Luciana Bradley und der Orden des Phönix von Picadelly ================================================================================ Kapitel 24: Auf der Flucht -------------------------- Auf der Flucht        „D-du hast WAS??“      „Habe ihm beim Duschen zugeschaut, ist beinahe hintenübergekippt, als er mich bemerkt hat“, gluckste Myrte vergnügt.      Luciana war Snapes Aufforderung nachgekommen, der Mädchentoilette im zweiten Stock, und somit auch dessen Bewohnerin, einen Besuch abzustatten. Auch wenn ihre Beweggründe eher darin lagen, dass es ihr unter den Nägeln brannte zu erfahren, was an seiner Anspielung wirklich dran war – anscheinend ja einiges mehr, als sie auch nur zu denken vermocht hatte.      „Und dann bist du ihm in sein Schlafzimmer gefolgt?“, fragte Luciana, mit halb offen stehendem Mund und starrte Myrte aus großen, ungläubigen Augen an.      „Das habe ich doch schon gesagt … ja und das habe ich die letzten Tage weiter gemacht, wenn ich ihn denn mal erwischt habe … weißt du, der Professor geht zu unmöglichen Zeiten zu Bett, mal gleich nach der Sperrstunde, aber viel öfter ganz wann anders … zum Beispiel gestern, da war er um drei Uhr morgens noch auf den Fluren unterwegs … obwohl ich ihn erst gar nicht erkannt habe, hat so eine komische Maske getragen und einen noch viel mehr wehenden Umhang.“ Myrte gab wieder ein amüsiertes Geräusch von sich und nahm dann oben auf der Tür einer Toilettenkabine Platz.      „Und Snape hat sich das einfach so gefallen lassen?“, hakte Luciana weiter nach.      „Mh, nein, aber natürlich nicht … hat rumgeschrien und mir mit Verbannung gedroht, ich habe mich überhaupt nicht davon stören lassen … ja und nach Zaubersprüchen hat er gesucht, wie so ein Besessener, hat nur nichts finden können“, kicherte der Geist und fiel dabei fast von der Türkante.      Ja, dieses Bild konnte sich Luciana nur allzu lebhaft vorstellen und dieser Bericht erklärte auch die noch dunkleren Augenränder, die sie in den letzten Tagen bei Snape am Frühstückstisch bemerkt hatte. Dass gestern offensichtlich ein Todessertreffen stattgefunden hatte und darauf keine Ordensbesprechung, dies war allerdings ungewöhnlich. Sie trat zwischen diesen Überlegungen die aufgerauchte Zigarette auf dem feuchten Boden unter ihren Füßen aus, stand auf und verabschiedete sich von der ‚Maulenden Myrte‘ (eigentlich wäre ‚Spannende Myrte‘ weitaus zutreffender), blieb an der Tür noch einmal stehen und wendete sich zu dem Geist um.      „Ehm, sag mal Myrte – du hast nicht zufällig drauf geachtet, was Professor Snape zum Schlafen für Kleidung getragen hat?“      „Was Grünes, so ein Grün, wie es Slytherin im Hauswappen hat, einen Pyjama – war sogar aus Seide“, Myrte tauchte plötzlich eine Handbreit vor Lucianas Gesicht auf und grinste sie breit an. „Wiesoooo?“      „Nur so, kam mir in den Sinn“, antwortete diese hastig und beeilte sich auf den Gang zu treten. Jetzt war es an ihr zu grinsen – Professor Snape vollbrachte es doch immer wieder, sie zu überraschen.   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   Der Gryffindorgemeinschaftsraum war trotz der bereits fortgeschrittenen Stunde außergewöhnlich belebt. Luciana konnte zwar einen freien Sessel in der hintersten, rechten Ecke des Raumes ausmachen, nur musste sie dort die Gesellschaft der Zwillinge in Kauf nehmen, die sie seit dem Ende der Weihnachtsferien gemieden hatte. Und da die beiden auch nicht auf sie zugekommen waren, war ihr eigentlicher Plan gewesen, dies solange laufen zu lassen, bis sich das Problem von selbst löste. Aber selbstverständlich funktionierte so eine Überlegung meist nur in der Theorie.      Etwas zögerlich näherte sich Luciana letztendlich, nachdem sie ein Moment unsicher am Portraiteingang gestanden hatte, dem leeren Platz, setzte sich und hob ihre Hand ein Stück – ob dies ein Gruß oder eine unbewusste Bewegung war, konnten George und Fred nun interpretieren, wie sie wollten.      „Ah, das Ehrenmitglied lässt sich zum niederen Gefolge herab“, sagte Fred und vollführte eine äußerst demütige Geste.      „Es ist uns eine Ehre“, schloss sich George seinem Bruder an – jedoch grinsten die beiden nach ein paar Sekunden, was Luciana erleichtert ausatmen ließ.     Den restlichen Abend hatten sie sich sehr viel zu erzählen – George und Fred führten ihr die neusten Erfindungen ihrer käuflichen Zauberscherze vor (wie zum Beispiel den Kopflosen Hut, der einem den kompletten Kopf verschwinden ließ, sobald man ihn aufsetzte), ließen dabei hier und da durchsickern, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft gedachten, einen eigenen Scherzladen in der Winkelgasse zu eröffnen (und dabei ging es wohl nicht um nach ihrem Schulabschluss, es war, als würden sie von sehr bald sprechen). Luciana versuchte den zweien in diesem Punkt klar zu machen, wie viel mehr, als nur Kapital und Ideen oder auch Produkte es benötigte, um ein ganzes Geschäft auf die Beine zu stellen – aber naja, wie sich das nun einmal verhalten konnte bei männlichen Wesen, die sich etwas in den Kopf gesetzt hatten … die Hinweise gingen auf der einen Seite rein und auf der andern unverarbeitet wieder hinaus.      George und Fred versuchten zudem, immer wieder abwechselnd mehr oder weniger unauffällig ein paar Informationen und Berichte über die Ordenstreffen herauszubekommen und kaum hatten sie dieses Thema zum gefühlt fünfzigsten Male angesprochen, sah sie Granger, Ronald und vor allem Potter, die nicht weit von ihnen entfernt über einem Berg von Bücher saßen und ihre Hausaufgaben erledigten (welchen Gedanken Luciana schnell wieder verdrängte, sie selbst hatte wieder einmal ihre eigenen Hausarbeiten maßlos vernachlässigt). Die drei sahen zu ihnen herüber, steckten hier und da die Köpfe zusammen und flüsterten angeregt miteinander – es dauerte nicht lange und Luciana wurde dieses Schauspiel zu dumm – mit einem Handwink bedeutete sie ihnen sich zu ihr und den Zwillingen zu gesellen.      