Feuerdämon von Purple_Moon (Was wurde eigentlich aus dem Stier?) ================================================================================ Kapitel 2: Syringa ------------------ Im Buch erfährt man, das Schmendrick viel älter ist, als er aussieht. Sein Lehrmeister Nicos hat ihn mit einem Zauber versehen, der ihn unsterblich macht, bis er zu seiner wahren Magie findet. Der Zauber verliert seine Wirkung, als er Lady Amalthea zurückverwandelt. Die paar Informationen, die Schmendrick über den Stier hat, stammen auch aus dem Buch. Kapitel 2: Syringa Lir hatte schon öfters die Wunden seines Pferdes behandelt, wenn er von einer seiner Heldentaten gekommen war. Dazu gehörte auch das Nähen tiefer Kratzer. Das Einhorn ertrug seine medizinische Zuwendung in stoischem Schweigen. Natürlich war es unter seiner Würde, sich von einem Sterblichen helfen zu lassen, aber es war durch starken Blutverlust zu schwach, um sich zu wehren. Dabei war die Verletzung eigentlich gar nicht so schlimm. Allerdings hatte es sich auch sehr über Taur aufgeregt und war schließlich zusammengebrochen. Der Mann, der Lír stets nur als der Rote Stier seines Vaters bekannt gewesen war, hockte nicht allzu weit entfernt an einen Baum gelehnt. Die Worte des Einhorns gaben ihm zu denken. Es hatte ihn als Dämon bezeichnet, als Feuerdämon. Wie kam es nur darauf? Erkannte es ihn denn nicht? Vielleicht war es schon im Delirium. Er war doch jetzt ein Mensch - oder? Andererseits würde es Sinn machen, denn er hatte ja noch seine Feuerkräfte. Er hätte sie verlieren müssen, wenn er wirklich ein Mensch geworden wäre. Lír kam zu ihm, als er schließlich mit seinem Werk fertig war. "Lass uns heute Nacht hier kampieren. Das Einhorn ist sonst eine leichte Beute für Raubtiere." "Ich bin nicht sicher, ob er auf meinen Schutz Wert legt," entgegnete Taur. "Du wirst ihn schon nicht fressen, das hat er wohl begriffen." "Jedenfalls wird kein Einhorn auf der Welt meine Augen heilen, wenn ich wirklich das bin, wofür er mich hält. Davon abgesehen... Vielleicht ist nichts mit meinen Augen, und Feuerdämonen sind von Natur aus blind." "Das ist nicht fair," murmelte Lír. "Gerade als ich dachte, es wäre eine gute Idee, ein Einhorn darum zu bitten..." Er setzte sich so dicht neben Taur, dass sich ihre Schultern berührten. "Vielleicht kann Schmendrick dir helfen." "Ich... kann jedenfalls nicht mehr zurück," murmelte Taur. "Diese Gestalt ist nicht das Schlechteste... eigentlich fühlt sie sich sogar ganz gut an. Ich glaube, einige Dinge würde ich vermissen..." "Haferbrei?" scherzte Lír. Sein Begleiter lachte auf. "Ja, das wohl auch. Manche machen ihn mit Honig. Lecker." Der König musste grinsen, da Tauer sich für so einfache Sachen begeistern konnte. Doch er wurde rasch wieder ernst. "Wenn du ein Dämon bist, warum warst du dann ein Stier?" "Kann ich mir nicht erklären. Aber ich erinnere mich auch nicht daran, was ich gemacht habe, bevor ich zu Haggard kam. Was ist eigentlich mit dem anderen Magier passiert, diesem Mabruck?" "Weiß nicht. Er ist verschwunden, nachdem Vater an seiner Stelle Schmendrick eingestellt hatte. Meinst du, dass er etwas mit deiner jetzigen Gestalt zu tun hat?" Taur ließ sich das durch den Kopf gehen. "Er war ein Meister, nicht wahr? Vielleicht... war er noch für ganz andere Dinge verantwortlich..." Der kräftige Mann umschlang seine Beine mit den Armen wie ein Frierender. "Wenn das Einhorn nun Recht hat... Ob Mabruck wohl mächtig genug war, einen Feuerdämon zu bezwingen?" "Zerbrich dir nicht den Kopf über diese Dämonensache," winkte Lír ab. "Habt Ihr keine Angst vor einem