Fremde Welten (#1) von Purple_Moon (Das Reich der Schatten ist gar nicht so gruselig.) ================================================================================ Kapitel 48: Die Bestie in mir ----------------------------- Endlich! Ich hab noch mehr Zeug, habe mich aber entschieden, das auf mehrere Folgen aufzuteilen. Es soll noch eine Szene in der Welt des Blauen Lichts hinzukommen. Jetzt kriegt ihr erstmal so viel, dass es meiner Durchschnitts-Episodenlänge entspricht. Bald geht es weiter, und danach hoffentlich auch noch...^^ Enjoy! Samstag Mittag → Sonntag Fremde Welten 48: Die Bestie in mir Die Beschwörung des Göttermonsters war wiedermal nicht das, was Yugi als angenehm bezeichnet hätte. Das Zeichen auf seinem Rücken fing an zu brennen, bis er schrie und in die Knie ging. Die Verwandlung selbst fühlte sich seltsam unwirklich an, etwa so, als wäre er betrunken. Er war erst wieder bei vollem Bewusstsein, als er auf den kleinen Appi auf dem Boden herab blickte. Slifer hatte zwar Füße, aber üblicherweise nicht auf dem Boden. Er schwebte immer, auch wenn er nicht mit den Flügeln schlug. Yugi senkte den roten Drachenkopf nach unten, so dass Appi auf ihn steigen konnte. Als er abheben wollte, hielt ihn noch etwas zurück. „Halt, wartet noch!“ Gilford rannte auf ihn zu, wobei er Teile seiner Rüstung mit sich trug, die er schnell noch anlegte. „Lass mich dir helfen!“ Er schien sich überhaupt nicht zu wundern, wie Yugi auf einmal zu Slifer werden konnte, und er zögerte auch nicht, einfach hinter Appi aufzusteigen. Wahrscheinlich hatte Breaker dem Orden schon berichtet, was es mit Yugi auf sich hatte. Oder diese Truppe ließ sich durch solche Trivialitäten einfach nicht beeindrucken. Zu seiner Überraschung schloss Black Luster sich Gilford nicht an. Er war noch damit beschäftigt, seine Rüstung anzuziehen, und währenddessen verteilte er Anweisungen. War er hier der Anführer? Auf jeden Fall wohl derjenige, auf den alle wegen seines unwiderstehlichen Charismas hörten. Yugi hatte ihn auch so eingeschätzt, dass er die Gelegenheit wahrnahm, auf einem Götterdrachen zu reiten, aber ganz so selbstverliebt war er dann wohl doch nicht. Yugi kam auch nicht umhin, ihn trotz dieser Eigenschaft zu mögen. Der Berg erbebte, wie er unter seinen Vorderfüßen bemerkte. Man hörte erneut das Brüllen aus dem Inneren. Yugi hob schnell ab, sicher war der Gegner nicht weit. Aber wo? Wo war er? Er musste eine Möglichkeit haben, die Höhle da unten zu verlassen, sonst machte es keinen Sinn, ihn dort zu beschwören. Yugi stieg höher und blickte nach unten, während er den Berg umkreiste. Und dann war es soweit: Obwohl auf dem Gipfel die Beschwörung misslungen war, materialisierte sich der Fünfgötterdrache dort. Er sah aus Yugis Sicht momentan klein aus, aber die Krieger daneben zeigten den erschreckenden Größenunterschied. Der Fünfgötterdrache, der Yugi ja von verschiedenen Gelegenheiten bekannt war, spie einmal Attacken mit verschiedenen Elementen in die Runde, dann hob er ab und stürzte sich auf den Himmelsdrachen. Offensichtlich war er von dessen Göttlichkeit nicht sonderlich beeindruckt. Da Yugi nicht viel Ahnung davon hatte, wie man mit so einem Drachenkörper taktisch kämpfte, verlegte er sich ausnahmsweise auf rohe Gewalt. Der Gegner war