The Gravity of Life von Polarstern (Yami x Yugi?) ================================================================================ Kapitel 16: Pech im Spiel - Pech in der Liebe? ---------------------------------------------- Halloha!! Da bin ich wieder mit dem neuen Kapitel! XD" Inspirierende Musik beim Schreiben waren die Lilyjets mit „Going blind“... dabei ließ sich alles sehr schön verfassen... Ich nutze den Titel einfach mal, um an dieser Stelle eine Kollegin, bzw. auch eine Autorin zu grüßen. Ithiliana ^^ Deine Story ist wirklich sehr süß und ich freue mich schon, wenn’s weiter geht. ^^ Pech im Spiel – Pech in der Liebe? Der junge Mann erstarrt mitten in seiner Bewegung, als wäre er schlagartig in eine Schaufensterpuppe verwandelt worden, nur seine tiefen, rubinroten Augen reißen sich ungläubig auf. Erst scheint er einige Sekunden zu brauchen, um die Situation zu erfassen und sich wohl selbst davon zu überzeugen, dass er tatsächlich völlig wach ist. Nein Yami... Es ist die Realität. Ich bin tatsächlich zu dir geflüchtet. Das ich hätte bloß lassen sollen. Oh man, ist mir das unangenehm... dieser völlig fassungslose Blick nun... was er bloß denken muss... Mein Puls beschleunigt sich, mir wird richtig flau im Magen. Am liebsten würde ich nun meine Beine in die Hand nehmen und davon stürmen! Einfach alles rückgängig machen! Warum kann sich nicht jetzt einfach ein Loch im Erdboden auftun...? Die ganze Zeit habe ich ihn mir zwar als Gesellschaft gewünscht, wollte nichts mehr als seine Nähe und seinen Schutz! Doch jetzt... Ich muss ihm alles erklären!! „Oh Gott, Yugi!!“, entkommt es nach einer halben Ewigkeit seinen Lippen. Schon haben sich seine Beine in Bewegung gesetzt und er eilt die letzten Meter zu mir herüber. Ich schlucke, aber es ist unmöglich, dadurch den immer heftiger anschwellenden Kloß in meiner Kehle zu vertreiben. „Ja aber..?? Wie bist du herein gekommen?? Und –“,Und schon werde ich aus nächster Nähe von oben bis unten von seinen wachsamen Amethysten durchgemustert. „Was ist denn mit dir geschehen?!“ Seine Hände legen sich auf meine Schultern, drücken leicht zu. Sorge sticht aus seinen Augen hervor, nageln mich wie Pfeile an die nächstbeste Wand – lassen mir keinen anderen Ausweg als sagen zu müssen, was mir widerfahren sei. Ich schlucke noch einmal trocken, sehe ihm scheu in die Augen. Ein Bitten liegt darin, das Flehen nach Zuneigung und Verständnis. Was... was mache ich jetzt bloß? Es ist seine Wohnung – ich schulde ihm verdammt noch mal eine Erklärung! Das wäre nur höflich! Nachdem ich mich in der letzten Zeit so daneben benommen habe! Immerhin... war er sonst auch immer freundlich zu mir gewesen... verständnisvoll, hatte mir immer alles geglaubt... mir zugehört, hatte mir geholfen – und das nicht nur im blöden Fach Physik!! Genau dies hatte auch meine Gefühle zu ihm über all die Zeit nur bekräftigt... Yami war nicht wie irgendwer zu mir! Er schien mich immer so zu akzeptieren wie ich bin und schenkte mir Aufmerksamkeit... – er war einfach von Anfang anders, als sämtliche anderen Menschen, Yami war herausstechend! Mein Herz musste sich einfach angezogen fühlen! Und ich... ich bin seit Tagen dabei den einzigen Menschen, welcher mir wirklich alles bedeutet, von mir zu weisen! Jaa... tatsächlich... alles. Yami ist meine Welt. „Ich... ich... Mirai hat mich hinein gelassen! Ich stand vor der Haustür! Ich bin noch völlig verwirrt... ich...“ Und das ist nicht einmal gelogen. Wo soll ich bitte anfangen, ihm irgendetwas zu erzählen?? Soll ich mit der Tür ins Haus fallen und über Anzu berichten...? Oder doch lieber zuerst klarstellen, dass dieser brennende Schmerz an meiner Schläfe – ich habe bisher nicht einmal in den Spiegel gesehen und kann gar nicht beurteilen, welches Ausmaß diese Wunde haben muss – nicht von einer Schlägerei rührt, um ihn erstmal zu beruhigen?? „So? Mirai ist hier??“, wiederholt er verwundert, lässt daraufhin meine Schultern los. „Ich dachte, sie wäre auf einer Party und wieso –“, er lässt den Satz unvollendet in der Luft schweben, da ihm offenbar jetzt erst klar wird, dass er da von mir erst gar keine Antwort zu erwarten braucht. Ein tiefes Seufzen und ein kritischer, noch immer von Ungläubigkeit getränkter Blick folgen. Kein Wunder, er muss sich ja auch fühlen, als wäre er im falschen Film. „Ich suche dir trockene Sachen heraus. Du weißt ja, wo du das Bad findest?“ Badezimmer?? Mein Gegenüber muss auf der Uni ebenfalls sein Diplom im Gedankenlesen abgelegt haben, denn ein zartes Lächeln erscheint auf seinen Lippen. Dann hebt er seine linke Hand, welche ich im nächsten Augenblick auf meiner nasskalten Wange spüren kann. So schön warm... geschmeidig... Automatisch knickt mein Hals ein wenig ein und meine Wange schmiegt sich nähebedürftig an seine Innenflächen. „Du sollst dich natürlich duschen, Yugi. So durchnässt und unterkühlt erlaube ich dir nicht eine Minute länger, dich in meiner Wohnung aufzuhalten! Außerdem muss die Wunde so schnell wie möglich gereinigt werden.“ Er gibt mir einen leichten Schubs, so dass ich zwei Schritte nach hinten in den Türrahmen taumele. Irritiert und sprachlos, als hätte ich soeben einen Frosch verschluckt, starre ich Yami an. Er will, dass ich bei ihm dusche?? Er leiht mir trockene Sachen..? Ja aber... auch wenn ich mir von ihm Hilfe erhofft habe... ich will nicht so tief in seiner Schuld stehen! Vorsichtig und unsicher setze ich ein paar Schritte vorwärts, tapse Richtung Badezimmer. „Frische Handtücher findest du übrigens in der unteren Schranktür ganz links – Such dir einfach eins aus.“ Er nickt mir noch einmal auffordernd zu, ehe er an mir vorbeihuscht und auch bereits die Klinke der Küchentür in der Hand hält, hinter welcher schon die ganze Zeit gedämpfte, aber aufgebrachte Frauenstimmen hervorquellen. Und schon ist Herr Athem zu seiner Schwester und deren Freundin in die Küche verschwunden – hinter sich die Tür fest ins Schloss gezogen. Als hätte ich soeben einen Schlag vor den Kopf erhalten stehe ich überrumpelt im Flur herum. Irgendwie ging das gerade alles... verdammt schnell. Er hat sich tatsächlich richtige Sorgen um mich gemacht... das war ihm deutlich anzusehen!! Er war sofort bereit mir zu helfen... kein Zeichen von Wut oder Ärger. Tief atme ich durch, mache mich dann auf den Weg in besagten Raum und entledige mich langsam der eklig nassen und am Körper klebenden Klamotten. Die gute Wäsche... extra für Jous Geburtstag habe ich meine schönsten Sachen aus dem Kleiderschrank gesucht... Nein Yugi! Bloß nicht mehr dran denken! Lieber warm duschen... das beruhigt die Nerven... und wärmt mich hoffentlich nicht nur äußerlich wieder auf... Allerdings erinnert mich eine brennende Wunde an der Stirn noch immer hervorragend an die letzten Ereignisse dieses Abends. Wie sieht diese überhaupt aus? – Wie sehe ich aus...? Ein Blick in den großen Wandspiegel folgt. Oh man... Äußerst schlechte Idee. Ich sehe wirklich beschissen aus. Mein Gesicht total verdreckt, meine blonden Strähnen matschig – ich hätte mir hier unten vor der Haustür wohl nicht ständig durch die Haare fahren sollen – und dem ganzen setzt noch diese Schürfwunde da oben die Krone auf. Sie ist doch deutlich größer und blutiger, als ich geschätzt hatte. Als ich anschließend mit einem Handtuch umwickelt zögerlich die Badezimmertür wieder öffne, um Yami nach der angekündigten Kleidung zu fragen, entdecke ich auch bereits den kleinen Wäschehaufen auf dem Gang. Ein Glück bleibt mir die peinliche Nachfrage im halbnackten Zustand vor ihm erspart... Schnell