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The Fourth Dimension

7 Tage Wahnsinn
von

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Der 1. Tag

Einmal wieder seit langer Zeit saß Peter am heimischen Schreibtisch und nicht in irgendeinem Tonstudio oder Hotelzimmer. Natürlich, er liebte seinen Job, aber es war verdammt anstrengend und auf Dauer mit einem menschlichen Körper nicht durchführbar. Nach Meinung der Ärzte solle er sich sowieso davor hüten, sich zu überanstrengen, da noch immer keiner wusste, warum er vor einiger Zeit dem Totenreich einen kurzen Besuch abgestattet hatte. Er spürte die Grenzen, aber er testete sie dennoch sehr gerne aus, um zu schauen, wie weit er gehen konnte.
 

Trotzdem hatte er sich nun eine Auszeit von allen normalen Arbeiten genommen, um den Kopf wieder frei zu bekommen. Dies war jedoch ein recht schwieriges Anliegen, wenn einen absolut alles in seinem menschenleeren Haus an seine Ex-Frau erinnerte und einen in ein tiefes Loch stieß. Er wusste, warum er so viel arbeitete- teils sogar, um gerade alle Dinge, die ihn ansonsten beschäftigten, zu verdrängen. Die Sache mit seiner Frau, die Tatsache, dass er seinen Sohn kaum noch sehen durfte. Auch machte er sich auf eine Weise, obwohl er es niemals zugeben würde, Gedanken über den Tod und wie nahe er ihm nun wirklich stand.
 

Peter schüttelte energisch den Kopf und wandte sich wieder der Arbeit zu. Natürlich konnte er nicht einfach gar nichts tun. Er regelte einiges an Papierkram, auch dort verließ er sich nicht immer gern auf andere. Währendessen hatte er auch, falls ihm irgendwann etwas einfiel, immer Papier und Stift neben sich, um Ideen für neue Songs zu sammeln. Draußen war es bereits dunkel, Peter sah auf die Uhr. Kurz nach 10, keine Zeit um ins Bett zu gehen.

Er strich sich das hellbraune Haar, das ihm lang über die nackten Schultern fiel, aus dem von schlaflosen Nächten und harter Arbeit gezeichneten Gesicht und versuchte, sich zu konzentrieren.
 

Als plötzlich ein Lichtstrahl in sein Fenster fiel, sah er auf. Normalerweise hätte er dieser Tatsache mit dem Gedanken, dass es ein vorbeifahrendes Auto gewesen sein musste, keine weitere Beachtung geschenkt. Doch sein Haus stand verdammt noch mal mitten im Wald und wenn ein Auto hier entlang fuhr, hatte es sich entweder hoffnungslos verfahren oder wollte gezielt zu ihm. Peter legte den Stift aus der Hand und stand auf, um aus dem Fenster zu schauen, wer draußen war. Vielleicht war es ja seine Frau?

Er stand auf, das Licht seiner Schreibtischlampe flackerte und erlosch. Stromausfall? Was hatte das zu bedeuten? Man hatte ihm doch wohl nicht die Leitung gekappt. Er erinnerte sich noch an die Worte seiner Ex "Was glaubst du, was hier im Wald für Verrückte herum rennen?" Er mochte die Stille im Wald und die Ruhe, die er hier hatte. Nur in dieser Sekunde, als ihm bewusst wurde, dass er hier wirklich völlig allein ohne jegliche Art von Waffen war, beschlich ihn ein mulmiges Gefühl.
 

Es war verdächtig still draußen, dass Einzige, was Peter hören konnte, waren seine eigenen, unregelmäßigen Atemstöße. In dem Moment, an dem er in Richtung Fenster trat, wurde er plötzlich von einem grellen Licht geblendet und ein ohrenbetäubendes Geräusch war das Letzte, was er mitbekam, bevor es ihm ganz schwarz vor Augen wurde.
 

