Schatten des Lichts von rot ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Genre: Freundschaft, Liebe, Verrat, der Gaube an sich selbst und an die Menschen, die man liebt, wird auf die Probe gestellt. Von witzigen Szenen bis zu denen für die man wohl doch eher starke Nerven braucht ist so ziemlich alles dabei, da ich versucht habe die Geschichte relativ abwechslungsreich zu gestalten. Inhalt: Die 17 jährige Misa beschließt nun endgültig ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen. Den Anstoß dafür gab die Entscheidung ihres Vaters sie in eine Verlobung zu zwingen, um seinen eigenen Interessen nachzukommen. Doch warum besteht er auf diese Verbindung? Warum setzt er Misas Glück einfach so aufs Spiel? Wird sich ihr Leben tatsächlich zum Besseren verändern, oder kehrt sie letztendlich reumütig nach Hause zurück? Zeichenerklärung: "..." gesprochenes ,...' gedachtes #...# Erinnerung * Ortswechsel ~~~ Traum (...) die Kommentare der werten Autorin Schatten des Lichts Teil 1 Der Mond scheint hell vom Himmel herab. Doch niemand hört sein leises Wispern, das immer wieder vom Wind, der über die zarten Gräser streicht und diese in der kühlen, rauen Luft der Nacht hin und herwiegt, hinfort getragen wird. Still ruft er nach seinen Kindern, aber wie so oft vergeblich. Er liebt und bewacht jedes einzelne seiner zerbrechlichen Sternenkinder, damit sie nicht verloren gehen, doch so manches kommt dennoch von seinem Weg ab und irrt in der schier unendlichen Dunkelheit umher, bis es auf einem anderem Weg zurückfindet. Keine Angst. Auch du findest deinen Weg. Deinen Weg zurück ins Licht. ,Ich frage mich wirklich was Vater dazu gebracht hat so plötzlich nach Hause zu kommen. Ich habe ihn schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen. Das letzte Mal, als er so kurzfristig angerufen hat, dass er am Wochenende nach Hause kommt war.... keine Ahnung. Ich denke noch nie." Mit einem leisen Aufseufzen rutschte das Mädchen das ihre braun, gelockten Haare nach oben gesteckt hatte, noch tiefer in das Wasser der Badewanne und kippte dabei noch etwas Badeöl mit süßem Erdbeergeruch in das bereits von einer dicken Schaumschicht überzogene Badewasser. Sie liebte diese sanft umhüllende Wärme und vergas darin nur allzu gern die Zeit, bis ihre Finger und Zehen völlig verschrumpelt waren und sie von Nanatsaja, ihrer Kinderfrau, daran erinnert wurde, dass sie schließlich auch irgendwann wieder rauskommen musste. Und so wie es aussah, war es auch schon wieder an der Zeit die Wanne zu verlassen, da sie bereits hinter dem Paravent ihr leicht genervtes auf und abgehen hören konnte. Nichts desto trotz schloss sie genießerisch ihre Augen, als sie noch einmal tief den süßlichen Duft einatmete. "Jetzt komm schon! Trödle nicht so lange rum! Dein Vater dürfte inzwischen längst angekommen sein und du weißt doch genau, dass er es hasst lange warten zu müssen." "Schon gut, schon gut. Bin ja gleich fertig. Was gibt es eigentlich so wichtiges, das er extra aus Kurata zurückkommt? Er ist doch sonst kaum hier. Das finde ich schon höchst verdächtig. Du weißt nicht zufällig warum er so dringend persönlich mit mir unter vier Augen reden will?" "Tja tut mir Leid, ich weiß genauso wenig wie du." "Hmmmmm...Wegen meinem Geburtstag kann es nicht sein. Den hatte ich erst vor zwei Monaten." Seufzend klappte Nanatsaja nun den Paravent zur Seite und hielt ihr ein Handtuch hin. "Jetzt komm schon endlich aus der Badewanne raus! Du sitzt bereits seit einer Stunde drin. Das Wasser müsste schon längst kalt sein. Die Sachen zum Anziehen hab ich dir schon hingelegt." Erschrocken bedeckte die junge Frau ihre Blöße und rutschte noch tiefer bis knapp unter ihre Nase in das Wasser. Protestierend blubberte sie ein paar Luftblasen mit dem Mund, bevor sie sich eilig das Handtuch schnappte, das sie ihr noch immer vor die Nase hielt. "Danke, aber es hätte gereicht wenn du es mir auf den Wäschekorb gelegt hättest." Mit den Augen rollend drehte sich die bereits ergraute Frau um, um ihrem Schützling die gewünschte Privatsphäre zu gewähren. Wenige Minuten später kam Misa fertig angezogen aus dem Bad. "Dann los beeil dich." "Bin schon weg." Voller neugieriger Erwartung rannte Misa jetzt in die Richtung des Arbeitszimmers ihres Vaters. Ihr eigenes Zimmer befand sich am Ende der riesigen Villa, die in historischen Stil erbaut und mit ausgewählten Designermöbeln eingerichtet wurde. Das Anwesen an sich befand sich weit außerhalb jeglicher Zivilisation. Nur wenige Menschen verirrten sich in diese Gegend. Wobei verirren wohl auch das richtige Wort dafür war, da die Villa direkt an einer Küste angrenzte und sich ansonsten nur ein riesiger Wald um das Haus erstreckte. Es war mehr als ungewöhnlich wenn sich tatsächlich jemand in dieser Gegend blicken ließ, der nicht zum Personal der Wakabashis gehörte. Besonders da sich dieses Besitztum mit dem umliegenden Land im Privatbesitz der Familie befand. ,Ich habe Vater in den letzten Jahren kaum gesehen. Ich meine gut, Kurat ist mindestens 200 Meilen von hier entfernt, aber er könnte sich trotzdem mal öfter hier blicken lassen. Er kann mich doch nicht einfach ablegen wie einen gebrauchten Hut. Ich weiß, er hat seine Firma dort und viel zu tun, aber trotzdem... und dass ich ihn dort besuche oder auch nach Kurata ziehe lehnt er auch immer ab. Oh, ja. Wie konnte ich es vergessen? Es ist ja auch viiiiieeeel zu gefährlich für mich. Mir könnte schließlich etwas passieren, jemand könnte mich überfallen, blablabla... Oh Gott ja, wie ich seine Ausreden hasse! Manchmal denke ich, dass ist alles nur eine Ausrede, weil er mich nicht bei sich haben will... Aber ich hab doch niemanden mehr außer ihm! Und Seiji wohnt ja schließlich auch dort! Tja, mein Bruder darf mit, aber ich werde hier wie ein Vogel im goldenen Käfig gehalten. Aber er ist ja auch zu etwas zu gebrauchen, im Gegensatz zu mir.' Keuchend kam Misa an der Tür des Arbeitszimmers an und holte nach den vielen Treppen noch einmal tief Luft. ,Also dann...' Leise kaum hörbar klopfte sie an, als sie die Stimme ihres Vaters hörte, der sie zum Eintreten bat. Vorsichtig steckte sie zuerst nur den Kopf in das Zimmer. Dieses war ihr schon immer unheimlich gewesen. Obwohl alles sehr stilvoll eingerichtet war und vom unvorstellbaren Reichtum des Wakabshi Klans zeugte, fehlte dem Raum irgendwie die Seele. Das dunkle Holz des Schreibtischs, der Regale und die hölzernen Ornamente entlang der Decke ließen das gesamte Zimmer sehr düster wirken. Doch als sie ihren Vater erblickte, strahlte Misa über das ganze Gesicht, fiel ihm in die Arme und warf ihn durch die stürmische Begrüßung fast zu Boden. Vollkommen überrumpelt taumelte er ein paar Schritte zurück, ehe er zögernd einen Arm um sie legte und sie kurz an sich drückte, bevor er erfolglos versuchte sie von sich zu schieben. "Hämm......hä... Misa...du schnürst...mir noch die Luft ab." Augenblicklich ließ sie ihn los. "Tschuldigung...aber hey, ich hab dich mindestens schon drei Monate nicht mehr gesehen!" "Ja, tut mir Leid, aber ich hatte in letzter Zeit viel zu tun." "Hmmhum..." Misa nickte nur und blickte erwartungsvoll zu ihrem Vater auf. "Was wolltest du eigentlich so dringend mit mir besprechen? Oh... lass mich raten! Du hast es dir noch einmal überlegt und ich darf nun doch mit nach Kurata. Ich bin schließlich schon 17! Also ein großes Mädchen, das auf sich selbst aufpassen kann." Eigentlich war es mehr ihr Wunschdenken, als dass sie wirklich erwartet hätte, dass er seine Meinung so plötzlich geändert hätte, nachdem sie ihn nun schon seit Jahren ohne Erfolg anbettelte. Ein etwas schiefes Lächeln stahl sich über sein Gesicht, bevor er auf eine Ledercouch neben sich deutete. "Setz dich erst mal. Ich muss etwas Wichtiges mit dir besprechen." Gespannt ließ sie sich in die Couch sinken und wartete, dass er nun endlich verraten würde, was denn nun sein unerwarteter Besuch zu bedeuten hatte. Nach kurzem Zögern lehnte er sich gegen seinen Mahagonischreibtisch und suchte wohl noch nach den richtigen Worten, ehe er begann. "Es geht um deine Zukunft und vor allem darum, wie diese sich am besten Gestalten lässt. Du weißt doch, ich will nur das Beste für dich und aus diesem Grund, habe ich bereits einen Weg für dich gewählt, bevor du auf die schiefe Bahn gerätst und eine falsche Entscheidung triffst." Das klang nun schon einmal nicht nach dem, was sie sich erhofft hatte. Denn jede noch so wunderbar getroffene Entscheidung ihres Vaters über ihr Leben bedeutete nur noch weitere Ketten. Normalerweise war er auch nicht gerade der Mann vieler Worte und kam immer ohne jegliche Umschweife auf den Punkt, doch dieses Mal schien er sichtlich bemüht ihr diese Nachricht auf einfühlsamere Weise zu vermitteln, als sonst, was sie umso mehr beunruhigte. "Was meinst du damit?" "Seiji ist ein großartiger Junge. Er wird es mit der Firma noch weit bringen und du kommst langsam in ein Alter in dem du dich für gewisse Dinge zu interessieren beginnst." Bei den Worten ,gewisse Dinge' schwante ihr bereits Unheilvolles, da ihr Vater immer besonders darum bemüht war, sie von jeglichem männlichen Kontakt fernzuhalten. "Ich glaube, ich verstehe noch immer nicht ganz." Sie wollte eigentlich gar nicht daran denken, worauf er möglicherweise hinaus wollte. "Ich meine damit, dass du langsam ins heiratsfähige Alter kommst und ich gerne meine beiden Kinder glücklich sehen würde. Und da ihr keine wirklichen Geschwister seid, halte ich es für die beste Lösung, wenn ihr euch zusammentut." Ihre Augen weiteten sich, als sie langsam anfing zu begreifen. ,Seiji? Heiratsfähiges Alter?!!! Ich bin 17! Erst 17!!!!! Und hab gerade Mal einen einzigen Jungen geküsst!' Sie hoffte inständig, dass das alles nur ein verfrühter Aprilscherz sei und stotterte deshalb nervös lachend vor sich hin. "Du...du meinst doch nicht.. ich.... ich soll Seiji heiraten?! Ich weiß, ich bin nicht deine richtige Tochter, aber.... Seiji? Ich kann doch unmöglich...Ich meine, er... er ist mein Bruder. Nicht im biologischen Sinn, aber er ist...mein ...mein Adoptivbruder, aber...ER IST 23! Ich bin 17! .... Außerdem...nein, das kann ich nicht!" Sie griff nach jedem Strohhalm, denn der Altersunterschied war nun nicht wirklich ein Problem für sie, besonders da der Blick ihres Vaters sie verstehen ließ, dass es sich hierbei keineswegs um einen schlechten Scherz handelte. "Ich kann mir vorstellen, dass du im Moment noch etwas verwirrt bist. Aber du wirst einsehen, dass es das Beste für dich ist. Und Seiji hat bereits zugestimmt." ,VERWIRRT!!!' Völliger Unglauben stand in ihrem Gesicht geschrieben und sie versuchte verzweifelt einen klaren Gedanken zu fassen, während ihr bereits ergrauter Vater die Sache inzwischen schon für beschlossene Sache hielt. "Aber ich liebe ihn doch nicht! Nicht so, nicht auf diese Art... Ich habe auch längst nicht vor schon zu heiraten! Das kann doch unmöglich dein Ernst sein! Hast du...hast du was getrunken?! Wie kommst du überhaupt auf diese absurde....?!" Sie brachte vor Wut kein einziges Wort mehr über ihre bebenden Lippen. Ohne eine Antwort abzuwarten, wollte sie schon davonstürzten, als sie die Stimme ihres Vaters noch kurz innehalten ließ. "Es ist nicht so, als ob du eine Wahl hättest. Ich habe mich bereits entschieden. Du solltest mir dankbar sein, dass ich dich damals aufgenommen habe." Mit ungläubig, aufgerissenen Augen drehte sie sich noch einmal um und versuchte ihren Vater, den sie immer so sehr bewundert hatte, unter den eisernen Gesichtszügen des Mannes vor ihr zu erkennen, bevor sie leicht den Kopf schüttelte und versuchte Luft in ihre wie zugeschnürte Lunge zu pressen. Sie erkannte ihn nicht wieder. Niemals hätte sie erwartet derartige Worte aus seinem Mund zu hören. Kurz nickte sie ihm zu, ehe sie ein leises ,Danke' murmelte und die Tür hinter sich schloss. Hastig sah sie sich in aller Eile um und warf ein paar Kleider, Brot, eine Salami und Äpfel, die sie gerade erst aus der Küche gestolen hatte, zusammen auf einen Haufen, den sie schnell in ein großes Tuch wickelte. Sie war so wütend, dass sie alle paar Minuten die Zähne aufeinanderbiss um nicht laut aufzuschreien und machte ihrem Ärger letztendlich Luft indem sie hart gegen einen Bettpfosten trat, nur um mit einem unterdrückten Aufschrei auf einem Bein auf der Stelle zu hüpfen. Sie würde hier nicht einen Augenblick länger bleiben. Sie hatte keinen blassen Schimmer wohin sie gehen würde, aber was genug war, war genug. Misa hatte sich schon oft vorgestellt, wie es wäre diesen trostlosen Ort zu verlassen. Vor einigen Jahren hatte sie sogar, als sie besonders wütend auf ihren Vater war, die möglichen Ruten, die sie gehen könnte, in einer Landkarte eingezeichnet, doch den Gedanken gleich wieder verworfen, als sie die großen Distanzen zwischen ihr und der nächsten Zivilsation berechnete. Außerdem wusste sie nur allzu gut, auf welchen Luxus sie verzichten würde müssen, einen Standart den sie so gewöhnt war, dass sie sich nicht vorstellen konnte, wie sie jemals ohne Bedienstete überleben könnte. Auch das geliebte Klavier im Salon ließ sie nur schweren Herzens zurück. Es war oft das Einzige gewesen, das diesem Haus Leben einhauchte. Aber dieses Mal gab es kein zurück, nur noch ein Forwärts. Es war ihr inzwischen gleich ob sie auf dem harten Boden schlafen musste, oder dass es vielleicht Tage dauern könnte, bis sie wieder auf einen Menschen traf. Die letzten Worte ihres Vaters und nicht zuletzt seine irrwitzigen Idee sie mit ihrem Adoptivbruder zu verheiraten, brachten das Fass zum überlaufen. Nicht nur dass er sie einfach monatelang alleine in dieser Einöde sitzen ließ, nein! er verlangte doch tatsächlich von ihr, dass sie ihr Leben nur nach seinen Vorstellungen lebte. Doch Misa hatte eigene Pläne und die gingen noch nicht einmal ansatzweise in dieselbe Richtung, wie die die er für sie vorgesehen hatte. Sie würde nicht als kleines Frauchen neben ihrem Bruder enden und als sein nettes Assesoir bei Dinnerparties den Wakabashi Klan repräsentieren. Nein, sie würde leben und dieses Mal richtig. Einen Moment lang hielt sie inne, als ihr Blick auf die Kommode fiel. Zögernd holte sie eine silberne Haarspange in der Form eines Schmetterlings mit kleinen Opalen besetzt aus einer der Schubladen und strich vorsichtig mit den Fingerspitzen über die glatte Oberfläche, ehe sie die Spange umdrehte und ihre Finger über die filigrane Gravur wandern ließ. ,AKIKO' Wütend über sich selbst warf sie sie achtlos wieder zurück und schnappte sich stattdessen einen alten Kompass, den sie in einer kleinen Kiste mit anderem Krimskrams verstaut hatte und der wie sie hoffte noch funktionnierte, ehe sie das geschnürte Bündel packte und ihn zwischen die Kleidung stopfte. Mit klopfendem Herzen lief Misa im Schatten der großen Eichen in die Abenddämmerung hinaus, ohne zu wissen wohin sie ihre Beine trugen, als sie plötzlich an einem ihr viel zu bekanntem Ort ankam. Auf der Klippe an der sie nun stand, befand sie ein großgewachsener Baum, der sich im Wind hin und her wiegte und dessen Blätter sich wie die Wellen der Gischt, die sich immer wieder gegen die Klippen warf, im selben Rhythmus bewegte. So lange sie sich zurückerinnern konnte, hatte sie hier gesessen und den Sonnenuntergang beobachtet. Zuerst mit ihrer Mutter, die sie von hinten an sich drückte und ihr zärtlich einige wilde Strähnen aus dem Gesicht strich, später allein. Ihr verklärter Blick richtete sich auf den schier unermesslich weiten Horizont, an dem sich die untergehende Sonne noch im Wasser spiegelte. "Kannst du dir eigentlich vorstellen, was du mir angetan hast? Antworte mir!" Zuerst noch flüsternd und dann mit tränenerstickter Stimme rief sie die letzten Worte dem Himmel entgegen. "Nein, natürlich nicht, wie könntest du auch. Dafür bist du viel zu egoistisch. Ich hasse dich! Das verzeih ich dir nie..." Ihr ganzer Geist fühlte sich leicht benebelt, ihr Körper taub, so als wäre sie nur unglaublich müde. ,Warum...warum hast du das getan? Warum hast du mich allein zurückgelassen? Hast du mich denn nicht geliebt? Hast du mich einfach VERGESSEN!!!' Wie betäubt ließ sie sich auf die Knie sinken und die Tränen liefen ihr unaufhaltsam die Wangen hinunter. "Ich hasse dich." Am Horizont tauchte das einst helle, wärmende Licht alles vor ihren Augen in eine blutrote Farbe. ,Blut...überall Blut, aber...' #Als sie wieder an sich hinab sah, sah sie kleine Kinderhände, die sie als ihre eigenen erkannte und an ihren Händen klebte überall die noch warme Flüssigkeit. Ein Schreckensschrei erstarb noch in ihrer Kehle, als sie vor sich ihre tote Mutter liegen sah. "Mama wach doch auf. Warum wachst du nicht auf Mama?" Unwillkürlich rüttelte sie an der leblosen Gestalt. "MAMA......" Schluchzend legte sie sich über den im eigenen Blut getränkten Körper. Noch im selben Moment veränderte sich das Bild wieder vor ihren Augen. Das Grab ihrer Mutter tauchte vor ihr auf und im Hintergrund konnte sie leise Stimmen flüstern hören. "Das arme Kind, was wird jetzt aus ihr?" "Hat sie den keine Verwandten?" "Nein, soweit ich weiß, ist ihr Vater schon vor Jahren bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen und von anderen Verwandten ist nichts bekannt." "Die arme Kleine. Erst 6 Jahre alt und schon völlig allein auf der Welt." "Hmm..... Aber ich habe gehört, dass Herr Wakabashi sich um sie kümmern will. Sie haben ja schon vorher bei ihm in der Villa gewohnt. Wenn du mich fragst war ihre Mutter eine Art Mätresse." "Hört auf..." "Ja, die arme Frau Wakabashi! Sie hat ihren Mann offensichtlich wegen diesem, diesem billigem Flittchen verlassen." "Nicht wahr! Unglaublich, dass sie sich einfach in seinem Haus eingenistet hat!" "Hört auf ...bitte..." "Allerdings." "Wahrscheinlich hat sie Gewissensbisse bekommen und hat sich deshalb umgebracht. Das wäre in diesem Fall sogar verständlich. Immerhin hat sie eine damit eine glückliche Familie zerstört. Aber das Kind kann ja nichts dafür. Man kann sich die Eltern ja schließlich nicht aussuchen. Und wenn er sie jetzt wirklich adoptiert, wird vielleicht sogar noch etwas aus ihr. Weiß doch jeder wie reich die Wakabashis jetzt sind." "So gesehen hätte ihr gar nichts Besseres passieren können." "HÖRT ENDLICH AUF!!!.....bitte...das ist nicht wahr..."# Mit diesen schmerzlich geschrienen Worten, die in ein leises Flüstern übergangen waren, erwachte Misa aus ihrer Trance in die sie gefallen war. ,Es ist doch schon über 10 Jahre her. Warum kann ich nicht endlich vergessen. Es schien mir so real, als wäre es wirklich gerade erst passiert. Du hast mich hier allein zurückgelassen hast. Du hast mich einfach vergessen.... Dazu hattest du kein Recht! Niemand hat das Recht sich das Leben zu nehmen... Niemand! Das verzeih ich dir nie!' Die Tränen die sich zuvor aus ihren wütend zusammengekniffenen Augen gestohlen hatten, wurden ihr durch den beißend kalten Wind des Meeres bewusst. Hastig wischte sie mit ihrem Handrücken über ihr Gesicht, als sie bemerkte, das sie nun schon für geraume Zeit hier gestanden haben musste, da bereits die Nacht über ihr hereingebrochen war. Nicht ein wärmender Sonnenstrahl fiel auf ihren bereits vor Kälte zitternden Körper, als sie den Mantel den sie vorsorglich mitgebracht hatte überzog. Noch einmal ließ sie den Blick über das nur noch schemenhaft erkennbare Anwesens schweifen, dessen Fenster nun das schwache Mondlicht reflektierten, oder aus denen das künstliche Licht der wenigen bewohnten Räume strahlte. Für einen Moment lang glaubte Misa sogar einen Schatten zwischen den großen Eichen huschen gesehen zu haben. Doch sie musste sich getäuscht haben, denn es war doch schließlich unmöglich, dass man ihre Abwesenheit bereits bemerkt hatte. Dafür hatte sie gesorgt, indem sie lautstark verkündet hatte, als jemand an ihre Tür klopfte, nachdem sie diese vor Zorn zugeschlagen hatte, dass sie für den Rest des Abends niemanden mehr sehen möchte. Der Anblick der prächtigen Villa war alles andere als einladend und so sammelte sie noch einmal all ihren Mut um den nächsten Schritt zu wagen. Noch einmal ließ sie sich die letzten Worte ihres Vaters durch den Kopf gehen. ,Du hältst mich wie eine Gefangene hier eingesperrt! Ich sollte dir dankbar sein. Ich bin dir auch für so vieles dankbar, aber ich kann hier nicht länger bleiben. Ich muss endlich leben, atmen, bevor ich hier ersticke, bevor ich vergesse wie. Nanatsaja bekommt morgen wahrscheinlich einen Schreikrampf, wenn sie sieht, dass ich nicht in meinem Bett geschlafen habe. Ich hätte mich wirklich von ihr verabschieden sollen. Sie ist eine unglaublich liebenswerte, alte Frau. Aber sie versteht nicht wovon ich träume. Das ich Freunde in meinem Alter brauche, neue Menschen kennenlernen möchte, mich verlieben. So richtig. Mit allem was dazu gehört. Hier bin ich nur von Personen umgeben, die dafür bezahlt werden sich um mich zu kümmern. Es hat mir nie an etwas gefehlt.....außer vielleicht an Wärme, jemanden der mich liebt...bedingungslos liebt. Es ist hier so kalt, so unendlich kalt, wie in einem Grab. Ja,... ich komme mir vor, als wäre ich bereits tot! Aber das bin ich nicht. Ich will leben und ich werde leben........ Und Seiji? Nein, niemals könnte ich ihn lieben. Gott, wie könnte ich dir nur erklären, dass er mir eigentlich völlig fremd ist. Ich weiß nicht wie ich ihn beschreiben sollte. Er ist mir unheimlich, genauso wie dieses große dunkle Zimmer. Ich kann es mir selbst nicht erklären, aber er macht mir Angst. Seine Augen sind so leblos, so leer. Wenn das meine Zukunft sein soll... Ich würde nur enden wie sie. Nein, nicht wie sie! Niemals wie sie!... Aber ich könnte mich nicht in Seiji verlieben. Selbst wenn er versucht zu lächeln...es wirkt alles so...so falsch, unecht. Sein Lächeln erreicht nie die Augen, als würde er nur eine Rolle spielen. Ich mag ihn nicht wirklich kennen, falsch beurteilen, ich habe ihn in den letzten Jahren auch kaum gesehen, aber Vater, ich könnte ihn niemals lieben, nicht einmal für dich. Verzeih mir, aber ich werde gehen, noch heute Nacht. Ich bin dir dankbar, sehr sogar. Aber dieses Leben gehört mir.' Kapitel 2: ----------- Ich schätze mal, ich sollte mich hier erstmal vorstellen. Also wo fange ich an... Das ist die erste längere Geschichte, die ich bisher geschrieben habe (während meiner 7.Klasse). Der Anfang ist vielleicht etwas holprig, aber meiner Meinung nach habe ich mich mit der Zeit verbessert. Allerdings würde ich gerne wissen, was ihr darüber denkt. Ich lade die Geschichte hauptsächlich deshalb hoch, weil ich gerne von ein paar unparteiischen Lesern hören möchte, was sie davon halten. Und ich fürchte, gewisse Freunde, denen ich sie zu lesen ließ, schmeicheln einem in diesem Fall nur allzugern. Ihr aber kennt mich nicht und könnt deswegen ganz furchtbar ehrlich sein. Ich wäre euch sogar dankbar. (was bin ich nicht für ein kleiner Masochist...) Na ja, ich hoffe, jemand findet seinen Spaß daran. Ich hatte jedenfalls großen Spaß, als ich sie geschrieben habe. Zum Schluss nur noch eine kleine Warnung. Ich habe zwar ein paar Klischées in meiner Geschichte verarbeitet, aber wundert euch nicht, wenn ich euch mal ganz aprupt in eine andere Richtung führe (oder eher schupse), als ihr vielleicht gedacht habt. So jetzt lass ich euch aber in Ruhe und wünsche noch ... viel Spaß? Zumindest hoffe ich das. Schatten des Lichts Teil 2 Der Mondschein brach durch die vom Wind bewegten Äste. Das Rauschen der Bäume zusammen mit den anderen Geräuschen der Nacht wurde zum erschaudernden Klangorchester. 'Warum ist es nur so kalt und dunkel... Wir hatten doch gerade erst Sommer! Es sollte noch nicht so kalt sein. Ich brauche unbedingt einen Platz zum schlafen und etwas zu essen. Wie lange bin ich jetzt schon von zu Hause weg? Es kommt mir bereits wie eine Ewigkeit vor. Ich habe es beinahe schon vergessen. Aber ich kann nicht länger als ein paar Tage unterwegs sein. Die wenigen Menschen, die ich hier draußen getroffen habe, waren sehr hilfsberreit und nett. Bisher hatte ich Glück. Niemand weiß wie ich aussehe, wer ich bin. Ich habe das Anwesen kaum verlassen. Aber sie stellen zu viele Fragen. Es ist ja auch ungewöhnlich, dass ein Mädchen hier alleine in den Wäldern herumirrt. Ich kann niemandem sagen, wer ich bin. Sie würden mich sofort wieder zurückschicken. Unter dem Namen meiner Mutter wird mich niemand erkennen. Wenn ich nur nicht so müde wäre. Ich bin so müde und meine Füße tun weh. Und hier scheint nun wirklich keine Menschenseele zu leben. Ich muss endlich einen Weg nach draußen finden. Ich muss von hier weg.' Es war Spätsommer bis Anfang Herbst und die Nächte wurden bereits kühler, als Misa durch den finsteren Wald stolperte und durch das Aufheulen eines Wolfes aus ihren Gedanken gerissen wurde. Die Geräusche des Waldes und die der Tiere die sich in der Dunkelheit im Verborgenen halten, ließen Misas Herz schneller schlagen. Ein Knacken im Unterholz ließ sie erzittern und zugleich hoffen. "Hallo......ist hier jemand? Hört mich denn niemand..." ,Wie meine Hände zittern... Wo.....ich habe keine Ahnung, wo ich bin. Dieser dämliche Kompass hilft mir einen Dreck! Die Richtung allein sagt mir nicht, wo ich etwas zu essen finden kann! Aber die wissen, wo sie etwas zu fressen finden, nämlich mich, wenn ich nicht bald hier raus komme!' Nachdem sie kurz inne gehalten hatte, um sich zu orientieren, sie jedoch nur durch den erhellenden Mond der Nacht die Umrisse der Bäume erkennen konnte, rannte sie immer schneller. Äste und Dornen, die an ihrer Kleidung zerrten, bemerkte sie nicht, bis sie über die Wurzel eines Baumes stolperte und zu Boden fiel. Ihr Knie schmerzte, sie musste es sich wohl beim Sturz aufgeschlagen haben und als sie aufblickte konnte sie zwei glühende Augen aufblitzen sehen. Als sie einen knurrenden Wolf vor ihr erblickte, dem nun ein ganzes Rudel aus den Büschen folgte, stockte ihr der Atem. "Nein...bitte nicht ..." Zitternd versuchte sie sich aufzurichten und taumelte dabei immer weiter nach hinten, als sie plötzlich eine Stimme hörte. "Verschwindet, oder ich mach aus euch lebende Briketts!" Sie drehte sich zur Seite und erblickte im Schein einer Fackel ein junger Mann, der versuchte die Wölfe mit dem Feuer abzuschrecken, was soweit auch zu funktionieren schien, da sie sie ein wenig zurückwichen, bis sie sich nicht weiter zurückdrängen lassen wollten und sich immer mehr in Angriffsposition begaben. Mit der einen Hand schwenkte er die Fackel hin und her, mit dem anderen Arm drängte er Misa schützend hinter sich. "Nicht weit von hier ist eine Hütte. Halte dich links. Ich versuch sie inzwischen aufzuhalten." Mit diesen Worten wandte er sich nun den angreifenden Bestien zu, die trotz der erleidenden Verbrennungen immer wieder zum Sprung ansetzten und bei jeder Berührung mit der lodernden Flamme aufjaulten. Sie ergriff nun die Chance, da sie im Moment mit ihm beschäftigt waren und rannte so schnell sie konnte zu der besagten Hütte. Bereits nach kurzer Zeit, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, konnte sie sie erkennen. Jedoch hörte sie hinter sich einen der Wölfe, wagte es aber nicht sich umzudrehen. Nur noch das Ziel vor Augen lief sie unbeirrt weiter. Doch kurz bevor sie die Tür erreichte, schnappte das Tier bereits nach ihrem Mantel. Das Blut rauschte in ihren Ohren, als sie den tödlichen Angriff des Wolfs erwartete, während sie panisch versuchte den Riegel der Hütte hochzudrücken. Im letzten Augenblick hörte sie die nahenden Schritte des jungen Mannes, der ihr bereits gefolgt war und nun die Aufmerksamkeit des Wolfs mit geworfenen Steinen auf sich zog. Trotz einiger Verletzungen stellte er sich mit letzter Kraft dem Tier entgegen. Inzwischen hatte Misa den schweren hölzernen Riegel der Hütte aufgeschoben. "Ich hab's geschafft!", schrie sie ihm außer Atem zu. Allerdings war er nun völlig am Ende seiner Kräfte und ließ die Fackel fallen. Zögernd griff sie sich ein Herz, schnappte sich die Fackel, die aus einem dickeren, trockenen Ast und einem darumgewickeltem Stofffetzen bestand und hielt somit den zum letzten Sprung ansetzenden Wolf ab, sich seiner Beute zu bemächtigen. Eilig packte sie ihren Beschützer unterm Arm und schleppte ihn mit sich in die Hütte. Sofort schlug sie die Tür zu und stemmte sich dagegen. Das Rudel hatte sich nun vor der Hütte versammelt und das Knurren ging in ein Heulen über, bis schließlich Stille eintrat. Die Meute hatte sich zurückgezogen und sie hatte nun endlich die Gelegenheit aufzuatmen. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sich keines der Tiere mehr in der Nähe befand, holte sie den Riegel der noch immer draußen lag und verschloss damit die Tür von innen. Danach steckte sie die Fackel, die sie bisher nicht aus der Hand gelegt hatte in ein Loch in den bereits vermodernden Holzboden und ließ sich nun erschöpft zu Boden sinken, als sie das schwere Keuchen ihres verletzten Retters wahrnahm. Er lehnte gegen einen Balken und das Blut rann über seinen Arm und seine Beine. Seine zerfetzte Kleidung war von den Bisswunden blutdurchtränkt und sein schmerzverzerrtes Gesicht wandte sich ihr zu. "Ist dir was passiert?", presste er noch durch die zusammengekniffenen Lippen die letzten Worte bevor er ohnmächtig zusammenbrach. Misa wurde bleich, als sie ihn so am Boden liegen sah. Zitternd beugte sie sich über ihn und legte vorsichtig den Kopf ihres Beschützers auf ihren Schoß. "Hey, dass... das sieht schlimmer aus als es ist. Misa, nur keine Panik. Du bist gerade einem Rudel hungriger Wölfe entkommen, also keine Panik! Na komm schon! Hey?!" Sie versuchte ihn sanft wachzurütteln, bis sie nun tatsächlich panisch die vielen Wunden bemerkte, die unter den zerrissenen Kleidungsstücken hervorlugten. "Lass mich...lass mich hier bitte nicht allein. Ich weiß doch noch nicht mal wer du bist. Ich hab mich noch nicht mal bedankt und ...und das gehört sich schließlich nicht. Hab ich Recht?! Ich....Komm schon, halt durch! Du musst...Bitte!" Tränen rannen über ihre Wangen und sie strich ihm sanft über sein Gesicht, bis sie sich wieder fasste und Streifen von ihrem Kleid herunterriss, um damit die Blutung seiner Wunden zu stillen. Nachdem sie ihn nun so gut wie im Moment möglich verbunden hatte, wurden allmählich ihre Augenlieder schwer und sie schlief über ihrem Beschützer gebeugt und gleichzeitig mit dem Rücken an den Balken gelehnt ein. Am nächsten Morgen, als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster fielen, wurde Misa von Geräuschen an der Tür geweckt. Aufgeschreckt spähte sie durch einen Spalt an der Tür, als sie eine murmelnde und fluchende Stimme wahrnahm. Der Besitzer der Hütte stand verwirrt und wütend vor der verschlossenen Tür, als er hörte wie der Riegel der Tür aufgeschoben wurde und ein Mädchen in einem blutbefleckten Mantel vor ihm stand und ihn nach innen zerrte. "Bitte, Sie müssen mir helfen. Sonst..... sonst stirbt er." "Was...." Verwirrt ließ er sich weiterziehen, bis sich seine Augen an das dämmrige Licht des Schuppens gewöhnt hatten. "Bitte!" Ihre Augen sahen ihn flehend an. Sein Blick fiel nun auf den schwer verwundeten jungen Mann und ohne noch weiter zu zögern hievte er ihn auf seine Schultern. * "En...Entschuldigen Sie.. Herr Wakabashi. Ich weiß, Sie sind sehr beschäftigt, aber ich mache mir langsam Sorgen um das junge Fräulein. Wäre es nicht besser die Polizei einzuschalten?" "Keine Sorge, ich habe mich bereits darum gekümmert. Ihr wird nichts passieren." Nanatsaja die sich bisher mit gesenktem Blick vor Ihren Herrn gestellt hatte und nur zögernd ihre Frage stellte, blickte nun erstaunt und zugleich erleichtert auf. "Ich danke Ihnen. Bitte verzeihen Sie meine unangemessene Frage." "Schon gut, schließlich versuchen sie ihr die Mutter zu ersetzten." Sein ungewöhnlich milder Blick ruhte nun auf ihr und die ältere Frau entspannte sich sichtlich. "Ja, sie ist mir im Laufe der Zeit sehr ans Herz gewachsen. Obwohl es am Anfang nicht gerade leicht war einen Zugang zu ihr zu finden. Ich bin Ihnen für meine Stelle hier sehr dankbar. Sie ist ein so liebes Mädchen. Jedoch schien sie mir nach dem tragischen Tod ihrer Mutter sehr einsam und verschlossen... Oh, verzeihen Sie bitte......ich weiß, es steht mir nicht zu..." Sein bisher noch freundlicher Blick wurde nun in eine tiefe Stirnfalte gelegt. "Ihre Frage wurde beantwortet! Solange sie keine weiteren Fragen haben, möchte ich sie auffordern zu gehen.", wandte er sich mit schroffem Ton von ihr ab und blickte aus dem Fenster an dem einige Zweige unruhig gegen das Glas klopften. * "Keine Sorge, er wird schon wieder. Er hat nur über Nacht einiges an Blut verloren. Der Arzt hat gesagt, dass er ein paar Tage Ruhe braucht, dann kommt er wieder auf die Beine. Die Wunden sind zwar zahlreich, aber nicht besonders tief. Es werden wohl kaum Narben zurückbleiben." Ein mildes Lächeln legte sich über Frau Kasuragis Lippen. Sie war die Frau des Besitzers der Hütte und hatte sich sogleich rührend um die beiden gekümmert. "Er wird bestimmt noch einige Zeit schlafen. Es ist wohl am Besten, wenn du erstmal etwas isst. Aber vorher, gebe ich dir noch was anderes zum Anziehen. Das Kleid hängt ja nur noch in Fetzen an dir runter." Dankbar nickte Misa ihr zu, da sie inzwischen nur noch einen ziemlich mitgenommenen Mantel und ein völlig zerrissenes Kleid besaß. "Danke, für alles, Frau Kasuragi." "Aber nicht doch. Ich freu mich über Gäste. Wir leben hier schließlich sehr weit außerhalb der Stadt, da freut man sich über Besuch und nenn mich bitte Saoko, sonst komme ich mir so alt vor." Ein Lächeln huschte über Misas besorgtes Gesicht. * "Oh, Herr Wakabashi!.....Es tut mir Leid, aber ihr Vater will nicht gestört werden....junger Herr..." "Schon gut." Herr Wakabashi nickte seiner Sekretärin zu, die sich nun eilig zurückzog, während der junge Mann mit dem haselnussbraunen Haar, das im Licht leicht rötlich schimmerte, seinem Vater in das Büro folgte. "Vater, schon eine Spur von ihr?" "Nein, noch nicht." "Bist du dir sicher, dass es die richtige Entscheidung war sie diesem Kleinkriminellen zu überlassen." Dabei blickte er kurz auf und warf seinem Vater einen eindringlichen Blick zu, bevor er sich wieder den Chi Gong Kugeln widmete, die er gemächlich in seiner Hand rollte. "Zweifelst du etwa daran, Seiji?!" Seine Worte klangen harscher, als er es beabsichtigt hatte. "Nun ja, wer versichert uns, dass er Wort hält? Als ich ihm deinen Vorschlag unterbreitet habe, ist er nur sehr wiederwillig darauf eingegangen." "Er wird es nicht wagen die Abmachung zu brechen. Und wenn doch, sollte es für uns kein Schaden sein." Mit besorgtem Blick nickte er ihm leicht zu, ehe er die beiden grün und silberfarbenen Kugeln wieder an ihren ursprünglichen Platz am Schreibtisch legte. "Wie du meinst, Vater." * "Schade, dass ich die anderen Kleider weggeworfen habe. Aber ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals wieder etwas in dieser Zwergengröße brauchen würde. Aber ich habe noch eines ausgegraben, dass ich vor einigen Jahren noch selbst getragen habe. Damals hatte ich noch ein bisschen weniger um die Hüften. Ich hoffe, es passt." Misa musste sich ein Grinsen über beide Ohren verkneifen, als sie aus dem Zimmer trat indem sie sich umgezogen hatte. Das Kleid war ihr um einige Nummern zu groß und sie musste sich den überflüssigen Stoff wie eine Toga um ihren Körper wickeln. Frau Kasuragi zog eine Augenbraue hoch und musste bei ihrem Anblick erst einmal herzhaft lachen. "Bis du da reinpasst müsste ich dich monatelang mästen. Ich werde es dir nachher enger nähen." Verlegen kratzte sich Misa am Kopf und fing nun auch an zu lachen als sie sich in Spiegel betrachtete. "Na komm schon, worauf wartest du noch. Das Essen ist schon längst fertig." "Jaaaaaa..." Erst als ihr der wunderbare Geruch des Essens in die Nase stieg und ihr Magen anfing zu knurren, wie ein Bär der aus dem Winterschlaf erwacht, merkte sie erst wie großen Hunger sie doch hatte und machte sich zuerst noch zurückhaltend, dann gierig über das Essen her. Erstaunt über das zierliche Persönchen, das sich über die Speisen stürzte, fing sie wieder an zu Lachen, bis Misa fragend zu ihr aufsah. "Anscheinend allerhöchste Zeit, dass du was zwischen deine Beißer kriegst. Wenn du in dem Tempo weiter isst, muss ich das Kleid gar nicht mehr ändern." Die Röte stieg Misa ins Gesicht und sie starrte betreten zu Boden. "Aber nicht doch. Du musst doch nicht gleich rot werden. Es freut mich wenn's dir so schmeckt. Greif zu!" Lächelnd sah Misa nun wieder auf, nickte und aß fröhlich weiter (Allerdings nicht mehr in Scheunendreschertempo, das war ihr nun doch zu peinlich.). * Grinsend ließ sich Seiji in seinen Sessel an seinem Schreibtisch und brach in hämisches Gelächter aus, als er zufrieden seine Augen schloss und sich auf seine hinter dem Kopf verschränkten Arme zurückließ. 'Mein alter Herr glaubt doch tatsächlich, dass er alles unter Kontrolle hat. Dieser senile Schwachkopf denkt noch immer, dass er die Zügel in der Hand hält. Aber du hattest deine Chance. Jetzt ist deine Zeit längst abgelaufen. Selbst deine Tage als Vorsitzender des Wakabashi-Konzerns sind längst gezählt. Aktionäre, Geschäftspartner auf der ganzen Welt unterliegen nur noch meinen Anweisungen...' "Nur eine Frage der Zeit und ich schwöre es wird nicht mehr lange dauern." Und wieder legte sich ein Grinsen über sein Gesicht. * Vollgefressen und zufrieden lehnte sich Misa zurück, bis sie bemerkte, dass irgendetwas ganz abscheulich roch und als sie so umherschnupperte um herauszufinden, woher dieser Geruch kam, blieb ihre ansonsten so empfindliche Nase bei sich selbst zum Stehen. Angewidert verzog sie ihr Gesicht. ,Na ja, kein Wunder, immerhin habe ich ja auch schon seit Tagen nicht mehr die Gelegenheit gehabt mich zu waschen. Ist ja ekelig, ich muss unbedingt mal wieder baden. Oh, ja ein heißes Schaumbad, das wär's....und dann noch eine Maniküre und eine besten gleich noch eine Pediküre...und wenn wir schon dabei sind, dann... Was denk ich denn da, ich befinde mich hier immerhin mitten in der Pampa. Aber wenigstens ein heißes Bad zur Entspannung. Er wird die nächsten Stunden sowieso nicht aufwachen und ich kann ja nicht ewig so vor Dreck strotzen und fröhlich vor mich hin stinken.' Schon voller Vorfreude wandte sich Misa nun an Frau Kasuragi. "Ähm...ich wollte nur fragen, ob ich, na ja, vielleicht könnt ich mich hier mal waschen. Es ist nämlich so...ich..." "Kein Problem, aber ich hab ja schon gesagt, dass wir hier sehr weit außerhalb der Stadt leben, und nur für uns beide ist ein Badezimmer auch nicht wirklich nötig, deswegen haben wir zur Zeit nur draußen eine Art Freiluftdusche. Hinter unserem Haus fließt direkt ein Fluss vorbei und ein Stück weiter oben ist ein kleiner Wasserfall, ein wirklich romantischer, kleiner Platz aber....Misa geht's dir nicht gut? Du bist plötzlich so blass." Misa, die ganz bleich war, blieb der Mund offen stehen und fing an vor sich hin zu stammeln: "Kein fließendes Wasser...kein warmes Wasser...noch nicht mal lauwarm...eiskaltes Bachwasser....eiskalt... Es ist beinahe schon Herbst! Die sind doch nicht ganz bei Trost!" Bei dem Gedanken schüttelte sie sich vor Kälte, als stünde sie bereits unter dem Wasserfall. "Misa? Alles in Ordnung?" "Hmm..." Sie konnte dabei nur geistesabwesend nicken. Frau Kasuragi drückte ihr sogleich das Waschzeug in die Hand und schickte sie vor die Tür. Einen Moment lang stand sie noch ein wenig belämmert in der Gegend rum, als ihr Blick auf das Waschzeug fiel und sie sich wieder fasste. ,Misa, jetzt hab dich doch nicht so! So schlimm wird's schon nicht werden.' Wild entschlossen stapfte sie jetzt den Fluss entlang bis sie an besagter Stelle ankam. "Wahnsinn! Ist das schön hier." ,Würde mich nicht wundern wenn hier ein paar Elfen vorbeischwirren würden.' Nach einigen Minuten des Bewunderns sah sie sich nun ein wenig misstrauisch um, ob auch ja niemand spannt und zog sich langsam ihre Sachen aus. ,Am besten kurz und schmerzlos. Ich lauf einfach mal durch bis sich mein Körper an die Kälte gewöhnt hat.' Gedacht getan. Sie nahm Anlauf und startet durch. "AHHHHHHHHH......" Ein lauter gellender Schrei durchdrang die friedliche Stille. "Scheiße... ist das ...kalt." Bibbernd und mit klappernden Zähnen stand Misa auf der anderen Seite des Ufers. ,Also guuguugut... noch..mal!' Sie nahm ihren Mut zusammen und rannte wieder los, gefolgt von einem lauten, markdurchdringenden Aufschrei Misas. Fluchend und zitternd stand sie nun wieder an der Stelle von der sie das letzte Mal losgelaufen war. "Auf...ein...neu..es...ahhhhhh..." Und so ging das noch eine ganze Weile dahin, bis Saoko verwundert im Türrahmen stand. "Was die wohl treibt. Hoffentlich ist ihr nichts passiert!" Misa ließ sich nun erschöpft ins Gras fallen. Nach langen Versuchen hatte sie es doch noch geschafft sich direkt unter den Wasserfall zu stellen. ,Und jetzt eine riesige Wanne voll warmem Wasser und viel Schaum. Ja das wär's...wie kann man nur ohne Badezimmer überleben. Zu Hause hab ich mir jeden zweiten Tag ein heißes Bad gegönnt, ich hätte nicht gedacht, dass mir so etwas mal fehlen würde...zu Hause...ha! Ich werde mich wohl daran gewöhnen müssen ohne Luxus auszukommen.' Saoko stellte ihrem Mann, der gerade mit seiner Arbeit fertig war heißen Kaffee auf den Tisch und setzte sich mit einer eigenen Tasse zu ihm. "Weißt du schon wo sie herkommt?" Ein fragender Blick fiel auf seine Frau. "Nein, ich hab vergessen sie zu fragen. Sie war ja ganz verzweifelt als sie hier ankam. Sie ist bestimmt schon einige Zeit unterwegs. Aber ich denke, es geht ihr schon besser. Du hättest sie mal beim Essen sehen sollen." Bei dem Gedanken fing sie an zu schmunzeln. "Aber bei der nächsten Gelegenheit, die sich bietet, werde ich Misa fragen." "Sie heißt also Misa." " Ja, Misato Kurenai, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum sie sich in der Nacht im Wald herumgetrieben hat. Noch dazu wohnt hier im Umkreis von mindestens 20 Meilen niemand." Er zuckte nur mit den Schultern und wärmte seine Hände an der heißen Tasse. "Sie müsste doch wissen wie gefährlich das ist. Ein Glück, dass ihr der Junge zu Hilfe gekommen ist. Wahrscheinlich hat er sie schreien gehört. Das richtige Organ dazu hat sie ja." Und wieder musste sie schmunzeln, als gerade eine völlig durchnässte Misa die Küche betrat. Die nassen Haare hangen ihr ins Gesicht, das viel zu weite Kleid hatte sie nun auf der Seite mit dem überflüssigen Stoff zu Knoten gebunden (Sehr sexy! Immerhin verkürzt sich durch die Knoten, das Kleid ganz erheblich...) und so stand sie nun noch immer zitternd, wie ein begossener Pudel vor ihnen. Zuerst blieb den beiden der Mund offen stehen, ehe sie sich ansahen und beide losprusten mussten und in schallendes Gelächter ausbrachen. Die völlig erstaunte Misa stand nur regungslos vor ihnen und blickt verwirrt von einem zum anderen. Nach einiger Zeit wurde sie jedoch ungeduldig und auch ein wenig ärgerlich, weswegen sie auf keine Erklärung, was sie denn so lustig fanden, wartete und ging nach oben, während sich die beiden noch die Tränen, die ihnen vor Lachen in die Augen schossen, wegwischten. Oben angekommen trocknet sich Misa mit einem großen Handtuch, dass Frau Kasuragi vergessen hatte ihr mitzugeben, es aber vorsorglich für sie zurecht gelegt hatte, ab. Daneben lag auch ein bereits geändertes Kleid für sie bereit, dass sie auch sofort anzog. Vorsichtig öffnete sie nun die Tür und schlich sich in das Zimmer des Unbekannten, der noch immer nicht aufgewacht war und setzte sich leise auf den neben dem Bett stehenden Stuhl. Sie bemerkte die Schweißperlen auf seiner Stirn und mit übler Vorahnung strich sie mit ihrer Hand über sein leicht erhitztes, gerötetes Gesicht. Er hatte offensichtlich Fieber, da sich wahrscheinlich eine der Wunden entzündet hatte und es war bereits bedenklich hoch angestiegen. Sofort sprang sie hoch, warf dabei den Sessel um und rannte ohne auch nur ein Wort zu verlieren an Frau Kasuragi vorbei, holte sich eine Schüssel, die neben dem Abwasch stand und schöpfte damit frisches Wasser aus dem Fluss. Inzwischen ahnte Frau Kasuragi, warum sie es so eilig hatte und suchte unverwandt das Zimmer des Patienten auf, holte einen Lappen und übergab ihn der gerade zurückgekehrten Misa. "Du wirst das Fieber schon senken. Keine Angst, es ist zwar hoch, aber nicht lebensgefährlich. Außerdem hat ihm der Arzt eine Tetanusspritze gegeben.", versuchte sie Misa zu beruhigen, die ihm bereits mit dem feuchten Tuch die Stirn kühlte und schweigend nickte. Einigen Stunden später nach denen Misa immer noch an seinem Bett saß fing er an, sich unruhig hin und her zu wälzen und seine Lippen zu bewegen, als wollte er etwas sagen. "....tut....mir leid...ich...nnnn....wollte nur..." stammelte er schließlich leise ein paar Worte vor sich hin. 'Seine Temperatur ist zwar runtergegangen aber er scheint einen Alptraum zu haben. Woher er wohl kommt? Ich frage mich, wie er mich in der Nacht wohl gefunden hat. Vielleicht hat er mich gehört....aber das kann nicht sein. Oder doch?' Als sie dieses Mal das feuchte Tuch auswinden wollte, fiel ihr eine tiefe Narbe auf seiner Stirn auf und wunderte sich, dass sie diese nicht schon vorher bemerkt hatte. Langsam und zärtlich fuhr sie mit den Fingerspitzen darüber. "n......nicht ...bitte..." Erschrocken zog sie ihre Hand zurück. ,Es war fast so als hätte ich ihn mit dieser leichten Berührung verletzt.' Misa betrachtete ihn noch lange und merkte, wie sie dabei rot wurde und lenkte verlegen ihren Blick aus dem Fenster, bis sie ihre Augen unweigerlich wieder auf ihn richtete.'Bis auf die Narbe ist sein Gesicht vollkommen makellos...und wunderschön...' "Ich danke dir, mein mutiger Retter." flüsterte sie mit einem sanften Lächeln auf den Lippen. "Wer auch immer du bist." Kapitel 3: ----------- So das ist nun mein dritter Teil. In diesem kommt es zu einem ersten Gespräch zwischen dem Unbekannten und Misa, das vielleicht nicht ganz so verläuft, wie sie es sich vorgestellt hat. Schatten des Lichts Teil 3 ~~~ "Nein, lass sie los! Hör auf, ...bitte. Bitte, hör doch endlich auf ...Du tust ihr weh!..." Dunkelheit. Schreie. Eine wimmernde Frau, die sich vor Schmerzen am Boden krümmt. Ein kleines Kind, das stumme Tränen weint und sich schützend über den nun am Boden liegenden Körper legt, als der dunkle Schatten endlich von ihr ablässt. Die tröstende Wärme, die sie sich gegenseitig spenden, lässt das Zittern und die Tränen nachlassen, bis sich die verletzte Frau leicht aufrichtet und ihren Jungen sanft hin und her wiegt. ~~~ ,Oh,....verdammt. Mir tut alles weh. Als hätte mich ein Bus überfahren. Ha,...ein großer Bus voller Schulkinder, Pensionisten auf Seniorenausflug und wahrscheinlich gleich mehrstöckig... Scheiße, ich kann mich kaum bewegen. Wo bin ich eigentlich?' Als er versuchte seine Sinne zu schärfen, um sich zu erinnern, bemerkte er eine angenehme Wärme, die er auf seiner Brust wahrnehmen konnte und nicht gerade förderlich für seine Konzentration war. Der Versuch die Augen zu öffnen, um zu erkennen, wo er sich befand und warum es ihm trotz allem nichts auszumachen schien, dass er sich von der Wärme einlullen und zu einem weiteren Schläfchen verleiten ließ, scheiterte an dem grellen Licht der Morgensonne, die ihm ins Gesicht schien. Sein Geist befand sich noch irgendwie im Nebel. Doch er wollte wenigstens noch sicherstellen, dass er einen halbwegs geeigneten Ort zum Schlafen gefunden hatte. ,Wo bin ich denn nun schon wieder gelandet?! Mist, verdammter! Aber irgendwie fühl ich mich ganz wohl hier. Abgesehen von den höllischen Schmerzen natürlich...' Bei diesen widersprüchlichen Gedanken musste er grinsen, oder besser gesagt, dass hätte er, wenn er nicht selbst für diese Art von Muskelarbeit zu schwach gewesen wäre. ,Woher ich nur schon wieder diese Schmerzen habe. Aber ich bin mir sicher es war keine Schlägerei. Moment, lass mich nachdenken. Es war Nacht und da war dieses Mädchen....ja, dieses Mädchen....' Seine Gedankengänge wurden abrupt unterbrochen, als er bemerkte, dass sich dieses warme Etwas bewegte, um nicht zu sagen zu räkeln begann und sich schließlich fester an ihn schmiegte. ,Was,...aber wer.......und vor allem warum.... Ich bin mir sicher, ich steh nicht auf Sado-Maso.' Seine Neugier und seine Verwirrung waren nun doch zu groß, sodass er sich ein weiteres Mal dazu zwang die Augen zu öffnen und dem grellen Licht standzuhalten. Langsam wurden die Umrisse schärfer und mit dem was er nun auf sich liegen sah, weiteten sich seine Augen immer mehr. ,Das ist doch...' Die Erinnerungen an die letzten Geschehnisse wurden nun klarer. Sein Blick verfinsterte sich und er wollte sie bereits von sich stoßen, als ohne es selbst wirklich zu merken ein leichtes Lächeln seine Lippen umspielte. Offensichtlich war sie, noch immer im Sessel neben ihm sitzend, über ihm eingeschlafen, als sie sich um ihn gekümmert hatte. Zögernd strich er mit seiner Hand über ihre Schulter, um sie zu wecken. Doch plötzlich schlangen sich ihre Arme um ihn und zogen ihn näher zu ihr. Die Geborgenheit, die er bereits zuvor gespürt hatte, legte sich ein weiteres Mal wie ein wärmender Mantel um ihn und hüllte ihn behutsam ein, als er diesmal in einen ruhigen Schlaf fiel. ,Hmm...er ist so schön angenehm warm......Moment mal, ER?!.......was....'Als Misa bemerkte, an wen sie sich gerade angekuschelt hatte, wurde sie plötzlich schlagartig wach. ,Ich bin wohl eingeschlafen. Gott sei Dank, er ist noch nicht wach. Was würde er denn von mir denken, wenn er gesehen hätte, dass ich ihn als lebende Wärmflasche, oder wie ein Stofftier, an mich drücke.' Ein leichter Rotschimmer überzog ihr Gesicht, als sie sich vorstellte, wie sie ihn wohl die ganze Zeit geknuddelt haben musste. ,Aber es scheint ihm besser zu gehen. Er sieht so entspannt aus, wie ein kleines Baby. Richtig niedlich....aber auch irgendwie... ja, beinahe verletzlich. Was denk ich da eigentlich! Immerhin hat er mich gerettet und nicht umgekehrt! Du spinnst mal wieder. Aber irgendwie...' "Und ist unser Patient schon aufgewacht?" "Oh, guten Morgen Saoko. Nein, leider noch nicht. Ich hätte ihm so gerne..." Blitzartig drehte sie sich wieder zu ihm, als sie bemerkte, dass er sich zu bewegen schien. Erwartungsvoll blickten beide auf die sich nun öffnenden Augen. Seine Miene verfinsterte sich augenblicklich als er die beiden Gestalten, die ihn anstarrten vor sich sah. Ohne ein Wort richtete er sich auf und machte ernste Anstalten trotz der Schmerzen aufzustehen. Entsetzt drückte ihn Misa wieder zurück ins Bett. "Bist du wahnsinnig! Du bist tagelang bewusstlos und jetzt willst du schon wieder aufstehen?! Du musst dich erst noch ausruhen." "Sag mir nicht, was ich zu tun oder zu lassen habe! Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen." Der forsche Ton aus seiner Stimme war trotz der Heiserkeit nicht zu überhören. Wütend schob er ihre Hand beiseite und schwang seine Beine aus dem Bett. Er zuckte kurz zusammen, versuchte aber nichts desto trotz sich weiter aufzurichten, bis er tatsächlich auf seinen zittrigen Beinen die ersten wackligen Schritte wagte. Doch bereits nach wenigen Metern gaben diese nach und er sackte leicht in sich zusammen, als sich Misa helfend als Stütze anbot. "Fass mich nicht an! Ich kann alleine gehen." "Aber ich wollte doch nur...." "Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann lass mich in Ruhe!" Frau Kasuragi, die sich die Szene bisher stumm angesehen hatte, packte ihn nun am Arm und drückte leicht auf eine der verbundenen Wunden. "Ahh... Verdammt, was soll das!" "Wenn du dir selbst einen Gefallen tun willst, dann legst du dich schleunigst wieder ins Bett zurück. Sonst kannst du was erleben!" Der entschiedene, bestimmte Ton ließ keinen Widerspruch zu. Wütend funkelte er sie an, setzte sich aber widerwillig Richtung Bett in Bewegung. "Du bleibst liegen, verstanden! Und wehe ich seh' dich woanders als im Bett!" Noch im selben Moment machte sie auf dem Absatz kehrt und verschwand durch die Tür. Eine unangenehme Stille breitete sich im Zimmer aus. Misa trat von einem Fuß auf den anderen und kaute auf ihrer Unterlippe herum, wie sie es immer tat, wenn sie nervös war. ,Nicht gerade der beste Start. Hab ihn wohl falsch eingeschätzt. Da haben wir's mit der Theorie von verletzlich und niedlich... Warum wird er auch gleich so wütend? Ich wollte ihm doch nur helfen. Ich sollte mich besser bedanken, bevor er mir den Kopf abbeißt.' "Äh, also was ich sagen wollte...ich...ich meine, weil du mich gerettet hast....also...das war wirklich...", zaghaft sah sie ihn an. Sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos, nur seine Augen waren hell und klar. Das leuchtende blau schien eine beruhigende und faszinierende Wirkung auf sie zu haben, da all ihre bisherige Nervosität von ihr abzufallen schien, solange sie sich auf diese konzentrierte. "Danke. Ich wollte einfach nur sagen, danke, dass du mir geholfen hast. Es war sehr mutig von dir dein eigenes Leben für einen Menschen, den du noch nicht einmal kennst, aufs Spiel zu setzten. Und es tut mir leid, dass du so schwer verletzt worden bist. Ich hoffe, du hast keine großen Schmerzen. Ich...." "Schon gut, schon gut. Du kannst deinen Lobgesang wieder abstellen. Ich war einfach rein zufällig in der Nähe, mehr nicht. Du musst dich also nicht für mich verantwortlich fühlen. Ich bin nicht dein Held in schillernder Rüstung, schlag dir das aus dem Kopf. Sobald ich wieder gehen kann trennen sich unsere Wege, ist das klar?! Man sollte mir besser aus dem Weg gehen." Ohne sie auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Der Versuch sie zu ignorieren scheiterte jedoch kläglich, als sie ihm leise eine Frage stellte. "Bist du dann nicht manchmal einsam? Ich meine, wenn dir alle Menschen aus dem Weg gehen." Nur wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, dass er leicht zusammenzuckte. "Red keinen Scheiß! Ich komme gut allein zurecht. Es ist einfacher, wenn man sich um nichts kümmern muss. Ich kann niemanden gebrauchen, der mir die ganze Zeit im Weg steht." "Nein, das ist nicht wahr. Jeder braucht einen Menschen, dem er vertrauen kann, der für einen da ist. Ich glaube nicht, dass du gern allein bist. Niemand ist gern allein. Vielleicht ist es nicht immer leicht, aber wenn dir jemand etwas bedeutet und auf dich wartet, egal wie lange es dauern mag... Ich würde es nicht ertragen mein Leben lang einsam zu sein." Gemächlich und ungerührt von ihren Worten, schloss er seine Augen wieder und gab nur zu Antwort: "Gut, wenn du ständig jemanden brauchst, der dir am Rockzipfel hängt, warum rennt dann Mamas kleines Zuckerpüppchen allein durch den bösen, finsteren Wald?" Seine Worte strotzten nur so von Sarkasmus und zufrieden bemerkte er, wie nun Misa zweifelsohne ein ganzes Stück kleiner wurde, als sie den Kopf einzog und langsam in sich zusammenschrumpfte. Offensichtlich hatte er einen wunden Punkt getroffen und obwohl sie versuchte sich nichts davon anmerken zu lassen, zeigte sich deutlich an ihrer Körpersprache, dass sie am liebsten so schnell wie möglich das Weite suchen würde. "Siehst du? Es ist manchmal besser, wenn man nicht zu viele Fragen stellt." "Vielleicht....." "Einsam. Tzz..." Nachdenklich starrte er an die Decke, während ihre Worte noch immer in seinem Kopf widerhallten. ,Gut, vielleicht war ich etwas hart zu ihr. Aber ich kann es nun mal auf den Tod nicht ausstehen, wenn mir jemand so auf die Pelle rückt. Ich habe schließlich nur meinen Standpunkt klar gemacht.' Wie konnte ihn dieses Mädchen nur so durcheinander bringen. Seine Miene verfinsterte sich, als die Erinnerungen, wie ein schwarzer Schleier, der sich über ihn legte und selbst das hellerleuchtete Zimmer verdunkelte, an frühere Jahre zurückkehrten. #In einem abbruchreifen Haus und an das einzige geklammert, was ihm noch geblieben war, lag ein etwa 14 jähriger Junge zusammengerollt auf einer schmutzigen, alten Decke. Ein zerknittertes, abgenutztes Foto, hielt er in seinen Händen fest umschlossen. Es regnete und der Wind wirbelte wild einzelne Tropfen durch die Ritzen, zerrte an seiner zerschlissenen Kleidung, zerzauste sein Haar und ließ seinen vor Kälte bebenden Körper nicht zur Ruhe kommen. Warme Tropfen überzogen sein Gesicht mit silbrig, glänzenden Spuren, während Blitze den nachtschwarzen Himmel durchzuckten und immer wieder tiefe Schatten auf seinen Körper warfen. ,Nein, ich werde jetzt bestimmt nicht zu heulen anfangen! Ich bin schließlich alt genug, um mich um mich selbst zu kümmern! Ich brauche NIEMANDEN! Niemanden und niemand...nein, das ist egal. ICH brauche niemanden!' Hastig wischte er sich mit dem Ärmel über sein schmutziges Gesicht. Ruckartig richtete er sich auf und trat an ein Fenster, das zuvor noch wie die anderen mit Brettern verschlossen war, bevor er sie entfernt hatte, um sich im zweiten Stock des Gebäudes einen Eingang zu schaffen, den er über die Feuertreppe erreichte. Zögernd trat der Junge hinaus in die Dunkelheit. ,Ein neues Leben, mehr will ich nicht. Einen neuen Anfang. Ich habe es einfach so satt! Ich werde nie wieder jemanden hassen oder gar jemanden... lieben. Schon alleine dieses Wort bringt mich zum Kotzen! LIEBE! Pah! Wofür hat man Gefühle, wenn sie einen doch nur verletzten. Schmerzen sind wenigstens echt. Gefühle bildet man sich ja doch nur ein. Aber es reicht! Ich habe genug von dieser ganzen Scheiße! Es kann schließlich nicht so schwer sein nichts zu empfinden! Ich bin allein. Und ich hätte es gar nicht besser treffen können.' Er ließ nun auch das letzte das er besaß los, um es noch einmal im Windspiel zu betrachten, bevor es in der tiefen Schwärze verschwand. "Nie wieder, nie wieder..." Seine weichen Gesichtszüge, von aschblondem Haar umrahmt, überzog eine bisher ungekannte Härte und Strenge, als er diese Worte leise und wie eine Beschwörungsformel wiederholte.# "Nie wieder!" Derselbe Ausdruck wie in jener Nacht kehrte in sein Gesicht zurück, als ihn die Erinnerung einholte und die Gefühle von damals auflodern ließen. Um weitere dunkle Gedanken vor sich selbst zu verschließen, schloss er nun auch seine Augen und schlief ein weiteres Mal ein. Kapitel 4: ----------- Ich mag das Ende von diesem Teil... Führt von euch auch manchmal jemand Selbstgespräche? Oder bin ich da die Einzige? (Die weißen Westen lasst mal stecken... Ich mach das auch nur in Gedanken. Meistens jedenfalls...) Viel Spaß mit Teil 4. Schatten des Lichts Teil 4 Der Duft von gebratenem Speck und Eiern lag in der Luft und führte Misas Nase geradewegs in die Küche. Sie steckte den Kopf durch die eine spaltbreit geöffnete Tür und sah Frau Kasuragi dabei zu, wie sie die herrlichsten Köstlichkeiten für ein wunderbar ausgiebiges Frühstück zubereitete. "Nun komm schon rein, was stehst du noch in der Tür. Ich hab mich schon gefragt, wo du bleibst. Setz dich schon mal hin. Ich bin gleich fertig." Ohne sich zu ihr umzudrehen verwies sie sie auf einen der Stühle, an einem großen kreisrunden Tisch, auf dem frische Feldblumen in einer einfachen gläsernen Vase standen. Freudestrahlend ließ sie sich auf einen der alten Sessel fallen, während ihr bereits das Wasser im Mund zusammenlief. "Er bleibt jetzt im Bett." "Gut, dass möchte ich ihm auch geraten haben." Ein Teller nach dem anderen wurde nun mit den verschiedensten Speisen auf den Tisch gestellt. "Nach deinem gestrigen Appetit hab ich einfach ein wenig mehr gemacht. Außerdem wusste ich ja gar nicht, was dir schmeckt. Übrigens habe ich gestern Abend noch versucht dein Kleid in Ordnung zu bringen, aber es war schon so kaputt, dass ich nichts mehr retten konnte. Tut mir leid, es sah sehr hübsch aus und war bestimmt ziemlich teuer. Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass du mit diesem Kleid einen Wandertag unternommen hast. Also, woher kommst du?" Misa stocherte unruhig in ihrem Essen herum und der traurig, verklärte Blick entging Frau Kasuragi nicht. "Du wirst doch bestimmt schon vermisst, aber wenn du nicht darüber sprechen willst... " "Meine Eltern sind tot." Frau Kasuragi legte ihr behutsam eine Hand auf die Schulter und als Misa zögernd zu ihr aufsah, konnte sie all die Güte und Wärme, die von dieser Frau ausging spüren. "Du kannst gern eine Weile hier bleiben, aber wir sollten deine Verwandten verständigen. Man macht sich bestimmt schon Sorgen um dich." "Nein, ...ich bin allein." Frau Kasuragi beugte sich hinunter, bis sie ihr direkt in ihr Gesicht sehen konnte, in dem sich all der Schmerz, der sich in den letzten Jahre angesammelt hatte, zeigte und strich ihr sanft eine Haarsträhne aus der Stirn. "Jetzt nicht mehr. Ich mag deine Gesellschaft. Du kannst gern eine Weile hier bleiben." Den Tränen nahe biss sie sich kurz auf die Lippen und lächelte ein wenig schief. Beruhigend legte Frau Kasuragi ihre raue Hand auf die zu einer Faust geballten, zierlichen des Mädchens, als diese plötzlich nicht mehr an sich halten konnte und sich in die Arme der korpulenten Frau warf, während sich eine einzelne Träne aus ihrem Augenwinkel stahl. * Inzwischen im Büro von Zutomu Wakabashi (Misas Vater): "Gibt es etwas Neues?" "Nein, er hat sich bisher nicht wieder gemeldet. Vielleicht wäre es doch besser, wenn ich sie zurückhole. Sie kann noch nicht weit sein. Es dürfte also kein Problem sein, sie nach den letzten Informationen zu finden." "Nein. Sie wird von selbst zurückkehren, wenn sie erkennt, dass sie nicht alleine zurechtkommt. Sie hat die Welt noch nicht in ihrer gänzlichen kalten Grausamkeit kennen gelernt. Bisher konnte sie durch mich ein behütetes, sorgenfreies Leben führen und daran wird sie sich erinnern, wenn es soweit ist. Sie wird bereuen dieses Haus je verlassen zu haben und in die Hochzeit und alles weitere einwilligen. Danach wird alles wie besprochen ablaufen. Sobald wir die Zeremonie durchgeführt haben, steht nichts mehr zwischen uns und der Macht, die wir durch diese Kraft erhalten werden." "Ich hoffe nur, du hast diesem Kerl eingebläut, dass er sie lediglich vor einer lebensbedrohlichen Gefahr beschützen soll und sie davon abhält jemandem nahe zu kommen. Zu nahe! Womöglich sogar ihm selbst." "Natürlich Vater. Aber deswegen habe ich keinerlei Bedenken. Er hasst alle Menschen. Er kann nicht mit ihnen umgehen und zieht sich vor ihnen zurück. Unser Spion wird sie nur aus dem Hintergrund beobachten und von dort aus die nötigen Dinge in die Wege leiten. Außerdem könnte ein Mensch wie er sich niemals in ein so zartes Wesen wie sie verlieben." "Gut, dann wäre alles gesagt." Trotz des Versuchs die Stimme gleichgültig klingen zu lassen, konnte man daraus deutlich eine gewisse Unsicherheit heraushören. ,Im Übrigen ist er mir treu ergeben, nachdem ich etwas äußerst interessantes über seine Vergangenheit herausgefunden habe. Tja, man sollte seine Freunde und natürlich auch seine Feinde genauestens kennen.' Dieses kleine Detail hielt Seiji allerdings vor seinem alten Herrn geheim. Er wusste, dass sein Vater es nicht zugelassen hätte, wenn ein eiskalter Killer den heimlichen Beschützer seiner Tochter spielen sollte. Ein Mörder, der seine Tochter heil zurückbringen sollte? Der Gedanke allein war mehr als widersprüchlich. Andererseits war ihm diese Information die beste Absicherung, dass jener sich an die Abmachung hielt. Vorausgesetzt er wollte nicht ins Gefängnis wandern, da er bisher nie für sein Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wurde. Würde er es wagen sich nicht regelmäßig zu melden und Auskunft über die neuesten Ereignisse geben, würde er in kürzester Zeit im Gefängnis landen, wenn ihn nicht noch schlimmeres erwartete. Seijis Verbindungen und Mittel überstiegen bei weitem das Maß der Polizei. Ihm widersetzte man sich nicht. Wenn nötig würde er ihm diese Tatsache schon noch beibringen. * Nach einem kurzen Blick auf die gelangweilt wirkende Misa, die unruhig mit dem Sessel auf und abwippte, fand Saoko, dass es besser war ihr eine Beschäftigung zu geben, bevor sie trübsal bließ. "Wenn du dich langweilst, könntest du mir ein wenig in der Küche helfen." "Gern, was soll ich tun?" "Du könntest schon mal das Gemüse schneiden. Es liegt dort drüben auf der Ablage. Ich hab es schon gewaschen. Oh, und das Besteck findest du in der Lade rechts neben dir." Eifrig machte sich Misa an die Arbeit und fing an die Kartoffeln zu schälen. Nur waren nach anderthalb Stunden die faustgroßen Kartoffeln auf Zwetschkengröße geschrumpft, die ausgewachsenen Karotten waren so dünn wie ihr kleiner Finger und das Basilikum und der Schnittlauch waren kaum kleiner, als sie es in ihrer ursprünglichen Größe waren. Am Ende präsentierte ein völlig abgekämpftes Mädchen, das durch ihre etlichen Pflaster an den Fingern aussah, als hätte sie um ihr Leben gefochten, stolz ihr Werk. "Und wie findest du es? Es hat zwar etwas gedauert, aber ich denke, ich weiß jetzt wie es geht." Eine hochgezogene Augenbraue und ein breites Grinsen von Frau Kasuragi, die sie fröhlich vor sich hinwerken ließ, um sie nicht zu bevormunden, waren darauf Antwort genug. "Du hast wohl noch nie gekocht, oder?" "Na ja, ..... es gibt für alles ein erstes Mal. Es sieht vielleicht nicht ganz so perfekt aus, aber man kann es noch essen." "Schon gut. Ich nehme nicht an, dass du weißt, wie man diese Dinge zubereitet. Hab ich Recht?" "Eigentlich nicht, aber ich kann es ja versuchen." Nach einem kurzen Blick auf die Uhr und auf ihren geliebten Gasherd, suchte sie nach den passenden Worten, um so nett wie möglich auszudrücken, dass es besser wäre, wenn sie sich um den Rest kümmern würde, um zu retten, was zu retten war. "Also....ähm...ah...was hältst davon, wenn du mir einfach mal zusiehst und ich erkläre dir dann, was ich gerade mache?!" Eifrig nickend band sich Misa eine der herumliegenden Schürzen um und nah die Streichholzschachtel von der Ablage. "Gut, ich lerne schnell. Ich bin mir sicher, dass ich das besser kann, als Gemüse schneiden. Was soll ich...." "Nein!!!" Ein entsetzter Schrei entfuhr Frau Kasuragi. "Ich meine, nein. ZUSEHEN. Nur zusehen Misa." Verlegen reichte Misa die Streichhölzer Saoko und tratt einen Schritt zurück. "Ich will schließlich keinen zweiten Schwerverletzten pflegen." Lachend deutete sie dabei auf Misas malträtierte Finger. ,Außerdem befürchte ich, du steckst mir dabei das ganze Haus in Brand.' Bei diesem Gedanken atmete sie erleichtert auf, als Misa sich brav neben sie stellte und anscheinend keine weiteren Anstalten machte, sich in der Küche nützlich zumachen. Kurze Zeit später: "Das sieht toll aus. Ich bringe unserem Patienten gleich was zu essen rauf." Mit diesen Worten schnappte sie sich ein Tablett und machte sich auf den Weg nach oben. Jedoch als sie an das letzte Gespräch mit ihm dachte, wurde ihr ein wenig mulmig zumute. Wie würde unter diesen Vorbedingungen wohl das nächste Zusammentreffen aussehen. Mit einem komischen Gefühl in der Magengegend, wurden ihre zaghaften Schritte immer langsamer und leiser, bis sie schließlich vor seiner Tür stand. Da sie durch das vollbepackte Tablett keine Hand mehr frei hatte, drückte sie vorsichtig und ohne anzuklopfen die Türschnalle mit dem Ellbogen herunter. Doch mit dem was sie sah hatte sie definitiv nicht gerechnet. Der ihr zugewandte blanke Hintern des hübschen, jungen Mannes, ließ ihren Atem stocken, als sie auf die wohlgeformten Pobacken starrte. Blitzartig entglitt ihr das Tablett. Durch das ohrenbetäubende Geräusch hinter sich, drehte er sich wie von einer Hornisse gestochen um und blieb stocksteif stehen (nicht was ihr schon wieder denkt), als er den Auslöser dafür erkannte. Stille. Keiner der beiden brachte einen auch nur halbwegs als Wort erkennbaren Laut über die Lippen. Seine Gedanken begannen zu rasen und er schwankte zwischen Wut und Scham, bis er sich für eines der beiden Gefühle entschieden hatte. "RAUS!!!!!!!" Erst jetzt löste sie ihren Blick und taumelte wortlos, aber wild gestikulierend, um eine Entschuldigung ringend rückwärts aus dem Raum, bis sie an die Wand des Ganges stieß und vor ihren noch immer weit aufgerissenen Augen die Tür zugeschlagen wurde. Langsam ließ sie sich auf den Boden sinken, schloss die Augen und atmete tief durch. ,OH, MEIN GOTT!!!' Zwei Menschen, ein Gedanke. Durch das Geräusch von klirrendem Glas neugierig gemacht und ein wenig beunruhigt, stand Frau Kasuragi bereits vor der völlig geschockten Misa. "Alles in Ordnung?" Ein leichtes Nicken begleitet von einem unschlüssigen Gesichtsausdruck, als sie ihr noch immer wie unter Trance antwortete. "...wie ... wie man's nimmt...." "Was ist den passiert? Du bist ja ganz blass! Ist dir schlecht? Hat er dir etwas getan?" "Nein, nein....ich habe....da war....ich meine.....er........nackt................er war............" Ein wissendes Lächeln umspielte nun Frau Kasuragis Lippen. "Oh, ich verstehe. Ich habe ihm etwas zum Anziehen hingelegt. Seine Kleider waren ja nicht mehr zu gebrauchen. Ein blöder Zufall, hm?" "So könnte man es auch sagen." "Und?" "Na ja, ich habe keine Vergleichsmöglichkeiten, aber ich denke er war........oh,....das war damit wohl nicht gemeint?" Frau Kasuragi räusperte sich verlegen. "Hähäm...., nein. Eigentlich wollte ich nur fragen, wie er reagiert hat." So blass wie sie zuvor noch gewesen war, so rot war sie jetzt im Gesicht, das man sie kaum noch von einer Tomate hätte unterscheiden können. Verlegen zupfte sie am Saum ihres Kleids und biss sich auf die Unterlippe. Ihre Stimme war nur noch ein leises Wispern. "Nichts, er hat mich rausgeschmissen." Allerdings leckte sie sich beinahe unmerklich mit der Zungenspitze über ihre Oberlippe, als die vorangegangene Szene wieder vor ihrem geistigen Auge erschien. Frau Kasuragi konnte sich nun nicht mehr halten und das breite Grinsen von einem bis zum anderen Ohr wurde zu einem Lachen, wegen dem sie sich an die Wand stützten musste und sich mit der anderen Hand den Bauch hielt. Als sie sich wieder beruhigt hatte, beugte sie sich zu dem kleinen Häufchen Elend, das noch immer am Boden kauerte und flüsterte ihr leise ins Ohr. "So schlimm kann es ja nicht gewesen sein." Misa brauchte eine Weile, bis sie verstand worauf sie damit anspielte. "Ich habe nicht.......ich meine, ich......" Entrüstet rang Misa nach Worten, was Frau Kasuragi wiederum zum Lachen brachte. "Natürlich nicht. Das würde doch keine junge, anständige Frau tun." Noch immer schmunzelnd ging sie Treppe hinunter und ließ eine völlig verdatterte Misa zurück. "Na komm schon. Auf zum zweiten Versuch! Laut dem Geräusch vorhin, hat er noch nichts zu essen bekommen. Also wirst ihm wohl oder übel wieder etwas raufbringen müssen." Bei dem Gedanken wich wieder jede Farbe aus ihrem Gesicht. "Ich muss....aber....." "Du willst ihn doch wohl nicht verhungern lassen." ,Wie kann sie es wagen,.........was,...was bildet die sich ein. Platzt hier einfach rein und.....argh......' Es war zum Haare ausraufen. Die Verletzungen vergessen, tigerte er von einer Seite zur anderen durch den Raum, bis er an einem großen Spiegel im Zimmer ankam und bemerkte, dass er noch immer nackte Tatsachen präsentierte und sich eine leise Stimme in seinem Hinterkopf meldete. ,Sie hat dich von oben bis unten gemustert.' "Ach, sei doch still!" ,Sie hat dich richtig angestarrt. Anscheinend hat ihr gefallen, was sie gesehen hat....' "Halt die Klappe, hab ich gesagt!" ,....aber vielleicht irre ich mich ja auch und sie war ganz einfach nur entsetzt......' "Ich hab gesagt du sollst die....nein, es hat ihr gefallen. Warum hätte sie mich sonst so angestarrt?! Oder?......Was rede ich da eigentlich?!!!...........Die Frau treibt mich noch in den Wahnsinn!!! Nein, dieses kleine Gör! Sie ist ein verzogenes, unreifes Gör! Mir doch egal, ob sie.....Jetzt führe ich schon Selbstgespräche. Argh......." Wütend schnappte er sich die Kleidung, die noch immer unangetastet auf dem Stuhl lag. Kapitel 5: ----------- Schatten des Lichts Teil 5 Nervös schlich Misa die Stufen bis zu seinem Zimmer hinauf, hielt den Atem an und nahm ihren letzten Mut zusammen. In weiser Voraussicht stellte sie das Tablett auf den Boden. Vorsichtig und kaum hörbar klopfte sie an die Tür. "Kann ich rein kommen? Wenn du Hunger hast, ich.....ich stell's einfach hier hin." Während dieser leise geflüsterten Worte, in der Hoffnung schnell wieder kehrt machen zu können, drehte sie sich um und wollte auch schon flüchten, als hinter ihr die Tür aufgerissen wurde. Noch immer ziemlich grimmig, deutete er ihr mit einem nicken nach hinten an, einzutreten. Nur als er bemerkte, dass sie kaum wagte den Blick zu heben und einen leichten Rotschimmer auf ihren glühend heißen Wangen entdeckte, ließ ein wenig seiner Wut nach und machte einem anderen Gefühl Platz. Der Versuch ungerührt von den letzten Ereignissen zu erscheinen, wollte nicht so recht klappen und um sein plötzliches Unbehagen in ihrer Nähe zu vertuschen, drehte er sich schnell um und starrte aus dem Fenster. Dort konnte er sie unbemerkt in der Spiegelung des Fensterglases beobachten. Misa hingegen nutzte die Gelegenheit und stellte hastig das Essen auf einen kleinen Tisch in der Ecke des einfach eingerichteten Zimmers. ,Gleich hab ich es hinter mir. Gleich hab ich es geschafft. Nur nicht hinsehen. Nur nicht.......oh man, könnte die Hose nicht eine spur weiter sein. Muss die jetzt so eng anliegen! Heute ist einfach nicht mein Tag!' Mit einem leicht amüsierten Ausdruck im Gesicht, sah er ihre verzweifelten Versuche wo anders hinzusehen. ,Tja, eindeutig. Es hat ihr gefallen!' Mit einem hinterhältig, selbstgefälligem Grinsen beugte er sich ein Stück nach vor und lehnte sich gegen die Mauer. Die Scham von vorhin war wie weggeblasen und er wusste jetzt eine Möglichkeit sich zu revanchieren. So einfach wollte er sie nicht davon kommen lassen. Unschlüssig, ob sie nun gehen konnte, was ihr in diesem Moment bestimmt das Liebste gewesen wäre, fragte sie ihn mit krächzender Stimme, ob er noch irgendetwas brauche. Innerlich kurz vor einem Lachkrampf, verzog er keine Miene, als er sich mit völlig ernstem Gesicht zu ihr umdrehte. "Ja, die Verbände fangen an zu jucken." So kühl wie er klang, hätte man wohl nie vermutet, dass ihn dieser gleichgültige Ton in seiner Stimme mehr Kraft erforderte, als es den Anschein hatte. "Und....was...soll ich jetzt tun?" "Wenn du schon so versessen darauf bist mir zu helfen, könntest du doch meine Verbände wechseln." Der "leicht" entsetzte Ausdruck in Misas Gesicht war kaum zu übersehen, trotzdem nickte sie zaghaft. ,Nein,.....nicht auch das noch! Könnte er mich denn nicht um etwas anderes bitten?! Aber nein......' Mit seiner Selbstbeherrschung war er schon längst an seine Grenzen gestoßen. Schnell drehte er ihr wieder den Rücken zu, um sein verräterisches Grinsen zu verbergen. Nur bemerkte er dummerweise nicht, dass ihn diesmal Misa in der Spiegelung der Glasscheibe beobachtete, während er begann das schwarz-blau schimmernde Hemd auszuziehen. Böse funkelte sie ihn an, als sie begriff, dass dies zu einer Art Racheaktion von ihm gehören sollte. ,Da stimmt doch was nicht. Oh, du kleines hinterhältiges.....Na warte!!! Hast gedacht, du könntest mich so leicht aus der Fassung bringen?! Aber nicht mit mir!' Durch die Erkenntnis seines kleinen Plans, kehrte schlagartig ihre innere Ruhe zurück. "Iss erst mal. Ich hole schon mal das Verbandszeug." Die fröhliche klingende Antwort, verwirrte ihn nun doch ein wenig. ,Plötzlich so gut gelaunt? So wie sie sich vorhin benommen hat, war sie alles andere als begeistert, mir nach dem kleinen Zwischenfall so nahe zu kommen. Tja, dann werde ich mir wohl etwas anderes einfallen lassen müssen. Aber das hat Zeit bis nach dem Essen.' Beim hinausgehen sammelte sie die noch immer am Boden liegenden Reste des kleinen Malheurs auf. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, und sich auf die Suche nach frischen Bandagen machte, ließ sie ihrer Wut freien Lauf. "Du...du kleiner........na warte, dass wirst du mir büßen! Wie wenn ich nicht so viel Selbstbeherrschung hätte, dass ich ihn verarzten könnte. Was ist schon dabei?!" ,So faszinierend war das nun auch wieder nicht. Wie wenn ich noch nie einen nackten Mann gesehen hätte.....Na gut, vielleicht nicht in natura, aber es gab zu Hause einige Bücher in denen man jedes Detail erkennen konnte. Vater hatte sie zwar vor mir im hintersten Regal verstecken wollen, aber Nanatsaja hat sie mir mal flüchtig gezeigt, als in Biologie die Fortpflanzung im Lehrplan von Herrn Kosai stand.' Mit einer Spur Wehmut dachte sie an damals zurück. (Nicht wegen der Abbildungen!) ,Ich wäre so gern auf eine öffentlich Schule mit anderen Kindern gegangen, aber Vater hat es nie erlaubt. Er sagte immer ein Hauslehrer wäre ein Privileg. Ich würde dadurch die umfassendste Bildung bekommen und außerdem wäre es viel sicherer für mich.....was soll's.' "DAS war jedenfalls nichts Besonderes!" Mit den Händen in die Hüfte gestemmt, stand sie triumphierend da. "Du kannst dich auf was gefasst machen!" ,ICH werde ganz bestimmt nicht diejenige sein, die klein bei gibt. Du willst, dass ich dich verarzte? Das kannst du haben!' "Hat sich unser Gast wieder beruhigt?" "Ja. Ich soll ihm neue Verbände anlegen, aber ich kann sie nicht finden." Fragend sah Frau Kasuragi Misa an. "Er hat DICH darum gebeten?" "Mmh, warum?" "Na ja, ich dachte nur, dass..." "Ach, Unsinn! Ich war am Anfang einfach ein wenig.....überrascht." (Überraschung! Ich wusste doch du brauchst ein wenig Nachhilfe in Sexualkunde. Also, hier bin ich!) "Überrascht?" Ungläubig sah sie Misa an, die immer noch nach dem Erste Hilfe Kasten, den sie erst gestern noch irgendwo in diesem Raum gesehen zu haben glaubte, suchte. ,Ich werde das Gefühl nicht los, dass da irgendetwas faul ist. Die hat doch was vor. Wenn ich nur wüsste was.' "Bist du sicher, dass du das nicht besser mir überlassen willst?" Noch vor einer halben Stunde wäre Misa bestimmt überglücklich über diese Worte gewesen, doch sie hatte inzwischen andere Pläne. "Nein, nein. Kein Problem. Immerhin ist er meinetwegen verletzt. Da kann ich mich auch um ihn kümmern." ,...und wie ich das werde...' Argwöhnisch sah sie Misa prüfend an. Die Sache war Frau Kasuragi nicht ganz geheuer, aber sie konnte nichts besonders verdächtiges außer ihrer guten Laune entdecken. "Na gut. Wie du meinst." Damit überreichte sie ihr einen kleinen, weißen Koffer mit einem roten Kreuz darauf, den sie aus einem der Schränke neben ihr nahm. "Danke. Dort habe ich noch gar nicht nachgesehen." Freudestrahlend nahm sie ihn entgegen und ging mit ungewöhnlicher Entschlossenheit wieder in die Richtung seines Zimmers. Schmunzelnd nahm Frau Kasuragi ihren Gesichtsausdruck und ihre schnellen Schritte zur Kenntnis. ,Hat's ja ganz schön eilig. Was auch immer ihren Sinneswandel bewirkt hat..... .' "Die Verbände fangen wirklich langsam an zu jucken. Wo bleibt sie nur so lange? Wahrscheinlich hat sie sich in irgendeiner Ecke verkrochen und versinkt vor Scham im Boden. Geschieht der kleinen Göre recht. Was platzt sie auch einfach so rein." Die letzten Ereignisse hatten ihn doch mehr angestrengt, als er zugegeben hätte. In seinem Kopf begann sich langsam alles zu drehen. Erschöpft ließ er sich auf das Bett fallen, was vielleicht nicht gerade seine grandioseste Idee war, da dadurch die Verletzungen wieder furchtbar zu schmerzen begannen. "Ahhhhh,...verdammt!" ,Was läuft sie auch mitten in der Nacht im Wald rum. Ich hab was Besseres zu tun, als auf so ein verzogenes Gör aufzupassen! Wegen ihr sitze ich hier fest!' In diesem Moment hörte er auch schon ein leichtes Klopfen an der Tür. "Na endlich!" Es war vielleicht keine normale Aufforderung einzutreten, aber bei diesem mürrischem Patienten wusste man nie so Recht. Also öffnete Misa ohne weiteres Zögern die Tür. Bereits ungeduldig wartend richtete er sich sofort auf und machte sich daran die Verbände zu lösen. Allerdings gelang dies durch seine derzeitige Unbeweglichkeit mehr schlecht, als recht und bereitwillig bot sich Misa an ihm dabei zu helfen. "Lass mal. Ich mach das schon. Aber es wäre einfacher, wenn du dafür das Hemd ausziehen würdest." Dabei warf sie ihm einen Hundeblick mit ihren rehbraunen Augen zu, dem nicht mal er widerstehen konnte. Ein leichtes Nicken war das einzige Zeichen seiner Zustimmung, aber mehr hatte sie auch gar nicht erwartet. Als er die Arme hob, um das kaum zugeknöpfte Hemd über seinem Kopf abzustreifen, zuckte er leicht zusammen. Die schmerzstillenden Tabletten des Arztes verloren langsam ihre Wirkung, sodass die Schmerzen immer mehr zu ihm durchdrangen. Als Misa bemerkte, wie er scharf die Luft einsog und die Arme wieder nach unten sinken ließ, hätte sie ihren Plan am liebsten wieder verworfen. ,Die Schmerzen müssen sehr schlimm sein. Eigentlich.......Nein! Strafe muss sein! Und was du kannst, das kann ich schon lange!' Zusammen mit ihren noch immer großen, unschuldig blickenden Augen und dem nun kleinem Lächeln, das ihre Lippen umspielte, fing sie vorsichtig an das Hemd aufzuknöpfen und strich dabei leicht über seine Haut. Feinste Härchen stellten sich auf, als ein Schauer durch seinen Körper jagte. Die kaum spürbaren Berührungen ließen ein bisher unbekanntes Gefühl in ihm aufsteigen. Mit ihren sanften Fingerspitzen hinterließ sie wie Feuer brennende Spuren auf seiner Haut zurück. Ein Gefühl wie tausender kleiner Nadelspitzen, die ihn leicht kitzelten. Nicht schmerzhaft oder unangenehm. Anders. Ungewohnt sanft. Noch vorsichtiger strich sie ihm den weichen Stoff über die Schultern ab. Während sie sich dafür nach vorne beugte, konnte er ihren warmen Atem im Nacken spüren. ,Was,........was macht sie da?!' Nervös begann er, sich mit seinen Fingern in das Lacken zu krallen. Unfähig für einen Protest, ließ er die Behandlung über sich ergehen. ,Wenn sie nicht gleich damit aufhört...weiß die denn gar nicht, was sie damit anrichtet?!' Verzweifelt versuchte er zu verdrängen, wie heftig sein Körper anfing auf ihre Berührungen zu reagieren. Seine nun immer tieferen Atemzüge und sein schneller werdender Herzschlag, der das Blut durch seine Adern pumpte, blieben Misa keineswegs verborgen. ,Na, wer ist nun derjenige, der sich nicht mehr lange beherrschen kann?!' Unter äußerster Anspannung starrte er an die Decke und biss die Zähne zusammen. Obwohl unschwer zu erkennen war, wie weit sie ihn bereits mit ihrem kleinen "Angriff" getrieben hatte, zeigte sie keinerlei Mitleid, als sie begann die neuen Verbände anzulegen. Besonders eine Verletzung in Hüftgegend trieb ihre Folter auf die Spitze. Seine Gedanken begannen zu rasen und er war nun vollkommen unfähig seinen Blick an der offenbar höchst interessanten Decke zu behalten. ,Die hat doch nicht vor...' Hastig schreckte er zurück, als er bemerkte, an welcher Stelle sie die Bandage wechseln wollte und sprang auf. "Das,......das kann ich selbst!" "Aber ich dachte, ich soll ...." "NEIN! Nein. Nicht nötig. Das schaff ich allein." Misa machte wieder ihr unschuldigstes Gesicht, einem Engel gleich, während sie ihm die Bandage in die Hand drückte. "Wenn du meinst." Erlöst von seinen Qualen setzte er sich wieder hin. "Ja. Könntest du....ich meine...schließ die Tür wenn du raus gehst." "Oh,...ach so...natürlich." Dabei strahlte sie ihn wieder mit ihrem zuckersüßen Lächeln an. Doch während er bereits erleichtert aufatmen wollte, als sie sich zum Gehen wandte, machte sie noch eine letzte Bemerkung, die ihm die Schamesröte ins Gesicht trieb. "Obwohl es da nichts gäbe, was ich noch nicht gesehen hätte." Wie versteinert saß er auf seinem Bett und starrte auf die bereits geschlossene Tür, bis er sich völlig entkräftet nach hinten sinken ließ. ,Verfluchtes Gör!' Auch auf der anderen Seite atmete eine Person mit zittrigen Knien erleichtert aus. ,Lief doch ganz gut....und warum schlägt dann mein Herz so schnell?! Wahrscheinlich nur das schlechte Gewissen. Natürlich! Was auch sonst...' Kapitel 6: ----------- Teil 6 "Hallo ist hier jemand? Saoko?" Misa hörte gerade seltsame Geräusche, als sie am Schlafzimmer der Kasuragis vorbeikam. "Ich bin hier drin." Frau Kasuragi wühlte gerade ihre alte Truhe durch, um noch weitere Kleider für ihre beiden Gäste zu finden. "Und war er auch brav?" Grinsend dachte sie an ihre besondere Art ihn zu verarzten. "Er war richtig zahm und hat keinen Mucks gemacht." Ein leichter Seitenblick von Frau Kasuragi genügte, um zu erkennen, dass dies wohl ihr kleines Geheimnis bleiben würde. ,Ich möchte zu gern wissen, wie sie das wieder angestellt hat.' Noch immer damit beschäftigt ein Kleidungsstück nach dem anderen zu begutachten, winkte sie die noch immer in der Tür stehenden Misa ins Zimmer. Es war klein, aber gemütlich eingerichtet und die lindgrünen Vorhänge spielten mit dem Herbstwind, der durch das geöffnete Fenster wehte. Frau Kasuragi strich über eines der Kleider, das sie herausgelegt hatte und warf dabei noch einen prüfenden Blick auf den blasslila Stoff. "Ja.....ich glaube, dass ist das Richtige für dich. Ich werde es wohl ein wenig ändern müssen." Dabei hielt sie es vor Misa, um es zufrieden zu den anderen Sachen, die sie bereits für die beiden herausgesucht hatte zu legen. "Wenn du sonst noch etwas brauchen solltest. Mein Mann fährt morgen noch einmal nach Cyrop." "Er arbeitet in der Stadt?" "Nein. Eigentlich kümmert er sich hier um die Aufforstung der Wälder, nachdem sie von diesen geldgierigen Geschäftemachern ausgebeutet wurden. Außerdem überprüft er die Holzbestände und achtet darauf, dass die seltenen Tierarten dieser Gegend hier ihre Ruhe von den Wilderern haben. Manchmal muss er nach Cyrop fahren, um dort einen Bericht abzugeben, oder Lebensmittel und andere notwendige Dinge zu besorgen." "Dann ist das hier eine Art Naturschutzgebiet?" Soweit Misa wusste, war ihr nicht bekannt, dass an die privaten Besitztümer ihres Vaters ein Naturschutzpark angrenzte. Es hätte sie doch schon sehr gewundert, wenn sie zu Fuß bereits einen so weiten Weg hinter sicht gelegt hätte. "Noch nicht. Der Beschluss dafür ist leider noch immer sehr umstritten, aber ich glaube daran, dass er sie überzeugen kann. Er arbeitet schon so lange hier draußen zusammen mit ein paar Freunden an der Umsetzung seiner Pläne. Es ist sein großer Traum....." Der bekümmerte Ausdruck auf Frau Kasuragis Gesicht war nicht zu übersehen. "Wie lange lebt ihr eigentlich schon hier?" "Seit vier Jahren." Selbst bei dieser knappen Antwort konnte man den traurigen Unterton in ihrer Stimme hören. "Vermisst du denn nicht manchmal die Gesellschaft von anderen Menschen?" Der wehmütige Blick der älteren Frau verriet, dass sie damit einen Punkt angesprochen hatte, der sie bereits seit längerem bedrücken musste. "Manchmal scheint es mir unerträglich, aber wenn ich daran denke in der Stadt leben zu müssen.....nein, es ist gut so wie es ist." Dabei versuchte sie eines ihrer unvergleichlichen Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern, was ihr in diesem Moment nicht so recht gelingen wollte. "Ist es dort so schrecklich?" "Nein, aber manchmal ist es besser sich für eine Weile zurückzuziehen, um in Ruhe über alles nachdenken zu können." Misa bemerkte, dass es Frau Kasuragi unangenehm war darüber zu sprechen und wollte sie nicht länger mit lästigen Fragen löchern. Stattdessen wechselte sie gewandt, wie immer, das Thema. "Was gibt es heute Abend zu essen?" Erstaunt sah Frau Kasuragi Misa an. "Warum? Hast du schon wieder Hunger?" "Nein, aber ich habe noch einiges vor mir. Schließlich kann ich nicht ewig hier bleiben und wenn ich nicht verhungern will, muss ich wohl kochen lernen, oder von Fast Food leben." "Tja, in diesem Punkt gebe ich dir absolut Recht. Da hast du noch einiges vor dir." Wieder voller Tatendrang ging Misa schon mal voraus und sah nicht einmal den zum Himmel gerichteten, flehendem Blick Frau Kasuragis. ,Gnade uns Gott! Wenn sie anfängt den Herd zu benutzten, legt sie alles in Schutt und Asche.' "Brrrrrr...man merkt, dass der Winter kommt. Erinnere mich daran, dass ich die Heizung im Auto repariere." Völlig durchgefroren setzte sich Herr Kasuragi an den gedeckten Tisch, während draußen die ersten Sterne am Firmament zu funkeln begannen. "Das hattest du doch schon seit einer Woche vor." "Ich weiß, aber ich habe es immer vergessen. Mmmh....was riecht denn da so gut?" Erwartungsvoll rieb er sich die Hände, während ein Teller dampfender Suppe vor seine Nase hingestellt wurde. Hungrig wie er war, begann er sofort den ersten Löffel in den Mund zu schieben. Dabei übersah er den neugierigen Blick seiner Frau. "Und wie schmeckt es?" Das Husten, Würgen und dazu noch der verzogene Mund zeigten den ganz besonders würzigen Geschmack dieser Suppe. "Huagh....hag...köstlich....hast du ...ein neues Rezept ausprobiert?" Grinsend sah sie ihm zu, wie er einen Löffel nach dem anderen hinunterwürgte. "Schön, dass wird Misa aber freuen zu hören." Stutzig sah er auf. "Heißt das Misa hat das hier verbrochen?" "Es war ihr erster Versuch." "Phu,...und ich habe schon befürchtet ich müsste mir diesen Fraß noch länger antun. Was hat sie da nur alles rein getan..." "Keine Ahnung, ich habe es ihr überlassen die Suppe zu würzen. Anscheinend hat sie sich dabei nicht auf die Menge der Zutaten gehalten." "Das merkt man. Es schmeckt nach Salz und ein paar anderen undefinierbaren Dingen. Eigentlich erinnerte es ihn mehr an einen Leckstein, als an eine Suppe. "Bähhh...." Angewidert wischte er sich den Mund ab. "Sag ihr das besser nicht. Sie hat sich so viel Mühe gegeben." Schmunzelnd nahm sie seinen Teller und stellte ihm ein anderes Gericht auf den Tisch. "Keine Sorge, werde ich nicht. Ich hoffe nur, dass das hier essbar ist." "Solange du nicht an meinen Kochkünsten zweifelst." Abwehrend hob er die Hände in die Höhe. "Aber nicht doch Schatz. Das würde ich doch nie tun. Wo ist sie eigentlich schon wieder?" "Sie bringt unserem schwierigem Patienten gerade etwas zu essen hoch. Du hättest ihn hören sollen, diesen ,Mister ich brauche keine Hilfe'. Er ist genauso stur wie...." Schweigend senkte sie den Blick. "Yuichi?" "Ja." "Er sieht ihm sehr ähnlich." "Ich weiß. Es ist schon über vier Jahre her, aber..." "Schon gut. Ich verstehe, was du meinst.... Ich vermisse unseren Jungen genauso." Die Stille, die sich nach diesen Worten ausbreitete, lastete schwer auf den beiden. Leise klopfte Misa an die Tür, bevor sie in das dunkle Zimmer eintrat. ,Er wird noch schlafen, zumindest hoffe ich das. Nachdem ihn Saoko zu einer Ladung Schmerzmittel und einer Schlaftablette überredet hat, beziehungsweise zu seinem Glück gezwungen hatte... das Theater, das er wieder aufgeführt hat... Na ja jetzt schläft er wahrscheinlich durch. Aber nur für den Fall... Es schadet ja nicht, wenn ich ihm das Tablett auf den Tisch stelle.' So geräuschlos wie möglich, stellte sie das Tablett auf den Nachttisch ab. Doch bevor sie sich zum Gehen wandte, warf sie noch einen Blick auf ihn. ,Ich bin noch nicht einmal dazu gekommen, dich um deinen Namen zufragen. Ich wüsste nur zu gern, wer du bist. Aber es sieht nicht so aus, als würdest du mir freiwillig etwas über dich verraten wollen.' Durch den schwachen Lichtstrahl, der durch den Flur in das Zimmer schien, betrachtete sie sein Gesicht und seine regelmäßigen Atemzüge. ,Ich möchte wirklich wissen woher du diese Narbe hast. Vielleicht ein Fahrradunfall, oder... nein, ich denke, da steckt etwas anderes dahinter. Du bist mir einfach ein absolutes Rätsel, das ich nur zu gern lösen würde... Wenn du so friedlich schläfst, würde man niemals glauben, dass du so wütend werden kannst.' Wie automatisch beugte sie sich langsam vor und strich vorsichtig über die Narbe. "FASS MICH NICHT AN!" Erschrocken fuhr sie zusammen. Mit einem Satz war er blitzschnell aus dem Bett gesprungen und hielt sie mit seiner Hand fest. Mit der anderen knipste er das Licht der Nachttischlampe an. Der eiserne Griff um ihr Handgelenk fing an zu schmerzen und hinderte sie daran zurückzuschrecken. Sprachlos rang sie nach Worten, während er weiter eine Erklärung forderte. "WAS SOLLTE DAS?!" Mit wütend funkelnden Augen starrte er sie an und wartete auf eine Antwort, die er unentschuldigt abschmettern lassen würde. "Ich weiß nicht.....ich wollte nur.....ich......" "DU WOLLTEST NUR, WAS?!" Während er sie zornig anschrie, stiegen ihr die Tränen in die Augen und ein Schluchzen rang sich ihre Kehle hinauf. "WAS DENN?! Willst du jetzt losheulen!" Der sarkastische Ton zeigte, dass er bestimmt nicht mit ein paar Tränen zu erweichen war. Er war fest entschlossen ihr nun endgültig zu beweisen, dass es besser für sie wäre, sich nicht mit ihm anzulegen, bis er ihre tränenerstickte Stimme hörte. "Du tust mir weh." Als er in ihre Augen sah, erkannte er den Schmerz und ihre Angst die sich darin wiederspiegelte und ließ sie augenblicklich los. Betreten wandte er den Kopf zur Seite und murmelte kaum hörbar eine Entschuldigung. "...tut mir Leid..." Ihr schluchzen wurde ein wenig leiser und das Zittern ihres Körpers lies langsam nach. "....ich wollte dir keine Angst machen.......nun hör schon auf zu heulen...." Ohne sie noch einmal anzusehen, setzte er sich auf die Bettkante und starrte mit hängendem Kopf auf den Fußboden. ,...und ob ich dir Angst machen wollte.... Ich bin auch nicht besser als er......genauso verabscheuungswürdig und abstoßend. Ich bin genau zu dem geworden, den ich immer gehasst habe.........Herzlichen Glückwunsch, Vater! Du hast deinen Sohn wirklich gut erzogen.' Inzwischen beruhigte sich Misa von dem Schreck und suchte nach den passenden Worten. "Ich weiß auch nicht warum, aber irgendwie dachte ich......oder ich dachte gar nichts....mir ist diese Narbe aufgefallen und da.....ich dachte, sie.....ich weiß auch nicht....es tut mir leid." Sie versuchte ihm noch immer schniefend zu sagen, warum sie diese wie magisch angezogen hatte, aber sie fand dafür selbst keine Erklärung, also ließ sie es bleiben. ,Meine Narbe?! pah........Sie wird mich mein ganzes Leben lang zeichnen. In ihr zeigt sich mein ganzes Wesen....Etwas unerwünschtes, dass fehl am Platz ist. Sie muss faszinierend für jemanden sein, der so perfekt in diese Welt passt...'Ein unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen den Beiden aus, bis Misa sich dazu durchringen konnte die Stille zu durchbrechen. "Ich weiß noch nicht mal wie du heißt." Eigentlich wollte er ihr schroff erwidern, dass sie das gar nichts anginge, aber anstatt ihre Frage abzuweisen, antwortete er ihr, ohne noch weiter darüber nachzudenken. "Kojiro." Sie hatte schon befürchtet, wieder angeschrieen zu werden und ging bereits in Deckung. Sie war darum umso überraschter, als er ihr ohne weiteres seinen Namen nannte. Erleichtert und froh darüber, dass sie ihm wenigstens diese etwas dürftige Information entlocken konnte, strahlte sie ihn an, was dieser leider nicht erkennen konnte, da sein Blick immer noch am Boden haftete. "Mein Name ist Misato, aber alle nennen mich Misa." Als ihm auffiel, dass ihre Stimme einen fröhlichen Klang hatte, wagte er es zu ihr aufzusehen. Beruhigt bemerkte er, dass sie keine Furcht mehr vor ihm zu haben schien und zum ersten Mal konnte Misa ein kleines Lächeln auf seinen Lippen erkennen. Grinsend wippte sie auf den Fersen hin und her und verknotete ihre Finger im Stoff ihres Kleides. "Ich lasse dich besser wieder schlafen....Kojiro. Wenn du vorher noch etwas essen willst, ich habe es dir auf das Nachtkästchen gestellt. Gute Nacht!" ,Tz, Misa..... Ich werde einfach nicht schlau aus ihr. Wieso bringt sie mich nur immer wieder so aus der Fassung?!' Nachdenklich folgte er ihr mit seinen Blicken, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Doch die Verwirrung war keinesfalls nur einseitig. Auch Misa konnte sich ihr Verhalten ihm gegenüber nicht länger durch irgendwelche Ausreden oder Vorwände erklären. Als noch größeres Enigma empfand sie allerdings den Mann, der sie in dieses Chaos stürzte. ,Ich habe gespürt, wie er gezittert hat, als ich ihn nur leicht berührt habe.....Als hätte ICH ihm Angst gemacht und warum schreit er mich gleich so an. Ich verstehe das Ganze einfach nicht. Wie ist es nur möglich, dass er mir in dem einem Augenblick so einen Schreck einjagen kann und im nächsten....ich kann kaum atmen, wenn er mich so ansieht......und wenn er lächelt...... Wer hätte gedacht, dass er soo..... Was denke ich da wieder! Du bist ja nicht mehr ganz dicht! Herz beruhig dich! Schließlich ist es nicht das erste Mal, das ich jemanden Lächeln gesehen habe..... nicht wahr.' Kapitel 7: ----------- Ich dachte, ich schaffe in diesem Teil einfach mal für faire Verhältnisse zwischen den beiden Streithähnen. ^^ Und nur so nebenbei gesagt muss ich zugeben, dass ich einigermaßen enttäuscht bin, dass ich bisher keinen einzigen Kommentar bekommen habe und ich überlege, die Serie ganz einfach nicht mehr ins Netz zu stellen, da es ja auch niemanden gibt den es interessiert, wie es weitergeht. Aber ich schätze ich poste wenigstens noch solange bis mein Kira ins Spiel kommt. Vielleicht gibt es ja jemanden der sich für ihn erwärmen kann... Teil 7 Die nächsten beiden Tage gingen sich Misa und Kojiro so gut wie möglich aus dem Weg. Er blieb ohne weitere Wiederworte in seinem Bett, während Frau und Herr Kasuragi Misa die notwendigen Dinge des Lebens beibrachten, oder zumindest versuchte sie das. Kochen, ein klein wenig nähen, bügeln, den Unterschied von Gewürzen, das Auswechseln einer Glühbirne, wie man die Wasserwärmepumpe wieder in Gang bekommt.......Sie war in den Dingen, die die Hausarbeit betrafen nicht wirklich die Begabteste und manchmal fragte sich Frau Kasuragi, wie sie nur so lange überleben konnte, aber hingegen bei den kleinen Reparaturarbeiten begriff sie sehr schnell. Misa schien fasziniert von dem Gerät, das durch verhältnismäßig wenig Wasser so viel Energie erzeugen konnte, um ein ganzes Haus mit Wärme zu versorgen. Geduldig ließ sie sich alles von Herrn Kasuragi darüber erklären, der durch ihre Aufmerksamkeit in völliger Euphorie alles über die Vorteile dieser Energiegewinnung aufzählte und immer weiter ins Schwärmen geriet. Doch am Ende seiner Ausführungen hätte Misa selbst einen Vortrag darüber halten können. Alles verlief ruhig und ohne größere Zwischenfälle, bis zum darauffolgenden Morgen. "Ich verstehe gar nicht, wie ihr ohne Badezimmer auskommen könnt. Ihr habt doch genug warmes Wasser zur Verfügung. Was macht ihr nur im Winter? Der Wasserfall ist zwar wundeschön, aber eiskalt!" Frau Kasuragi sah schmunzelnd, wie sich Misa bei der Erinnerung an ihre letzte Dusche im Freien schüttelte. "Wir haben nicht gedacht, dass wir so hier so lange leben würden, da haben wir das nicht eingeplant. Aber natürlich waschen wir uns im Winter nicht draußen, selbst wir sind nicht so abgehärtet." Verwirrt blickte Misa die Frau, die ihr am Esstisch gegenübersaß an. "Aber ich dachte....." Wir haben kein richtiges Badezimmer, aber wenn es kälter wird, baden wir in einem Badezuber. Er ist zwar schon sehr alt, aber er erfüllt immer noch seinen Zweck." Mit weit aufgerissenen Augen starrte Misa Frau Kasuragi an. "Soll das heißen, ich habe mir umsonst da draußen den Tod geholt?!" "Wieso, dir scheint es doch noch ganz gut zu gehen." Mit einem bitterbösen Gesicht und einem mörderischem Blick biss sie die Zähne zusammen, um ein knurren zu vermeiden. In dem Moment sah sie aus wie eine wilde Raubkatze, die zum Sprung ansetzt. Frau Kasuragi schien davon völlig unbeeindruckt und zeigte ihr stattdessen wo sie den Zuber finden konnte. "Wer wird denn gleich so böse werden. Ich konnte ja nicht ahnen, dass dir das Baden im Freien so viel ausmacht. Na komm mal mit." Bei einem kleinen Holzschuber hinter dem Haus angekommen, öffnete Frau Kasuragi die knarrende, fast nur noch angelehnte Tür. Es war dunkel und ein Geruch von vermoderndem Holz stieg Misa in die Nase, als sie zögernd eintrat. Das schwache Licht, das durch die wenigen Ritzen schien, ließ sie nur schwer die Umrisse erkennen. "Am besten du lässt die Tür offen, sonst findest du hier gar nichts." Hörte sie Frau Kasuragi, die dicht hinter ihr stand und die Tür, die zugefallen war, für sie aufhielt. Nachdem sie diese mit einer Schaufel aus der nächstgelegenen Ecke befestigt hatte, suchten sie zwischen dem Gerümpel und räumten es solange beiseite, bis der Badezuber darunter zum Vorschein kam. "Da haben wir ihn ja. Er ist zwar ein wenig schmutzig, aber wenn wir ihn gereinigt haben, ist er so gut wie neu." Mit zweifelndem Blick betrachtete Misa das völlig verdreckte Objekt. "Na ja, ich weiß nicht so Recht. Er sieht schon sehr......mitgenommen aus. Gibt es denn nichts ander..." "Wenn du nicht wieder kalt duschen willst, wird der hier wohl ausreichen müssen." Mit hängenden Schultern und einem tiefen Seufzen nickte sie schwach und machte sich mit Frau Kasuragi daran, dass Ungetüm aus dem Schuppen zu rollen. ,Gott, ich will doch nur ein Bad. Ein heißes Bad. Ist das denn zuviel verlangt?......und nicht in so...so einem Ding.' Misa wurde in ihren selbstmitleidigen Gedanken von Frau Kasuragi unterbrochen, die ihr einen Schwamm, einen Lappen und einen Kübel vor die Füße stellte. "Tja, dann wünsch ich viel Spaß! Ich muss mich um das Essen kümmern und ich bin mit deinem Kleid noch nicht ganz fertig." "Ich soll....." "Bis später." Ohne weiter auf Misa zu achten, deren entsetzter Gesichtsausdruck im Hinblick auf die zwar relativ einfache aber schmutzige Arbeit sie bestimmt wieder zum Lachen gebracht hätte, ging sie zurück ins Haus. ,Es wird ihr nicht schaden, wenn sie mal ein paar "unfeinere" Arbeiten verrichtet. Ich weiß nicht wo sie herkommt, aber offensichtlich hat sie bei sich zu Hause nie auch nur einen Finger rühren müssen. Das wird sich jetzt ändern.' Ein paar Minuten später sah sie Misa durch das Fenster einen randvoll mit Wasser gefüllten Kübel schleppen aus dem bei jedem Schritt ein wenig Wasser herausschwappte und drei Stunden später stand eine völlig abgekämpfte Misa in der Küche. Die Haare standen zerzaust in alle Richtungen und einzelne Strähnen hangen ihr ins Gesicht, das den Eindruck erweckte, als hätte sie sich ewig nicht mehr gewaschen. Ganz davon zu Schweigen, dass das Kleid triefend nass an ihr heruterhing. Frau Kasuragi grinste innerlich, verkniff es sich aber, sie nachdem sie sich so abgemüht hatte, auch noch auszulachen. "Jetzt hast wirklich ein Bad nötig, du kleiner Dreckspatz. Und das hast du dir auch verdient." Erleichtert atmete Misa auf. "Wo soll ich ihn hinbringen?" "Ich helfe dir schnell. Wir stellen ihn am besten in die Waschküche." Mit strahlenden Augen nickte sie schwach. Jeder Zentimeter in ihrem Körper schmerzte. Sie hatte den Badezuber geschrubbt und poliert, bis er ihren Ansprüchen genügte. Erstaunt betrachtete Frau Kasuragi Misas Werk. "Du hast dich ja ganz schön ins Zeug gelegt. Ich glaube, so sauber war er nicht mal als wir ihn gekauft haben." "Ich will schließlich nicht schmutziger aus dem