Feuerdämon?" hakte Taur nach. Der König hätte fast gelacht, verkniff es sich aber. "Du bist ja ganz friedlich. Und sollte sich das ändern... nun, ich bin ein Held, ich würde mich um das Problem kümmern. Tu mir einen Gefallen und lass es nicht soweit kommen." "Traut Ihr mir das wirklich zu?" "Hey, das war ein Scherz. Sei nicht gekränkt. Ich sehe mal nach unserem Patienten." Das Einhorn war wach, konnte sich aber kaum erheben. Lír hinderte es daran, als es Anstalten machte, ihm entkommen zu wollen. "Warum quälst du mich so? Hättest du mich nicht in Frieden verbluten lassen können?" klagte das Tier ihn an. "Nun, viel hat ja nicht gefehlt, du bist schon sehr schwach," bemerkte Lír, den Vorwurf ignorierend. "Aber du wirst dich erholen, sicher bleibt nicht einmal eine Narbe zurück. Hast du einen Namen?" "Was meinst du?" "Nun, wir Menschen benennen einander, um uns unterscheiden zu können. Zum Beispiel, wenn wir mit anderen über Personen reden, die nicht anwesend sind. Ich heiße Lír." "Wir brauchen keine Namen, dennoch... Ich war das Einhorn vom Fliederwald." Das Geschöpf ließ traurig den Kopf ins Gras zurücksinken. Lír hob die Augenbrauen. "Du warst es?" "Dieser Wald wurde zerstört, während ich fort war. Dort ist jetzt ein Menschendorf mit Kornfeldern und Weiden. Davor lebte ich in einem anderen Wald, doch dieser wurde vor langer Zeit niedergebrannt..." Nachzufragen erübrigte sich da wohl. "Ich bin niemand mehr," fuhr das Einhorn fort. "Meine Heimat ist vergangen. Ich hätte hier sterben sollen." "Deine Augen erinnern auch an Flieder," stellte der König fest. "Ich nenne dich Syringa, ja? Das heißt in einer anderen Sprache *Flieder*." Das Einhorn seufzte. "Wenn du das möchtest... mir ist es gleich." "Wir Menschen brauchen Namen, das macht es uns leichter." "Wie du meinst. Ihr braucht so viel... Häuser, Felder, Viehherden... Es war viel besser, als ihr noch in Höhlen gelebt habt. Ihr zerstört alles, um Platz für eure Bedürfnisse zu schaffen. Und du... du bist der Mann, der bei dem anderen Mann gelebt hat, bei dem, der uns besitzen wollte." "Diese Diskussion hatten wir schon. Ich bin nicht wie mein Vater," verteidigte Lír sich. "Aber wenn er nicht gewesen wäre, hättest du deine Heimat nicht verloren. Du kannst mit uns kommen, wenn du willst, dann helfen wir dir, einen neuen Wald zu finden. In meinem Reich wird es auch bald wieder Wälder geben, und dann wäre es sicher gut, dort ein Einhorn zu haben. Du kannst mir helfen, das Reich neu aufzubauen." "Daran habe ich kein Interesse. Du sagst, du bist nicht wie dein Vater, aber schon willst du mich für dein Reich..." "Du hast mich falsch verstanden!" "Ihr Menschen seid alle so gierig..." Inzwischen hatte Taur sich erhoben und verließ sein Versteck. "Du meine Güte, dieses selbstmitleidige Gelaber kann man sich ja nicht mit anhören! Reg dich ab oder ich treib' dich zurück ins Meer!" "Taur!" Lír starrte ihn entgeistert an. Das waren vielleicht nicht die richtigen Worte in dieser Situation. "Ist doch wahr," motzte der Rothaarige. "Statt dass er sich freut, dass er gerettet wurde..." "Wenn Haggard nicht so gierig gewesen wäre, hätte ich nicht gerettet werden müssen," beharrte das Einhorn. "Keiner von euch hat sich gewehrt," stellte Taur fest. "Ihr könnt mit euren Hörnern Drachen töten, aber gegen mich habt ihr euch nicht gewehrt, obwohl ich allein war und ihr zu Tausenden!" "Du behauptest also wirklich, der Rote Stier zu sein?" Das Tier musterte ihn. "Ich sehe in dir nur einen Feuerdämon." "Aber wie kann das sein?" mischte sich nun Lír wieder ein. "Und wieso hat er jetzt diese Gestalt? Ist das seine