Es waren nicht wirklich viele Dinge, die Luciana reinen Gewissens an ihre wissbegierigen Zuhörer weitergeben konnte. Ein grober Umriss über die Dinge, die im Orden besprochen wurden, eigentlich erzählte sie ihnen nur, dass die Treffen zu neunzig Prozent aus Berichten der einzelnen Mitglieder in den verschiedensten Positionen und Besprechungen über folgende Vorgehensweisen bestanden. Noch einmal versicherte sie ihnen, dass ihr Job nichts weiter war, als ihrem Paten Berichte über die Abläufe zu liefern und umgekehrt. Gerade Potter schien über diese spärlichen Informationen gar nicht erfreut zu sein, doch selbst er musste nach dem Argument, sie wolle weder Dumbledores oder gar Gabriels Unmut auf sich ziehen, geschlagen geben. Und dann sprach er gleich das nächste, unangenehme Thema an, kurz nachdem George und Fred geheimnistuerisch mit Lee Jordon im Jungenschlafsaal verschwunden waren.      „Sag mal, was hat Snape eigentlich eben noch von dir gewollt?“      „Ich weiß auch nicht so recht …“, setzte Luciana an. „Wir haben einen Tee getrunken, das heißt, ich habe einen getrunken und er –„      „Ihr habt was?“, fiel Ronald ihr ins Wort. „Der hat sie bestimmt vergiftet, da wett ich drauf!“ Auf diese Vermutung hin schaute er sich sehr genau ihre Augen an und erkundigte sich nach Schwindel oder Schmerzen jeglicher Art.      „Nein … nein, es war ganz gewöhnlicher Tee“, versuchte sie den Weasleyjungen zu beruhigen – gänzlich überzeugt schien er jedoch nicht zu sein und auch Granger und Potter vermuteten offenbar irgendeine Art von Verschwörung hinter dieser, doch sehr simplen Sache.      „Potter, was genau ist das eigentlich für ein Zauberspruch gewesen, den Snape da während dieser Okklu-dings auf dich wirkt?“, fragte Luciana.      „Er heißt Legilimens und … eh, Snape behauptet, man kann es so nicht sagen, aber ich finde es hört sich ziemlich nach Gedankenlesen an“, antwortete Potter und hörte sich dabei ein wenig verbittert an.      „Soll das heißen, er liest deine Gedanken? Also was du in dem Moment denkst, selbst über ihn?“      Potter schüttelte den Kopf.      „Nein, ganz so läuft es nicht ab. Es ist mehr als … würde er sich meine Erinnerungen ansehen, als habe er Zugriff auf jeden noch so kleinsten Moment in meinem Leben.“ Ja, jetzt hörte er sich wirklich bitter an. Luciana hatte in diesem Augenblick allerdings andere Sorgen – wenn dieses Legilimens bei ihm Erinnerungen abrief, wieso war ihr nichts in den Sinn gekommen? Und hatte Snape selbst nicht gefragt, ob sie etwas gesehen habe? Irgendwelche Bilder oder Ähnliches?      „Na ja, vielleicht hat es bei mir nicht wirklich gewirkt, weil er dich treffen wollte, oder er hat mich aus dem falschen Winkel erwischt …“, murmelte sie darauf, mehr zu sich selbst.      „Das wäre schon seltsam, bei Snapes Reaktion.“      Luciana schaute Harry fragend an.      „Er hat irgendwas geflüstert und … er hat sogar geschrien.“ Luciana zog ihre Brauen zusammen. War Potter jetzt vollends übergeschnappt? „Und dann, als der Zauber schon abgebrochen war, hat er eine ganze Weile da gestanden und sich überhaupt nicht bewegt, das war echt unheimlich – vor allem wie er gestarrt hat.“      Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hakte sie nicht weiter nach. Der Gedanke, was Snape von ihr halten würde, wenn er wüsste, wie sie sich mit Potter und seinen Freunden über ihn ausließ, hielt sie davon ab – auch wenn ein kleines Stimmchen in ihrem Kopf wetterte, dass sie dies überhaupt nicht stören sollte.      Eine Weile saßen die vier in schweigsamer Runde, bis Granger sich zu Potter beugte und ihm etwas ins Ohr flüsterte – Luciana konnte sich eben noch beherrschen nicht mit den Augen zu rollen … diese Geheimnistuerei dieses Trios konnte mit der Zeit wirklich nervtötend sein. Das Getuschel ging noch ein paar Sätze weiter, bis Potter nickte und sich Luciana zu wand.      „Luciana, was hältst du eigentlich von Umbridges Unterricht?“, fragte er in einem gespielt beiläufigen Tonfall.      „Ich würd’s dir bildhaft demonstrieren, ich seh grad nur keinen Eimer hier“, antwortete sie. Potter grinste.      „Was hältst du davon, Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu lernen? Wirklich zu praktizieren“, meinte Granger und setzte ein verschwörerisches Lächeln auf.   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   Bei diesem ‚Praktizieren‘ handelte es sich um die geheime Gruppierung, von der George und Fred bei dem letzten Hogsmeade Ausflug gesprochen hatten. Diese, mit dem vortrefflich passenden Namen ‚Dumbledores Armee‘, bestand aus über zwei Dutzend Schülern, die sich aus allen Häusern (ausgenommen Slytherin) zusammensetzten und auf eigene Faust Verteidigungszauber übten, die sie bei Umbridge nicht lernen, beziehungsweise wirklich zaubern durften. Und Potter war sozusagen ihr Lehrer. Und wie auch immer sie diesen Ort gefunden hatten, Dumbledores Armee, oder auch kurz die ‚DA‘, hatte einen Raum ausfindig machen können, der im Prinzip gar nicht dauerhaft existent war. Im siebten Stock, gegenüber des Wandteppichs von Barnabas dem Bekloppten, musste man dreimal auf und abgehen und sich dabei vorstellen, was man genau gerade benötigte – nun ja, dies hatte einmal dazu geführt, als Luciana eines Tages in ziemliche Zeitnot durch Ordenstreffen, Tränkeaufsatz und Übungen für Zauberkunst gekommen war, dass sie einen Raum voller Zigarettenautomaten und Aschenbecher in jeder erdenklichen Farbe, Form und Größe vorgefunden hatte (selbstredend hatte sie dort ein kurze Pause eingelegt, bis sie wieder hinausgetreten war, um zu der DA Stunde zuzustoßen).       Die Treffen fanden mehr oder weniger unregelmäßig statt, da sich ständig irgendwelche Quidditchtrainingsstunden, Hausaufgaben oder sonstige Gruppierungen dazwischen drängten (was zum Henker war ein ‚Koboldsteinclub‘?) – für die genaue Terminfestlegung sorgte allerdings eine, zugegebenermaßen, sehr geniale Erfindung von Granger. Eine verzauberte Galleone, die heiß wurde und auf deren Rand dann Datum und Zeitpunkt des Treffens erschien, wo normalerweise die Prägung der Münze sein sollte.      