Fremde Welten (#1) von Purple_Moon (Das Reich der Schatten ist gar nicht so gruselig.) ================================================================================ Kapitel 33: Lucrandas Lehren ---------------------------- Kapitel 33: Lucrandas Lehren Neo, Mava, Yugi und Appi waren alle gleichermaßen erschüttert. Sie standen in der Tropfsteinhöhle, starrten ihre in Tropfstein eingewachsenen Freunde an und wussten nichts zu sagen. Niemand traute sich zu fragen, ob sie wohl je wieder dort heraus kamen. Mava hatte bereits festgestellt, dass die Wesen, die hier unten gefangen waren, alle noch lebten, also galt das wohl auch für Dark und Blacky. Aber das machte es umso schlimmer, wenn sie dazu verdammt waren, für immer gefangen zu bleiben. Kuriboh flog in der Luft vor ihnen herum und machte Geräusche, als wollte er sie aufmuntern. Vielleicht wollte er ihnen auch etwas sagen, aber sie verstanden ihn natürlich nicht. "Wir können hier nicht ewig stehen bleiben, sondern sollten jemanden fragen, was das hier ist," meinte Mava irgendwann. "Den ganzen Weg zurück gehen?" Neo seufzte. "Das ist echt weit. Aber zugegeben, hier wird es mir zu kalt, als dass ich hier warten möchte..." "Können wir nicht Kuriboh schicken, damit er jemanden holt?" schlug Yugi vor. "Und wenn er dann nicht zurückkommt und wir den Weg nicht finden?" entgegnete Appi wenig begeistert. "Dann hocken wir hier fest oder wir verirren uns auf dem Weg nach oben." "Kuriboh wird uns sicher nicht im Stich lassen," verteidigte Yugi das kleine Monster, das daraufhin bestätigende Laute von sich gab und auf und ab hüpfte. "Seid mal leise!" unterbrach Neo. "Hört ihr das auch?" Alle verstummten und horchten. Es klang entfernt wie schlurfende Schritte, die sich aus dem hintersten Winkel der Höhle langsam ihrem Standort näherten. "Meint ihr, das ist das Wesen, das die Leute in die Steine sperrt?" flüsterte Mava. "Appi, leih mir mal deinen Ring! Neo, Yugi, krieg ich eure Schwarzen Anhänger?" "Nein!" zischten alle drei einvernehmlich zurück. Das Ding schien jetzt ganz nah zu sein, und dann konnten sie durch ein paar Säulen hindurch einen gedrungenen Schatten sehen. "Lasst uns abhauen!" schlug Appi vor. Seine Stimme klang leicht panisch. Das Ding kam um die Ecke und bewegte sich nun direkt auf sie zu. Es war eine Gestalt in einer dunklen Kutte mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze. Sie trug einen Stock bei sich und eine Laterne. "Der Schnitter! Nichts wie weg!" rief nun auch Neo. Yugi und Mava hatten gewiss keine Einwände. Aufschreiend rannte die Gruppe aus der Tropfsteinhöhle, ohne auf den Weg zu achten. In ihrer Furcht erloschen die Lichtkugeln, da sie ihre Konzentration verloren. Sie folgten einfach nur den Wänden, stolperten über Treppen, rannten durch mehrere Gänge und blieben schließlich keuchend stehen. Mava war als Erster wieder in der Lage, Licht zu machen. Er erschuf aber nur ein kleines, das er mit den Händen abschirmte. "Haben wir es abgehängt? Verflixt, wo ist Kuriboh? Wir haben uns bestimmt komplett verirrt und kommen ohne ihn nie mehr hier raus!" "Hör auf mit der Schwarzmalerei, Bruder!" ächzte Appi. "Hey, Neo, zupf nicht dauernd an meinem Gewand," beschwerte Yugi sich. "Aber ich bin doch hier hinter Mava!" meinte der Schwertkämpfer und sah Yugi über die Lichtkugel hinweg fragend an. Yugi drehte sich ahnungsvoll um. Eine gebeugte Gestalt, deren schrumpeliges Gesicht vom Schein einer alten Laterne in ein unheimliches Schattenspiel getaucht