richtige? Und... sind alle Feuerdämonen blind?" "Du hast ziemlich viele Fragen, Mensch." "Mein Name ist Lír." "Ah, ich vergas. Lír. Und der Feuerdämon heißt Taur." "Genau, und dich möchte ich Syringa nennen." Das Einhorn ließ resignierend den Kopf hängen. "Was auch immer... egal." "Es ist nicht egal!" widersprach Taur hitzig. "Erzähl mir von den Feuerdämonen, die du kennst!" "Was soll ich von ihnen erzählen?" schnaubte das Einhorn. "Ich lernte sie nie persönlich kennen. Eine Gruppe von ihnen fiel in meinen Wald ein und brannte alles nieder. Man kann sie nicht bekämpfen, wenn sie in ihrer Feuergestalt sind. Dann sind sie nur Flammen, und man kann nicht sehen, wo sie sind und wo es einfach nur brennt. Vielleicht sind sie ja auch ein Waldbrand, wenn sie wollen. Mehr weiß ich nicht. Du musst ein älteres Einhorn fragen, ich bin noch jung. Aber seit jener Zeit habe ich nie wieder einen gesehen. Vielleicht sind sie wie Feuer und sterben, wenn sie keine Nahrung mehr haben." "Wenn du nur einmal den Feuerdämonen begegnet bist, woher bist du dann so sicher, dass ich einer bin?" begehrte Taur zu erfahren. "Ich weiß nicht, warum, aber ich bin mir sicher. Ich spüre es." "Und wieso hast du es nicht gespürt, als du dem Roten Stier gegenübergestanden hast? Falls du ihm jemals gegenübergestanden hast, statt nur wegzulaufen." Taurs Stimme hatte einen leicht spöttischen Unterton angenommen. Die violetten Augen blitzten trotzig. "Du weißt gar nicht, wie es ist, dem Roten Stier zu begegnen!" "Das stimmt," musste der rothaarige Mann zugeben. "Muss aber ne recht einschüchternde Erfahrung gewesen sein." Er kam nicht umhin, bei diesen Worten zu grinsen. König Lir hatte den Austausch schweigend verfolgt. "Wir sollten unser Lager aufschlagen," schlug er nun vor. "Morgen geht es dir sicher wieder gut genug, dass du aufstehen kannst, Syringa. Sieh es mal so, wenn du mit einem Feuerdämon unterwegs bist, tun dir die anderen sicher nichts. Und Taur ist ganz zahm." "Heute früh habt Ihr noch behauptet, ich wäre zu hitzig!" erwiderte der angebliche Feuerdämon. "Trotzdem bist du doch ein ganz lieber," fand Lir. Er stand auf und berührte seinen Freund kurz an der Schulter, wie es Freunde untereinander tun. "Warte hier, ich hole die Pferde." Das tat er, und sie schlugen ihr Schlaflager in der Nähe des verletzten Einhorns auf. Beide fragten sich, ob das Tier wohl am Morgen noch da sein würde. *** "Schmendrick, sollten wir nicht bald weiterziehen?" Molly wusste zwar, dass sie noch genug Geld für eine oder zwei weitere Übernachtungen und Essen hatten und gewiss noch mehr bekommen würden, aber sie verdienten besser, wenn sie die Zaubershow nicht zu lange an einem Ort aufführten. Außerdem war sie es nicht gewohnt, lange an einem Ort zu sein. "Lass uns noch ein oder zwei Tage bleiben, Liebes," sagte Schmendrick lächelnd. "Ich habe das Gefühl, dass es wichtig ist." "Nun ja... wenn du meinst," gab sie nach. Sie lag schon im Bett, während ihr Gefährte noch aus dem Fenster in die Nacht hinausblickte. "Ich hab übrigens darüber nachgedacht, ob wir uns nicht einen Wagen kaufen sollten, in dem wir wohnen können, wenn wir unterwegs sind," teilte er ihr mit. "Das wäre doch sicher angenehmer, als die ganze Zeit zu reiten oder zu laufen." "Nun, ich habe nichts gegen einen Fußmarsch. Aber mit einem Wagen könnten wir mehr Gepäck bei ins haben, Utensilien für die Zaubershow und frische Kleider. Und wir müssten nicht immer in Gasthäusern übernachten." "Dann ist es abgemacht," entschied er. "Morgen werden wir uns erkundigen, ob jemand einen verkauft." "Gut, aber wie kommst du auf einmal