Bad herauskommen, als ich reingegangen bin." Erklärte sie mit stolzer Miene. Im heißen Badewasser entspannten sich langsam Misas angespannten Muskeln und sie ließ sich mit einem wohligen Seufzer in das Wasser gleiten. "Mmh..." ,Oh ja, das habe ich vermisst..... Was Vater wohl gerade macht. Bestimmt sucht er nach mir. Mein schlechtes Gewissen bringt mich noch um, aber was hat er denn erwartet. Ich meine, er kann doch nicht ernsthaft glauben, dass ich mich so einfach von ihm verheiraten lasse und noch nicht mal mitbestimmen kann in wen?! Ich möchte ja nicht, dass er sich Sorgen macht, aber ich kann nicht zurück und ich will auch gar nicht wieder nach Hause. Ich fühle mich hier so wohl. Sie behandeln mich fast als würde ich hierfergehören. Für Vater war ich immer wie eine Puppe aus Glas, die man vor den anderen verstecken muss, damit sie nicht zerbricht. Nur ab und zu hat er mich auf einige dieser großen Feste mitgenommen. Aber diese Bälle waren unglaublich. Dort habe ich mich wie eine Prinzessin gefühlt. Die feinen, herausgeputzten Damen und Herren. Das letzte Mal durfte ich sogar mit all den anderen zusammen über den Parkettboden schweben.....Ja, es war fast so wie schweben. Man wirbelt herum und verliert sich voll und ganz in einem unbeschreiblichen Gefühl, während die Musik alle Sinne erfüllt... die Musik...die vermisse ich daran wohl auch am meisten.' Kopfschüttelnd holte sie tief Luft und tauchte ihren gesamten Körper unter Wasser, bis nichts mehr von ihr zu sehen war. Als sie wieder auftauchte hörte sie leise Geräusche hinter sich und sie drehte langsam ihren Kopf zu Seite. ,Was...macht der hier?! Das darf doch nicht wahr sein!' Ihr Mund stand offen und sie wollte schon wütend losschreien, als ihr die Szene in Kojiros Zimmer einfiel. Um das ganze nicht noch einmal, diesmal nur in umgekehrten Rollen zu erleben, holte noch einmal tief Atem und tauchte unter. ,Bitte, bitte geh endlich. Na los verschwinde schon! Dann ist das hier alles gar nicht passiert...gar nicht passiert.....' Mit der jeder weiteren verrinnenden Sekunde wurde Misa die Luft knapper und ihre Hautfarbe verfärbte sich bereits von rot zu blau. "Blubb, blubbblubbbbb,.... ..... ...... ......... .....aaaaahhaaaaaahhh" Nach Atem ringend klammerte sie sich an den Rand des Badezubers. Ruckartig drehte sich Kojiro zu ihr um. Misa schnaufte wie ein Walross und verdeckte mit ihren Händen ihre Blöße, während er versuchte so trocken wie möglich zu klingen. "Dann wären wir ja quitt." Wütend griff Misa zum Badeschwamm und feuerte ihn auf ihren ungebetenen Besucher, der prompt in seinem Gesicht landete. "VERSCHWINDE! Na los, mach das du rauskommst!" Mit ruhiger Miene wischte er sich sein Gesicht ab. "Keine Angst..." Mit einem herablassenden Grinsen trat er einen Schritt näher und warf ihr ein Handtuch zu. "...da gäbe es nichts, was ich nicht schon gesehen hätte." Tobend und völlig außer sich stieg sie mit nur dem Handtuch bekleidet, zum Verdecken des Nötigsten aus dem Badezuber und warf mit dem Kübel, der neben ihr stand, nach ihm. Geschickt wich er aus und setzte sein unverschämtestes Grinsen auf, bis eine Bürste folgte, die ihn am Kopf traf. "NA WARTE, DU....!" Mit schnellen Schritten stand er plötzlich direkt vor ihr und starrte sie mit böse funkelnden Augen an. Vor lauter Schreck ließ Misa das Handtuch fallen. Bis auf das Geräusch des auf dem Boden landenden Handtuchs war vollkommene Stille. Angespannt versuchte er ihr ins Gesicht zu sehen, doch sein Blick wanderte unwillkürlich weiter nach unten, bis er von Misas Ohrfeige aus seinem tranceartigen Zustand geholt wurde. "Wag es ja nicht!", zischte sie gefährlich leise. Mit hochrotem Gesicht drehte er sich schnell um und trat nervös von einem Fuß auf den anderen, während Misa sich wieder mit dem Handtuch bedeckte. Er riskierte nach kurzer Zeit einen Blick über seine Schulter und stellte erleichtert (und vielleicht auch ein wenig enttäuscht) fest, dass sie notdürftig angezogen war und schob sich in Richtung Ausgang an ihr vorbei. Als die Tür ins Schloss fiel musste sich Misa erst mal setzten und von dem Schock erholen. ,Von wegen da gibt es nichts, was er nicht schon gesehen hat! Dieser eingebildete Affe! Was glaubt er, wer er ist?!' Kapitel 8: ----------- Schatten des Lichts Teil 8 Leise Geräusche in der Finsternis. Verursacht von einer Gestalt, die durch die Schwärze der Nacht huscht und sich langsam vorantastet. Das Knarren der Holzdielen bei jedem seiner Schritte drohte ihn zu verraten und so schlich er sich vorsichtig wie eine Katze immer weiter voran. ,Verdammt, wo sind nur meine Sachen? Ich hätte sie bestimmt schon längst gefunden, wenn sie nicht.... Argh! Jetzt kann ich sie natürlich nicht finden. Dann gehe ich eben in diesen Klamotten.Vielleicht sollte ich mir etwas zu essen mitnehmen. Es dauert bestimmt noch länger, bis ich wieder etwas zwischen die Zähne kriege. Wo ist nur die Küche? Ahh...' Er hatte gefunden, wonach er suchte und so kramte er zwischen den Töpfen und anderen Gegenständen, die sich in den Schränken befanden, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte. "Sucht du etwas?" Erschrocken zuckte er zusammen und drehte sich schnell um. "Du hast doch nicht vor, schon wieder abzuhauen?! Dafür bist du zu schwer verletzt." Durch die Dunkelheit konnte Kojiro die Gestalt vor ihm nicht erkennen und kniff die Augen zusammen. "Wer sind sie?" "Derjenige, der dich hier hergebracht hat, Kurauchi Kasuragi. Du solltest dich schnellstens wieder ins Bett begeben, bevor meine Frau erfährt, dass du bereits nächtliche Spaziergänge durch unser Haus unternimmst." "Keine Angst, dass wird nicht wieder vorkommen. Ich verschwinde von hier." "Und warum so plötzlich? Wegen des kleinen Streits mit Misa?" "Wegen dieser kleinen Göre pfh....... Woher...." "Es war nicht zu überhören." Herr Kasuragi wartete vergeblich auf eine weitere Erklärung. Kojiro schob sich an ihm vorbei, geradewegs zum Ausgang des Hauses, bis er von hinten festgehalten wurde. Wütend schüttelte er den Arm ab. "NIEMAND kann mich zwingen zu bleiben!" "Schon gut. Das wollte ich auch gar nicht. Aber wenn du trotz meines gut gemeinten Rats aufbrechen willst, solltest du wenigstens warten bis es Morgen ist. Ich nehme dich dann in die nächste Stadt mit und du kannst dir etwas zu essen und zum Anziehen mitnehmen." Sogar im Finstern konnte Herr Kasuragi den argwöhnischen Blick seines Gegenübers auf sich spüren. "Was hast du schon zu verlieren?" Die Anspannung in Kojiros Körper ließ nach und ohne ein weiteres Wort, ging er auf sein Zimmer zurück. Im Schatten der Dunkelheit verborgen, hatte Frau Kasuragi die Szene beobachtete. "Du willst ihn doch nicht wirklich gehen lassen?! Du kannst doch nicht...." "Wir können ihn nicht hier festhalten. Wenn er gehen will, können wir nichts dagegen tun. Du kannst niemanden einsperren, auch wenn......" Herr Kasuragi umarmte seine Frau fest, deren Körper durch heftiges Schluchzen geschüttelt wurde. "Ich hätte ihn.....zurückhalten müssen......ich...hätte..." "Ssssch...wir konnten nichts dagegen tun. Und egal wie ähnlich er ihm sehen mag, ist er nicht unser Sohn. Wir sind nicht für ihn verantwortlich." "Aber... die Beiden sind doch fast noch Kinder, oder etwa nicht? Genauso wie Nanami.....und Yuichi....... ganauso alt wie die beiden heute wären... Es ist nicht gerecht. Es ist einfach nicht fair!" Beruhigend strich er über ihren Rücken, ließ seine Hand sanft auf und ab gleiten, bis ihr Schluchzen zu einem leisen Wimmern wurde. Eine zierliche Person machte sich auf den Weg in die Küche aus der die Stimmen kamen, die sie geweckt hatten und ging schlaftrunken die Treppe hinab, um nachzusehen, wer zu so später Stunde noch auf war. Dabei kreuzte eine große Gestalt ihren Weg, die ohne sie weiter zu beachten die Stufen hinaufstieg. ,War das nicht Kojiro? Was sucht er um diese Zeit hier unten? Mit dir habe ich auch noch ein Hühnchen zu rupfen!' Doch noch bevor sie sich weiter Gedanken darüber machen konnte, hörte sie leise Geräusche und eine tiefe, sanfte Stimme, die beruhigend auf die am Boden kauernde Person einredete. "Was ist passiert? Kann ich irgendwie helfen?" Unsicher, ob sie nicht doch besser wieder gehen sollte, sprach sie so leise, dass man sie kaum hören konnte, jedoch laut genug um von den Beiden bemerkt zu werden. "Misa?" Die erstickte Stimme war der, die sie kannte kaum ähnlich und doch bemerkte Misa besorgt, dass diese Saoko gehörte. Stockend richteten sich beide auf, wobei Herr Kasuragi seine Frau leicht stützte. "Nein, nein. Es ist alles in Ordnung." Hastig wischte sie sich über das Gesicht, um die Tränen, die ihre Spuren zurückgelassen hatten, zu verbergen. ,Ob Kojiro etwas damit zu tun hat? Nein, bestimmt nicht... Aber wieso war er hier unten....' Ihre Gedanken wurden durch Herrn Kasuragis tiefe Stimme unterbrochen. "Es ist besser du gehst wieder schlafen. Morgen wird ein langer Tag, wenn du wirklich in die Stadt mitfahren willst. Da solltest du ausgeruht sein." Ein zaghaftes Nicken, das nur durch die schemenhaften Umrisse zu erkennen war, war alles was sie darauf erwiderte. "Ja, geht schon mal ins Bett. Ich komme dann nach. Ich mache mir nur noch einen heißen Tee." Frau Kasuragis Stimme klang nicht mehr ganz so verzweifelt, hörte sich jedoch immer noch gebrochen an. Besorgt folgte ihr Misa in die Küche, als Saoko den Lichtschalter betätigte. Ihre Augen schmerzten unter dem künstlichen grellen Licht, weswegen sie sie fest zusammenkniff, bis sie sich langsam daran gewöhnt hatte. "Kann ich nicht doch irgendetwas tun?" "Danke, aber leg dich besser schlafen, bevor du noch kalte Füße bekommst." Dabei zeigte auf ihre nackten Zehen, die unter der viel zu großen Pyjamahose hervorlugten. "Schon in Ordnung, der Holzboden ist gar nicht so kalt." Seufzend musste Saoko einsehen, dass sie sie wohl nicht so schnell wieder in die Federn bekommen würde und holte ihr deshalb ein paar Hauspantoffel aus dem Vorraum, die Misa sogleich dankbar anzog. ,Ist vielleicht doch ein bisschen kühl so ohne Socken. Oder besser gesagt eisig...' Schweigend beobachtete Misa Frau Kasuragi, die gerade Wasser für den Tee aufstellte. "Du brauchst dir keine Sorgen um mich machen, es geht mir wieder gut." "Es war doch nicht wegen Kojiro, dass du..." "Nein.....Oder vielleicht doch. Aber es ist nicht seine Schuld." Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: "Er erinnert mich nur ein wenig an meinen Sohn." Fragend blickte Misa auf. "Ich wusste gar nicht, dass hier noch jemand wohnt." "Wir leben auch alleine hier." Misa war sichtlich verwirrt. ,Wieso hat sie ihn nie erwähnt. Ich wusste gar nicht, dass sie einen Sohn haben. Wahrscheinlich lebt er in einer eigenen Wohnung, in der Stadt aus der sie hergezogen sind. Vielleicht haben sie sich auch gestritten.' "Wie alt ist er denn?" "Yuichi war 17. Er war erst 17." Mit einer üblen Vorahnung biss sich Misa auf die Lippen, als sie üblerlegte, ob sie fragen sollte, was passiert war. Doch noch ehe sie etwas sagen konnte, las Saoko ihren fragenden Blick und begann schweren Herzens zu erzählen. "Er ist gestorben. Nein, das ist wohl nicht das richtige Wort. Er wurde ermordet. Von einer dieser Gangs in der Stadt... Er wollte Nanami, seine Schwester rächen. Er hat sie über alles geliebt. Sie war seine Zwillingsschwester, hatte lange, glatte schwarze Haare und war immer einen Kopf kleiner, als die anderen Kinder in ihrem Alter. Sie waren von Grund auf verschieden. So dickköpfig und streitsüchtig wie er war, so sanft und freundlich war ihr Wesen. Es fehlte ihr immer an Selbstvertrauen. Das war wiederum seine große Stärke. Was er sich vorgenommen hatte, dass setzte er auch durch. Obwohl er bloß ein paar Minuten vor ihr auf die Welt gekommen ist, spielte er sich immer als ihren großen Bruder und Beschützer auf. Als sie noch klein waren, hat niemand von den anderen Kindern es gewagt sie zu ärgern, weil sie Angst hatten, Yuichi würde sie verprügeln. Etwas, das er auch öfter gemacht hat, sobald ihr jemand zu nahe kam." Ein leichtes Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie die Erinnerung noch einmal revû passieren ließ. Doch plötzlich verdunkelte sich ihr Gesichtsausdruck, als sie ihre Erzählung fortführte. Tiefe Schatten verdeckten ihre Miene, während Misa aufmerksam zuhörte. Frau Kasuragis Stirn war in tiefe Falten gelegt und ihr Gesicht bekam einen verbitterten Ausdruck, wie ihn Misa noch nie bei ihr gesehen hatte. Sie atmete tief durch, bevor sie mit einer völlig emotionslosen Stimme erzählte, was weiter geschah. "Nanami war am Abend bei einer Freundin eingeladen, aber sie kam niemals dort an. Auf dem Weg zu ihr wurde sie von einer Gruppe Halbstarker angegriffen, die bereits zuvor bekannt dafür waren, dass sie nur Ärger machten. Doch die Polizei hat nie etwas gegen sie unternommen, weil ihnen, wie sie mir später sagten die Beweise dazu fehlten. Vor Angst hatte sie wohl nicht auf den Verkehr geachtet, als sie über die Straße gelaufen ist... Sie hatte ihren Rucksack mit der ihrer Geldbörse zu Hause liegen lassen. Yuichi wollte sie einholen, um sie ihr zu bringen. Sie starb noch vor seinen Augen. Er konnte nichts mehr für sie tun. Seine Kleider waren blutbeschmiert, als er nach Hause kam. Yuichi stand unter Schock und erzählte uns nur unzusammenhängende Fetzten von dem was geschehen war. Ich war außer mir, als ich verstand, was er versuchte uns zu sagen. Begann zu Schreien und zu weinen und dann..." Tränen traten in Frau Kasuragis Augen, als sie nur noch stocken erzählte. "Ich habe ihm Vorwürfe gemacht..... Wieso er nicht auf sie aufgepasst hat.....wieso er....... Ich habe ihm die Schuld dafür gegeben........" Zitternd ballte sie ihre Hände zu Fäusten und versuchte ein weiteres Schluchzen zu unterdrücken. "Es war meine Schuld....... Als ich bemerkte, dass ich ihm unrecht tat, war es bereits zu spät........ Ich konnte ihn nicht mehr zurückhalten....... Er...wollte sie rächen, konnte es nicht ertragen,... wollte...... Er suchte die Bande, doch die wollten nichts davon wissen........ In blindem Hass ging er auf sie los, aber es waren zu viele..... Einer von ihnen zückte das Messer und.........." Vor Trauer und Wut geschüttelt, presste sie atemlos die nächsten Worte hervor: "Ich habe in jener Nacht meine beiden Kinder verloren. Das ist jetzt fünf Jahre her." Kraftlos sank sie nun auf dem Stuhl zusammen und sie wischte sich schnell die gefallenen Tränen aus dem Gesicht. Nach dem Schock über den unerwarteten Gefühlsausbruch umarmte Misa sie sanft, während ihr selbst eine einzelne Träne über die Wange lief. "...es tut mir Leid. Es tut mir so Leid..." Leise murmelte Misa diese Worte immer wieder, bis der Teekessel pfiff und sich Frau Kasuragi aus ihren Armen wand, um die Herdplatte auszuschalten. Noch immer zitternd schenkte sie sich und Misa ein. "Das war der Grund, warum wir hierher gezogen sind. Ich konnte es dort nicht länger ertragen. Ich hielt jeden Menschen für meinen Feind und ging keinen Schritt mehr vor die Tür. So hauste ich mehr, als ich lebte ein halbes Jahr lang in unserer Wohnung, bis mein Mann sich entschied einen Dienst weit außerhalb der Stadt zu übernehmen. Von da an ging es mir wieder besser. Früher hatte er nur vom Schreibtisch aus versucht die Welt ein kleines Stück zu verbessern. Aber als er dann hierher kam und aus eigener Erfahrung sah, wie die Natur Stück für Stück zerstört wird, vergrub er sich in seiner Arbeit. Vielleicht ist es aber auch nur seine Art mit dem Tod unserer Kinder fertig zu werden." Schweigend saß ihr Misa gegenüber und suchte vergeblich nach helfenden Worten. Aber dafür gab es keinen Trost. "Es tut mir leid, ich hätte dir das gar nicht erzählen dürfen. Jetzt bist du auch noch traurig. Das wollte ich nicht. Es ist schon lange her. Nur als ich Kojiro gesehen habe.....Er hat so große Ähnlichkeit mit Yuichi und als er gehen wollte...." "Er wollte..." Frau Kasuragi nickte ihr nur schwach zu. "Ja, er wollte sich klammheimlich aus dem Staub machen und das mit seinen Verletzungen. Mein Mann konnte ihn nur davon abhalten, als er ihm versprochen hat ihn morgen in der Stadt abzusetzen." Misa schluckte schwer. ,Er hat ja gesagt, dass er so schnell wie möglich von hier weg will. Ich hätte nur nicht gedacht, dass er sooo eilig hat... Er hätte sich nicht einmal von mir verabschiedet. Will sich einfach davonschleichen ohne ein Wort zu sagen.... DIESER IDIOT!' Ihr vorhergehender Anflug von Niedergeschlagenheit wurde von unbändiger Wut abgelöst. ,Das hast du dir so gedacht! Einfach abhauen! Na du kannst was erleben.' "Ich werde mir etwas einfallen lassen. So schnell kommt er mir nicht davon." Frau Kasuragi sah verwirrt zu Misa, die schon wieder diesen entschlossenen Ausdruck in ihrem Gesicht hatte und musste leicht Lächeln. "Versuch nicht ihn anzubinden. Er lässt sich nicht gern einsperren. Sonst läuft er dir noch weg." Nachdenklich starrte Misa in ihre Tasse, bis ihr etwas an ihren letzten Worten auffiel, das sie stutzig machte. "Mir?! Wieso denn mir? Es kann mir doch egal sein, was er macht." Schmunzelnd stand Frau Kasuragi auf und stellte die beiden leeren Tassen zum Abwasch. "Wir gehen jetzt besser schlafen, sonst kommst du morgen erst gar nicht aus den Federn." Kapitel 9: ----------- Teil 9 Als die ersten Sonnenstrahlen auf die Erde fielen, wuselten bereits die vier derzeitigen Bewohner des Hauses Kasuragi hektisch durch die Gänge. Misa versuchte sich mit den ihr zur Zeit zur Verfügung stehenden Mitteln zurecht zu machen, während Kojiro noch immer vergeblich nach den Resten seiner Kleidung forschte. Frau Kasuragi hatte zudem noch verschlafen und bereitete in aller Eile Frühstück für, die wie es schien, immer hungrige Meute, während ihr Mann wie verrückt nach seinen verlegten Unterlagen suchte. Immer nachdem eine Portion gebratener Eier mit Speck fertig war fand sich einer der drei, um schnell das Essen in sich hineinzuschlingen und wieder seiner Beschäftigung nachzugehen, bis der Wirbel Frau Kasuragi zu bunt wurde. "Jetzt setzt euch hin!" Der laute, genervte Ton ließen keinen Widerspruch gelten und innerhalb einer Minute saßen alle brav schweigend am Tisch. "Gut!" Zufrieden ließ sie sich selbst in einen der Sessel fallen. "Jetzt einer nach dem anderen. Misa warum rennst du wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend?" Grinsend wollte Kojiro bereits eine seiner bissigen Bemerkungen machen, bevor ihn Frau Kasuragis strafender Blick traf und er nur beleidigt mit den Augen rollte und die Arme über der Brust verschränkte. "Ich finde nichts Passendes zum Anziehen und außerdem sehe ich aus wie eine Vogelscheuche. Wenn ich einen Kamm hätte oder wenigstens mein Haarband finden würde." "Red keinen Unsinn, du bist hübsch genug! Schließlich gehst du nicht auf eine Modenschau." "Aber...." Misa Gesichtsausdruck verriet, dass sie ein wenig eingeschnappt war, besonders, als sie Kojiros abfälligen Blick sah. "Wenn du unbedingt meinst..... Der Kamm liegt in der dritten Schublade in der Kommode im Bad. Dein Haarband müsste auch noch dort rumliegen. Ein neues Kleid habe ich dir bereits genäht. Es hängt über dem Sessel in meinem Schlafzimmer." Freudestrahlend rannte Misa auch schon los. "Und jetzt zu dir." Dabei sah sie Kojiro durchdringend an. "Warum wühlst du unsere ganzen Schubladen durch?! Ist das ein spezieller Tick von dir, oder suchst du was?" Seine Augen funkelten, als er erbost die Zähne zusammenbiss, um sich jeden Kommentar dazu zu verkneifen. "Na los! Was ist jetzt?" Resigniert murmelte er etwas. "Ich habe nur meine Sachen gesucht." "Hab ich das richtig verstanden? Du suchst deine Sachen?" Etwas lauter und genervt gab er ein verständliches Ja zur Antwort. Grübelnd ließ sich Frau Kasuragi im Sessel zurück. "Aber soweit ich weiß, hattest du bis auf das was du in deiner Hosentasche hattest und deiner Kleidung nichts bei dir und die war vollkommen zerfetzt. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie wegzuschmeißen." Entrüstet richtete er sich auf. "Ihr habt sie weggeschmissen?!" Überrascht zog sie ihre Augenbraue nach oben und sah ihn fragend an. "Natürlich. Was hätte ich deiner Meinung nach sonst damit tun sollen? Zu mehr als nur Putzlappen, wären die sowieso nicht mehr zu gebrauchen gewesen und deinen anderen Krimskrams hast du ja." Wütend rannte er in kurzen Abständen hin und her, bis er abrupt vor ihr stehen blieb. "Und was soll ich jetzt anziehen?! Ich kann schließlich nicht nackt durch die Gegend laufen!" "Ich weiß nicht wo dein Problem liegt. Du hast doch etwas an und es steht dir nicht einmal so schlecht. Es ist genau in deiner Größe." Skeptisch betrachtete er Frau Kasuragi von der Seite. "Heißt das, ich kann die Sachen behalten?" Nun konnte sich Frau Kasuragi ein Lachen nicht mehr verkneifen und stützte sich kopfschütteln in ihren Händen ab. "Was hast du denn gedacht? Das wir dich..." Wieder musste sie bei dem Gedanken losprusten. "......einfach so.....nackt rumlaufen lassen?" Verächtlich schnaubte er, bevor er sich verlegen umdrehte. "Nein, natürlich nicht! Ich meine...." Wieder ein wenig gefasst, versuchte sie so ernst wie möglich zu klingen. "Schon gut. Du kannst die Sachen ruhig behalten. Ich kann dir sogar noch ein wenig Kleidung mitgeben, wenn du etwas brauchst." Verlegen drehte er sich ein wenig zur Seite. Nur gerade soviel, dass er sie im Augenwinkel beobachten konnte, um sich gleich wieder abzuwenden. Dabei klopfte er mit seinen Fingern immer wieder nervös gegen seinen Oberschenkel und nuschelte leise ein ,Danke', bevor er sich so schnell wie möglich in sein Zimmer zurückzog. Über die beiden Gesichter, der in der Küche zurückgebliebenen, zeigte sich ein kleines Lächeln, während sie ihm dabei zusahen, wie er förmlich die Flucht ergriff. Der bisher stumm gebliebene Mann, sah zufrieden den glücklichen Gesichtsausdruck seiner Frau. "Er ist alt genug um auf sich selbst aufzupassen. Es wird schon nichts passieren." Ein leichtes Seufzen entfuhr Frau Kasuragis, während sie sich im Sessel zurücklehnte. "Ich weiß, aber ich habe kein gutes Gefühl dabei. Versprich mir, dass du wenigstens Misa wieder mitbringst. Sie hat doch gar keine Ahnung, wo sie hin soll. Sie ist heute das erste Mal in einer Großstadt wie Cyrop. Du solltest sie nicht aus den Augen lassen! Sobald du die Verträge abgeschlossen hast, zeigst du ihr die Stadt und kommst dann gleich nach Hause! Die brauchst du im Übrigen nicht länger zu suchen. Du hast sie bereits gestern in die Aktentasche gegeben, nachdem du noch einmal alles durchgegangen bist und die steht neben deinen Schuhen." Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und holte seinen Aktenkoffer. Mit einem ungutem Gefühl in der Magengegend, wagte er es kaum seine Frau anzusehen. "Schon gut, ich habe verstanden. Sie wird im Vorraum auf mich warten, bis ich fertig bin und dann führe ich sie ein wenig rum. Aber was, wenn.....wenn sie lieber mit ihm gehen will?" Lange blickte Frau Kasuragi aus dem Fenster und sah den kahl werdenden Bäumen zu, wie sich ihre Äste im Wind hin und her wiegten, bis sie tief ausatmete, um ihre Stimme ruhig zu halten. "Ich bin mir sicher, er würde gut auf sie aufpassen." Zögernd sah er zu ihr auf. "Bist du dir sicher?" "Ja. Ich frage mich nur, warum er glaubt sich immer beweisen zu müssen und er ist ständig voller Misstrauen, wenn sich ihm jemand freundlich nähert. Trotzdem glaube ich, dass ihm Misa nicht so egal ist, wie er vorgibt. Ihre stürmische Art auf Menschen zuzugehen und ihr offenherziges, liebevolles Wesen schmelzen selbst den kältesten Eisblock und ich bin mir sicher, er ist gar nicht so gleichgültig, wie er uns weiß machen will. Das sehe ich an seinen Augen. Sie haben noch immer diesen unschuldigen Ausdruck eines Kindes und gleichzeitig zeigt er eine Härte und Strenge, die für sein Alter sehr ungewöhnlich ist." Langsam stand Herr Kasuragi vom Tisch auf. "Es ist Zeit. Wir müssen jetzt losfahren, wenn ich nicht zu spät kommen will. Du solltest dich besser verabschieden." Schweigend nickte sie ihn zu und folgte ihm. Im Vorraum hatten sich eine bereits ungeduldig wartende Misa und neben ihr ein finster blickender Kojiro, versammelt. Frau Kasuragi war den Tränen nahe, als sie Misa fest umarmte. "Ich bin doch am Abend wieder hier." Und so leise flüsternd, dass nur Frau Kasuragi es verstehen konnte, fügte sie noch etwas hinzu. "Und mit ein wenig Glück nicht allein." Lächelnd betrachtete sie Misa in ihrem neuen zart violetten Kleid und reichte ihr ihren eigenen blauen Mantel, der ihr um ein paar Nummern zu groß war. "Damit du nicht frierst. Es ist sehr kalt da draußen. Pass auf dich auf!" Im nächsten Moment drückte sie auch schon einen völlig verdatterten Kojiro an ihre Brust, der wie ein Felsbrocken stocksteif dastand bis sie sich von ihm löste. Misa konnte sich bei dem Anblick das Grinsen nicht verkneifen und erntete einen bösen Blick von dem blonden, jungen Mann. "So jetzt müssen wir aber wirklich los! Bis heute Abend." Schnell drückte Herr Kasuragi seiner Frau noch einen Kuss auf die Wange, bevor er auch schon aus der Tür verschwunden war und ihm Misa nachfolgte. Kojiro wollte sich den beiden gerade anschließen, als er noch ein Bündel Kleider und Essen in die Hand gedrückt bekam. "Gib gut auf sie Acht und sei vorsichtig!" Damit schickte sie einen einmal mehr völlig perplexen Kojiro vor die Tür, der ohne es selbst zu merken, darauf unbewusst nickte. Frau Kasuragi sah ihnen noch lange nach. Selbst als der hellblaue Kleinlastwagen nicht mehr zu erkennen war, hielt sie ihren Blick unwillkürlich auf die kleine Straße gerichtet, die umgeben von hohen Tannen bei der ersten Biegung im Wald verschwand. ,Ich wünsche euch beiden viel Glück......' "Es ist so.....kaaaallt! Gibt es.....in diesem Auto...denn keine Heizung?" "Tut mir Leid, Misa. Ich habe vergessen sie zu reparieren. Aber dir wird bestimmt bald warm werden. Dieses Auto hat ja eigentlich nur Platz für zwei und wir sitzen hier zu dritt. Es ist vielleicht ein wenig eng, aber dafür auch nicht ganz so kalt." Mit klappernden Zähnen riskierte sie einen Blick zu Kojiro, der sich so gut es ging an den Rand drückte und aus dem Fenster starrte. Genervt drehte er sich zu ihr. "Was?!" Schnell richtete sie ihren Blick wieder auf die Straße und gab sich völlig gleichgültig. "Nichts." Er rollte nur wieder mit den Augen und richtete seine Aufmerksamkeit auf die vorüberziehenden Bäume. Misa zitterte am ganzen Körper und kuschelte sich leicht an Kojiro. "Rück mir nicht so auf die Pelle!" Ungerührt von seinen Worten hakte sie sich bei ihm ein und rückte näher. "Keine Angst, ich werde dich schon nicht beißen! Ich mach das auch nur weil es so verdammt kalt ist. Also bilde dir bloß nichts ein!" Verächtlich schnaubend ließ er es über sich ergehen, während er weiter seinen Gedanken nachhing. ,Was hat sie nur damit gemeint? Ich soll auf sie aufpassen! Auf dieses unreife, nervende, verzogene, kleine,.... was weiß ich was!" Er hing noch eine Weile seinen Gedanken nach, bis er plötzlich bemerkte er, dass das Zittern ihres Körpers nachgelassen hatte und sie lächelnd die Augen geschlossen hatte. Ihr Atem ging ruhig und ebenmäßig, während ihr Kopf an seine Schulter gelehnt war. ,Schläft sie etwa?' Zögernd betrachtete er ihr Gesicht. ,Irgendwie ist sie ganz niedlich. Aber nur, wenn sie schläft. Sobald sie aufwacht wird sie wieder anfangen mir auf den Geist zu gehen. Aber es dauert nicht mehr lange, dann bin ich dieses lästige Balg los.' Nur komischer Weise freute er sich nicht wirklich darüber. Nachdenklich wandte er sich wieder der Landschaft zu. ,Ich müsste doch überglücklich sein sie endlich loszuwerden. Aber warum.... Ach, quatsch! Wenn sie weg ist, habe ich meine Ruhe. Freu dich nur noch ein paar Kilometer, dann hast du es geschafft.' Herr Kasuragi hatte derweil die beiden im Stillen beobachtet. ,Saoko, ich glaube, du hast mal wieder Recht.' Nach einer weiteren Stunde kamen sie in Cyrop an. Herr Kasuragi hielt vor einem grauen, mehrstöckigen Haus und warf noch einen kurzen Blick auf die noch immer schlafende Misa. "Am Besten du lässt sie weiterschlafen. Es wird nicht lange dauern." Verwirrt sah Kojiro auf die an ihn gekuschelte Person. "Ich soll was?!" "Psssst, du weckst sie noch auf!", flüsterte Herr Kasuragi mit einem Lächeln auf den Lippen, bevor er leise die Tür schloss und in dem Gebäude verschwand. ,Ich glaube es ja nicht! Na gut, aber sobald sie aufwacht bin ich weg." In diesem Augenblick hörte er auch schon ein merkwürdiges Schmatzen, als Misa sich noch einmal fest an ihn drückte. Im nächsten Moment blinzelte sie verschlafen in die Sonne und streckte sich durch. "Sind wir schon da?" Monoton antwortete er kurz und öffnete die Tür. "Schon längst. Dann ist mein Babysitterdienst ja beendet." Sofort war Misa hellwach. "Soll das heißen, du haust jetzt einfach ab?!" "Ja." Kojiro hatte die Autotür zugeknallt und war bereits ein Stück gegangen, doch noch bevor er außer Sichtweite war, hörte er Misa rufen. "Warte!" Er drehte sich noch einmal um, um zu sehen was sie noch von ihm wollte. Mit einem großen Knäuel in den Händen ging sie langsam auf ihn zu. "Das hast du vergessen." Zögernd nahm er ihr das Durcheinander an Kleidung ab. "Danke." Misa hatte einen Kloß im Hals und nickte nur leicht. Sie versuchte krampfhaft zu Lächeln, aber irgendetwas in ihr, war alles andere als zum Lächeln zumute. Nachdem sie sich eine Weile schweigend gegenüberstanden, drehte er sich um und ließ sie ohne ein weiteres Wort des Abschieds stehen. ,Hat doch ein wenig länger gedauert. Es ist schon halb elf. Ich hoffe, die Beiden haben nicht schon angefangen sich zu prügeln. Aber wer konnte auch ahnen, dass sie jeden einzelnen Punkt des Vertrags noch einmal durchbesprechen wollen.' "Wiedersehen, Herr Kasuragi! Oh, einen Moment bitte. Dort drüben warten drei Herren auf sie. Es geht anscheinend um dieses Mädchen nachdem sie sich erkundigt haben." Dabei zeigte die Empfangsdame auf eine Sitzecke in der Nähe des Eingangs. Auf der Ledercouch saßen drei Herren in braunen Anzügen und schienen bereits ungeduldig auf ihn zu warten. "Danke, ich werde mich gleich darum kümmern. Wiedersehen! "Er nickte ihr noch einmal freundlich zu, bevor er auf die drei Herren zuging. "Guten Tag. Es tut mir Leid, dass sie sich umsonst hierher bemüht haben, aber die Sache mit dem Mädchen hat sich erledigt. Sie gilt nicht als vermisst, da sie, wie sie uns selbst versichert hat, keine Verwandten hat." Der Blick der drei machte ihn stutzig. "Das kann schon sein. Aber wir haben etwas anderes über dieses Mädchen erfahren. Gegen Misato Kurenai liegt eine Strafanzeige wegen schweren Diebstahls vor. Ihre Liste von Vorstrafen reicht bei weitem aus, um sie wieder in die Jugendstrafanstalt zu schicken." Ungläubig sah Herr Kasuragi von einem zum anderen. "Da müssen sie sich irren! Das kann nicht sein. Ich habe mich nur erkundigt, ob sie nicht doch als vermisst gilt, weil ich dachte, dass sie vielleicht von zu Hause ausgerissen ist. Aber sie wäre niemals zu einem Verbrechen fähig!" Wieder schaltete sich einer der Polizisten ein. "Es ist ja sehr schön, dass sie eine so hohe Meinung über sie haben, aber manchmal sind es gerade die Menschen, die am wenigsten dafür in Frage kommen. Falls es sich jedoch um ein Missverständnis handeln sollte, kann sie das am Besten beweisen, indem sie sich einfach der Polizei stellt. Es wird sich dann von selbst aufklären. Sie wissen doch bestimmt, wo sie sich im Moment aufhält." Zaghaft nickte er und führte die drei zu seinem Auto, in dem die noch völlig ahnungslose Misa auf ihn wartete. Wer jetzt leicht verwirrt ist und sich fragt, warum Misa verhaftet werden soll, oder ob sich unser Blondschopf tatsächlich einfach so aus dem Staub macht, muss sich wohl bis zum nächsten Mal gedulden. Kapitel 10: ------------ Ich weiß, ich habe mir eine halbe Ewigkeit mit dem Hochladen des neuen Kapitels Zeit gelassen, aber tatata... hier ist es. Und ich weiß, ich klinge vielleicht erbärmlich, aber ich habe mich sooooooo unheimlich über meinen ersten Kommentar gefreut! Vielleicht gibt es ja noch jemanden der Spaß an dieser Geschichte hat und mich das gerne wissen lassen würde? Ich kann mir vorstellen, dass so manches in diesem Kapital etwas verwirrend ist. Scheut euch nicht es zu sagen. Ich habs ja leider selbst schon gemerkt. Man merkt hier wohl auch zum ersten Mal, dass es einen leichten Einschlag vom Fantasy Genre hat. Aber ich denke, mit der Zeit lösen sich die Rätsel auf. (Nicht dass ich nicht neue aufgeben werde...) Schatten des Lichts Teil 10 ,Ich habe ihn einfach gehen lassen. Er hat mich völlig überrumpelt. Alles was ich sagen wollte... Ich wollte ihn doch zum Bleiben überreden, aber alles war wie weggeblasen. Ich blöde Kuh stehe nur da und sehe zu wie er sich davonschleicht. Aber nein, ich habe ihm ja schließlich auch noch die Sachen, die er vergessen hatte nachgetragen. Damit habe ich die einzige Chance, dass er noch einmal zurückkommt vertan. Verdammt! Ich habe doch gar keine Ahnung, wo er jetzt ist. Vielleicht sehe ich ihn nie wieder.....nein, bestimmt sogar.' Tränen sammelten sich in Misas Augen, während sie sich immer mehr bewusst wurde, dass sie ihn wohl zum letzten Mal gesehen hatte. In Gedanken versunken bemerkte sie weder, wie spät es bereits war, noch dass Herr Kasuragi leise an die Fensterscheibe klopfte, bis er die Tür öffnete und sich zu ihr hinunterbeugte. "Misa, wo ist Kojiro?" Mit tränenverschleierten Augen, zuckte sie nur mit den Achseln und wich seinem fragenden Blick aus. "Hier sind ein paar Leute, die mit dir sprechen wollen." In völliger Lethargie stieg sie aus dem Auto aus. "Sind sie Misato Kurenai?" Verwirrt sah sie die drei Männer an. "Ja, warum?" Ein fast kahlköpfiger älterer Mann mit Hut nickte den beiden anderen zu. Einer von ihnen holte Handschellen aus seiner rechten Hosentasche, während der Dritte ihre Handgelenke festhielt. "Sie sind hiermit wegen schweren Diebstahls und Einbruchs verhaftet." Misa stand unter Schock. Jegliches Blut war aus ihrem Gesicht gewichen. "Soll das ein schlechter Scherz sein?! Ich habe in meinem ganzen Leben noch nichts gestohlen! Du glaubst mir doch, oder?!" Verzweifelt bat sie Herrn Kasuragi ihr zu helfen. Dieser konnte nur hilflos zusehen, wie sie ihr die Handschellen anlegten und zu ihrem Auto führten. "Misa, es wird alles wieder gut. Du wirst Ihnen erklären, dass sich das Ganze um ein schreckliches Missverständnis handelt. Ich werde sofort zum Polizeirevier fahren und die Sache klären. Ich werde dich dann dort abholen, versprochen!" Niedergeschlagen versuchte er, so gut es möglich war, ihr in diesem Moment Mut zuzusprechen. ,Aber das kann nicht sein! Das darf nicht..... Oh Gott, wenn sie herausfinden wer ich wirklich bin muss ich wieder nach Hause zurück. Nein, bitte nicht. Ich kann nicht zurück. Bitte, warum hilft mir denn niemand?!' In ihrem Kopf rasten die Gedanken immer schneller durcheinander und wollten keine Ruhe finden. Nein, sie konnte nicht nach Hause. Ihr Körper zitterte, als sie sich losreißen wollte, nur um gleich wieder von einem der Männer festgehalten zu werden. In ihr brach eine Welt zusammen. Doch wie aus dem Nichts hörte sie eine ihr nur allzu bekannte Stimme. "Kannst du nicht einmal auf dich selbst aufpassen!" Im selben Moment traf einen der Polizisten eine Faust im Gesicht, die so schnell nach vorne schnellte, dass man ihr kaum hätte ausweichen können. Sofort folgte ein weiterer Schlag direkt in die Magengegend. Misa stand nur wenige Meter entfernt, konnte aber ihren Augen nicht trauen. Vor ihr kämpfte sie Kojiro mit aller Kraft frei. Der Mann an den sie gekettet war, schob sie vorwärts zum Auto und zerrte dabei brutal an ihrem Handgelenk, das mit seinem eigenem verbunden war. Sie sammelte all ihren Mut, den sie hatte sich dagegen zustemmen, hatte aber dennoch keine Chance ihn aufzuhalten. Doch plötzlich wurde sie nach unten gezogen. Kojiro hatte dem Polizisten das Knie in den Magen gerammt. Dieser lag nun nur noch röchelnd am Boden. "Such den verdammten Schlüssel und mach, dass du weg kommst!" Mit zitternden Händen durchsuchte sie die Hosentaschen des Polizisten und fand schließlich den silbernen, kleinen Schlüssel zu den Handschellen. Sofort nachdem sie sich befreit hatte, richtete sich auch schon der vor kurzem noch vor ihr liegende Mann auf. Ohne weiter auf sie zu achten, stürzte er sich auf Kojiro, der schon alle Hände voll mit den beiden anderen zu tun hatte. Aber er war so schnell, dass sie selbst zu Dritt nicht gegen ihn ankamen. "WARTEST DU AUF EINE EINLADUNG?! NA LOS!!! VERSCHWINDE SCHON!" Bei jedem Schlag, den er einstecken musste, zuckte er mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen, kämpfte aber verbittert weiter, während das Blut der aufgerissenen Wunden durch das Hemd trat. Einen Augenblick stand sie wie angewurzelt da. Ihre Beine waren wie Blei, doch als sie den ersten klaren Gedanken fassen konnte, rannte sie los. Es war ihr egal wohin. Nur weg. So schnell sie ihre Beine trugen lief sie von einer Gasse in die nächste. Nur nicht zurücksehen, nur nicht stehen bleiben. Immer weiter. Vollkommen außer Atem lehnte sie sich an eine Hausmauer. ,Wo...wo ist Kojiro?! Er wird doch nicht etwa.... Kojiro! Er ist zurückgekommen!' Sie wollte sich bereits umdrehen und nach ihm suchen, als er auch schon vor ihr stand und sie an der Hand weiter zog. Nervös sah er sich um und zerrte sie im letzten Moment in eine heruntergekommene Bar, bevor sie die drei Polizisten vorbeilaufen hörten. Es roch nach Alkohol und alte Tapete hing in Fetzten von den Wänden. "Los hier entlang!" Ohne ein weiteres Wort schob er sie durch die Spillunke, an den vom Vorabend noch immer, oder auch schon wieder betrunkenen Männern vorbei und zum Hintereingang hinaus. So zog er sie immer weitere Schleichwege entlang, bis er erleichtert stehen blieb. "Ich glaube, wir haben sie abgehängt." * Nachdem Herr Wakabashi lange in seinem Büro auf und abgegangen war, ließ er sich angespannt in seinen Sessel fallen, während seine Sekretärin und einzige Vertraute einige Akten vorbeibrachte. "Haben Sie schon eine neue Nachricht?" "Nein, tut mir Leid, aber soweit ich weiß, kam schon seit einer Woche kein weiterer Anruf." "Danke. Sie können für heute Schluss machen." Zögernd legte sie die Akten auf den Tisch. "Sind sie sicher, dass sie mich für heute nicht mehr brauchen? Sie haben seitdem ich bei Ihnen arbeite und das sind bereits mehr als sieben Jahre, noch nie früher aufgehört zu arbeiten. Geht es Ihnen nicht gut? Sie sehen so blass aus. Soll ich einen Arzt rufen?" "Danke, aber es ist alles in Ordnung." Sie nickte noch einmal dankbar und warf ihm einen besorgten Blick zu, bevor sie ihn allein ließ. ,Misa, ich hoffe es geht dir gut. Wenn du doch nur einsehen würdest, dass ich nur das Beste für dich will. Wehe ihm, wenn dich dieser Bastard nicht beschützt! Wenn diese Kraft erst mal in dir erwacht, wirst du froh sein, diese Last loszuwerden. Deine Mutter hätte damals auf mich hören sollen. Dann wäre das alles nicht passiert. Akiko... Ich dich geliebt. Wenn ich jemanls jemanden geliebt habe, dann dich. Aber du musstest dich ja für diesen mittellosen Musiker entscheiden. Ein Pianist! Pha, was hätte er dir schon bieten können?! Er war ein nichts und wäre es mit Sicherheit auch für immer geblieben. Die Macht die Welt zu verändern war eine zu große Gabe, als dass du sie alleine hättest tragen können. Hättest du dich für mich entschieden, hätte ich dir diese Last abnehmen können. Die Welt wäre uns zu Füssen gelegen. Wenn Seiji erst mit Misa verheiratet ist, wird sie verstehen. Sie wird sehen, wozu diese Macht dienen kann, wenn man sie nur richtig zu gebrauchen weiß. Sollte sie jedoch einem anderen als Seiji ihre Unschuld schenken, stellt sich uns ein ganz anderes Problem. Nur du als Frau und dein Auserwählter wärt im Stande, diese Kraft zu beherrschen, wenn du ihm die Macht, die noch in dir verborgen liegt, bei der Zeremonie übergeben würdest. Ich will dich nicht auch noch dazu zwingen müssen, sie für uns zu benutzten, aber wenn es keinen anderen Weg geben sollte.... Ich habe mein bestmöglichstes getan, um dich davor zu bewaren. Schon deine Mutter war zu stur, um zu sehen, welche Möglichkeit wir gehabt hätten. Aber es wird kein zweites Mal geschehen, dass verspreche ich dir. Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, dass du mir so viel bedeutest. Ich habe alles versucht, um dir nicht nahe zu kommen, um Abstand von dir zu halten und dich nicht in mein Herz zu schließen. Aber dein liebevolles Wesen hat mich verändert, ohne dass ich es selbst bemerkt habe. Nein, ich könnte dich zu nichts mehr zwingen. Ich könnte dich nicht verletzten. Ich will nur, dass du glücklich bist. Ich will, dass du endlich nach Hause kommst. Selbst wenn ich meine Pläne, meinen Traum dafür aufgeben muss. Seiji wird sich meinem Willen beugen. Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass er sich daran halten wird, auch wenn er manchmal so kalte Augen hat, die eine gewisse Skrupellosigkeit vermuten lassen würden und selbst mir einen Schauer über den Rücken jagen. Er ist im Grunde ein guter Junge. Ich werde ihm noch heute sagen, dass er eine Vermisstenanzeige nach Misa aufgeben soll. Bitte komm zurück. Du bist doch meine einzige Tochter. Alles was mir von Akiko geblieben ist, bist du. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.' * Nachdem sie sich wieder etwas erholt hatten, schlichen sie vorsichtig durch die dunklen Gassen des ärmlichen Viertels. Die Wohnhäuser waren heruntergekommen und schmutzige kleine Kinder spielten mit kleinen Holzstöckchen und Steinchen. Bettler schienen an jeder Hausecke auf der kalten Straße zu sitzen. Sie waren in Lumpen gehüllt und Misa sah wie ihre Körper vor Kälte bibberten. Doch Kojiro ging ohne dem ganzen weitere Beachtung zu schenken daran vorbei. Jedes Mal wenn sie an einem der Bettler stehen blieb, zog er sie rasch weiter. "Du solltest dich besser beeilen, wenn du nicht willst, dass man uns entdeckt. Sie werden uns bestimmt finden, wenn wir hier noch länger auf der Straße herumlaufen." "Wie kannst du von alledem nur so unberührt sein! Siehst du nicht, wie diese Menschen frieren. Sie haben kaum etwas zum Anziehen und diese Kinder, haben noch nicht mal richtiges Spielzeug. Lässt dich das alles so kalt?" Abrupt blieb sie stehen und forderte ihn auf sich umzusehen. "Und was willst du dagegen tun?! Willst du ihnen deine Kleidung geben? Nur zu, tu dir keinen Zwang an!" Wütend ging er mit schnellen Schritten weiter und achtete nicht weiter auf Misa, die immer mehr zurückblieb, da sie seinem Tempo nicht länger Schritt halten konnte. Zornig lief sie ihm nach, bis sie ihn eingeholt hatte. "Du könntest vielleicht ein wenig mehr Mitgefühl zeigen! Kannst du dir überhaupt vorstellen, was diese Menschen täglich erleiden müssen?!" Ruckartig drehte er sich zu ihr um und drängte sie gegen einen Hauswand. "Weißt du was dein Problem ist?! Du hast keinerlei Ahnung von dieser Welt. Wie naiv bist du eigentlich! Das letzte, was diese Menschen brauchen ist dein Mitleid. Im Übrigen sind sie noch bei weiterem besser dran, als viele andere. Aber davon weiß ja unsere kleine Prinzessin nichts, habe ich Recht?! Wie könnte auch jemand wie du verstehen, was Armut wirklich bedeutet. Ich wette, du hattest noch nie in deinem ganzen Leben Angst vor dem nächsten Morgen, musstest nie erfahren, was Kälte und Hunger heißt, hast dich nie gefragt, ob du den nächsten Tag noch erleben wirst, oder Tod im nächsten Straßengraben gefunden wirst. Nein, jemand wie du könnte nie verstehen, was es heißt zu leben. Dieses Leben, das dem Tod viel näher kommt. Also wag es nie wieder, mir so etwas zu unterstellen!" Misa drängte sich dichter an die Mauer und zitterte vor Angst, als sie seinen warmen Atem in ihrem Gesicht spürte, während er sie hasserfüllt ansah. ".....tut mir Leid.....ich wusste nicht........", flüsterte sie leise. "Allerdings!" Seine harten Gesichtszüge entspannten sich sichtlich, als er sich von der Wand abstieß und langsam weiter ging. ,Er kommt zurück, beschützt mich und dann.... Warum ist zwischen uns nur alles so schwierig? Gut, ich weiß, er hat Recht. Bis vor kurzem habe ich ein vollkommen behütetes Leben geführt. Vielleicht bin ich etwas naiv, aber er muss mich doch nicht immer gleich so anschreien! Ich verstehe ihn einfach nicht! Ich weiß doch auch gar nichts von ihm. Aber das ist doch genauso seine Schuld. ER war es schließlich, der darauf bestanden hat, Abstand zu halten. Ich kann ja schon froh sein, dass er mir seinen Namen gesagt hat.' Schweigend gingen sie eine Weile nebeneinander her, bis Kojiro vor einem der Häuser stehen blieb. "Hier können wir für heute bleiben. Ich habe dort ein kleines Zimmer für heute Nacht gemietet. Morgen früh müssen wir verschwinden. Wir können ein Schiff bis in den nächsten Hafen nehmen. In Cyrop können wir nicht länger bleiben." Ohne einen einzigen Wiederspruch folgte sie ihm gehorsam in das Haus. Die Tür klemmte und ließ sich nur schwer von außen öffnen. Als sie schließlich eintraten, schlug ihnen der beißende Geruch von modernen Holz und schimmligen Hauswänden entgegen. Es war kaum wärmer als draußen und an einer kleinen Theke, die offensichtlich eine Rezeption darstellten sollte, saß ein alter Mann vor einem kleinen Fernseher. Nachdem Kojiro kurz mit ihm sprach und den Schlüssel holte, führte er Misa die Treppe hoch bis in den vierten Stock. Dort angekommen öffnete er eine der Türen und trat ein. Auf dem Bett lagen die Sachen von Frau Kasuragi, die sie ihm kurz zuvor noch gegeben hatte. Das kleine Zimmer war ärmlich und mehr als spärlich eingerichtet. Ein kleiner wackliger Tisch und ein Bett waren alles was sich darin befand. Nur zögernd trat Misa ein. ,Hier sollen wir schlafen?! Da könnten wir auch gleich auf der Straße übernachten. Moment mal..... Da ist ja nur ein.......er glaubt doch nicht etwa, dass ich mit ihm........' Ihr entsetzter Gesichtsausdruck, als offensichtliche Reaktion auf das einzelne Bett entging ihm nicht. Ohne dem große Beachtung zu schenken, setzte er sich auf das Bett. "Keine Angst, ich habe nicht das vor, was du denkst. Nicht jeder ist nur darauf aus." Ihr fiel ein Stein von Herzen und sie setzte sich ebenfalls auf das Bett neben ihm, bis sich ihr eine andere Frage aufdrängte. "Und worauf bist du dann aus? Ich meine.....warum.......warum hast du mir schon wieder geholfen? Du warst mich doch endlich los. Das war es doch, was du wolltest, oder nicht?" Ohne ihn dabei anzusehen wartete sie auf eine Erklärung, oder wenigstens auf eine Antwort. Doch stattdessen stand er auf, zog sich in aller Ruhe ein anderes Hemd an und ging zur Tür, als hätte er ihre Frage erst gar nicht gehört. "Ich besorge etwas zu essen. Es kann eine Weile dauern. Warte hier und rühr dich nicht vom Fleck! Ich habe keine Lust dich in der ganzen Stadt suchen zu müssen." * Eine gutaussehende Frau mit aufgesteckten Haaren trat in das schlichte, aber nicht gerade billig eingerichtete Büro. "Entschuldigen Sie die Störung, aber da wartet ein offensichtlich wichtiger Anruf auf Leitung zwei. Außerdem habe ich noch eine Nachricht von ihrem Vater." "Legen Sie sie einfach auf den Tisch. Ich kümmere mich später darum. Sie können gehen. Und nehmen Sie bitte diese Akten mit. Ich bin damit fertig." "Sehr wohl." Nachdem sie die Tür hinter sich schloss, hob Seiji gemächlich den Hörer ab. "Guten Tag. Spreche ich mit Seiji Wakabashi? Es geht um die kleine Einbrecherin." "Dann lassen Sie mal hören." "Es.....es tut mir sehr Leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber wir hatten sie bereits, als plötzlich dieser junge Mann aufgetaucht ist. Er hat uns von hinten überrascht. Wir hatten keine Chance. Er hatte eine unglaubliche Kraft, der wir einfach nicht gewachsen waren. Wir haben sie noch verfolgt, aber dabei ihre Spur verloren." "Sie haben eine einfache, kleine Diebin entkommen lassen? Und das nur wegen eines einzelnen Mannes?! Ich bin sehr enttäuscht. Ich hätte mehr Professionalität von Ihnen erwartet." "Verzeihen Sie Herr Wakabashi. Es wird nicht wieder vorkommen. Wir haben bereits eine Großfahndung nach den beiden eingeleitet. Es sollte also nicht mehr lange dauern, bis sie sie zur Rechenschaft ziehen können. Sie können sich darauf verlassen, dass wir unser möglichstes tun werden, um Ihnen Ihren entstandenen Schaden zu ersetzten." "Gut, dass will ich hoffen. Ah, und vergessen Sie nicht, dass mein Vater nichts von der ganzen Sache erfahren soll. Sein Herz. Sie wissen, es macht ihm zu schaffen und er sollte sich nicht unnötig aufregen. Wenn sie verstehen, was ich meine." "Natürlich, Sie können auf meine Verschwiegenheit zählen. Wiederhören." Piep....piep......piep........piep............ Während der Mann auf der einen Seite des Telefons erleichtert ausatmete, legte sich ein breites Lächeln über die Lippen des anderen. Gleichzeitig lehnte er sich entspannt zurück und streckte seine Arme genüsslich durch. ,Es läuft alles nach Plan. Mein armes kleines Schwesterherz wird nun auch noch von der Polizei verfolgt. Ich denke nach einigen Wochen des Versteckspiels hat sie endgültig genug davon und bittet ihre Familie um Hilfe. Natürlich werde ich alles in meiner Macht stehende tun, um dieses kleine, aber wirkungsvolle "Missverständnis" aufzuklären. Reumütig wird sie vor lauter Dankbarkeit noch auf allen Vieren zu mir gekrochen kommen... wie das kleine dumme Kind, das sie nun mal ist. Jetzt muss ich nur noch dafür sorgen, dass mein Informant nicht auf noch mehr dumme Gedanken kommt und versucht mich zu hintergehen. Erst wagt er es sich Tagelang nicht zu melden und dann glaubt dieser Spinner auch noch er kann sich tatsächlich absetzten. Hat er wirklich gedacht, er könnte sich so einfach aus dem Staub machen? Nun gut. Ich denke, die Sache habe ich ein für alle mal geklärt. Aber ich sollte für alle Fälle ein Auge auf ihn werfen. Er wird langsam nachlässig. Für die letzte Meldung hat er sich ganz schön lange Zeit gelassen. Ich möchte ihn schließlich nicht vorzeitig beseitigen müssen. Dafür hat er sich als ein viel zu nützliches Werkzeug erwiesen.' Nachdenklich tippte sich Seiji mit dem Zeigefinger ans Kinn, als ihm die Nachricht seines Vaters wieder in den Sinn kam. Mit einem amüsierten Blick las er die Anweisungen. ,Was bist du nur für ein Idiot. Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich sie einfach so gehen lasse, bloß weil du plötzlich väterliche Gefühle für unser Geschöpf entwickelt hast. Sie wird mir eine völlig neue Welt eröffnen. Die Kraft die Welt zu verändern, ist an ihr verschwendet. Ich werde diese Welt formen und nach meinem Willen neu erschaffen. Die Menschen werden mich auf Knien anflehen ihnen zu geben wonach sie verlangen. Vater, du hast das Ziel schon lange aus den Augen verloren. Ich habe gewusst, dass du nicht mehr dazu imstande bist, sie für unsere Zwecke zu missbrauchen. Du wirst weiterhin denken, es geschieht alles, wie du es wünscht. Welcher Narr du doch geworden bist. Du hattest eine Vision, die du mit allen Mitteln verfolgt hast und nun sieh dich an! Du zerfließt geradezu vor Schuldgefühlen. Wie erbärmlich du doch bist. Sobald ich im Besitz der Kraft bin, werde ich dich von deinen Leiden erlösen.' Kapitel 11: ------------ Wie versprochen habe ich diesen Teil früher hochgeladen. Und es ist gleichzeitig der letzte dieses Abschnitts, wenn ich es mal so nennen darf, denn ab dem nächsten Kapitel zeigen sich zum ersten Mal neue Charaktere, die für die weitere Entwicklung der Geschichte wesentlich sind... Aber jetzt erstmal viel Spaß mit diesem Teil. Schatten des Lichts Teil 11 Müde ließ sich Misa zurück auf das Bett fallen. Es war kalt und sie kuschelte sich schnell unter die Decke. ,Jetzt lässt er mich schon wieder sitzen! Aber als ich das Bett gesehen habe, habe ich schon befürchtet er....Nein, dass würde er niemals.....er würde doch nicht, oder vielleicht...... Nein! So wie es aussieht, kann er mich noch nicht mal leiden. Ich bin ihm nur eine Last. Aber warum hilft er mir immer, sobald ich in Schwierigkeiten bin? Kojiro, du bist mir ein einziges großes Rätsel. Warum kannst du mir nicht einfach sagen, was du denkst. Ich bin doch keine Hellseherin. Woher soll ich denn wissen was in dir vorgeht? Vielleicht mag er mich ja doch ein wenig? Warum sonst sollte er mir helfen? Ich habe das Gefühl, das wird noch eine lange Nacht. Ich mit ihm in einem Bett. Ob das gut geht? Noch dazu ist es nicht gerade groß.' In Gedanken versunken, wartete sie bis Kojiro mit etwas Essbarem zurückkommen würde. Sie hatte seit dem Frühstück nichts zu sich genommen und ihr knurrte bereits der Magen. Kurz entschlossen stand sie auf und legte die Kleidung von Frau Kasuragi zusammen. Dabei fiel ihr auf, dass unter der Kleidung für Kojiro, auch zwei Kleider für sie dabei waren. ,Aber warum sollte Saoko ihm etwas für mich zum Anziehen mitgeben? Es ist bestimmt aus Versehen darunter geraten. Ein Glück! Sonst hätte ich nichts zum Wechseln der Kleidung dabei. Ich hoffe, sie machen sich keine Sorgen. Ich kann leider nicht mehr zu den beiden zurück und ich konnte mich noch nicht mal bei ihnen für alles, was sie für mich getan haben bedanken. Ich werde die beiden vermissen.' Es fing leicht an zu nieseln, aber der junge, in Gedanken verlorene Mann, schien dies gar nicht zu bemerken, während er weiter durch die Gassen schlenderte. ,Verdammt, ich habe schon viel zu viel gesagt. Ich hätte meinen Mund halten und sie einfach ignorieren sollen, aber nein! Warum kann sie mich auch nicht in Ruhe lassen?! Das wird eine lange Nacht........als ob ich mit ihr.......was glaubt sie eigentlich von mir?! Aber wenn sie denkt, dass ich ihr das Bett überlasse, nur weil sie zu zimperlich ist, neben einem Mann zu schlafen, hat sie sich geschnitten. Wenn hier jemand den Boden benutzt, bin das mit Sicherheit nicht ich.' Spät am Abend hörte Misa einen Schlüssel im Schloss. Sofort rannte sie zur Tür, riss diese auf und vor ihr stand ein ziemlich überrumpelter, beziehungsweise überraschter Kojiro. "Wo warst du nur so lange?! Ich habe schon gedacht, du kommst gar nicht mehr zurück." "Erstens: Das geht dich nichts an. Das ist allein meine Sache. Und Zweitens: Mach nie wieder die Tür auf, wenn du dir nicht sicher bist wer draußen ist. Haben wir uns verstanden?!" Damit legte er ein paar Früchte und Brot auf den Tisch. "Na hör mal! Mein Magen knurrt, als hätte ich tagelang nichts gegessen und nebenbei sterbe ich hier vor Langeweile." Ohne noch weiter zu zögern stürzte sie sich über das mickrige Mahl, hielt aber inne, als sie bemerkte, dass er sich bereits ins Bett begab. "Isst du nichts mit?" "Ich habe schon unterwegs meinen Teil gegessen. Mach nicht zu lange. Wir müssen morgen vor Tagesanbruch am Hafen sein." Noch bevor sie ihm weitere Fragen stellen konnte, rollte er sich zur Seite und schloss seine Augen. Nachdem kein Krümmelchen mehr übrig war, schlüpfte sie vorsichtig unter die gemeinsame Decke. Obwohl er ihr vor kurzem noch versichert hatte, dass er nicht an ihr interessiert wäre, zumindest nicht auf diese Art und Weise, war es ihr unangenehm mit ihm im selben Bett zu schlafen. Mühsam versuchte sie sowenig Platz wie möglich von der winzigen Schlafstelle einzunehmen und hing so mit einem Bein über der Bettkante. ,Vielleicht sollte ich nicht so spießig sein, immerhin will er ja gar nichts von mir. Das hat er mir ja mehr als einmal zu verstehen gegeben. Schon gut, ich sollte froh sein, dass es Männer gibt, die nicht gleich daran denken, wenn sie mit einem weiblichen Wesen zusammen sind, aber.....ach, ich weiß auch nicht. Wahrscheinlich ärgere ich mich nur darüber, weil es ihm vollkommen egal zu sein scheint. Es lässt ihn völlig kalt!' Grinsend bemerkte Kojiro, wie sie sich an den Rand drückte. Genauso hatte er sich das vorgestellt. Es konnte ihm nur Recht sein, immerhin hatte er so mehr Platz für sich, während Misa kaum ein Zipfelchen der Decke hatte, um sich vor der klirrenden Kälte zu schützten. "Schläfst du schon?", flüsterte sie ihm leise zu. Genervt murmelte er unverständlich etwas unter der bis zur Nase hochgezogenen Decke. "Kojiro?" "WAS?!" "Stört es dich, wenn ich....ich meine....macht es dir was aus, wenn ich....wenn ich etwas näher rutschen würde?" Misa war für die Dunkelheit, die ihre Röte im Gesicht verbarg mehr als dankbar. "Es ist nämlich ziemlich kalt hier und wenn mir kalt ist, kann ich nicht schlafen. Also..." "Tu was du nicht lassen kannst." Nervös kaute sie wieder an ihrer Unterlippe, rückte aber ein ganzes Stück näher an ihn heran. So schliefen sie schließlich Rücken an Rücken ein. Mitten in der Nacht erwachte Kojiro, als er plötzlich etwas Warmes um sich fühlte. Misa schlief mit einem Arm um seine Taille geschlungen, dicht an ihn gepresst, wie ein Murmeltier. Der Raum war kaum beheizt und obwohl er eigentlich angesichts der Kälte schrecklich frieren hätte müssen, spürte er eine unbändige Hitze in sich aufsteigen, die seinen ganzen Körper durchflutete. Ein wohliger Schauer jagte über seinen Rücken entlang der Wirbelsäule und endete in seinem Nacken, wo sich feinste Härchen aufstellten, als sie sich von hinten an ihn kuschelte. Ohne darüber nachzudenken drückte er ihren Arm fest an sich und sog den wunderbaren Geruch ihrer frischgewaschenen Haare, die nach Pfirsichen und Mandelöl rochen, was seine Sinne zu betäuben oder auch zu schärfen schien, ein. Darüber war er sich nicht so ganz sicher, denn er fühlte sich wie in Trance und gleichzeitig spürte er jeden einzelnen Zentimeter seines Körpers, der den ihren berührte, erzittern. In dieser Nacht machte er kein Auge mehr zu. Er konnte es sich selbst nicht erklären, aber irgendetwas ließ ihn nicht zur Ruhe kommen, wenn er sie so dicht bei sich spüren konnte. Ein paar Stunden später: Der Nebel hüllte die Stadt in einen grauen Schleier, während die ersten Lichter in den Häusern der Stadt brannten. "Es ist noch viel zu früh! Ich bin todmüde. Es ist doch noch gar niemand hier. Wofür sind wir so früh aufgestanden?" Misa war vollkommen schlaftrunken und quengelte schon den ganzen Weg bis zum Hafen. "Das ist ja auch Sinn und Zweck der Sache." Dabei zog er Misa, die sich gerade gegen eine Straßenlaterne gelehnt hatte und noch einmal herzhaft gähnte, weiter. Im Schatten eines Hauses erkannte sie ein leichtes Glühen, ein Glimmen, auf das Kojiro nun zuging. Ein großer, gutgebauter Mann mit einer Zigarette in der Hand trat aus der Dunkelheit und sah sich noch einmal kurz um, bevor er sich ihnen zuwandte. "Habt ihr das Geld dabei?" Seine Stimme war rau und tief, während er die beiden musterte. Seiner Kleidung nach war er ein Matrose, was seine stämmige Figur und seine Muskeln erklären würde. Kojiro nickte nur leicht und steckte ihm ein paar Scheine zu. Misa beobachtete das Ganze schweigend, war aber zu müde um sich weiter darüber zu wundern, geschweige denn irgendwelche lästigen Fragen zu stellen, was Kojiro gerade Recht kam. Ohne ein weiteres Wort folgte er mit Misa im Schlepptau dem Mann und schlich leise eine unscheinbare Landebrücke, die an der Seite des Schiffes befestigt war, hinauf. Oben angekommen führte der Matrose sie unter Deck in die Nähe des Maschinenraums. Es war stockdunkel und überall standen große Kartons und Kisten. Mit einer Gaslampe in der Hand wies er auf einen Platz in der Ecke, in der einige schmutzige, alte Decken lagen. Misa schreckte mit einem Satz hoch, als sie ein leises fiepen zu ihren Füßen hörte. "RATTEN!" Ein entsetzter Schrei gellte durch die stillen Räume und Gänge des gigantischen Schiffes. Sofort hielt ihr Kojiro den Mund zu, um sie von einem weiteren Schrei abzuhalten. Böse funkelnd warf der riesige Mann ihr einen vernichtenden Blick zu und schritt drohend auf sie zu. "Verdammt noch mal! Halt bloß die Klappe, sonst hören sie euch und wir sind alle dran! Was hast du denn erwartet?! Ein Viersterne Hotel für gnä' Madam?!" Damit verließ er den Lagerraum und ließ die beiden in völliger Finsternis zurück. "Tut mir Leid. Kommt nicht wieder vor.", flüsterte Misa entschuldigend. Doch im nächsten Augenblick hörte sie wieder leise scharrende Geräusche in ihrer unmittelbaren Nähe. Ängstlich klammerte sie sich an seinen Arm, während er sich seufzend voran tastete und fluchend mehrmals mit seinem Schienbein gegen harte Holzkisten stieß. Dabei hielt sie seine Hand die ganze Zeit über fest umschlossen. ,Sie benimmt sich wie ein Kind, aber wenigstens wird sie dann nicht versuchen das ganze Schiff zu erforschen. Ich hatte schon befürchtet, ich könnte sie keinen Augenblick allein lassen. Ich würde mit der richtigen Kleidung nicht auffallen, aber ein Mädchen, das hier durch die Gänge schleicht sehr wohl. So wie es aussieht, werde ich die nächste Zeit auch unter Deck verbringen müssen. Nicht das sie einfach losschreit, wenn ich nicht da bin. Sie ist ja eigentlich ganz süß, wenn sie sich mal nicht aufführt, wie ein verrücktes Huhn.' Als sie wieder zusammenzuckte, drückte er ihre Hand sanft und zog sie weiter, bis sie in der Ecke ankamen und sich dort auf den Decken niederließen. Dort klammerte sich Misa an Kojiro, als hätte sie Angst, dass er jeden Moment davonlaufen würde. Langsam gewöhnte sich Misa an die Geräusche um sie herum. Nichts desto Trotz hielt sie Kojiro noch immer wie ein Klammeräffchen an sich gedrückt. "Kojiro, wo fahren wir eigentlich hin?" "Nach Lodostina. Wir werden ein paar Tage unter Deck bleiben müssen. Der Mann vorhin wird uns in der Zeit etwas zu essen besorgen, aber du solltest ihm nicht trauen." "Warum?" "Er könnte bei einem hübschen Mädchen auf dumme Gedanken kommen." "Wie meinst du......oh, ich verstehe. Kojiro, du....du hältst mich für hübsch?" ,Natürlich finde ich dich hübsch. Ich müsste blind sein, wenn nicht.' Auch wenn seine Gedanken schon längst geantwortet hatten, kam kein Wort über seine Lippen. "Sag schon!" Misa wollte sich dieses Mal nicht einfach mit seinem Schweigen abspeisen lassen. Sie wollte eine eindeutige Antwort und zwar jetzt. "Kojiro?!" Seufzend atmete sie tief aus und lehnte sich zurück. "Du findest mich also hässlich und abstoßend." Sie klang dabei traurig und todernst. "Das habe ich nicht gesagt." Seine Stimme war kaum ein Flüstern, aber doch bestimmt. ,Oh, der Herr lässt sich dazu herab mit mir zu sprechen.' Langsam wurde sie wütend. Wieso musste er auch immer so ein Geheimnis um sich machen. "Was hast du denn dann gemeint?! Du redest ja nicht mit mir!" "Also gut, ich finde du bist hübsch. Eine Schönheit um genauer zu sein. Zufrieden?!" Die Antwort hatte einen mehr als nur wütenden und leicht gereizten Ton. Beleidigt zog sie ihre Beine an und legte resigniert ihren Kopf auf ihre Knie. "Ach, vergiss es.", murmelte sie leise. Kojiro holte noch einmal tief Luft und sprach nun sehr ruhig, wandte dabei aber seinen Kopf in die andere Richtung. "Wieso willst du das unbedingt wissen? Man hat dir doch bestimmt schon X-Mal in deinem Leben gesagt, dass du schön bist. Im Übrigen wäre es eine Lüge, wenn jemand etwas anderes behaupten würde." Misa wollte ihren Ohren nicht trauen. Hatte er das tatsächlich gerade gesagt? Es bedeutete ihr viel, dass er ihr ernsthaft geantwortet hatte und noch viel mehr, dass er sie anscheinend wirklich für hübsch hielt. "Danke." Eine peinliche Stille legte sich über den Raum und man hörte nur das leise surrende Geräusch der Maschinen, die zu starten schienen und das der Ratten, die überall am Boden herumliefen. Nach einer halben Ewigkeit wurde es Misa zu langweilig, da sie nicht wie Kojiro versuchte einzuschlafen, um die Zeit totzuschlagen. "Kojiro? Ich weiß noch fast gar nichts über dich. Du könntest mir doch erzählen wo du herkommst, oder von deiner Familie, oder auch....." Augenblicklich schnitt er ihr das Wort ab. "Das halte ich für keine gute Idee. Wenn du schon unbedingt reden willst, kannst du ja auch etwas von dir erzählen." Als er daraufhin keine Antwort bekam, schloss er wieder seine Augen, bis sie zögernd weitersprach. "Wir...wir könnten uns ja auch Geschichten erzählen, uns eine Vergangenheit erfinden, da wir offensichtlich beide nicht gern darüber reden wollen. Ich meine mit irgendetwas müssen wir uns ja die Zeit vertreiben, oder?" Unsicher wartete sie, was er ihr darauf erwidern würde. ,Eine andere Vergangenheit......Wie oft habe ich mir vorgestellt, es wäre anders verlaufen. Warum auch nicht.' Nach einigen Minuten begann er zu erzählen. Trotz der Dunkelheit die langsam etwas von einem Lichtstrahl aus einem Bullauge verdrängt wurde, konnte sie dabei ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen erkennen, als er mit geschlossen Augen von einer Kindheit sprach, die eigentlich nicht ihm gehörte, sondern nur in seinen Träumen existierte. So vertrieben sie sich mit Schlafen, Dösen, ihren so genannten "Erinnerungen" und unzähligen Streitereien die Zeit, bis das Schiff letztendlich im Hafen von Lodostina einlief. Kapitel 12: ------------ Ab hier beginnt ein neuer Abschnitt im Leben meiner Hauptcharaktere. Und so manche Eisblöcke fangen an langsam aufzutauen...^^ Teil 12 Es begann bereits zu Dämmern, während sich zwei Gestalten leise, wie kleine Mäuse vom Schiff stahlen. Misa war überglücklich endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Sie wirbelte mit dem Bündel in der Hand herum und sog tief die frische Luft ein. Ihr Atem gefror in der kalten Winterluft und sie zog den Mantel enger an sich. Aber nichts desto trotz sprang sie aufgeregt hin und her. "Bin ich froh, dass wir aus diesem stinkenden Loch draußen sind. Noch ein Tag länger und ich wäre freiwillig an Land geschwommen. Von wegen es dauert nicht lange! Gib es zu. Das hast du nur behauptet, damit ich..." "Damit du nicht die ganze Zeit quengelst, aber das hat ja offensichtlich nichts geholfen. Hätte ich gewusst, dass du..." "Wenn du mir einfach gesagt hättest, dass es ganze Wochen dauert, hätte ich auch nicht ständig gefragt. Stattdessen hast du mich immer hingehalten." Die beiden Streithähne funkelten sich mit einem Blick, der töten könnte an, als sie plötzlich etwas Kühles auf der Haut spürten. Kleine zarte Schneeflocken rieselten langsam vom orangefarbenen Himmel. Unwillkürlich sahen beide nach oben und die Flocken schmolzen auf ihren kalten Wangen, den roten Nasenspitzen und landeten federleicht auf ihren Wimpern. Blinzelnd sah Kojiro Misa zu, wie sie noch immer fasziniert zum Himmel aufsah. "Kojiro, es schneit! Der erste Schnee in diesem Winter." Den Streit vergessen, ging sie lächelnd auf Kojiro zu und hackte sich bei ihm ein. Er war es inzwischen gewöhnt, dass sie sich an ihn hängte, oder sich im Schlaf an ihn kuschelte, sobald sie fror. Er hatte es schon aufgegeben dagegen zu protestieren, da es ja doch nichts nützte. Außerdem wurden seine Versuche sie von sich zu schieben immer halbherziger, nachdem ihm die neue Wärme, die ihn nun andauernd begleitete eigentlich ganz angenehm war. "Lass uns einen Platz zum Schlafen suchen. Ein weiches Bett haben wir uns wirklich verdient. Vor allem will ich endlich ein heißes Bad! Ich fange schon an zu stinken, wie ein Iltis. Das würde dir übrigens auch nicht schaden. Und etwas Warmes zum Essen wäre toll." Seufzend ließ er sich von ihr in die nächste Straße ziehen. "Und ich hätte gern einen netten kleinen Sportflitzer, ein großes Haus, eine Jacht.......Hast du überhaupt eine Ahnung, wo du hingehst?" Doch Misa war auch durch seine sarkastische Antwort nicht von ihrer guten Laune abzubringen. "Nein, aber wir werden hier bestimmt etwas Passendes zum Übernachten finden." Als sie schließlich vor einem Wirtshaus ankamen, an dessen Eingang ein großes Schild mit der Aufschrift "Zimmer zu vermieten" hing, stützte Misa triumphierend die Hände in die Seite. "Tatatata,.......was hab ich gesagt." "Schon gut, ich seh's mir mal an. Wenn wir es uns leisten können, bleiben wir hier. Du rührst dich nicht vom Fleck, verstanden! Es wird nicht lange dauern." Misa kannte seine Ansprachen inzwischen schon in und auswendig. Genervt rollte sie mit den Augen und nickte brav. In einem, wie sie glaubte, unbeobachteten Moment streckte sie ihm, als er in das Haus ging, die Zunge heraus. "Ich meine es ernst! Im übrigen, dass habe ich gesehen." "Schon verstanden. Ich werde hier, wie zur Salzsäule erstarrt stehen bleiben, mit niemandem reden, nicht atmen...." Kojiro sah keinen Sinn mehr darin ihr einzutrichtern, wie wichtig es für sie war nicht aufzufallen. Aber anstatt sie einfach mitzunehmen, was die bei weitem einfachere Lösung gewesen wäre, ließ er sie lieber draußen stehen. Gelangweilt trat Misa von einem Fuß auf den nächsten und starrte auf eine blinkende, bunte Lichterkette, bis ihre Aufmerksamkeit auf ein kleines Mädchen gelenkt wurde. Dieses stolperte über den Randstein der gegenüberliegenden Straßenseite und verlor dabei das kleine Körbchen voller Rosen, das sie bei sich trug. Aber anstatt zu weinen, stand es auf und rannte so schnell wie möglich weiter, wie ein gehetztes Tier, ohne sich noch weiter darum zu kümmern. Sie sah sich nicht ein Mal um und erkannte deshalb nicht, dass eines der Autos direkt auf sie zufuhr. Zu spät bemerkte das Mädchen die drohende Gefahr und blieb wie festgefroren stehen. Es geschah alles innerhalb von wenigen Sekunden und doch erschien Misa dieser Augenblick wie in Zeitlupe zu verstreichen. Ohne noch weiter zu zögern, lief sie los. Doch das Auto fuhr zu schnell, um noch rechtzeitig anhalten zu können. Das Auto raste unaufhaltsam auf die Kleine zu, als es mit weitaufgerissenen Augen, plötzlich zu Boden gerissen wurde. Man konnte das quietschen der Reifen noch weithin hören. Doch dann schien die Welt für einen Moment lang still zu stehen. Nichts rührte sich, nichts war zu hören, bis auf den rasenden Herzschlag der beiden, der drohte deren Brustkorb zu sprengen. Auf dem kalten nassen Asphaltboden liegend wagten die beiden kaum zu atmen, bis sie sich sicher waren, dass es vorbei war. Das kleine Mädchen lag wie es schien unversehrt in ihren Armen, bis es schließlich vorsichtig unter ihren beschützenden Armen hervorkrabbelte. Langsam rappelte sich auch Misa hoch. Ihr Kopf schmerzte höllisch. Sie spürte ein lautes Pochen und in ihren Schläfen pulsierte es, während sie leicht zurücktaumelte, als sie versuchte aufzustehen. Alles um sie herum drehte sich, bevor ihr schwarz vor Augen wurde und nur noch leise Stimmen wahrnehmen konnte, bevor sie endgültig das Bewusstsein verlor. * "Herr Wakabashi ein dringender Anruf für sie auf Leitung 2!" Dabei warf sie ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. Ohne auch nur einen Moment lang zu zögern, wandte sich Seiji entschuldigend an die Aktionäre der Versammlung und warf ihnen sein charmantestes Lächeln zu und erhob sich von seinem Vorstandssitz. "Verzeihen sie vielmals, aber ich erwarte einen äußerst wichtigen Anruf. Wir vertagen die Besprechung besser auf morgen, bis dahin sollten die einzelnen Verträge auch vorgefertigt sein." In seinem Büro, das gleich nebenan lag, angekommen, überreichte ihm seine Sekretärin sogleich den Hörer. "Ich dachte schon du wärst auf dumme Gedanken gekommen. Nun, was hat dich solange aufgehalten? Ich würde dir raten, dich ab sofort regelmäßiger bei mir melden, sonst könntest du mich noch auf dumme Gedanken bringen! ............. Sie hat die letzten Wochen auf einem Frachter als blinder Passagier verbracht und du hattest trotz allem die Möglichkeit sie zu überwachen?! Schwer vorstellbar, aber ich werde dir noch einmal Glauben... Schätze mal, das sollte unserer verwöhnten Prinzessin einen kleinen Einblick auf ihr bevorstehendes Leben gewähren, wenn sie nicht langsam zur Vernunft kommt und einsieht, dass es zu Hause doch noch immer am schönsten ist. ....... Welcher Unfall? ............... Sollte ich dich daran erinnern müssen, dass dein Leben ebenso von ihrem Wohlergehen abhängt! ......... Ein Blumenmädchen? ............ Hm... Also gut, ich lasse dir diese Nachlässigkeit noch einmal durchgehen, aber beim nächsten Mal werde ich nicht so friedlich sein. Mein Vater mag wohl glauben dich engagiert zu haben, aber vergiss nicht, dass du ausschließlich für mich arbeitest und ich werde nicht so nachsichtig mit dir sein. Ich hoffe, wir haben uns verstanden...... Ach, und halte dich weiter von ihr fern. Du wirst sie lediglich beobachten und auf weitere Anweisungen warten. Kein Eingreifen ohne lebensbedrohende Gefahr. Achte aber darauf, dass ihr niemand zu nahe kommt." Nachdenklich sah Seji auf das vor ihm liegende Telefon, bis ihm eine Idee kam und es in seinen Augen vor Begeisterung funkelte, während er eine Nummer wählte, um seinen Gedanken Taten folgen zu lassen. ,Ein Blumenmädchen also.... Das kommt mir wie gerufen. Seiji du bist ohne Zweifel ein Genie.' Die Kälte, die sich in diesem Augenblick in seinen Augen durch seine Seele wiederspiegelte, hätte jeden auf der Stelle das Blut in den Adern gefrieren lassen. * ,Was ist passiert? Wo bin ich? Bin ich etwa tot? Nein, das kann nicht sein. Aber es ist so dunkel und ich bin so schrecklich müde. Wenn nur diese Kopfschmerzen aufhören würden. Nein, ich bin mir sicher, dass ich noch lebe. Tote haben doch keine Schmerzen, oder?' Als sie vorsichtig die Augen öffnete, konnte sie nur die Umrisse einer im Schatten liegenden Gestalt erkennen. Diese durchquerte rastlos den ganzen Raum. Das Zimmer war verdunkelt und nur der schwache Schein der Kerzen neben ihrem Bett erhellte den Raum. Als sie genauer hinsah, konnte sie erkennen, dass es Kojiro war, der bemüht schien den Teppichen ein vorzeitiges Ende zu machen. Sie musste unwillkürlich lächeln, als er wie ein Aufziehmännchen hin und her lief, ohne dabei auch nur einen Moment zu stoppen. Doch plötzlich sprang das kleine Mädchen, das bisher unbeobachtet in der Ecke saß und dem sie ihren ganzen Zustand zu verdanken hatte, auf den Sessel neben ihr und krabbelte auf das Bett. "Sie ist aufgewacht!" Blitzschnell stürmte Kojiro auf die beiden zu und atmete erleichtert auf, als er sah, dass Misa endlich ihre Augen geöffnet hatte. "Ich hab dir doch gesagt du sollst auf mich warten! Es war niemals die Rede davon, dass du vor ein Auto springen sollst. Man kann dich noch nicht mal für eine Sekunde aus den Augen lassen." Obwohl er sie wie gewöhnlich schimpfte und sie dabei vorwurfsvoll ansah, hatte seine Stimme einen leicht belegten Klang. Trotz seiner Worte wirkte er nicht wirklich wütend. Gerade als er mit seiner Predigt fortfahren wollte, sah die niedliche Kleine mit dem kurzen bläulich-schwarz schimmerndem Haar ihn bittend an und legte ihre Hand auf seinen Mund. "Bitte nicht schimpfen. Es ist meine Schuld. Ich bin vor das Auto gelaufen. Tut mir leid. Bist du jetzt böse auf mich?" Sanft strich er ihr eine Strähne aus ihrem Gesicht und musste lächeln, als sie ihn so mit ihren großen Augen fragend anblickte. "Hikari, wer könnte dir schon böse sein? Aber du musst besser aufpassen, wenn du über die Straße gehst. Ein kleines Mädchen, wie du sollte sowieso nicht allein, ohne einen Erwachsenen durch die Stadt laufen. Das kann ganz schön gefährlich werden. Wo sind eigentlich deine Eltern?" Das Mädchen schien für eine Weile angestrengt nachzudenken, bis sie mit den Achseln zuckte. "Weiß nicht." Misa blickte verwirrt und ein wenig ungläubig von einem zum anderen, da sie keinen blassen Schimmer hatte was eigentlich in der Zeit in der sie geschlafen hatte vor sich gegangen war. Hingegen schien Kojiro sich dazu bereits seinen Teil denken zu können, und nahm nur die Hand der Kleinen, um sie aus dem Zimmer zu führen. Mit einem Sprung, wie ein kleiner Grashüpfer verließ sie das Bett. "Es ist schon ziemlich spät. Du gehörst schon längst ins Bett. Wir können das Ganze ja auch noch morgen besprechen. Ich bringe dich jetzt besser auf dein Zimmer, das dir der nette Mann von vorhin gezeigt hat." Doch die zog nur einen Schmollmund und zupfte an Kojiros Hemd. "Duuuuuuuu..." Verwundert drehte er sich um und blickte auf das kleine Persönchen, das ihm gerade Mal bis knapp über den Knien reichte. "Trägst du mich?" Kojiro zog nur eine Augenbraue hoch, während Misa mit einem amüsiertem Gesichtausdruck gespannt darauf wartete, was er als nächstes tun würde. "Warum sollte ich das tun? Du kannst doch wohl selber laufen." Aber anstatt nachzugeben, klammerte sie sich an sein Bein und stellte sich mit ihren kleinen nackten Füssen auf den seinen. "Der Boden...Er ist soooooooo kalt." Seufzend hob er sie letztendlich hoch und verfrachtete sie über seine Schulter. "Nicht so!" Zappelnd hing sie halb in der Luft und protestierte gegen die nicht gerade damenhafte Behandlung, wie ein nasser Sack durch die Gegend getragen zu werden, bis er sie schließlich wieder auf den kalten Fließen absetzte. Woraufhin die Kleine seine Hand nahm und ihn zu sich nach unten zog. "So." Dabei kletterte sie zufrieden auf seinen Rücken und schlang ihre kurzen Arme um seinen Hals. "Ich bin doch kein Packesel." Durch diesen Satz kam ihr die Idee ihm die Sporen zu geben und rief ein lautes "Hüüüüü", bevor sie ihm in die Seiten trat. Misa konnte sich dabei das breite Grinsen nicht mehr verkneifen und biss sich hart auf die Oberlippe um nicht lauthals loszulachen, während er resigniert nachgab und mit ihr davon galoppierte. Ein Anblick für die Götter, wie das Mädchen ihren Gefährten herumkommandierte und er es sich wiederwillig, aber dennoch gefallen ließ. ,Mein Gott, ist die Kleine süß! Die ist ja zum knuddeln. Sogar Kojiro kann ihrem Hundeblick nicht wiederstehen. Aber ich frage mich, wo ihre Eltern sind und wo ich hier eigentlich bin. Es sieht nicht so aus, als wären wir hier in einer billigen Absteige gelandet.' Als sie sich aufrichtete, bemerkte sie erst wieder, wie sehr ihr noch der Schädel brummte und ihre linke Schulter und Hüfte schmerzten. Nichts desto trotz schritt sie bewundernd durch das Zimmer. ,Die langen schweren Vorhänge, diese detailreich verzierten Schränke, das riesige Bett, die wunderschönen Teppiche über dem Marmorboden und der silberne Kerzenständer. Ich komme mir vor, als wäre ich in einem kleinen Schloss.' Plötzlich riss sie eine schroffe Stimme aus ihren Gedanken und unterbrach somit ihren Rundgang. "Sofort stehen bleiben!" Unwillkürlich hob Misa die Hände und drehte sich der Stimme zu. "Kojiro! Mein Gott, hast du mich erschreckt." Seine Stirn lag in tiefen Falten, während er mit verschränkten Armen in der Tür stand. "Ich darf mich tagelang nicht aus dem Bett bewegen und du... Leg dich sofort wieder hin! Ich habe keine Lust dich vom Boden aufzusammeln!" Misa konnte dazu nur den Kopf schütteln. "Ach komm schon. Reg dich nicht so auf. Es geht mir schon wieder richtig gut, siehst du." Dabei drehte sie sich schnell ein paar Runden um sich selbst. Allerdings wurde ihr dabei ein kleinwenig schwindlig und sie konnte sich gerade noch an einem der Schränke abstützen. "Verdammt, das ist kein Spiel!" Wütend hob er sie hoch und brachte sie zurück ins Bett. Entschuldigend sah sie ihn mit ihren großen, braunen Augen an, doch Kojiro ließ sich dieses Mal nicht erweichen. Zornig rang er mit den Händen und gestikulierte wild vor sich hin. "Verstehst du denn nicht?! Das war verdammt knapp! Du kannst froh sein, dass du mit einer Gehirnerschütterung und ein paar Prellungen davongekommen bist. Um ein Haar hättest du das Auto nicht nur gestreift, sondern du wärst......du...du könntest jetzt tot sein! Kommt dir überhaupt in den Sinn, was das bedeutet?! Was das mir...ach, ver...vergiss es! Vergiss es einfach!" Tatsächlich wurde ihr erst jetzt bewusst, wie viel Glück sie hatte und erschauderte bei dem Gedanken, was noch alles hätte passieren können. Inzwischen ließ sich Kojiro geschafft in den Sessel fallen, der neben ihr stand. Zögernd kroch sie näher an ihn heran und nahm unsicher seine Hand, die er ihr sofort wieder entziehen wollte, Misa jedoch nur näher an sich zog und nicht losließ. "Kojiro ich...es tut mir wirklich Leid,.... dass du dir solche Sorgen um mich gemacht hast. Aber...was hättest du denn getan? Du hättest doch bestimmt auch nicht einfach nur zugesehen, oder?" Eigentlich wollte er ihr unheimlich böse sein, sie tagelang, wenn nicht wochenlang für ihren Leichtsinn ignorieren, aber irgendwie war seine ganze Wut verraucht und er war einfach nur froh, dass es ihr gut ging. Er war sogar ein wenig stolz auf sie. Als Antwort nickte er nur leicht und schloss schließlich seine Augen. "Kojiro?" "Hmm..." "Wo sind wir hier eigentlich?" "Der Kerl, der im Auto saß ist ziemlich reich. Er hat darauf bestanden, dass wir alle drei hier bleiben, bis du dich erholt hast." "Das erklärt einiges. Weißt du auch etwas über die Eltern der Kleinen. Ich meine, die werden sich schreckliche Sorgen um sie machen." "Da wär' ich mir nicht so sicher." Kojiro beobachtete dabei nachdenklich das Flackern der Kerze und wich damit Misas fragendem Blick aus. "Du bist sicher sehr müde. Ruh dich aus." Doch noch bevor er sich aus dem Staub machen konnte, hielt ihn Misa zurück. "Jetzt sag schon. Du weißt doch etwas." Sie hasste es, wenn er irgendwelche Anspielungen machte und dann so tat, als wäre nichts gewesen. Er atmete noch einmal tief durch und schien dabei angestrengt zu überlegen, was er ihr antworten sollte. "Es ist nur so eine Vermutung. Aber die Blumen, die sie bei sich hatte, die Tatsache, dass sie nicht weiß, wo ihre Eltern sind und dann noch diese komischen Typen, die sie unbedingt mitnehmen wollten. Hikari hatte panische Angst vor diesen Männern und das kann ihr auch niemand verübeln, denn die sahen nicht gerade wie Kindergärtner aus." Misa hörte ihm zwar aufmerksam zu, konnte aber mit dem, was er ihr sagte nicht gerade viel anfangen. "Was haben diese Blumen mit den Männern und ihren Eltern zu tun. Ich fürchte, ich verstehe nicht..." Doch Misa hörte auf noch weitere Fragen zu stellen, als er ihr einen durchdringend Blick zuwarf. "Misa, ich habe keine Ahnung, wie viel du über diese Dinge weißt, aber ich denke sie gehört zu den Blumenkindern, die von ihren eigenen Eltern verkauft werden." Verwirrung und gleichzeitiges Entsetzten spiegelte sich in Misas Gesicht wieder. "Du glaubst ihre Eltern haben sie einfach..... Aber warum?! Und was sind diese Blumenkinder? Ich habe noch nie von ihnen gehört." Unruhig fuhr sich Kojiro durch die Haare und versuchte eine so harmlose Erklärung, wie möglich dafür zu finden, um sie in ihrem derzeitigen Zustand nicht zu sehr aufzuregen. Doch dafür gab es keine verblümte, beschönigte Antwort und so fing er zögernd an zu erzählen. "Diese Kinder werden oft an Zuhälter verkauft, um die restliche Familie zu ernähren. Sie müssen entweder in Bordellen oder auf der Straße arbeiten. Die Kinder auf der Straße haben für ihre Freier, meist sind es Touristen, das Zeichen eines Blumenkörbchens bei sich. Offiziell verkaufen sie auch nur Blumen, aber jeder weiß, dass sie damit etwas ganz anderes anbieten. Sie haben keine Chance ihrem Schicksal zu entkommen, da ihre Zuhälter sie immer aus nächster Nähe beobachten. Sollten sie es dennoch versuchen, werden sie hart dafür bestraft. Hikari ist gerade Mal fünf Jahre alt. Sie ist selbst für ein so genanntes Blumenmädchen ungewöhnlich jung. Die meisten fangen erst mit sieben an. Hikari schreckt noch nicht vor Fremden zurück. Sie zeigt noch nicht diese Angst vor Berührungen. Wenn sie Glück hatte ist sie geflohen, bevor man ihr etwas so schreckliches antun konnte." Misa saß nur noch zitternd auf ihrem Bett und hielt ihre Beine fest umschlungen an ihren Oberkörper gepresst, während sich die Tränen unaufhaltsam ihren Weg suchten. Ihr wurde, bei dem Gedanken, dass man diesem niedlichen kleinen Fratz, wie Hikari es war, etwas so abartiges antun könnte, schlecht. "Versuch ein wenig zu schlafen. Alles andere wird sich morgen finden." Sanft strich er ihr eine Träne, die über ihre Wange rollte weg und gab ihr dabei einen federleichten Kuss auf die Stirn, bevor er sie allein zurückließ. Diese Blumenkinder gibt es wirklich. Durch die schreckliche Tsunami Katastrophe wurden die westlichen Länder wieder darauf aufmerksam. Auch wenn ich befürchte, dass die Tatsache der Kinderprostitution (und ich spreche hier von 6,7-jährigen) langsam wieder in Vergessenheit geraten wird. Kapitel 13: ------------ Tja in diesem Teil wirkt Kojiro vielleicht ein wenig schizophren.... aber was soll's. Damit habe ich dann etwas mit meinem männlichen Hauptcharakter gemeinsam. Teil 13[ Alles ruhte in völliger Stille. Nur ein paar leise Geräusche waren durch die langen, dunklen Gänge zu hören. Auf Zehenspitzen schlich sich Misa zum gegenüberliegenden Zimmer und sah sich noch einmal kurz um, bevor sie wagte an die Tür zu klopfen. Nachdem sie kurz innegehalten hatte und angestrengt lauschte, sie jedoch keine Aufforderung zum Eintreten bekam, drückte sie nichts desto Trotz vorsichtig die Türschnalle hinunter und spähte kurz durch den Türspalt. Kojiro saß inzwischen schon aufgerichtet im Bett. "Kannst du nicht ein Mal das machen, was man dir sagt?! Was hast du hier zu suchen?" Er klang ziemlich mürrisch, unterdessen er sich müde die Augen rieb und dabei herzhaft gähnte. Schnell stahl sich Misa in das Zimmer, lehnte sich an die hinter ihre geschlossene Tür und fingerte nervös an ihrem Nachthemd herum. "Ich weiß, du hast gesagt ich soll nicht aufstehen, aber.....ich muss sie ganze Zeit an Hikari denken und ich kann in diesem riesigen Bett nicht einschlafen. Es ist einfach zu groß für mich allein. Ich meine, wir haben doch auch in der letzten Zeit immer zusammen geschlafen. Natürlich nicht so.... Aber vielleicht......na ja, vielleicht.......kann ich bei dir schlafen? " Jetzt war es endlich raus. Sie hatte sich im Gedanken schon X-mal vorgestellt, wie er darauf reagieren würde. Von falsch aufgefasster Einladung ihrerseits zu mehr als nur im selben Bett zu schlafen, bis zum wütenden Rausschmiss. Oder das Wahrscheinlichste: Er würde sie ganz einfach nur auslachen und zurück in ihr Bett schicken. Sie hörte sich ja nun wirklich an, wie ein kleines Kind, das aus Angst vor einem Gewitter zu ihren Eltern gerannt kommt. Aber nichts von alledem geschah. Kojiros Augen weiteten sich, als er begriff worum sie ihn gerade gebeten hatte. Betreten sah Misa zu Boden, wenngleich man durch die Dunkelheit nur sehr schwach etwas erkennen konnte. Nach einer Weile brachte sie jedoch den Mut auf um näher zu treten und ihn anzusehen. Ohne ein Wort rückte Kojiro ein Stück zur Seite und reichte ihr etwas von der Decke, als sie glücklich darunter schlüpfte. "Danke." Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Obwohl sie tatsächlich die letzten Wochen nie getrennt gewesen waren, war es doch ein komisches Gefühl jetzt unter diesen Umständen zusammen zu schlafen. Immerhin hatten sie vorher kaum eine andere Wahl. Aber nun, da sie beide ein eigenes Bett hatten... Kojiro wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. Aber eine innere Stimme brachte ihn wieder in einen Zwiespalt, wie er es erst seit Misa in sein Leben getreten war, verspürte. Sein altes Ich schien verzweifelt gegen etwas anzukämpfen, und doch immer mehr an Kraft zu verlieren. Er hatte sich zur Wand gedreht, lag nun mit dem Rücken zu ihr und versuchte einzuschlafen, was im Moment nicht gerade einfach war, bis ihn Misa aus seinen Gedanken riss. "Kojiro?" "Hm..." "Ich kann noch immer nicht einschlafen. Wegen dem was du mir erzählt hast...ich...du musst nichts sagen, wenn du nicht darüber reden willst, aber..." Misa begann schon wieder zu stottern und Kojiro rollte genervt mit den Augen, während er darauf wartete, dass sie endlich mit der Sprache rausrückte anstatt um den heißen Brei herumzureden. "Was?! Halt keine langen Reden, sondern sag es einfach. Wenn es etwas ist worüber ich nicht sprechen will, wirst du es auch so merken." "Aber du wirst vielleicht wütend.", nuschelte sie in ihren Kopfpolster hinein. "Und wenn ich dir verspreche, dass ich dir nicht böse sein werde, egal was es ist." Misa überlegte noch kurz, bis sie schließlich einwilligte. "Also gut. Vergiss nicht, du hast es versprochen." Dabei richtete sie sich leicht auf, beugte sich nach vor und sah ihn mit ernster Miene an. "Ja doch." Etwas ermutigt rückte sie näher und lehnte ihren Kopf an seinen Rücken. Dabei schlang sie einen Arm um ihn und drückte sich fest an ihn, als würde sie sich hinter ihm verstecken wollen. "Kojiro, woher weißt du das mit den Blumenkindern so genau? Ich meine,....du...du warst doch nicht..." Er hatte erwartet, dass sie mehr über Hikari erfahren wollte, oder über das, was in der Zeit geschehen war, als sie bewusstlos war, aber damit hatte er nicht gerechnet. "Wie kommst darauf?" Am liebsten hätte er sich zu ihr umgedreht, doch stattdessen hielt sie ihn noch fester an sich gepresst, sodass er sie nicht ansehen konnte. "Du hast doch gesagt Hikari schreckt noch nicht vor anderen Menschen zurück, aber als wir uns kennen gelernt haben, da... und die Narbe...... du warst so wütend, als ich....." Misa ging in Erwartung eines baldigen Wutanfalls noch weiter in Deckung, doch der kam nicht. Im Gegenteil herrschte eine beängstigend Stille. Langsam und bestimmt löste er sich aus ihrer Umklammerung und drehte sich zu ihr um. In diesem Moment trennten sie nur noch wenige Zentimeter voneinander. Er schien ruhig und völlig ernst, während er ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich und ihr dabei ein Lächeln schenkte, dass sie so bisher noch nie gesehen hatte. Jede Angst oder Zweifel wichen von ihr, als er sie so ansah. "Nein. Es ist vieles in meinem Leben geschehen, dass ich gerne ändern würde und die Narbe an meiner Stirn wird mich ewig daran erinnern, aber ich kann dir versichern, dass mir niemals etwas Derartiges zugestoßen ist. Insofern ist es mir bei weitem besser ergangen, als diesen Kindern. Irgendwann mal werde ich dir erzählen, warum ich bin wie ich bin, aber nicht heute." Misa spürte die Ehrlichkeit in seiner tiefen, beruhigenden Stimme und kuschelte sich mit geschlossenen Augen und einem wohligen Seufzer an seine Brust. "Ich werde warten. Gute Nacht." Dieses Unruhe, die er zuerst noch verspürt hatte, war wie weggeblasen und er merkte, wie auch seine Augenlieder schwerer wurden. Noch im Halbschlaf legte er, wie aus einer alten Gewohnheit heraus seinen Arm um sie und hörte nur noch, wie sie leise etwas vor sich hinmurmelte bevor sie einschlief. ".............lie...be ...dich.............." Es brauchte einige Zeit, bis ihre leise gemurmelten Worte in seinem Dämmerzustand zu ihm vorgedrungen waren. Doch als sich diese mehrmals in seinem Kopf wiederholten, wurde ihm langsam klar, was sie soeben gegen seinen Hals genuschelt hatte. Oder besser gesagt, was er geglaubt hatte zu hören. ,Ich liebe dich!!! Hat sie...Jetzt hab ich schon Halluzinationen. Aber warum sollte ich mir so etwas ausdenken, ich meine......Gib doch zu, du bist doch ganz froh, dass sie zu dir gekommen ist. Quatsch. Ich lasse sie nur hier schlafen, weil...weil du genau wie sie nicht wieder allein sein wolltest. Du hast Angst! Ich und Angst! Pha! Einsam. Das warst du doch, bis...bis ich sie gefunden habe...' Eine Einsicht, die ihn schwer traf und nur umso mehr Fragen aufwarf. ,Was ist das nur? Wie kann sie mich nur so auf diese Art fühlen lassen. Wenn sie mir so nahe ist, kann ich kaum atmen und dabei bedeutet sie mir nicht mehr als eine kleine Schwester, die ich zugegebenermaßen nie hatte, aber wenn ich eine gehabt hätte, dann..... Bist du dir da so sicher? NATÜRLICH! Ist es nicht mehr, was du für sie empfindest? Wie wenn ich mich in sie verlieben würde! Ich habe mich noch nie in jemanden,......nein bestimmt nicht.... Ich bin doch nicht verrückt! Sie macht nur Ärger! Hör auf dir etwas vorzumachen. Du hast dich in sie verliebt. Das ist auch der Grund, warum du bei ihr bleibst. Es ist mein Auftrag auf sie aufzupassen! Hätte ich die Wahl, wäre ich schon längst über alle Berge. Das ist eine Lüge. Du hast doch nur Angst, dass sie erfährt wer du bist. Und früher oder später wird sie es auch herausfinden. Du bist ein Verräter! Du weißt, dass du sie in ihr Unglück stürzen wirst und dennoch.... Ich möchte sie nicht verlieren. Du bist ein Egoist! Das warst du schon immer..... Versuch wenigstens ihr nicht wehzutun. Das ist das mindeste, was du für sie tun kannst. Und halte dich von ihr fern, wenn du...sie wirklich liebst. Und wenn sie mich....was, wenn ich mir das gerade nicht nur eingebildet habe. Dann ist es zu spät.' In diesem Augenblick machte Misa gerade ein paar Schmatzgeräusche und krallte sich in sein T-Shirt, während sie sich an ihn schmiegte. Seufzend wollte er sie gerade noch von sich schieben, was sich im Moment als etwas schwierig erweisen sollte. Nach ein paar halbherzigen Versuchen sich von ihr zu befreien, gab er letztendlich auf. "Morgen...gleich morgen.", wisperte er nun widerstandslos vor sich hin, während er weiter ihre ruhigen Atemzüge beobachtete. Sogleich bei Tagesanbruch schlich sich Misa mucksmäuschenstill in ihr Zimmer zurück, um bei ihrem nächtlichen Ausflug unentdeckt zu bleiben und sich für das bereits sehnsüchtig erwartete Frühstück fertig zumachen. Natürlich geschah das Ganze trotz Kojiros heftiger Einwände, dass sie besser im Bett bleiben sollte. Am Frühstückstisch, der sich in einem riesigem, durch die vielen großen Fenster lichtdurchfluteten Zimmer befand, angelangt, erwartete sie ein reichlich gedeckter Tisch, um den bereits Hikari und ein älterer Mann, Mitte Vierzig, versammelt saßen. Kojiro setzte sich ohne große Umschweife an den Tisch und grummelte ein verschlafenes ,Morgen', während Misa noch immer etwas unbeholfen im Türrahmen stand und schüchtern vor sich hinlächelte, ohne wirklich zu wissen, was sie jetzt tun sollte. Sofort sprang der ältere Mann auf und begrüßte sie stürmisch. Sein fester Händedruck zwang Misa beinahe in die Knie. Nachdem er sie aus seinem eisernen Griff befreit hatte, tätschelte er ihr nochmals heftig die Schulter. "Guten Morgen! Ich bin so überaus erleichtert, dass es Ihnen besser geht. Ich kann Ihnen gar nicht sagen wie sehr. Der Unfall tut mir schrecklich Leid. Ich hoffe, Sie verzeihen mir. Aber mein Fahrer war wohl für einen Moment etwas unachtsam. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass er dafür zur Rechenschaft gezogen werden wird." Misa stand einfach nur mit offenem Mund da und nickte oder schüttelte den Kopf, da es im Moment unmöglich schien, ihn in seinem Wortschwall zu unterbrechen. Erst als er ihren leicht entgeisterten Blick feststellte, bremste er sich in seinem Tempo ein. "Verzeihen Sei bitte! Ich rede schon wieder wie ein Wasserfall. Und um mich nicht noch unhöflicher erscheinen zu lassen, sollte ich mich erstmals bei Ihnen vorstellen. Mein Name lautet Matsuo Hinoto. Ich hoffe, es ist Ihnen Recht, dass ich sie hier herbringen habe lassen, aber ich wollte sichergehen, dass es Ihnen auch wirklich gut geht." Damit stoppte er fürs erste seinen Redeschwall und Misa kam endlich zu Wort. "Danke, es geht mir inzwischen schon wieder sehr gut. Außerdem war der Unfall nicht die Schuld Ihres Fahrers. Somit muss ich mich wohl bei Ihnen entschuldigen. Ich heiße übrigens Misato Kurenai." "Sehr angenehm." Damit schüttelte er noch einmal ihre noch immer schmerzende Hand, jedoch gnädigerweise nicht mehr ganz so fest. "Nun darf ich Sie bitten mir die Ehre zu erweisen uns beim Frühstück Gesellschaft zu leisten." Dabei deutete er auf den freien Sessel gegenüber von Kojiro, der sich unhöflich und direkt, wie er nun so manches Mal sein konnte, sogleich mit Hikari über die Brötchen hergemacht hatte. Obwohl die förmliche Gehobenheit durch die kleinen Streitereien zwischen Kojiro und Hikari etwas gestört wurde und sie es durchaus noch von zu Hause gewöhnt war in solchen Kreisen zu verkehren, fühlte sie sich in dieser Atmosphäre ein klein wenig unbehaglich und wetzte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. "Sie können ruhig zugreifen. Oder wünschen Sie etwas anderes zu essen? Dann werde ich Ihnen selbstverständlich etwas anderes bringen lassen." Augenblicklich wehrte Misa ab und griff endlich zu. Herr Hinoto bemerkte, nachdem er sie für eine Weile beobachtet hatte, wie angespannt Misa noch immer war und entschloss sich dazu die Stimmung etwas aufzulockern. "Im Übrigen hätte mir Ihr Freund ruhig sagen können, dass sie beiden zusammen sind, dann hätte ich Ihnen beiden ein anderes Zimmer mit einem größeren Bett zur Verfügung gestellt." Kojiro verschluckte sich in diesem Moment an seinem Kaffee und war nahe am ersticken, während Misa bei dem Versuch die Teekanne nicht fallen zu lassen, den halben Tee über den Tisch verschüttete. "Hätte ich das besser nicht sagen sollen?", fragte Herr Hinoto mit einer Unschuldsmiene, als Kojiro immer noch röchelnd über dem Tisch hing und dabei wild mit dem Kopf schüttelte. Hikari hilfsbereit, wie sie nun mal war, setzte sich breitwillig, wie den Abend zuvor auf seinen Rücken und schüttelte ihn dabei noch so richtig durch, als sie mit ihren Fäusten auf ihn eintrommelte. Dadurch schlug er mit dem Kopf mehrmals gegen die Tischplatte. Wo er schließlich auch halbtot liegen blieb und nur noch vor sich hinlallte, während er mit letzter Anstrengung die Hand erhob und versuchte Einspruch zu erheben. Das wiederum für die Anwesenden in einer nicht gerade verständlichen Sprache. Misa war inzwischen nicht mehr von einer Tomate zu unterscheiden und wischte mit den Servietten die Reste ihres kleinen Missgeschicks weg, während sie stammelnd das Missverständnis aufklären wollte. Allerdings gingen dabei noch ein paar Teller und Gläser zu Bruch, bis sie sich letztendlich wieder auf ihren Platz setzte, um die Sache nicht noch schlimmer zu machen und überließ es den Bediensteten ihre kleine Sauerei wieder in Ordnung zu bringen. Herr Hinoto schaute verwirrt von einem zum anderen. Unterdessen zog Hikari, die sich inzwischen wieder gesetzt hatte, Kojiro an den Haaren hoch und betrachtete ihr Werk. Als dieser sich jedoch noch immer nicht rührte, legte sie seinen Kopf wieder auf das Teller in dem gelandet war zurück, piekte ihn mit ihrem Zeigefinger in die Seite und wartete auf ein Lebenszeichen. Nachdem er sich allerdings wieder nicht bewegte, begann sie ihn mit Marmelade zu bemalen, bis das klebrige Zeug überall in seinem zermarterten Gesicht verteilt war. Währenddessen suchte Misa nach den passenden Worten und stotterte wie gewohnt, wenn sie nervös war, vor sich hin. "Das ist nicht so, wie es...ich meine, wir sind nicht...wir haben nicht......wir schlafen nur miteinander........NEIN!!! Natürlich nicht miteinander, sondern...... Ach, ich geb's auf." Resigniert starrte sie mit hochrotem Kopf auf die kleinen Papierfetzchen in ihrem Schoß, die sie aus der zurückbehaltenen Serviette gemacht hatte. "Tut mir Leid. Ich wusste nicht, dass... Nun ja, nachdem ich heute morgen Ihre Stimme aus seinem Zimmer gehört habe, als ich daran vorbeiging, nahm ich an, dass sie beide....." In diesem Moment schnellte der bereits tot geglaubte Kojiro hoch und wehrte heftig jede weitere Behauptung schon im Vorhinein ab. "Wir sind nicht zusammen und werden auch nie zusammen........" Doch er brach mitten in seiner Erklärung ab, als er die grinsenden Gesichter um sich sah. "Was gibt's da so blöd zu grinsen?!" Auf Kojiros Backe klebte noch der Toast und dazu sah die rote Marmelade aus, wie eine äußerst ungewöhnliche Kriegsbemalung, die Hikari schön gleichmäßig in seinem Gesicht verteilt hatte. Der böse Blick den er jetzt auch noch aufsetzte, machte das Bild, das sich ihnen bot, komplett und die beiden brachen in schallendes Gelächter aus und krümmten sich vor Lachen. Misa kringelte sich bereits mit schmerzendem Bauch am Boden und rollte unter den Tisch, während Herr Hinoto vergeblich versuchte seine Fassung zu bewahren. Verständnislos sah er ihnen eine Weile zu, bis er bemerkte, dass sich etwas Klebriges von seiner Wange löste und auf dem Teller unter ihm klatschte. Langsam fuhr er mit seinen Fingern über sein Gesicht und begann zu verstehen warum die beiden so lachten. Suchend sah er sich im Zimmer um und entdeckte schließlich das schelmisch grinsende, kleine Mädchen mit den verräterisch rosa beschmierten Händen, das leise vor sich hinkicherte und sich hinter einem Vorhang verkrochen hatte. "HIKARI!!!!!!" Seinem gellenden Schrei folgte ein wilde Verfolgungsjagd hinter dem flinken Wiesel durch das gesamte Haus, die jedoch der leicht angeschlagene Kojiro (warum nur?) schon nach kurzer Zeit aufgeben musste. Kapitel 14: ------------ Teil 14 "Soll ich nicht doch den Arzt rufen? Sie sehen in letzter Zeit so blass aus. Sie sollten wirklich wieder mehr essen." Ohne groß auf die besorgten Worte seiner Sekretärin zu achten, starrte er weiterhin aus dem Fenster und beobachtete das winterliche Schneetreiben. "Herr Wakabashi?" "Nein danke. Es geht mir bestens. Ich habe nur schlecht geschlafen. Aber schicken Sie bitte nach meinen Sohn. Er müsste zurzeit in seinem Büro sein. Sagen Sie es sei dringend." Seufzend nickte sie und zog sich wieder zurück. "Wie Sie wünschen." Leise schloss sie die Tür hinter sich und holte ihren Mantel, da sich Seijis Büro im gegenüberliegenden Komplex des Hauses befand und dieser nur durch den eigenen Park der Wakabishis erreicht werden konnte. ,Na toll, jetzt muss ich bei dem Wetter auch noch nach draußen. Gut, ich könnte auch anrufen, aber bevor ich mich mit dieser Furie von Sekretärin herumärgern muss. Jedes Mal wenn ich anrufe ist er "leider nicht zu sprechen" oder "gerade zu beschäftigt". Die Ausreden gehen ihr wohl nie aus. Ich kann mir schon vorstellen mit was die beiden den ganzen Tag beschäftigt sind!' Wütend stapfte sie mit ihren hohen Stiefeln durch den knöchelhohen Schnee. ,Sein Vater ist krank und macht sich schreckliche Sorgen, um seine spurlos verschwundene Tochter und er hat nichts Besseres zu tun, als.....argh...ich kann diesen kleinen widerlichen Schleimer nicht ausstehen! Kein Wunder, dass die Mutter abgehauen ist und nie wieder was von sich hören ließ. Bei so einem Sohn hätte wohl jeder schnell das Weite gesucht. Nur leider vertraut Herr Wakabashi ihm. Man müsste nur beweisen können, in welchen Geschäften er tatsächlich verwickelt ist. Schon alleine die Leute, die bei ihm ein und ausgehen... Ich bin mir sicher, er hat so einiges an Dreck am Stecken." * "Ach, komm schon. Du bist doch nicht noch immer wegen heute Morgen eingeschnappt, oder? Es war einfach zu komisch wie du so mit dem... dem ha, ha.." Obwohl sie sich fest vorgenommen hatte nicht wieder zu lachen, damit er nicht noch länger die beleidigte Leberwurst spielt, konnte sie sich bei dem Gedanken an das eigentlich sehr ruhig begonnene Frühstück kaum zurückhalten loszuprusten und ein weiteres Mal am Boden zu kugeln. "Ha, ha...sehr witzig!" Er zog noch immer eine beleidigte Schnute und stolzierte hocherhobenen Hauptes auf den Balkon des Zimmers. "Ich glaube nicht, dass du es noch so lustig findest, wenn ich dich daran erinnern darf, wie du sein gesamtes Geschirr ruiniert hast, als er sagte wir würden...wir wären...na du weißt schon was!" Sofort zog Misa, wie der Vogel Strauß höchst persönlich den Kopf ein und musterte einmal mehr an diesem Tag peinlich genau das abwechselnde blau-weiße Fliesenmuster. "Stell dir mal vor. Er dachte, dass wir...das ist doch lächerlich!" Augenblicklich zuckte Misa bei Kojiros Worten zusammen. Es versetzte ihr einen Stich, dass er sich offensichtlich so gar nicht vorstellen konnte mit ihr auf diese Weise zusammenzusein. "Was soll daran so lächerlich sein?", fragte sie vorsichtig und mit leicht belegter Stimme, als sie näher an ihn herantrat und dabei sein leicht überraschtes Gesicht musterte. Kojiro konnte spüren, wie sich ihr Blick tief in ihn hineinbohrte und lehnte sich, um ihr auszuweichen über die Brüstung. ,Vergiss niemals wer du bist. Du wirst noch ihr Leben ruinieren.' Bei diesen warnenden Gedanken schweifte sein Blick weit über die unter ihm liegende Stadt, bevor er sich wieder Misa zuwandte. "Nur damit es keine weiteren Missverständnisse gibt. Es wird nie etwas zwischen uns beiden laufen. Das ist einfach unmöglich." Dabei war er so kalt und gleichgültig, wie er nur sein konnte. Und ebenso gleichgültig versuchte Misa zu wirken, als sie ihm leicht zustimmend zunickte, doch ihre erstickte Stimme, die kaum ein Wort über ihre bebenden Lippen zuließ, verriet das sie unter der bröckelnden Fassade den Tränen nahe war. "Ich verstehe." Schnell drehte sie sich um und verließ fast fluchtartig das Zimmer. Ihr verletzter Blick in diesem Moment brannte sich in sein inneres Auge ein. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen und gesagt, dass das Alles bloß ein blöder Witz war und er nichts lieber täte, als sie fest an sich zu drücken und nie wieder loszuassen. Aber er wusste besser als jeder andere, dass das nicht möglich war und auch niemals sein würde. Schweratmend ließ sich Kojiro am Geländer entlang zu Boden gleiten und vergrub seine Finger in seinen Haaren. ,Verdammt noch mal, ich tue das Richtige! Ich weiß, ich tue das Richtige. Du sollstest mich hassen! Hasse mich, verdammt noch mal! Ich würde es nicht ertragen, wenn du dich in mich verliebst.' Mit der Stirn an das Fenster ihres Zimmers gelehnt, schien sie jede Kraft sich noch auf den Beinen zu halten zu verlassen. Langsam sank sie auf die Knie und schloss die Augen, um die aufsteigenden Tränen hinunterzuschlucken. ,Hör endlich auf dich so unendlich blöd zu verhalten! Dumme Gans, reiß dich gefälligst zusammen! Es ist ja nicht so, dass du eine andere Antwort erwartet hättest. Du hast doch gewusst, dass er nichts für dich empfindet. Zumindest nicht so.... Jetzt weiß ich wenigstens genau woran ich bin und brauch mir nicht irgendwelche blöden Hoffnungen machen. Warum bin ich auch so bescheuert und verliebe mich in jemanden, der niemals das gleiche für mich empfinden wird...' "Manchmal würde ich am liebsten einfach nur schreien!" Eine unbändige Wut stieg in ihr hoch und mit einem Ruck zwang sie sich dazu aufzustehen. "Du bist schließlich kein kleines Kind mehr, also hör auf dich wie eines zu verhalten!" Entschlossen sich nichts von ihrem Kummer anmerken zu lassen, suchte sie nach Hikari, die sich wohl noch immer in der Obhut von Herrn Hinoto befand, nachdem sie nach ihrem kleinen Kunstwerk Kojiro lieber für eine Weile aus dem Weg gehen wollte. * "Vater, du wolltest mich sprechen?" "Ja, setz dich." Dabei deutete er auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. "Es geht um Misa. Da offensichtlich die Suchaktion der Polizei nichts ergeben hat, halte ich es für nötig auch privat nach ihr suchen zu lassen." Seiji war zwar für einen Moment über sein neues Interesse für Misa überrascht, verzog aber keine Miene. ,Ich hätte nicht gedacht, dass du tatsächlich so an ihr hängst. Du hast recht die Polizei ist etwas langsam. Ich denke, ich sollte ihnen wieder neue Hinweise unserer gesuchten "Einbrecherin" zukommen lassen. Du siehst aus, als würdest du jeden Moment zusammenbrechen. Nun gut, es kann mir nur recht sein. Umso schmerzhafter wird es für dich, wenn du erkennst, dass du und Misa längst die Marionetten in meinem kleinen Schauspiel seid.' Da Seiji sehr begabt darin war, seinem Vater den liebevollen, besorgten Sohn vorzugaukeln, machte er nach einer kurzen Überlegenspause den selbstlosesten Vorschlag, den er machen konnte. "Ich halte nicht besonders viel von Privatdetektiven. Aber wieso schickst du mich nicht, um nach ihr zu suchen? Ich könnte dort beginnen, wo die Polizei ihre Spur verloren hat und sobald ich sie gefunden habe, werde ich sie davon überzeugen freiwillig wieder mit mir nach Hause zu kommen. Du weißt doch wie viel mir an ihr liegt, ich würde doch nie zulassen, dass ihr etwas zustößt." Nach seiner überzeugenden Rede sah er seinen Vater mit fragenden Augen an und wartete nur noch auf seine Zustimmung und nach kurzem zögern willigte Herr Wakabashi schließlich ein. "Gut. In der Zwischenzeit kann ich mich allein um den Konzern kümmern. Wenn es Probleme geben sollte..." "...dann melde ich mich bei dir. Ich werde mein Bestes tun." * Als Misa das Zimmer betrat, in das sie die Angestellten verwiesen hatten, fand sie darin nur absolutes Chaos vor und weit und breit keine Hikari oder ein Herr Hinoto in Sicht. Der ganze Raum war mit Sesseln und anderem Krimskrams vollgestellt. Darüber waren alle möglichen Decken und Lacken ausgebreitet und sie musste aufpassen, dass sie nicht über eines der Gebilde stolpert. "Hallo? Ist hier jemand? Hikari? Herr Hinoto?" Vorsichtig bahnte sie sich einen Weg durch das Zimmer, bis sich hinter ihr zwei dieser Decken erhoben und mit komischen Knurr, Heul und Schlürfgeräuschen auf sie zukamen. Im ersten Moment erschrocken torkelte sie ein paar Schritte rückwärts und fiel über einen der abgedeckten Sessel, landete aber durch die vielen Polster die im ganzen Raum verteil waren relativ weich auf ihrem Allerwertesten. Mit wildem Kampfgeschrei stürzte sich nun das kleinere der beiden Gespenster auf sie und kitzelte sie von oben bis unten durch, bis sie bettelnd und flehend um Gnade winselte. Noch völlig außer Atem zog Misa dem Schreckgespenst das Lacken vom Kopf und darunter verborgen zeigte sich eine rot angelaufene noch immer kichernde Hikari. "Na warte!" Mit einem hinterhältigen Grinsen setzte sie sich auf das nun wehrlose Opfer und begann ihrerseits ihre Kitzelattacke. "Nein...ha, ha, ha.....bitte....ich..ha, ha.............ich gebe auf........" Zufrieden ließ Misa von Hikari ab und bot ihr als kleines Friedensangebot die Hand, um sie wieder aufzurichten. Jetzt zeigte auch das zweite Gespenst seine wahre Gestalt. Niemand geringeres als Herr Hinoto selbst kam mit einer völlig zerstrubelten Frisur zum Vorschein. "Verzeihen Sie bitte, aber ich kann diesem kleinen Mädchen einfach nichts abschlagen." "Schon gut. Danke, dass sie so lange auf sie aufgepasst haben. Sie haben bestimmt auch anderes zu tun." Herr Hinoto winkte sofort ab. "Nicht doch. Ich habe mir sowieso ein paar freie Tage verdient. Das heißt ich habe jede Menge Zeit." Hikari hatte sich inzwischen wieder erholt und zupfte ungeduldig an Misas Kleid. "Duuu...ist er noch sehr böse?" Schon beim bloßen Gedanken an das letzte Gespräch mit Kojiro zuckte Misa zusammen. Aber da sie nicht wollte, dass sich Hikari noch weitere Sorgen machte, biss sie die Zähne zusammen und lächelte ihr beruhigend zu. "Nicht doch. Er hat doch gesagt, er kann dir gar nicht böse sein." Etwas ungläubig zog Hikari die Augenbraue hoch. "Das hat aber heute Morgen ganz anders ausgesehen." "Solange du ihm in nächster Zeit mit Marmelade vom Leib bleibst, ist er auch ganz friedlich und zahm. Versprochen!" Nun grinste Hikari wieder von einem Ohr bis zum anderen, bevor sie auch schon zu Kojiro davonstürmen wollte. Der war ihr jedoch bereits zuvorgekommen und stand im Türrahmen. Sie schenkte ihm ihr süßestes Lächeln und sah damit aus wie der reinste Unschuldsengel (der sie wie wir ja wissen nicht gerade ist). Wie bereits erwähnt kann niemand diesem Anblick widerstehen (selbst unser hartnäckiger Kojiro nicht und der ist nun wirklich eine harte Nuss). Und so lächelte er unwillkürlich zurück und hob sie mit einem Seufzen hoch auf seine Schultern. Misa verfluchte sich in diesem Moment gerade selbst, da sie sich dabei ertappte, wie sie sich vorstellte was für ein liebevoller Vater er doch wäre. ,Nicht schon wieder! Ich muss aufhören so einen Quatsch zu denken! Außerdem denke weder ich noch er an eigene Kinder. Mädchen du bist 17! Obwohl eine Kleine wie Hikari zugegebenermaßen ja schon süß wäre... Misa, du bist ein hoffnungsloser Fall!' Niedergeschlagen ließ sie sich in einen der herumstehenden Sessel fallen und versuchte sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Herr Hinoto war jedoch ein außerordentlich guter Beobachter und selbst wenn er es nicht wäre, man müsste schon blind sein, um den Auslöser von Misas plötzlichem Stimmungsumschwung nicht zu erkennen. ,Es kriselt anscheinend ein wenig bei unserem kleinen Pärchen. Zumindest könnte ich schwören, dass zwischen den beiden was läuft.' Nach kurzem Überlegen hatte er auch schon eine Idee, wie er die gedrückte Stimmung der beiden wieder etwas heben könnte. "Nun, da ich hoffe, euch noch eine Weile meine Gäste nennen zu dürfen, möchte ich euch drei auch gerne für Samstagabend einladen. Meine Familie gibt ein großes Fest, eine Art Ball und es wäre schön, wenn ihr wenigstens noch bis dahin bleiben könntet. Um die Kleidung müsst ihr euch selbstverständlich keine Sorgen machen." Misas und Hikaris Augen leuchteten kurz auf und man konnte ein gewisses Glitzern in ihnen erkennen. Die Kleine war natürlich die erste die ihre Zustimmung gab und da sie bereits wieder festen Boden unter den Füssen hatte, sprang sie aufgeregt herum, bis sie vor Kojiro stehen blieb, der ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter zog. "Wir gehen doch hin, oder? Ich darf doch, oder?" "Was fragst du mich?!" Verwundert hob er eine Augenbraue und betrachtete den kleinen Grashüpfer vor ihm, der ihn bettelnd ansah. "Wer soll es mir denn sonst erlauben?" Der unschuldige kleine Engelsblick wurde traurig und Kojiro hätte sich am liebsten geohrfeigt. "Tut mir leid." Er beugte sich zu ihr hinunter und hob ihr Kinn an, sodass er ihr genau in die Augen sehen konnte. "Ich kann zwar nicht tanzen, bin ein grauenhafter Unterhalter und hasse nichts mehr als solche Veranstaltungen, aber es wäre mir eine Ehre unsere kleine Prinzessin zum ersten Ball zu begleiten." (Das mit 5 Jahren!!! Ich auch will...) Überglücklich fiel sie Kojiro um den Hals und um ein Haar wäre noch eine weitere Person hinzugekommen, die sich so unheimlich gerührt von dieser Szene kaum zurückhalten konnte (Ich auch will, ich auch will...). "Misa, darf ich?" Nun war es anscheinend an ihr ihre Erlaubnis zu geben und sie tat nichts lieber als das. Fröhlich hüpfte Hikari zu ihr rüber und umarmte auch sie stürmisch. "Ich hab euch lieb. Mama und Papa wären sicher auch nicht mehr so traurig, wenn sie wüssten, dass ihr auf mich aufpasst und ich nicht ganz alleine bin, oder bei diesen Männern." Gerührt drückte Misa die Kleine noch fester an sich. "Niemand hier muss mehr allein sein, wir haben doch jetzt uns.", flüsterte sie noch leise in ihr Ohr, bevor sie sie wieder davonspringen ließ und in eine selbstgebaute Höhle krabbelte. Auch Kojiro hing seinen Gedanken nach, als er die beiden beobachtete. ,Ich werde nicht zulassen, dass euch jemand verletzt... am allerwenigsten ich selbst. Ich schwöre, ich werde einen Weg finden, um euch zu beschützen.' Gerade in diesem Augenblick wurde die Aufmerksamkeit auf jemand anderen gelenkt. "Vater ich dachte du wärst langsam aus dem Alter, in dem man mit Decken Festungen baut, raus. Aber anscheinend dauert bei manchen diese Phase länger." Ein junger Mann mit zusammengebundenen schwarzen Haaren, schwarzer Lederjacke und einem Motorradhelm in der rechten Hand, lehnte am Rahmen der Tür und grinste beim Anblick seines zerzausten Vaters und des Zimmers über das ganze Gesicht. Erfreut aber auch etwas überrascht empfing Herr Hinoto den Neuankömmling. "Du bist schon hier? Ich dachte, du kommst am Samstag mit deiner Mutter und deiner Schwester." "Was denn, bist du denn gar nicht froh mich zu sehen? Offensichtlich hast du ja Besuch, der dir wichtiger ist." Dabei zog er ein beleidigtes Gesicht und verschränkte gespielt gekränkt die Arme vor der Brust. "Red keinen Unsinn! Ich freu mich natürlich. Das sind übrigens Misato Kurenai, Kojiro Asano und...... Wo ist sie denn?" Suchend sah er sich nach dem kleinen Wildfang um, der sich irgendwo im Raum verkrochen haben musste. "Tatatata..."Mit einem Satz war sie aus ihrem Versteck aufgesprungen und stellte sich nun gleich selbst vor. "Ich bin Hikari." Zur Begrüßung hob er schlicht die Hand und musterte erst mal die Gäste seines Vaters. "Nennt mich einfach Kira. Ich hab's nicht so mit dem förmlichen Getue, wie mein Vater." Etwas beschämt verdrehte Herr Hinoto die Augen und fragte sich insgeheim, womit er das nur verdient haben könnte und nuschelte darum umso leiser, "Darf ich vorstellen. Das ist...mein Sohn...Kira Hinoto." Bemitleidend klopfte ihm Kira auf die Schulter. "Mein armer, alter Vater. Du trägst wahrlich ein schweres Los." "Ich bin nicht alt!" Herr Hinotos Blick ließ keinen Wiederspruch zu und netterweise verkniff er sich die nächste spitze Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag. "Tja, also dann. Wie ich bereits gehört habe, wohnt ihr hier für eine Weile. Dann sehn wir uns ja jetzt öfter." Dabei zwinkerte er Misa zu und erntete einen vernichtenden Blick von Kojiro, der kurz davor war ihm dafür an die Gurgel zu gehen. ,Was soll dieses blöde Gezwinker! Lass ja deine fettigen Griffel von ihr, sonst....' Kojiro sah zum Fürchten aus, aber Kira schien völlig gelassen und Misa war lediglich etwas verwirrt, warum ihr Gefährte aussah wie ein Raubtier, kurz bevor es seine Beute in tausend Stücke zerfetzt. Allerdings erkannte Kira die unterschwellige Herausforderung von Kojiro nur zu gut und grinste ihn mit vor Vorfreude glitzernden Augen an. "Das könnte interessant werden." * Zur gleichen Zeit in einem heruntergekommenen Gebäude im Armutsviertel der Stadt Lodostina: "Chef, da will Sie jemand sprechen!" Der Angesprochene schien im Moment jedoch anderweitig beschäftigt und winkte nur ab, während er sich weiter der Frau unter sich widmete. "CHEF!" Die Stimme des Mannes klang dieses Mal noch flehender als zuvor und da ihm das Geschrei seines Angestellten die Laune verdarb, drehte er sich schließlich wütend zu ihm um. "WAS!!!" Genervt verdrehte er die Augen, bis er bemerkte, warum dieser so nervös war. Sein Handlanger stand an die Wand gepresst mit einer Pistole gegen die Schläfe gerichtet da und war kurz davor sich in die Hosen zu pinkeln. Relativ unbeeindruckt erhob sich der nackte Mann von seiner bisherigen Position, während die Frau ängstlich nach einer Decke griff, um sich dann darin eingewickelt aus dem Staub zu machen. "Wie ich sehe haben wir Besuch. Ich bitte Sie, nehmen Sie doch die Waffe runter. Ich habe keine Lust die Schweinerei nachher sauberzumachen." Grinsend trat nun eine zweite Gestalt aus dem Schatten und gab dem Mann mit der Pistole ein Zeichen zu verschwinden. Überglücklich flüchtete nun der bisher bedrohte Mann mit einem ziemlich verdächtig, dunklem Fleck in Schrittgegend aus dem Zimmer und ihm gefolgt, der von der Statur her als Gorilla zu bezeichnende Mann, der sich ebenfalls knurrend zurückzog. Bemitleidend und etwas angewidert sah sich der Besucher im armseligen Zimmer um, bevor er sich an seinen noch immer nackten Gegenüber richtete. Dieser setzte sich ungeniert auf das Bett und zündete sich eine Zigarette an. "Auch eine?" "Danke nein. Ich bin Nichtraucher. Ich muss mich für den rüpelhaften Auftritt entschuldigen, aber Leute der Yakuza wissen sich manchmal nicht zu benehmen." "Yakuza also? Dacht' ich mir schon fast. Und was verschafft mir die Ehre? Ich kenne Sie doch von irgendwoher." "Ich bezweifle, dass wir uns bereits begegnet sind. Normalerweise verkehre ich in anderen Kreisen. Aber es wäre möglich, dass sie schon mal ein Bild von mir in einer Zeitung gesehen haben." Forschend betrachtete er das Gesicht seines Gastes und versuchte sich daran zu erinnern, woher er ihm so bekannt vorkam. Das rötlich-braune Haar, sein gesamtes Auftreten und vor allem diese eiskalten, fast schwarzen Augen, die jedes Licht zu verschlucken schienen und nichts widerspiegelten. Er hatte das Gefühl ihn schon mal gesehen zu haben, konnte ihn aber nicht einordnen und war nun neugierig, wen er wohl vor sich haben könnte. "Dann darf ich fragen, wer Sie sind?" "Seiji Wakabashi. Sie haben bestimmt von unserem Konzern gehört. Aber das tut hier eigentlich nichts zur Sache." Erschrocken über seinen hohen Besuch sprang er vom Bett auf, starrte ihn mit großen Augen an und versuchte sich wieder zu beruhigen. Er hatte schon so einiges von Seiji Wakabashi gehört. Auch in der Unterwelt war er hinter vorgehaltener Hand mehr als bekannt und vor allem gefürchtet. Das ausgerechnet dieser etwas von ihm wollte, bedeutete bestimmt nichts Gutes. Seine Macht und sein Einfluss überstieg selbst in diesem Milieu, das der Yakuza, der japanischen Mafia, bei weitem. Japsend suchte er nach seiner Hose, bis es ihm doch noch gelang seinen Puls auf einen halbwegs normalen Rhythmus zu senken. Amüsiert beobachtete Seiji die Reaktion auf seinen bloßen Namen, kam jedoch ohne weitere Umschweife zurück zum Geschäftlichen. "Ich habe Erkundigungen über sie einholen lassen und wie ich gehört habe, ist Ihnen vor kurzem eines dieser, wie sagt man doch..., ach ja, eines dieser Blumenmädchen entlaufen. Es soll noch sehr jung gewesen sein und blau-schwarzes Haar haben." "Ja, so was kann schon mal passieren. Sie ist gleich nach ihrer Ankunft hier abgehauen. Ein anderes Mädchen hat sie vorgewarnt, aber ich habe bereits dafür gesorgt, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Kann ich Ihnen etwas anbieten?" Dankend wies Seiji ab und kam gleich wieder auf den wesentlichen Punkt seines Besuchs. "Für sie mag es nichts Ungewöhnliches sein, aber für mich ist es wichtig dieses Mädchen zu finden und zurückzuholen. Natürlich werde ich ihre Bemühungen entsprechend entlohnen. Angeblich soll sich ein 17-jähriges Mädchen der Kleinen angenommen haben. Die letzte Spur der beiden führt zu einem sehr wohlhabenden Mann, dessen Name mir unbekannt ist, jedoch in Lodostina eine große Villa besitzen soll. Ich denke, es wird nicht allzu schwer sein diese ausfindig zu machen. Grundsätzlich ist es mir egal, was mit dem Kind passiert, aber kommt dem Mädchen nicht zu nahe. Das wären alle Spielregeln." Etwas verwirrt nahm er den Auftrag an, wagte es aber nicht nach dem Sinn der ganzen Aktion zu fragen, sondern nahm stattdessen freudig die Anzahlung entgegen. Mit einem zufriedenen Lächeln verabschiedete sich Seiji und warf die Kapuze über, bevor er den Raum verließ. ,Misa die Welt da draußen ist nun wirklich nichts für dich. Sie ist von Grund auf schlecht und je eher du das einsiehst, umso besser für dich und die Menschen, denen du begegnest.' Oh, zum ersten Mal das Auftreten von Kira. Ich gebe zu, ich mag ihn wirklich gern, obwohl er eigentlich zu Anfang gar nicht eingeplant war. Er wird in den nächsten Kapiteln auch noch eine größere Rolle spielen, aber anders als ihr vielleicht denkt... Kapitel 15: ------------ Teil 15 Nach der peinlichen Szene beim Frühstückstisch waren sich Misa und Kojiro einig wieder in getrennten Betten zu schlafen. Der nächste Tag zog sich immer mehr in die Länge und sobald Kojiro und Kira aufeinander trafen, war das Knistern der Spannung zwischen den beiden, die hauptsächlich von unserem leicht reizbarem Blondschopf ausging, förmlich zu spüren. Besonders nachdem der Möchtegern Casanova ihr gestern scherzhaft angeboten hatte, doch bei ihm übernachten zu können, falls sie sich einsam fühlte und in der Nacht etwas Gesellschaft bräuchte. Von da an brachte es Kojiro zur Weißglut, wenn er Misa in seiner Nähe sah und um diese Situation so gut wie möglich zu verhindern klebte er an ihr, als wäre er an ihr festgewachsen. Selbst zur Toilette wollte er sie begleiten und eigentlich war es Misa auch ganz recht, dass er nicht von ihrer Seite weichen wollte... zumindest die ersten fünf Minuten. "Kojiro hör auf mir wie ein kleiner Hund auf Schritt und Tritt nachzulaufen! Was ist denn mit dir los? Du bist heute irgendwie seltsam. Sonst bist du doch auch nicht so scharf darauf mir ständig am Rockzipfel zu hängen. Ganz im Gegenteil. Normalerweise hältst du mir hier die Vorträge ich würde an dir kleben wie eine Klette. Und hör auf ständig Kira anzuknurren! Wir sind hier zu Gast. Du benimmst dich wie mein persönlicher Wachhund!" Doch Misa stieß auf taube Ohren, denn Kojiro tat so, als wisse er nicht, wovon sie sprach und reagierte völlig schockiert auf ihre doch so ungerechtfertigten Anschuldigungen. Jetzt hätte ihm nur noch ein hell leuchtender Heiligenschein über seinem Kopf festgeklebt gefehlt und das Bild des Scheinheiligen wäre perfekt gewesen. "Ich habe keinen blassen Schimmer wovon du sprichst. Ich renne dir nicht ständig hinterher, ich habe nur zufällig den gleichen Weg. Außerdem ist mir langweilig. Also bilde dir nichts darauf ein." Misa glaubte ihm kein Wort und baute sich mit verschränkten Armen vor ihm auf. "Man könnte fast glauben du bist auf Kira eifersüchtig. Aber da du mir ja mehr als deutlich klar gemacht hast, dass du keinerlei Interesse an mir hast, ist das schlecht möglich. Ich weiß gar nicht, was du gegen ihn hast. Er ist doch eigentlich ganz nett. Ich finde, er ist dir sogar ein wenig ähnlich." Empört plusterte sich Kojiro vor ihr auf und wehrte sich strikt gegen jeden weiteren Vergleich mit diesem, wie er ihn insgeheim nannte, "Lackaffen". "Ich habe rein gar nichts mit ihm gemeinsam! Er ist mir kein bisschen ähnlich! Der ist doch nur ein..., ein........." "Ein was?" Grinsend stand Kira hinter ihm und wartete gespannt auf die Bezeichnung die Kojiro ihm zugedacht hatte und dieser war durchaus bereit ihm jegliche Schimpfworte an den Kopf zu werfen, die er kannte. Doch dann sah er den flehenden Blick Misas und brachte ihr zuliebe sogar einen halbwegs freundlichen Gesichtsausdruck zustande (wenn man ein Gesicht, das aussieht als hätte diese Person gerade in eine Zitrone gebissen, so bezeichnen kann). "Nichts." Kira war über seinen plötzlichen Stimmungswandel erstaunt, bis er den dankbaren Blick sah, den Misa Kojiro nun zuwarf. ,Sie hat ihn an einer kürzeren Leine als ich dachte. Ist ja beinahe richtig süß, wie zahm er plötzlich wird. Wahrscheinlich nur die Angst vor dem Sexentzug.' "Na gut, dann lass ich euch mal wieder allein. Ich habe ohnehin gleich Training." "Was für ein Training?", fragte Misa neugierig geworden. "Kampfsport. Ich bin ein wenig aus der Übung und ihr habt sicher kein Interesse daran mir zuzusehen, wie ich von meinem alten Lehrer windelweich geschlagen werde." Plötzlich leuchteten Kojiros Augen auf und ein breites Lächeln legte sich über sein Gesicht. "Nicht doch, ich wollte schon immer mal bei so einem Training zusehen. Ich hatte ja leider nie die Gelegenheit mich mit Kampfsport zu beschäftigen. Also wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gern....." "Gut. Wenn euch das nicht zu langweilig ist, könnt ihr gerne mitkommen." Dabei grinsten sich die beiden wohlwissend an. Allerdings aus völlig unterschiedlichen Gründen. ,Ich werde es in vollen Zügen genießen dich am Boden winseln zu sehen.' ,Du wirst dich noch wundern, was ein Meister der Kampfkünste so alles kann.' Misa stand währenddessen nur neben den beiden Rivalen und schüttelte genervt den Kopf. ,Ich kann mir schon vorstellen worauf das Ganze hinauslaufen wird. Von mir aus schlagt euch doch die Köpfe ein...' * Piep, piep, piep,.... Eine tiefe Stimme meldete sich am Handy von Seiji, der diesen Anruf kaum mehr erwarten konnte. "Herr Wakabashi, wir haben sie gefunden, aber es wird nicht leicht werden an sie ranzukommen. Die Kleine wird ständig von irgendjemandem begleitet und das Haus selbst ist mehr als gut bewacht. Immerhin gehört die Familie Hinoto, bei denen die jetzt wohnen zu den reichsten des Landes. Außerdem schleicht die ganze Zeit so ein Kerl um das andere Mädchen herum. Er folgt ihr auf Schritt und Tritt, wahrscheinlich ihr Freund." Bei der Erwähnung von Misas ständigem Begleiter wurde er hellhörig. "Wie sieht der Mann aus?!" "Blond, Anfang zwanzig, relativ groß. Viel habe ich nicht erkennen können, er war noch zu weit entfernt. Aber es sollte kein Problem sein ihn auszuschalten, falls..." "Danke, aber darum werde ich mich persönlich kümmern. Unternehmen Sie vorerst nichts. Ich melde mich dann bei Ihnen." Klick....... Seijis Augen wurden zu schmalen Schlitzen und er knirschte fast unmerklich mit den Zähnen, als ihm der Verrat seines eigenen Spitzels bewusst wurde. Zumindest befand sich dieser noch unter seinem Schutz, solange er tat wie ihm geheißen war. ,Ich hatte dir geraten jeden körperlichen Kontakt Misas zu einer männlichen Person sofort im Keim zu ersticken, aber anstatt dessen.... Du glaubst dich also meinen Befehlen verweigern zu können?! Dazu bist du nicht in der Position! Es wäre gesünder für dich erst gar nicht auf die Idee zu kommen mich hintergehen zu wollen. Dafür würdest du teuer bezahlen. Ich hoffe für dich, du hast schon mal eine gute Erklärung parat.' * Im Dojo angekommen wurde Kira bereits von einem gutaussehenden Mann mit bläulich schimmerndem Haar erwartet. Kaum zu glauben, dass er diesen als seinen "alten Lehrer" bezeichnet hatte. "Lange nicht gesehen. Ich hoffe, du bist nicht ganz aus der Übung. Ich habe extra für dich trainiert, damit es nicht noch so eine peinliche Niederlage wie das letzte Mal geben wird." Belustigt winkte Kira ab. "Schon gut. Ich werde mich zurückhalten. Das sind Misa und Kojiro. Er wollte gern bei unserem Training dabei sein, da er so was noch nie gesehen hat. Es macht dir doch nichts aus, oder?" Erst jetzt bemerkte der Mann den Besuch und stellte sich erstmals vor. "Sehr erfreut. Ich bin Takeru Hoshisa. Ich hoffe nur, ich blamiere mich hier nicht gleich vor euch. Kira war schon immer mein bester Schüler, auch wenn er stinkfaul ist und sein Talent gar nicht zu schätzen weiß." Kojiro kochte vor Wut. Er hatte erwartet, dass dieser Schleimer, der Misa schöne Augen und deutliche Avancen machte, endlich seine verdiente Abreibung bekommen würde. Doch so wie es aussah, war das, was Kira behauptet hatte, nur eine Finte gewesen, um Misa sein Können vorzuführen (Zumindest bildete er sich das ein. Tja, was soll man noch dazu sagen. Schließlich wollte sich Kira an SEINE Misa ranmachen!). Aber er würde ihm einen Strich durch die Rechnung machen und wenn es das Letzte wäre, was er tun würde. ,Niemals werde ich zulassen, dass dieser Schleimer sie bekommt! Auch wenn es egoistisch sein mag. Ich bin noch nicht dazu bereit Misa einem anderen zu überlassen. Noch nicht. Ich brauche nur ein wenig Zeit.' Doch im nächsten Moment wurde er, nach deren kurzem Aufwärmprogramm, durch ihren eindrucksvollen Schaukampf von seinen düsteren Gedanken abgelenkt. Die beiden schienen perfekt aufeinander eingespielt zu sein und auch Misas bewundernder Blick entging ihm nicht und seine Miene verfinsterte sich zusehend. Kira beobachtete seine Zuschauer aus dem Augenwinkel und so bemerkte er auch welch mörderischem Blick Kojiro ihm zuwarf. Augenblicklich unterbrach er den Übungskampf mit seinem alten Freund und Lehrer Takeru, der etwas verwirrt seinen nächsten Angriff stoppte. "Tut mir leid, aber ich möchte meinen Gästen nicht zumuten noch länger hier rumzusitzen. Kojiro sieht so aus, als könnte er es kaum erwarten es selbst auszuprobieren. Vielleicht könnten wir ihm ja ein paar kleine Dinge beibringen." Der herausfordernde Ton in Kiras Stimme war nicht zu überhören und machte Takeru ein wenig stutzig. Besonders als er Misas nervöses hin und hergezappel sah und Kojiro bat sich zurückzuhalten. "Kojiro, bitte! Mach bloß keinen Unsinn! Ich schwöre dir, wenn du hier irgendjemanden verletzt, rede ich kein Wort mehr mit dir!" Kira und Takeru blinzelten sich ein paar Mal entgeistert zu, bevor sie wieder in die Richtung von Misa und Kojiro sahen und in schallendes Gelächter ausbrachen. Beruhigend legte Kira der ernstdreinblickenden Misa eine Hand auf die Schulter und versicherte ihr, dass er es wohl noch gerade schaffen werde gegen einen Anfänger zu bestehen. "Keine Angst. Ich glaube nicht, dass ich bereits so außer Form bin. Aber ich kann dir versprechen, ihn nicht gleich allzu hart ranzunehmen." In Kojiros Augen blitzte es gefährlich, als er sich schließlich Kira gegenüber aufstellte. Mit der richtigen Kleidung versehen und nach ein paar leichten Übungen, die Kojiro zu Anfangs noch brav nachmachte, begab er sich sofort in Angriffsposition und in den anderen beiden jungen Männern keimten bereits die ersten Zweifel, ob sie es hier tatsächlich mit einem harmlosem Anfänger zu tun hatten. "Dann zeig mal, was du so alles drauf hast." Misa zuckte nach Kiras Aufforderung bei der Kälte in Kojiros Augen zusammen und erwartete jeden Moment ein blutiges Spektakel, das die Streithähne zum Besten geben würden. Sogar Takeru erschauderte beim Anblick der beiden, die sich angespannt bis auf den letzten Muskel und bereit zum ersten Schlagabtausch gegenüber standen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren stürzte sich Kojiro auf seinen Gegner. In diesem Kampf war er sein Feind und er würde alles geben, um ihn zu besiegen, koste es was es wolle. Er durfte nicht verlieren. Selbst wenn Misa ihn dafür tagelang wie Luft behandeln wird. Er durfte sie nicht verlieren. Er könnte es nicht ertragen seine fettigen Griffel (die Kira zugegebenermaßen nicht hatte) an ihr zu sehen. Überrascht über die Schnelligkeit und Härte von Kojiros Schlag, fiel es Kira schwer die Verteidigung aufrecht zu erhalten und obwohl er versprochen hatte ihn zu schonen blieb ihm nichts anderes übrig, als seine gesamte ausgefeilte Technik dagegen zusetzten, um ihm nicht die Oberhand zu überlassen. Mit offenem Mund sah Takeru den beiden Kontrahenten zu, wie sie sich gegenseitig zu Boden beförderten, nur um kurz darauf wieder aufzustehen und weitere Schläge auszuteilen. Zu viel Ehrfurcht für die beiden schwang in seinem Blick mit, als dass er es gewagt hätte den Kampf vorzeitig zu beenden, oder sich bei der offensichtlich sehr persönlichen Auseinandersetzung einzumischen. ,Kira ist ihm technisch deutlich überlegen, aber dafür ist Kojiro wendig und stark. Wenn der noch nie Kampfsport betrieben hat, fress' ich einen Besen!' Verbissen schlugen und traten sie, ohne sich eine Pause zu gönnen, aufeinander ein, bis Kira seinen letzten Trumph ausspielte. Er nutzte eine Unachtsamkeit Kojiros und durchbrach somit seine Deckung, fasste ihn an seinem rechten Oberarm, drehte ihn mit Schwung auf den Rücken und beförderte ihn so auf die Matte. Schnell bevor er die Möglichkeit bekam sich aus seinem Griff zu befreien drückte er ihm sein Knie ins Kreuz, bis Kojiro vor Schmerzen aufschrie. Zornig wollte Misa bereits losstapfen und Kira von ihm runterzerren, obwohl er ihrer Meinung nach ihre Hilfe gar nicht verdient hatte, wurde aber von Takeru zurückgehalten. "Ich denke, dass sollten die zwei unter sich austragen. Ich habe Kira noch nie so verbissen kämpfen sehen. Aber keine Sorge, er tut ihm schon nicht weh, dafür scheint er viel zu sehr an ihm interessiert zu sein." Auch wenn sie nicht wusste, worauf er damit anspielte, schluckte sie schweren Herzens den Kloß in ihrer Kehle hinunter und wartete darauf, dass Kojiro endlich aufgeben würde, nachdem er in einer derart aussichtslosen Situation gefangen war. "Gibst du auf?!", keuchte Kira, der selbst noch nach Luft schnappen musste, atemlos hervor. "Nie..mals!" Sein Stolz verbot ihm sich Kira zu ergeben und obwohl dieser nur noch fester zudrückte und die Schmerzen bereits unerträglich waren, wagte er noch einen letzten Versuch sich zu befreien. Er sammelte seine letzte Kraft und riss mit einem Ruck den Arm, den Kira noch immer festhielt nach vorn, bäumte sich dabei auf und schaffte es so ihn kopfüber auf die Matte zu katapultieren. Dieser letzte verzweifelte Versuch in Form eines eher ungewöhnlichen Angriffs, kam völlig unerwartet, da sich Kira seines Sieges schon gewiss war. Ohne etwas dagegensetzten zu können, landete er hart mit dem Rücken auf dem Boden. "Scheiße!" Schmerzend rieb er sich den Kopf und ehe er sich's versah saß Kojiro auch schon auf ihm und hielt seine Handgelenke fest. "Geh runter!" Doch Kojiro setzte nur sein überlegenes Grinsen auf und drückte ihn noch härter zu Boden. Kira spürte bereits dieses leichte Kribbeln in seinem Körper hochsteigen und merkte wie ihm langsam heiß wurde. ,Verdammt, wenn er nicht bald runtergeht, dann.... Oh Gott, er sieht einfach zu gut aus. Seine Augen, wenn sie vor Zorn diesen Glanz bekommen und sobald ich ihn ein wenig reize, bewegt er sich wie eine Wildkatze. Misa ist zu beneiden. Ich würde ihn mir nur zu gerne mal ausleihen.' Doch plötzlich bemerkte er panisch, dass sich bei diesen Gedanken noch etwas ganz anderes zu Wort meldete und versuchte verzweifelt sich aus Kojiros Griff zu befreien, bevor dieser sein "kleines Problem" entdeckte. "Ich gebe auf! O.K.?!", krächzte Kira mühsam hervor, während er seine Augen schloss und inständig um ein Wunder bat. Sein Flehen wurde durch eine nun ziemlich verstimmte Misa erhört, die Kojiro am Kragen packte und ihn von ihm runterzog, um ihm gehörig die Leviten zu lesen. Kira nutzte sie Chance, doch noch mit seinem Zelt, das sich dort unten gebildet hatte, unentdeckt davonzukommen und krümmte sich zu einem Ei zusammen, bevor er klammheimlich auf dem Bauch davonrobbte und sich scheinbar unbemerkt davonschlich. Was ihm bis auf einen gewissen Takeru, der ihm grinsend hinterher sah, auch gelang. "Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, häh?! Sag mal, spinnst du?!" Sie sprühte förmlich Funken, als sie den betreten dreinblickenden Kojiro, der noch immer auf der Matte kniete zur Schnecke machte. "Ich weiß, es war nicht ganz fair, dass ich ihn nicht gesagt habe, dass ich vielleicht nicht gaaanz soooo unerfahren bin..., aber..." "Kein aber! Du hast dich aufgeführt wie ein riesen Vollidiot! Wir sind hier verdammt noch mal zu Gast und DU... ARGH!! Ich könnte dich manchmal..." Zornig raufte sie sich die Haare, bevor sie godzillagleich davonstapfte und damit ihren ziemlich verknittert aussehenden Blondschopf mit hängenden Schultern stehen ließ. Ein Glück, das sie wenigstens sein Augenrollen nicht mehr bemerkte, als er grummelnd seine Anziehsachen packte, um sich wieder umzuziehen. "Oh Mann, ich hätte wissen müssen, dass das nicht gut geht. Aber er sieht einfach so verboten gefährlich aus, wenn er eifersüchtig ist.' Kira stellte mit Erleichterung fest, dass sich sein Problem durch den Schock einer kalten Dusche von selbst verflüchtigt hatte. Geschafft ließ er sich nur mit schwarzen Shorts bekleidet auf das Bett fallen, als er ein Klopfen und Misas Stimme an der Tür hörte. Schnell warf er sich noch einen Bademantel über und bat seinen unerwarteten Gast einzutreten. Ohne groß um den heißen Brei herumzureden, kam sie gleich zum Grund ihres Besuchs. "Entschuldige, wenn ich störe aber ich...ich wollte dich fragen, was du...na ja, was du von Kojiro willst... Ich meine, es war schließlich offensichtlich, dass du.....du weißt schon.....als er dich am Boden festgenagelt hat, da........" Kira starrte sie nur entsetzt mit großen Augen an, als er begriff wovon sie sprach und der ansonsten nur so vor Selbstsicherheit strotzende Mann stotterte mit einem Frosch im Hals vor sich hin. "Du....du hast......du hast gesehen, dass......" Verlegen nickte Misa leicht und Kiras Gesichtsfarbe wechselte von rot bis weiß, während er nervös sein Kissen, in das er sich nun krallte noch fester an seine Brust drückte. So bleich und unsicher bekam sie schon richtig Mitleid mit ihm und versuchte ihn schnell wieder zu beruhigen. "Ich werde es niemanden verraten. Ich habe auch gar nichts gegen Schwule, nur.....nur wenn du noch mal versuchst ihn mit deinen Blicken regelrecht auszuziehen und versuchst ihn mir wegzunehmen, dann kann ich für nichts garantieren....... Kojiro ist mir sehr wichtig! Ich...ich habe mich in ihn verliebt und ich will nicht mitansehen müssen, wie er jemand anderen...egal, ob nun Mann oder Frau... ich.... Wir sind zwar kein richtiges Paar, aber..." Ihm fiel ein Stein vom Herzen und es hörte wieder auf Rekordzeit zu schlagen, als sie ihm versicherte darüber stillschweigen zu bewaren und war von ihrem offenen Geständnis schwer beeindruckt. Allerdings fragte er sich, warum sie es nicht fertig brachte, wenn ihr Kojiro wirklich so viel bedeutete, wie sie sagte, das gleiche zu ihrem offensichtlich nicht uninteressierten Freund zu sagen. "Warum seid ihr dann nicht zusammen?" Schlagartig wandelte sich Misas Blick und eine tiefe Traurigkeit ließ sich darin erkennen, sodass er bereits bereute überhaupt gefragt zu haben. "Weil er nicht das selbe für mich empfindet. Er liebt mich nicht. Ich bin nur eine Freundin für ihn und er möchte, dass das auch so bleibt. Eigentlich kann ich ja schon froh sein, dass er mir seine Freundschaft schenkt, so giftig wie er am Anfang sein konnte." Entgeistert hörte er Misa zu und glaubte nicht richtig gehört zu haben. "Soll das ein Witz sein?! Wir reden hier von dem Kojiro, der mich am liebsten in kleine Stücke hacken möchte, wenn ich dich nur ansehe, der nicht mehr von deiner Seite weicht seitdem er glaubt dich vor mir beschützen zu müssen, der so eifersüchtig ist, dass er fast platzt?!" Eigentlich war es, wenn man es so zusammenfasste, ja auch absurd und ergab keinen Sinn, aber Misa nickte nur stumm und musste zusehen, wie Kira vor Lachen vom Bett fiel. "Was soll daran so witzig sein?!", brüllte ihn Misa nun außer sich vor Wut und jegliche Manieren vergessend an. Daraufhin wischte sich Kira die letzten Lachtränen weg und setzte wieder ein ernstes Gesicht auf, als er merkte wie verzweifelt sie war und ihre Augen verräterisch feucht glänzten. "Du kannst mir ja viel erzählen, aber wenn du für ihn wirklich nur eine Freundin bist... tut mir Leid, aber das ist einfach...." "Denkst du wirklich?", brachte sie gerade noch mit zitternder Stimme hervor, während sie neue Hoffnung schöpfte. Lächelnd nickte er ihr zu und Misa umarmte ihn dafür so stürmisch, dass er rücklings auf das Bett fiel. "Danke!" Nur kam, wie es der Zufall so wollte, in diesem Moment ein reumütiger Kojiro durch die Tür, der bis jetzt mit sich gerungen hatte, sich bei Kira für vorhin zu entschuldigen. Jedoch lag Misa gerade auf dem noch immer sehr leichtbekleideten Kira und umarmte diesen dabei auch noch. Bei diesem Anblick sog Kojiro scharf die Luft ein und schlug ohne ein Wort die Tür hinter sich zu. Damit hinterließ er ein völlig verdattertes braunhaariges Mädchen, dessen entsetzter Blick noch immer an der Stelle haftete, an der er soeben noch gestanden hatte, bevor er wieder so schnell verschwand, wie er aufgetaucht war. Misa verfluchte sich selbst und das grausame Schicksal, das sie immer in diese Situationen brachte. "Ich bin so blöd, blöd, blöd, blöd, blöd,...!" Niedergeschlagen schlug sie mehrfach ihren Kopf gegen die Wand, bis sie sich nur noch dagegen lehnte und tief seufzte, bevor sie sich wieder Kira zuwandte, der sie mitleidig ansah. "Er war schon seit du aufgetaucht bist misstrauisch und jetzt hat er auch noch einen Grund dazu. Dabei würde es eigentlich nur mir zustehen eifersüchtig zu reagieren. Immerhin ist Kojiro dein ,Ziel der Begierde'. Wenigstens beweist seine Reaktion, dass es ihm nicht egal ist, wenn ich mit einem anderen Mann zusammen bin." Deprimiert zuckte sie mit den Achseln und beschloss ihm so schnell wie möglich zu folgen, um ihm klar zumachen, dass zwischen ihr und Kira nichts läuft. "Wenn du willst kann ich ja mal mit ihm reden." "Nein, das wäre keine gute Idee. Er würde dir erst gar nicht zuhören. Ich werde die ganze Sache schon aufklären, ohne ihm dein kleines Geheimnis zu verraten.....Aber vergiss nicht: Er gehört mir! Du lässt die Finger von ihm. Außerdem...warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nah liegt." Dabei zwinkerte sie ihm zu, ehe sie sich auf Kojiro-Jagd begab und einen vollkommen verwirrten Kira auf dem Bett hockenließ. "Häh?!" Hähäm... Misa stellt jetzt schon Besitzansprüche? Das kann ja noch heiter werden. Und meine kleine Andeutung vom letzten Kapitel sollte jetzt auch verständlich sein. Denn ich glaube nicht, dass ihr erwartet habt, dass Kira sich eigentlich nicht für Misa sondern für ihren Begleiter interessiert... Ach ja, was bleibt mir noch zu sagen, außer: Überraschung! (aus einer Torte hüpf) Kapitel 16: ------------ Teil 16 Kojiro lief nun bereits seit Stunden an diesem mildem Wintertag durch den riesigen Park, den er am Rande der Stadt gefunden hatte. Die Straßenlaternen waren bereits eingeschaltet und beleuchteten so den matschigen Weg, den er nun schon zum x-ten Mal hin und herlief. Das Bild von Misa mit Kira zusammen auf einem Bett hatte tiefe Spuren hinterlassen. Sobald er die Augen schloss, musste er sich unwillkürlich vorstellen, wie sie sich jemand anderem hingab, einem anderen als ihm, der sich inzwischen nichts sehnlicher wünschte, als sie nur einmal so berühren zu dürfen. ,Ich muss endlich aufhören darüber nachzudenken. Der bloße Gedanke daran macht mich noch wahnsinnig. Ich habe nicht das Recht mich in ihr Leben zu drängen. Ich habe schon genug getan. Sie wird mich ohnehin verachten. Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass sie mir so wichtig wird. Wenn ich doch nur...' Müde und erschöpft lehnte er sich gegen das Eingangstor des Parks, um sich für einen flüchtigen Augenblick Ruhe zu gönnen. Noch mit geschlossenen Augen hörte er das Quietschen der Reifen eines neben sich haltenden Autos und kurz darauf das unverwechselbare Knallen von Autotüren. Als er aufblickte standen zwei riesige kleiderschrankartige Männer mit schwarzen Sonnenbrillen vor ihm, von denen einer auffordernd auf die schwarze Limousine deutete. Misstrauisch kniff er die Augen zusammen und war bereit sich bis aufs Blut zu verteidigen wenn nötig, doch im nächsten Moment wurde die verdunkelte Fensterscheibe des Wagens heruntergelassen und das Gesicht des Mannes, das dahinter zum Vorschein kam, hätte er nur zu gern vergessen. "Mach keinen Ärger und steig ein! Du hättest ohnehin keine Chance gegen sie." Widerwillig ließ er seine geballten Fäuste sinken und fügte sich mit zusammengebissenen Zähnen der Anweisung. Sogleich nachdem Kojiro mit den beiden anderen eingestiegen war fuhr der Wagen los. Trotz des unbehaglichen Gefühls, das er in der Nähe dieses Mannes verspürte, gab er sich völlig ungerührt und gelassen. Lediglich die leicht zusammengekniffenen Augen in denen es gefährlich aufblitzte, als der ihm nun gegenübersitzende Mann ihn mit seinem starren Blick förmlich durchbohrte, verrieten seinen Hass, der in ihm aufloderte. "Ich denke, du hast mir so einiges zu erzählen. Also dann, ich höre." Damit zerschnitt die Stimme messerscharf die bis eben vorherrschende Stille und ließ Kojiro unmerklich zusammenzucken. "Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Gäbe es etwas Neues, hätte ich sie schon angerufen. Also kein Grund gleich hierher zu kommen." Kojiro gab sich dabei die größte Mühe vollkommen gleichgültig zu klingen, während er desinteressiert aus dem Fenster blickte und die grauen Häuserreihen an ihnen vorbeizogen. Doch plötzlich wurde er am Kragen gepackt und nach vorn gerissen, bis kurz vor das Gesicht des anderen, womit er gezwungen war diesem direkt in die scheinbar toten Augen zu sehen. Er hasste diesen leeren Blick hinter dem sich so viel Abscheu für die ganze Welt verbarg und erschauderte unter dessen Intensität, die ihm den Atem raubte. "Versuch nicht mich zu verscheißern! Ich habe gesagt du sollst dich von ihr fernhalten, doch stattdessen rennst du ihr hinterher und mimst ihren Freund. Sie hätte noch nicht mal von deiner Existenz erfahren dürfen! Also, wie erklärst du mir das?!", zischte er gefährlich leise zwischen seinen Zähnen hervor. ,Woher... Er hat uns die ganze Zeit beobachtet!' Der schockierte Ausdruck auf Kojiros Gesicht sprach Bände und ließ nunmehr auch keine weiteren Zweifel zu. Er hatte es tatsächlich gewagt ihn, Seiji Wakabashi, zu verraten. Voller Zorn packte dieser noch fester zu, bevor er ihn nach hinten zurückschleuderte. "Du hast keine Ahnung worauf du dich hier einlässt und solltest du es vergessen haben, es genügt nur ein einziger Anruf und du wirst die Welt nie wieder von außen sehen. Diebstähle, Einbrüche und der ganze Kinderkram brächten dir vielleicht nur ein paar Jahre, aber der Mord an deinem eigenem Vater dürfte dich wohl für den Rest deines Lebens hinter Gitter bringen. Geschweige denn von den Dingen, die ich auch dort noch für dich Arrangieren kann. Meine Beziehungen reichen bis in die hintersten Winkel und ich bin mir sicher die Männer dort freuen sich auf jemanden, der noch den Mut aufbringt sich zu wehren, wenn du verstehst was ich meine. Das willst du doch nicht?" Kojiro hätte Seiji am liebsten voller Verachtung in sein süffisant lächelndes Gesicht gespuckt, doch er hatte Recht. Er hatte ihn in der Hand und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Zufrieden beobachtete Seiji wie Kojiro vor Zorn am ganzen Körper zitterte, jedoch nicht ein Wort des Widerspruchs verlor, sondern weiterhin aus dem Fenster starrte und sich in den Sitz verkrallte. Doch unerwarteter Weise hielt Kojiro, nachdem er sich wieder gefasst hatte, seinem Blick stand. "Warum ist Misa so wichtig für Sie? Sie bedeutet Ihnen doch nicht das Geringste." Seine Frage entlockte Seiji gerade mal ein leichtes Lachen, das so kalt und falsch erklang, wie sein ganzes Wesen zu sein schien, bis er sich überlegen grinsend zurücklehnte. ,Ich halte ihm soeben noch vor, was ich alles mit ihm anstellen werde lassen, wenn er versucht mich noch einmal zu hintergehen und er macht sich Gedanken um die Kleine. Soweit sind wir also schon? Wie armselig, er ist ihr also tatsächlich verfallen.' "Sagen wir so, sie hat etwas, dass ich gerne hätte und um dort ranzukommen muss sie zu aller erst mal mir gehören. Auf jede erdenkliche Art und Weise. Es gibt Dinge auf dieser Welt, über die nur den wenigsten genaueres wissen. Sie birgt Kräfte in sich, von denen noch nicht mal sie selbst etwas erahnt. Aber sobald sie sich mir ergeben hat, kann sie von mir aus gehen und tun und lassen, was sie will. Eigentlich bin ich auch nicht der Typ, der sich an unerfahrenen, kleinen Mädchen vergreift, aber in diesem Fall gibt es leider keine Alternative." Verwirrt schüttelte Kojiro den Kopf. Es konnte doch unmöglich sein, dass er so viel Aufwand trieb nur weil er mit Misa... Und in diesem Moment fiel es ihm erst wie Schuppen von den Augen. ,Ich habe keinen blassen Schimmer wovon dieser Irre hier überhaupt redet, aber eines ist sicher, er will sie nur benutzen und sie dann wegwerfen wie einen alten, gebrauchten Gegenstand! Er ist so ein skrupelloses Arschloch! Denkt er wirklich ich würde sie ihm nach allem noch ausliefern. Ich kann doch nicht zulassen, dass er... NEIN! Keine Angst, Misa. Er wird dich nicht bekommen. Wenigstens das bin ich dir schuldig. Der kann sich seine Drohungen sonst wohin schieben!' Doch leider bemerkte Seiji die wachsenden Entschlossenheit Kojiros sich ihm zu widersetzen und befahl dem Fahrer an der nächsten Ecke anzuhalten. "Misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen. Ob sie nun freiwillig zu mir kommt, oder ob ich sie dazu zwingen muss, liegt nun allein an dir. Ich hoffe für sie, du entscheidest dich richtig. Ansonsten wird es für alle Beteiligten ein unangenehmes und womöglich sehr schmerzhaftes Erlebnis. Wenn dir also etwas an ihr liegt, tu ihr den Gefallen und bring sie zu mir, bevor ich sie mir hole." Dabei machte er die Tür auf und deutete ihm an nun gehen zu können. "Nur über meine Leiche!", fauchte Kojiro verächtlich. "Du solltest mir besser nicht so ein verlockendes Angebot machen. Ich könnte deinen Wunsch erfüllen." Und er ließ keinen Zweifel daran, dass er das auch auf der Stelle in die Tat umsetzen würde. Unmerklich nickte er den beiden anderen Männern zu und diese schienen den kleinen Wink auch sofort verstanden zu haben. Kurz nachdem Kojiro die Autotür hinter sich zugeschlagen hatte, folgten die Schwarzgekleideten nach. Ruckartig drehte sich Kojiro um und empfing einen von ihnen mit einem gezielten Schlag in die Magengegend. Doch noch bevor er sich dem zweiten zuwenden konnte, hatte der ihm auch schon am Arm gepackt und drehte diesen schmerzhaft auf den Rücken. Sich im eisernen Griff dieses Riesen befindend war er völlig ungeschützt den Fausthieben des anderen, die immer wieder in seinen Magen oder auf seinen Brustkorb trafen ausgeliefert. Bei jedem Schlag krümmte er sich erneuten zusammen, bis jene wieder ein Zeichen bekamen ihn loszulassen. Nach Atem röchelnd fiel er auf seine Knie, bis er vollends zusammenbrach und nur noch verschleiert wahrnahm wie Seiji sich über ihn beugte und sein Kinn hochhob, um sein schmerzverzerrtes Gesicht näher betrachten zu können. "Ist sie das wirklich wert? Überleg es dir noch einmal." Damit ließ er ihn halbbewusstlos auf dem, von geschmolzenem Schnee, aufgeweichtem Boden liegen. Seiji traute Kojiro nicht einen Schritt über den Weg und zögerte deshalb keine Sekunde länger sein Vorhaben zu seinen Gunsten zu ändern. Zu lange hatte er schon darauf warten müssen, dass sie sich aus freien Stücken in seine Hände begab. "Der Plan hat sich geändert. Holt jetzt auch das andere Mädchen zu euch, aber rührt sie nicht an und vergesst einfach den kleinen Störenfried, der ihr ständig hinterherläuft. Er sollte kein großes Hindernis sein. Außerdem hat für mich gearbeitet und wird mir noch nützlich sein. Ihr verschwinden darf kein zu großes Aufsehen erregen, also wartet auf den richtigen Augenblick und seht zu, dass es keine Zeugen gibt. Mein Name darf mit der Sache nicht in Verbindung gebracht werden. Vergesst das nicht!" Damit beendete er das knappe Gespräch und klappte sein Handy zu, ehe er es zurück in die Manteltasche steckte. ,Auch wenn er sich tatsächlich in sie verliebt haben sollte, er wird es nicht wagen diese letzte Grenze zu überschreiten. Dafür ist er viel zu vernünftig. Ich denke, er kann sich vorstellen, wie tief er sie verletzten würde, wenn er zuerst mit ihr schläft und sie dann herausfindet, dass sie letztendlich nur ein simpler Auftrag war. Damit würde er sie zerstören. Denn je mehr sie ihm vertraut, umso leichter wird sie sich mir fügen. Sie war schon immer zu rührselig in diesen Dingen. Wenn sie erfährt, wer er wirklich ist und nur nach meinen Befehlen gehandelt hat, wird sie wie Wachs in meinen Händen sein, wenn ich ihr anbiete wieder in ihr wohlbehütetes Zuhause zurückzukehren. Eigentlich hätte es gar nicht besser laufen können. Vielleicht sollte ich mich bei Gelegenheit mal bei ihm bedanken.' ,Mist, ich frier mir hier noch den Hintern ab! Warum musst du auch immer gleich abhauen?!... Wo steckst du nur? Du wirst mich doch jetzt nicht einfach so allein zurücklassen... Ich brauche dich doch.' Inzwischen war Misa nach stundenlanger, erfolgloser