wurde, blickte zu ihm auf. "Avatar!" krächzte eine Stimme von der Qualität eines Reibeisens. Der Junge wich schreiend zurück, stieß Appi dabei um, der wiederum seine beiden Brüder anrempelte, bis sie alle auf einem wirren Haufen lagen. Mavas Licht verabschiedete sich. Sie versuchten zu entkommen, aber sie behinderten sich gegenseitig dabei. Auf einmal hörten sie die alte Stimme herzlich lachen. Wirklich, es klang nicht schauerlich, sondern amüsiert und gutartig. Überrascht hörten sie mit ihren Fluchtversuchen auf und starrten ihr Gegenüber im fahlen Schein der Laterne an. Eine Greisin kam unter der Kapuze hervor. "Was haben wir denn da, vier junge Burschen, einer von ihnen der Avatar des roten Gottes, von dem alle sprechen! Welch Glanz in diesen finsteren Gängen! Meistens kriege ich nur Frauen zu Gesicht!" Sie kicherte vieldeutig. "Äh... was willst du von uns und wer bist du eigentlich?" brachte Yugi hervor. Da er auf den drei anderen lag, fühlte er sich genötigt, die Sprecherrolle zu übernehmen. "Ich bin Lucranda, die Hüterin des Heiligtums. Folgt mir lieber, wenn ihr nicht in diesem Labyrinth verloren gehen wollt." Sie entfernte sich mit ihrem Licht. Die Magier beeilten sich, ihr zu folgen. "Lucranda? Gibt es nicht in unseren Geschichtsbüchern eine berühmte Fee, die so hieß?" grübelte Mava. "Aber die hat vor über 2000 Jahren gelebt! Selbst Feen sind nicht unsterblich!" meinte Neo. "Allerdings... leben sie ganz schön lange..." Das war offensichtlich, wenn es sich bei ihrer Begleiterin wirklich um jene Fee handelte. Sie gingen nicht allzu lange, ehe sie wieder in der Tropfsteinhöhle waren. Appi erschuf eine besonders große Lichtkugel. "Was ist das für ein Heiligtum?" wollte Yugi wissen, der noch immer fürchtete, seine beiden Freunde hier verloren zu haben. Lucranda führte sie durch die uralten Formationen hindurch. "Dies ist eine Manifestation der Heilkraft der Erde selbst. Hierher werden Feen gebracht, die im Kampf oder durch Krankheit so sehr geschwächt wurden, dass ihre Überlebenschancen sonst zu gering wären. An diesem Ort können sie die Energie von allem, was ist, in sich aufnehmen und sich heilen. Wir sind die Welt. Die Welt ist wir. Alles ist eins." Das war etwas sehr kryptisch, aber sie verstanden es in etwa. "Heißt das, die Leute hier unten werden alle wieder aus den Säulen herauskommen und normal weiterleben?" hakte Yugi nach. Er fühlte sich sehr erleichtert, wollte aber zur Sicherheit lieber noch einmal die Bestätigung haben. Lucranda lachte heiser. "Natürlich, ihr braucht keine Angst zu haben. Jedoch kann nur eine Fee diese Magie nutzen. Andere Wesen sind sich des magischen Flusses der Erde nicht genügend bewusst. Feen leben im Einklang mit dem kosmischen Gleichgewicht." "Äh, ich will Euch ja nicht widersprechen, weise Frau, aber Blacky und Dark sind keine Feen," warf Appi ein. Sie waren vor dem Tropfstein, in dem die besagten Magier eingeschlossen waren, angelangt. Jetzt konnten sie sehen, dass die Säule ganz nass war von langsam fließendem Wasser. "Dark ist halb Fee, aber Blacky nicht," ergänzte Yugi. Die Alte lachte wieder. "Kinder, Kinder, wenn die Unterscheidung mal so einfach wäre! Dieser blauhäutige Junge hat mehr Ahnung von den Zusammenhängen der Welt, als man von einigen Feen erwarten würde. Ganz einfach deshalb, weil er nicht alles hinterfragt, sondern schlichtweg als gegeben hinnimmt. Chaosmagier werden von vielen Feen abgelehnt, weil sie angeblich zu impulsiv handeln und alle Ordnung