gerade erst beschworen worden. Quasi von selbst öffnete sich sein zweites Maul und entließ einen Energiestrahl, der den gelben Drachen einhüllte und schwächte. Aber er wusste nicht, wie sich das in der Wirklichkeit auswirkte, wenn ihn das auf dem Duelplatz 2000 seiner Angriffspunkte gekostet hätte. Yugi fackelte nicht lange, sondern schlug mit dem Schwanz nach ihm. Das warf den anderen zurück zu Boden, und er landete unterhalb des Camps. Schon war Yugi über ihm. Es war größenordnungsmäßig etwa so, als würde er einen zehnjähriges Kind verprügeln. Aber für Sentimentalität war hier der falsche Platz. Der Fünfgötterdrache gab nicht auf, obwohl er unterlegen schien. Er biss sich mit vier Mäulern in seinem Gegner fest und spuckte mit dem Wasserkopf Eis in sein Gesicht. Gilford sprang von Yugi herunter und attackierte den Wasserkopf, der sich daraufhin ihm zu wandte. Yugi schüttelte eine Eiskruste von seinem Hals. Er wich zurück, um die zahnbewehrten Mäuler abzuschütteln. Der Feuerkopf hatte nicht einmal wirklich Zähne, dafür war er wie eine Greifzange, deren Enden sich wie spitze Haken ins Fleisch ihres Opfers bohrten. Die Flammen verbrannten schmerzhaft Yugis rote Schuppen. Er brüllte vor Schmerz und Ärger. Da hatte er schon die Gestalt eines unbezwingbaren Drachen, und dann solche Probleme! Er schlug mit einer Pranke nach dem Feind, während Gilford beinahe vereist wurde. Er wurde den Fünfgötterdrachen los, aber dessen Zähne rissen dabei unterschiedlich schlimme Wunden in sein Fleisch. „Pass gefälligst besser auf, Yugi, unverwundbar bist du nicht!“ schimpfte Appi mit ihm. Yugi gab als Antwort ein verärgertes Knurren von sich. Er wusste ja selber, dass Größe und Angriffskraft nicht alles war, daher ärgerte es ihn umso mehr, dass er verletzt worden war. Von weiter oben kamen nun zahlreiche Krieger herbei, in Rüstungen und gut bewaffnet. Als der Fünfgötterdrache das sah, zog er es anscheinend vor, sich erstmal zu verziehen, denn diese Übermacht war dann doch nicht empfehlenswert. Er schoss in die Höhe und suchte das weite in Richtung Gipfel, den er überflog, um dann dahinter zu verschwinden, doch er flog in niedriger Höhe weiter, statt in seine Höhle zurück zu kehren. Yugi setzte ihm nach. Er wollte ihn nicht entkommen lassen, denn früher oder später würde das Biest wieder angreifen! Lieber bestimmte er selbst den Ort. Doch auch seine Feinde hatten sich Gedanken gemacht. Mehrere Drachen mit Reitern kamen vom Fuss des Berges und stellten sich dem Göttermonster. Es machte den Eindruck, als wollten sie unter Einsatz ihres Lebens dafür sorgen, dass der Plan ihres Herrn nicht vereitelt wurde, denn sie waren alle keine wirklichen Gegner. Diesmal hütete Yugi sich aber, sie zu unterschätzen, schließlich tauchten sie in größeren Mengen auf. Er feuerte aus seinem zweiten Maul in die Reihen seiner Gegner, konnte aber nicht alle erwischen. Einige derer, die er traf, setzte dieser Angriff bereits außer Gefecht. Von seinem Rücken aus warf Appi magische Energiekugeln. Leider hielt der Angriff von Sorcs Lakaien ihn so lange auf, dass Yugi den Fünfgötterdrachen trotz seiner Größe aus den Augen verlor. Verärgert bekämpfte er die Lakaien noch wilder. Er merkte, das diese Gestalt seinen Character veränderte... statt der liebe, zurückhaltende