Abandoned von Lyessa ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Unerträglich laut schien jeder Schritt auf dem Kiesweg durch die nächtliche Stille zu hallen - doch er hatte sich diesen Ort genau deswegen als Treffpunkt ausgesucht, denn so konnte sich wenigstens niemand unbemerkt anschleichen. Der Weg endete wie einige weitere ebenfalls an einem gepflasterten Platz. Er stellte sich genau in die Mitte und ließ seinen Blick im Licht des Mondes umherschweifen. Um ihn herum erstreckte sich das weitläufige Gelände des Klosters mit seinen gepflegten Feldern und den sorgsam zugeschnittenen Büschen und Bäumen. Seine Augen blieben an dem großen Torbogen hängen, der den einzigen Eingang zu dem Klostergelände bildete. Durch dieses Tor musste bald jemand schreiten, den er extra zu dieser Nachtzeit hierher bestellt hatte, denn niemand durfte etwas davon erfahren. Auch die Mönche hatten alle geschlafen, als er seine Kammer verlassen hatte und durch die Gänge geschlichen war. Im Umkreis von einem Kilometer gab es in dieser Gegend keine anderen Gebäude - ein weiterer Grund, weshalb er ausgerechnet diesen Treffpunkt gewählt hatte. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er sich der Bedeutung dieses Ortes bewusst wurde. Hier hatte alles begonnen, vor gut zwanzig Jahren. Und hier würde es auch enden, mit dem Auftrag, den er heute Nacht erteilen würde. Dann konnte er in aller Ruhe abwarten und zusehen, wie sich die Dinge von selbst regelten. Nichts würde ihm dann mehr im Wege stehen. Niemand hatte dann mehr etwas gegen ihn in der Hand, wenn auch das letzte Beweismittel vernichtet wurde. Wieder fixierte er das Tor mit seinem Blick. Gleich müsste er kommen. Er hatte extra einen Spezialisten angeheuert, da konnte man schon erwarten, dass dieser pünktlich war. Es war ihr erstes Treffen und wenn alles glatt lief, würde nur noch ein weiteres folgen. Doch er war zuversichtlich, denn dieser Spezialist wurde hinter vorgehaltener Hand weiterempfohlen, was aber gar nicht nötig war. Jeder kannte ihn. Besser gesagt: jeder kannte seinen Decknamen und die Gerüchte über ihn. Wie er aussah, wusste niemand. Mit aufkeimender Nervosität starrte er weiterhin auf den Torbogen. Er hatte alles so arrangiert, dass er genau in dieser Nacht in dem Kloster Rast machen würde. Am nächsten Morgen würde er mit seinem kleinen Gefolge weiterziehen. Niemand würde erfahren, was er in dieser Nacht getan hatte. Auch sein berüchtigter Vertragspartner würde nicht mitbekommen, wer ihm den Auftrag gab und aus welchen Gründen. Doch wenn man den Gerüchten Glauben schenken konnte, war er professionell und kalt genug, nicht auf die Hintergründe seiner Aufträge zu achten. Leicht fröstelnd verschränkte er die Arme und trat von einem Bein auf das andere, um sich zu wärmen. Er hatte eigentlich damit gerechnet, alles schnell über die Bühne bringen und dann wieder ins Bett gehen zu können. Doch nun ließ man ihn warten und dieser Umstand erfüllte ihn mit Zorn. Niemand wagte es, ihn warten zu lassen. Allerdings rief er sich sofort wieder ins Gedächtnis, mit wem er es hier zu tun hatte und so wich der Zorn einem vagen Unbehagen. Hätte er sich nicht doch an einen seiner eigenen Untergebenen wenden sollen? Allerdings bestand hierbei die Gefahr, dass der Diener den Mund aufmachte - und dann? Dann war alles vorbei. Zwanzig Jahre hätte er dann umsonst Angst gehabt. Zwanzig Jahre hätte er dann umsonst Ausschau gehalten. Zwanzig Jahre hätte er dann umsonst teures Geld bezahlt, nur um sie zu finden und um alle Beteiligten zum Schweigen zu bringen. Nein, dieses Risiko würde er nicht eingehen. Hier musste ein Profi ran, jemand, der sein Handwerk verstand und zu dessen Qualifikationen auch absolute Verschwiegenheit zählte. Wieder richtete er seinen Blick auf das Tor und rechnete damit, jeden Augenblick jemanden das Gelände betreten zu sehen. Doch seinen Augen boten sich nur die Schatten des nächtlichen Klostergartens dar. Ein leichter Wind kam auf, zog sacht an seinem Umhang und ließ ihn abermals frösteln. Er zog den Stoff enger um seine Schultern und nagte unruhig an seiner Unterlippe. Ein leises Rascheln direkt hinter ihm ließ ihn erschrocken herumwirbeln, doch seinen nervös suchenden Augen bot sich nur die bereits vertraute Kulisse des Gartens dar. "Guten Abend", ertönte eine leise Stimme neben seinem Ohr. Zusammenzuckend drehte er sich wieder um und wich sofort einige Schritte zurück. Diesmal erfasste sein Blick eine verhüllte Gestalt, die nun einen Meter vor ihm stand. "Guten Abend", brachte er schließlich hervor und erholte sich langsam wieder von seinem Schreck. "Ihr seid spät." "Verzeiht, dass ich Euch warten ließ." Die Stimme war leise, fast flüsternd und ließ keinerlei Schlüsse auf das Alter des Gegenübers zu. Sie konnte zu einem kleinen Jungen ebenso gehören wie zu einem alten Mann. "Weshalb habt Ihr mich hierher bestellt?" "Es heißt, Ihr seid der beste." "Kommt ganz darauf an, worin." Kurz zögerte er und strengte seine Augen an, um in der dunklen Silhouette des Mannes Einzelheiten erkennen zu können, doch außer Schatten konnten sie nichts erfassen. "Nun, ich möchte, dass Ihr jemanden für mich findet." "Normalerweise engagiert mich niemand nur um jemanden zu finden." "Ihr sollt sie auch nicht nur finden, sondern auch töten." "Nun kommen wir der Sache schon näher." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)