vernichten. Aber ein Chaosmagier bedient sich immer der Mittel, die ihm für seine Zwecke zur Verfügung stehen und seinen Fähigkeiten entsprechen. Er fragt nicht nach der Logik, zweifelt nicht an der Möglichkeit. Er tut es einfach, und so überwindet er Hindernisse, die für andere nur bestehen, weil ihnen ihre Zweifel im Weg sind. Davon abgesehen hat dieser hier eine Willenskraft, die für zwei reicht." Die vier Magier hatten gebannt zugehört, doch der Vortrag war noch nicht beendet. "Ihr hättet die beiden sehen sollen, als sie herkamen," fuhr die Hüterin fort. "Sie waren eigentlich viel zu schwach, dennoch erreichten sie diesen Ort, als würde er sie rufen. Keiner von beiden reagierte auf meine Worte. Sie stützten sich gegenseitig und wankten wie Schlafwandler genau auf diese Säule zu. Meine jungen Gehilfinnen wollten sie aufhalten, weil sie keine Feen sind. Hätte einer von beiden in diesem Moment gezweifelt, wären sie wahrscheinlich beide vor Erschöpfung gestorben. Ich kann das Band zwischen ihnen deutlich spüren. Sie vertrauen einander bedingungslos und können praktisch nur zusammen existieren. So etwas gibt es selten. Die Mutter des Feenjungen sollte froh sein, nicht betrübt." "Das stimmt allerdings," kam Yugi nicht umhin zu bemerken. "Wie lange wird es dauern, bis sie den Stein wieder verlassen können?" Lucranda hob die Schultern. "Woher soll ich das wissen? Bei zwei Feen, die dermaßen erschöpft sind, würde ich sagen, etwa dreißig Tage. Aber Feen gehen nicht so großzügig mit ihrer Magie um, weil sie immer daran denken, dass sie mit der Welt eins sind. Ihrer Ansicht nach darf man diese Verbundenheit nicht rücksichtslos ausnutzen. Magier haben eine andere Weltanschauung. Viele beuten die Kräfte des Universums einfach nur aus und wundern sich dann, warum sie ihnen so begrenzt zur Verfügung stehen. Wenn ihr mächtige Magier sein wollt, müsst ihr euch darüber im Klaren sein, dass ihr nur ein unbedeutendes kleines Licht seid. Ihr müsst die Magie bitten, euch zu dienen, statt zu verlangen, dass sie sich euch unterwirft. Die mächtigsten Magier sind deshalb so stark, weil sie nicht ständig um die Herrschaft über ihre Macht kämpfen müssen, sondern sich einer willigen Kraftquelle bedienen können. Aber die wenigsten sind sich dessen bewusst. Natürlich ist auch ein starker Wille wichtig, sonst könnt ihr die kosmischen Kräfte nicht kontrollieren." Mava, Neo, Yugi und Appi tauschten erstaunte Blicke aus. So kompliziert und gleichzeitig einleuchtend hatten sie es noch nie gehört. Vielleicht wussten auch Dark und Blacky das nicht, oder sie fanden es im Moment noch zu früh, es ihren Schülern zu sagen. Lucranda führte sie aus einem anderen Höhlengang hinaus ins Freie. Staunend sahen sie die Feenburg in einiger Entfernung als Silhouette auf einem Berg vor dem inzwischen dunklen Himmel. Die Nacht war draußen wärmer als in der Höhle. Sie fanden eine einfache Hütte vor, in der die alte Fee alleine lebte. Anscheinend war sie sehr angetan von den vier interessierten jungen Magiern, als hätte sie lange niemanden mehr gehabt, der ihr reichhaltiges Wissen erfahren wollte. "Dieser Junge, Dark... den kenne ich schon von klein auf. Seine Mutter brachte ihn zu mir, als er zum ersten Mal geäußert hatte, dass er wie sein Vater ein Magier werden wolle," plauderte sie, während sie eine Suppe über einem einfachen Kaminfeuer aufwärmte. "Weaver hoffte, dass ich ihm das ausreden würde. Sie ließ ihn allein bei mir, damit ich ihn so einschüchtere, dass er seinen