Suche der Verzweiflung nahe. Eine halbe Ewigkeit lief sie nun schon ziellos in der Stadt umher und von Kojiro war nach wie vor noch immer keine Spur. Sie wollte sich erst gar nicht ausmalen, was er jetzt wohl von ihr halten würde, nachdem er sie in dieser normalerweise sehr eindeutigen Position mit Kira gesehen hatte. Dazu war bereits die Sonne untergegangen und als sie sich umsah, musste sie auch noch feststellen, dass sie sich in einem der Armutsviertel von Lodostina befand, in dem man sich nach Einbruch der Dunkelheit besser nicht mehr länger als unbedingt notwendig aufhielt. Umso mehr verdutzte sie die schwarze Limousine, die an ihr vorbeifuhr und so gar nicht in diese Gegend passen wollte. An der nächsten Straßenecke würde sie mit dem Handy Kira anrufen und ihn bitte sie hier abzuholen, da es ja ohnehin keinen Sinn hatte noch weiter planlos herumzuirren und die Suche am nächsten Tag fortsetzten würde. Inzwischen war sie heilfroh, dass sie das Angebot sein Handy mitzunehmen nicht ausgeschlagen hatte und wollte gerade die eingespeicherte Nummer wählen, als sie ihren Blick über den vor ihr liegenden Park schweifen ließ. Stutzig geworden versuchte sie die Umrisse eines dem Anschein nach verletzten Mannes zu erkennen. Dieser versuchte sich vergeblich an einem Baum gestützt hochzurappeln, sank jedoch immer wieder auf seine Knie zurück. Mit einem flauen Gefühl im Magen näherte sie sich ihm mit zögernden Schritten, bis sie mit Entsetzten feststellte, wer die nunmehr zusammengekauerte Gestalt war. "Kojiro!" Mit zitternden Händen hob sie sein gequältes Gesicht an und wischte ihm behutsam etwas Schmutz von der Wange. Erschrocken zuckte er zurück und wollte die Hand von sich schlagen, als er die nun vor ihm kniende Person erkannte, die ihm liebevoll immer wieder ein paar widerspenstige, blonde Strähnen aus der Stirn strich. "Ich dachte schon, ich würde dich nie wieder sehen. Du bist einfach so weggelaufen, bevor ich dir sagen konnte, dass das mit Kira... Es war nicht so, wie es vielleicht ausgesehen hat... Du musst mir glauben...ich..." Doch noch ehe Misa weitersprechen konnte, legte ihr Kojiro einen Zeigefinger auf die Lippen und schüttelte dabei leicht den Kopf. "Schhh...Ich weiß. Ich hätte auch nicht erwartet, dass du gleich mit dem erstbesten ins Bett steigst, aber..." ,...mir ist klar geworden, dass ich dich niemals auf diese Art berühren darf...niemals!' Es war offensichtlich, dass er noch etwas Wichtiges unausgesprochen blieb und obwohl sie glücklich war, dass er ihr so sehr vertraut, war sie neugierig, was er ihr verschweigen wollte. "Aber?" "Hmph...? Ach, nichts." Dabei blickte er zu Boden und wich wieder einmal einer ihrer Fragen aus. Wäre Misa nicht so erleichtert gewesen, hätte sie bestimmt noch nachgebohrt, aber so wie die Dinge nun mal lagen, wollte sie es für dieses Mal gut sein lassen und auf ein andermal verschieben. "Hast du schlimme Schmerzen?" "Nicht der Rede wert." Und wie zum Beweis wollte er sich ohne Hilfe aufrichten, was jedoch kläglich scheiterte, als er fluchend wieder zusammensackte, während Misa ihn nur still beobachtete. Erschöpft ließ er den Kopf sinken und vergrub vor Schmerzen seine Finger im feuchten Boden, bis er ihre zarten Hände auf seinem Gesicht spüren konnte die ihn sanft dazu zwangen ihr in die Augen zu sehen. "Wieso willst du dir nicht von mir helfen lassen?" In ihren wunderschönen Augen, die feucht glänzten, spiegelte sich all die Sorge der letzten Stunden wieder und vor allem fand er darin etwas, was er niemals gewagt hätte, in ihnen zu suchen. ,Es ist zu spät...' Nur dieser eine Gedanke schoss ihm durch den Kopf und fast ängstlich suchte er nach einer Spur des Hasses, der ihn erwarten würde, sollte sie jemals von seinem kleinen Geheimnis erfahren. "Warum siehst du mich so an, Kojiro? Wovor hast du Angst?" Immer noch unfähig sich von ihrem Blick zu lösen, der ihm das Gefühl gab, sie könnte in seiner Seele lesen und etwas dabei entdecken, was er noch niemandem zuvor gewährt hatte darin zu sehen, ließ er sich ohne jede Gegenwehr in ihren Bann ziehen. Wie versteinert saß er regungslos da, während sie zögernd immer näher kam, bis er ihren Atem auf seiner Haut spüren konnte und sie langsam ihre Fingerspitzen über seine Lippen wandern ließ. Sein Herzschlag setzte für einen Moment aus, nur um im nächsten Augenblick wild in seiner Brust zu hämmern, bis ihm das Herz regelrecht bis zum Hals schlug. Das Blut rauschte in seinen Ohren, während er kurz den Atem anhielt um sich wieder unter Kontrolle zu bringen und einen klaren Gedanken zu fassen. Doch als sein Blick auf ihre wunderschön geschwungenen Lippen fiel, an deren Unterlippe sie nun nervös knabberte, vergaß er seine gerade erst beschlossenen Vorsätze. Er beugte seinen Kopf leicht nach vor und küsste sie zuerst zärtlich auf die Stirn, bis er sich allmählich weiter hinabbeugte und ihre Nasenspitze leicht gegen seine stupste, bevor er mit seinen Lippen von den ihren kostete. Anfangs zurückhaltend, beinahe schüchtern, dann immer fordernder. Nur für diesen einen Moment wollte er vergessen und sich seinem Verlangen nach ihr hingeben, so wie sie sich auch nach ihm sehnte. In diesem Kuss zeigten sich all seine verwirrenden Gefühle, die er für sie empfand und die er ansonsten so bedacht war, zuerst vor sich selbst und nun vor diesem braungelockten Mädchen mit dem süßesten Lächeln das er je gesehen hatte, zu verstecken. Mit geschlossenen Augen lehnte er seine Stirn an die ihre und fuhr behutsam ihre Schulter entlang, bis zu ihren Händen. Diese in den seinen haltend entfernte er sich langsam wieder von ihr und atmete erst einmal tief durch, um zu realisieren, was soeben geschehen war. Nervös fuhr er sich durch die Haare und suchte nach einem Grund für seine Gedankenlosigkeit, den er ihr als Erklärung geben könnte. Doch noch ehe er irgendwelche Ausflüchte erfinden konnte, schüttelte sie nur leicht mit einem Lächeln, das ihre Mundwinkel umspielte, den Kopf. "Sag jetzt nichts. Ich rufe Kira an, damit er uns abholt und keine Widerworte! Du könntest ohnehin keinen Schritt gehen und ich habe keine Lust hier draußen zu übernachten." Schweigend half sie dem nun widerspruchslosen Kojiro aufzustehen und sich auf eine Bank zu setzten. ,Nein, sag jetzt nichts... Ich weiß jetzt, dass du mich genauso brauchst, wie ich dich... Auch wenn du es niemals zugeben würdest. Du bist und bleibst nun mal ein sturer Bock. Ich kenne deine Ausreden zur Genüge. Aber irgendwann wirst selbst du es einsehen. Ich werde warten... Ich hoffe, nur nicht ewig. Ansonsten bleib ich wohl eine alte Jungfer.' Sooo der erste Kuss. Für mich war das ganz furchtbar zu schreiben. In solchen Momenten kommt nämlich die Kitschtante in mir hervor und dann... Na ja, ich komme mir dann immer vor wie die neue Rosamunde Pilcher. (Und nein ich bin kein Fan von ihr! Von Disney Filmen? Ja. Aber von derartigem Oberkitsch? Nein.) Kapitel 17: ------------ Teil 17 Im Hause Hinoto angekommen, brachte Misa den Verletzten gefolgt von ihrem zuvorkommenden Chauffeur Kira in sein Zimmer. Dieser hatte die Tatsache, dass Kojiro sich wieder mal geprügelt hatte mit einem Achselzucken hingenommen, wunderte sich allerdings, warum er sich ihm gegenüber nicht mehr so feindselig verhielt und anscheinend seinen Frieden mit ihm geschlossen zu haben schien. "Was habt ihr eigentlich gemacht?! Habt ihr euch im Schlamm gesuhlt?" Erst jetzt hatte der Schwarzhaarige im Licht gesehen wie verdreckt beide waren. Insbesondere Kojiro, der tatsächlich aussah, als hätte er gerade eine Runde Schlammketschen hinter sich. Ohne eine Antwort zu erwarten, schob er Misa zur Tür raus. "Wie es aussieht habt ihr beide dringend ein heißes Bad nötig und ich glaube nicht, dass er sich von dir dabei helfen lassen wird. Also dann, ich sag dir Bescheid, wenn wir fertig sind." Doch leider hatte Misa seine hinterhältigen Gedanken bereits durchschaut und weigerte sich strikt ihm Kojiro kampflos zu überlassen. "Du glaubst doch wohl nicht im ernst, dass ich zulassen werde, dass du ihm beim Ausziehen zusiehst und ihm womöglich sogar noch in die Badewanne nachschleichst?", zischte sie ihm gefährlich leise zu. Mit verschränkten Armen hatte sie sich mit hochgezogener Augenbraue vor ihm aufgebaut und funkelte ihn herausfordernd an. Verlegen räuspernd wollte sich Kira auch schon geschlagen geben und aus dem Zimmer schleichen, bis sich Kojiro zu Wort meldete. "Misa, ich denke, es ist besser wenn du mir nicht dabei hilfst. Ich meine,...wenn ich mich an unsere ersten Begegnungen erinnere..." Beim Gedanken an ihre hüllenlosen Zusammenstöße schoss ihm das Blut in den Kopf (wohl bemerkt in den KOPF!), während er nervös an der Bettdecke rumfummelte. Hätte Misa Kira nicht versprochen ihn nicht auffliegen zu lassen, hätte sie wohl die besseren Argumente gehabt, aber so stand sie nur mit den Händen in der Luft ringend da und suchte nach allen möglichen Einwänden, warum sie Kojiro nicht mit ihm allein lassen konnte. Doch fiel ihr beim besten Willen nichts ein und so konnte sie nur still zusehen, wie Kojiro begann sich zu entkleiden, während Kira sie grinsend nach draußen schob. Jedoch noch bevor er die Tür schließen konnte, fasste sie ihn am Ärmel und zog ihn unsanft zu sich. "Du drehst sich gefälligst um und starrst ihn nicht an! Ich schwöre dir, wenn du deine Finger nicht bei dir lässt, dann gibt es morgen Geschnetzeltes!" Dabei ließ sie noch einen kurzen Blick über das ahnungslose Opfer hinter sich wandern, dass diesem Wolf im Schafspelz nun schutzlos ausgeliefert sein würde. "Ich will keine Klagen hören!" "Bei mir hat sich noch niemand beklagt." Damit ließ er eine vor Wut und Eifersucht schnaubende Misa vor der zugeschlagenen Tür stehen. Und hätte man genau hingehört, so hätte man bestimmt die scharrenden Geräusche ihrer Fingernägel, die sich gerade in das Holz arbeiteten, gehört. ,Tja, dann wollen wir uns mal unserem Patienten widmen...' Vor Vorfreude rieb sich der, ach so hilfsbereite Kira, die Hände, bevor er sich zu Kojiro umdrehte. Doch das was er nun erblickte, war bestimmt nicht das, was er erwartet hatte, zumindest nicht in diesem Ausmaß. Kojiros entblößter Oberkörper wies heftige Blessuren und blaue Flecken auf, geschweige denn von den zahlreichen anderen Narben, die er nicht zuordnen konnte. Besorgt trat er näher und versuchte Kojiro, der sich nur mit Schmerzen aus der Kleidung schälen konnte, Halt zu geben. "Sieht ziemlich übel aus. Mit wie vielen hast du dich denn geprügelt!? Oder warst du von mir noch so geschwächt, dass man dich so zurichten konnte... Na ja, wenigstens dein Gesicht haben sie verschont." Dabei betrachtete er auch die Narben der Bisswunden an seinen Armen und Beinen, die erst vor kurzem verheilt und noch ein wenig gerötet waren. Ein abfälliges Lächeln zierte Kojiros Gesicht, bevor er wieder zusammenzuckte, als er sich daran machte, die Socken auszuziehen. "Es waren nur zwei, aber die hatten es in sich." Ungläubig starrte Kira ihn aus großen Augen an. "Zwei?! Was waren die? Waren das Sumoringer? Du nimmst mich doch auf den Arm." Nun mit seiner Hose beschäftigt, während ihn Kira stützte, schüttelte er nur belustigt den Kopf. "Nein, aber man sollte sich nicht mit den Gorillas der Yakuza einlassen. Da hat man kaum eine Chance. Die haben so was wie eine Ausbildung im Vermöbeln von Leuten." Völlig aus der Fassung gebracht hätte er beinahe, den nun taumelnden Kojiro, losgelassen, um sich selbst setzen zu können, hielt ihn aber im letzten Moment, bevor er endgültig das Gleichgewicht verlor, an der Schulter fest. Mit stechendem Blick beobachtete er nun den Verletzten genau, um nur das geringste Anzeichen für einen dummen Scherz zu entdecken. Doch stattdessen biss sich Kojiro auf die Unterlippe und drehte ihm den Rücken zu, als hätte er gerade erst bemerkt, was er soeben gesagt hatte. ,Ich bin so ein Idiot! Wieso kann ich nicht einfach die Klappe halten...' In Gedanken ohrfeigte er sich selbst für seinen dummen Ausrutscher, die wie er fand langsam zur Gewohnheit wurden. "Was hast du mit denen zu tun? Arbeitest du für die!? Bist du denn...denn vollkommen wahnsinnig?! Die Typen machen dich kalt, wenn du ihnen in die Quere kommst! Weiß Misa davon?" Nervös lief Kira auf und ab. Dazwischen blieb er ab und zu mal stehen, um Kojiro zu mustern, der ihm nach wie vor eine Antwort schuldig geblieben war und sich in völliger Ruhe auf dem Bett niederließ. "Wenn ich zu ihren Leuten gehören würde, hätten sie mich nicht zusammengeschlagen und ich habe auch nicht vor mich mit denen anzulegen. Es ist...kompliziert. Erzähl Misa nichts davon. Sie würde sich nur unnötig Sorgen machen... Bitte." Meistens hätte er sich lieber auf die Zunge gebissen, bevor er jemanden um etwas bitten musste. Aber in diesem Fall war er sich darüber im Klaren, dass wenn Misa von der Sache mit den Yakuza Wind bekam, sie sicherlich nicht mehr mit simplen Erklärungen zu beschwichtigen sein würde und nach der Wahrheit verlangte, was er so lange wie möglich hinausschieben wollte. An Kojiros Stimme merkte Kira, wie viel ihm daran lag und auch das das Ganze womöglich ernster war, als er jemals zugegeben hätte. "Gut, es liegt an dir, es ihr zu sagen. Ich werde mich da nicht einmischen. Aber sollte das noch mal vorkommen, wird sie ohnehin misstrauisch werden. Du kannst ihr nicht ewig so etwas verheimlichen. Es hat mich sowieso schon gewundert, warum sie keine Fragen gestellt hat, oder wenigstens sauer auf dich war, dass du dich wieder geprügelt hast. Oder wie in dem Fall verprügeln hast lassen. Ich werde am besten einen Arzt rufen lassen. Du kannst von Glück sagen, wenn nur ein paar Rippen geprellt sind." Doch Kojiro winkte nur ab und meinte, dass die Schmerzen am nächsten Tag schon so gut wie vergessen sein würden. "Kein Problem. Solche Verletzungen heilen bei mir ungewöhnlich schnell. Morgen spür ich das Ganze wahrscheinlich schon gar nicht mehr. Deswegen wollte ich auch fragen, ob ich noch mal mit euch trainieren kann. Wie man sieht hätte ich ein wenig Training bitter nötig. Es mangelt ganz einfach an meiner Technik." "Ist das dein Ernst? Du willst morgen trainieren, wenn du heute noch nicht mal richtig laufen kannst?! Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du nicht ganz dicht bist?" Kojiro war einfach ein hoffnungsloser Fall, also... erlaubte er es kurzerhand. Vorausgesetzt natürlich, dass er keine gröberen Schmerzen mehr hatte. Doch so stur wie er sein konnte, würde er lieber halbtot auf die Matte kriechen bevor er zugeben müsste, dass er nicht in der Verfassung für einen Übungskampf war. Nachdem das geklärt war, schleppte sich Kojiro nur in Unterwäsche ins Bad und verschloss hinter sich die Tür, bevor Kira bemerkte, dass er die Gelegenheit wenigstens einen unauffälligen Blick auf ihn werfen zu können, verpasst hatte. ,Verdammt, jetzt hat er mich so aus dem Konzept gebracht, dass ich völlig vergessen habe ihm meine Hilfe anzubieten. Natürlich nur falls er jemanden braucht, der ihm den Rücken schrubbt...aber vielleicht auch für das....oder das.....' Mit hängenden Schultern ließ er sich auf einen Sessel fallen und hing weiter seinen Vorstellungen von hilfreichen Diensten nach, die er vielleicht hätte gebrauchen können. Für dieses Mal verzichtete Misa sogar freiwillig auf ein ausgiebiges Bad und sprang zugleich zähneputzend nur kurz unter die Dusche, um sich im Eiltempo gleichzeitig die Haare zu waschen. Mit ihrer flüchtigen Katzenwäsche fertig schlüpfte sie in ein Nachthemd, dass man ihr bereitgelegt hatte und warf den flauschigen Frottebademantel über, um so schnell wie irgend möglich zurück zu Kojiro zu sprinten und denkbare Eventualitäten zu verhindern. Ohne sich groß die Mühe zu machen anzuklopfen, stürmte sie in das Zimmer und entdeckte einen friedlich schlummernden Kira, der irgendwelches unverständliches Zeug vor sich hinbrabbelte und dabei sabbernd ein Kissen umarmte. ,Kann mir schon vorstellen, wovon du nachts träumst... Wenigstens ist er ihm nicht ins Bad gefolgt und brav geblieben. Hoff ich zumindest.' Plötzlich kam ihr eine Idee und mit einem hinterhältigen Grinsen schlich sie auf Zehenspitzen aus dem Zimmer und mit einem Glas Wasser in der Hand wieder zurück. Zuerst noch ganz langsam Tröpfchen für Tröpfchen und dann mit einer ruckartigen Handbewegung schüttete sie den gesamten eiskalten Inhalt direkt auf seinen Schritt. "Ahhhh......kalt..ist das kalt..." Ruckartig sprang er auf und starrte fassungslos auf die Übeltäterin, die ihm triumphierend das leere Glas vor die Nase hielt. Zu ihrem heimtückischen Gesichtsausdruck hätten nur noch die spitzen, roten Hörnchen und ein Dreizack gefehlt, um das Bild der hinterhältigen Teufelin komplett zu machen. "Na, ausgeträumt? Wenn du verhindern willst, dass Kojiro glaubt, dass du noch nicht ganz stubenrein bist, solltest du besser die Beine in die Hand nehmen und sofort verschwinden, ehe er im Bad fertig ist." Ungläubig blickte er die ansonsten so artige und liebenswerte Misa, von der man eigentlich annahm, dass sie kein Wässerchen trüben konnte, an. "Du, du, ...bist ja so...so GEMEIN! Ich wollte doch nur einen Blick, ...einen klitzekleinen..." Aber Misa blieb trotz seines flehenden Hundeblicks hart und ohne jegliches Erbarmen. "Du hast sowieso schon genug von ihm gesehen und ich will gar nicht wissen, wie viel! Und wag es nicht dich wieder reinzuschleichen. Ich bleibe solange hier, bis er vollständig angezogen in seinem Bett liegt. Versuch es also erst gar nicht!" Dieses Mal blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als klein bei zu geben und sich mit vorgehaltenem Kissen wie ein begossener Pudel zurückzuziehen. Nach einer halben Ewigkeit, wie es ihr vorkam, döste sie im Stuhl bereits leicht vor sich hin und war kurz davor einzuschlafen, als plötzlich ein Schatten über ihr Gesicht fiel. Blinzelnd sah sie auf und erkannte Kojiro, der sich gerade über sie gebeugt hatte. "Warum bist du nicht schon im Bett? Du hättest nicht auf mich warten müssen." Grummelnd rieb sie sich über die verschlafenen Augen und dachte daran, dass sie vielleicht doch eingeschlafen war. ,Hat er mich jetzt wirklich gefragt, warum ich nicht bei ihm im Bett liege? Nein...', der Gedanke kam ihr so absurd vor, dass sie schnell abwinkte, aber wenn das ein Traum ist, schlafe ich am besten weiter.....' Aus dieser Betrachtung wäre es ihr sogar gestattet, sich mal einfach gehen zu lassen und das zu tun, was man gerade wollte, da es ja schließlich nicht real war und so legte sie ganz einfach ihre Arme um seinen Hals, zog ihn näher zu sich und flüsterte ihm leise ins Ohr, "Warum kommst du nicht einfach mit? Ich bin mir sicher du kannst dafür sorgen, dass mir schön warm wird." Schon alleine der Duft ihrer frischgewaschenen Haare als, sie ihn zu sich nach unten gezogen hatte, vernebelte ihm die Sinne und ihre nur leicht gehauchten Worten ließen ihn schwer schlucken. ,Vielleicht hab ich doch ein paar Schläge zu viel abbekommen. Misa würde nie... Ich meine, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, sie versucht mich zu verführen...und um ehrlich zu sein, macht sie das gar nicht mal so schlecht. Nein, nein, nein,...wahrscheinlich hat sie Fieber und liegt bereits im Delirium, oder ich...heiß genug wär' mir ja...' Nur schwer konnte er sich von ihr lösen und machte den Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen auf und zu, als wollte er etwas sagen, brachte jedoch keinen Ton heraus. Als Misa sah, wie verlegen er war, erkannte sie erst, dass sie sich in der Realität befand und biss sich feuerrot werdend auf die Lippen. "Ich, ... ähm.... tut mir Leid. Ich.... ah... bin weg." Schnell wie der Wind wirbelte sie an ihm vorbei und ließ mit einem lauten Krachen die Tür ins Schloss fallen. So langsam begann Kojiro tatsächlich an seinem eigenem Verstand zu zweifeln und sah sich erst mal noch verwirrt nach links und dann nach rechts um (vielleicht kommen ja noch irgendwelche riesige Elefanten durch sein Zimmer durchmarschiert), bevor er sich dazu entschloss, dass der Tag schon lang genug war und es das Beste wäre schlafen zugehen, wenn er das seiner Meinung nach nicht ohnehin schon tat. Es war einfach alles zu verrückt, um wahr zu sein. Vielleicht ein etwas komisches Ende für dieses Kapitel, aber ich brauchte zu dem Zeitpunkt einfach noch mal was lustiges zu lesen. Beim nächsten Mal wird eingekauft, trainiert und geträumt... Bis dann Kapitel 18: ------------ Teil 18 Am nächsten Tag, der bei Misas und Kojiros erstem Zusammentreffen mit einem bedrückendem Schweigen begonnen hatte, taten sie so, als hätte es diesen kleinen Vorfall am Abend gar nicht gegeben und verloren auch kein einziges Wort mehr darüber. Nur im Stillen beobachteten sie sich gegenseitig leicht aus den Augenwinkeln, um erahnen zu können, was der andere gerade dachte. Kein leichtes Unterfangen bei zwei so temperamentvollen Menschen, die sich nur allzu oft nicht zu zügeln wussten und ihr Verhalten daher umso unvorhersehbarer war. Doch zu ihrer beider Glück wurde Misa zusammen mit Hikari und Kira zum Einkaufen abkommandiert, während Kojiro, der es tatsächlich schaffte sich wieder halbwegs normal zu bewegen, mit Takeru zusammen trainierte. Dieser war auch gleich mit Feuereifer dabei seinem neuen, gelehrigen Schüler die Technik der Kampfkunst näher zu bringen. Unterdessen suchte Misa fieberhaft nach einem passenden Kleid, während Kira stellvertretend etwas für Kojiro auswählte und Hikari sich sofort mit ein paar anderen Kindern in der Spielzeugecke zusammentat, um die armen, leicht genervten Betreuerinnen zu quälen. Danach landeten die beiden Kleidungssuchenden in einer etwas anderen Abteilung, in der Kira auch sogleich nach netter Unterwäsche für den blonden Jüngling Ausschau hielt, die er Misa begeistert vorführen wollte, bis sie in sich zusammengesunken und völlig fertig mit den Nerven am Boden kauerte, um sich den schon fast sezierenden Blicken der Verkäuferinnen entziehen zu können. Schließlich stapfte sie krebsrot mit Hikari an der Hand aus dem Geschäft, nachdem er ihr mit einem eindeutigen Grinsen zugezwinkert hatte, als er ein paar Teile, die er für besonders anziehend (oder besser gesagt ausziehend) hielt, einpacken ließ. Inzwischen gab sich Kojiro die größte Mühe, auch wenn er bei jeder zu schnellen Bewegung zusammenzuckte und eine kleine Atempause einlegen musste, die effektiven Techniken von Takeru zu erlernen. Durch das Interesse und die Motivation, die sein neuer Schüler zeigte, vergaß er vollkommen, dass dieser noch ziemlich angeschlagen war und eigentlich Ruhe bräuchte, anstatt herumzuturnen, als ob nichts wäre. Selbst wenn Kojiro nicht im vollen Besitz seiner Kräfte war, versuchte er jeden noch so kleinen Fehler an sich mit den meist ergänzenden Techniken auszumerzen. Er folgte mit seinen Augen jeder Bewegung, um sie regelrecht in sich aufzusaugen und sie dann in verlangsamter Form nahezu perfekt wiederzugeben. Nach mehreren Stunden harten Trainings war Kojiro, besonders wegen des gestrigen Tags, mehr als nur ausgelaugt. Todmüde schleppte er sich in Richtung Bad und sehnte sich nach einer heißen Dusche, um seine verspannten Muskeln zu lockern, bevor er sich in das Bett fallen lassen würde. Doch auf dem Weg dorthin fand er einige Einkaufstaschen auf seinem Kopfpolster liegen, die offensichtlich von Misas und Kiras Beutezug durch die verschiedensten Läden der Stadt stammten. Obwohl er kaum noch ein Auge offen halten konnte, war er doch zu neugierig, was die beiden für ihn für den morgigen Ball vorgesehen hatten. Wahllos griff er nach einer der Tüten und fischte ein etwas knappes Bekleidungsstück heraus. Schwer schluckend betrachtete er die eng anliegenden Short, die wohl mehr oder weniger als "Reizwäsche" für Herren gelten konnte. ,Misa, was hast du mit mir vor?!' Mit großen Augen starrte er auf das Ding und kramte weiter in der Tasche, aus der er auch gleich die nächste Short herauszog. Diese war aus reiner Seide, burgunderrot und bestimmt nicht billig gewesen. Mit einem Mal hellwach, wenn auch ein wenig rot im Gesicht, hielt er den Atem an, als er noch einmal in die Tüte lugte, nur um dort gleich das nächste Teil zu entdecken. Obwohl weit und breit niemand zu sehen war, warf er verlegen hüstelnd die beiden Shorts, die er noch immer mit zwei Fingern hochgehalten hatte, zurück in die Einkaufstasche und stakste schnurstracks zum Badezimmer, um dort seine Gedanken zu ordnen. Jedoch bereits den Türgriff in der Hand haltend, sah er sich noch einmal verstohlen nach links und rechts um, bevor er so schnell wie möglich zurückwuselte, sich die Einkaufstaschen krallte und wie ein Blitz im Bad verschwand. * Piep............ piep............. piep...... "Seiji Wakabashi am Apparat." "Herr Wakabashi, wir haben gute Nachrichten für sie. Wir haben herausgefunden, dass morgen ein Ball im Hause Hinoto stattfindet. Das Mädchen, die Kleine und der Sohn von Hinoto Matsuo waren aus diesem Anlass heute einkaufen. Wir haben sie wie abgesprochen die ganze Zeit beobachtet. Der Ball ist doch die perfekte Gelegenheit sich unbemerkt unter sie anderen Gäste zu mischen und die beiden verschwinden zu lassen." Genervt holte Seiji, um sich nicht aufzuregen tief Luft und massierte seine Schläfen, da er durch die Dummheit seiner Angestellten langsam Kopfschmerzen bekam. "Ihr habt sie beobachtet?" "Ja." "Sie waren alleine mit nur einem einzigen Kerl, als Begleitung in der Stadt?" Etwas verunsichert krächzte der Mann auf der anderen Seite der Leitung ein heiseres Ja. "Wenn ihr Vollidioten schon nach einer perfekten Gelegenheit sucht, warum ergreift ihr sie dann nicht, wenn sie euch schon mit dem Zaunpfahl winkt?!" Nervös wechselte der Mann den Hörer nun immer wieder von einer Seite zur anderen und suchte nach den passenden Worten, um seinen leicht gereizten Auftraggeber zu besänftigen. "Wir dachten nur, wir sollten einen ruhigeren Ort..." "Und da haltet ihr einen Ball mit Hunderten von Zeugen für geeignet?!" Seiji musste sich nun ernstlich zusammenreißen, um nicht seine Haltung zu verlieren und einfach loszuschreien. Seine Ader auf der Stirn, die immer hervortrat, wenn er sich besonders in Rage befand, schwoll bereits beträchtlich an. "Also gut, ich gebe euch noch eine Chance, bevor ich wirklich, wirklich wütend werde... Ihr werdet dieses Mädchen entführen und das so bald, wie möglich, aber OHNE ZEUGEN! Habe ich mich klar ausgedrückt?!" Damit war das Gespräch beendet und Seiji entschloss sich dazu, dass ein wenig Ablenkung nicht schaden konnte und seine Sekretärin aufzusuchen, die nur zu gut wusste, wie sie seine Stimmung heben konnte. * ,Herr Hinoto ist wirklich unheimlich nett. Er lässt uns hier wohnen, lädt uns auf seinen Ball ein und besteht sogar noch darauf die Kleidung für uns zu bezahlen. Ich möchte seine Gastfreundschaft unmöglich noch länger ausnutzen, aber mit Hikari und der Polizei im Nacken wird es bestimmt noch schwerer einen Platz zum Bleiben zu finden. Aber auch egal. Wir schaffen das schon. Ich werde die Kleine auf keinen Fall wegschicken und Kojiro hat sie auch viel zu sehr ins Herz geschlossen, als das er sie in ein Waisenhaus geben könnte und sie nach Hause zu bringen wäre ein zu großes Risiko..... Wenn doch alles nur ein wenig leichter wäre.... Aber gut, genug gegrübelt. Ich sollte aufhören Trübsal zu blasen und wieder auf andere Gedanken kommen, wie zum Beispiel... der Ball. Oh ja, tanzen, schöne Musik...gutes Essen......... Und Kira hat was Kleidung betrifft einen wirklich guten Geschmack. Ich bin schon darauf gespannt wie Kojiro die Sachen stehen werden... Aber Gott, war das mir das in der Unterwäscheabteilung peinlich. Die Verkäuferin hat mich ja auch so prüfend angesehen, als würde ich jeden Moment mit Kira in der Umkleidekabine verschwinden wollen, bloß weil er sich mit seinen blöden Witzen nicht zurückhalten konnte. Na gut, ich gebe zu, es war ganz lustig, wie er sagte, er würde mir sie am liebsten gleich hier vorführen und diese ältere Dame völlig schockiert die Augen aufgerissen hat, als würden wir gleich übereinander herfallen. Wenn ich's nicht besser wüsste, ich hätte niemals geglaubt, dass Kira schwul ist. Er ist so...so...er sieht einfach wie der typische Frauenheld aus. Obwohl...bei der Unterwäsche... eindeutig weiblicher Geschmack. Am liebsten würde ich....hmm....nein, AUS! Ich glaube fürchte, er würde nicht mal im Traum an so was denken. Zumindest nicht mit mir. Also hör gefälligst mit solchen Schweinerein auf! Vor kurzem warst du noch ein nettes, naives Mädchen und jetzt sieh dich an! Jetzt musst du schon aufpassen, dass du nicht anfängst zu sabbern, wenn du einen kurzen Blick auf seinen...nackten Oberkörper oder seine durchtrainierten Oberarme, seine wahnsinnig schönen, kräftigen Hände und seine.....oh nein, sofort aufhören! ....... Du bist ja nicht mehr zurechnungsfähig! Zum Glück ist das Wasser inzwischen schon kalt. Da spar ich mir wenigstens die kalte Dusche. Obwohl, wenn ich darüber nachdenke, das bei Frauen eigentlich ja gar nicht nötig ist. In solch einem Augenblick, denke ich immer, was für ein Glück ich doch hatte, kein Mann zu sein. Oh mein Gott, wenn ich mir vorstelle in den unpassendsten Momenten... die anderen würden mich doch für einen absoluten Perversling halten. Wie machen Männer das bloß. Oh ja richtig, ich halte ja schließlich die meisten für absolut pervers.' Bei dem Gedanken musste sie kurz laut auflachen und ließ sich noch einmal in das laumwarme Wasser gleiten, bevor sie sich für das bevorstehende Abendessen fertig machte. Nicht zuletzt um auch alle weiteren Vorstellungen von Kojiros Körperregionen abrupt zu stoppen, bevor sie noch tiefer sanken (oh, wie zweideutig! Man erkennt, dass die Autorin dieser Geschichte durchaus ein kleiner hentai ist... zumindest in Gedanken.). Doch als sie bemerkte, dass er nicht zum Essen kam, da Kojiro nach dem harten Training wohl eingeschlafen war, entschloss sie sich, ihm eine Kleinigkeit raufzubringen, da er seit dem Mittagessen keine feste Nahrung mehr zu sich genommen hatte und sich sein Magen demnächst von selbst melden würde. Klopf...klopf.. "Kojiro? Kann ich rein kommen?" Wieder keine Antwort. Also öffnete sie vorsichtig die Tür einen spaltbreit und schlich sich nur im Schein des Nachts hell leuchtenden Sternenhimmels leise in sein Zimmer. Nachdem sie sich an die anfangs neue Dunkelheit gewohnt hatte, stellte sie sorgsam das Tablett auf einen leerstehenden Platz am Nachttisch und setzte sich auf die Bettkante um ihn behutsam zu wecken. "Durch das Mondlicht bist du fast noch attraktiver... Ich würde nur zu gern......." Doch mit einem Seufzen schüttelte sie den Kopf und strich ihm dabei federleicht durch die Haare. "Kojiro....Kojiro! Hey, hörst du mich? Aufwachen, Essen ist fertig." Dabei rüttelte sie ihn flüchtig an der Schulter, bis er leise etwas vor sich hinmurmelte und verschlafen die Augen öffnete. Nur schloss er sie mit einem Lächeln auf den Lippen wieder und zog Misa sanft zu sich herunter. "Ähmm...Kojiro...ich.." Doch noch bevor sie weiter sprechen konnte, lag sie auch schon auf ihm, während er besitzergreifend die Arme um sie schlang und offensichtlich so wieder weiter schlafen wollte. Für einen Moment wagte sie nicht sich in dieser, wenn man davon ausging, dass er sich noch immer im Halbschlaf befand, wahrscheinlich eher unbeabsichtigte Umarmung zu bewegen, geschweige denn zu atmen, bis sich diese Haltung für sie doch auf den Rücken schlug und sie wieder Luft holen musste. Vorsichtig wand sie sich aus seinen Armen und setzte sich wieder auf. Doch nachdem Kojiros neuer Teddybär so plötzlich verschwunden war, wurde es nun ein wenig kühl. Langsam öffnete er die Augen, als er ins Leere griff und erkannte erst jetzt, wer sein wunderbar duftendes Kuscheltier gewesen war. ,Scheiße, scheiße, scheiße!' Erschrocken fuhr er hoch, knipste die Nachttischlampe an und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, um ihr zu erklären das das Ganze nichts zu bedeuten hatte. Doch noch ehe er etwas vor sich hin stottern konnte, stellte sie ihm das Tablett auf den Schoß. (Und nein, es kippt nicht aus einem Grund, der meinen triebgestörten Freundinnen wieder besonders gut gefallen hätte, um... Fragt lieber nicht, was die für Vorschäge machen... deswegen passen sie auch so gut zu mir ^^) "Ich dachte du bekommst vielleicht noch Hunger. Wenn etwas fehlt, sag's ruhig. Ich hol's dir dann noch, bevor ich selbst ins Bett geh." Froh über das Essen und überrascht über ihre Reaktion, nickte er einfach nur vor sich hin und machte sich daran seinem vernachlässigtem Magen zum Schweigen zu bringen. Lächelnd stand Misa auf und wandte sich bereits zum Gehen, als er ihr doch noch eine Erklärung geben wollte, ehe sie etwas Falsches dachte. "Ich wollte nicht...das vorhin......ich hatte eigentlich nicht vor dich zu mir ins Bett zu ziehen...du weißt schon, was ich meine,...ich bin es inzwischen wahrscheinlich einfach gewohnt mit dir in einem Bett zu schlafen, dass.....oh man..." Verzweifelnd gab er es auf nach den richtigen Worten zu suchen, da er anscheinend immer das Falsche sagte, was sich durch Misas immer wieder wandelnden Gesichtsausdruck zu bestätigen schien. Dieser wechselte nämlich von verwirrt, zu überrascht, bis hin zu einem süßem, verlegenen Lächeln. "Hat...hat es dich denn nicht gestört, wenn ich bei dir...", nuschelte sie leise gesenktem Blick. "NEIN!!!" ,Oh ha,... die Antwort kam ein bisssschen schnell für meinen Geschmack. Verdammt! Gott, bin ich ein Idiot! Schon mal was von Beherrschung gehört...' Genervt über sich selbst und seine inzwischen völlig unkontrollierten Antworten schlug er sich auf die Stirn und verdrehte die Augen. Das Nein kam so schnell herausgeplatzt, dass Misa vor lauter Schreck einen Satz nach hinten machte und dann dort wie angewurzelt stehen blieb. Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Sprache wieder gefunden hatte und einen halbwegs anständigen Satz bilden konnte. "Wenn du...wenn du willst kann ich ja wieder.....bei dir......." Schwer schluckend biss er sich auf die Unterlippe und versuchte ein Argument dagegen zu finden. Doch in diesem Augenblick schien es ihm keinen einzig vernünftigen Grund zu geben, warum sie nicht wieder bei ihm schlafen sollte (Tja, mir würden da schon ein paar einfallen. Hä, hä... Aber na ja, was soll's...vielleicht will er ja auch gar keinen Grund dagegen finden...) und so brachte er nur wieder ein schwaches Nicken zusammen. Misa konnte es in dem Moment einfach nicht verhindern, dass sie anfing wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen, während er ein wenig verlegen an seiner Bettdecke zupfte. So schnell wie eben möglich zog sie in ihrem Zimmer ihren kuschelweichen Schlafanzug an und erledigte die letzten Dinge im Bad, bevor sie zu ihm zurückeilte und vorsichtig unter die Bettdecke schlüpfte. ,Jetzt wird sich herausstellen, wie viel meiner Selbstbeherrschung noch vorhanden ist. Ich sollte mich nicht so anstellen... Einfach tief durchatmen, die Augen schließen und vergessen, dass sie gerade mal WENIGE ZENTIMETER NEBEN MIR LIEGT!!! ......Vollidiot! Das nennst du also sich von ihr fernhalten. Anscheinend kannst du es gar nicht mehr erwarten im Gefängnis zu landen. Eigentlich komisch...wäre ich nicht bei den Wakabashis eingebrochen und von diesem Arschloch geschnappt worden, hätte ich sie wahrscheinlich nie kennengelernt. Das nennt man dann wohl Schicksal. So gesehen hat er mich ja schon richtiggehend dazu gezwungen mich in sie zu verlieben. Hmpf...ich meine, was hat er denn erwartet, wenn ich auf jemanden aufpassen soll, der so liebevoll, hübsch und zärtlich, wie sie ist...und dann noch so streitsüchtig, stur, eigensinnig....sie ist perfekt. Eine andere könnte es gar nicht mit mir aufnehmen.' Bei dem Gedanken grinste er wohl wissend vor sich hin, bis ihm die letzte Begegnung mit Seiji in den Sinn kam. ,Sie ist perfekt, bis auf einen kleinen Schönheitsfehler...Sie wird mich noch Kopf und Kragen kosten. Aber was würde ich darum geben sie noch einmal zu küssen..... Schwachkopf! Es ist auch so schon schwer genug. Wie soll ich sie jemals wieder gehen lassen, wenn ich es noch nicht einmal schaffe ohne sie einzuschlafen. Ich hab die letzten beiden Nächte kaum ein Auge zugemacht, weil sie mir einfach nicht mehr aus dem Kopf geht. Aber ich werde es schaffen. Immerhin bin ich nicht so ein liebeskranker Trottel mit rosa Wölkchen und Seifenblasen vor seinen Augen! Ich bin ein MANN und von niemandem abhängig!' Doch noch während er sich zur Vernunft rief und sich alles Mögliche einzureden versuchte (Gut, ein Mann ist er schon. Das will ich ihm gar nicht absprechen.), wurden die paar Zentimeter Abstand zwischen ihnen plötzlich immer weniger, als sie sich an ihn kuschelte und sich dabei in seinem T-Shirt verkrallte. Irgendwie schien das bei ihr schon so eine Art Reflex zu sein, wenn sie bei ihm schlief und er konnte ja auch schlecht das Weite suchen, um nicht völlig den Verstand zu verlieren. ,Was soll das?! Bin ich ein Masochist, oder warum habe ich ihr gesagt sie soll wieder bei mir schlafen?!' Als es den Anschein hatte, dass sie sich bereits wieder im Land der Träume befand, konnte er sich nicht länger zurückhalten und berührte ganz vorsichtig, nur wie zufällig ihre Haut und streichelte sanft darüber, wie ein leichter Wind. ,Ich habe mir das gerade eben nicht nur eingebildet, oder? Oh bitte, lass das jetzt nicht schon wieder nur ein Traum sein... Nein, dieses Mal wirst du keinen so dummen Fehler mehr machen. Du wirst dich jetzt nicht bewegen, bis du dir sicher bist, dass das nicht nur zufällig war. Ich meine, bei meinem Glück, falle ich über ihn her, während er schläft und keine Ahnung davon hat, was er alles in mir auslöst.' Misa war hellwach und wagte es inzwischen nicht mehr auch nur Atem zu holen, als sie spürte wie langsam seine Fingerspitzen über ihren Arm entlang strichen, bis hin zu ihrem Nacken, wo seine Hand zu liegen kam. Selbst ihre Selbstbeherrschung hatte irgendwann ihre Grenzen und so suchten auch bald ihre Finger ihren Weg über seinen Oberkörper. Entgeistert stellte er fest, dass offensichtlich nicht nur er unter gegeben Umständen schwer einschlafen konnte und was noch viel schlimmer war, dass seine Berührungen keineswegs unerwidert blieben. Als Misa merkte, wie er unwillkürlich unter ihr versteifte (Nein, nicht so!) und seine Hand zurückzog, beugte sie sich leicht über ihn. Ihre Augen, die ihm liebevoll und fragend zugleich entgegenblickten suchten die seinen und Kojiro verlor ein weiteres Mal die Kontrolle über seine Vernunft. Ohne noch einen weiteren Gedanken an Seijis Worte zu verschwenden, fuhr er mit dem Daumen ihre Wange bis zum Kinn entlang und beugte sich leicht nach vor. Zögernd küsste er sie sanft und hielt kurz inne, als sie zärtlich erwiderte, bevor sie den Kuss vertieften. Zaghaft schmiegte sie sich näher an ihn und ließ ohne sich auch nur einen Moment von ihm zu lösen ihre Finger ein weiteres Mal auf Wanderschaft gehen. Allerdings war sie nicht die einzige die vorsichtig begann den Körper den anderen zu erkunden, bis sie sich langsam voneinander trennten. Liebevoll betrachtete sie sein Gesicht und strich ihm leicht durch die Haare, als sie die Narbe auf seiner Stirn ein weiteres Mal wie in einem Bann gefangen hielt. Behutsam fuhr sie die feine Linie mit ihren Fingerspitzen nach und küsste sie sanft, ohne auch nur einen Moment daran zu denken, was das letzte Mal passiert war, als sie diese Stelle berührte. Augenblicklich spannten sich sämtliche Muskeln in seinem Körper an, während sein Atem und sein Herzschlag unkontrolliert schneller wurden. Kojiro konnte nicht verhindern, dass er leicht zu zittern begann, bevor er sie etwas unsanft von sich schob. Misa begriff erst jetzt was sie getan hatte. Das sie gegen das höchste, wenn auch unausgesprochene Gebot zwischen ihnen verstoßen hatte. Besorgt konnte sie nur mitansehen, wie er, anstatt sie wie das letzte Mal anzuschreien, nur die Beine an sich zog, sie wie zum Schutz fest umschlang und die Augen schloss. ,Mist! Wie konnte ich das nur vergessen?!' Den Mann, der sie vor allem beschützt hatte, der manchmal mehr Mut als Verstand zu besitzen schien und nun vor ihr auf Grund einer so kleinen Berührung wie ein verängstigtes Kind zitterte, so zu sehen und nichts dagegen tun zu können, brachte sie den Tränen nahe. "Kojiro, bitte...es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht...hörst du mich? Es...es tut mir so leid..." Doch es hatte den Anschein, als nähme er nichts mehr von seiner Umgebung wahr. Sie hatte etwas in ihm ausgelöst, was ihn ein weiteres Mal in eine andere Welt beförderte, die er schon längst hinter sich gelassen glaubte. Inzwischen konnte Misa die Tränen nicht mehr aufhalten und wagte es nicht ihn zu berühren, bevor er sich nicht beruhigt hatte. Als er wieder die Kontrolle über sich gewann und aus seinem tranceartigen Zustand erwachte, fühlte er sich so erbärmlich und gedemütigt, dass er sich so vor ihr hatte gehen lassen, bis er ihr leises Schluchzen hörte. Er war meist unberechenbar gewesen, wenn jemand auch nur versucht hatte, diese Narbe zu berühren und da er sich nicht daran erinnern konnte, was geschehen war, als ausgerechnet Misa es trotz allem gewagt hatte, beschlich ihn ein furchtbarer Verdacht. ,Was ist passiert? Warum weint sie?! Ich habe doch nicht....nein, ich würde ihr nie wehtun.' Aber Kojiro fand eigentlich nur eine Erklärung für ihre Tränen und doch konnte er sich nicht daran erinnern, sie in irgendeiner Art verletzt zu haben. "Misa...habe ich......ich habe dich doch nicht..." Unsicher sah er sie an, als sie ihn jedoch nur verwirrt anblickte und schnell die Tränen wegwischte, atmete er erleichtert auf und versuchte sich wieder ein wenig zu entspannen. Misa wäre ihm, als er zu sprechen begann am liebsten um den Hals gefallen. Doch sein Blick und seine Worte hielten sie zurück. "Was...was meinst du? Du hast nichts Falsches getan. Es war meine Schuld. Du hast mich schließlich schon einmal gewarnt. Ich hätte wissen müssen, dass diese Narbe ein absolutes Tabu für mich ist." Sie konnte sich zwar nicht erklären, was es damit auf sich hatte, aber sie wusste, dass diese eine tiefere Bedeutung für ihn haben musste. Etwas von dem er noch nicht geneigt war es ihr zu erzählen und ihn so reagieren ließ, wie gerade eben. Sie hatte ihm versprochen zu warten, bis er dazu bereit war sich ihr anzuvertrauen und sie würde den Teufel tun und dieses Versprechen brechen. Das Vertrauen, das er ihr inzwischen schenkte, war nur schwer genug gewesen aufzubauen. Kojiro wollte und konnte ihr nicht erwidern. Er rutschte stattdessen wieder zurück unter die Decke und rollte sich auf die Seite, um schnell einzuschlafen, während Misa ihn beobachtete, bis sein Atem immer regelmäßiger wurde und er in seinen Träumen versank, die ihn für dieses Mal nicht zur Ruhe kommen lassen würden. ,Was ist nur passiert? Was hat man dir nur angetan.....Wenn ich dir doch nur helfen könnte.' ~~~ "Diese Augen, ich kenne sie....Du! Was willst du hier?! Du bist tot! Das ist nicht möglich. Ich habe dich doch selbst..." Mein Körper war wie erstarrt, als ich die Person vor mir erkannte. Doch irgendwie schien es nicht wirklich, als wäre ich nur ein Zuschauer, als wäre ich gefangen in einem lang vergessenen Alptraum. Mein ganzer Körper zitterte und der Schweiß stand mir auf der Stirn, als ich meine Mutter erkannte, so wie ich sie in Erinnerung hatte. Genauso zierlich und zerbrechlich und ich selbst fühlte mich plötzlich wieder genauso hilflos wie damals, so hilflos wie ein kleines Kind. Mit aufgerissenen Augen konnte ich nur zusehen, was weiter geschehen würde. Der vor Angst bebende Körper meiner Mutter wich immer wieder einen Schritt zurück, sobald mein Vater drohend auf sie zutrat, bis der Abstand zwischen ihnen immer kleiner wurde und er die Hand erhob, die brutal ihr Ziel in ihrem Gesicht fand. Taumelnd suchte sie halt, bis sie gegen die Zimmerwand gepresst nicht weiter zurückweichen konnte und mit angstvoll zusammengekniffenen Augen den nächsten Schlag erwartete. Doch als er stattdessen nur süffisant vor sich hin lächelte, wagte sie es wieder aufzusehen und in das Gesicht ihres Peinigers zu blicken. Ihre geschwollene Wange auf der glitzernde Tränen ihre Spuren zogen, zeigte deutlich seinen Handabdruck und trotz allem schaffte sie es nun seinem Blick stand zu halten. Ihre Augen waren so voller Trauer und Schmerz, doch waren es plötzlich nicht mehr die meiner Mutter und auch mein Körper schien sich verändert zu haben. Diese plötzliche Wut in mir, dieser grenzenlose Hass... Es war, als könnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen, während ich meine zitternde Hand zur Faust ballte. Wie von selbst schien ich sie gegen die nun direkt vor mir schwankende Gestalt zu richten, dessen Gesicht ich plötzlich wieder erkannte und doch konnte ich mich selbst nicht stoppen, obwohl alles in mir schrie. ,Nein.....NEIN!!!!!! Misa.' , ~~~ "NEEIIIIIINNN!!!!!!!!!" Ein Schrei hallte durch das in der Stille ruhende Haus, der jeden der ihn hören konnte erschaudern ließen. Schweißgebadet rang Kojiro nach Atem und klammerte sich zitternd an die Bettdecke. Misa hatte vergeblich versucht ihn zu wecken, bis er mit einem markerschütternden Schrei von selbst ins Bewusstsein zurückfand und wie ein gehetztes Tier aufsprang, als er Misa neben sich entdeckte. ,Es tut mir so Leid.... es tut mir so Leid. Ich könnte dich doch niemals...niemals... Ich bin nicht wie er!' "Kojiro, es ist alles in Ordnung. Es war nur ein Alptraum." Erst jetzt schien er durch ihre Worte zu bemerken, wo er sich befand und nichts von alledem, was er geträumt hatte, geschehen war. Und trotzdem, dieses Gefühl, den Menschen, der ihm am meisten bedeutete geschlagen zu haben, wenn auch nur im Traum, machte ihn halb wahnsinnig. Er wagte es nicht einmal ihr in die Augen zu sehen. Wie gern Misa ihm auch helfen wollte, stieß sie ihn mit jedem Versuch ihm näher zu kommen, um ihn zu beruhigen, nur weiter von sich. Sie konnte nur hilflos zusehen, wie er vollkommen verzweifelt vor ihr die Flucht ergriff und aus dem Zimmer stürmte. Sooooo ein kleiner Einblick in Kojiros Psyche. Die Geschichte geht ab hier so langsam in die Tiefe. Zumindest hoffe ich, dass sich ein roter Faden durch die Handlung meiner Story zieht. Und zum Schluss noch ein super großes, liebes Dankeschön an Bettyna, ohne die ich schon längst nichts mehr hochgeladen hätte. Ich muss das hier schließlich mal öffentlich erwähnen, was für ein Goldschatz sie ist. Also DANKE! Oh und falls ich meine doofen Kommentare zwischendurch weglassen soll, dann sagt das bitte. Ich kann die auch ganz einfach rausnehmen. Besonders nachdem ich nach neuerlichem Korrekturlesen bemerkt habe, dass es für die Geschichte ein eher störendes Element ist. Kapitel 19: ------------ Teil 19 Erst als die Unruhe in ihm sich langsam zu legen begann und er aufhörte blindlings durch die Gegend zu laufen, erkannte er, wohin er sich geflüchtet hatte. ,Wieder dieser Park...ich lande wohl immer wieder hier.' Erschöpft und müde ließ er sich auf einer der Parkbänke nieder, die durch die Kälte der Jahreszeit, selbst von den Obdachlosen gemieden wurden. "Scheiße!" ,Ich hätte nicht so ausrasten dürfen. Schließlich war es war nur ein Traum, mehr nicht. Ich würde sie niemals schlagen. Niemals!...niemals....Ich würde an keine Frau jemals Hand anlegen. Du hattest unrecht, ich bin nicht so wie du.' Egal wie sehr er versuchte, seine Vergangenheit aus seinem Gedächtnis zu streichen, konnte er nicht verhindern, dass sie ihn immer wieder einholte, wie auch dieses Mal. Misa war der Schock noch deutlich ins Gesicht geschrieben, als sie sich aufraffte, um Kojiro zu suchen, der sich wieder weiß Gott wo befinden konnte. Am Haupteingang der Familie Matsuo, bemerkte sie, dass seine Schuhe und sein Mantel aus dem Schrank verschwunden waren. ,Nicht schon wieder, Kojiro. Warum läufst du nur immer weg.' Misa war mit ihren Nerven am Ende. Es war nun schon das zweite Mal in dieser Nacht, dass er sich völlig verstört vor ihr zurückgezogen hatte und jetzt war er auch noch verschwunden. Fertig angezogen, öffnete sie die Tür, bevor sie sie zögernd wieder schloss, als sie plötzlich Schritte hinter sich hörte. "Kojiro!" Wie ein Wirbelwind hatte sie sich umgedreht. Doch als sie ihren Fehler erkannte, senkte sie nur traurig den Blick. "Misa, was ist passiert?" Kira war durch einen unheimlichen Schrei aus seinem Schlaf gerissen worden und begann sich Sorgen zu machen, als er mehrfach seltsame Geräusche hören konnte, die aus der Richtung der Gästezimmer zu kommen schienen. Besorgt betrachtete er die Gestalt die ziemlich verloren im Eingang stand und sich an ihren Mantel klammerte. "Misa? Ist etwas mit Kojiro?" Als sie unmerklich zusammenzuckte und zu schniefen begann, bekam er das Gefühl genau ins Schwarze getroffen zu haben, obwohl er wohl lieber falsch gelegen hätte. Verzweifelt versuchte Misa sich zusammenzureißen und ihrer Stimme einen festen Klang zugeben, brachte jedoch gerade Mal ein leises Flüstern zustande. "Er ist weg. Ich glaube, es ist besser, wenn ich ihn dieses Mal nicht suche, nachdem er panisch vor mir davongelaufen ist. Ich würde ihn nur weiter vergraulen. Anscheinend mach ich alles falsch..." Tröstend nahm Kira sie in die Arme und drückte sie fest an sich, während sie die Tränen nun nicht mehr zurückhalten konnte und hemmungslos zu weinen begann. "Es ist gerade mal vier Uhr morgens. Du solltest wieder ins Bett gehen. Ich kümmere mich schon darum, versprochen!" Sie war sich zwar nicht sicher, ob das eine so gute Idee war und sie würde heute Nacht bestimmt keinen Schlaf mehr finden, aber es war immerhin besser, als Kojiro nach allem allein in der Dunkelheit herumirren zu lassen und stimmte so zaghaft seinem Vorschlag zu. #,Ich kann nicht mehr....nein, ich will nicht mehr. Warum schlägst du sie, warum tust du ihr weh?! Warum kannst du nicht endlich aufhören...' Der blonde Junge stürmt auf die Gestalt zu, die ohne ihn auch nur einmal zu beachten, auf die immer wieder vor Schmerzen aufschreiende Frau einschlägt. Mit aller Kraft versucht er sich an den Arm des kräftigen Mannes zu klammern, wird jedoch mit voller Gewalt von der Faust des mindestens doppelt so Großen getroffen und schlägt mit Wucht gegen die Tischkante. "Nein! Du hast es versprochen. Lass ihn in Ruhe! Er kann doch nichts dafür...bitte." Die Stimme der unter Tränen flehenden Frau ist panisch, als sie zusehen muss, wie sich ihr Sohn kaum noch auf den Beinen halten kann, während das Blut durch seine blonden Haare und seinen Hals entlang rinnt. Mit ganzer Kraft schlägt er auf den deutlich überlegenen Mann ein, den er Vater nennt. "Was willst du denn?! Hast du keine Angst vor mir? Wie mutig von deiner kleinen Missgeburt sich mit mir anlegen zu wollen." Mit einem sardonischen Lachen steht jener nur da, ohne sich auch nur einen Zentimeter zu regen, bis er weit ausholt und den nun nur noch verbissener kämpfenden Jungen mit einem einzigen Schlag zu Boden streckt. "Was denn, war das schon alles? Ziemlich erbärmlich. Findest du nicht?" Mit einer Hand zieht er ihn an den Haaren hoch, bis er von den Schmerzen überwältigt das Bewusstsein verliert und mit einem Tritt in die zitternden Arme seiner Mutter befördert wird. "Wenn er spielen will...Das kann er von mir aus haben."