greife ich zu und schließe auch direkt die Tür wieder ab – man weiß ja nie und ausgerechnet heute will ich mir irgendeinen unangenehmen Zwischenfall ersparen! Eine graue, für mich etwas längere Shorts, welche zum Glück Schnüre am Bund besitzt, so dass ich sie mir genau passend binden kann. Dazu ein bordeauxrotes T-Shirt, ebenfalls ein wenig zu breit – und ebenfalls zu lang. Prüfend betrachte ich mich im Spiegel, ehe ich noch schnell zum Föhn greife, welcher gut sichtbar in einer Ablage im Regal liegt und mir die Haare ein wenig antrockne um mir nicht doch noch eine Erkältung zu holen. Einigermaßen zufrieden verlasse ich das Bad wieder und schleiche auf leisen Sohlen zurück ins Wohnzimmer. Mir ist alles noch so verdammt unangenehm... Yami weiß nicht einmal, was überhaupt mit mir los ist – muss mich aber sozusagen bei sich aufnehmen und auch bewirten! Das schlechte Gewissen und das Gefühl, ein eingeschlichener Parasit zu sein, lassen sich einfach nicht verdrängen. Im Wohnzimmer treffe ich allerdings nur auf die beiden Frauen, die sich gerade ihr heutiges Schlaflager – die Couch – mit Kissen und Decken herrichten. „Mein Bruder wartet in der Küche!“, informiert man mich schnell. Ich nicke nur dankbar und wechsele unschlüssig, ob ich nicht doch lieber die Flucht ergreifen soll, den Raum. Yami steht am Fensterbrett, die Hände auf dieses gestützt und schaut hinaus – scheinbar mit den Gedanken nicht in diesem Zimmer, denn offenbar hört er meine Schritte nicht. Erst das klickende Geräusch, welches die Tür beim Schließen im Rahmen verursacht, lässt ihn aufschrecken. Doch er bleibt an Ort und Stelle stehen, hat den Oberkörper lediglich zu mir gewandt und betrachtet mich mit stechendem Blick. Das einfallende, helle Mondlicht betont die Konturen seiner Silhouette und verteilt ansonsten nur wenig Licht in dem nicht gerade kleinen Raum. Jetzt im Halbdunkeln erscheinen mir die Wände sogar noch größer und vor allem höher als sonst bei Tageslicht. Was ebenfalls dazu führt, dass ich mir noch eine Spur kleiner und verlorener vorkomme. Ich richte meinen Blick zu Boden, traue mich nicht, auch nur einen Ton von mir zu geben. Die Schuld ist zu erdrückend – die Stimmung zu bedrückend. Doch ich muss etwas sagen... Es liegt schließlich an mir, mit Yami zu reden! Schließlich... will ich doch auch Yami mein Herz ausschütten. Dazu... bin ich doch gekommen. Weil ich jemanden zum Reden brauche! Oder besser vorerst zum Zuhören. Ich habe den Gedanken nicht ertragen können, allein in meinem Zimmer zu hocken! Möglichst unbemerkt von Großvater, um irgendwelchen dummen Fragen aus dem Weg zu gehen... Ich wollte nicht den ganzen Abend heulen... und als wäre alles in meinem Leben nicht konfus genug, suche und verabscheue ich die Einsamkeit gerade gleichermaßen. „Ich...wollte mich entschuldigen.“ Höre ich mich irgendwann, nachdem wir uns eine ganze Weile bloß still angesehen hatten, selbst sagen. „Es tut mir aufrichtig Leid, dass ich hier so einfach auftauche... Sie so überfalle. Ich weiß, Sie müssen mich nun sicher für verrückt halten...Ich weiß selbst nicht, was in mich gefahren ist...“, mache ich den Anfang. Ich konnte nicht länger schweigen. Und noch immer habe ich Angst vor seiner Reaktion. Ich komme mir so wahnsinnig dumm und fehl am Platze vor. Yami sieht mich nur weiterhin an – seine Augen sanft und klar. Er scheint auf eine Fortsetzung meiner Rede zu warten. Na toll, da habe ich mir ja was eingebrockt... Unsicher und auf der Suche nach einem mentalen sowie körperlichen Halt, stolpere ich unbeholfen ein paar Schritte in seine Richtung. Ohne zu wissen, worauf ich warte und welche Reaktion ich überhaupt von ihm erhoffe, hebe ich meine Augen wieder schüchtern von den Fliesen auf. „Uhm... Ich... weiß selbst überhaupt gar nicht, was ich denn hier will... Ich...“ Wirre Gedanken schweben mir durch den Kopf, sämtliche Möglichkeiten in Form von Wahrheit, Ausrede oder einem Gemisch aus beidem ringen miteinander um die Vorherrschaft. Was sage ich bloß als nächstes...? Inwiefern kann ich etwas falsch machen...? Genau genommen könnte sogar jedes Wort zuviel oder zu wenig ein Fehler sein. „... musste einfach flüchten. Vor einem Ereignis flüchten... dem ich mich nicht gewachsen fühlte. Vielleicht kennen Sie das ja auch... irgendwie... Ach, was rede ich hier überhaupt! Ich will Sie damit doch gar nicht belasten!! Es ist nur... Ach... verdammte Scheiße!“ Die letzten Worte rutschen nur so heraus, ich achte gar nicht mehr darauf, was ich überhaupt vor mich her rede. Unsichtbare Hände liegen um meinem Hals, drücken ihn von Sekunde zu Sekunde fester zu, rauben mir Freiheit und die Möglichkeit zu atmen. Umso mehr ich versuche, über das Ereignis vorhin zu sprechen, umso präsenter wird es mir wieder vor meinem inneren Auge! Ich hatte diese Gefühle sofort von mir gewiesen! Sie weit weg geschickt, zum Teufel verbannt! Doch alles holt mich wie eine anrollende Flutwelle wieder ein – groß, schaurig, unbezwingbar und unaufhaltsam. Noch einmal wird mir in voller Deutlichkeit bewusst, dass diese Szene tatsächlich passiert ist... Genau genommen kann ich schon wieder Anzus Haut unter meinen Fingerkuppen spüren! Meine Augen quellen hervor, mir wird wahnsinnig schwindelig. Der Stress, die Panik, der Ekel, das Unverständnis... und das nicht zu erklärende Schuldgefühl, ich hätte Yami betrogen! Wie sehr hatte ich mir in diesem Moment seine Hilfe ersehnt – mir bis ins tiefste Innere gewünscht, er wäre bei mir! Er wäre für mich da! Hätte mich von ihr gezogen... Der Kloß in meiner Kehle schwillt an, so dick, dass mir mein gesamter Hals anfängt unheimlich zu schmerzen. Genauso wie mein Herz... Schwer schluchze ich auf, kann mich nicht länger zusammenreißen. „Yugi.... Komm her...“ Ich zucke unmerklich zusammen. Er ruft mich. Meine Hände zucken leicht, meine Finger wissen nicht, wohin und womit sie sich beschäftigen sollen. Nach einer kurzen Bedenkzeit komme ich schließlich unsicher seiner Aufforderung nach und schleppe mich auf ihn zu. Ich komme mir so verloren hier vor... Ich ziehe Yami gerade mit in eine Sache hinein, die ihn überhaupt gar nichts angeht! Ich raube ihm seinen Schlaf und veranstalte einen solchen Wirbel um meine Person... stifte nur Sorge, Verwirrung und Aufwand! Ich belaste ihn einfach, obwohl er sicher selbst genügend eigene Probleme und Hindernisse im Leben zu bewältigen hat!! Doch ich... aber ich brauchte ihn nun einfach!! Es ging nicht ohne ihn! Ich brauche ihn jetzt! Ich bleibe in etwa anderthalb Meter Entfernung von ihm stehen, presse mir die Hand gegen die Lippen, um mich irgendwie gewaltsam unter Kontrolle halten zu können! Ein leises, zurückgedrängtes Schluchzen entkommt meinen Lippen. Alles wird zu viel für mich, einfach zu viel – ich möchte umkehren und wegrennen, ganz weit weg... Tränen kullern aus meinen Augenwinkeln hervor – wie schon so oft an diesem Abend. Aber doch nicht vor ihm! Nein, das möchte ich nicht! Diese Blöße will ich mir nicht vor ihm geben!! Als würde es mich schützen, verberge ich mein Gesicht in beiden Händen. Doch es ist zu spät, schon rinnt die heiße, salzige Flüssigkeit in Bächen über meine Wangen. Bäche? Flüsse... oder eher ein breiter Strom. Laut schluchze und schniefe ich, kann einfach nur noch den wahnsinnigen, beißenden Schmerz in meinem Innersten fühlen. Den ganzen Abend über habe ich nicht so sehr die Kontrolle über mich verloren, wie jetzt. Oh Gott, ich will hier weg! Weg von ihm! Ehe ich diesen einzigen Gedanken in die Tat umsetzen kann, spüre ich auch schon einen Widerstand