Ein weiteres Mal. Das Merkwürdige war, er hatte keinerlei Schmerzen. Er fühlte nichts. Es war wie vor einiger Zeit, die Leere, die Schwärze. Die Machtlosigkeit, irgendetwas zu unternehmen. Als gäbe es ihn nicht mehr. Vielleicht war es aber doch nicht wie damals. Beinahe war ihm, als wäre er nicht bewusstlos. Als würde er alles mitbekommen, nur dass all seine Handlungen außerhalb seines Körpers stattfanden. Als ob er sich sogar fragen konnte, was eigentlich gerade mit ihm geschah und warum er sich darüber klare Gedanken machen konnte, aber dennoch nicht aufwachte.

Es war nicht wie damals. Er fühlte etwas Bedrückendes. Etwas, dass ihm unsichtbar die Kehle zuschnürte. Etwas, das ihm Angst einjagte, da er es nicht zuordnen konnte.
 

Als Peter die Augen öffnete, lag er auf dem Fußboden seines Bürozimmers. Etwas benommen stützte er sich mit den Armen ab, hob den Kopf und sah sich um. Das Licht brannte und draußen war alles finster. Das dünne ärmellose Hemd, das er trug, war von kaltem Schweiß durchnässt und als er seine Hände betrachtete, bemerkte er, dass sie zitterten. Er setzte sich auf und fasste sich an die Stirn. Was auch immer gerade mit ihm los gewesen war, es verwirrte ihn. Vielleicht sollte er wieder zu einem Arzt gehen, vielleicht sollte er die Ratschläge wirklich ernst nehmen. Womöglich war mit ihm doch nicht alles so in Ordnung, wie es schien. Alkohol? Ein möglicher Grund, aber mit Sicherheit nicht der Auslöser für solch merkwürdige Erlebisse.
 

Ungläubig sah Peter auf die Uhr. Kurz nach 10. War denn wirklich keine Zeit vergangen? Keine einzige Minute? In diesem Moment sprang der lange Zeiger eine Position weiter. Nein, die Uhr war nicht stehen geblieben. Mit einem einfachen Ohnmachtsanfall war nicht zu erklären, was gerade mit ihm geschehen sein musste. Ob er träumte? Sein Körper fühlte sich verdammt echt an. Um sicherzugehen, zwickte er sich in den Arm, spürte den Schmerz, doch noch immer saß er total fertig und verwirrt auf dem Fußboden. Gerne hätte er nun irgendjemanden angerufen, aber ob ihn derjenige dann nicht für total bescheuert erklärt hätte? Peter schluckte hart und schloss die Augen. Vielleicht war er einfach nur müde und hatte sich das alles eingebildet...

Ja, so musste es sein. Schließlich war es mit keiner Logik zu erklären, so konnte es nicht wirklich passiert sein. Er beschloss, nun doch zu Bett zu gehen und sich schlafen zu legen. Auf einmal fühlte er sich gänzlich ausgezehrt, jegliche Kraftreserven schienen erschöpft und eigentlich wollte er nur noch schlafen. Mit letztem Willen schleppte er sich ins Schlafzimmer, wo er sich aufs Bett fallen ließ und sofort weg war.

Der 2. Tag

Die warme Mittagsonne schien durch den Spalt der Vorhänge ins Zimmer, als Peter aufwachte. Einen Moment brauchte er, um sich daran zu erinnern, warum er nicht wie jeder normale Mensch unter der Decke lag, sondern quer ausgestreckt über das große Doppelbett. Er rieb sich den Schlaf aus den fast unnatürlich groß wirkenden tiefbraunen Augen und stand auf. Mit nun geschärften Sinnen versuchte er noch einmal, die Ereignisse des vorherigen Abends nachzuvollziehen, doch es blieb ihm ein Rätsel.
 

Er entschied sich zu einem spontanen Spaziergang durch den Wald, um sich eine kleine Pause zu gönnen, so duschte er nur schnell und zog sich an. Die Vögel zwitscherten, ein kühler Wind wehte, eigentlich war alles wie immer. Als er von seiner kleinen Runde zurückkehrte und ums Haus herum lief, fiel ihm ein Stück Rasen in seinem Garten auf, das seltsam aussah. Mit gerunzelter Stirn trat er näher und beugte sich nach unten. Das Gras schien Spuren von Verbrennungen davongetragen zu haben. Prüfend fuhr er mit den Fingern durch die Stelle, als ihm etwas Hartes auffiel. Peter hob das kleine Metallstückchen auf und hielt es gegen die Sonne. Er verdrängte alle Gedanken, die etwas mit seinem Lieblingsthema zu tun hatten und steckte es einfach nur so ein. Dann betrat er wieder das Haus, um weiterzuarbeiten.
 