Junge zu sein, wurde er regelrecht zur Bestie, wenn er kämpfte. Und im Moment störte es ihn nicht einmal, obwohl er wusste, dass er sich darüber Sorgen machen müsste. Appi versuchte, ihn etwas zu beruhigen, aber er hörte nicht darauf, sondern schmetterte die anderen Drachen gnadenlos zu Boden. Die schmerzenden Bisswunden machten ihn erst recht wütend, wenn er sie während des Kampfes störend bemerkte. Als der Weg frei war, jagte er in die Richtung, in der der Fünfgötterdrache verschwunden war, doch er konnte ihn nicht mehr finden. Entweder war er unglaublich schnell oder hatte sich versteckt. Beides fand er ziemlich feige, doch wenn er mit seinem menschlichen Verstand darüber nachdachte, war es das, was er auch gemacht hätte. Frustriert kehrte er zurück und landete schließlich auf dem Fünfgötterberg, wobei er das Mosaik auf dem Gipfel beschädigte und zwei Säulen umschubste. Appi sagte irgendetwas tadelndes. Der Zauberschüler sprang von seinem Rücken herunter und baute sich vor seinem Gesicht auf. „Kriegst du es hin, dich zurück zu verwandeln? Sei vorsichtig, du blutest!“ Yugi gab ein zischendes Geräusch von sich. [Was ist mit den Kriegern, die den Berg runter gestiegen sind? Sollen wir ihnen helfen?] „Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird. Wir reden hier vom Drachenhauchorden.“ [Na gut...] Es kostete Yugi schon ein bisschen Konzentration, in seine normale Gestalt zurück zu kommen. Er hatte zwischenzeitlich den Eindruck, als wollte er das auch gar nicht. Als es ihm schließlich gelungen war, fühlte er sich seltsam kraftlos, aber das überraschte ihn nicht. An seiner Brust und seinem Hals waren Bisspuren, die jetzt so aussahen, als stammten sie von einem Hund. Eine davon war tiefer, die von dem hakenförmigen Maul des Feuerkopfes. Sie war mit einer Brandwunde kombiniert. Yugi stöhnte auf und sackte in die Knie. Appi fing ihn ab und ließ ihn sachte zu Boden gleiten. „Du solltest dir wirklich angewöhnen, dich vorher auszuziehen.“ Er grinste. „Aber dafür haste wieder ein paar rote Schuppen behalten, und wer weiß was noch...“ „Oh... Mist... Mann ist mir schlecht!“ „Jedenfalls hast du den Drachen erstmal in die Flucht geschlagen, das reicht ja für den Moment. Der muss sich erstmal erholen.“ „Ich hätte mich mehr anstrengen müssen! Vielleicht hätten wir ihn besiegt, schließlich hatte der Treffer am Anfang ihm Angriffskraft genommen!“ Appi tätschelte die Schulter seines Freudes. „Und vielleicht ist das in der Realität etwas anders als auf dem Spielfeld, wer kann das sagen? Wir werden schon mit ihm fertig. Sorc schickt ihn bestimmt gegen das Feenschloss, was sonst sollte er tun? Bis dahin haben wir uns darauf vorbereitet, denn er kann das heute sicher nicht mehr machen.“ Yugi schaute auf. „Sag mal... wie lange bleibt der Drache denn jetzt hier, nachdem die ihn beschworen haben? Wird er nicht irgendwann wieder verschwinden?“ „Weiß ich nicht... wahrscheinlich, wenn er besiegt ist...