Luciana war in den letzten Wochen oftmals versucht gewesen, diese Idee auch vor dem Orden des Phönix auszubreiten, nur um endlich diesen verdammten Gürtel loszuwerden (mittlerweile war sie dazu übergangen, diesen festgebunden um ihren rechten Oberschenkel zu tragen – allerdings hatte dies im Mädchenwaschsaal für unangenehmes Aufsehen gesorgt, als sie vergessen hatte ihn zum Duschen abzunehmen).        Und so raste der Januar dahin und kaum, dass sie sich versah, saß sie Mitte Februar, beim zweiten Hogsmeade Ausflug in diesem Schuljahr, mit George, Fred und Jordan im Drei Besen, vor ihr eine halb ausgetrunkene Flasche Butterbier und um sie herum eine nicht enden wollende Anzahl von losen Zetteln und Pergamenten.      „ … nein, noch einmal … ihr müsst auf jedes einzelne eurer Produkte ein Patent anmelden, selbst in der Zaubererwelt, da kommt ihr nicht drum rum – die Kosten dafür richten sich nach Kategorie des Objekts und die Laufdauer des Patents. Und vergesst nicht, ihr müsst alle verwendeten Rohstoffe, Materialen und Zauber dabei offen darlegen – ansonsten dürft ihr eure Produkte nicht legal verkaufen, so ist das nun mal.“      Seit geschlagenen drei Stunden kaute Luciana den Zwillingen und deren Muse (als etwas anderes konnte sie Jordan momentan nicht bezeichnen) die rechtlichen Grundlagen eines wirtschaftlichen Unternehmens vor – dafür hatte sie sich extra Unterlagen aus Deutschland zukommen lassen. Auch wenn George und Fred recht diskussionsfreudig schienen und ernsthaft mit ihr den Schwachsinn einiger Gesetzgebungen besprachen („Jungs, ich hab den Scheiß doch nicht aufgesetzt!“), sie schienen ihre Sache sehr ernst zu nehmen. Für ihre Verhältnisse hielten sie sich mit den Scherzen und Faxen zurück, waren hoch konzentriert und notierten sich die wichtigsten Punkte auf ihren Notizblöcken.      „Sagt mal“, Luciana schaute nach links und deutete auf einen Tisch, der zwei von ihren entfernt lag, „was ist das überhaupt für eine komische Person da bei Potter, Granger, Ronald und Lovegood?“ Damit wies sie auf eine blondierte Mittfünfzigerin, die anscheinend ab ihrem dreißigsten Lebensjahr jeden weiteren Geburtstag schlicht und ergreifend ignoriert hatte. Ihr ganzes Erscheinungsbild schrie nach ‚verzweifelt‘, von ihrer Tonnen-Haarspraylockenpracht bis hin zu ihren bunt kreischend lackierten Fingernägeln, die derart lang und penetrant zu sein schienen, dass sie Luciana selbst über diese Entfernung ins Auge sprangen – ja, und dann war da noch diese geschmacksfreie, mit billigen Juwelenimitaten besetzte Brille (mal ehrlich, dieses Funkeln konnte nicht von echten Steinen kommen).      „Oh …“, machte George und stupste seinen Bruder an, der noch ganz vertieft in seine Unterlagen zu sein schien. „Schau mal da, ist das nicht die Kimmkorn?“      Bei diesem Namen riss Fred seinen Kopf hoch und suchte nach der genannten Person.      „Tatsache … was macht die denn da? Die wird Harry doch nicht schon wieder ein Interview aufzwingen?“ In Georges Stimme meinte sie ein klein wenig Panik herausgehört zu haben.      „Also ist das eine Reporterin?“, hakte Luciana noch einmal nach, fast schon ein wenig genervt, mal wieder die Unwissende sein zu müssen.      „Ja, man, die schreibt für den Tagespropheten!“, meldete sich nun Jordan zu Wort. „Hat schon den größten Bockmist verzapft, meinem Onkel hat sie mal ne Affäre mit seinem Hauself angedichtet, glaubst gar nicht, wie das seinem Ruf geschadet hat, selbst als sie es zurücknehmen musste.“      „Die Frage ist nur, was macht Luna bei der?“, fragte George. „Ist ihr Vater nicht der Herausgeber des Klitterers?“      „Was zum Teufel ist ein Klitterer?“      „Miss Bradley.“ Wie bitte was? Hatte sich dieser vermaledeite Kerl mittlerweile schon so sehr in ihrem Unterbewusstsein durchgefressen, dass sie seine Stimme nicht nur schon fast regelmäßig vor dem Einschlafen zu hören bekam, sondern jetzt auch noch mitten am helllichten Tag? Ehm nein, so wie die drei Jungs mit fassungslosem oder entsetztem Blick einen bestimmten Punkt hinter ihrem Rücken fixierten, schien die Stimme wohl zu einer realen Person zu gehören. Dies bestätigte sich, als sie sich auf ihrem Platz umdrehte und direkt vor ihrer Nase eine Reihe schwarzer Knöpfe auftauchte. Ziemlich nah vor ihrer Nase, um genau zu sein und der Blick nach oben gewährte ihr den besten Ausblick auf die gigantischen Nasenlöcher ihres Tränkeprofessors.       „Ich war’s nich!“, schnappte Luciana sofort und erntete sogleich eine gehobene Augenbraue. Reflexartige Aussagen konnten etwas wirklich lästiges sein. Ohne sich die Mühe einer Erklärung zu machen, ruckte sein Kopf Richtung Ausgang und auch wenn sie die Hoffnung hatte, dass es sich bei seinem Anliegen um Ordensangelegenheiten handelte, war sie sich nicht ganz sicher.      Sie verabschiedete sich mit einem Wink von den Jungs, folgte Snape zum Ausgang, nahm ihren Mantel vom Haken neben der Tür und sah dabei, dass sie beobachtet wurden. Diese Reporterin, Kimmkorn, wenn sie den Namen richtig verstanden hatte (und dies nicht nur ein Spitzname der Zwillinge für eine Charaktereigenschaft gewesen war), ließ keine Bewegung von Snape oder ihr außer Augen – und Luciana war sich sicher, sie wäre ihnen gefolgt, hätte Potter nicht so kontinuierlich auf sie eingeredet.      Snape und sie stapften einen Moment später durch die wenig gefüllte Hauptstraße von Hogsmeade. Regen prasselte auf sie hinab, der durch die frühe Jahreszeit einen eiskalten Film auf ihrer Haut hinterließ und schnell durch die mehreren Lagen Kleidung drang. Ihr Professor legte, wie üblich, ein kaum menschliches Tempo an den Tag und nicht einmal der Regen konnte verhindern, dass sein Umhang hinter ihm herflog (vielleicht hatte er diesen sogar mit einem Zauber belegt, damit seine Abgänge imposanter wirkten? Zu ihm passen würde es auf jeden Fall).      „Sööör?“, schnappte Luciana und versuchte Snape im Laufschritt einzuholen. „Was wollten Sie noch gleich von mir?