an meinem Rücken. Mechanisch zucke ich auf, befehle mir selbst, mich doch bloß wieder zu beruhigen, da werde ich auch schon sanft nach vorne gezogen. Für den Bruchteil einer Sekunde setzt mein Herz aus, denn ich stolpere nach vorne und glaube, ich würde stürzen. Schnell reiße ich meine Hände aus dem Gesicht, um mich abzufangen. Jedoch ist dies nicht nötig – denn meine Stirn landet unerwartet weich auf Yamis Brust. Sämtliche Vernunft oder Hemmungen in den letzten Winkel meines Kopfes verbannend, grabe ich mein Gesicht tief in den Stoff seines Shirts und beginne dort unaufhaltsam große, dicke Tränen zu weinen. Tränen der Qualen, welche aus den Tiefen meiner Seele sprudeln. Eine seiner Hände ruht an meinem Hinterkopf und drückt mich bestimmend an sich. Er ist zu mir gekommen – nimmt mich in den Arm!! Ist für mich da... hält mich... lässt mich nicht allein. Ich fühle mich wie ein Staudamm, dem man plötzlich die Sperrung genommen hat. Der Druck weicht nach außen, ich heule die ganze Verzweiflung in ihn hinein. Ich brauche nun seine Nähe! Seine Wärme und Geborgenheit! Ich drücke mich noch näher an ihn, suche wie verrückt nach Schutz und Geborgenheit. Ich fühle mich wie ein neugeborenes Baby – völlig hilflos, verwundbar und überfordert! Die Tränen rinnen nur so über meine Wangen. Es vergeht scheinbar eine halbe Ewigkeit, in welcher wir nur beieinander stehen und er mich einfach an sich drückt. Es fällt kein Wort... keine Trost spendenden Sätze. Und dafür bin ich dankbar. Ich hätte sowieso kein Gehör für ihn gehabt. Außerdem – was hätte er sagen sollen?? Er weiß von nichts! Ich bin wirklich froh, kein allbekanntes „Alles wird gut“ gesagt zu bekommen. Er ist taktvoll und sensibel genug, hat genau die richtige Auffassungsgabe um die Situation richtig einzuschätzen – und zu schweigen. Seine pure Anwesenheit genügt mir, um allmählich ruhiger zu werden. Seine haltende Geste ist es, welche mich beruhigt. Irgendwann registriere ich sogar auch den Arm, welcher sich um meinen Rücken gelegt hat und mich wie der andere fest an ihn drücken. Halte mich, Yami! Lass mich bloß bitte nicht los! Nie mehr wieder... Bei dir fühle ich mich so geborgen... So verstanden... Du lässt mich bei dir. Stößt mich nicht weg. Es ist so erleichternd. Die schwarze Trauer weicht, es wirkt, es hätte ich sie hinaus gespült. Ich kann wieder freier atmen. Mein Herz tut nicht mehr so weh... Yami... Wie gerne würde ich es dir jetzt sagen... Ich... ich weiß nicht, wie ich darauf komme... Es ist völlig absurd! Aber... ich könnte es mir jetzt durchaus vorstellen, es loszuwerden. Ich weiß nicht wieso... Vielleicht, weil ich keine Angst mehr habe, noch tiefer zu fallen...? Schüchtern schaue ich auf, werde schrecklich verlegen, als ich ihm nach diesem Anfall in die stolzen Augen sehen muss. Ich wische mir die Tränen von den Wangen und versuche, ein dankbares Lächeln hinzubekommen, welches aber nicht wirklich gelingen will. „Wir sollten jetzt deine Wunde versorgen.“ Höre ich seine klare, ruhige Stimme erneut nach langer Pause. Wieder ein Nicken von mir – zu mehr bin ich nicht fähig. Höflicherweise löse ich mich wieder von ihm, betrachte beschämt die nassgeheulten Flecken und Falten auf seinem T-Shirt. „Ich hatte uns vorhin übrigens Tee gemacht, wenn du möchtest, kannst du dir gerne etwas eingießen. Er steht auf dem Tisch. Ich hole gerade den erste Hilfe Kasten aus dem Bad.“ „Vielen Dank“, flüstere ich zurück. Ein Tee wäre nun genau das, was ich gut gebrauchen könnte! So wende ich mich zu der Kanne mit den zwei bereitstehenden Tassen. Kurz schnüffele ich daran. Schwarzer Tee – aber anders, als ich ihn kenne. Und ein merkwürdiger, dünner Holzstab lugt hinaus. Etwa ein Löffel zum umrühren? Nein... bloß ein langes, dünnes Stäbchen... merkwürdig. Ich lege es auf den Tisch und setze die Tasse nach dem Eingießen an die Lippen. Wuuuääärgh – süüüß!! Scheußlich... Hätte ich das nicht bei ihm erwarten können...? Aber der Geschmack, den ich außer dem Zucker noch identifizieren kann, ist gar nicht übel! Ich habe sowieso gerade wahnsinnigen Durst... All diese Alkopops haben trotz ihrer großen Flüssigkeitsmenge nicht die Eigenschaft, den Durst zu löschen. Immerhin ist es auch schon wieder einige Zeit her, dass ich auf der Party war... Die Feier, welche so unverhofft plötzlich endete. Anzu... Nein! Ich will nichts mehr davon wissen! Es wird Zeit, mir dieses Erlebnis aus dem Kopf zu streichen! Ich bin hier bei Yami... um auf Hilfe und Ablenkung zu hoffen! Gierig schlucke ich den Tee in einem Zug hinunter. Gerade dann kommt der angehende Lehrer auch bereits zurück und stellt eine Sprühflasche und Salbe auf den Tisch. „Oh nein! Das war doch nicht etwa der Kandisstick?“ Verwirrt beobachte ich ihn, wie er das dünne Holzstäbchen, welches ich gerade aus dem Tee gefischt hatte, in die Hand nimmt. „Verflucht. Das war ein ganz Neues – es ist einfach abgebrochen! Es sollte bloß kurz hineingetaucht werden... Das kommt davon, wenn man es vergisst... Ist der Tee überhaupt noch genießbar??“ „Ähm.. na ja... irgendwie... schon..“, stammele ich vor mich hin und deute dabei auf meine leere Tasse. Immerhin muss ich ja eine Ausrede haben, wieso ich das Zeug trotz allem in mich hineingeschüttet habe. Doch ich bin sehr froh, dass diese extreme Süße wohl doch keine Absicht war! „Setz dich mal da hin...“, fordert er mich auf und zieht sich selbst einen Stuhl vom Tisch ab, welchen er genau neben den stellt, auf welchem ich Platz genommen habe. „Vorsicht, wird nun ein bisschen brennen“, lächelt er und greift mit links zur Flasche mit dem Desinfektionsmittel. Seine rechte Hand legt sich als Schutz über mein linkes Auge, um mir das Mittel nicht versehentlich in dieses hinein zu sprühen. Während seiner Behandlung halte ich ganz still, wage es sogar kaum zu atmen. Auch wenn es ziemlich schmerzt und zieht, aber vor ihm reiße ich mich zusammen. Dabei beobachte ich ihn allerdings ganz genau, genieße jedes Detail von seinen fließenden Bewegungen, über seinen warmen Atem auf meinem Gesicht, bis hin zu seinem Geruch. Mein Herz klopft doppelt so schnell und so laut, Yami macht mich einfach immer völlig kribbelig. „Okay... fertig!“, verkündet er schließlich und wischt sich die überschüssige Salbe vom linken Daumen, während er meinem Gesicht noch immer so nahe ist, um sich sein Werk zu betrachten. „Dankeschön...“, bringe ich ihm leise entgegen und meine Wangen glühen auf. „Gern geschehen“, kommt es von ihm zurück, während er sich erhebt und dabei seine Brille von der Nase zieht, welche er auf den weißen Holztisch ablegt. Anschließend fährt er sich mit beiden Händen durchs Gesicht, rubbelt sich dieses leicht. Er macht insgesamt einen ziemlich geschafften und ermüdeten Eindruck. Ich stehe ebenfalls auf, wohl ein wenig zu ruckartig, denn mir wird sogleich wieder etwas schwindelig. Schnell taumele ich einen Schritt vor, um mich mit dem rechten Arm schnell an einem der oberen Schränke abzustützen. „Vorsichtig! Nicht so hektisch handeln – dein Kreislauf befindet sich allen Anzeichen nach ziemlich im Keller.“ Und schon steht er wieder vor mir, zwar einen Kopf größer als ich, doch hält er diesen bewusst ein wenig gesenkt, um mir genau in die Augen sehen zu können. Wie süß er doch ist... ich merke deutlich, dass er sich Sorgen macht. Wie er sich um mich kümmert... Ich muss ihm ziemlich am Herzen liegen. „Das stimmt wohl... Ich bin vorhin... unterwegs... zusammengeklappt. Daher auch diese Platzwunde. Ich war in keiner Schlägerei verwickelt... Aber es geht schon alles wieder, wirklich!