darauf?" "Ach, die Idee spukt mir schon länger im Kopf herum." Schmendrik schloss das Fenster und legte sich zu ihr. Sehr dicht zu ihr... Molly genoss seine Nähe. Körperlich war er jünger als sie, wenn auch älter an Jahren. Er hätte sich ein junges Mädchen suchen können, doch er wollte sie. In ihrem Leben war wieder Frühling. Manchmal dachte sie sogar, dass ihr Abenteuer mit dem Einhorn sie verjüngt hatte, und vielleicht stimmte das sogar. Sie fand sich selbst nicht mehr so unattraktiv wie früher, und auch der Magier versicherte ihr häufig, dass sie sich zu ihrem Vorteil verändert hatte. Vielleicht lag es einfach daran, dass sie jetzt regelmäßig genug zu Essen hatte und sich neue Kleider kaufen konnte, statt die alten zu flicken. "Ich frage mich immer noch, was aus dem Stier geworden ist," murmelte er auf einmal. "Es geht mir nicht aus dem Kopf..." "Möglicherweise werden wir morgen ein Gerücht über ihn hören. Vielleicht ist es das, was dich beunruhigt," meine sie. "Hm, vielleicht," stimmte er zu. Er küsste zärtlich ihren Hals, doch sie hatten einen anstrengenden Tag hinter sich und waren zu müde, um mehr zu tun als zu kuscheln. Eng beisammen schliefen beide schließlich ein. Am Morgen gab es Haferbrei. Schmendrick kam sich vor, als hätte er sich selbst schon einmal irgendwo sitzen und Haferbrei essen sehen, aber er aß das Zeug schließlich nicht zum ersten Mal. Trotzdem... In Letzter Zeit quälten ihn ständig seltsame Ahnungen, die mit dem Roten Stier zu tun hatten. Aber wo war der Zusammenhang mit Haferbrei? In diesem war sogar Honig drin. Er hatte Molly natürlich nichts davon gesagt, wie beunruhigt er war, schließlich hatte er keine Erklärung dafür. Vielleicht war es nur eine Anpassung seiner Magie oder sein Unterbewusstsein, das die Ereignisse noch einmal verarbeitete. Allerdings vermutete er, dass Molly etwas merkte, ihn aber nicht darauf ansprach, weil er nicht von selbst damit anfing. Er wusste diese Eigenschaft von ihr sehr zu schätzen. Neben anderen... Als sie später auf die Straße traten, bemerkten die beiden, dass eine Zirkustruppe in die Stadt gekommen war. Ein Mann im Narrenkostüm lief durch die Stadt und machte Reklame für ihre Show, begleitet von einem Mädchen auf einem Einhorn. Natürlich handelte es sich bei dem Einhorn nur um ein weißes Pferd, dem sie ein Horn an dem bunten Zaumzeug befestigt hatten, aber es sah gut gemacht aus. Schmendrick runzelte die Stirn. War das Zufall, oder sollte ihm das Erscheinen dieses *Einhorns* etwas sagen? Ach, er bildete sich schon Sachen ein... Einer plötzlichen Eingebung folgend, schlug er vor, zu den Zirkusleuten zu gehen, die außerhalb der Stadt ihr bescheidenes Zelt aufgeschlagen hatten. Es gab nur ein paar Wohnwagen, anscheinend handelte es sich um einen Familienbetrieb. Die Zugpferde waren in einem Extrazelt untergebracht, zusammen mit den Zirkuspferden. Möglicherweise waren die Zugpferde auch zugleich Zirkuspferde. Schmendrick sah sich alles etwas unbehaglich an. Ihn persönlich erinnerte das alles etwas zu sehr an Mami Fortuna, aber Molly war fasziniert. Sie wollte sich gerne die Vorstellung ansehen. Eigentlich sprach ja nichts dagegen. Doch als sie auf der Suche nach jemandem, bei dem sie die Zeiten der Vorstellung erfahren konnten, um eine Ecke bogen, blieb Molly plötzlich stehen, so dass Schmendrick, der hinter ihr ging, gegen sie stieß. "Schnell, versteck dich!" zischte sie ihm zu und drängte ihn hinter einen Wagen. Er stellte keine Fragen, sondern folgte einfach ihrem Blick. An der Vorderseite des Wagens gingen zwei Männer vorbei, die in ein angeregtes Gespräch über die neuesten