“      „Welchen Grund sollte ich Ihrer Meinung nach haben, bei diesem herrlichen Wetter bis nach Hogsmeade zu laufen und meine Zeit damit zu verschwenden, Sie aus einem Pulk Schüler herauszufischen?“, schnappte Snape darauf und würdigte sie dabei keines Blickes, griff sich ihren Arm (…aber nein … selbstverständlich hatte er sich keine neue Stelle für sein Herumgezerre gesucht …) und zog sie in die nächste, menschenleere Seitenstraße.      „Aber … mein Gürtel hat sich gar nicht gemeldet.“      Snape war stehen geblieben und beäugte nun mit skeptischem Blick, wie Luciana erst ihren Mantel und dann ihren Schulrock hochkrempelte, unter dem der Gürtel erschien, am obersten Teil ihres Oberschenkels angebracht.      „Ist das dumme Ding kaputt oder was?“ Luciana nestelte an der Gürtelschnalle herum, konnte aber keine Bruchstelle oder sonstige Hinweise finden, die erklären würden, wieso sich dieses Ding nicht zusammengezogen hatte.      „Der Direktor wusste, dass Sie in Hogsmeade sind, deshalb hat er es als nicht sinnvoll erachtet, Ihnen einen Patronus zu schicken und dafür mich beauftragt, Sie zu holen.“      „Oh“, entkam es ihr, etwas peinlich berührt und sie richtete hastig ihre Kleidung.      „Interessanter Ort, um einen Gürtel zu tragen, Miss Bradley – Ist das so üblich, wo Sie aufgewachsen sind?“ Und mit dieser, wohl eher als fiesen Spruch gedachten Frage, zog sich ihr Magen zusammen, Snapes Gesicht verschwamm vor ihren Augen und ja – dies waren die klaren Anzeichen dafür, dass er mal wieder, ohne ein Wort der Vorwarnung, mit ihr appariert war.   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   Jetzt war es offiziell – Gabriel hatte, ohne diese Nachricht vorher an Luciana weiterzuleiten, direkt nach seinem letzten Besuch in Askaban, Dumbledore davon unterrichtet, dass die Dementoren ihre Posten im und um die Gefängnisfestung aufgegeben hatten, um sich dem Schwarzen Führer anzuschließen. Laut Snape verfolgte dieser dazu noch den Plan, die Dementoren ‚brüten‘ zu lassen, was nichts anderes bedeutete, als eine unkontrollierte Vermehrung dieser äußerst scheußlichen Zwitterwesen. Dies sollte zwar erst im Sommer der Fall sein, da die aktuelle Jahreszeit nicht mit der Brutperiode übereinstimmte, aber selbst die paar Monate Puffer waren kein wirklicher Lichtblick. Während sich der Orden hauptsächlich mit dem Thema ‚Prophezeiungswache‘ und aussichtslosen Verhandlungen mit Kobolden oder Riesen herumschlug, stellte Voldemort einen, doch recht strukturierten Plan mit vielversprechenden Zukunftsaussichten auf – aber ohne die Unterstützung des Ministeriums musste selbst Luciana einsehen, dass sie derzeit nicht mehr tun konnten.      Am nächsten Montag, beim Frühstück, fand sie zumindest heraus, wieso Potter, Granger und Luna ‚Loony‘ Lovegood (ein weiteres Mitglied der DA, eine äußerst seltsame Ravenclaw Schülerin mit ein paar zu vielen Sprüngen in der Schüssel) mit einer Reporterin in den Drei Besen gewesen waren.      Sie war mit den Zwillingen in ein weiteres Gespräch über deren Vermarktungsstrategien verstrickt, als der Gryffindortisch von dutzenden Eulen belagert wurde, die offenbar alle dasselbe Ziel hatten: Harry Potter. Und nach ein paar weiteren Minuten, in der eine Illustrierte durch die Reihen gereicht wurde, war sie selbst an der Reihe, beziehungsweise sie, die Zwillinge und Jordan, die alle zusammen, die Köpfe aneinandergesteckt, die Märzausgabe eines Magazins namens ‚Klitterer‘ betrachteten – Potter war auf der Titelseite abgebildet, mit einem etwas unsicheren Grinsen auf dem Gesicht und mit der Überschrift:   HARRY POTTER PACKT ENDLICH AUS: DIE WAHRHEIT ÜBER IHN, DESSEN NAME NICHT GENANNT WERDEN DARF, UND DIE NACHT, IN DER ICH IHN ZURÜCKKOMMEN SAH   Mh, keine schriftstellerische Glanzleistung, trotzdem nicht ganz so platt, wie bekannte Tagesblätter vom Springerverlag. Mit dieser Ausgabe erreichten auch Massen von Leserschreiben ihren Hauskammeraden und nicht einmal die Hälfte von ihnen fiel positiv aus. Die meisten ließen sich lang und breit darüber aus, wie verrückt und geistig umnachtet Potter doch sein müsste, um so eine blühende Phantasie fabrizieren zu können. Luciana selbst hatte sich dem Treiben ihrer Sitznachbarn angeschlossen und war nun dabei, ein Schreiben dieser Sorte zu öffnen.      „Aha …“, ließ Luciana vernehmen. „Ein Zauberer aus Liverpool, will anonym bleiben … ah, ich seh schon warum … ‚… habe mir dieses Schundblatt selbstverständlich nicht selbst gekauft … blabla, …lag einfach so auf der Straße, gleich neben meiner Stammkneipe … ja ne is klar, blabla, … der Tagesprophet hat Sie meines Erachtens nach noch viel zu sanft angefasst … sollten ins St.Mungo zwangseingewiesen werden … blabla … verrückt, völlig übergeschnappt, größenwahnsinnig, bizarr, spinnert … und so weiter und sofort … sollten die Lehrpläne an der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei überdacht werden, wenn Sie offenkundig zu viel Freizeit haben, in der Sie sich so eine abstruse Geschichte ausdenken … blabla, war sicherlich nur eine makabre Methode, um Ihren Mord an dem armen Schüler Cedric Diggory zu verschleiern … wer ist Cedric Diggory?“, fragte Luciana, riss ihren Blick von dem Brief los und begegnete sehr vielen Augenpaaren, die ‚Bloß Mund halten!‘ schrien – und Potter sah aus, als hätte sie ihm ein kräftigen Tritt in die Kronjuwelen verpasst.  Platz da, alle aus dem Weg! Der Fettnapf gehört MIR!! … Hast du super gemacht … Luciana zerknüllte daraufhin das Pergament in ihrer Hand, warf es im hohen Bogen zur Seite und – NEIN! Das war Snapes Kaffeetasse gewesen – aber noch einmal Glück im Unglück gehabt, denn der Professor schien aus der Menschenmenge, die sich um Potter gebildet hatte, den Übeltäter nicht herausfiltern zu können.      „Was geht hier vor?“ Ah, Korrektur mit dem Glück: ES hatte sich in die Lücke zwischen Fred und Luna gequetscht und beäugte mit sehr großem Interesse das Schlachtfeld aus Briefen und Eulen, welches sich auf dem Frühstückstisch ausgebreitet hatte.      „Warum haben Sie all diese Briefe bekommen, Mr Potter?“, fragte ES, in einem gefährlich klingenden Tonfall. Luciana reckte ihren Hals, konnte ihre Hauslehrerin nirgends ausmachen … verdammt, wo war McG nur, wenn man sie mal wirklich brauchte?      „Ist das jetzt schon ein Verbrechen?“, schnappte Fred laut und irgendwie rebellisch. „Post zu kriegen?“ Dafür kassierte er einen leichten Stoß mit Lucianas Ellenbogen – die Lage war auch ohne Widerworte aussichtslos genug.      „Seien Sie vorsichtig, Mr Weasley, oder ich muss Sie nachsitzen lassen“, erwiderte ES trocken (ja, und mit der riesen Auswahl an Folterinstrumenten, die ES mittlerweile besitzen musste, war dies sicher ein klein wenig gesundheitsgefährdend). „Nun, Mr Potter?“      Luciana konnte es hinter Potters Stirn arbeiten sehen, er schien sich seine Antwort genau zu überlegen – aber er kam anscheinend zu dem Schluss, der auch ihr in den Sinn kam – ES würde es früher oder später sowieso herausbekommen.      „Leute haben mir geschrieben, weil ich ein Interview gegeben habe. Über das, was mir letztes Jahr passiert ist.“ Auch Potter schaute sich dabei hilfesuchend zum Lehrertisch um.      „Ein Interview?“ Oha, ES Stimme fiel dabei ein paar Oktaven höher aus. „Was soll das heißen?“      Ehm, Frage, dann Antwort?      Ein Blick auf Freds Armbanduhr verriet ihr, dass in zehn Minuten der Unterricht beginnen würde – und Luciana brauchte diese Konversation zwischen Potter und ES nicht weiter verfolgen, um herauszubekommen, wie sie enden würde. Also erhob sie sich, so unauffällig wie irgend möglich, duckte sich zwischen den Zwillingen hindurch und beeilte sich den zweiten Stock zu erreichen.      Und tatsächlich – es war nicht einmal Zeit für das Mittagessen und schon war halb Hogwarts in große Plakate eingekleistert worden, die ES nächsten Ausbildungserlass verkündigten:   PER ANORDNUNG DER GROSSINQUISITORIN VON HOGWARTS   Alle Schüler, bei denen das Magazin ‚Der Klitterer‘ gefunden wird, werden der Schule verwiesen.   Obige Anordnung entspricht dem Ausbildungserlass Nummer siebenundzwanzig.   Unterzeichnet: Dolores Jane Umbridge, Großinquisitorin   Und wie es sich mit Verboten verhielt – was man nicht haben konnte oder sollte, das besorgte man sich unter Garantie. So geschah es, dass Lucianas Mitschüler in den nächsten paar Tagen ein unglaubliches, kriminelles Potential an den Tag legten, einen gut organisierten Schwarzmarkt für die Ware Klitterer eröffneten und bei Versteckmöglichkeiten für diesen ungeahnte, magische Glanzleistungen vollbrachten.      Dabei war dieses Interview, Lucianas Meinung nach, gar nicht so spektakulär – im letzten Schuljahr hatte es ein Turnier zwischen Hogwarts und zwei weiteren Zauberschulen gegeben, bei dem Potter und ein Hufflepuff Schüler namens Diggory in der letzten Aufgabe, dem Durchqueren eines Zauberlabyrinths, via Portschlüssel (ein beliebiger Gegenstand, der so verzaubert war, dass er einen an jeden Ort bringen konnte, wie man es vorher bestimmt hatte) auf einem Friedhof gelandet waren. Dort hatten ihn ein Diener von Voldemort und dieser selbst (in äußerst kläglichem, körperlichen Zustand) erwartet, dann Diggory, der offenbar nicht zu diesem Arrangement gehören sollte, den Todesfluch verpasst, ja und darauf hatte es ein schwarzmagisches Ritual gegeben, Voldemort hatte damit seinen vollständigen Körper wiedererlangt, Potter konnte entkommen, ja, und das war es auch schon.      ES streifte somit in den Pausen, oder nach dem Unterricht, auf den Gängen herum, verlangte von einer Vielzahl Schüler ihre Taschen zu leeren und fand durch Verschleierungszauber und die unterschiedlichsten Versteckmöglichkeiten keine einzige Ausgabe des Klitterers, nicht einmal bei Luna, der Tochter des Herausgebers. Dies musste ES derart verstimmt haben, dass sie am Ende der Woche mit großem Trara (welches Luciana zu ihrem Bedauern leider nicht persönlich mitbekommen hatte, da sie zu diesem Zeitpunkt einen Megaaufsatz für Kräuterkunde geschrieben hatte) Trelawney von ihrem Posten enthoben hatte. Das hieß, eigentlich hatte sie wohl angedacht, diese gänzlich aus dem Schloss zu verbannen, nur hatte ihr, laut den Zwillingen, der Schulleiter höchstpersönlich einen Strich durch die Rechnung gemacht.           Und so fand sich Luciana, zwei Tage nach diesem Geschehen, in einem Klassenraum im Erdgeschoss wieder – wobei sie nach dem Betreten des Klassenraums eher das Gefühl hatte, durch ein Portal direkt in den Verbotenen Wald spaziert zu sein. Der Boden war über und über mit Moos bezogen, Bäume sprossen daraus hervor und ihre, mit Blättern bewucherten Äste reichten bis hoch oben an die Decke.      Dumbledore hatte einen neuen Lehrer für das Lehrfach Wahrsagen gefunden und dieser entpuppte sich als ein waschechter Zentaur. Und dazu noch ein verdammt gutaussehendes, halb Mensch, halb Pferd Wesen - nicht, dass sie seit Myrtes ausführlicher Schilderung von dem primären Geschlechtsorgan ihres Tränkeprofessors („…aber unten herum war ich wiiirklich beeindruckt, hätte ich ihm gar nicht zugetraut, so einen laaangen und unglaublich –„ „MYRTE!!“) nicht schon ausreichend abgelenkt gewesen wäre (es war eine Sache, Snape in Unterhose im Kopf zu haben, jedoch eine ganz andere, wenn man sich auch noch das letzte bisschen Stoff wegdachte und verborgen Gehörtes detailgenau dazu dichtete – ja, aus irgendeinem Grund hatte Snape in der letzten Unterrichtsstunde ein Glas Molchaugen fallen gelassen, als sich dieses Bild in ihr Gedächtnis geschlichen und er mal wieder im falschen Moment ein wenig zu tief in ihre Augen geblickt hatte). Nein, jetzt hatte Luciana zu allem Überfluss einen Wahrsagelehrer am Hals, der nicht mal den Gedanken daran verschwendete, sein Ding vor aller Öffentlichkeit zu verbergen! Denn inmitten dieses Vorzeige-Wohnzimmers eines Schöner-Wohnen-für-Greenpeacefanatiker-Kataloges stand er: Firenze – ein über und über mit Muskeln bepackter, nackter Oberkörper (das war mal ein Six-Pack …), langes, leicht gewelltes, blondes Haar, dazu ein aufmerksames, kantiges und unglaublich männliches Gesicht, ja und diese hellscheinenden Seen von blauen Augen – sein Oberkörper ging am Rumpf in den eines Pferdes mit Gold schimmernden Fell über, welcher mit fast schon silbernem Schweif endete.      