“ Appi half Yugi, die Zelte zu erreichen, wo ihnen jemand entgegen kam und ihnen das Lazarettzelt zeigte. Dort wurden Yugis Verletzungen verbunden und er bekam etwas zum Überziehen, allerdings war es nur ein Hemdchen, das ihn an Krankenhaus erinnerte. Im Moment interessierte ihn das nicht besonders. Er legte sich auf ein Feldbett und schlief vor Erschöpfung ein. *** Sorc musste in der Höhle unter dem Berg eine Niederlage einstecken. Seine Leute, geschwächt vom Freikämpfen des Weges gegen unzählige kleine, lästige Viecher, hatten Breakers Männern nicht viel entgegen zu setzen, zumal einige geschickt wurden, um Slifer aufzuhalten, damit er nicht gleich den Fünfgötterdrachen erledigte – oder eher, ihn so lange aufhielt, bis ihn ein Lichtkrieger erwischte. Sorc wollte da kein Risiko eingehen, aber das führte dazu, dass er und der Rest seiner Truppe die Höhle nicht halten konnten. Sie mussten die Gefangenen zurücklassen, sehr zum Verdruss von Malice, der sich ziemlich lautstark beschwerte, als sie auf einem Drachen gemeinsam zum Stützpunkt zurück flogen. Aber es wäre lästig gewesen, auch nur eine bewusstlose Person mitzunehmen. „Was ist mit Ruin, kommt sie nach?“ erkundigte sich Malice. „Und warum sitzt DU vorne?“ Sorc blickte nach unten, sah noch Slifer in der Ferne verschwinden, als er versuchte, den Fünfgötterdrachen einzuholen. Seine Gefolgsdrachen waren besiegt und lagen am Boden oder waren geflohen, aber die würden mit ihren Reitern schon nachkommen. Schließlich wussten die Lakaien ja nicht, wo sie sonst hin sollten. Letztendlich war es Sorc egal, wenn er erstmal sein Ziel erreicht hatte, aber bis dahin behielt er lieber so viele Mitarbeiter wie möglich. „Sie kommt schon zurecht,“ antwortete er Malice schließlich. „Die Helden werden niemanden verfolgen, dafür sind sie zu edelmütig. Sie besiegen uns jetzt und sind damit zufrieden. Zumal der Orden sich eh nur mit etwas befasst, das ihn direkt betrifft. Die Drachen erholen sich auch, jedenfalls die meisten...“ Er ging nicht auf die andere Frage ein. „Warum habe ich nur immer das Gefühl, dass deine hoch brillianten Pläne nicht gelungen sind?“ moserte Malice. „Wieso immer? Wir haben den Drachen doch beschworen! Er wird uns zum Hauptquartier folgen und dann sehen wir weiter. Der Himmelsdrache hat ihn übersehen, dabei hat er sich doch nur in den Schatten da unten versteckt... Wie die meisten Drachen kann er sich klein machen. Naja unser kleiner Yugi ist eben noch unerfahren. Wir werden bald am Ziel sein. Ruhen wir uns etwas aus, und dann geht es zur Sache.“ Vor allem musste sich wohl der Fünfgötterdrache regenerieren. Sorc wollte ja nicht mit einem schlappen Supermonster angreifen, das wäre peinlich. Er fand, dass ihr Plan geglückt war. Eventuell war die kleine Wassermagierin tot, weil sie zu erschöpft gewesen war, aber das interessierte ihn nicht weiter. Er rechnete diesmal fest mit einem Erfolg. Seine noblen Gegner waren zu edelmütig, um effektiv zu sein. Würden sie einen Drachen bekämpfen, der Runa mit sich vereint hatte, wenn sie noch eine Chance sahen, die Frau zu retten? Das war der Trumph, auf den er noch bauen konnte! Aber ganz davon abgesehen gab es kaum ein Monster, das es mit dem Drachen aufnehmen konnte. Jedenfalls keins, das man mal eben aus dem Ärmel zog. Dieses Mal war der Erfolg ihnen gewiss. *** Als Crimson allmählich wieder seine Umgebung bewusst wahrnahm, erkannte er, dass er nicht mehr auf kalten Steinen lag. Unter seinem Rücken befand sich eine weiche Unterlage und etwas war über ihn gedeckt. Die Augen zu öffnen erschien ihm sehr anstrengend, daher beschränkte er sich