unterstützen. Zumal es für uns eine gute Vorbereitung auf die Prüfung wäre.“ Achja! Sora, Tai und Yamato befanden sich ja bereits im letzten Schuljahr und standen kurz vor ihren Abschlussprüfungen. „Das ist eine gute Idee!“, stimmte Yamato ihr zu, was mich erneut verwunderte. Er strahlte sie an, als hätte sie gerade die String Theorie erfunden. „Finde ich nicht!“, unterbrach ihn Tai barsch, schluckte sein Essen hinunter und sah seinen Freund argwöhnisch von der Seite an. „Wieso denn nicht? Wär doch eine Win-Win-Situation.“ „Jaah, für dich vielleicht“, neckte Tai ihn und verzog das Gesicht. „Das sagst du doch nur, damit du mehr Zeit mit deiner geliebten Sora verbringen kannst.“ Was? Geliebte Sora? Hatte ich was verpasst? Blöde Frage – natürlich hatte ich was verpasst! Aber Yamato und Sora? Niemals! Doch als ich meine beste Freundin ansah war mir alles klar. Sora wurde puterrot! „TAI! Jetzt halt doch mal deine Klappe!“ „Was denn? Ist doch längst kein Geheimnis mehr, dass ihr Elizabeth Bennett und Mr. Darcy spielt“, grinste Tai frech und fing sich direkt einen Schlag auf den Hinterkopf von seinem Freund ein. „Au! Sag mal, spinnst du?“, wirbelte Tai herum, doch Yamato reagierte gar nicht weiter darauf, woraufhin der Braunhaarige beleidigt die Arme vor der Brust verschränkte. „Na ja, auf jeden Fall ist mir meine Zeit wirklich zu schade, um so eine alberne ‚Lerngruppe‘ mit euch zu bilden, ich spiele schließlich auch noch Fußball. Und außerdem“, sagte er herablassend und sah mich misstrauisch an. „Wenn du in den USA so viel mit der Schule beschäftigt warst, wieso brauchst du dann Hilfe in Mathe?“ Ich zuckte zusammen, versuchte jedoch mich schnell wieder zu fangen, um nicht weiter aufzufallen. „Der Stoff in Amerika ist eben ein völlig anderer, als der an unserer Schule“, erwiderte ich glaubhaft und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. So ein Blödmann! „Wir helfen dir auf jeden Fall!“, sagte Sora noch einmal aufmunternd und legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter, während Yamato mich zustimmend anlächelte und Tai immer noch den Gekränkten mimte. Zum Glück hatte diese Farce ein Ende, als es wieder zum Unterricht klingelte, und da Izzy und ich nicht wieder zu spät kommen wollten, verabschiedeten wir uns schnell von den anderen und eilten zurück in unseren Klassenraum. Das Mittagessen verlief tatsächlich nicht ganz so, wie ich es erwartet hatte. Ich entdeckte neue Seiten an meinen Freunden, was mich sichtlich irritiert hatte. Irgendwie hatte sich wohl doch mehr verändert, als ich dachte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)