Attraktionen vertieft waren. Einer von ihnen schien der Chef dieser Truppe zu sein, denn er trug besonders elegante, rote Kleidung. Der andere war offensichtlich der Zauberkünstler unter ihnen. Er trug eine blaue Robe mit gelben Sternen darauf und einen passenden, spitzen Hut, ein alter, gebeugt gehender Mann mit einem langen, weißen Bart. Schmendrick hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht vor Überraschung - oder Schreck - laut auszurufen, was er dachte. Mabruck! Was tat der denn hier? War dieser Job denn nicht völlig unter seiner Würde? Ganz zu schweigen von diesen kitschigen Klamotten... Sie warteten, bis die Luft rein war, ehe sie ihr Versteck verließen. "Wir sollten schnell von hier verschwinden!" drängte Molly. "Aber wenn Mabruck hier ist, muss er einen Grund dafür haben! Lass uns nachsehen, ob wir was entdecken!" entgegnete der Zauberer. Sie gab zögernd nach, obwohl es ihrer Meinung nach genauso gut sein konnte, dass der Alte nur dringend irgendeinen Unterschlupf gebraucht hatte. Also sahen sie sich um, ohne besonders aufzufallen, denn einige Leute aus der Stadt warn auch schon da. Schmendrick hatte seinen Zaubererhut abgenommen, damit er nicht für Inventar des Zirkus' gehalten wurde. Sie entdeckten eine Frau, die Hunde dressierte, ein junger Mann hatte einen Papagei. Ansonsten gab es keine weiteren Tiere zu sehen, und die Menschen wirkten auch nicht verdächtig. Anscheinend gab es wirklich nichts zu sehen, das Grund zur Besorgnis wäre. Doch das ungleiche Paar war sich einig, dass sie lieber bald abreisen sollten, zumal der Zirkus der Zaubershow zu sehr Konkurrenz bot. Allerdings wollte Schmendrick zu gerne Mabruck zur Rede stellen, wenn er ihn schon gefunden hatte. Vielleicht war es Schicksal. Also fragten sie sich durch und wurden schließlich zu einem Wage geschickt, der mit einem dunklen Stoffbanner versehen war, auf dem, umgeben von gelben Sternen, "Der Mysteriöse Magier Magnus!" zu lesen war. Irgendwie war das ihnen vorher gar nicht aufgefallen. "Was für ein idiotischer Deckname," kommentierte Schmendrick, während er anklopfte. "Schmendrick, so sehen wir uns wieder!" erklang plötzlich die Stimme des Zauberers hinter ihnen. Sie fuhren erschreckt herum. "Äh... ja, sieht ganz so aus," antwortete Schmendrick. "Ich habe gehört, dass ich Recht hatte... Haggard hat wirklich sein Verderben gefunden," bemerkte Mabruck. "Gut, dass ich nicht mehr dort war, andererseits hätte ich das gerne miterlebt." "Ach, es war total unspektakulär," behauptete Schmendrick. "Aber ich wollte dich etwas fragen, Mabruck. Der Rote Stier ist möglicherweise noch am Leben. Was weißt du über ihn?" Der Alte hob die buschigen Augenbrauen. "Es überrascht mich sehr, dass dich das interessiert! Was in aller Welt kann das verursacht haben?" "Nur so ein Gefühl." "Ah, ein Gefühl! Naja, ich spüre, dass du inzwischen etwas mächtiger geworden bist, mein Junge, vielleicht hat es ja was auf sich mit diesem Gefühl. Aber warum sollte ich dir sagen, was ich weiß?" "Ähm... weil ich höflich gefragt habe?" Mabruck lachte heiser. "Ja, das ist vielleicht ein Grund. Du kannst ja nichts dafür, dass Haggard mich nach so vielen Jahren hinausgeworfen hat, es war sicher mein Glück, wer weiß! Also, was genau willst du wissen?" "Also... alles!" entschied Schmendrick. "Ich habe erfahren, dass er dem gehorcht, der keine Furcht hat. Sein einziger Lebenszweck war es, Haggards Wunsch zu erfüllen. Und er ist sehr alt. Aber wo kam er her? Und was macht er jetzt, da Haggard tot ist?" Mabruck strich sich nachdenklich durch den Bart. "Was geschah mit dem Stier, weißt