“ „Den Eindruck habe ich nicht... Aber du brauchst mir nichts zu erzählen, ehrlich nicht. Verhalte dich einfach so, wie es dir am besten geht.“ Seine Stimme ist ruhig und leise. Der Inhalt seiner Worte klingt nach einer geheimen Zauberformel... Es schwingt kein anklagender oder gar auffordernder Unterton mit. Aber trotzdem plagt mich mein schrecklich schlechtes Gewissen – und wenn ich ihm nicht mein Herz ausschütten kann, wem dann? Ich atme tief durch. Schweigen hat sich zwischen uns breit gemacht. Noch immer trommelt der Regen gegen das Küchenfenster, sorgt für ein gleichmäßiges Rauschen im Hintergrund. Sogar an Intensität hat er zugenommen. Ab und zu grollt es auch leise aus der Ferne, ein Gewitter zieht auf. Ich bin mehr als nur froh, jetzt nicht irgendwo dort draußen hocken zu müssen. Hier ist es so angenehm trocken und warm. Und ich könnte es sogar noch wärmer haben... Alles in mir bettelt nur so nach Körpernähe, engem Kontakt und ja... ein klein wenig Kuscheln. Nur mal kurz... Bedrückt senke ich meinen Blick, trete dann einen Schritt auf Yami zu. Noch einmal ringe ich mit mir selbst, ob ich es wirklich wagen soll, dann schlucke ich meine Ängste herunter. Es wäre immerhin nicht das erste Mal... auch wenn ich es neulich kopflos und eher versehentlich getan hatte. Dann schmiege ich mich an den Größeren, schlinge meine Arme und seine schlanke Taille. Wie Kacy zuvor kuschele ich meinen Kopf auf seine warme, glatte Brust. „Ich fühle mich so verlassen...“, hauche ich ihm mit trauriger Stimme entgegen. Aber es tut gut... es fühlt sich wahnsinnig schön an. Es hat mir vorhin schon so geholfen, als ich mich bei ihm ausweinen durfte. Meine Tränen von zuvor sind beinahe wieder völlig getrocknet. „Sssch... Das bist du nicht...“ Ich spüre zwei seiner Finger, welche mir beruhigend über das untere Stück Wange und den Hals streicheln. Irgendwann führen sie sogar eine dieser lästigen, langen Ponyfransen mit sich und legen sie bestimmend hinter mein Ohr ab. Ich seufze zufrieden. „Egal wie tief das Loch ist, in welches man gefallen ist... Wahre Stärke zeigt sich daran, den kompletten Weg wieder hinauf zu klettern. Umso steiler man klettern muss, umso mehr lernt man für sich daraus und kann sich vorm nächsten Sturz umso besser selbst abfedern.“ Erstaunt hebe ich den Kopf an, blicke ihm so ins Gesicht. Er ist so ein selbstsicherer Charakter... er muss wissen, wovon er spricht. Seine dunkelroten Augen glitzern mich durch das sich in ihnen spiegelnde Mondlicht an. Endlich scheint er sich einen Ausweg aus diesem Meer an Regenwolken gebahnt zu haben um sein Licht wieder freisetzen zu können. Ich könnte in diesen wunderschönen Seen versinken... Die beiden Finger lenken meine Aufmerksamkeit auf sich zurück, als sie nun von vorn über meine Kehle streichen und dann weiter hinauf wandern, über die Haut meines Unterkiefers bis hin zum Ansatz meines Kinns. Trotz allem kann ich meinen Blick nicht von diesen Augen richten... diesen ehrlichen, und offenen Spiegeln der Seele. Und plötzlich wirkt es, als würde er seinen Kopf ein minimales Stück senken. Ein leichter Druck an meinem Kinn folgt, mein Kopf wird sanft nach vorn gezogen. Ich halte mit pochendem Herzen die Luft an. Mir ist, als ob dessen Schlag in meinen Ohren widerhallt. Laut und rauschend – es übertönt sogar den Regen. Meine Lippen werden kalt, das Blut entweicht aus ihnen, genau wie aus meinen Händen. Im völligen Gegenteil dazu fixieren meine unruhigen Augen Yamis Lippen, welche sich nur noch wenige Zentimeter von meinen entfernt befinden. Glänzend und völlig entspannt liegen sie unbeweglich aufeinander. So geschmeidig und verlockend. Und vor allem: So erreichbar... Soll ich...? Alles in mir kribbelt, ich werde immer unruhiger und zunehmend nervöser. Sein Kopf neigt sich ein kleines Stück zu Seite, kaum merklich, aber doch so eindeutig in der Körpersprache. Seine Gesichtszüge werden mit einem Mal immer sanfter, mitfühlender und weicher. Im nächsten Moment bleibt mir ruckartig das Herz stehen, da mir klar wird, dass es nun passieren wird. Endlich... wie sehr habe ich mir dies gewünscht...? Träume ich auch nicht...? Ich müsste mich nur ein kleines Stückchen... Mein Mund wird staubtrocken – verdammt!! Warum ausgerechnet jetzt?? Noch einmal zögere ich – warte darauf, dass er nun irgend etwas tut. Irgendwie... kann ich der ganzen Situation noch nicht so richtig trauen... Und mit einem Mal ist der Mut da, ohne dass ich wüsste, wo ich ihn hergenommen hätte. Die Begierde, es endlich mal zu tun, ist unendlich groß! Ihn zu schmecken... zu küssen.... Ein kalter Schauer rinnt mir den Nacken bis zum Steißbein hinab. Diese Gedankenzüge sind die letzten, die mir noch durchs Hirn spuken, ehe ich meinen Verstand einfach vergesse und einfach intuitiv meinem Bauchgefühl nachgebe und meinen Kopf die letzten Zentimeter nach vorn schiebe. Geschafft. Meine Lippen pressen sich zärtlich und erwartungsvoll gegen seine. Mein Kreislauf legt an Tempo zu, ich bin schrecklich nervös!! Unbeholfen bewege ich meine Lippen gegen seine, suche nach einem guten Ansatzpunkt, der richtigen Position. Es fühlt sich so weich an... so warm... Scheu und zugleich gewollt mutig beginne ich schließlich mit den typischen, rhythmischen Lippenbewegungen. Auf dieser sensiblen, dünnen Haut kribbelt alles, sämtliche tausend Nervenfasern werden regelrecht von Impulsen erschlagen, welche überall hin weiter geleitet werden. Alles fühlt sich anders an , als bei Anzu – mein gesamter Körper ist wie unter Storm gesetzt. Und zugleich verdränge ich strikt die Angst und das Unbehagen, welche von außen auf mich eindrücken – denn Yami antwortet nicht. Schon von der ersten Sekunde an hatte er nicht reagiert. Bei meinem ersten Kuss war alles wie von selbst gelaufen, unsere Lippen hatten sich gefunden, waren miteinander verschmolzen und wir lenkten uns gegenseitig! Die Bewegungsabfolge lief wie von selbst! Es gab niemanden, der sie vorgab! So wie ich gerade... Ich küsse Yami einfach, ohne dass dieser erwidert! Panik und Verzweiflung werden größer – eine wahnsinnige Enttäuschung holt mich ein. Yami!!! Bitte!! Du... du hast das hier doch überhaupt erst in die Wege geleitet!! Mach etwas!! Antworte mir!! Erwidere!! Du warst es doch... der mich regelrecht dazu angestiftet hat! Beinahe krampfhaft verstärke ich meine Bewegungen, intensiviere die darin liegende Aufforderung, es mir gleichzutun!! Angst breitet sich aus, mir wird langsam vor Überforderung – denn ich weiß bei Gott nicht, was ich jetzt bloß tun soll – schwindelig. Er... er hat mir doch deutlich zu verstehen gegeben...! Yami, verdammt!! Küss mich!! Küss mich doch zurück!! Hörst du mich, Yami Amun Athem?? ICH LIEBE DICH!!! Ich liebe dich, verdammt noch mal!! Hör’ mich doch!! Dringt mein stummer Schrei nicht zu dir?? Ich tu alles – nur lieb’ mich zurück!! Spiel’ nicht mit mir... Erneute Tränen steigen auf, ich kann meinen Schmerz nicht länger verstecken. Wie panisch klebe ich an seinen Lippen, wage es nicht, sie zu verlassen. Ich habe wahnsinnige Angst davor, wie er handeln oder antworten wird, wenn diese Szene hier endet! Habe ich ihn denn so missverstanden...? Eine ruckartige Bewegung, Yami löst sich von mir, meine Arme fallen schwer wie Blei von seinen Hüften. Bereits in der nächsten Sekunde werde ich zur Seite geschoben. Mit weit aufgerissenen Augen starre ich ihn an, geschockt, verängstigt und zugleich getränkt von einem Schwall an Anschuldigungen und Aufforderungen nach Erklärungen. Doch das Entsetzen in mir ist viel größer – Unverständnis