Wirklich produktiv waren seine verzweifelten Versuche, sich abzulenken, nicht gerade. Das Metallstückchen, welches er in seinem Garten gefunden hatte, lag neben dem Schreibtisch auf der Fensterbank. Immer wieder fiel sein Blick in diese Richtung, immer wieder zwang er sich dazu, wegzusehen und etwas anderes zu denken und immer wieder ging das Spiel von vorne los.

Peter nahm das nächste Blatt von seinem Stapel. Ein Schreiben von der Anwaltskanzlei. Wütend biss er die Zähne aufeinander und zerknüllte das bedruckte Papier brutal. Ihm entfuhr ein verzweifelter Aufschrei und er griff sich an die Stirn, grub seine Fingernägel in die Haut. War nun die Zeit gekommen? Würde er nun endgültig durchdrehen? Eine Stimme in seinem Kopf, die er nicht zuordnen konnte, lachte ihn höhnisch aus. Mit einem kehligen Knurren versuchte er die spottenden Worte zu übertönen, aber sie hallten in seinem Kopf wieder, bis sie schließlich verstummten.
 

Sein Atem ging allmählich wieder ruhiger, als er ruckartig vom Schreibtisch aufstand. Peter öffnete das Fenster und lehnte sich ein Stück hinaus, der kalte Wind wehte ihm das Haar ins Gesicht, ließ es unbändig flattern; er fröstelte. Draußen war nichts außer dem üblichen Bild - Baumkronen und die weite schwedische Landschaft - zu sehen, alles schien wie sonst auch. Er schüttelte den Kopf über sich selbst und schloss für einen Moment die Augen. Ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein, griff er nach seinem Fundstück und umklammerte es verkrampft.

Die Kanten waren scharf, das spürte er. So hielt er es näher an sein Gesicht, um es genauer zu betrachten, ließ es von einer Hand in die andere gleiten und spielte vorsichtig mit seiner unscheinbaren Gestalt. Als das kühle Metall in seine Haut schnitt, zuckte er nicht einmal zusammen. Tropfen von dunkelrotem Blut befleckten den Fußboden, ein dünnes Rinnsal suchte seinen Weg über Peters Hand. Er schloss das Fenster und trat näher ans Licht des Schreibtisches. Durch die nun rote Beschichtung war die Maserung der Oberflache deutlicher zu erkennen. Interessiert wischte er weiter daran herum, bis das kleine Stück Metall gleichmäßig mit seinem Blut bestrichen war. Es schien nicht einfach ein beliebiges Stückchen Schrott zu sein, es war wie eine Mischung der feinen Linien, die man von Computerchips kannte, und den einmaligen dünnen Furchen eines Fingerabdrucks. Etwas Faszinierendes hatte es an sich und der Mann konnte sich seinem Bann nicht entziehen. Es war wie ein Geheimnis. Sein Geheimnis. Was es mit diesem undefinierten Etwas auf sich hatte- oder ob alles Einbildung war.
 

Als Peter an diesem Abend zu Bett ging, konnte er die Anspannung nicht verleugnen. Er fühlte sich normal. Keineswegs so, als würde er demnächst aus heiterem Himmel ohnmächtig werden oder Ähnliches. Er hatte gut gegessen, Pausen zwischen der Arbeit eingelegt, und nun würde er sehen, was geschah. Mit einer fahrigen Handbewegung strich er sich das Haar aus der Stirn und blickte auf die Uhr. Kurz nach 10. Peter setzte sich auf der Matratze auf. Er war weder müde, noch kam ihm sonst etwas merkwürdig vor. Zum Test probierte er, ob die Nachttischlampe funktionierte. Ihr gedämpfter Schein warf verschwommene Schatten an die kahle Wand, einen Moment betrachtete er sein eigenes, dunkles Abbild ihm gegenüber. Dann löschte er das Licht und legte sich hin, zog die Decke über sich und schloss die Augen, nur um sie kurze Zeit wieder zu öffnen, erst zum Fenster und dann zur Uhr blickend. Daraufhin beschloss er zu schlafen.
 