Luciana stand mit halb geöffneten Mund und etwas zu viel Speichelfluss ein paar Schritte vor diesem Anblick und bekam von ihrer inneren ‚Miss-Vernünftig‘ einen sehr harten, imaginären Schlag auf den Hinterkopf, als ihr die Worte ‚Suche Mann mit Pferdeschwanz, Frisur egal‘ durch den Kopf gingen. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis sie dem Beispiel ihrer Mitschüler folgen konnte und sich ebenfalls auf dem Waldboden niederließ. Sie hatte keinerlei Ahnung, wie sie die Prüfung in Wahrsagen bestehen konnte, wenn man ihr so ein Prachtexemplar eines Mannes vor die Nase setzte. Ist das eigentlich Sodomie, wenn man mit einem Zentaur – RUMS, da war die nächste Backpfeife in Gedanken. Na das konnte ja heiter werden.      Am Ende tat Luciana es ihren Klassenkammeraden gleich, legte sich auf das weiche Moos (was zu ihrem Erstaunen nicht einmal nass oder auch nur feucht zu sein schien), verschränkte die Arme hinter ihrem Kopf und starrte zu der verzauberten Decke hoch, welche ein exaktes Abbild des Sternenhimmels aufzeigte. Laut Firenze hatte Dumbledore diesen Klassenraum so her gerichtet, um ihm seine neue Umgebung etwas heimischer zu gestalten.      Was genau der Zentaur in der nächsten Stunde über Weissagungen seiner Art und Sternenkonstellationen von sich gab, kam bei ihr nicht mehr wirklich an. Der schwarze Himmel und die hellleuchtenden Punkte darauf, hatten Luciana schon beinahe in einen schlafenden Zustand mit starr geöffneten Augen versetzt und vor allem dieser, mehr rötlich schimmernde Stern, hatte es ihr besonders angetan – es war, als würde sie ihren eigenen Körper nicht mehr spüren können, die Personen um sie herum verschwanden, der rote Punkt verdrängte die Schwärze, Stimmen drangen in ihr Bewusstsein, welche ihr bekannt erschienen, aber sich nicht zuordnen ließen: ‚Was … hast du getan?‘ - ‚Sprich mit mir, ich flehe dich an‘ – ‚Wo ist sie?‘ – ‚Sprich mit mir‘ – ‚Wo ist das Mädchen?!‘ – ‚Feuer‘ – ‚Sprich, bitte‘ – ‚Danke, Pastor‘ – ‚Nur du und ich, hier ist kein‘ – ‚Sprich‘      „Luciana?“      Mit einem Satz war sie wieder auf dem Waldboden des Klassenraums angelangt, über ihr stand Longbottom gebeugt, seine Hand umfasste Lucianas Arm und rüttelte leicht daran.      „Die Stunde ist vorbei!“, sagte er und schaute sie dabei mit leicht besorgter Miene an.      „Oh – ehm, ja, ich muss … wohl eingeschlafen sein“, meinte sie prompt und rappelte sich vom Boden auf.      „Deine Augen waren geöffnet!“, erwiderte Longbottom, als sie gemeinsam in die Eingangshalle zum Mittagessen liefen.      „Hör mal, du bekommst mittlerweile echt gute Schildzauber hin, hab ich dir das eigentlich schon mal gesagt?“ Longbottom stieg auf den Themenwechsel zu der DA ein – ganz im Sinne von ihr, denn sie musste sich erst einmal selbst darüber im Klaren werden, was sie in Firenzes Unterricht zu hören bekommen hatte.   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*   Aber selbst in den nächsten Monaten ließ die Erleuchtung über dieses Ereignis vergeblich auf sich warten und schon bald dachte Luciana kaum noch daran. Je näher sie den ZAG Prüfungen kamen, desto mehr Arbeit überfiel sie – die Ordenstreffen wurden zwar weniger, da es um Voldemort herum fast schon beunruhigend still wurde (selbst Snape konnte sich kaum noch mit Berichten von Todessertreffen in Szene setzen, da diese gerade mal alle paar Wochen stattfanden), aber das Lernen und die DA beanspruchten so gut wie jede freie Minute, die sie nicht im Unterricht oder mit Schlafen verbrachte. Und so flog der März dahin und wich einem sehr stürmischen April.      Bei dem letztem DA Treffen vor den Osterferien, lief Luciana zusammen mit Potter durch die Reihen der Schüler und verteilte Tipps für den Patronuszauber (normalerweise übte sie wie jedes andere Mitglied auch, nur bei dem Patronus hatte Potter sie um ein wenig Unterstützung gebeten, da sie die einzigen Schüler in der Gruppe waren, die diesen beherrschten). Der langgezogene Raum, der wie üblich mit Kissen und Attrappen zum Verteidigungszauber üben ausgestattet war, war an diesem Abend erfüllt von silbernen Schlieren oder gar gestaltlichen Patroni – aber da es sich bei diesem Zauber um fortgeschrittene Magie handelte, hatten einige der Mitglieder Probleme bei der Ausführung. Vor allem Longbottom mühte sich mit Schweißperlen auf der Stirn und verbissenem Gesicht wie ein Besessener ab.      „Longbottom, wenn du versuchst es zu erzwingen, kannst du es gar nicht schaffen!“, sagte Luciana, als sie vor ihm stand. „Du musst dich entspannen und an etwas wirklich Schönes denken.“      „Das versuch ich ja!“, antwortete er. „Aber welche Art von glücklicher Erinnerung?“      Sie zuckte mit den Schultern.      „Naja, ich denke meist an Sex, aber das klappt auch nur bei mir persönlich“, meinte Luciana und stellte sich neben ihn. Erst lockerte sie seinen klammernden Griff um seinen Zauberstab und sagte dann: „Schau mal, es muss nicht einmal eine reale Erinnerung sein. Denke einfach an etwas, was dich wirklich glücklich machen würde und dann klappt es bestimmt.“      Ob dieser Vorschlag auf fruchtbaren Boden gestoßen wäre, würde sie bei diesem Treffen nicht mehr herausfinden können. Denn just in diesem Moment sah sie einen Hauself aus ihrem Augenwinkel (ein wesentlich jüngeres Exemplar als das, was sie aus dem Grimmauldplatz kannte), der, als sie genauer hinschaute, mit Potter redete und das Gesprochene bei diesem einen immer panischer werdenden Ausdruck auf dem Gesicht hinterließ.      „Wart mal nen Moment, ich glaub da ist was nicht in Ordnung“, murmelte sie Longbottom zu und bewegte sich Richtung Potter.      „Umbridge?