darauf, das rechte Lid einen Spalt weit zu heben. Über ihm war eine Zeltplane gespannt. Er erkannte das an der grauweißen, leicht dreckig aussehenden Farbe und einer Querstange, die durch sein Blickfeld verlief. Außerdem roch es wie in einem Zeltlager, nach Erde, zertretenem Gras, feuchten Textilien und Eintopf, aber auch nach Medizin, vielleicht in Form von Kräutertee. Ob das positiv zu bewerten war, vermochte er noch nicht zu sagen. Er fühlte sich ein wenig erleichtert, aber das Lager konnte auch Sorc gehören, obwohl er sich nicht erinnern konnte, dass der Spinner Zelte mitgenommen hatte. Crimson wollte sich aber noch nichts vormachen. Bis er von jemandem, den er kannte und der nicht im Kerker mit ihm gewesen war, etwas anderes gesagt bekam, rechnete er noch mit dem Schlimmsten. Er musste wohl irgendwie gezeigt haben, dass er bei Bewusstsein war, denn jemand strich ihm mit einer sanften, aber schwieligen Hand über die Wange und sprach seinen Namen, eine Frau. Aber es war nicht Runa, auch keine der anderen. Instinktiv sammelte er seine Magie, nur um festzustellen, dass sie nicht reagierte. Es war, als würde er jemanden rufen, der in einem Haus mit geschlossenen Fenstern und Türen eingesperrt war. Die Hand und die Stimme blieben hartnäckig, und es ging so weit, dass die Frau seinen Kopf anhob und ihm etwas Wasser anbot. Crimson fand es es unglaublich mühsam, aber er bewegte die Lippen und schluckte, was ihm daraufhin eingetrichtert wurde. Welche Wohltat! Auf einmal war er richtig gierig und wollte mehr, konnte aber nicht so schnell trinken, wie er es sich wünschte. Er schluckte, was er bekam, und es dauerte bestimmt eine Minute, bis er etwa einen halben Becher geleert hatte. Dann befand seine Helferin, dass es erstmal reichte, und ließ seinen Kopf wieder auf das flache Kissen sinken. Sie nannte ihn „mein Junge“. Verwundert zwang er sich, beide Augen aufzuschlagen und sie anzusehen. Er kannte die Frau nicht, und doch... irgendwie schien sie ihm vertraut. Sie war blond, älter als er, und kriegerisch gekleidet. Ihr Stil erinnerte ihn an Paladia. Eine Amazone? Doch nicht etwa...? Er wollte etwas sagen, doch seine Stimmbänder spielten nicht mit. Seine Hände waren zu schwer. Diese Situation war so nicht tragbar! Energisch versuchte er, sich auf den Ellenbogen abzustützen, doch er schaffte es nur mit ihrer Hilfe und eiserner Willenskraft. Bei der Gelegenheit schaute er sich in dem Zelt um, und nun gab es auch keinen Zweifel mehr, dass es ein Zelt war. Ein großes mit mehreren Feldbetten drin. Einige waren belegt: Er sah Haryielle zuerst, sie hockte zusammen gekauert wie ein frierender Vogel auf der Liegefläche, doch es schien ihr gut zu gehen. Paladia lag auf ihrem Bett, aber sie war wach und blickte in seine Richtung. Als sie sah, dass sie seine Aufmerksamkeit hatte, lächelte sie. Burstinatrix saß auf ihrem Bett, stützte aber den Kopf schwer auf ihre Ellenbogen, die wiederum auf ihren Knien ruhten. Und Eria... ja, sie war auch noch am Leben. Crimson sah, dass eine andere Amazone an ihrem Bett saß und ihr Wasser zu trinken gab. Eria konnte alleine sitzen, die Amazone hielt aber vorsichtshalber eine Hand an ihren Rücken. War er etwa der letzte, der zu sich kam?! Er blickte wieder zu 'seiner' Amazone. „Mutter...?