über mich selbst, diese Kamikazeaktion tatsächlich gestartet zu haben. Meine Atmung geht schnell und heftig, jeder Atemzug schmerzt zusätzlich bis ins Knochenmark. Er erwidert meine Art von Gefühlen nicht. Alles ist aus. Ich weiß nichts mehr, habe keinerlei Antworten auf all meine Fragen – so öffnet sich mein Mund und will etwas loswerden. Ich hebe meine rechte Hand an, will in Empörung und überflutet von Verzweiflung nach ihm greifen – ihn packen – ansonsten habe ich das Gefühl, ich würde haltlos vom Boden verschluckt werden. „Was? – “ Ein Griff nach meiner ausgestreckten Hand folgt, ein zweiter ebenfalls zu meiner Linken. Ehe ich überhaupt gucken kann führt er beide meiner Arme über meinem Kopf zusammen und drückt diese in dem nächsten Bruchteilen von Sekunden mit seiner linken Hand gegen den Küchenschrank hinter mir, gegen welchen ich zuvor getaumelt war. Er steht genau vor mir, seine Haltung wirkt drohend und gefährlich. Ich spüre meinen Puls voller Angst am gesamten Körper pochen, ich komme mir schlagartig so mickrig und unbedeutend vor... Als wäre ich ein Sklave, welcher nach Ungehorsamkeit auf die Strafe seines Herrn wartet. Reflexartig hebe ich den Kopf an, versuche aus meinen großen, aufgerissenen Augen Blickkontakt zu ihm aufzunehmen. Blicke, welche nur gerade voller Schuldbewusstsein, Panik und der Bitte nach Verzeihung überquellen. Yami bitte... lass mich... es tut mir leid... es tut mir ehrlich leid. Ich kann gedanklich nur noch wimmern – laut bekomme ich keinen Ton über die Lippen. Dann dreht auch er seinen Kopf ein Stück, so dass sein Gesicht endlich vom spärlichen Licht aus dem Fenster beleuchtet wird. Zu meiner riesengroßen Überraschung offenbart er mir völlig andere Gesichtszüge als erwartet. Seine Augen flackern ruhig, sein Blick ist intensiv wie noch nie. Er strahlt mir genau ins Mark... kann durch nichts gebrochen oder abgelenkt werden. Für mich ist dieser Ausdruck völlig unbekannt... so hat er mich so nie angesehen... so geheimnisvoll... so... unbeschreiblich menschlich. Ich kann an seinen Augen nicht ableiten, wie er gerade fühlt oder denkt. Nur eins spüre ich... diese Wärme, die von ihm ausgeht, ohne dass ich zuordnen könnte, woher sie genau rührt – oder was er mir damit sagen möchte. Ohne dass auch nur ein Wort fällt beruhigen diese Augen meinen verspannten und zitternden Körper. Auch sein Mund ist keinesfalls verärgert oder verzerrt, alles an ihn mindert die stechende Angst in meiner Brust. Wenn ich’s nicht besser wüsste... könnte ich diesen Ausdruck am ehesten als bedrückt bezeichnen. Mit weit aufgerissenen Augen und nach immer an die Wand gedrückt, beobachte ich scheu wie ein Kaninchen in der Falle, wie sein Kopf meinem immer näher kommt. Er beugt sich näher vor, presst meinen Oberkörper damit endgültig gegen den Schrank in meinem Rücken und mein Kopf kommt gar nicht mit, all diese Handlungen auf einen Schlag zu registrieren. Plötzlich fühle ich auch schon seine warmen Lippen wieder auf meinen, mittlerweile Eiskalten. Mir entweicht ein völlig perplexes und überraschtes Keuchen, ehe sich seine Lippen auch schon teilen und meine völlig in Beschlag nehmen. Seine Bewegungen vollkommen gleichmäßig und aufeinander abgestimmt, küsst er mich forsch – aber sehr zärtlich. Erneut flattert mein Herz, doch habe ich Angst. Das Unwissen und die Verwirrung sind einfach zu stark. Was... was soll das...? Doch trotz allem... fühlt es sich so berauschend an. Noch nie, wirklich niemals zuvor sind diese Schmetterlinge so heftig durch meinen gesamten Körper gewirbelt. Wirklich alles in mir steht unter Strom, so viele neue Gefühle hageln auf einmal auf mich ein. Innerhalb weniger Sekunden übernimmt auch schon eine fremde, aber sehr starke Kraft das komplette Handeln für mich. Mir ist, als hätte der starke Strudel an Verwirrung und Chaos sämtliche Gedanken gepackt und all die Fragen und den Zweifel mit sich aus meinem Kopf geweht. Wie von allein öffne ich ebenfalls meine Lippen und gehe dem unbezwingbaren Drang nach, auf Yamis Lippen zu reagieren. Es geschieht wie von selbst, ich passe mich seinen Rhythmus an und vervollständige seine Bewegungen – es fühlt sich so an, als würden wir für die nächsten paar Sekunden zu einer völligen Einheit verschmelzen. Meine Augen fallen genüsslich zu, ich dränge mich leidenschaftlicher an ihn. Es ist so berauschend... so unglaublich schön... Pures Glück strömt durch meine Adern. So muss sich Magie anfühlen... mit nichts anderem aus der Realität ließe sich dieses Gefühl auch nur annähernd vergleichen. Mein Magen wird so warm, er blubbert und kribbelt wie der reinste Hexenkessel. Es muss ein Zauber sein... Ich kann alles um mich herum vergessen, die Umgebung verschwindet. Mir ist, als würde ich einer lang unterdrückten Sucht nachgehen. Es gibt nur noch uns beide.... Und seine wahnsinnig weichen, warmen Lippen, mit welchen er so göttlich umzugehen weiß. Ich schmelze wie heißes Wachs in der Sonne – ein Glück dass ich gegen einen Schrank lehne. Er schmeckt, wie ich es mir schon so lange vorgestellt hatte.. Exotisch... und nach Yami. Einfach nach ihm selbst. Nicht möglich, es in andere Worte zu fassen. Seine rechte Hand findet kurz darauf den Weg unter mein weites T-Shirt, ich kann die aufkommende Gänsehaut nicht unterdrücken, welche sich an meinem Bauch bildet, als er diesen in gleichmäßigen Zügen zu verwöhnen beginnt. Ausgerechnet am Bauch... Ein erneutes, diesmal lustvolles Stöhnen entweicht mir. Schamhaft färben sich meine Wangen weiter rot, glühen wie nie zuvor. Es dauert eine kleine Ewigkeit, in der die Welt für mich und diesen Moment stehen bleibt, bis wir uns langsam wieder voneinander lösen. Deutlich hat er mich spüren lassen, wie sehr er doch nach meinen Lippen giert, so innig wie er geküsst hatte. Mich mit seinen Kenntnissen geführt hatte. Ein letztes Mal lässt er seine Zungenspitze wie zum Abschied über meine Lippen streichen. Ein eiskalter Schauer rinnt meine Wirbelsäule hinab, sorgt für eine Ganzkörpergänsehaut. Meine Wangen stehen im puren Kontrast zum Rest – sie glühen richtig vor Hitze und Eifer und ich weiß genau, wie tiefrot ich gerade vor mich hinleuchten muss. Ein Glück ist es gerade ziemlich dunkel hier. Yami löst sich von mir, seine Augen sehen mich ernst an. Allerdings nicht kalt und in kleinster Weise gefühlslos. Auch seine Hände verlassen meinen Körper. Vernebelt schaue ich zurück, fühle mich durch dieses unglaubliche Erlebnis und nicht zuletzt den Restalkohol in meinem Blut ziemlich orientierungslos und habe das Gefühl, die Realität nur noch durch einen dicken Vorhang wahrnehmen zu können. Mein Herz schlägt wie verrückt. Wir stehen uns gegenüber, schweigen uns an. Und mit einem Schlag kehrt alles wieder in meinen Kopf zurück. Als hätte man meine Denkfähigkeit in der Zwischenzeit mit einem Schalter deaktiviert. All die Fragen, das Unverständnis und die Angst vor plötzlicher Zurückweisung kehren zurück. Dieses plötzlich entstandene Nichts zwischen uns ist unerträglich! Eben noch so viel – und nun gar nichts! Doch Yami macht keinerlei Anstalten, nun auf irgendeine Art Stellung zu seinem Verhalten zu nehmen. Im Gegenteil. Er richtet seinen Blick zu Boden, tritt zwei Schritte von mir weg und dreht mir daraufhin den Rücken zu. Eine Flut der Enttäuschung holt mich ein. Ich spüre gerade mehr als nur deutlich den Knall einer mentalen Ohrfeige. Fühle mich völlig ins Gesicht geschlagen. War es das nun gewesen...? Für immer..? Nur dieser eine Kuss? War es ein Test? Ein Spiel? Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen, beginnt zu bluten. Warum ist er schon wieder so abweisend zu mir?? Warum? Genauso wie neulich, als er mich nach unseren Schmuseminuten aus seiner Wohnung geschmissen hatte!! Nein!! Nicht mit mir!! Nicht noch ein Mal!! Nicht, nein, niemals!! Niemals werde ich das zulassen! Nicht jetzt, so nahe am Ziel meiner Träume! Das bedeutet also... entweder... ich... ich schweige jetzt dazu... Nehme alles so hin... reagiere so wie er... Oder... Mein Herz rutscht in die Hose. Mir wird so unendlich flau im Magen. Erkennend beiße ich mir auf die Lippen. Oder ich rede jetzt! Meine Knie zittern wie Espenlaub. Es vergehen nur Sekunden, doch mir kommt es wie Minuten vor. „Ich... ich ähm.... Ich weiß nicht...“ Oh Gott!! Wie soll ich bloß ansetzen?? Wie soll ich es ausdrücken? Wie formulieren...? Verflucht, ich KANN SOETWAS EINFACH NICHT!! Durchatmen, ganz tief durchatmen. Oh nein, mir wird schon wieder so schwindelig!! „Bitte... Ich bitte Sie, hören Sie mir zu! Hören Sie mich bis zu Ende an! Gehen Sie nicht weg!“, ich überspringe beinahe den Abstand zwischen uns und greife schon panisch nach seinem Handgelenk. Die Angst, dass er nun einfach aus dem Zimmer stürmen würde, ist zu stark! „Das hatte ich auch nicht vor... Yugi.“ Ertönt endlich wieder seine dunkle, ruhige Stimme. Dieses Mal deutlich schroffer, aber melancholisch. Bis auf meinen Namen. Dieser klingt weich und beinahe schon ein klein wenig verzweifelt, als hätte er während der kurzen Pause zwischen seinen Worten die Stimmung gewechselt. Noch einmal raffe ich mir sämtlichen Mut für einen letzten Ansatz zusammen. „Ich muss nämlich mit Ihnen reden. Ein... sehr wichtiges Gespräch... Ich schiebe es schon viel zu lange vor mir her....“ Tränen stürzen meine Wangen hinab, verschlingen meine Stimme und damit fällt es mir immer schwerer, weiter zu reden. Doch das brauche ich auch gar nicht, denn Yami dreht sich bereits herum. Diese Augen.... seine Augen... offenbaren mir tiefe Traurigkeit. Sein Kopf knickt leicht ein, seine Strähnen fallen ihm über die Nase. „Ach Yugi....“, seufzt er. Ich schlucke einmal krampfhaft, ringe um Stimme: „Ich... ich weiß, dass es falsch ist... dass es nie hätte geschehen dürfen... Aber es ist nun mal nicht zu beeinflussen... oder rückgängig zu machen...“ , ich schluchze beklemmt auf, „Und... ich habe solche Angst... darüber zu reden... mir ist es so schrecklich unangenehm... Aber...“, ein letztes Mal presse ich meine Augen zusammen, beiße mir kräftig auf die Lippe. Wie heißt es doch so schön? Augen zu und durch! „Aber... Ich habe mi– “ „Yugi.... Schon gut....“ „Nein, bitte! Nichts ist gut! Es ist wahr! Schon die ganzen Monate schleppe ich es mit mir herum...“ Tränen fließen unaufhaltsam stärker, es tut so weh, es quält mich so! Ich möchte nur weinen, weinen, weinen... „Ich muss das jetzt loswerden... Ich...“ Innerlich zähle ich bis drei, mein alles vernichtender Countdown. „Sschh... Ich weiß...“ Alles in mir kommt zum Erliegen. Es ist, als habe mir eine unsichtbare Hand die Batterie, meine Lebensenergie, herausgezogen. Er.... er weiß es...? Yami kennt meine Gefühle? Alles in mir scheint plötzlich wie leergefegt. Sämtliche Farbe weicht aus meinem Gesicht. Kalkweiß wie eine Wand starre ich ihn aus weit aufgerissenen Augen an. „W-was??“ Er hat es erkannt...? Wie lange schon?? Fühlt er dann genauso? Ohne dass mein Kopf die Situation und die damit verbundenen Informationen überhaupt verarbeiten kann, sprudelt mein Körper bereits von Glück und Freude. - Er hat mich geküsst, obwohl er genau wusste, was ich für ihn empfinde! Das bedeutet - „Ich weiß, was du mir sagen willst... Aber....“ Als hätte jemand einem Pfeil durch eine dünne Glasscheibe geschossen, zersplittert mein Weltbild schlagartig in Tausend spitze Scherben. Nein, kein Aber!! Alles nur kein Aber! „Bitte tu’ es nicht... Ich... Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll...“, setzt er fort und löst meine klammernden Hände von seinen Gelenken. Ich kann nicht anders, als ihn mit offenen, und gleichzeitig so leeren Augen anzustarren. Seine Spiegel der Seele dagegen wirken im Schatten seiner ihm ins Gesicht fallenden Strähnen und der ohnehin schon lichtlosen Küche so dunkel – beinahe braun. Und dann verwehrt er mir jegliche Sicht auf diese, indem er einfach nur stumm seinen Kopf schüttelt. „Was ist los...?“, ist alles, was ich trocken und krächzend heraus bekomme. Die Erkenntnis sickert. Die Realität holt mich ein. Mit einem Ruck hält mein Gegenüber in seinen Bewegungen inne, hebt seinen Kopf an und seine ausstrahlungskräftigen Augen nageln sich beinahe wie Speere auf mein Gesicht. „Es wäre deinen Gefühlen gegenüber nicht fair...“ Nicht fair...? Meine Gefühle...? Doch ich habe nicht weiter die Kraft, mich aufzuregen. Oder gar nach weiteren Erklärungen zu betteln. Die Angst und die Anspannung der bis eben in mir herrschenden Nervosität verlassen meinen Körper. Dieser fühlt sich plötzlich so schwer an. So unglaublich hohl.... wie eine Hülle... ~~*~*~*~*~*~~ Er hatte ihn verloren... All seine Wünsche und Träume... sämtliche Hoffnung wurden gerade von einem tiefen, schwarzen Strudel gefressen. Ausgelöscht. Es tat so weh.... Der Schmerz war überall. Unbezwingbar für diesen Moment. Nun hatte er sogar noch den letzten Menschen verloren... welcher ihm so nahe am Herzen lag. Allmählich sickerte die Situation in seinen Verstand ein. Yami hatte kein Verständnis für seine Gefühle. Seine Liebe war eine einseitige. Sämtliche Aussichten auf eine Beziehung waren mit einem Schlag in ungreifbare Ferne gerückt. Yugi biss sich hart auf die Unterlippe. Ein herzzerreißender Schluchzer entkam ihm, dann machte er auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Raum. Durch den Flur und hin zur Wohnungstür. Er wollte weg, raus! Einfach aus der Wohnung seines Schwarms verschwinden! Hier – und zu allem Überfluss noch mit ihm zusammen – auch nur eine Sekunde länger zu bleiben würde ihm das Herz zerreißen!! Yugi riss an der Klinke – und kam keinen Millimeter vom Fleck, denn es war abgeschlossen. Fest biss er sich ein weiteres Mal auf die Lippen, um irgendwie mit der Flut an Gefühlen fertig zu werden. Verdammte Scheiße! Er war gefangen... es gab kein Entrinnen... Anders als noch vor wenigen Stunden, als die Wohnung seines besten Freundes mit einem Schlag viel zu klein wurde und er die Freiheit gebraucht hatte. Er hatte einfach nur weg gewollt... weit weg, ohne Ziel – genau wie jetzt. Er musste weg von Anzu – und von seinen Freunden, die ihn im Laufe des Abends nicht einmal interessiert hatten. Er konnte Anzu einfach nicht noch einmal unter die Augen treten – genau wie jetzt; allerdings übernahm Yami diesmal diesen Platz. Er war völlig allein gewesen. Auf der Party seiner besten – und zugleich einzigen Freunde. Genauso wie jetzt... zumindest fühlte er sich allein. Einsam und wahnsinnig verlassen. Es gab keine gemeinsame Zukunft mit Yami... Konnte man denn so viel... auf einen Schlag verlieren? Alles, was ihm überhaupt wichtig war?? Yugi starrte für einen Moment ins Leere. Lies sämtliche Worte der letzten zwei Minuten in seinem Kopf wieder und wieder Revue passieren. Es herrschte einige Sekunden Stille, in denen die Bewegungen und Atemzüge des Teenagers immer langsamer wurden, immer stockender und – ja mechanischer, als wäre er ein Roboter. Bis ein großer Schatten auf ihn fiel und den Flur noch weiter verdunkelte. Der junge Lehrer blickte auf ihn herab. Beobachtete genau, was er gerade getan hatte. Kurz zuckte sein linker Arm, machte den Anschein, als wolle er Yugi auf irgendeine Art berühren oder gar aufhelfen. Zuckte dann aber doch zurück und wusste offenbar nicht, wie er sich nun seinem Schüler gegenüber zu verhalten hatte. Doch ehe er sich genau festlegenn konnte, was nun am vernünftigsten wäre, wurden seine Überlegungen durch zwei funkelnde Amethyste unterbrochen. „Bitte...