du das?" "Er rannte ins Meer, wodurch die Einhörner befreit wurden," gab der jünger Aussehende Auskunft. "Dann kann ich mir nicht vorstellen, dass er überlebt hat," meinte Mabruck. "Er war ein Wesen des Feuers, seit langer Zeit eingesperrt in der Gestalt, die ihr gesehen habt. Mein Meister hat ihn mir überlassen, und ich überließ ihn Haggard, als ich in seine Dienste trat. Der Stier war der perfekte Diener, doch er wurde gefügig gemacht durch Magie, bis er selbst nicht mehr wusste, was er war. Möglich, dass es ihm wieder eingefallen ist, nachdem ich nicht mehr da war, um den Bann fortzuführen. Aber wahrscheinlich ist er in den Fluten umgekommen, ohne etwas anderes zu sein als ein williger Diener Haggards." "Was für ein Wesen des Feuers war er?" hakte Schmendrick nach. Doch der andere Zauberer schüttelte den Kopf. "Mehr weiß ich nicht." "Oder willst du nur nichts mehr sagen?" erkundigte Molly sich. "Ah, die vorlaute Frau hat sich nicht geändert," stellte Mabruck fest. "Was kümmert euch der Stier. Wenn ihr ihn finden solltet, könnt ihr mich ja noch mal fragen, aber ich bezweifle, dass wir ihn je wieder sehen. Ich muss jetzt an die Arbeit." Er drehte sich um und entfernte sich in Richtung Zelt. Molly und Schmendrick verließen die Stadt kurz darauf. Schmendricks Ahnung hatte sich bestätigt, es war etwas geschehen, und damit war er vorerst zufrieden. Dennoch vermutete er, dass es noch nicht alles war. Sie fanden im nächsten Dorf einen Bauern, der ihnen einen alten Planwagen verkaufte, der für ihre Zwecke erst einmal reichte. Sie renovierten das gute Stück ein bisschen und spannten ihre Pferde davor. So reiste es sich recht bequem. Ihre Reise hatte keinen bestimmten Weg, also fuhren sie einfach dahin, wo es ihnen sinnvoll erschien. *** Inzwischen hatten Lír und Taur zusammen mit Syringa das Dorf erreicht, zu dem sie eigentlich unterwegs gewesen waren. Das Einhorn konnte laufen, doch seine Schulterverletzung behinderte es, deshalb kamen sie nur langsam voran. Sie gaben es als einen teuren Zuchthengst aus, den sie fast an Räuber verloren hätten und wegen der dabei erlittenen Verletzung momentan nicht verkaufen konnten. Sie mieteten einen guten Stall für ihre Pferde und Syringa, was das Einhorn stoisch hinnahm. Taur und Lír quartierten sich im dazugehörigen Gasthaus ein und suchten nach etwas Arbeit, denn ihr Geld reichte nicht wirklich aus. Der Wirt bot ihnen einen Job im Stall an, da sein Stallbursche krank war, außerdem hatte sein Bruder Heu einzufahren. Das war alles keine geeignete Arbeit für einen Blinden, aber Taur und Lír einigten sich mit ihren Arbeitgebern auf einen Gesamtlohn, so dass sie sich Zeit lassen konnten, solange sie brauchten. Der Wirt bot ihnen und ihren Pferden kostenlose Unterkunft an, wenn sie noch ein paar weitere Kleinigkeiten erledigten, vom Reparieren eines Tisches bis zum Spülen in der Küche. Der König und der Blinde arbeiteten den ganzen Tag wie die Sklaven, sahen zwischendurch immer wieder nach Syringa, machten sich abends über ein reichliches (in Taurs Fall vegetarisches) Essen her und fielen dann endlich müde ins Bett. Aber wenigstens *hatten* sie Betten. Es gewitterte und stürmte diese Nacht, und Taur wachte des Öfteren auf, denn er hatte feinere Ohren als Lír. Doch der König war irgendwann auch wach. "Sollen wir nachsehen, was unser Einhorn macht?" schlug Lír vor. Taur rollte sich demonstrativ in seine Decke ein. "Er will doch sterben, außerdem ist er alt genug, also wird er schon keine Angst vor dem Gewitter haben. Und die Pferde sind in seiner Gegenwart ganz ruhig, habt Ihr ja vorhin gesehen. Ich