Plan aufgibt. Anfangs fürchtete er mich, wie die meisten Kinder heutzutage. Aber als Weaver ihn nach drei Tagen holen kam, wollte er noch länger bleiben. Er war ganz fasziniert von meinen Lehren..." Das waren ihre vier jetzigen Besucher auch. Sie gaben sich keine Mühe, das zu verbergen, und so redete die Alte erfreut weiter. Besonders Mava war angetan von ihr. Während sie ihre Suppe aßen, erzählte er von seiner Gabe, die sich in letzter Zeit eher als Fluch erwiesen hatte. Lucranda hörte ihm aufmerksam zu und erklärte ihm dann, dass er bei einer solchen Gabe nicht alles seinem eigenen Körper aufbürden dürfe, sondern sich auf den Rückhalt anderer Kräfte verlassen müsse. Schließlich käme die zusätzliche Angriffsstärke ja auch nicht nur aus ihm selbst, sondern durch die magischen Artefakte. Da sein Element das Licht war, sollte er auf die Magie zurückgreifen, die dem Licht innewohnt. An dieser Stelle kamen Yugi, Appi und Neo bei den Einzelheiten nicht mehr ganz mit. Sie hörten zu, konnten aber nicht recht folgen. Mava dagegen schien regelrecht erleuchtet zu werden. Mit staunend geweiteten Augen hing er an ihrem schrumpeligen Mund und vergaß darüber sogar sein Essen. Er unterhielt sich noch mit der weisen Fee, als diese den anderen bereits ein einfaches Schlaflager hergerichtet hatte und sie im Schlaf all die neuen Informationen verarbeiteten. *** Yami und Seto standen am Montag sehr früh auf, da sie sich etwas wegen seiner Schuppen einfallen lassen mussten. Seto zog sich rasch an, borgte seinem Geliebten ein paar Sachen und fuhr ihn dann nach Hause, wo er ihn höchstpersönlich in die Schuluniform steckte. Wegen der Krallen waren ihm die Schuhe etwas eng, deshalb schickte der Firmenchef seinen Chauffeur los, um welche in einer Nummer größer zu kaufen. Nagelschere und Feile hatten leider nur bedingt geholfen. Davon abgesehen fand Seto es schade, einen Drachen zu verstümmeln. Die Zacken auf dem Rücken zeichneten sich unter der Jacke ab, was nicht gerade unproblematisch war. Letztendlich wickelte Seto Yami einen Verband um den ganzen Leib, so dass die Teile flachgedrückt wurden. Das war etwas unbequem, aber nicht zu ändern. Für den Hals fand Yami ein Shirt mit einem engen Bund am Hals, der genau mit dem Halsband abschloss, das er anlegte. Blieben die Hände. Da war nun wirklich nicht viel zu machen. Schon am Abend - nachdem er sich mit seinem roten Drachen vergnügt hatte - hatte Seto sich abgemüht, die zu Krallen gewordenen Fingernägel zu stutzen. Sie waren ziemlich hart und es wurden anstrengende Stunden des Feilens. Jetzt sahen sie einigermaßen vernünftig aus, wenn man nicht zu genau hinsah. Was die Schuppen auf den Handrücken betraf, da blieb ihnen nichts anderes übrig, als die beiden Hände zu verbinden und sich irgendeine Geschichte auszudenken. "Es wäre fast einfacher, du würdest gleich zu Hause bleiben, aber dann fällt wieder ein schlechtes Licht auf dich," überlegte Seto. "Auf Yugi, meinst du wohl. Wenn es nicht er wäre, den es trifft, wäre mir das vollkommen egal..." "Streng dich an. Dann kann dir keiner etwas vorwerfen. Du kannst halt nicht immer nur die Welt retten." Yami nickte bloß, schnappte sich die Schultasche und ging zur Limousine. Seine erste Schulwoche war ja nun nicht gerade rühmlich verlaufen, da freute er sich keineswegs auf die nächste. Aber er würde sich zumindest Mühe geben. Irgendwann würde er sich schon daran gewöhnen... allerdings hoffte er, dass er das nicht musste. Ohne Yugi war es ganz schön