# ,Von da an hat sich alles geändert. Die Augen so kalt. So unendlich kalt, als wären sie tot. Ich werde diesen Blick nie vergessen. Wie sehr du mich doch verachtet haben musst...' "Dacht ich mir doch, dass ich dich hier finde. Na gut, ich gebe zu es war geraten, aber ich wusste nicht, wo ich sonst suchen hätte sollen. Also, was machst du hier mitten in der Nacht. Ich bin mir sicher der Park ist am Tag genauso schön." Genervt rollte Kojiro mit den Augen, als er aus seinen düsteren Gedanken gerissen wurde und machte keine Anstalten aufzustehen. ,Der Scherzkeks hat mir gerade noch gefehlt.' "Tu mir den Gefallen und such dir doch deinen eigenen Park. Wie du siehst, der hier ist besetzt." ,Oh, bissig! Am besten nicht anfassen.' Kira trat vorsichtshalber einen Schritt zurück, um vor dem offensichtlich recht saueren Kojiro einen kleinen Vorsprung zu haben, falls er jemanden suchte, an dem er seine Wut auslassen konnte. "Tut mir Leid, aber ich habe einem ziemlich verzweifelten Mädchen versprochen, dich nach Hause zu bringen." Bitter ließ Kojiro nun seinem Frust freien Lauf. "Welches Zuhause?! Hmpf... Misa sollte sich besser nach einem anderem umsehen, der nicht gleich wegen jedem Scheiß ausrastet. Am besten du kümmerst dich um sie. Sie wird deine Hilfe brauchen. Ich kann nichts mehr für sie tun. Ich habe sie schon viel zu weit in diesen ganzen scheißverdammten Mist reingeritten!" Kira wusste, dass ihrem rätselhaften Gast irgendetwas reichlich Kopfzerbrechen bereiten musste, aber er konnte sich keinen Reim darauf machen, was das Ganze mit Misa zu tun hatte. "Was meinst du damit?" "Vergiss es! Am besten ich verschwinde einfach, bevor ich alles noch schlimmer mache." Kira konnte oder wollte seinen Ohren nicht glauben, als Kojiro im mitteilte, dass er tatsächlich vorhatte einfach abzuhauen. "Das ist nicht dein Ernst, oder!? Du würdest es wirklich fertig bringen ihr das anzutun? Ich weiß ja nicht, was zwischen euch vorgefallen ist, aber das kann doch kein Grund sein, sie zu behandeln wie der letzte Dreck! Wegen dir heult sie sich gerade die Augen aus!... Du bist es doch gar nicht wert." Egal welch anziehende Wirkung Kojiro auf ihn haben mochte, hatte er nicht das Recht so mit den Gefühlen der Menschen umzuspringen. Wütend packte er ihn am Kragen und zog ihn zu sich hoch, bereit ihm Lektion zu erteilen. Doch Kojiros Augen machten ihn stutzig. Sie waren leicht gerötet und sprachen von Leid und einer Last, die er ansonsten so gut zu verbergen wusste. Verwirrt lockerte er seinen Griff und........küsste ihn. Im ersten Moment unfähig zu reagieren riss sich Kojiro im nächsten Augenblick entsetzt von Kira los und landete auf seinem Allerwertesten, als er nach hinten stolperte. Grinsend beugte sich Kira über den fassungslosen Mann, der ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. "Also, schwul bist du nicht. Eigentlich schade. Allerdings frage ich mich, warum du Misa dann immer wieder abblitzten lässt, wenn du sie schon so liebst. Und versuch jetzt nicht zu leugnen. Du bist nur schwer zu durchschauen, besonders wenn du solchen Mist wie vorhin laberst, aber deine Augen verraten dich." ,ER hat MICH ge...gekü..argh, von...von einem Mann mit.........mit Zunge! Er ist SCHWUL und er hat offensichtlich vermutet, ich wäre auch... Es ist das Aftershave... Ich sollte mich vielleicht auch nicht mehr so pingelig rasieren und einen männlichen drei Tage Bart stehen lassen...oder vielleicht liegt es an...' Kojiro war es im Moment ziemlich egal, was Kira sagte. Er war mit anderen Dingen beschäftigt. ,Ich sehe doch nicht schwul aus, oder?! Aber er sieht ja schließlich auch nicht so aus, als würde er jeden Tag über wehrlose Männer herfallen, eher über Frauen... Hey! Ich bin nicht wehrlos...' Als hätte Kira seine Gedanken erraten, wurde sein Grinsen noch breiter und ließ dabei dreist seinen Blick über Kojiro Körper wandern, der daraufhin seinen Mantel schloss und eng an sich zog. Misstrauisch musterte Kojiro ihn von oben bis unten und versuchte irgendein Anzeichen für Kiras Homosexualität zu entdecken, dass er vielleicht zuvor übersehen hatte. Aber da war nichts. Er redete, bewegte sich und vor allem zog sich an wie jeder andere auch. "Du bist schwul?" Die Frage hätte nicht dämlicher sein können, nachdem was soeben geschehen war, aber er war im Augenblick noch nicht fähig rational zu denken und außerdem war das das Einzige, was ihm gerade in den Sinn kam. "Nette Schlussfolgerung Sherlock. Ich denke, so nennt man das wohl. Aber behalt es für dich. Mein Vater hat immer noch keine Ahnung von seinem Glück. Immerhin kann er noch auf Enkelkinder von meiner Schwester hoffen, obwohl ich bei der Emanze nicht sicher bin, ob sie jemals heiraten und Kinder haben will. Tja, was für eine Enttäuschung... Du siehst blass aus. Wir sollten wirklich langsam zurück. Außerdem bin ich hundemüde." Kojiro konnte noch immer nicht fassen, dass der Mann, der Misa die ersten Tage so eindeutige Blicke zugeworfen hatte, schwul sein sollte. Doch mit den letzten Worten holte er ihn wieder aus seiner Erstarrung und ein mulmiges Gefühl machte sich in ihm breit. ,Wie soll ich ihr unter die Augen treten, so wie ich ausgeflippt bin. Sie muss mich doch für völlig plemplem halten. Ich darf auf keinen Fall noch weiter gehen. Ich bringe damit nur sie und auch mich selbst in Gefahr. Ich muss es ihr erklären. Ich muss ihr endlich die Wahrheit sagen, bevor sie es von selbst herausfindet. Damit bin ich sie dann wohl für immer los.' Misa wälzte sich unruhig von einer Seite zur anderen und versuchte noch ein paar Stunden Schlaf zu finden, was nicht so recht gelingen wollte, besonders da Kojiros Geruch noch überall an ihr zu hafteten schien und das Licht des Mondes, der hell in das Zimmer strahlte, sein übriges tat. Resigniert schlug sie die Bettdecke zurück und schlüpfte in ihre kuscheligen Pantoffeln. Mit einem Kerzenständer, die eigentlich überall zur Zierde rumstanden und für den sie nach ein wenig Herumstöbern in der Küche die Zünder gefunden hatte, erkundete sie das gigantische Gebäude im Alleingang. Ein riesiges kreisrundes Fenster durch das der Mond nun sein strahlendstes Licht warf, als wäre er zum greifen nahe, zog sie wie magisch an. Der überwältigende Raum lag im Obergeschoss des Hauses, direkt unter dem Dach. Anders wie die restlichen Zimmer war dieses sehr schlicht eingerichtet, doch die wenigen Möbel hatten ihren besonderen Glanz durch das milchige Licht des klaren Sternenhimmels. Wie verzaubert ging sie bewundernd durch das Zimmer, das sie in eine andere Welt entführte, bis sich unbewusst ein Lächeln über ihr Gesicht stahl, als sie sich einem großen verhüllten Gegenstand näherte. Misa erkannte an der Form nur allzu gut, was sich darunter verbarg. Zögernd näherte sie sich mit leisen Schritten und entfernte das Tuch mit einem kurzen Ruck. Noch während es zu Boden glitt, strich sie sachte mit den Fingern über das schwarze Klavier. ,Es ist schon lange her, das ich das letzte Mal gespielt habe. Zu lange. Aber das war der Preis für meine Freiheit. Ich wusste, ich würde die Musik aufgeben müssen, wenn ich von zu Hause weglaufe.' Wehmütig strich sie über die Tasten und spielte ein paar einfache Töne, bevor sie die Klappe vorsichtig schloss. ,Wieso sollte Kojiro mir auch erzählen, was mit ihm los ist, wenn ich selbst kein Wort herausbringe. Ich sollte mit meinem früheren Leben endlich abschließen, dann kannst du das vielleicht auch und hörst auf ständig vor mir davonzulaufen. Ich will mich nicht länger verstecken, nicht vor dir.' Misa hatte ihren Entschluss gefasst, doch bevor sie alles hinter sich lassen würde, wollte sie noch einmal die Musik hören, die Musik ihres Vaters. Das einzige, das ihr von ihrem richtigen Vater geblieben war, waren seine Notenblätter, die ihr ihre Mutter überreicht hatte, als sie begann Klavierunterricht zu nehmen. Sie hatte sie wie einen Schatz gehütet und stundenlang ohne Unterbrechung geübt, um dieses besondere Stück spielen zu können, dass er nur für seine Tochter geschrieben hatte, noch bevor sie geboren wurde. Ihre Hände zitterten leicht, als sie vorsichtig den Kerzenständer abstellte und einige Klänge versuchte. Noch einmal holte sie tief Luft und schloss die Augen, bevor ihre Finger wie von selbst über die schwarzen und weißen Tasten schwebten. Misa hatte es so oft geübt, dass sie es im Schlaf gekonnt hätte und daran änderte auch die monatelange Pause nichts. Sie würde nie auch nur eine Note davon vergessen, auch wenn sie nun, als mehr oder minder mittellose Obdachlose, nicht mehr spielen würde können. Das mulmige Gefühl in Kojiro wurde nun schon fast übermächtig und liebend gerne hätte er einfach umgedreht und Reißaus genommen. Stattdessen zwang er sich einen Schritt nach dem anderen weiter. ,Bist du nun ein Mann oder eine Maus?! Na also, stell dich nicht so an... Wenn ich es mir recht überlege, sind Mäuse doch auch ganz nett.' Er war kurz davor wieder zu verschwinden, als ihn Kiras aufmunternder Blick traf. ,Na wunderbar...vor dem werde ich jetzt nicht noch den Schwanz einziehen.' Mit einem leisen Knurren in Kiras Richtung betrat er letztendlich das Haus, als er leise Musik hören konnte. Verwirrt sahen sich beide an und auf Kojiros fragenden Blick zuckte Kira lediglich mit den Schultern. "Wer spielt den um diese Zeit Klavier?" Doch noch während unser Blondschopf seine Frage stellte, drängte sich ihm eine Vermutung auf, der er sogleich nachgehen wollte. Ohne ein weiteres Wort, folgte Kojiro den Klängen des Klaviers, die ihn immer weiter nach oben führte, bis hin zu dem Raum aus dem die Musik drang. Ihm stockte der Atem, als er vorsichtig die Tür öffnete. Im schwachen Schein der Kerze, die flackernd ihre Spuren zeichnete, saß ein feenhaftes Wesen, das sich mit geschlossenen Augen der wunderschönen Melodie hingab. Er wagte es kaum sich zu bewegen, geschweige denn sich ihr zu nähern, während sie vertieft in ihr Spiel alles um sich herum zu vergessen schien und lauschte stattdessen den leidenschaftlichen und zugleich traurigen Klängen, in denen er so viel Einsamkeit verborgen glaubte. Die Lichter und Schatten tanzten auf ihrer seidigen Haut, die nur durch ein einen Hauch von Stoff umschmeichelt wurde und durch das Mondlicht umgab sie selbst ein strahlendes Licht, als würde sie nicht in diese Welt gehören. Sie wirkte so zerbrechlich wie Glas, als könnte sie bei der kleinsten falschen Bewegung in tausend kleine Scherben zerspringen, was sein Vorhaben, ihr nun die ganze Wahrheit zu eröffnen, nicht gerade erleichterte. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen, schloss hinter sich die Tür und ging einen Schritt auf sie zu, als er auch schon wieder wie angewurzelt stehen blieb. "Das ist ein Stück von Lee Kurenai, meinem Vater. Er war Pianist und hat es mir geschenkt, da war meine Mutter gerade Mal mit mir Schwanger. Ich hab ihn leider nie kennengelernt. Er ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ein Freund meiner Mutter hat sich dann um uns gekümmert. Weißt du, warum ich dir das alles erzähle?" In diesem Augenblick wendete sie sich zum ersten Mal Kojiro zu, der nun neben sie getreten war und brach das Stück abrupt ab. Es war das erste Mal, dass Misa von ihrer Familie sprach und er konnte sich vorstellen, wie schwer es ihr fallen musste, da sie beide dem Thema so gut wie eben möglich auswichen. So konnte er sich auch nur schwer erklären, warum sie sich ihm nach allem was war, ausgerechnet jetzt anvertrauen wollte. "Ich kann nicht erwarten, dass du mir sagst was los ist, wenn ich selbst so viele Geheimnisse mit mir rumtrage. Ich möchte endlich meine Vergangenheit hinter mir lassen und neu anfangen... Mit dir." Kojiros Blick senkte sich bei ihren leise geflüsterten Worten zu Boden und er krallte seine Fingernägel schmerzhaft in seine Handflächen, während er sich wüst in Gedanken beschimpfte, dass er kein Wort herausbrachte, um endlich mit seinem Geständnis herauszurücken, bevor durch weitere Zeichen ihres grenzenlosen Vertrauens sein Selbsthass ins Unermessliche stieg. "Ich bin von zu Hause weggelaufen. Mein Vater, besser gesagt mein Adoptivvater, hat mich nachdem sich meine Mutter das Leben genommen hat, aus Angst, dass mir etwas passieren könnte, buchstäblich zu Hause eingesperrt. Zumindest habe ich mich so gefühlt. Er selbst war immer auf Geschäftsreisen, oder er blieb gleich in der Stadt, des Hauptsitzes seiner Firma. Die einzigen Menschen um mich herum, waren Dienstboten, Angestellte meines Vaters, oder mein Kindermädchen, die mir auf Schritt und Tritt gefolgt ist, damit mir auch nichts passiert. Du bist der erste der nicht nur bei mir geblieben ist, weil er dafür bezahlt wurde. Ich vertraue dir." Kojiro war inzwischen leichenblass, während sein schlechtes Gewissen ihn von innen heraus zu zerfressen schien. "Misa, tu das nicht. Du weißt nicht, wer ich bin. Was ich bin. Ich...ich bin ein...ein...." Grob raufte er sich die Haare und lief unruhig im Zimmer herum. ,Wie soll ich dir das nur beibringen...ich bin ein Arschloch, ein Dieb, ein Spion... sogar ein Mörder. Jemand wie du sollte sich gar nicht mit jemandem wie mir abgeben.' "Kojiro, ich weiß nicht, was früher war. Aber egal, was passiert ist, ich vertraue dir. Du bist im Moment der wichtigste Mensch in meinem Leben und ich weiß, du würdest mich nie absichtlich verletzten." Jedes ihrer Worte war wie ein Messerstich in sein Herz. Seine schlimmsten Erwartungen wurden gerade übertroffen, als sie ihn so offen und liebevoll anblickte, bereit ihm alles zu verzeihen, was er jemals getan hatte. Sie behielt Recht, denn so konnte er sie unmöglich verletzten, ob nun unabsichtlich oder nicht. Es würde sich wohl nicht mehr lange vermeiden lassen. Doch er brachte es einfach nicht über sich, ihr nachdem sie ihm ihr Leben wie ein offenes Buch darlegte, zu sagen, dass er wohl ihren schlimmsten Alptraum verkörperte. Stattdessen zog er Misa, die nun direkt vor im stand in seine Arme und drückte sie fest an sich, als wollte er sich jetzt schon für all den Kummer, den ihr noch bereiten würde, entschuldigen. "Kojiro?... Lauf bitte nicht mehr weg. Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ich dich verliere." ,...wenn ich dich verliere?... Du wirst mich zum Teufel wüschen. Und was dann?' Tja, und was dann? Das erfahrt ihr dann das nächste Mal.^^ Aber ich gebe euch ein kleines Stichwort: "Ball" Kapitel 20: ------------ Teil 20 Schon ungewöhnlich früh am Morgen herrschte im Hause Hinoto ein reges Treiben. In der gesamten Villa wurden von den Angestellten die Vorbereitungen für das Fest getroffen und alle huschten von einer Ecke in die nächste. Unter diesen Umständen wäre es wohl jedem schwer gefallen unbeeindruckt weiterzuschlafen und so wurden nach den ersten Klappergeräuschen aus der Küche und dem Festsaal selbst die nächtlichen Herumtreiber dazu gezwungen aufzustehen und sich dem Tag zu stellen. Hundemüde trotteten die drei zum Frühstückstisch und ließen sich auf ihre Sessel plumpsen, während ihnen die Augen zuzufallen drohten, nur um es sich gleich hier unter all dem Gewirr gemütlich zu machen und ein paar Minuten weiter zu schlummern. Herr Hinoto, der sein Frühstück mit Hikari bereits beendet hatte, fand das Verhalten der drei, die offensichtlich kaum Schlaf gefunden hatten, sehr suspekt. Doch das aufgeweckte kleine Mädchen schien das nicht im Geringsten zu stören. Aufgeregt wuselte sie um den Tisch herum, zupfte hier und da mal am Ärmel eines der Anwesenden und erwartete, dass sich jemand um sie kümmerte, nachdem ihre Spielkameraden endlich wach waren,...mehr oder weniger. Der nächtliche Ausflug und die Grübeleien hatten sie ihre letzten Reserven gekostet und so stocherte Misa lustlos in ihrem Essen herum, während Kojiro und Kira damit beschäftigt waren nicht nach vorne zu kippen und mit dem Kopf gegen die Tischplatte zu knallen. Besonders unser zerzauster Goldjunge, der bereits eine unangenehme Bekanntschaft mit der Härte des Tisches gemacht hatte, versuchte sich aufrecht zu halten und nicht lauthals loszugähnen. Kopfschüttelnd beobachtete Herr Hinoto die Szene und flüsterte einer eben vorbeihuschenden Angestellten zu, sie möge eine weitere Kanne Kaffee bereiten. "Darf ich fragen, was ihr gestern Nacht getrieben habt, oder will ich das gar nicht wissen? Ihr seht aus, wie schon mal gegessen." Durch die Bemerkung seines Vaters zeichnete sich auf Kiras Gesicht ein mattes Grinsen ab. "Heute so charmant? So kenne ich dich ja gar nicht." "In diesem Fall erlaube ich mir eine Ausnahme und solltest du heute schon mal einen Blick in den Spiegel gewagt haben, könntest du schlecht abstreiten, dass ihr nicht gerade taufrisch ausseht. Eher als hättet ihr die Nacht durchgemacht. Aber gut... Übrigens habt ihr auch diese Musik gehört? Ich bilde mir ein, dass jemand Klavier gespielt hat. Aber wahrscheinlich bin ich auch nur übermüdet. Die Vorbereitungen für das Fest haben mich in letzter Zeit völlig in Anspruch genommen." Verlegen strich sich Misa eine Haarsträhne, die ihr ins Gesicht hing nun zum hundertsten Mal hinter das Ohr, bis sie sich leicht räusperte und leise eine Entschuldigung vor sich hin nuschelte, von der die Anwesenden wohl nicht mehr als komisches Gemurmel, der in sich zusammengesunkenen Misa hören konnten und starrten zu müde für jede weitere Konversation Löcher in die Luft, während Hikari sich auf die Suche nach unterhaltsameren Dingen begab. Im Laufe des Tages nahm die Hektik immer weiter zu und steckte selbst unsere Rumtreiber an, die bisher seelenruhig dem Fest entgegengesehen hatten. Eilig huschte man durch die Gänge um dieses oder jenes zu besorgen und sich letztendlich selbst fertig zu machen, bevor die ersten Gäste eintrudelten. Natürlich waren die Haare in diesem speziellen Fall wieder eine besondere Herausforderung. Jedoch nicht nur wie man vermuten würde für eine Frau. Kira und Kojiro waren darauf bedacht den grauen Schatten in ihrem Gesicht, der sich bereits abzuzeichnen begann, zu entfernen, während bei letzterem Hikari hereinscheite. Diese suchte nun schon seit geraumer Zeit nach einer sinnvollen Beschäftigung. Doch nach einigen kleinen Fehlschlägen sich nützlich zu machen, hatten sämtliche Angestellte inzwischen panisch die Flucht ergriffen, sobald sie ihre Hilfe angeboten hatte und sei es nur beim Dekorieren der Tische gewesen. "Mir ist sooooooo laaaangweilig und die anderen schicken mich immer nur weg." Gestresst und mit den Gedanken an einem ganz anderen Ort, rollte er nur genervt die Augen, da die Kleine diesen Satz nun schon zum Hundertsten Mal wiederholte, sodass auch er langsam verstand, was sie ihm versuchte zu sagen. "Such dir doch jemanden zum Spielen, oder...ach, mach einfach irgendwas. Nur lass mich das nur schnell fertig machen." Trotzig und wütend schnaubend starrte sie böse auf seinen Rücken, da er sie nicht ein einziges Mal beachtet hatte, bis es ihr zu dumm war und sie auf eine Idee kam, wie sie der Langeweile Abhilfe schaffen konnte. Fertig mit Rasieren nahm er noch etwas von dem Rasierwasser, das geradezu höllisch auf seiner Haut brannte, als er das leichte Ziehen an seinem Bein bemerkte. Verwirrt sah er auf das kleine Anhängsel das sich wie ein Kletteraffe an sein Bein geklammert hatte. "Was machst du da?" "Ich mach dir eine neue Frisur." "Ja, ja...mach das." Gleichgültig wandte er sich wieder seinem Spiegelbild zu, bis ihn ihre Worte stutzig machten und er mir hochgezogener Augenbraue seine Haare betrachtete an denen sich nichts verändert zu haben schien. "Du machst was?" Dieses Mal sah er genauer hin und erkannte mit Entsetzten, was sie unter "neuer Frisur" verstand. Seine blonden Haare auf den Beinen waren mit rosa Schleifen und Spangen verziert, die vom Knie abwärts nach allen Richtungen standen und die sie zuvor noch selbst auf dem Kopf befestigt hatte. Doch das schlimmste waren die kleinen Gummiringe, die sie weiß Gott wo gefunden hatte und beim Entfernen bestimmt die Haare mit sich reißen würden. "Hi..Hikari, was ist DAS DA?!!!" Doch diese schaute ihn nur verständnislos an und bastelte weiter an ihrer kleinen Überraschung, während Kojiro sie abzuschütteln versuchte. Zu seinem Leidwesen wickelte sich die hartnäckige Klette, dabei nur enger an sein geschmücktes Bein und er war bereits kurz davor dieses Etwas unter die Dusche zu halten, um sein kleines Anhängsel buchstäblich abzuwaschen. Doch eben in diesem Moment kamen Misa und Kira herein, die wie angewurzelt im Türrahmen stehen blieben und sichtlich Mühe damit hatten bei dem Anblick von einem nur in Short bekleidetem, hinkenden Kojiro mit Hikari und rosa Barbie-Verzierungen am Bein, nicht loszuprusten. "KEIN Wort!" Die beiden nickten nur still und Misa biss sich fest auf die Lippen, um sich jede Bemerkung zu verkneifen. "Die Short steht...steht dir wirklich gut." Kam die trockene Antwort von Kira, während er auf seine Beine starrte und versuchte seiner Stimme einen todernsten Klang zu geben. Misa nickte nur bestätigend und schob Kira mit sich aus der Tür. Im selben Augenblick, als sich diese hinter ihnen schloss brachen sie in schallendes Gelächter aus, dass selbst nach fünf endlos langen Minuten nicht verstummen wollte. Wütend und mit hochrotem Kopf setzte sich Kojiro an den Badewannenrand und versuchte Hikaris liebevoll bereitete Verzierung von seinen Beinen zu lösen, während sie schmollend zusehen musste, wie er ihr kleines Kunstwerk zerstörte. Und als wäre das nicht genug, musste er auch noch mitanhören wie Kira zu witzeln begann, dass er sich vielleicht doch geirrt hatte und er noch gute Chancen bei ihm haben würde, wenn sich Kojiro für diese Art von Beinschmuck begeistern konnte. Mit weit aufgerissenen Augen stapfte er gleichmütig über seine leichte Bekleidung, die mehr zeigte, als sie verhüllte nach draußen. "Denk nicht mal dran!!! Misa, du hast gewusst, dass er...er....du weißt schon was ist?! ER ist über mich hergefallen und hat mich GEKÜSST!" Erst nachdem er es ausgesprochen hatte, erkannte er das kleine Geständnis gegenüber Misa, das eigentlich mit ins Grab nehmen wollte. Doch sein letzter Satz zeigte Wirkung, als Misas Lachen fast augenblicklich verstummte. "Er hat was?" Ihre Stimme war bedrohlich leise und ihren Augen blitze es gefährlich auf, als sie sich langsam zu Kira umdrehte, der bereits ein paar Schritte zurückgewichen war. "Es...es ist nicht so, wie du denkst. Nicht wahr, Kojiro? Ein Küsschen, ein kleines Küsschen unter Freunden, mehr war nicht. Ich schwör's. Ehrlich! Misa...ich..." Kojiro der sich nun entspannt zurücklehnte, begann die ganze Situation in vollen Zügen zu genießen. "Also, ich habe noch keinem meiner Freunde die Zunge in den Hals gesteckt." Er wusste genau, dass diese Bemerkung nur noch Salz in die Wunde streuen würde und das Fass zum überlaufen brachte. "Ein kleines Küsschen!!! Hä?!....." Mit einem breiten Grinsen legte Kojiro den Kopf schief und betrachtete wie Misa Kira regelrecht in den Boden stampfte, der um Verzeihung bettelnd schützend die Hände über den Kopf hielt, während sie mit allen möglichen Gegenständen nach ihm warf, bis er die Flucht ergriff, oder es zumindest versuchte. Weit würde er jedenfalls, mit dem Tempo, das Misa nun vorlegte, nicht kommen. Schließlich kam trotz einiger Pannen und peinlichen Augenblicken der große Moment. Kojiro fühlte sich in seinem schwarzen Anzug sichtlich unwohl und öffnete sogleich die obersten Knöpfe des weinroten Hemdes, durch das sich nur allzu deutlich seine Muskulatur abzeichnete, um seinem Auftreten ein nicht allzu gezwungenes Aussehen zu geben, während Kira nur neidvoll auf den, seiner Meinung nach, einfach nur göttlich wirkenden Kojiro blickte, dem es im Gegensatz zum Sohn des Hauses gestatten war legerer aufzutreten. Er musste sich mit der verhassten Fliege herumärgern, die ihm die Luft abzuschnüren drohte, was natürlich nicht ganz der Wahrheit entsprach, aber Kira neigte schon immer zu Übertreibungen. Was in manchen Fällen auch den Alkohol betraf und so begab er sich bereits jetzt an die Bar, um dieses formelle Fest zu überstehen, vor denen er sich schon immer erfolglos versucht hatte zu drücken. Nervös trat Kojiro von einem Fuß auf den anderen und hatte Mühe Hikari davon abzuhalten die Strumpfhose vor allen Leuten auszuziehen. "Aber es juckt so." Dabei kratzte sie sich an einigen Stellen von denen ein anständiges Mädchen in der Öffentlichkeit wohl besser die Finger ließ. Genervt zog er sie in eine stillere Ecke des Raumes und half ihr sich von dem engen Ungetüm zu befreien, das er unauffällig in einem der Blumentöpfe entsorgte. Langsam aber sicher wurde er ungeduldig. Er hatte zwar schon davon gehört, dass Frauen meist länger, als Männer brauchten, um sich für ein derartiges Ereignis fertig zu machen, doch würde ihn Misa noch länger warten lassen, würde er sie höchstpersönlich aus ihrem Zimmer schleifen und heruntertragen. Wenn man schon von ihm forderte sich in der gehobeneren Gesellschaft zu bewegen, in der er sich mehr als unsicher fühlte, wäre es, wie er fand, nicht zu viel verlangt, ihn wenigstens nicht alleine dieser ungewohnten Situation auszusetzen. Nachdem er Hikari der Obhut von Herrn Hinoto übertrug, machte er sich auf den Weg zu seiner verschollenen Begleiterin, die er nach dem kleinen Zwischenfall nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Doch als er an ihrer Zimmertür klopfte und nachdem keine Reaktion erfolgt war, einen Spalt hineinlugte, war sie nirgends zu finden. ,Wahrscheinlich habe ich sie auf dem Weg hierher verpasst.', versuchte er sich selbst zu beruhigen und fragte nichts desto Trotz jeden Angestellten, der ihm zufällig begegnete, ob er Misa vielleicht irgendwo gesehen hatte. Erleichtert und wütend zugleich hörte er von einer der bediensteten Haushälterinnen, dass sie sie vor kurzem ihm Garten gesehen habe und das sie besorgt sei, dass sie sich erkälten werde, wenn sie in dieser leichten Bekleidung draußen stehen würde. Schon bei den ersten Schritten durch die sternklare Nacht, schlug ihm der eisige Wind des Winters entgegen. Es roch nach Schnee und als er nach oben blickte, tanzten vereinzelt die von der Beleuchtung erhellten Schneeflocken vom Himmel. ,Wenn du glaubst, ich werde dein Bett hüten, wenn du dann krank im Bett liegst, hast du dich geschnitten. Bei den Temperaturen ohne Mantel nach draußen gehen, ist doch blanker Wahnsinn.' Je kälter ihm selbst wurde, umso besorgter wurde er um Misa, die sich hier irgendwo befinden musste, jedoch nicht einmal auf sein Rufen antwortete und langsam beschlich ihn eine andere Angst, an die er noch nicht einmal wagte zu denken. ,Seiji.' Doch plötzlich hörte er hinter sich eine ihm nur allzu vertraute Stimme, die ihn davon abhielt panisch herumzulaufen, um sie zu suchen und ließ ihn herumwirbeln, nur um seine Sorge sogleich durch den atemberaubenden Anblick zu vergessen. "Ist es nicht wunderschön? Die Schneeflocken sehen aus, wie kleine Sterne die vom Himmel fallen." "Ja...wunderschön." Auf einem der breiten Brückengeländer stand Misa mit ausgestreckten Armen da, dem Wind trotzend, während die Schleier des Kleides, die von ihrem Rücken entlang zu ihren Händen führten, wirkten wie die ausgebreitete Flügel eines Engels. Durch den fallenden Schnee umgab sie ein Glitzern, das aussah, als würden die Sterne vom Himmel regnen. Eine himmlische Erscheinung, unwirklich und wunderschön. "Ich wünschte, ich könnte fliegen. Bis zu den Sternen und wieder zurück." Noch immer unfähig sich von dem Anblick loszureißen, kam er zögernd näher. "Ich habe dich überall gesucht." Lächelnd drehte sie sich um und ließ dabei ihre Arme sinken. "Und du hast mich gefunden...Jetzt musst du mich nur noch fangen." Seufzend schüttelte er nur den Kopf und bot ihr die Hand an, um ihr herunterzuhelfen. Doch anstatt seine Hand zu ergreifen, schloss sie die Augen und breitete ein weiteres Mal ihre Arme aus. "Misa..." Doch sein warnender Aufschrei, als er bemerkte, was sie vorhatte kam zu spät. Gerade noch rechtzeitig umklammerte er sie, als sie sich fallen ließ und sich dabei um seinen Hals schlang. Taumelnd versuchte er sein Gleichgewicht wieder zu finden und atmete erleichtert auf, als er sie unversehrt in seinen Armen hielt. "Bist du verrückt?! Wenn ich dich nicht rechtzeitig aufgefangen..." Doch noch bevor er weiter sprechen konnte, versiegelte sie seinen Mund mit ihren Lippen und kuschelte sich eng an ihn. Erst jetzt bemerkte sie, wie kalt ihr inzwischen geworden war und schlang ihre Arme unter seinem Jackett um seine Taille. "Ich wusste doch, du würdest mich nicht fallen lassen. Sei nicht böse. Ich verspreche auch ganz brav zu sein. Die Finger vom Alkohol zu lassen und nicht auf einem der Tische zu strippen." Mit einem breiten Grinsen vergrub er seinen Kopf in ihrer Halsbeuge und zog sie enger an sich, um ihr ein wenig Wärme abzugeben. Auch wenn er es noch so hasste, wie sie ihn einfach so um den Finger wickeln konnte, er schaffte es einfach nicht ihr lange böse zu sein. ,Hm.....aber vielleicht sollte ich doch ein bisschen schmollen. Das könnte interessant werden.' Dabei ließ er unauffällig seinen Blick ein wenig tiefer wandern (und begutachtete natürlich nur das schöne Ballkleid...). Kiras getrübter Blick ruhte auf seinem bereits zum vierten Mal gelehrten Glas und deutete dem Kellner an ihm ein weiteres Mal einzuschenken. Wie sehr er diese Veranstaltungen hasste! Aber er würde seinen Vater schon noch dazu bringen ihn von derartigen Festen zu entbinden und sei es auf diese schwachköpfige Art und Weise, sich zu betrinken. Die eindeutige Warnung seines Vaters sich dieses Mal doch bitte zu benehmen, war geradezu eine Einladung dafür. Mit dem Ziel vor Augen sich für immer von derartigen Verpflichtungen zu befreien, da er in diesem Zustand unmöglich der feinen Gesellschaft zuzumuten wäre, leerte er sein Glas in nur einem Zug. Mit seinem Jackett um die Schultern gelegt betrat Misa mit dem zögernden Kojiro den festlich geschmückten Raum in dem das Bankett schon in vollem Gange war. Unentschlossen blieb er in der Vorhalle stehen und atmete noch einmal tief durch, bis Misa seine Hand ergriff und sie kurz drückte. Flüchtig küsste sie ihn auf seine Fingerknöchel, zog ihn zu sich und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Es war beinahe unmöglich dieses nicht zu erwidern und so ließ er sich, wenn auch ein wenig unfreiwillig, weiterziehen. Der Saal war schlicht und einfach atemberaubend. Kronleuchter die von der Decke hingen spendeten ein sanftes Licht, das das besondere Ambiente nur noch mehr unterstützte. Die Fensterreihe die sich über sie gesamte östliche Seite erstreckte, spiegelte die tanzenden Paare, die mit ihrer festlichen Kleidung über den Bankettboden schwebten wieder, während ein eigenes kleines Ensemble die entsprechende Musik dazu spielte. Der ganze Saal wirkte irgendwie verzaubert, wie aus einem Märchen. Misa strahlte bei dem Anblick über das ganze Gesicht und wurde richtig zappelig. Inzwischen schleifte sie Kojiro schon fast hinter sich her, der Mühe hatte noch mit ihr Schritt zuhalten. Ihre Augen glänzten, als sie sich zu ihm umdrehte und ihm einen Hundeblick zuwarf, bei dem auch Kojiro seine liebe Not hatte diesem zu widerstehen. "Bitte....biiiiiittttteeeeeeee tanz mit mir. Nur einmal,...falls es dir dann nicht gefällt." Kojiro hätte sich am liebsten irgendwo verkrochen. Er hatte inständig gehofft, dass es irgendeine Möglichkeit gäbe mit der er dem Ganzen entgehen konnte. Es war ihm mehr als peinlich es zugeben zu müssen, aber er hatte bisher noch kein einziges Mal getanzt und es daher auch nie gelernt. Hastig zog er sie zur Seite und flüsterte ihr leise etwas ins Ohr, damit nur sie es hören konnte. "Du hast noch nie? Wirklich noch nie..." Ungläubig sah sie ihn aus großen Augen an, musste aber gleich darauf lächeln, als er verlegen den Kopf zur Seite drehte, um ihrem Blick zu entgehen. "Dann werde ich unserem Debütanten mal seine erste Tanzstunde geben. Stell dir einfach vor, es ginge um Kampfsport. Takeru hat dein Talent für die koordinierten Bewegungen (!!! Ich verkneif mir jetzt besser jede Bemerkung dazu... Eigeninterpretationen erlaubt.) bereits in den Himmel gelobt. Keine Sorge, es ist nicht so schwer, wie es aussieht." Damit zog sie ihn in eine ruhigere Ecke, hob ihr Kleid ein Stück weit an und zeigte ihm die Schritte, die er nachmachen sollte. "Ich kann doch nicht....hier vor den ganzen Leuten..." Doch Widerstand war zwecklos nachdem Misa sich etwas in den Kopf gesetzt hatte und so folgte er widerwillig ihren Anweisungen. Hikari fing langsam an sich unter all den meist einschläfernden Gästen zu langweilen und nutze einen unbeobachteten Moment Herrn Hinotos aus, um sich aus dem Staub zu machen und Kojiro und Misa zu suchen, die sich schon eine Weile nicht blicken haben lassen. Schnell hob sie die weiße Tischdecke, schlüpfte unter einen der Tische des Büffets und krabbelte bis an das andere Ende des mindestens 15 Meter langen Unterschlupfs. Dort angekommen wagte sie sich aus ihrem Versteck hervor und stellte erleichtert fest, dass sie wenigstens Kira gefunden hatte, der ihrer Meinung nach bestimmt wusste, wo sich die beiden aufhielten. "Kira....Kiiirrraaaaa!!!" Doch dieser drehte nur ein paar Runden um sich selbst, kam jedoch wieder zum Stillstand, als er niemanden erkennen konnte, der seinen Namen rief und wollte sich bereits wieder seinem hochprozentigem Whiskey widmen, bis Hikari ungeduldig an seinem Hosenbein zupfte. "Hmmm....? ach, du bissss ja ein...richtiga Gartenswerg." Das hätte er besser nicht gesagt, denn so kassierte er sich prompt einen Tritt gegen sein Schienbein. "Ich bin überhaupt kein Zwerg! Du bist gemein! Ich will zu Misa und Kojiro." Schwankend rieb er sich sein schmerzendes Schienbein und versuchte seinen Blick zu klären. "Bisss ja...ein kräftiga kleina Swerg. Abba von mir ausss...such ich halt unsre Turteltäubchn." Kopfschüttelnd nahm sie den sich sehr merkwürdig verhaltenden Kira an der Hand, dem es offensichtlich schwer fiel geradeaus zu gehen. ,Erwachsene sind manchmal richtig komisch.' Doch tatsächlich fanden sie nach kurzer Zeit das zurückgezogene Paar in einer Seitennische. Kojiro der zu sehr darin vertieft war auf seine Füße zu achten, um die ihrigen nicht zu zertrampeln, bemerkte die beiden erst, als er und Misa dank seiner schwungvollen Führung dabei waren mit den beiden anderen zu kollidieren. Im letzten Moment riss er Misa herum, ließ dabei jedoch ihre Hand los, wodurch sie noch ein paar Meter weiter durch den Raum wirbelte, bis sie etwas blass im Gesicht zum Stehen kam und sich in den nächsten Sessel, den sie in ihrer Nähe finden konnte, fallen ließ. "Koji...ro....ich ....ich glaube,...der Vergleich mit dem Kampfsport...war doch keine so gute Idee.... Ich glaub, mir ist schlecht." Kira kriegte sich vor Lachen nicht mehr ein, während Kojiro rot wie eine Tomate mit hängendem Schultern und eingezogenem Kopf dastand und sich verlegen durch die Haare fuhr. "Ich hab doch gesagt, dass ich es nicht kann!" Heftig nickend bestätigte ihn Kira auch noch, als sich plötzlich sein Gesichtsausdruck schlagartig änderte und er wie hypnotisiert auf einen bestimmten Körperteil Kojiros starrte. "Oh, wasss für'n Prachtexemplar. Das is mein Hintern. Mein abssssoluta...Traumhintern. Den würd ich nur suu gern ma..." Wie von der Tarantel gestochen sprang Misa von ihrem Stuhl hoch, packte Kojiros Rückseite, der es noch immer nicht ganz fassen konnte, als Kira mit beiden Händen die Formen seinen Allerwertesten nachahmte, und drehte ihn um. Dabei verdeckte sie so gut es ging mit ihrem eigenen Körper jede weitere Sicht auf besagten Körperteil. "Wag es ja nicht Kojiro anzufassen! Das ist MEIN Hintern, verstanden!" Zuerst über den Beistand den Misa ihm in dieser prekären Situation gab erfreut, war er nach ihrem plötzlichen Anspruch einfach nur sprachlos, während seine Wangen nur noch mehr zu glühen begannen. "Och....jetz sei doch nich sooo....du kriegst ihn ja wieda...." Wäre Kira nicht betrunken gewesen, hätte er es bestimmt niemals gewagt ihr ein derartiges Angebot zu machen, geschweige denn in Kojiros Gegenwart über seinen Traumhintern zu diskutieren. Besitzergreifend schlang Misa ihre Arme um Kojiro und drückte sich damit nur noch fester an ihn. "Das ist MEEEIIIIINNNN Kojiro, also auch mein Hintern. Du kannst von Glück reden, dass du nicht mehr zurechnungsfähig bist, sonst würd ich dir einen Knoten in deinen...hmpf..mhph..." Noch gerade rechtzeitig stoppte Kojiro Misas Redefluss, bevor sie sich vor der kleinen Hikari, die die ganze Szene mit neugierigem Interesse verfolgt hatte, für diverse Ausdrücke rechtfertigen musste. Inzwischen bemerkte auch Misa, dass sie regelrecht angestarrt wurden und ein leises Kichern und Tuscheln von allen Seiten zu hören war. "Du machst ihm einen Knoten in seinen was?" Gibt es etwas besseres, als die unschuldige Frage eines Kindes? "Häähääämmm...In..........seinen... Finger?", gab Misa sich verlegen räuspernd, die kinderfreundlichste Antwort, die ihr in diesem Augenblick einfiel. Auch wenn sie zuvor an etwas anderes gedacht hatte. (Ich weiß von nichts...) Hikari gab sich mit einem Schulterzucken mit der Antwort zufrieden und hüpfte auf die Tanzfläche, während Misa aus Scham auf Minimalgröße zusammengeschrumpft war und Kira Anstalten machte in einen der herumstehenden Blumentöpfe zu pinkeln. Entsetzt und mit angewiderter Miene verzogen sich nun auch die letzten Schaulustigen, als der junge Herr von einem ihnen unbekannten schwarzhaarigen Mann auf die Toilette gezerrt wurde. "Manchmal bist du einfach nur peinlich, weißt du das? Du kannst froh sein, dass du einen Freund wie mich hast. Ein Wunder, das dich dein Vater nicht schon längst enterbt hat." "Blablabla...wass hab ich denn schon gemacht? Du verstehst einfach keinen Spaß mehr, Takeru. Du biss manchma soooo...so alt." "Du kannst einem so richtig auf die Nerven gehen. Aber wir reden später. Im Moment ist es wahrscheinlich besser, du bleibst für eine Weile hier auf der Toilette und siehst zu, dass du wieder nüchtern wirst." Damit ließ er ihn über eines der Waschbecken gebeugt stehen, bevor er sich noch mehr über sein mehr als pubertäres Verhalten ärgern musste. "Von wegen...du und mein Alter...ihr werdet mich...mich kennen lernen...genau..." Eine Federboa um ihren Hals geschlungen kam eine wunderschöne Frau mit hochgesteckten rot-braun schimmerndem Haar die Treppen herunter und wedelte damit auffordernd Herrn Hinoto zu. Seine übrigen Gäste vergessend eilte er auf den Inbegriff von Sinnlichkeit zu, der sich ihm darbot und begrüßte den Neuankömmling mit einem innigen Kuss. "Atemberaubend wie immer. Ich dachte schon, ihr schafft es nicht mehr. Wo ist eigentlich Seira?" Mit einem leichten Nicken deutete diese nur zur Tanzfläche und musste ebenso wie ihr Mann unwillkürlich über gebotenem Anblick Lachen. Ihre gemeinsame Tochter jagte ihrer neuen Eroberung über die gesamte Tanzfläche nach, während dieser verzweifelt versuchte zu flüchten und nach dem nächsten Ausgang suchte. "Sie hat sich kein bisschen verändert." Stellte Herr Hinoto mit einem breiten Grinsen fest, als er mit seinem Blick dem schreienden Mann folgte, der sich nachdem er in die Ecke getrieben wurde flehend aus ihrem eisernen Griff winden wollte. "Ich nehme an, kein Mann lässt sich gerne von seiner Freundin über die Tanzfläche schleudern. Aber sie besteht darauf beim Tanzen zu führen und immerhin hat dieser schon zwei Wochen halbwegs unbeschadet überstanden. Ob ich das nach diesem Abend auch noch sagen kann, bezweifle ich stark. Ich sollte ihr wirklich beibringen sich ein wenig...damenhafter zu benehmen." Mit einem leicht zweifelnden Blick stimmte Herr Hinoto den Worten seiner Frau zu. "Tja, viel Erfolg." Kopfschüttelnd fand Takeru seinen langjährigen Schüler sturzbesoffen über einen der Tresen gelehnt, als er schwankend versuchte an der Wand abgestützt halbwegs geradeaus zu gehen, scheiterte jedoch kläglich, als er Gefahr lief gegen einen der Pilaster zu rennen. Seufzend hielt ihn Takeru an der Schulter fest und dirigierte ihn um den Wandpfeiler herum, bevor er ihn unterm Arm fasste, damit er sich auf ihn stützen konnte. "Du kannst es einfach nicht lassen, oder?! Du bist nun mal der Sohn einer sehr angesehenen Familie. Da ist deine Anwesenheit nun mal Pflicht. Das müsstest du eigentlich langsam wissen. Also komm schon und reiß dich zusammen." Kira konnte nur noch einige Fetzen von dem was Takeru gerade gesagt hatte auffangen, aber es war ihm auch relativ egal. Außerdem kannte er seine Standpauken zur genüge. Obwohl er gerade mal ein paar Jahre älter als er war, war Takeru immer so wahnsinnig vernünftig, dass es ihn manchmal zur Weißglut brachte. Aber im Moment war er ohnehin mit anderen Dingen beschäftigt, als sich darüber zu ärgern. Schließlich war es für ihn gerade eine der größten Herausforderungen einen Fuß vor den anderen zu setzten und nicht über selbige zu stolpern, oder seinen Mageninhalt auf einer der anwesenden Damen zu entleeren. "Was hältst du von ein bisschen frischer Luft? Deiner Fahne nach, hast du es mehr als nötig." "..und was....wenn ich nicht.....will? Hä? Es geht mir.....hicks,...aus...gezeichnet. Seit...seit wann...hast du eigentlich grüne Augen? Meine Katze hatte auch grüne Augen...nur die...die war irgendwann mal ganz platt. Überfahren, schätzte ich. Nein,...nein du bist nicht meine Katze...Muschi?....Muschi?.....ich suche meine Katze......hat jemand...meine Katze gesehen?" Am liebsten hätte Takeru ihn jetzt einfach unauffällig in einer Ecke abgestellt und sich aus dem Staub gemacht. Er wusste genau, dass er niemals eine Katze namens "Muschi" hatte, sondern sich aus Trotz wieder einmal aufführen musste, wie der größte Vollidiot. Gerade als Kira wieder losschreien wollte, hielt ihm Takeru schnell den Mund zu und zerrte ihn unsanft nach draußen. Dort stieß er ihn grob in eine Ecke und ließ ihn zu Boden fallen. "Verdammt noch mal! Du benimmst dich wie ein Baby! Du weißt, wie viel deinem Vater dieses Fest bedeutet, also hör auf dich wie ein Idiot zu verhalten! Das bist nämlich nicht...normaler Weise. Aber wahrscheinlich verschwende ich nur meine Zeit." Beeindruckt starrte Kira ihn mir großen Augen an. So energisch und wütend hatte er ihn in all den Jahren, wenn denn überhaupt, selten erlebt. Seine tatsächlich grünen Augen, die unter den blau-schwarzen Haaren besonders hervorstachen funkelten gefährlich und boten einen herrlichen Kontrast zu den ansonsten so weichen Gesichtszügen, bevor dieser sich über das Geländer beugte und ihn keines Blickes mehr würdigte. "Es...es tut mir leid. Takeru?...danke." Unmerklich schielte dieser noch immer mit den Rücken zu Kira gewandt auf das kleine Häufchen Elend, das am Boden kauerte und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. ,Geht doch.' ,Nein, das kann doch nicht sein!' Mit Besorgnis beobachtete Herr Hinoto wie seine Frau weiß wie ein Wand wurde, während das Glas Sekt aus ihren Händen rutschte und sie wie gebannt auf die tanzenden Paare starrte. In Mitten des Getümmels schien etwas ihre besondere Aufmerksamkeit zu erregen, doch wie sehr er sich auch bemühte zu sehen, was sie sah, konnte er nichts Bedenkliches erkennen. ,Ein Schatten, es war nur ein Schatten. Jetzt sehe ich schon Gespenster... Akiko ist tot.' Doch ein weiteres Mal zeigte sich unter all den unbekannten Gesichtern eines das ihr viele Nächte den Schlaf geraubt hatte. "Wer ist diese Frau mit dem roten Kleid und dem braunen Haaren? Kennst du sie?" Ihre Stimme zitterte leicht, als sie hastig nach dem Arm ihres Mannes fasste. Erstaunt folgte er ihrem Blick und blieb an besagter Frau haften. "Oh, ich habe dir von ihr erzählt. Das ist das Mädchen von dem Unfall. Daneben der junge Mann mit dem kleinen Mädchen auf dem Arm ist ihr Freund." "Das sind also die drei, die du bei uns aufgenommen hast. Ich würde sie gerne kennen lernen." ,Sie sieht ihr so erschreckend ähnlich. Ich dachte schon...Wie dumm von mir.' Mit noch immer wackligen Knien folgte sie ihrem Mann und gesellte sich zu der kleinen Gruppe. Trotz dieses mulmigen Gefühls in der Magengegend, stellte sie sich mit ihrem charmantesten Lächeln vor. "Kaori Hinoto. Sehr erfreut." Mit einer leichten Handbewegung wandte sich Herr Hinoto an seine Gäste und stellte sie nacheinander vor. "Kojiro Asano mit unserer kleinen Hikari und das ist Misato Kurenai." Mit einem Schlag wich alles Blut aus Frau Hinotos Gesicht, während sie ein paar Schritt rückwärts taumelte und nach Halt suchte. "Schatz, ist alles in Ordnung. Du bist so blass. Vielleicht solltest du dich einen Moment hinlegen. Die Reise war sehr anstrengend. Ich bringe dich besser auf dein Zimmer." Ohne auch nur ein einziges Mal ihren Blick von den besorgten Augen des Mädchens abzuwenden, nickte sie zaghaft und ergriff seinen dargebotenen Arm, um sich nach oben führen zu lassen. "Du hast Recht. Es war wohl alles ein bisschen viel." Sooo das war wie versprochen der Ball. Ich hoffe, ihr hattet euren Spaß. Ich habe es auf jeden Fall geliebt dieses Kapitel zu schreiben. Und die Szene mit dem Hintern ist hähämm... beinahe autobiographisch. Nur leider vor meiner ganzen Familie als Publikum und einer Freundin, die meinen Hintern für sich beansprucht hat, um diesen aufdringlichen Typen loszuwerden. Zu sagen, dass mir das Ganze unheimlich peinlich war, wäre nur "leicht" untertrieben... Oh und die Szene mit der Katze "Muschi" wurde von dem Film Boomerang inspiriert. Eine immer wieder lustige Szene in diesem Film. Zur Schlussszene kann ich nur sagen, dass sich hier mal wieder etwas anbahnt. Mehr will ich dazu nicht verraten. Kapitel 21: ------------ Ich dachte, ich bin so nett und lade gleich mal das neue Kapitel hoch, bevor ich nach Hause fahre und hoffentlich das Wochenende genießen werde. Teil 21 "Mach dich doch nicht so schwer! Ich dachte, du wärst wieder halbwegs nüchtern! Wenn ich dich schon die Stufen hochschleppen muss, kannst du wenigstens ein bisschen mithelfen." Nachdem Kira kaum im Stande war sich auf den Beinen zu halten, musste Takeru wohl oder übel als Packesel herhalten, um die Fracht nach oben zu befördern. Doch kurz vor seinem Zimmer angekommen, stellte dieser sich quer und ließ sich zu Boden sinken. "Ich komm schon allein zurecht. Wer trinken kann, muss auch mit den Folgen rechnen. Nicht wahr?" "Tja, mit deinem Kopf möchte ich morgen auch nicht aufwachen, aber...Kira?" Gerade als er ihm ein weiteres Mal hochhelfen wollte, verwandelte sich sein aufmunterndes Lächeln in eine besorgte Miene, als sein Freund leise aufschluchzte. Das Gesicht in seinen Armen vergraben, während er am ganzen Körper leicht zitterte, kauerte er auf dem Boden, als wollte er sich vor aller Welt verstecken. Takeru sah sich der ganzen Situation völlig hilflos gegenüber. Mit einem peinlichen, tobenden, ja selbst mit einem betrunkenen Kira wusste er umzugehen, aber diesen Menschen nun in Tränen aufgelöst zu sehen, darauf war er nicht vorbereitet. Zögernd wollte er ihm ein paar Strähnen aus dem tränennassen Gesicht streichen, als seine Hand auch schon weggeschlagen wurde und eine fast flehende Stimme ihn bat zu verschwinden. "Kira, was..." "Hau ab...verschwinde endlich!" Unbeirrt hob er ihn trotz der Anstrengung behutsam auf seine Arme und trug ihn den Rest des Weges bis auf sein Zimmer, wo er ihn vorsichtig am Bett absetzte. Takeru hatte erwartet, dass er sich dagegen wehren würde, doch stattdessen blieb er ganz ruhig und vergrub sich sobald er losgelassen wurde in seinem Kissen. Unschlüssig blieb Takeru im Zimmer stehen und beobachtete besorgt den sich heftig schüttelnden Köper. Derart verzweifelt hatte er ihn wahrhaftig noch nie gesehen und der Grund dafür konnte unmöglich nur am Alkohol liegen. Vorsichtig setzte er sich neben ihn und legte dabei behutsam eine Hand auf seine Schulter, bis das Schluchzen leiser wurde. "Kira, was auch immer es ist, du kannst es mir doch sagen." Doch dieser schüttelte nur leicht seinen Kopf und krallte sich fester in sein Kissen. "Vertraust du mir nicht?", fragte er traurig mit seiner beruhigend tiefen Stimme. "Doch......... Du hattest wie immer Recht... Ich bin ein Idiot... wie konnte ich mich...vor all den Leuten nur so gehen lassen?! Spätestens morgen... weiß mein Vater, dass ich...ich..." Stockend presste er die Worte hervor, bevor er sich wieder tiefer in sein Kissen vergrub und langsam ging Takeru ein Licht auf. Die Szene mit Kojiro hatte er aus einiger Entfernung beobachtet und durch die dementsprechende Lautstärke von Misas gebrüllter Drohung teilweise auch mitanhören können. "...dass du auf Männer stehst?" Augenblicklich richtete sich Kira auf und starrte ihn aus verheulten Augen an. "Du...du hast es gesehen?!" Doch Takeru lächelte ihm nur beruhigend zu und wischte ihm ein paar Tränen aus dem Gesicht. "Ja, aber ich hab es schon vorher gewusst. Mach dir keine Gedanken und ruh dich aus. Wir reden morgen." Damit ließ er einen völlig entgeisterten Kira zurück, der ihm fassungslos hinterher sah. "Na komm schon! Du kannst doch nicht mal mehr selber gehen. Kojiro bringt dich jetzt nach oben und wir gehen auch gleich schlafen." Trotz der späten Stunde, der bereits zugefallenen Augenlieder und Misas tröstender Worte, wollte sich Hikari strikt weigern ins Bett zugehen. "...mhm ..h.. will aber gar nicht schlafen....bin noch gar nicht müde......will...." Doch während Kojiro das wandelnde Traummännchen auf sein Zimmer trug, schlummerte sie auch schon durch das leichte Schaukeln ein. Vorsichtig legte er sie unter die von Misa angehobene Bettdecke und musste unwillkürlich lächeln, als Hikari sogleich das Kissen näher zog, sich daran festkrallte und wohlig zu schmatzten begann, bevor die endgültig einschlief. "Irgendwie erinnert sie mich gerade an sehr stark dich. Du machst das ständig wenn du schläfst, nur dass ich dann dein Kissen spielen darf." "Wirklich? Tut mir leid..." Mit einem breiten Grinsen stellte er fest, dass sich ein leichter Rotschimmer über ihre Wangen legte und sie sich wie immer auf die Unterlippe biss, wenn ihr etwas unangenehm war. "Ich finde es zugegebenermaßen...irgendwie süß." Mit einem kleinen Seitenblick auf die nun selig vor sich hinlächelnde Misa zupfte er ein wenig nervös an seiner Kleidung und deutete mit einem leichten Nicken in Richtung Tür an, dass sie besser gehen sollten. Nachdem sie sich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer geschlichen hatten, standen sie sich etwas unschlüssig gegenüber, da nach letzter Nacht die Frage nach dem Schlafplatz noch immer nicht geklärt war. "Ich ..