Es war noch finster, als er mit einem leisen Aufschrei aus dem Traum schreckte. Seine Wäsche war feucht vom Angstschweiß, mit weit aufgerissenen Augen sah Peter sich im dunklen Raum um. Erst als er sich daran gewöhnt hatte, konnte er die schemenhaften Umrisse seines Zimmers ausmachen und beruhigte sich wieder. Er schlug die Decke zurück, schwang die Beine über die Bettkante und blieb so sitzen. Krampfhaft überlegte er, was er eben geträumt hatte, was ihn so erschreckt hatte. Doch in seinem Kopf war ein großes schwarzes Nichts, das nur Platz für diese Stille ließ. Es war die Leere, die bedrückende Leere, wenn man sich nicht an den Traum erinnern konnte, nicht, wovon er gehandelt hatte. Lediglich die unangenehmen Gefühle, die beklemmende Ungewissheit. Es war als schlossen sich unsichtbare Finger um seinen Hals und begannen immer fester zuzudrücken. Er konnte nicht einfach so sitzen bleiben.
 

Peter schaltete das Licht an und stand auf. Er hatte keine bestimmte Absicht, sondern lief ziellos durch das große Haus. Einfach, um irgendetwas zu tun, sich irgendwie abzulenken. An einer Wand blieb er schließlich stehen, lehnte sich dagegen, hielt sich den Kopf und kaute verbissen an seiner Unterlippe herum. Nachts schien ihm sein Haus anders als bei Tag. Es war nicht der Platz, an dem er lebte, an dem er sich wohlfühlte. Es war ein kalter, dunkler, ein leerer Ort. Niemand bekam mit, was hier geschah. Keiner würde jemals wissen, was Peter hier tat, solange er es nicht erzählte. Diese Tatsache gab ihm gleichzeitig Sicherheit wie auch Unsicherheit. Er schüttelte energisch den Kopf, um die Gedanken zu verdrängen. So etwas überlegte er sonst nie. Es waren lediglich die Situationen, in denen ihn ohnehin etwas durcheinander gebracht hatte.
 

Ihm kamen Zweifel, ob es eine gute Idee gewesen war, sich frei zu nehmen. Er schien verrückt zu werden in dieser Stille. Er beschloss, sich etwas zu Trinken zu holen und dann zurück ins Bett zu gehen und zumindest versuchen, weiterzuschlafen. Er ging die Treppen nach unten in Richtung Küche und lief den Korridor entlang. Es war dunkel. Warum hatte er eigentlich keine Lampe angemacht? Peter beschlich ein ungutes Gefühl, welches er sich nicht erklären konnte. Es war sein Haus! Warum sollte ihm hier drin etwas passieren können? Er kannte jeden Winkel, jedes Einrichtungsstück gehörte ihm. Als er an der Tür vorbeiging, konnte er nicht anders, als zu überprüfen, ob sie verschlossen war. Natürlich, er sperrte sie vor dem Schlafengehen immer zu. Er lief weiter, am Wohnzimmer vorbei. Als er gerade die letzten Schritte zur Küche gehen wollte, zuckte plötzlich ein Blitz vom Himmel und erhellte die Wohnung für Sekunden mit gleißendem Licht. Wie zu Stein erstarrte er, als er geblendet wurde und danach brauchte er noch einige Augenblicke, bis er wieder richtig sehen konnte. Sein ursprüngliches Vorhaben vergessend, ging er zum Fenster und sah nach draußen.
 

Von obén strahlte ihn der Mond und die Sterne aus einem wolkenlosen Himmel an, der Wald lag friedlich in der nächtlichen Ruhe. Ein Gewitter war also sehr unwahrscheinlich. "Komisch..." murmelte Peter, bevor er sich bewusst wurde, seinen Gedanken laut ausgesprochen zu haben. Dann wandte er sich ab, nahm aus der Küche eine Flasche Wasser und verkroch sich wieder in sein Bett. Bloß nicht mehr nachdenken, er wollte nur noch seine Ruhe haben.



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