“ Sie lächelte strahlend, legte einen Arm um seine Schultern und drückte ihn kräftig. „Mein Junge... die anderen haben mir berichtet, wie tapfer du warst, ich bin ja so stolz... Wie schade, dass wir uns erst so begegnen, aber dein Vater war nie gerne auf Reisen, auch nicht zu mir...“ Oh... hatten sie ihr etwa alles erzählt? Er lächelte gequält. „Ähm... ja... ist ungünstig...“ Viel mehr brachte er nicht heraus und er war auch nicht der Typ für Sentimentalitäten, was aber wohl in ihrem Sinne war. „Mein Name ist Amazia,“ stellte sie sich vor. „Ich bin eine der Truppenführerinnen meines Stammes. Paladia gehört auch zu uns. Sie hat gesagt, dass du ihr gefällst...“ Ihre Augen blitzten berechnend. „Ich... fühle mich geehrt,“ murmelte Crimson. Er sank wieder zurück auf die Liege. Warum war er noch so geschafft, wenn alle anderen zumindest sitzen konnten? Und machte es eine Amazone besonders stolz, wenn ihr Sohn einer anderen gefiel? Die dünne Decke, die Crimsons Körper bedeckt hatte, war bei seinen Bemühungen ein Stückchen nach unten gerutscht. Amazia deckte ihn wieder zu, aber als sich der Stoff auf seiner nackten Haut bewegte, fiel ihm auf, dass er anscheinend gar keine Kleidung trug. Seine Gefährtinnen hatten alle etwas Behelfsmäßiges an, aber sie waren ja auch schon länger wach. Wie lange eigentlich? Er versuchte, an der Deckenplane des Zeltes die Zeit abzuschätzen, aber das war nicht leicht – er wusste nicht, wie dick oder wie dreckig die Plane war, doch es schien noch Tag zu sein, nicht etwa Nacht. Oder war die Nacht schon vorbei? „Ist... Vater auch da? Erkundigte er sich. Das war ihm wichtig, denn Shiro war die wichtigste Bezugsperson in seinem Leben. Eigentlich auch die einzige, wenn man von Dark als seinem Rivalen absah. Er war ein vom Vater allein erzogenes Kind. „Er wartet draußen,“ antwortete Amazia. „Wir haben uns seit gestern Nachmittag damit abgewechselt, neben dir zu wachen. Eigentlich sollte er jetzt etwas schlafen, aber das gelang uns beiden bisher nicht.“ Crimson runzelte die Stirn. Anscheinend war es doch schon der nächste Tag. Aber das war ganz logisch, wenn man einem übermächtigen Monster geopfert worden war. Wenigstens schienen es nicht mehrere Tage zu sein. „Ich gehe ihn holen,“ schlug die Amazone vor und tat das dann auch. In der Zwischenzeit blieben Crimson ein paar Augenblicke für sich. Erleichterung überkam ihn: Er und die anderen waren wirklich gerettet! Das allein zählte. Alles drumherum erfuhr er schon noch, und das Siegel wurde er los, sobald er ein paar Bücher durchforstet hatte. Unwillkürlich musste er an die Behauptung von Malice denken, dass er der Einzige war, der es lösen konnte. Unsinn! Das war bestimmt nur so eine Behauptung, um sich wichtig zu machen. Nicht wahr? Crimson stellte fest, dass er den Gedanken nicht ertragen konnte, seine Kräfte für immer verloren zu haben. Aber bevor er nicht ganz sicher war, dass in keinem Buch etwas stand, gab er nicht auf. Und dann konnte er immer noch irgendwelche weisen Leute besuchen, durch die Welt reisen auf der Suche... Ach herrje, was dachte er da? Er würde Malice zwingen, ihm die Lösung zu verraten! Ganz einfach! Seine etwas düsteren Gedanken wurden in dem Moment zum Glück von Shiro unterbrochen, der nun das Zelt betrat. Amazia war bei ihm, aber