einsam. Zwar war Yugi im Grunde nur verreist, wenn man es mal beschönigend ausdrücken wollte, aber dass man nicht wusste, wann er zurückkehrte, war etwas lästig. Und während Yami sein Bestes tat, um das Leben seines Geliebten auf die Reihe zu bekommen, musste er ständig daran denken, was der andere wohl gerade durchmachte. Besonders, nachdem er nun ein halber Drache war. Der Schultag gestaltete sich friedlich. Da die Freunde sowieso alle mehr oder weniger von Wespenstichen gezeichnet waren, erzählten sie von ihrem Unfall mit dem Wespennest und behaupteten, dass Yami mehrfach in die Hände gestochen worden war und die Stellen sich entzündet hätten. Seto ließ sich da einige sehr medizinisch klingende Erklärungen einfallen, die im Grunde nur hießen, dass seine Hände Rötungen aufwiesen. Aber natürlich fragten die Lehrer nicht nach. Joey, Thea, Ryou und Tristan hatten sich vor der Schule aus Solidarität einige Pflaster ins Gesicht und an die Hände geklebt, obwohl es nicht bei allen wirklich etwas zu verdecken gab. Seto hatte sich Hals und Hände verbunden, die ja tatsächlich zerstochen waren. Die halbwahre Story klang demnach für alle plausibel, es überraschte die Mitschüler nur, dass Seto bei Yami übernachtet hatte. Dabei hatten sie allmählich mitbekommen, dass er sich der Truppe angeschlossen hatte. Frau Morikawa ließ Yami an diesem Tag dann auch in Ruhe, wofür sie alle dankbar waren. Aber sie verkündete, dass sie ein englisches Buch behandeln wollte, und die Schüler sollten sich bis morgen überlegen, welches. Yami wurde schlecht bei dem Gedanken, ein englisches Buch lesen zu müssen, aber er hatte ja außer seinen Freunden noch Großvater, der ihm sicher gerne dabei half. "Trägst du eigentlich diese Millenniumskette noch?" fragte Tristan in der Pause, als sie alle zusammen unter einem Baum saßen. Yami holte sie aus seiner Jackentasche. "Die Ärzte haben sie mir abgenommen, seither hatte ich sie nicht mehr um. Aber ich habe sie immer bei mir." Er steckte die Kette wieder weg, nahm das Millenniumspuzzle in beide Hände und betrachtete es wie einen lieben Freund. "Yugi scheint es zur Zeit gut zu gehen... Es ist schade, dass ich schlimme Dinge deutlicher spüren kann, aber ich denke, er ist in Ordnung und sogar ganz zufrieden..." "Diese Drachengestalt von dir stellt offenbar Slifer dar. Wenn er im Spiel ist, gab es vielleicht einen Kampf, den Yugis Seite gewonnen hat," überlegte Thea. Die anderen stimmten ihr zu. "Yugi war schon immer sehr mutig, wenn es darauf ankam," meinte Joey, der sich an einen Tag erinnerte, an dem Yugi ihn und Tristan gegen einen brutalen Schläger verteidigt hatte - obwohl er dabei selbst verletzt worden war. "Ich freue mich schon darauf, von seinem Abenteuern zu hören!" warf Ryou ein. "Der hat bestimmt total abgefahrene Sachen erlebt. Ich wünschte nur, wir müssten uns nicht solche Sorgen machen." "Jedenfalls dürfen wir bis zu seiner Rückkehr nicht unsere Zeit verschwenden. Yami, lern deine Vokabeln!" ordnete Seto halb ernst an. "Jawohl," antwortete Yami und vertiefte sich demonstrativ in sein Englischbuch, was die anderen zum Lachen brachte. "Gib ihm ne Auszeit, Kaiba, nicht jeder ist so ein Arbeitstier wie du!" meinte Joey und klopfte dem Braunhaarigen kumpelhaft auf die Schulter. "Au!" machte Seto, ehe er es sich verkneifen konnte. "Nimm deine Flossen weg, du wandelnde Katastrophe!" "Ups, ich vergas, du hast ja da überall Wespenstiche!" erinnerte Joey sich, konnte sich aber ein fieses Grinsen nicht