“, hörte sie Potter den Elfen fragen und dieser nickte. „Was ist mir ihr? Dobby – sie hat doch nicht herausgefunden – dass wir – die DA?“ Dobby schien ein bestätigendes Gesicht zu machen, denn Potter fragte darauf: „Ist sie auf dem Weg hierher?“      Luciana hatte keine Ahnung, wieso der kleine Hauself daraufhin stampfend auf dem Boden trat, aber seine Antwort, die aus einem „Ja, Harry Potter, ja!“ bestand, ließ ihren Magen gefühlt bis in die Knie rutschen. Potter richtete sich nun auf, schaute in die Runde, brüllte mit einem Mal „WORAUF WARTET IHR NOCH, LAUFT!“ und das ließ sich niemand zweimal sagen.      Selbstverständlich geschah ein paar Sekunden später das, was bei jeder Massenpanik entstand – eine Menschentraube, Geschubse und Gedränge. Durch ihre äußerst ungünstige Position, in der sie sich befand, nämlich am andern Ende des Raumes, war sie eine der Letzten, die sich durch den Ausgang gequetscht hatten. Kaum war sie auf den Gang getreten, bogen auch schon ein in Pink getauchter Plüschball, eskortiert von Malfoy Junior und Gefolgsleuten um die Ecke, keine drei Meter von ihr entfernt.      Fünf Zauberstäbe waren im nächsten Augenblick auf sie gerichtet – Luciana erstarrte in ihrer Bewegung, ihre Gedanken rasten. Dann hob sie in ergebener Geste beide Arme, trat der Gruppierung entgegen und tat darauf das Nächstbeste, was ihr in den Sinn kam: Sie zog, von ganz tief und weit unten, den größten Rotzbrocken ihres Daseins nach oben und spuckte ihn, kaum, dass ES mit zu einem Grinsen verzogenem Maul an sie herangetreten war, in deren Gesicht – nun, diese Aktion verschaffte ihr ein paar Schreckenssekunden und selbst wenn der regelmäßige Konsum von Filterzigaretten nicht zu ihrer Kondition beitrug, sprinten konnte sie. Genauer gesagt schlug sie einen Haken um ES, stieß Malfoy zur Seite und hechtete gerade eben um die Ecke in den nächsten Gang, als auch schon die ersten Flüche hinter ihr an der Mauer abprallten.      Luciana hielt erst an, als sie schon die Tür zum Klo des zweiten Stockwerks aufgestoßen hatte. Erschöpft und vollkommen außer Atem trat sie an ein Waschbecken heran, öffnete den Wasserhahn und spritze sich das kühle Nass ins Gesicht.      „Myrte?“, brachte sie nach ein paar weiteren Sekunden hervor und hätte vor Schreck fast einen Herzklabaster bekommen, als diese direkt vor ihrer Nase auftauchte.      „Uuuuh, ist da jemand außer Aaaatem?“, quietschte diese vergnügt und ahmte Luciana mit Hechelgeräuschen nach.      „Weißt du noch, die Treffen für Verteidigung, die du mal beobachtet hattest, oben im siebten Stock?“, fragte Luciana mit ernster Miene – Myrte nickte und stoppte ihre schauspielerische Einlage. „Umbridge hat uns entdeckt und Potter war noch in dem Raum.“ Ja, jetzt schien sie die volle Aufmerksamkeit des Geistes zu haben. „Würdest du bitte nachschauen, wo er steckt und mir dann sagen, was passiert ist?“ Myrte nickte eifrig und war schon fast durch die nächste Wand verschwunden, „Myrte!“ Diese drehte sich noch einmal zu Luciana um. „Wenn sie versucht ihn umzubringen, dann wirst du sofort wieder herkommen und mir Bescheid geben, er wird eh nach seinem Tod kein Geist werden und selbst wenn, dann garantiert nicht bei dir wohnen wollen, verstanden?“   *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*        Myrte ließ lange auf sich warten. Auf der einen Seite konnte dies ein gutes Zeichen sein, dies konnte bedeuten, dass Potter nicht in unmittelbarer Lebensgefahr schwebte – auf der anderen konnte das auch genauso bedeuten, dass sie ihn nicht gefunden hatte oder sonst was. Immer wieder fragte sie sich, ob sie nicht gleich zu ihrer Hauslehrerin, oder sofort zu Dumbledore hätte gehen sollen – aber sie selbst war mit ihrer Rotzaktion nicht in der besten Position und sollte sich erst einmal nicht auf den Gängen sehen lassen. Wenn ES nicht eh schon eine Suchkommando für sie losgeschickt hatte. Dann, endlich, tauchte Myrte wieder auf – und dieser Ausdruck auf ihrem Gesicht gefiel Luciana überhaupt nicht: Der Geist schien äußerst glücklich.      „Oooooh, du wirst nicht glauben was passiert ist!“, kreischte sie entzückt, blieb einen Meter vor Lucianas Sitzplatz auf ihrem Sessel in der Luft schweben und war von nun an nicht mehr aufzuhalten, vor lauter Plappern. „Ich habe ihn im Schulleiterbüro gefunden und wie viele Leute da waren, einfach unglaublich, Professor McGonagall, der Zaubereiminister, zwei Auroren, einer der Weasley Jungen – mh – ich meine Percy war sein Name gewesen, war vor ein paar Jahren Schulsprecher hier, arbeitet jetzt für den Minister, ja, Umbridge natürlich und Dumbledore, hat sich die ganze Zeit über sehr seltsam verhalten, schien recht amüsiert über das alles zu sein und meine Güte, da war ja noch dieses Ravenclaw Mädchen und wie die aussah – überall Pickel, und was für welche, ihr ganzes Gesicht war so derart entstellt und …“      Im Großen und Ganzen musste Luciana sich eine komplette halbe Stunde mit dem Bericht von Myrte um die Ohren schlagen, weil diese es einfach nicht unterlassen konnte, jede noch so kleine Szenerie mit ‚Oh’s‘ und ‚Ah’s‘, oder mit Körpereinsatz darzustellen. Dabei konnte man das Geschehene in ein paar Sätzen einfach und schlicht zusammenfassen: Ein Mitglied der DA, dieses Ravenclaw Mädchen, war bei ES petzen gegangen, daraufhin hatte sich ihr Gesicht wie von Zauberhand entstellt (Luciana vermutete, dass es etwas mit der Unterschrift auf der Mitgliederliste zu tun hatte, die Granger erstellt und offenbar mit einem Anti-Petz Fluch versehen hatte) und forthin hatte diese vor Schreck keinen Ton mehr herausbekommen. Dumbledore hatte alle Anschuldigungen auf sich genommen und die Vermutungen des Zaubereiministers bestätigt, er hätte eine Armee aus Schülern rekrutiert, um an den Ministerposten heranzukommen – so hatte er Potter die Haut gerettet, aber nun kam der Knüller: Fudge hatte Dumbledore nach Askaban bringen wollen, dieser hatte sich selbstverständlich geweigert, alle Anwesenden, außer Potter und McGonagall, außer Gefecht gesetzt und war dann verschwunden. Was im Klartext hieß: Dumbledore war auf der Flucht, ES würde höchst wahrscheinlich seinen Posten der Schulleitung übernehmen und das bedeutete: Ausnahmezustand!      