“, der leise Klang der Worte ging in einem lauten Grollen des Donners unter. Yugi aber zuckte nicht mal mit der Wimper, man könnte sogar behaupten, er hätte das laute Krachen nicht einmal wahr genommen, als er Yami mit seinen dumpfen Augen fixierte. Es schien, als würde der Schüler alles um sich herum nicht weiter registrieren, ihm war, als befände er sich in einem nicht enden wollenden, lichtlosen Tunnel. Dem Ägypter entwich ein überraschter Laut, als zwei Hände nach seiner Eigenen griffen und so den kompletten jungen Mann näher an sich heran und nach unten zogen. Yugis Tränen waren verstummt, kein weiteres Schluchzen drang über seine Lippen. Fassungslos lies der Ältere es geschehen, als der Andere die bronzefarbene Hand auf den schmalen, zierlichen Brustkorb drückten, welcher sich immer seltener hob und wieder sank. Und zwar genau auf die linke Hälfte. „Yami... bitte... nimm es aus mir... nimm es mit.... es gehört dir... Ich will es nicht länger behalten...“ „Yu-Yugi!“, ertönte das erschrockene Keuchen im Raum. Erst nach zwei weiteren Lidschlägen verstand der Angesprochene, was Yugi gemeint hatte. „Hör auf damit!!“, war die laute und robuste Antwort. „Doch... Bitte nimm es, Yami. Ich spüre, wie es immer langsamer wird... Wenn ich es noch länger behalte... wird es aufhören zu schlagen...“ „Yugi! Du bist angetrunken! Komm zur Vernunft, du redest Unsinn!“, rang die verzweifelte Stimme um Autorität. „Nein, es ist so. Ich habe es doch schon kommen sehen. Schon so lange... Warum sollte ich auch einmal Glück haben?“ Ein bitteres Lachen folgte, auf welches Yami zunächst nichts zu antworten wusste. „Ich meine, warum ausgerechnet ich? Warum sollten meine Hoffnungen auch einmal im Leben nicht umsonst sein?!“ Die Tür zum Wohnzimmer, welche allerdings auf der anderen Seite des Flurs lag, wurde krachend aufgeschlagen. „Yami, wir sind auf der Suche nach einem zweiten Kopfkissen!“ Yamis Kopf wirbelte zur Seite, blickte mit einem zunächst finsteren Blick nach hinten, dann wieder zurück zu Yugi, welcher vor Schreck über diese unerwartete Störung die Hand seines Gegenübers losgelassen hatte. „Ya....mi...?“, flüsterte die einzige Frau im Raum, seine Aufmerksamkeit wieder auf ihre Frage von zuvor lenkend. „Uhm... wenn ich denn stören dürfte...“ „Das hast du schon, Akari. Warte, ich hole euch gleich eins!“, kam es barsch und aufgewühlt von dem Lehrer zurück. Nie hatte Yugi damit gerechnet, dass Yami sich stattdessen ihm als nächstes widmen würde. Er hatte bereits den Kopf wieder zwischen den Knien vergraben und presste sich noch enger und schutzbedürftiger an die Holztür, als könnte diese sämtliches Leid von ihm ziehen. Der Achtzehnjährige gab ein leises, überraschtes Quicken von sich, als er auch schon im nächsten Moment von zwei starken Armen gepackt und auch schon angehoben wurde. Mit einem Arm unter den Kniekehlen, den Anderen unter seinem Rücken, wurde Yugi auch schon schnellen Schrittes wieder zurück in die Küche getragen. „N-n-ein! Lassen Sie mich runter! Ich will nicht!“ Yugi strampelte leicht mit den Beinen, versuchte sich aus dem Griff des Älteren zu befreien. Wenn es etwas gab, was er nun nicht wollte, dann von genau dieser einen Person auf der Welt berührt werden!! Nicht jetzt... nicht mehr... nie wieder!! Alles tat weh, bei dem Gedanken, ihn niemals haben zu können! Doch ein gewisser Teil in ihm wehrte sich... war strikt gegen die Vorstellung, diesen Fakt als eine Tatsache anzusehen. Denn... es fühlte sich so warm an in diesen Armen... so geborgen... der Griff strahlte solche Fürsorglichkeit aus. Er fühlte sich so wahnsinnig von diesem Mann angezogen... es tat so gut, in seinen Armen zu liegen. Von ihm getragen zu werden... Ganz von allein hörte er auf, sich weiter zu wehren. Es war sowieso nur die Halbwahrheit...Und er wollte Yami nicht versehentlich verletzen. Es war so konfus! Auf der einen Seite wollte er Yamis Fürsorge! Seine schützenden Arme... den stolzen und doch so liebevollen Charakter... er liebte ihn.. mit all seinen Stärken und Schwächen. Und genau an dieser Stelle durchbohrte ebenfalls ein spitzer Dolch sein schwaches Herz. „Du bleibst schön hier... Ich lasse nicht zu, dass dir da draußen nun etwas passiert.“ Die Stimme war angenehm freundlich und beherbergte einen solch beruhigenden Tonfall. Yami war so talentiert darin, immer genau seine Stimmung in Worten und Tonlage auszudrücken, wenn er es denn wollte. Und gerade klang er so... ermutigend... so gefühlvoll auf der zwischenmenschlichen Ebene. Es waren ganz klar diese beiden Sätze in Kombination mit dem Gefühl, in Yamis Armen zu liege, die Wärme zu spüren... den vertrauten Geruch zu riechen... All dies gemeinsam diente als letzte Nahrung für den kurz vorm erlischen stehenden letzten Hoffnungsfunken Yugis. Auch wenn dieser sich selbst dafür verfluchte und wusste, dass dies nur für eine größere innere Wunde sorgen würde, konnte er den Vorgang nicht mehr stoppen. Die Asche begann wieder zu glimmen. Yami hatte ihn nicht im dunklen, kalten Flur sitzen lassen und sich um Akari gekümmert. Er hatte diese angefaucht und ihn aufgehoben... Nachdem er Yugi auf einen der Küchenstühle gesetzt hatte, schaltete er zum ersten Mal an diesem Abend das Licht ein. Der Jüngere kniff geblendet von dieser Helligkeit die Augen zusammen und fuhr sich dann mit den Händen durchs Gesicht. Sein Kopf schmerzte, seine Glieder taten weh, seine Augen gerötet und geschwollen vom vielen Heulen und ihm war trotz der aktiven Heizung bitterkalt und er war müde. Ausgelaugt und müde. Doch er wusste, dass er nach all diesen Ereignissen keine Sekunde Ruhe bekommen würde. Wie lange hielt diese schreckliche Nacht überhaupt noch an...? Es war bestimmt bereits 5 Uhr durch... Yugi zitterte, als er seinen Plan fasste. Aber die Kälte war wohl der geringste Grund dafür. Als könnte er sich selbst von seinem nicht enden wollendem Sturz festhalten, schlang er die Arme um seinen zierlichen Oberkörper und krallte die Finger in sein Shirt. Sobald das Gewitter nachließ... und die Dämmerung einsetzen würde... würde er nach dem Wohnungsschlüssel suchen. Er musste hier raus – und zwar so bald wie möglich. Yami würde sicherlich gleich ebenfalls zu Bett gehen und bestimmt lange schlafen. Er, Yugi, musste lediglich irgendwie die nächsten Stunden überstehen. Hier herum sitzen... und an etwas anderes denken. Ablenken... Bloß nicht an Yami – und dass er ihm vorhin zu verstehen gegeben hatte – Nein... Er presste sich die Hand auf die Lippen, versuchte den Schmerz und die Trauer zurück zu drücken. Nicht daran denken... nicht daran denken! Sein Innerstes wurde auch so schon damit fertig... irgendwann... würde er es vergessen können... Nur bis dahin... würde er kein einziges Auge zubekommen.... Yugi realisierte nicht mal ansatzweise, wie der Referendar mehrmals zu Schränken und Schubladen griff und sich anschließend mit einem Glas Wasser zurück zu ihm zu drehte. Dieses stellte er genau vor seinen Gast auf den weißen Holztisch und hielt Yugi die geöffnete Handfläche mit einem kleinen, weißlich schimmernden Punkt unter die Nase. „Hier... Nimm das. Ich bin mir sicher, dein Kopf wird ziemlich dröhnen und spannen. Diese Schmerztabletten helfen auch gut gegen allgemeine Verspannungen....