verkneifen. "Man kann sich aber auch anstellen, so doll hab ich doch gar nicht zugeschlagen!" Seto errötete bis an die Haarwurzeln, während Yami sich hinter dem Buch versteckte. "Nach letzter Nacht..." begann Seto, "...sind da nicht mehr nur Wespenstiche," beendete Yami. Tristan, Tea, Joey und Ryou starrten die beiden mit offenen Mündern an. Seto holte sein eigenes Englischbuch hervor und hielt es ebenfalls vor sein Gesicht. Joey fand als Erster seine Sprache wieder. "Genau, wir wollten ja noch wissen, wie es war! Los, raus damit!" Seto musste trotz der Peinlichkeit der Situation leise kichern. "Wheeler. Was erwartest du? Ich habe mit einem Drachen geschlafen. Das ist etwas, was du niemals überstehen würdest, du Straßenköter." Tristan blickte von ihm zu Yamis mit Krallen bewehrten Händen, dann wieder zu Kaiba. "Du meinst..." Seto seufzte theatralisch, legte sein Buch aus der Hand und streifte seinen linken Ärmel bis zum Ellenbogen hoch. Vier unterschiedlich tiefe Kratzer kamen zum Vorschein. Der, welcher vermutlich vom Mittelfinger stammte, sah wirklich fies aus, während der äußere viel feiner war. Dennoch musste diese Nacht für den jungen Mann ziemlich schmerzhaft gewesen sein, wenn er so etwas noch an mehreren weiteren Körperstellen hatte. Joeys rechte Augenbraue zuckte, er grinste schief. "Tjaaa... das ist wohl der Preis, den man zahlt, wenn man Drachen so vergöttert wie du..." "Ich war echt erschrocken, als wir fertig waren und ich sah, was ich angerichtet hatte," ließ sich Yami von hinter dem Buch vernehmen. "Das an dem Arm ist noch harmlos. Wir hatten leider keine Verbände mehr dafür übrig, weil wir so viele für mich brauchten." "Jedenfalls haben wir heute beide einen verbundenen Oberkörper," ergänzte Seto, der sich einigermaßen unter Kontrolle bekommen hatte. Er bedeckte die Kratzer wieder mit dem Ärmel. "Meine Angestellten werden inzwischen neue Bandagen besorgt haben." "Mann... das ist echt hart," kommentierte Tristan, da ihm nichts Besseres einfiel. "Wer hätte gedacht, dass Seto so weit gehen würde..." murmelte Thea. "Wenn man bedenkt, dass er vor nicht allzu langer Zeit nichts von Magie und sowas wissen wollte..." "Pah..." Seto machte eine wegwerfende Handbewegung. "Nur weil ich mein Leben nicht nach Horoskopen ausrichte und nicht dauernd vom Schicksal spreche, muss es nicht heißen, dass ich alles mit der Wissenschaft erklären will, sonst könnte ich nicht mit Yami und Yugi zusammen sein, sondern würde davon ausgehen, dass Yugi schizophren ist." "Wieso denkst du das eigentlich nicht?" fragte Joey neugierig nach. Seto verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich mit einem überheblichen Grinsen gegen den Baumstamm. Herausfordernd sah er den Blonden an. "Hast du etwa noch nie einen Geist gesehen, Wheeler?" Er lachte, als hätte er gerade im Duell triumphiert. Die anderen seufzten schicksalsergeben. Nach der Schule traf sich Tristan noch mit Marik und ein paar anderen Jungs von der Motorradrallye. Als er später bei Mutous zu Hause auftauchte, wo Großvater gerade eine Runde Duel Monsters gegen Seto verlor, hatte er nicht nur den Ägypter, sondern auch Valon im Schlepptau. Dieser hatte eine Einladung für die Truppe. "Ich habe meinem Chef von euch erzählt, er möchte euch gerne kennen lernen und lädt euch deshalb zum Essen ein. Er spielt nämlich auch Duel Monsters. Passt es euch heute Abend? Wir müssen dann wieder nach Amerika abreisen." Yami, der den Neuankömmlingen die Tür geöffnet hatte, nahm den Brief