bewege mich nicht vom Fleck, hab geschuftet wie ein Stier." Lír prustete vor Lachen angesichts dieser unbedachten Wortwahl seines Freundes. "In der Tat, das hast du." "Ihr macht Euch über mich lustig," klagte Taur ihn an. Doch der König sah seinen Begleiter lächeln. "Du kannst es ab." Auch er kroch wieder unter seine Decke. Schlafen war jedoch ausgeschlossen, denn es war ein Krach, als hätte die Hölle sich aufgetan. Zum Glück hatten sie die Fensterläden am Abend fest geschlossen. Aber sie hatten ein kleines Zimmer direkt unter dem Dach, weil es das billigste war (auch wenn sie nicht zahlen mussten). Eine Wand hatte eine Dachschräge. Der Regen prasselte darauf und der Wind fing sich heulend in jeder Ritze. Blieb nur zu hoffen, dass das Dach nicht wegflog. Das tat es nicht, aber nach einer Weile donnerte es, gefolgt von einem Knall, der beide Männer senkrecht in den Betten stehen ließ. "Äh... in der Nähe muss der Blitz eingeschlagen haben," vermutete Lír erschrocken. "Sollen wir mal nachseh..." Er kam nicht zum Ende, denn im Nächsten Moment landete etwas auf dem Dach, dann gab ein Teil desselben nach und die Äste einer uralten, knorrigen Eiche bahnten sich ihren Weg in den Raum. Lir sprang entsetzt von seinem Bett auf. "Waaah! Vorsicht, Taur!" Der Rothaarige stolperte in die entgegen gesetzte Richtung des Lärms zurück und stieß sich die Schulter an der Wand an. Lír eilte an seine Seite, und sie duckten sich nebeneinander vor nassen Zweigen und Dachteilen und dem hereinbrechenden Sturm. "Das ist ja wohl nicht wahr," grummelte Taur frustriert. Lír lag halb auf ihm, und sie konnten sich kaum bewegen, weil sie von Eichenblättern regelrecht gepeitscht wurden. "Anscheinend hat der Blitz sogar *ganz* in der Nähe eingeschlagen..." "Wir können in dem Fall wohl froh sein, dass es so stark regnet und stürmt, sonst stünde hier alles in Flammen..." "Wenn du das sagst... laut Syringa kennst du dich ja damit aus." "Das ist nicht komisch, Lír. Könntet Ihr bitte mein Hemd suchen?" "Oh nein, nicht schon wieder... wo hast du es gelassen?" Lír versuchte, etwas zu erkennen, aber der Raum war eine einzige Baumkrone. Also betrachtete er lieber ein wenig Taurs muskulösen Oberkörper, der hin und wieder durch die Blitze sichtbar wurde. Es hatte manchmal Vorteile, dass sein Freund blind war... "Ihr starrt mich an," stellte Taur fest. "Dachtet Ihr, ich merke es nicht?" "Äh... gar nicht!" Lír fühlte sich ertappt. Und ihm drängte sich die Frage auf, warum. War wohl ganz gut, dass sie beide wenigstens in Hosen schliefen, man konnte ja nie wissen, was einen weckte... Trotz der unerfreulichen Nacht hatte das Ereignis für Taur und Lír auch sein Gutes. Überall im Dorf gab es schwere Sturmschäden, und indem sie bei Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten halfen, sprang so manche freie Malzeit und die ein oder andere weitere Übernachtung für sie raus. Der Schneider schenkte ihnen je einen Satz neue Kleidung, nachdem sie geholfen hatten, seinen Laden in Ordnung zu bringen. Im Stall war zum Glück nichts passiert. Der Wirt wunderte sich darüber, denn alle anderen Tiere hatten sich losgerissen oder ihre Boxen halb zertrümmert, nicht aber die Pferde, die er beherbergte. Syringa hatte anscheinend so eine Wirkung auf Tiere, die in seiner Nähe waren, aber Lír und Taur taten ganz überrascht, um keinen Verdacht zu erregen. Sie reisten vier Tage später zufrieden wieder ab und hatten ein bisschen mehr Geld in der Tasche als vorher. Das Einhorn folgte ihnen gleichgültig. *** Fortsetzung folgt. Wenn ihr eine wollt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)