sie ging zu Paladia, überließ ihm das Feld. Shiro beschleunigte seine Schritte und fiel regelrecht neben dem niedrigen Feldbett auf die Knie. Mit dem Oberkörper lag er halb auf Crimson in einer seltsamen Art der Umarmung. Es dauerte nur kurz, doch in dieser Zeit schwankte Crimson zwischen sich freuen, gerührt sein, sich wundern und belustigt sein. All diese Gefühle waren fast zu viel. Er entschied sich schließlich, gerührt zu sein, denn sein Vater und er hatten zwar eine innige Beziehung, aber so emotional wurde Shiro eigentlich nie. Besorgt, ja. Manchmal umarmte er seinen Sohn auf kurze, kumpelhafte Weise, etwa wenn er froh war, dass er sein neuestes Experiment überlebt hatte. Doch jetzt... er schien fast zu weinen! „Ich dachte schon...!“ presste Shiro hervor, doch der Rest kam nicht über seine Lippen. Als er sich schließlich erhob und auf dem Sitzplatz niederließ, sah er sehr geschafft und unausgeschlafen aus. „Erst machen diese Kerle meinen Bruder zu ihrer Marionette, und nun haben sie sich an dir vergriffen! Oh Crimson, ich hatte solche Angst, dass ich dich nie wiedersehe...“ Der Weißhaarige musste glatt lächeln. „So leicht wirst du mich nicht los, Paps. Sag mal... stimmt es, dass Mad Erias Vater ist?“ „Shiro warf einen kurzen Blick zu dem Mädchen hinüber. „Ja doch... Jene Amazone dort ist ihre Mutter, Rohka. Sie weicht seit Stunden nicht von Erias Seite, also seit die Kleine aufgewacht ist. Mad fühlte sich überflüssig und schläft in dem zweiten Zelt, jetzt da er weiß, dass es dem Kind gut geht... Der wird sich noch dafür verantworten müssen, dass er Eria mit einem Trick bei sich behalten hat. Stell dir vor, er hat einer Amazone vorgegaukelt, sie hätte einen Jungen geboren...“ Crimson konnte sich kaum vorstellen, wie das möglich war, aber danach wollte er jetzt nicht weiter fragen. Es gab etwas anderes, das sie betraf, und damit waren sie leider wieder bei dem Thema, das ihm im Moment am meisten zu schaffen machte. „Ich habe Eria versprochen, sie zu unterrichten – sie hasst die Akademie.“ Ein wissendes Lächeln schlich sich auf Shiros Gesicht, hatte er doch das gleiche mit seinem Sohn durchgemacht. Doch Crimson fuhr fort: „Ich kann im Moment nicht offiziell ihr Lehrer sein. Würdest du dich ihrer annehmen?“ Das Lächeln wich einem besorgten Ausdruck. „Dann ist es also wahr? Crimson, ich mache alles, was dir hilft.“ „Das weiß ich doch...“ Sein Vater war bei ihm. Das überzeugte Crimson endgültig, dass er nichts mehr zu befürchten hatte. Die Erlebnisse der letzten Tage verlangten nach einem Ventil, und er erlaubte nur seinem Vater, jemals seine Schwäche zu sehen. „Bleib... einfach dort sitzen, ja?“ bat er, während sich sein Blick mit Tränen trübte, die er stumm vergoss, damit niemand sonst darauf aufmerksam wurde. Es gab andere Geräusche im Zelt und draußen, aber man hätte ein Schluchzen von ihm wohl trotzdem gehört. Shiro verdeckte den Blick auf sein Gesicht mit seinem Körper. Er war sogar so geistesgegenwärtig, irgendwas zu erzählen, damit Crimson einen Grund hatte zu schweigen, und falls er sich doch durch irgendwelche Geräusche verriet, wurden sie durch die Stimme des Lichtmagiers gedämpft. Crimson hörte halbherzig zu, doch ein paar Dinge erregten seine Aufmerksamkeit, und er fragte nach, als er sich etwas beruhigt hatte. „Ihr wart bei... Lord Genesis? Und Yugi hat Slifer gerufen?