Da sich ihre Hauslehrerin zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch bei Potter aufhielt, oder sonst wo im Schloss herumwuselte, führte Lucianas Weg aus dem Klo der Myrte nicht zu ihrem Büro, sondern hinunter in die Kerker. Mittlerweile war es nach Sperrstunde, die Gänge lagen verlassen da, nur aus den oberen Stockwerken konnte sie beim Durchlaufen der Eingangshalle aufgeregte Stimmen vernehmen. Und nun hatte sie es bis zur Tür eines Ordensmitglieds geschafft und jetzt machte dieser Penner nicht auf! Auch nach einem halben Dutzend gescheiterten Versuchen hämmerte sie weiter auf die Tür ein (der Kerl musste einfach da sein, sie konnte genau das Licht durch den Schlitz am Boden sehen) – und tatsächlich, gerade, als sie dazu übergegangen war, ihre Stiefel zum Einlass Bitten einzusetzen, wurde die Tür vor ihrer Nase sehr schwungvoll aufgerissen.      Snape stand vor ihr, sein Haar tropfnass, bekleidet in schwarzer Hose und falsch geknöpften, weißem Hemd, mit äußerst mordrigem Ausdruck auf dem Gesicht (also nicht erst nachdem er registrierte, wer da vor seiner Tür Terrorlärm geschoben hatte) und ja, anscheinend hatte sie ihn gerade eben unter der Dusche weggeholt – oh, und er setzte gerade zum Sprechen an. Aber dafür unterbrach sie ihn einfach viel zu gerne.      „Umbridge hat die verbotene Schülergruppe für Verteidigung gegen die Dunklen Künste entdeckt, Dumbledore ist für Potter in die Bresche gesprungen, hat den Minister und eine Handvoll anderer Typen plus Umbridge ausgeknockt und ist jetzt auf der Flucht – ach ja, ich hab Miss Piggy ins Gesicht gespuckt, ich glaub sie lässt dafür eigens eine Eiserne Jungfrau einfliegen, um mich ausbluten zu lassen!“      Während dieses Monologs waren Snapes Augen größer und größer geworden und zog sie in sein Büro, da hatte sie den Satz noch nicht ganz beendet (ja, Oberarm, nein, sie biss nicht zu).      „Ich schicke einen Patronus, Sie bleiben hier stehen!“, schnappte er und rauschte durch die Tür hinter seinem Schreibtisch in sein Wohnzimmer. Es war keine Minute vergangen, als er auch schon wieder ins Büro hechtete, dieses Mal in voller, gewohnter Kleidungsmontur, mit trockenen, aber fettigen Haaren (wie zum Henker machte er das bloß, er war doch gerade eben Duschen gewesen?) sie wieder packte und mit einem Blick nach rechts und links in den Gang zog.      Auch wenn Luciana wieder einmal kein Wort der Erklärung von ihm zu hören bekam, sie konnte sich sehr gut denken, wohin ihr Ausflug gehen würde. Aber dann, als sie schwungvoll im Laufschritt um die nächste Ecke bogen, sahen sie sich mit dem kalten Grauen konfrontiert – ES stand, zusammen mit Shacklebolt, im Schein einer an der Wand befestigten Fackel und nur Snapes blitzschneller und geistesgegenwärtiger Reaktion war es zu verdanken gewesen, dass diese sie nicht sofort entdeckten.      Snape hatte eine Vollbremsung eingelegt, sich in einer kaum wahrnehmbaren Bewegung zu Luciana umgewandt, sie an den Schultern gepackt und sie in eine Nische zu ihrer Rechten befördert – die Worte, die er daraufhin murmelte, konnte sie nicht verstehen, aber als die Luft um sie herum zu surren und flimmern begann, schloss sie daraus, dass er einen Verschleierungszauber auf sie gewirkt hatte. Wenn diese allerdings in so kurzer Zeit gesprochen wurden, war ihre Haltbarkeit und Qualität nicht gerade zuverlässig, das wusste sie – genau wie die Reichweite zu wünschen übrig ließ. Und so kam es, dass sie dicht an der Wand gepresst, mit Professor Snape vor sich stand, der links und rechts neben ihrem Kopf seine Hände an der Wand abstützte, um so wohl noch einen letzten Zentimeter Abstand zwischen sich und seiner Schülerin zu gewährleisten.      Lucianas Herz schlug hart und schnell in ihrer Brust, sie versuchte ihren Atem zu beruhigen – nur half diese ungewohnte, körperliche Nähe zu ihrem Gegenüber wenig dabei, im Gegenteil – ein paar Haarsträhnen von Snape streiften ihr Gesicht, sein Atem berührte ihre Haut. Ihren Blick hatte sie starr vor sich auf seine Brust gerichtet, er fixierte irgendeinen Punkt über ihren Kopf, dann konnte sie Schritte hören, die genau in ihre Richtung kamen.      Snape schob sich darauf noch ein Stück näher an sie heran und ja, dies war dann wohl der letzte Zentimeter ordentlicher Privatsphäre gewesen – Meine Fresse, was riecht der gut – und schon wieder der imaginäre Schlag auf den Kopf.      Und – was machten die beiden denn jetzt? ES und Shacklebolt waren stehen geblieben und standen nun, keinen Meter von ihnen entfernt, im Gang. Lucianas Herz überschlug sich, vor lauter leise oder am besten gar nicht Atmen, war ihr schon ganz schwindelig – sie wollte sich gar nicht ausmalen, was geschehen würde, sollte ES sie jetzt entdecken, in dieser Position … Luciana hob zögerlich den Kopf, wobei Snape wohl ein ganz ähnlicher Gedanke gekommen war, denn er hatte seinen im selben Moment hinunter geneigt – seine Nasenspitze strich somit über ihre Stirn, ihre Blicke trafen sich und – ES und der Auror setzten sich wieder in Bewegung. Die Worte, die sie dabei sprachen, drangen lediglich verzerrt durch den Schutzschild, in welchen sie sich befanden. Ein paar weitere Sekunden der Stille, Snape hatte mittlerweile seinen Kopf in Richtung Gang geneigt, dann, als er die Luft wohl als sauber genug befand, machte er einen Satz nach hinten, ganz, als ob er gerade eben auf der Kante einer sehr tiefen Schlucht gestanden hätte.      Erst als sie schon viele Meter vom Schloss entfernt auf den Ländereien angekommen waren, sprach Snape sie wieder an.      „Und nun etwas ausführlicher – was genau ist an diesem Abend geschehen?“      Er blickte Luciana dabei nicht an und so gingen sie Seite an Seite in Richtung des Verbotenen Walds, während sie ihm die ganze Geschichte erzählte.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)