mit der Einladung von Valon entgegen. Kaum dass er den Brief berührte, blitzten seltsame Bilder in seinem Geist auf: Eine unbekannte, brennende Stadt. Ein Drache, der auf einen großen, undefinierbaren Schatten zuflog. Das Gefühl eines schwerwiegenden Verlustes... Yami brauchte nicht nachzusehen. Er wusste, dass die Millenniumskette in seiner Tasche aufleuchtete. Alles ging jedoch so schnell, dass die anderen so gut wie nichts merkten. Während er die Besucher hereinbat, öffnete er den Brief. "Ich fürchte, ich kann heute nicht. Ich war gesundheitlich sehr angeschlagen in den letzten Tagen, und vielleicht haben dir Marik und Tristan von meinem neuesten Unfall erzählt. Die Ärzte halten es für besser, wenn ich mich so wenig wie möglich anstrenge." "Ist ja echt schade," meinte Valon. Er wandte sich an Marik und Tristan. "Ihr kommt doch, oder? Und vielleicht Joey und Thea? Oder Seto, Ryou?" "Ich hab schon was mit meinem Bruder vor, sorry," behauptete Kaiba. "Habt ihr etwa alle vergessen, dass ihr uns begleiten wolltet? Ihr habt es versprochen." Davon wussten sie zwar nichts, aber die Freunde schalteten schnell. "Oh nein, sowas Dummes, daran habe ich gar nicht mehr gedacht," rief Tristan aus. "Schade, es lässt sich wohl auch nicht verlegen, morgen kann ich nicht und Mittwoch hat Joey keine Zeit..." fügte Thea hinzu. "Genau, wir sind im Moment voll eingespannt," bestätigte Joey. "Marik, du Schussel, du wolltest doch auch mit zu Mokubas Feier kommen!" "Oh... ja, richtig." Der Ägypter tat ganz verlegen. "Valon, das ist mir jetzt echt peinlich. Aber wir haben Essen bestellt und alles..." "Ganz zu schweigen davon, was wir alles auf die Beine gestellt haben, um die Band zu bekommen..." fügte Ryou noch hinzu. Unter diesen Umständen verabschiedete sich Valon gezwungenermaßen. Sie warteten, bis er mit seinem Motorrad davongefahren war. "Was war denn das jetzt?" wollte Großvater dann wissen. "Ihr habt euch ja am Ende alle gegenseitig mit Geschichten übertroffen." "Ja, Yami, warum wolltest du nicht hin?" fragte Marik den Pharao. Dieser holte die Millenniumskette hervor. "Ich hatte eine Vision, denke ich... es war wie eine Warnung... Danke, dass ihr alle mitgespielt habt." "Ich frag mich, was an diesem Boss faul ist," grübelte Tristan. "Und was ist mit Valon und den anderen? Stecken sie in irgendeiner illegalen Sache drin? Handel mit geklauten Motorrädern oder so?" "Ich glaub nicht, dass die Kette auf sowas reagiert hätte," meinte Marik. Seto seufzte. "Ja, ich weiß, sie tut das nur, wenn das Schicksal der Welt davon abhängt. Wie auch immer, wir können jetzt keine weiteren Probleme gebrauchen." "Aber wenn wirklich wieder was im Gange ist, das das Schicksal der Welt bedroht?" gab Tristan zu bedenken. "Das muss warten," beharrte Seto. "Wenn es so wichtig ist, wird es schon wieder auf uns zukommen, ansonsten kann ja auch mal ein anderer die Welt retten. Warum geht ihr eigentlich davon aus, dass das immer mit einem Kartenspiel geht?" "Genau," bestätigte Yami. "Aber wenn Yugi zurück ist, werden ich erstmal versuchen, meine Erinnerungen zurück zu gewinnen." Die Gruppe verfiel in Schweigen. Allen war klar, dass der Pharao ein Geist war und sie eigentlich irgendwann verlassen musste. Aber falls er das vorher tatsächlich gewollt hatte, sah die Situation nun anders aus. Er hatte jetzt Seto und Yugi, die er mehr als nur freundschaftlich liebte. Konnte er sie verlassen? *** Fortsetzung folgt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)