“ „Nun, letzteres habe ich nicht selber gesehen, aber der Junge wurde verletzt und ruht sich noch aus. Genesis ist schon recht schräg, aber anscheinend auf seine Art hilfreich... ich fand es interessant, ihm mal persönlich zu begegnen.“ „Er hat auch eine Bibliothek,“ überlegte Crimson. „Und da sind uralte Bücher drin... ich werde ihn schnellstmöglich besuchen. Könntest du inzwischen in unseren Beständen nachsehen? Vielleicht mit etwas Hilfe von ein paar Freiwilligen? Such nach... so etwas...“ Er drehte sich auf den Bauch, so dass Shiro das Siegel sehen konnte. Dieser Akt an sich strengte ihn wahnsinnig an. Wieso war er so schwach? Seine Decke rutschte ihm dabei fast weg, aber Shiro half ihm und strich sie soweit herunter, dass sie über dem Hintern endete. Der Anblick ließ den Magier scharf die Luft einsaugen. Crimson spürte die Finger seines Vaters auf seinem Rücken und verspannte sich. Das ärgerte ihn, denn er wollte auf keinen Fall zu den Leuten gehören, die nach so einem Erlebnis ein Trauma hatten, das sie sogar vor Berührungen geliebter Menschen zurückschrecken ließ! Er bemühte sich um Ruhe und spürte die Finger, wie sie an den frisch vernarbten Schnittstellen auf Wölbungen in der Haut stießen und darüber strichen. „Sie müssen dich mit irgendwas behandelt haben, das die Wundheilung beschleunigt,“ analysierte Shiro. „Dafür, dass es erst ein paar Tage alt ist, sieht es gut aus... naja im medizinischen Sinne.“ Seine flache Hand strich jetzt beruhigend über die unverletzte Rückenfläche. „Crimson... ich habe so etwas noch nie gesehen, auch nicht in Büchern, und ich lese sie alle regelmäßig, damit ich weiß, wo ich suchen muss. Ich werde nochmal nachsehen, aber ich glaube nicht, dass... Nun, also... gewiss habe ich es übersehen.“ Crimson atmete tief durch. „Schon gut, Paps. Nimm doch jemanden mit, der dir hilft... vielleicht Mad oder so. Ich reise zu Genesis.“ Das sagte sich leicht, denn er konnte kaum aufstehen. „Was ist... mit mir los?!“ Mit Mühe brachte er sich zurück in die Rückenlage. „Du wurdest dem Fünfgötterdrachen geopfert, das ist ganz normal...“ „Aber die anderen sind auch schon wieder ganz fit!“ Paladia hatte sich aufgesetzt, um mit Amazia zu sprechen, und die übrigen hatten damit offensichtlich auch keine Probleme. Shiro lächelte sanft. „Eria ist noch ein Kind. Ich habe schon gehört, dass sie durch Folter geschwächt gewesen ist, deshalb wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn sie bei dem Ritual gestorben wäre. Nicht umsonst nimmt man starke, gesunde Opfer für sowas. Denk genau nach, hm?“ „Ich... ich habe versucht...“ Crimsons Augen weiteten sich, als er begriff. Es hatte anscheinend geklappt. Eria war durch seine Kraft am Leben geblieben. Also war er nicht völlig machtlos. Was er noch vermochte, musste sich jedoch erst erweisen. „Du solltest was essen,“ meinte sein Vater schließlich. „Die anderen hatten alle schon was. Ich werde dir was holen und auch etwas Kleidung organisieren. Danach geht es dir bestimmt besser.“ Crimson nickte nur und ließ ihm machen. Gerne sogar. Mit der Aussicht auf Essen fing sein Magen erfreut an zu knurren... *** Fortsetzung folgt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)