“ Yami hob seine rechte Hand, mit welcher er soeben das Wasser abgestellt hatte und legte sie prüfend auf Yugis Stirn. „Und gegen Fieber“, murmelte er im nächsten Atemzug. Zuerst passierte gar nichts – dann nach einer halben Ewigkeit schien es sich der Jüngere überlegt zu haben und hob im Zeitlupentempo den Kopf. „Das hilft aber nicht... gegen meine Art von Schmerzen...“ Seine Worte waren leise, anklagend und tieftraurig. Dann schlossen sich langsam seine Augenlider, verdeckten dem Referendaren die Sicht auf die großen, sonst so ehrlichen und vor Freude strahlenden Augen völlig – und ließen dafür einem kleinen Rinnsal von Tränen freien Lauf. Schnell wurde die Wange wieder trocken gewischt, Yugi versuchte sich zu fassen und griff nach der Tablette, welche allerdings nur eine halbe war, wie er im nächsten Moment feststellte. Dann wurde sie mit einem großem Schluck Wasser heruntergeschluckt, bevor der restliche Inhalt des ganzen Glases folgte – und Yami hatte den Eindruck, als wolle der Jüngere damit seine gesamte Traurigkeit hinunterspülen. „Trink nur... das kommt deinem Körper gerade nur zu Gute.“ „Ja.. vielen Dank... auch für die Tablette. Ich glaube wirklich, mein Kopf explodiert gleich....“ „Das kann ich mir vorstellen.“ Dieses Mal viel deutlicher als bei den vorhergegangenen Sätzen konnte man nun eine eindeutige Traurigkeit in der Stimme bemerken. Es klang beinahe so, als hätte der Sprecher ebenfalls mit sich zu kämpfen. Jegliche Festigkeit und Sicherheit war gewichen. Und als wäre sein Körper seinen Füßen zu schwer zum längeren Tragen geworden, setzte er sich auf den Stuhl Yugi gegenüber. „Entschuldigen Sie... Wenn ich Sie nun hier mit meiner Anwesenheit belästige... Ich... wissen Sie... Ich... ich weiß einfach nicht weiter... Alles läuft in meinem Leben schief... einfach alles.... Im Moment wünschte ich einfach... ich könnte mich in Luft auflösen...“ Yugi bemühte sich, ein gespieltes Lächeln aufzubringen, scheiterte jedoch fatal. „Selbst meine Freunde... Lassen mich alleine...“ Weitere Tränen rannen unaufhaltsam über seine Wangen. Ein energisches Kopfschütteln. „Du bist nicht alleine. Auch wenn du dich so fühlst... Aber wenn du niemanden hättest... keinen, der für dich sorgt, niemanden, den du interessierst und dem du wichtig bist... Dann säßest du nun gottverlassen irgendwo dort draußen im Gewitter. Auf einem nassen, schlammigen Boden, wohl unter irgend einer Brücke. Und das nicht nur heute. Ich glaube dann würde ich mir an deiner Stelle Gedanken machen, wem ich überhaupt noch etwas bedeute.“ Yami seufzte tief und schwer, streckte dann seine Hand aus... Yugi starrte wie gebannt auf die dunklen Finger, welche sich seinem Gesicht immer weiter näherten. Er war sich längst nicht mehr sicher, ob er nun Körperkontakt duldete oder nicht. Dazu störte ihn dieser letzte Satz nicht gerade gering. Was in aller Welt wollte Yami ihm nun damit schon wieder sagen...? Gab es doch noch Hoffnung....? Ja aber... Was denn nun... was war falsch und was richtig... In Yugi herrschte völliges Chaos. Die warmen, weichen Fingerkuppen Yamis berührten seine Wange, strichen sanft und zärtlich die heißen Tränen davon. Yugis Unterlippe zitterte, er war völlig verstört und irritiert. Aber wenn es nach seinem Bauchgefühl ging.... dann war es sehr angenehm... Intuitiv lehnte er sich in die streichelnde Bewegung. „Mensch, Bruder!! Wo lagerst du deine Kissen, verdammt noch mal??“ Mirai stand dieses Mal in der Tür – erstarrt und ungläubig von der Szene, die sich ihr bot. „Ohh... ähm.. ’Tschuldige... Wir... finden’s auch so....“ Wie vom Blitz getroffen rückte Yami seinen Stuhl ab und sprang regelrecht auf. „Jaahaa! Ich hole euch ja eure verfluchten Kissen!“ Der Ältere rauschte regelrecht aus der Küche und schob seine kleine Schwester mit sich aus dem Türrahmen. Yugi blieb zurück. Und mit einem Schlag wurde er sich wieder völlig seiner Situation klar. Yami war sicher bloß aus Mitleid freundlich zu ihm... deswegen hatte er ihn auch ganz gewiss eben geküsst. Der Kopf nun endgültig zu schwer geworden, um ihn länger aufrecht zu halten, kreuzte Yugi seine Arme vor sich auf der Tischplatte und lies seinen kompletten Oberkörper darauf sinken. Dann verbuddelte er seinen Kopf in den Achselhöhlen und weinte sich still seinen Kummer aus dem Körper. Zumindest wünschte er, dass die Tränen diesen einfach mitnehmen könnten... Minutenlang lag er einfach so da und ließ sich alles durch den Kopf gehen. Yami kam und kam nicht wieder. Dass er aufgestanden war um lediglich ein Kissen zu besorgen war schätzungsweise schon mehr als zehn Minuten her. Wahrscheinlich hatte er direkt die Gelegenheit beim Schopf gepackt und war ebenfalls schlafen gegangen. Ein leises Schniefen entwich seiner Nase. Sein Körper wurde schwerer und träger, das Nachdenken wurde immer unmöglicher. Ständig drifteten seine Gedanken ab, wurden ziellos und verloren sich in einem wirren Meer aus Schwärze. Es war ihm kaum noch möglich, sich auf etwas zu konzentrieren. Die Müdigkeit schlug einfach zu. Wie von allein entspannten sich seine verkrampften Muskeln, welche sogar noch bis eben traumatisiert hin und wieder gezuckt hatten. Die Tränen dagegen hielten es gar nicht für nötig, ebenfalls Ruhe zu geben. Langsam und vereinzelt tropften sie auf den Holztisch, denn die Ärmel des geliehenen Shirts waren zu kurz, als dass sie hätten die salzige Flüssigkeit aufsaugen können. Bis sich der zierliche Schüler schließlich in den Schlaf geweint hatte. ~~*~*~*~*~*~~ ~ Ende Chapter 16 ~ ------------------- Schlagt mich... ich hab doch dran gearbeitet statt zu lernen... -______-““ Aarrghs... Ich kann meine Finger einfach nicht von den Tasten lassen. Der Plot brennt mir einfach zu sehr auf der Seele XD - Ich bedanke mich übrigens gaaaanz doll für die wirklich lieben und total süßen aufbauenden Worte in euren Kommis, was mein dummes Praktikum & Examen angehen! Auf Station läufts momentan übrigens ganz gut ^^ Find ich echt knuffig von euch!! ^___^ Und daaaaann freue ich mich noch supermäßig über die Fanarts, welche ich in den letzten Wochen zu dieser FF hier bekommen habe!! Als da wären: Dreamdanzer mit diesem wunderhübschen Bildchen: http://animexx.4players.de/fanarts/output/?fa=711835&sort=empfehlungsliste&sort_def=4652 Und amely mit diesem niedlichen Bildchen hier: http://animexx.4players.de/fanarts/output/?fa=734554&sort=empfehlungsliste&sort_def=4652 Ihr bekommt beide noch eure Kommentaere dazu – versprochen!!! ^-^ Nur wie oben erwähnt... ich hab kaum Zeit... u___u Desweiteren gehen noch liebe Grüße an mein Shi-Grabräuberli, da ich ihr Lebensmotto sehr inspirierend fand – man beachte den diesmaligen Titel ^_~ Und last but not least wollte ich euch eine Idee von Made in Hell vorstellen ^^ Schaut einfach mal vorne in dieser FF bei den Charaktersteckbriefen vorbei, da werde ich eine Liste mit Liedern ausstellen. Diese wurden von Made ausgesucht und passen ihrer Meinung nach gut zur Story! Wenn ihr Interesse an den Stücken habt, setzt euch bitte mit ihr in Kontakt ^^ Danke fürs Lesen!!!!! Eure Polarstern P.s.: Ich habe in diesem Kapitel mal wieder mit meinem Stil herumexperimentiert... Bin eigentlich ziemlich zufrieden mit dem Ergebnis! ^_^ Wollte allerdings doch um eine kleine Meinungsumfrage bitten! >< Liest sich dieser Teil sehr anders als die Letzten? Wenn ja – besser oder schlechter...? Oder merkt man gar nicht, dass ich etwas verändert habe...? Oo Bitte gebt ehrlich zu, was ihr denkt XD’ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)