ähm ...ja... es war ein schöner Abend..." "Hmm... Du hast dich tapfer geschlagen und am Ende haben wir sogar schon richtig miteinander getanzt. Man braucht eben nur ein wenig Übung. Also dann..." "Ja...bis Morgen." "Gute Nacht." Und so war das stille Einverständnis, dass jeder in das eigene Bett zurückkehren würde, beschlossene Sache... Unruhig lief Frau Hinoto seit jener kurzen Begegnung im Zimmer auf und ab, bis sie sich erschöpft auf das Kanapee fallen ließ. ,Misato Kurenai...natürlich! Sie ist ihr ja auch wie aus dem Gesicht geschnitten. Aber wie kommt sie hier her? Er würde sie doch niemals freiwillig gehen lassen! Vielleicht hatte sie Glück und ist geflohen, bevor man ihr das gleiche antun konnte wie Akiko. Ich muss mit ihr reden! Sie muss die Wahrheit erfahren, bevor sich das Ganze wiederholt.' Sich der Schuhe und dem Jackett entledigt, wurde Kojiro durch ein leises Klopfen und einer ihm nur allzu bekannte Stimme aufgeschreckt. Sein verwirrter Blick, als er die Tür öffnete, wurde noch im selben Augenblick durch Misas komischen Windungen und ihrem Herumgehüpfe um sich selbst nur verstärkt. "Misa?..." "Dieses Mistding klemmt... Kojiro, kannst du vielleicht... Ich komm nicht ran." Erst als sie mit dem Gezappel aufhörte und nach Luft japste, bemerkte sie, sein bereits geöffnetes Hemd und drehte ihm hastig den Rücken zu, um nicht allzu gierig die schöne Aussicht zu genießen. Den Blick auf den Boden gerichtet, zeigte sie auf den Reißverschluss, der nach wenigen Zentimetern den Stoff eingeklemmt hatte. Nach ein paar erfolglosen Versuchen den Reißverschluss durch grobes Zerren und Reißen loszumachen, zog er sie resigniert mit in sein Zimmer. "Dieses Ding sitzt zu fest...wenn du dich hinsetzt, komm ich besser ran...und gib die Haare nach vor, sonst...gut.. geschafft." Nachdem er sich hinter sie auf das Bett gehockt hatte, löste er mit ein wenig Fingerspitzengefühl den Stoff vom Reißverschluss und legte damit die zarte Haut, die sich darunter verborgen hatte, frei. Mit zitternden Händen fuhr er intuitiv von ihren Schultern abwärts die Wirbelsäule entlang und küsste flüchtige ihren Nacken, bevor ihm bewusst wurde, dass er sich soeben hatte gehen lassen. "Entschuldige, ich..." Er war ihr inzwischen so nahe, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte und die Hände, die immer noch auf ihren Hüften ruhten taten das Übrige, um ihr Herz völlig unkontrolliert schlagen zu lassen. "Kojiro, kannst du mich noch einmal...noch einmal so küssen?" Noch bevor er seinen letzen Rest an Urteilskraft zusammenkratzten konnte, ließ er nach Misas zaghafter Aufforderung jedweden vernünftigen Gedanken fallen und widmete sich zärtlich ihrem Hals. Zögernd strich er nebenbei die Träger des Kleides von den Schultern, um auch diese mit sanften Küssen zu bedecken und ließ dabei langsam seine Hände über ihren Rücken wandern. An ihrer Taille angelangt, hielt er inne. Er hatte seine Zweifel, ob er sich noch lange zurückhalten würde können, wenn er sie noch weiter so intim berühren würde. Doch bevor er sich von ihr zurückziehen konnte, ergriffen ihre Hände die seinen und zogen Kojiro dichter heran, bevor sie sich an ihn lehnte und seine Nähe genoss. Seinen erhöhten Herzschlag, seine Berührungen zu spüren, sorgten dafür, dass sie jede Bedenken beiseite schob und sich ein wenig mutiger vorantastete. Quälend langsam ließ sie ihre Hand über die Innenseite seines Oberschenkels gleiten und bemerkte mit einem Lächeln, als er scharf die Luft einsog und er versuchte seine Atmung (und gewisse andere Dinge) unter Kontrolle zu behalten. Vorsichtig löste sie sich aus seiner Umarmung und wendete sich schließlich seinen Lippen zu. Während ihre Küsse langsam tiefer führten und sie mit ihrem Mund seinen Hals zu erkunden begann, ließ er das Kleid mit einer einfachen Bewegung an ihren Armen entlang herabgleiten. Unsicher hielt Misa inne und wand schüchtern ihr Gesicht ab, bis er sie sanft zu sich drehte und ihr einen zärtlichen Kuss gab. "Du bist wunderschön." Seine Stimme war nur ein Flüstern, aber in ihr steckte so viel Ehrlichkeit und Zuneigung, dass sie jeden weiteren Zweifel vergaß und sich dicht an ihn schmiegte. "Kojiro, bleib bei mir. Ich möchte immer mit dir zusammensein. Ich...ich lie..." "Nicht! Sag es nicht. Du solltest dir das für jemanden aufsparen, der es verdient hat, dass von dir zu hören. Ich denke, es ist besser du gehst jetzt." Verwirrt und verletzt suchte sie in seinem Gesicht nach einer Antwort, einem Grund, warum er sie ausgerechnet jetzt, wo sie sich näher, als jemals zu vor waren, ablehnte. "Nein! Sag mir erst, warum du es nicht verdient haben sollst, geliebt zu werden! Kojiro, ich..." "Hör auf! Verstehst du denn nicht, ich...ich bin nicht der Richtige für dich. Ich werde dir nur wehtun!" Sein eindringlicher Blick in diesem Moment, zerriss Misa fast das Herz und doch wollte sie nicht aufgeben. Nicht noch einmal. "Das stimmt nicht! Egal, was vielleicht eines Tages passieren wird, ich bin glücklich, wenn ich bei dir sein kann. Niemand kann sagen, ob wir uns nicht irgendwann gegenseitig verletzten, aber ich gehe das Risiko gern ein, wenn es bedeutet, dass ich mit dir zusammensein kann. Ich liebe dich!" Grob packte er ihre Handgelenke und drückte sie mit dem Rücken aufs Bett. Doch anstatt ihr Angst einjagen zu können, sah sie ihn nur mit sorgenvollem Blick an. Obwohl er noch fester zudrückte, konnte er trotz allem in ihren Augen immer noch sehen, was er versucht hatte zu zerstören. "Warum kannst du mich nicht einfach hassen?! Du musst mich hassen! Hörst du! Du musst einfach! Du musst.... du musst mich hassen....... Oh bitte, Misa. Tu mir das nicht an. Bitte, sieh mich nicht so an. Bitte..." Verzweifelt begannen seine Augen bereits verräterisch zu glitzern, während seine Stimme brach und sie langsam ihre Hände aus seinem gelockerten Griff löste und zärtlich die erste Träne, die sich aus dem Augenwinkel stahl mit ihrem Daumen wegwischte. Ein leises Schluchzen entrang seiner Kehle, als sie sich behutsam nach vor beugte und eine weitere Träne von seiner Wange küsste. "Kojiro, ich liebe dich." Dabei nahm sie sein Gesicht in ihre Hände blickte ihm tief in die Augen, bevor sie ihn zärtlich auf den Mund küsste. "Ich liebe dich. Das kannst du mir nicht verbieten." Ohne sich noch weiter gegen seine Gefühle wehren zu können, ließ er sich von Misa in ihre Arme ziehen, die tröstend seinen Rücken entlang strich und ihn sanft küsste. "Verlange nicht von mir dich zu hassen. Niemals!" * Müde schlürfte Takeru zur Tür an die nun schon mit heftiger Ungeduld gelärmt wurde. "Schon gut, schon gut. Ich bin ja schon da..... Kira?" Verblüfft sah er ihn aus verschlafenen Augen an, bat ihn herein und wagte einen kurzen Blick auf die Uhr die gerade mal 6:30 anzeigte. "Weißt du eigentlich wie spät es ist? Oder besser gesagt wie früh?" Betreten blickte Kira durch seine Sonnenbrille zu Boden, murmelte eine Entschuldigung und wollte bereits wieder gehen, als er am Arm gepackt wurde und ihn Takeru auf das Sofa drückte. "Jetzt bist du schon hier. Also...willst du Kaffee, Tee oder vielleicht doch besser ein paar Aspirin?" Bei den letzten Worten grinste er ihn über beide Ohren an und hielt ein Päckchen Kopfschmerztabletten in die Höhe. "Danke, hab schon zwei genommen." Das matte Lächeln auf seinem Gesicht war das Einzige wozu er im Moment im Stande war. Trotz des schrecklichen Hämmerns in seinem Schädel und der leichten Übelkeit, hatten ihn vor allem die letzten Ereignisse zu sehr aufgewühlt, um ihn ruhig schlafen zu lassen. "Wie hast du überhaupt hergefunden, du warst doch bestimmt schon zwei Jahre nicht mehr in meiner Wohnung." "Ich habe eben ein gutes Gedächtnis." Kira fühlte sich seit dem gestrigen Abend sichtlich unwohl. Er hatte keine Lust auf Smalltalk. Deswegen hatte er Takeru nicht extra aus dem Bett geklingelt. In seinem Kopf schwirrten so viele Fragen, dass er gar nicht wusste mit welcher er anfangen sollte, bis es schließlich aus ihm herausplatzte. "Seit wann, weißt du es? Weiß mein Vater davon? Habe ich mich dir gegenüber auffällig verhalten? Oder..." "Stopp, stopp, stopp... Eins nach dem anderen. Zu allererst: Ich weiß schon seit einigen Jahren von deiner ,Vorliebe' für Männer. Als du mir einmal diesen offensichtlich schwulen Freund vorgestellt hast, habe ich..." Gerade als er weitersprechen wollte sprang Kira von seinem Platz hoch, lief wie wild im Wohnzimmer auf und ab und nahm dabei zum ersten Mal die Sonnenbrille ab, bevor er sich gegen eines der Fenster lehnte und versuchte sich zu beruhigen. Verwirrt beobachtete er Kiras Reaktion, von der er eigentlich eine Art Erleichterung erwartet hatte. Doch stattdessen schien dieser mehr aufgewühlt, als zuvor. Mit zögernden Schritten kam Takeru näher und legte ihm eine Hand auf die Schulter, als Kira sich schlagartig umdrehte und ihn von sich schubste. "Verdammter Scheißkerl! Ich hatte die ganzen Jahre Angst, du oder mein Vater könntet davon erfahren und du hast es die ganze Zeit gewusst! Warum hast du nichts gesagt, häh?!" Betreten sah Takeru zur Seite, um Kiras anklagendem Blick aus den von Tränen geröteten Augen zu entgehen, den er auch noch auf sich spüren konnte, als er ihm auswich. "Vielleicht wäre es besser gewesen. Aber ich hatte gehofft, du würdest eines Tages genug Vertrauen zu mir haben und es mir von selbst sagen. Ich habe nicht gedacht, dass ich dich damit verletzten würde. Es tut mir Leid." Verächtlich schnaubend ließ sich Kira an der Glaswand entlang nach unten sinken und umklammerte seine Beine. "Du mit deinen ganzen gesellschaftlichen Regeln...genau wie Vater. Ich dachte immer, es wäre dir zuwider. Du bist schließlich mein ältester Freund. Ich wollte nicht, dass du mich deswegen hasst... du Arschloch!" Erst jetzt schien Takeru klar zu werden, wie schwer es Kira gefallen sein musste, sein kleines Geheimnis vor ihm zu bewahren. Betroffen kniete er sich vor ihn hin und versuchte in seine Augen zusehen, die durch die Strähnen seines rabenschwarzen Haars verdeckt wurden. "Du Idiot! Hast du vergessen? Ich bin nicht nur dein ältester, sondern auch dein bester Freund. Glaubst du wirklich, dass mir irgendwelche Regeln, wichtiger sind als du?" Trotzdem zeigten Takerus überzeugend gemeinte Worte keine Wirkung, denn Kira starrte immer noch auf den Boden und wagte es nicht ein Mal ihn anzusehen. "Will...Willst du einen Beweis, dass es mir nichts ausmacht?" Doch nachdem wieder keine Antwort kam, hob er kurzentschlossen Kiras Gesicht leicht an und ehe dieser sich versah, küsste Takeru ihn flüchtig auf den Mund. "Sie..siehst du? Es macht mir nichts aus." Wie paralysiert sah Kira seinem Freund hinterher und fuhr sacht mit den Fingern über seine Lippen, als dieser eilig aufstand und in die Küche hechtete, um den nun pfeifenden Teekessel vom Herd zu nehmen. Ich hoffe euch hat dieser Teil gefallen, der um einiges kürzer ist als der letzte. Oh und noch eine Anmerkung für meine Leser: Bei mir gibt es keine explizit beschriebenen Sexszenen. In dieser Geschichte hätte ich es ganz einfach fehl am Platz gefunden. Hoffentlich enttäusch ich da mal nicht jemanden... Kapitel 22: ------------ Teil 22 Zart suchten sich die ersten Sonnenstrahlen einen Weg durch den dichten Nebel, der so trüb alles Leben umfing, als würde dieser verhindern wollen, dass die Welt von neuem erwacht. Inmitten dieses Schauspiels räkelten sich bereits die ersten Hausbewohner, die sich zurück aus ihren süßen Träumen den Weg in die Realität erkämpften und den neuen Tag willkommen hießen. Müde blickte Misa ihren Geliebten aus verträumten Augen an und zeichnete dabei mit ihrem Zeigefinger die Formen seiner Muskeln nach, bevor sie ihm einen sanften Kuss auf die Schulter hauchte. Mit einem Lächeln das seine Mundwinkel umspielte schlug Kojiro blinzelnd die Augen auf und zog den zierlichen Körper an sich, bevor er ein leises ,Guten Morgen' murmelte. "Müssen wir heute wirklich aufstehen? Können wir nicht einfach den ganzen Tag so liegen bleiben? Was nicht heißt, dass wir die ganze Zeit nur schlafen müssen..." Schmunzelnd zog er sie auf sich und strich ihr sanft das nach vorne gefallene Haar zurück. "Wo ist nur das kleine, schüchterne Mädchen geblieben?" Grinsend strahlte sie ihn aus glänzenden Augen an, ehe sie ihn leidenschaftlich küsste, während ihre Hände verlangend seinen Oberkörper erkundeten. "Das ist wohl endgültig verschwunden. Du hast doch nichts dagegen, oder?" Dabei biss sie neckend in seine Brustwarze, bevor sie diese zärtlich mit ihrer Zunge umkreiste. "Ich fürchte, du weißt inzwischen viel zu gut, wie du mich um den Verstand bringst. Kaum zu glauben, dass das...", presste er kurzatmig hervor, ehe er sich auf die Lippen biss, um ein leises Stöhnen zurückzuhalten, während sie hingebungsvoll ihr Liebesspiel fortführte und dabei quälend langsam ihre Hände tiefer wandern ließ, als es plötzlich an der Tür klopfte und die zaghafte Stimme eines der Hausmädchens ertönte. "Entschuldigen Sie die Störung, aber haben Sie das junge Fräulein von gegenüber gesehen? Frau Hinoto hätte sie gerne gesprochen." Seufzend erhob sich Misa und wickelte die Bettdecke um ihren Körper, um ins gegenüberliegende Zimmer zu huschen und sich anzuziehen, bevor man eine Suchaktion nach ihr einleitete. Dabei ließ sie einen ziemlich unzufriedenen Kojiro zurück, dessen Vorzüge und Gründe für seine Frustration durch den Raub der Decke nun mehr als deutlich zu erkennen waren. ,Was hab ich nur getan, dass man mich so bestraft, hä?' "Entschuldigen Sie, Sie wollten mich sprechen? Es stört Sie doch nicht, dass ich meinen Freund mitgenommen habe, oder?" Erschrocken wirbelte Frau Hinoto herum und musterte Misa mit einem fast schon sezierenden Blick, ehe sie Kojiro bemerkte. "Verzeih meine Unhöflichkeit, aber ich denke, es wäre besser, wenn dieses Gespräch unter zwei Augen bliebe. Du weißt nicht mehr, wer ich bin, oder?" "Natürlich weiß ich noch wer Sie sind. Wir wurden uns gestern vorgestellt. Sie sind Kaori Hinoto." Doch diese schüttelte nur den traurig zu Boden gesenkten Kopf. Verwirrt sah Misa zu Kojiro der ebenso ratlos zu sein schien und unsicher war, ob er Misa mit ihr allein lassen sollte, als sie seine Hand ergriff und ihn still darum bat zu bleiben. "Es wundert mich nicht, dass du mich nicht erkennst. Das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben, war vor etwa zehn Jahren. Du siehst deiner Mutter zum Verwechseln ähnlich, weißt du das? Du kennst mich nicht als Kaori Hinoto, sondern als Kaori Wakabashi." Zitternd umfasste Misa Kojiros Hand, der bei dem Namen ebenfalls erstarrte und zog ihn dabei mehrere Schritte mit sich zurück, um die Flucht zu ergreifen. "Warte, bitte! Ich habe nicht vor dich zurückzuschicken! Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, aber ich bin froh, dass du ihnen entkommen konntest. Glaub mir, bitte!" Zögernd blieb Misa stehen und klammerte sich misstrauisch an Kojiro, dessen Gesichtsausdruck Kaori warnend verriet ihnen besser nicht zu nahe zu kommen. Lächelnd betrachtete diese das junge Paar und deutete auf das Kanapee, bevor sie sich selbst einen Schluck Brandy aus der hauseigenen Minibar einschenkte, um ihre Nerven zu beruhigen. "Seiner Reaktion auf meinen Namen zu urteilen, kannst du ihm vertrauen. Ich habe wieder geheiratet und führe mit meinem Mann und Seira ein Leben wie im Bilderbuch. Besonders nachdem mich auch Kira als seine Stiefmutter akzeptiert hatte, wurden wir zu einer glücklichen kleinen Familie. Ich wollte dir vorhin keine Angst einjagen, aber es ist wichtig, dass du erfährst, was damals geschehen ist. Ich habe mir solche Vorwürfe gemacht, dass ich dich dort zurückgelassen habe, aber ich hatte einfach Angst. Deine Mutter..." "Hasst du sie denn nicht?! Nach allem, was sie getan hat! Sie hatte hinter deinem Rücken mit deinem Mann eine Affäre!" Mitleidig beobachtete Kaori Misa, die ihre Hände zu Fäusten geballt hatte, während sie ihr die Worte ungläubig und voller Zorn in ihrer Stimme entgegenschmetterte. "Hasst du sie denn?" "Wie könnte ich nicht?! Ich habe doch allen Grund dazu! Sie hat mich einfach im Stich gelassen! Dazu hatte sie kein Recht! Niemand hat das Recht, sich das Leben zunehmen!" Aufgebracht rannte sie wie ein Tiger gefangen im Käfig auf und ab, während sie ihrer Wut laut Luft machte. "Gib nicht ihr die Schuld daran. Das hat sie nicht verdient. Dein Hass sollte jemand anderem gelten. Jemandem der sie dazu getrieben hat. Misa, ich kann mir vorstellen, dass es schwer für dich sein wird mir zu glauben, aber bitte vertrau mir. Du darfst nie, niemals wieder zu Zutomu zurückkehren! Es wäre viel zu gefährlich, hörst du?! Diese Familie ist nur von Macht und Geldgier getrieben. Sie würden alles tun, um ihre Pläne umzusetzen. Sie würden noch nicht einmal vor einem Mord zurückschrecken." Abwehrend schüttelte Misa den Kopf. Sie konnte und wollte nicht glauben, was ihr Kaori versuchte zu sagen. Der einzige Grund, als sie damals von Zuhause weggelaufen ist, war, dass sie sich einsam und allein gelassen fühlte, dass sie die Verlobung mit Seiji verhindern wollte. Aber sie hatte sich niemals von ihrem Stiefvater bedroht gefühlt. "Das ist nicht wahr. Vater würde mir niemals etwas antun. Er war der einzige, der sich um mich gekümmert hat, als sie sich..." Beruhigend legte Kaori eine Hand auf ihre Schulter und drückte sie mit sanfter Gewalt auf das Kanapee, bevor sie ihr fest in die Augen sah, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. "Wie viel weißt du von deiner Mutter und dem Unfall deines richtigen Vaters? Du hast den Brief nie bekommen, habe ich Recht?" Der fragende Blick Misas war Antwort genug und so fuhr Kaori fort die Wahrheit, die man ihr all die Jahre verschwiegen hatte, ins rechte Licht zu rücken. "Akiko stammte aus einer sehr wohlhabenden, alten Adelsfamilie. Die Traditionen wurden trotz der großen Veränderungen der modernen Zeit beibehalten und so war es undenkbar, dass sie sich mit jemanden vermählte der weit unter ihr stand. Als sie Lee kennen lernte und sich in ihn verliebte, wollte die Familie jeden weiteren Kontakt zu dem mittellosen Pianisten unterbinden und da kam ihnen der Heiratsantrag von Zutomu Wakabashi, einem Sohn aus angesehenem Haus, sehr gelegen. Doch Akiko widersetzte sich dem Wunsch der Familie und heiratete heimlich deinen Vater, worauf sie verstoßen wurde. Einige Jahre später erfuhr sie, dass sie schwanger war und trotz des einfachen Lebens, das sie führten, war sie völlig aus dem Häuschen bald eine eigene kleine Familie zu haben. Doch das Glück währte nicht lange. Dein Vater wurde kurz darauf eines Nachts von einem Auto erfasst. Vielleicht hätte er sogar überlebt, wenn der Fahrer des Wagens ihn nicht einfach liegen gelassen hätte. Als man ihn letztendlich fand, war es für jede Hilfe zu spät. Sie war völlig verzweifelt. Schließlich hatte sie alles für ihn aufgegeben. Ihre Familie hätte sie keines Blickes mehr gewürdigt, wäre sie noch einmal dort aufgetaucht und hätte um Hilfe gebeten. Aber du hast ihr Kraft gegeben weiterzuleben." "Also, hat sie meinen Vater und mich geliebt?" Misas Stimme war nur mehr ein leises Flüstern, als sie mit den Tränen kämpfte. Es war mehr als Misa in diesem Moment ertragen konnte und sie war heilfroh darüber das Kojiro bei ihr war. Der leichte Druck seiner Hand, die er in die ihre geschoben hatte, gab ihr nun wenigstens einen gewissen Halt, den sie nun mehr brauchte, als je zuvor. Sie hörte zum ersten Mal, worauf ihre Mutter verzichtet hatte, um mit ihrem Vater zusammenzusein. Sie hatte sich oft gefragt, ob sie ihn denn wirklich geliebt hatte, oder ob ihre Schwangerschaft einfach nur eine Art lästiger Unfall war, an dem man nichts mehr ändern konnte. Ob ihre bloße Existenz nicht auch einer der Gründe war, der ihre Mutter in den Selbstmord getrieben hatte. Sie hatte es in all den Jahren nie gewagt ihren Adoptivvater zu fragen, obwohl es ihr seit Jahren auf der Seele brannte. "Mehr als alles andere. Daran darfst du nie zweifeln! ...Als schwangere Frau ist es schwer eine Arbeit zu finden von der man leben kann und mit der das Baby keinen Schaden nimmt. Also nahm Zutomu Akiko kurz nach dem Unfall bei uns auf und kümmerte sich rührend um sie, obwohl sie ihn damals abgewiesen hatte und er als Trostpreis mich zur Frau genommen hatte. Jedes Mal wenn sie mir von Lee erzählte, bekam sie glänzende Augen und lächelte vor sich hin. Sie wurde ganz aufgeregt und wirbelte mit den Händen in der Luft herum, wenn sie mir von seinen Konzerten und seinen peinlichen Aktionen erzählte, um sie auf ihn aufmerksam zu machen. Aber sie hat nie auch nur ein Wort über den Unfall verloren. Um ehrlich zu sein, ich war erleichtert, als Akiko bei uns einzog. Sie brachte neues Leben ins Haus und sie war die Einzige, der ich mich anvertrauen konnte. Ich wusste, dass Zutomu mich niemals geliebt hat und er mich nur geheiratet hat, weil ich eine gute Partie war. Er hatte schon lange ein Auge auf deine Mutter geworfen und ich wusste von Anfang an von dem Verhältnis, das sich zwischen Zutomu und Akiko entwickelte. Ich hatte nichts dagegen. Aber ich machte mir Sorgen um Akiko, weil sie sich nur aus Dankbarkeit auf seine Zudringlichkeiten einließ. Sie veränderte sich sehr und ich war von dem plötzlichen Erfolg der Firma meines Mannes überrascht. Innerhalb kürzester Zeit wurde seine früher eher unbedeutende Firma zu einer der angesehensten der ganzen Welt. Er dehnte diese innerhalb weniger Jahre durch Tochterfirmen, Holdings auf den gesamten Globus aus. Er wagte sich immer mehr in andere Bereiche vor. Pharmazie, Industrie, Forschung... es war egal. Er hatte genug Geld um ganze Konzerne aufzukaufen. Durch riesige Geldinvestitionen in Aktenspekulationen hatte er immer mehr an Reichtum angehäuft und damit bekam er auch mehr seiner heißgeliebten Macht, die er mit einer unglaublichen Grausamkeit ausspielen konnte. Niemand wagte es noch sich gegen ihn zu stellen und wenn es doch einer versuchte, so wurde sein Konkurrent innerhalb kürzester Zeit in den Ruin getrieben. Durch, wie es schien, günstige Zufälle wurden ganze Ernten und Firmen von schrecklichen Umweltkatastrophen heimgesucht. Erdbeben, Überschwemmungen, Brände,... Die Welt war in Aufruhr. Und inmitten all dieser entsetzlichen Geschehnisse wurde seine Macht größer als je zuvor. Er war das Glückskind seiner Zeit. Ihr Blick war damals... sie wirkte so verzweifelt. Sie war nicht mehr sie selbst. Akiko zog sich plötzlich immer mehr in sich selbst zurück. Dem einzigen Menschen gegenüber, dem sie noch so etwas wie Freude empfinden konnte, das warst du. Du warst die Einzige, die sie zum Lachen bringen konnte.... Eines Tages hörte ich durch Zufall ein Gespräch Zutomus und einem seltsamen Priester mit an. Er verlangte Schweigegeld dafür, dass er die Quelle für diese neu gewonnene Macht für sich behalten würde. Doch Zutomu war anderer Meinung. Er wollte ihn erpressen und musste damit mit seinem Leben bezahlen." Geschockt blickte Misa fassungslos mit aufgerissenen Augen zu Kaori auf. "Willst du damit sagen, dass mein Vater ein kaltblütiger Mörder ist?! Du hast bestimmt etwas falsch verstanden, woher willst du denn wissen, dass er..." "Misa, er hat ihn ohne mit der Wimper zu zucken erschossen! Da gibt es nichts misszuverstehen. Ich hatte Angst! Große Angst, dass er mich bemerkt hatte und mich genauso beseitigen würde, wenn er herausfinden würde, dass ich alles mitangehört hatte. Ich habe damals beschlossen ihn zu verlassen und Akiko und dich mit mir zunehmen. Seiji geriet zu sehr nach seinem Vater. Außerdem hätte Zutomu niemals zugelassen, dass ich seinen einzigen Erben mit mir nehme. Aber zuvor wollte ich in Erfahrung bringen, was dieser Priester gegen ihn in der Hand hatte, um mich gegen meinen damaligen Mann abzusichern, damit er uns gehen ließ. Nach kurzer Zeit wurde ich fündig. Die Spur, die der Priester hinterlassen hatte, führte mich an ein eigenartiges Kloster, an dem ich einen jungen Mann traf, der seinen Mentor rächen wollte und mir seine Aufzeichnungen in die Hände spielte. Ich ließ diese Schriftrollen in einer mir unbekannten Sprache so gut es eben ging übersetzten und behielt die Manuskripte für mich, während ich die Schriftrollen einem engen Freund anvertraute, der sie, sollte mir etwas geschehen, sofort mit einer Erklärung an die Polizei weitergeben sollte. Eine alte Geschichte wurde darin beschrieben, zusammen mit einem Ritual. Es hieß, dass das Schicksal der Welt durch nur einen Menschen bestimmt werden kann. Jemanden der die Kraft besitzt die Welt zu verändern, ob zum Guten oder zum Schlechten. Wenn es wahr ist, was dort geschrieben steht, dann gleicht jene Kraft, der eines Gottes. Die Natur und damit auch das Leben der Menschen liegen in der Hand eines Menschen, dem diese Gabe zuteil wurde. Misa, deine Mutter besaß diese Kraft! Ich weiß nicht genau, wie es funktioniert, aber sie existiert wirklich!" Verächtlich schnaubend erhob sich Misa und wandte sich zum Gehen, als sie von Kojiro zurückgehalten wurde. "Glaubst du ihr etwa? Ich komme mir vor, wie in einer Märchenstunde. Was soll das Ganze eigentlich? Erst diese Lügen über meinen Vater und dann soll meine Mutter...was hatte sie noch gleich? Oh, ja die "KRAFT" die Welt zu verändern. Ich hör mir den Schwachsinn nicht mehr länger an!" Doch Kojiro dem Kaoris Worte reichlich bekannt vorkamen und der bereits mit einem Teil dieser reizenden Familie auf unangenehme Art Bekanntschaft geschlossen hatte, wollte dass sie das wahre Gesicht der Wakabashis erkannte und bat sie anzuhören. "Nein, natürlich nicht! Aber was, wenn du tatsächlich nicht vor ihm sicher bist? Vielleicht sollten wir sie einfach zu ende erzählen lassen." Kopfschüttelnd sah Misa ihn ungläubig an, ließ sich ihm zu Liebe aber nichts desto Trotz zurück auf das Sofa ziehen. Erleichtert und überrascht zugleich überließ Kaori es ihm Misa zum Bleiben zu überreden und wartete geduldig, bis diese sich resigniert geschlagen gab und wieder ihren Platz auf dem Sofa einnahm. Bevor sie weitersprach reichte sie Misa eine Schriftrolle aus altem Pergament, die sie noch gestern Abend aus dem hauseigenen Safe geholt hatte und zum Beweis bereitgelegt hatte. "Ich kann mir gut vorstellen, wie schwer es für dich sein muss, mir zu glauben, aber hör mir bitte zu. Ich dachte er sei verrückt geworden und würde an diesem Aberglauben, an diesem Märchen festhalten und vermutete, dass er Akiko für die derzeitige Auserwählte hielt und sie deshalb so wichtig für ihn war. Ich wusste, dass wenn er tatsächlich daran glaubte, er auch im Stande ist einen Mord zu begehen, um seine Ziele zu erreichen. Als eine Art Glücksbringer, eine Art Talisman. Je mehr ich mich in die Unterlagen einlas, desto mehr wuchs in mir auch der Verdacht, dass er für den Tod deines richtigen Vaters verantwortlich war. Ich sagte Akiko sie solle sich fertig machen, wir würden noch heute dieses verfluchte Haus verlassen und sie brauche sich keine Sorgen um Zutomu zu machen. Ich würde alles erledigen, sie solle nur auf mich warten. Selbstsicher ging ich zu ihm und unterbreitete ihm, dass ich über alles Bescheid wusste und Beweise dafür hatte. Dabei zeigte ich ihm die Kopien und versicherte ihm, dass wenn er mich töten wollte, wie all die anderen zuvor, die ihm im Weg standen, ich alles vorbereitet hätte, damit die Wahrheit ans Licht kommt. Er erlaubte mir zu gehen, aber sollte ich versuchen Akiko mitzunehmen, würde er mich eigenhändig umbringen. ...Wäre ich nur sofort gegangen, als ich die Möglichkeit dazu hatte, doch ich war so unglaublich wütend. Ich wusste, was auch immer er in Akiko zu sehen glaubte nicht einfach aufgeben würde und das sie nur aus einem Gefühl der Verpflichtung alles getan hatte, was er verlangte. Auch wenn es ihr das Herz brach. Hätte sie geahnt, dass er...... Verstehst du? Ein Nein, hatte er noch nie akzeptiert. Er bekam schon immer alles, was er wollte. Doch Akiko hatte es gewagt ihn abzulehnen und sich stattdessen für Lee entschieden. Damit wurden all seine Pläne durchkreuzt, denn mit durch ein bestimmtes Ritual hätte er als derjenige, der sie zur Frau machte, diese Kraft übernehmen können. Als Jungfrau ist man vor dieser Macht, die man schon zuvor verborgen in sich tragen kann, geschützt. Doch sobald sie sich jemandem hingibt, hat sie all die Verantwortung, die mit dieser Kraft verbunden ist zu tragen. Der Auserwählte für diesen Schritt, kann jedoch später niemals durch diese Kraft beeinflusst oder verletzt werden. Wenn sie es wünscht kann er ihr diese Last mittels des Rituals sogar abnehmen. Niemals aber kann man diese Gabe unter Zwang an jemanden weitergeben. Zutomu konnte nie vergessen, dass er um dieser Chance einfach beraubt wurde und als er hörte, dass Akiko auch noch schwanger war...... Misa, er war derjenige, der deinen Vater töten ließ! Ich bin davon überzeugt, dass es kein Unfall war. Er hat alles genau geplant,...verstehst du?! Und als ich Zutomu all diese Dinge, die ich in Erfahrung gebracht hatte, geradewegs ins Gesicht sagte... Akiko hatte uns belauscht, als ich... Wieso konnte sie auch nicht einfach auf mich warten, so wie ich sie gebeten hatte?! Wieso konnte ich nicht einfach meinen Mund halten?!... Es tut mir so Leid... Misa.. ich....ich weiß nicht, wie ich das jemals wieder gut machen kann. Misa..." Doch diese hatte nur fest ihre Beine umschlungen und starrte ins Leere. Ein dunkler Schatten hatte sich über ihr Gesicht gelegt, als sie dass Gefühl bekam eine eiserne Faust hätte sich um ihr Herz gelegt und versuche erbarmungslos es ihr aus dem Leib zu reißen. Sie wollte dieser Verrückten nicht weiter zuhören. Sie wollte am Liebsten aufspringen, sie anschreien, damit sie endlich aufhörte diese Phantastereien, diese Lügen über ihren Vater zu verbreiten. Ihm Dinge zu unterstellen, die vollkommen unvorstellbar, undenkbar waren. Doch stattdessen saß sie einfach nur da und starrte weiter mit leerem Blick vor sich hin, während Kaori mit ihrer Geschichte fortfuhr. "Akiko schien mich gar nicht zu Bemerken, als sie langsam auf Zutomu zuging. Bei Gott, ich hab sie noch nie so gesehen. Ihr Gesicht war so ausdruckslos, als sie einfach nur dastand und ihn ansah. Bis sie...sie.... Ihre Augen begannen zu glühen, Gläser in nächster Umgebung begannen zu zerspringen. Einfach so. In blindem Hass setzte sie ihre Kraft frei. Ihr ganzer Körper schien zu brennen und die Erde bebte. Mit einer einfachen Bewegung ihrer Hand schleuderte sie ihn an die Wand. Zutomu schrie vor Scherzen auf. Ich bin mir sicher, er hatte sich ein paar Rippen gebrochen, aber...aber sie konnte ihn nicht töten. Sie konnte es nicht. Sie hat ihn einfach nur weiter angesehen, als er am Boden lag und versuchte sich aufzurichten. Nichts weiter." Hilflos musste Kojiro mitansehen, als Misa begann sich mit zugehaltenen Ohren hin und herzuwiegen und dabei leise vor sich hinzusummen, bis sie nur noch erstickt wimmerte. Behutsam legte er seine Arme um sie und zog sie fest an sich, während sie sich wie ein Ertrinkender an ihn klammerte und endlich hemmungslos den Tränen ihren freien Lauf ließ. "...sie lügt...nichts als Lügen.....diese Frau ist doch verrückt!..." Tröstend strich er ihr immer wieder den Rücken entlang, während er Kaori einen Blick zuwarf, der hätte töten können. Ohne Zweifel schien auch er ihr keinen Glauben zu schenken und war wütend, dass sie Misa mit ihren Geschichten nahe an den Nervenzusammenbruch brachte. Er wusste, dass ein gewisser Teil bestimmt der Wahrheit entsprach. Aber wie bei Sagen hielt er diese ,Kraft' für den Teil, der nur den alten Geschichten dienen sollte und nicht ernst genommen werden konnte. Langsam wand sich Misa, nachdem sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte, aus seiner Umarmung und wischte wütend über sich selbst hastig über das tränennasse Gesicht. "Warum...tust du das?...Warum sagst du so etwas! Was bezweckst du eigentlich mit deinen Geschichten?! Soll ich meine Familie vielleicht hassen, so wie du?! Keine Sorge, ich werde sie nie wiedersehen, egal wie sehr ich Vater manchmal vermissen werde. Aber ich werde nicht zulassen, dass jemand solche Lügen über sie verbreitet!" Mit einem Satz war sie aufgesprungen und schien zu allem entschlossen, als ihre Augen vor Zorn funkelten, während ihre Aura für einen Augenblick sichtbar aufflackerte, ehe sie aus dem Zimmer stürzte. "Oh nein, Misa.... Du nicht auch." Wie erstarrt blieb Kojiro stehen und suchte nach Halt, um nicht umzukippen, bevor er sich über die Augen rieb und sich die Haare raufte. "Wegen Ihrem verdammten Phantasiegebilde bekomme ich schon Halluzinationen! Sie verwandelt sich doch nicht einfach in ein Glühwürmchen!" "Setzt dich. Ich sagte: SETZ DICH!" Durch den forschen Ton wachgerüttelt, ließ er sich im Moment ohnehin unfähig für jeglichen Widerspruch auf dem Sofa fallen und legte den Kopf in den Nacken. "Wenigstens du wirst mir jetzt glauben. Wer auch immer du bist, pass gut auf sie auf. Ich bin mir sicher, es ist noch nicht vorbei. Wenn sie dir etwas bedeutet, wirst du um sie kämpfen müssen. Und Gnade dir Gott, wenn nicht. Deinem Blick vorhin zu urteilen, weißt du irgendetwas, wenn ich auch nicht sagen kann woher." Wie ein Junge den man beim Kekse klauen erwischt hatte, fingerte er nervös an seinen nach oben gekrempelten Hemdärmeln herum und stritt dabei halbherzig alles ab. "Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen... Hat ihr dieses "Leuchten" ihre Mutter vererbt und warum soll diese Kraft so plötzlich..." Mit hochgezogener Augenbraue nahm sie den letzten Schluck ihres Brandys und bedachte ihn dabei mit einem vielsagenden Blick. "Das solltest du wohl am Besten wissen... Außer du warst nicht ihr Erster....dann natürlich..." "Nein, sie hat mit niemandem außer ...", platzte es plötzlich aus Kojiro heraus, der verlegen den Blick senkte, als sie sich lächelnd gegen die Bar lehnte. "Dann hoffe ich, du weißt das zu schätzten. Ich hatte mir gewünscht, dass sie diese Kraft nicht unabsichtlich übernahm, als sie Akiko tot aufgefunden hat. Aber ich hatte es bereits befürchtet. Es gibt eine Theorie die besagt, dass die Kraft nach dem Tod des bisherigen Trägers an die nächste Person in tiefer Verzweiflung weitergegeben wird. Ich habe keine Ahnung, warum das alles so ist, aber offensichtlich ist etwas Wahres an der Geschichte dran... Ich wollte Misa mit mir nehmen, aber nach allem was geschehen war... Ich war ein Feigling. Ich hatte Angst. Vielleicht auch vor dem, was möglicherweise ebenso in ihr schlummerte. Ich brauchte Jahre, um das Erlebte zuzulassen, nachdem ich es einfach verdrängt hatte. Manchmal glaubte ich selbst schon dem Wahnsinn verfallen zu sein. Mach nicht den gleichen Fehler und lass sie im Stich. Sie wird mit dieser Macht nicht sofort umgehen können und womöglich sogar mehr Angst vor sich selbst haben, als andere Menschen, die davon erfahren würden. Sie wäre in großer Gefahr, sollte sie jemand für seine Zwecke benutzen wollen. Auch wenn sie jetzt sehr mächtig ist, habe ich keinen Zweifel daran, dass ihre eigene Familie versucht sie zu manipulieren, um sie zu ihrem willenlosen Werkzeug zu machen. Und noch etwas. Bei meine Nachforschungen bin ich auf etwas gestoßen, dass vielleicht von Bedeutung sein könnte. Sie darf niemals ihre Kraft dazu benutzen jemanden zu töten. Ob nun willentlich oder unabsichtlich. Ich weiß nicht, ob es einen Unterschied macht. Nur sollte sie ihre Kraft dazu einsetzen jemanden zu töten, heißt es, dass sie ihre Seele auf immer verlieren würde. Ein Schicksal schlimmer als der Tod selbst würde sie erwarten." Die Stirn nun in Falten gelegt verschränkte Kojiro die Arme vor der Brust. "Ich wüsste nicht, warum das von Bedeutung sein sollte. Misa wäre niemals fähig jemanden auch nur zu verletzen, geschweige denn zu töten." Nickend stellte sie ihr Glas beiseite und schraubte die Flasche mit dem Verschluss zu. "Vielleicht. Aber vergiss nicht, sie hält eine Macht in ihren Händen, die sie noch nicht kontrollieren kann. Es ist beinahe so, als hätte man einem kleinen Kind eine Pistole in die Hände gelegt und die Sicherung gelöst. Sie könnte sich damit ernsthaft selbst oder jemand anderes verletzen, ohne es zu wollen." Bei dem Gedanken wurde ihm der Ernst der Lage erst bewusst. Instinktiv verkrampfte er seine Hände und ballte sie zu Fäusten. Sollte er nun dieser Frau glauben, würde es zumindest so einige Dinge erklären. Beispielsweise warum Seiji wollte das Misa freiwillig nach Hause zurückkehrte, wo es doch so einfach gewesen wäre sie dazu zu zwingen. Gedankenverloren wandte sich Kojiro zum Gehen, ehe Kaoris Stimme ihn noch kurz an der Tür inne halten ließ. "Auch wenn sie im Moment alles abstreitet, ich denke, sie spürt bereits, dass sie sich verändert hat. Ansonsten hätte sie das, was ich ihr erzählt habe, nicht so aufgewühlt." Misa sehnte sich nach all der Aufregung nach frischer Luft und machte sich nachdem sie eine kleine Nachricht hinterlassen hatte schnurstracks auf zum Park, als sie merkte, dass ihr eine mickrige Gestalt, die inmitten der weißen Pracht besonders auffällig war, hinterher schlich. Mit einer ruckartigen Bewegung blieb sie stehen und drehte sich mit einem Seufzen um. "Na komm schon raus Hikari. Ich weiß, dass du da bist. Außerdem ist der Baum ein wenig zu klein, um sich dahinter zu verstecken." Mit einem entschuldigenden Lächeln erhob sich die Kleine aus ihrem mehr als dürftigen Versteck und setzte ein weiteres Mal ihre einzigartige Unschuldsmiene auf. "Du hast geweint und so traurig ausgesehen, da dacht ich mir...na ja, ich..." "Du hast dir Sorgen um mich gemacht?" Zaghaft nickend kam sie nun näher und griff nach der ihr angebotenen Hand. "Du musst dir keine Sorgen machen. Jetzt geht es mir schon viiieeeel besser. Willst du ein wenig spazieren gehen?" Mit begeisterter Zustimmung hüpfte sie fröhlich neben Misa auf und ab und zerrte sie mit allen möglichen Vorschlägen weiter. "Vielleicht ist der Teich im Park schon zugefroren. Oder wir können auch kleine Babyenten füttern, oder..." Eine grausame Vorstellung von hilflosen im Teich eingefrorenen Babyenten, in mitten von Schlittschuhläufern, die begeistert ihre Pirouetten drehten und dann womöglich... Entenfrikassee! Schnell schüttelte Misa diesen lächerlichen Gedanken ab, da sie ohnehin wusste, dass die Enten schon längst das Weite gesucht hatten, wenn sich eine dicke Eisschicht auf der Oberfläche bildete. Zumindest hoffte sie das. In diesem Teil habe ich versucht einige Fragen zu klären, die vorallem mit der Gerüst der Handlung zu tun haben. Ich hoffe, es ist nicht allzu verwirrend und das man durch Kaoris Erklärung die Motive der Wakabashis besser versteht. Besonders warum diese so bemüht sind sie freiwillig an sie zu binden und ihr Vertrauen zu erschleichen, anstatt sie beispielsweise einfach zu vergewaltigen. Kapitel 23: ------------ Teil 23 Wie ein schwarzer Panter auf der Lauer warteten sie geduldig bis zum günstigsten Augenblick, um sich der Beute zu bemächtigen. Mit leisen, bedächtigen Schritten näherte man sich den ahnungslosen Opfern, die unter der im Winter selten gewordenen Sonne seelenruhig durch den Park schlenderten. Herumalbernd waren sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie die drohende Gefahr, der sich vorsichtig angepirschten Männer in schwarz, bemerkt hätten. Mit geübtem Griff wurden schnell mit einem von Chloroform getränkten Taschentuch die letzten gedämpften Schreie erstickt, ehe man die beiden unauffällig in ein nahe gelegenes Auto hievte. * "SCHEISSE!!!" Fluchend zerknüllte Kojiro den kleinen Zettel, den Misa auf sein Bett gelegt hatte und schlüpfte so schnell es ging in seine Schuhe. Es war bereits Stunden her, dass sie und wohl auch Hikari das Haus verlassen hatten und die Angst in ihm, den beiden könnte etwas zugestoßen sein, wurde inzwischen übermächtig. Besonders nachdem das Geheimnis um den Grund von Misas Verfolgung gelüftet worden war. Wie ein Wirbelwind wollte er an Frau Hinoto und Kira vorbeistürmen, als sie ihn ruckartig am Arm packte und ihn forschend musterte. "Sie kommt schon zurück. Sie wird nur etwas Zeit für sich brauchen. Oder sollte ich von etwas wissen?" Unruhig entriss er ihr den Arm und kämpfte mit sich selbst, ob er ihr anvertrauen konnte, was er wusste, bevor er sich durch die Angst getrieben nur Sekunden später dafür entschied. "Sie hat sich seit Stunden nicht gemeldet und.....Seiji ist in der Nähe. Er weiß, wo sie ist." Jegliches Blut aus ihrem Gesicht gewichen, fasste sie gewaltsam nach seinem Arm. "Und woher?!!!" Ihrem eindringlichen Blick nicht mehr standhaltend, senkte er den seinen beschämt zu Boden, ehe er kaum hörbar flüsterte: "...durch mich...", und ihn eine Ohrfeige hart im Gesicht traf. "Ich schwöre, wenn ihr etwas passiert, dann bring ich dich mit meinen eigenen Händen um!" Kira der keine Ahnung hatte, worüber die beiden redeten, sah der ganzen Szene fassungslos zu. Er kannte seine Stiefmutter nur als eine geduldige und sehr gelassene Person, die durch nichts aus der Ruhe zu bringen war. Selbst bei seinen grausamen Versuchen sie aus dem Haus zu ekeln, hatte sie damals ohne weiteres darüber hinweggesehen. Doch diese Person vor ihm, war kurz davor Kojiro an die Gurgel zu gehen, bevor sie nach seinen Autoschlüsseln verlangte und sie diese Kojiro, zusammen mit etwas Geld, in die Hand drückte. "Selbst wenn alles in Ordnung sein sollte, müsst ihr sofort untertauchen. Dir ist hoffentlich klar, dass sie versuchen werden dich zu töten, wenn sie es herausfinden? Weißt du denn überhaubt, wie du sie finden kannst?" Schwach nickte Kojiro, ehe er sich dankbar von Kira und Frau Hinoto verabschiedete. "Ich kenne hier ein paar Leute. Denen würde so etwas Auffälliges wie eine Limosine bstimmt nicht entgehen. Ich werde den Wagen sobald ich sie gefunden habe abstellen, um keine Spuren zu hinterlassen. Wir melden uns. ...und danke." Kira der langsam wieder zu sich selbst fand, fing im letzten Moment seine taumelnde Mutter auf. Stützend brachte er sie auf ihr Zimmer, wo er sogleich nach einer Erklärung verlangte, die ihm vorerst verweigert wurde. "Nicht jetzt Kira. Sei so gut und lass mich für einen Moment allein." Die Ereignisse dieses Tages wurden immer verwirrender. So willigte er nur wenig begeistert ein und widmete sich stattdessen seinem Training, das er nun dazu benutzten würde, um sein Denken für eine Weile lahm zu legen. ,Zuerst die Sache mit Takeru und dann diese komische Szene vorhin. Oh man und der Tag hat gerade Mal angefangen. Das kann ja noch heiter werden.' * ,Ich bin so müde. Mein ganzer Körper...alles ist so unglaublich schwer.' Nur mit Mühe schaffte es Misa die Augenlieder aufzuschlagen und diese auch offen zu halten. Blinzelnd suchte sie verwirrt nach einem Anhaltspunkt was geschehen war und wo sie sich hier befand, bis ihr Blick auf eine Gestalt fiel, die durch den Schatten verdeckt, nicht mehr zu erkennen war. "Na, endlich aufgewacht?" ,Diese Stimme...woher.. sie kommt mir so bekannt vor.' Mit zusammengekniffenen Augen versuchte sie sich aufzurichten, um festzustellen mit wem sie es hier zu tun hatte, als sich die Gestalt gemächlich nach vor beugte und sich zu erkennen gab. "Lange nicht gesehen, Misa." "SEIJI!" Ungläubig rückte sie mit entsetzt aufgerissenen Augen ein weites Stück zurück und presste sich gegen die kühle Mauer hinter sich. "Du hast doch nicht etwa Angst vor mir? Dazu hast du doch gar keinen Grund." Unwillkürlich suchte sie mit ihren Augen einen Ausgang, doch ihre Glieder waren wie Blei und so konnte sie unmöglich die Flucht vor ihm ergreifen, als er näher kam und sich zu ihr auf das Bett setzte. "Die Grobheit mit der dich diese ungehobelten Typen angefasst haben ist natürlich nicht widergut zu machen, aber wir haben uns große Sorgen um dich gemacht, nachdem du ohne ein Wort verschwunden bist. Besonders nach diesem unliebsamen Zwischenfall. Es ist besser ich bin ehrlich. Etwas anderes hast du auch nicht verdient. Nun ja, wie soll ich sagen... Wir ließen dich zu deiner eigenen Sicherheit beschatten, damit wenn du in Schwierigkeiten kommst, du nicht völlig allein bist. Wir wollten warten, bis du dich von selbst dazu entschließt wieder zu uns zurückzukommen. Allerdings stellte sich heraus, dass wir ihm niemals hätten trauen dürfen. Es ist unverzeihlich, dass wir einem skrupellosen Gewaltverbrecher so leichtfertig unser höchstes Gut anvertraut haben. Als Vater davon erfahren hat, wen er eingestellt hatte, wurden wir halb krank vor Sorge und Schuldgefühlen. Deswegen bin ich hergekommen, um dich persönlich zu suchen und nach Hause zu holen." Aufmerksam hörte sie ihm zu, obwohl sie nicht ganz glauben konnte, was er ihr gerade eröffnet hatte. "Du meinst, dieser Mann wollte mir etwas antun?" Bekümmert blickte er sie entschuldigend an und drückte dabei beruhigend ihre Hand. ,Kojiro...ich muss ihn warnen! Wenn er hinter mir her war, dann könnte er auch ihm etwas antun wollen. Er macht sich sicher schon Sorgen...wie lange ich wohl schon hier bin? Und Hikari!' "Wo ist Hikari?! Sie war bei mir...sie..." "Sie ist in besten Händen. Keine Sorge. Man kümmert sich bereits um das kleine Mädchen. Ich versichere dir, es geht ihr ausgezeichnet. Aber es ist vermutlich das Beste, wenn wir Adoptiveltern für sie suchen. So weit ich erfahren habe, hätte sie beinahe ein schreckliches Schicksal erlitten, wenn du sie nicht aufgenommen hättest. Aber ich denke, es ist das Beste für sie, wenn sie in eine richtige Familie zurückkehrt. Du bist im Moment noch zu jung, um dich um die Kleine richtig kümmern zu können." Misas Blick wurde während seinen beruhigend gemeinten Worten zusehends verzweifelter. Erst ließ sie Seiji für welch noble Gründe auch immer kidnappen und dann wollte er auch noch Hikari wegschicken. Aber das schlimmste würde sein, dass wenn er sie nun mit nach Hause nehmen würde, sie Kojiro niemals wiedersehen würde und ihr Vater womöglich immer noch auf die Hochzeit mit Seiji bestand. Mit einem leichten Ruck entzog sie ihm die Hand, die er immer noch nicht losgelassen hatte und kämpfte um ihre Haltung, um sich vor ihm nicht die Blöße zu geben. ,Nein, du fängst hier nicht vor ihm an zu heulen. Er wird es verstehen, wenn ich es ihm erkläre. Kaori hatte Unrecht. Hier ist doch der Beweis. Sie wollten mich sogar schützen. Wenn auch auf ihre eigenwillige Art und Weise. Vater könnte mir nie etwas antun. Aber ich kann nicht wieder zurück. Ich liebe Kojiro. Niemals könnte ich ihn...nein, niemals.' Seufzend ließ er die Schultern hängen und beobachtete sorgfältig jede Reaktion, jedes Gefühl, das sich auf ihrem Gesicht widerspiegelte, bevor er eindringlich mit seinen dunkelbraunen Augen in die ihren blickte. "War es dir denn so zuwider meine Frau zu werden, dass du gleich davon laufen musstest? Du bedeutest mir sehr viel. Auch wenn wir Bruder und Schwester sind, so sind wir doch nicht vom selben Blut. Du bist die Einzige mit der ich mir eine Ehe vorstellen könnte." Betreten rang Misa nach Worten, um ihm zu erklären, dass sie sich in einen anderen verliebt hatte, ohne ihn zu verletzten. ,Wie soll ich es ihm nur sagen? Das ist wahrscheinlich das erste Mal, das er so etwas wie Gefühl gezeigt hat. Ich kann ihn doch jetzt nicht einfach vor den Kopf stoßen. Warum gerade ich? Er hat sich doch nie für mich interessiert und plötzlich soll ich... Kojiro, wo bist du nur, wenn ich dich brauche?!' Gerade rechtzeitig, als Seiji sich gefährlich nahe zu ihr herunterbeugte, klopfte es an der Tür. "Entschuldigen Sie Herr Wakabashi, aber wir haben ihn gefunden." "Gut, ich werde mich sofort darum kümmern. Ich werde persönlich dafür sorgen, dass dieser Verbrecher das Gefängnis nicht mehr verlässt." Mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen drückte er Misa behutsam zurück in die Kissen, ehe sie ihm eine Antwort geben konnte, um so schnell wie möglich mit Hikari zusammen Reißaus zu nehmen und zurück zu Kojiro zu eilen. "Schon gut. Lass dir ruhig Zeit. Ich will dich zu nichts drängen. Ich werde warten, bis zu so weit bist." Damit küsste er sie sanft auf die Stirn und noch während er leise die Tür hinter sich schloss, verdrängte dieses selbstgefällige Grinsen wieder jeden gutmütigen Zug in seinem Gesicht. ,Ich bin einfach brillant. Vielleicht hätte ich eine Schauspielkarriere anstreben sollen...' Währenddessen kauerte Hikari zitternd auf dem kalten Boden in einem dunklen, verschlossenen Zimmer desselben abgelegenen Gebäudes, in das man die beiden unbemerkt gebracht hatte. ,Ich habe Angst... Misa, wo bist du? Ich will nach Hause. Ich vermisse Mama und Papa. Misa und Kojiro haben gesagt, dass ich nicht wieder zurück kann, aber hier will ich nicht bleiben. Warum lassen sie mich allein? Warum lassen mich alle immer allein? Ich habe doch gar nichts angestellt. Hat mich denn gar niemand lieb? Ich will hier weg. Ich will wieder nach Hause...Mama...' Inzwischen schlich sich Misa, die früheren Nebel um ihre Gedanken vertrieben, aus dem Zimmer. ,Ich muss von hier weg. Es tut mir wirklich leid, Seiji. Aber ich gehöre zu Kojiro. Vielleicht werden Vater und du mich eines Tages verstehen können... Jetzt muss ich nur noch Hikari finden, bevor sie sie dem Jugendamt übergeben. Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät.' Gerade als sie sich sicher war den Ausgang gefunden zu haben, hielten sie bekannte Stimmen zurück. Vorsichtig auf Zehenspitzen stahl sie sich an die eine spaltbreit geöffnete Tür heran.... "Was denn, hast du noch immer keine Angst vor mir? Solltest du aber. Du hast meine Befehle verweigert. Ich muss dir wohl ein wenig Respekt beibringen." Damit gab Seiji einem der kräftigen Yakuza ein einfaches Zeichen, woraufhin dieser dem beinahe regungslosen, gefesselten Körper am Boden einen weiteren Tritt verpasste. Keuchend versuchte dieser sich trotz der sinnesberaubenden Schmerzen aufzurappeln, ehe er von einem weiteren Schlag niedergestreckt wurde. ,Verdammter Scheißkerl, wenn ich mit dir allein wäre, würde dir dein blödes Grinsen schon noch vergehen...darauf...kannst du dich verlassen.' "Na was ist, Kleiner? Genug? Du musst es nur sagen. Ich bin schließlich kein Unmensch. Außerdem... möchte ich Misa doch nicht einen blutüberströmten Anblick von dir zumuten müssen. Sie ist ein so sensibles Mädchen. Wenn du verstehst, was ich meine.' Bei jeder Bewegung zusammenzuckend richtete er sich mit letzter Kraft auf und blickte misstrauisch und angsterfüllt zugleich in das amüsierte Gesicht seines Peinigers. "Sie...ist hier?" "Aber natürlich. Ich würde doch nie zulassen, dass meinem Augapfel etwas geschieht. Im Übrigen war ich schon immer von der Wahrheit überzeugt. Sie ist manchmal wirkungsvoller und schmerzhafter als jede Lüge... Wie denkst du wird sie sich fühlen, wenn sie erfährt, das du lediglich einen Auftrag zu erfüllen hattest und dir in Wirklichkeit nichts an ihr liegt? Außerdem ist es doch meine Aufgabe meine kleine Schwester vor jemandem wie dir zu schützen. Ein Verbrecher wie du ist doch bestenfalls an ihrem Geld interessiert. Immerhin gehört sie zu einer der reichsten Familien der Welt. Tja, ein bemitleidenswerter Schädling auf der Flucht vor der Polizei, weil er seinen eigenen Vater abgeschlachtet hat wie ein Tier. Nicht gerade die feine Art, findest du nicht?" Mit zusammengebissenen Zähnen erhob sich Kojiro nun knurrend und stellte sich Seiji entgegen. "Du hast doch keine Ahnung, wovon du sprichst! Er hatte es verdient! Hätte ich ihn nicht getötet, dann..." Mit regem Interesse verfolgte er Kojiros Verwandlung vom zweifelnden, hilflosen Opfer zum Angreifer. Seine vor Zorn bebenden Lippen, während seine Augen einen unglaublichen Hass preisgaben, den Seiji nur mit vollster Zufriedenheit dort entdeckte, als sich sein Blick entsetzt zur knarrenden Tür richtete. "Misa!" Augenblicklich erstarrte Kojiro in seiner Bewegung, als alle Augen der Anwesenden sich hinter ihn auf die Gestalt im Türrahmen richteten. Der erste, der seine Fassung über den unerwarteten Besucher dieser wüsten Szene wieder gefunden hatte, war Seiji, der sich Misa langsam näherte und ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter legen wollte, ehe er diese durch ihren vielsagenden Blick wieder zurückzog. "Ist es wahr, was er sagt? War es das, was du mir nicht sagen konntest?" Mit einigen Schwierigkeiten startete sie den Versuch ihrer Stimme einen ruhigen Ton zu geben, der nachdem Kojiro ihr noch immer den Rücken zugewandt hatte, mehr als fehlschlug. "Sieh mich an und antworte mir gefälligst! Sag es mir ins Gesicht!" Die bedrückende Stille lastete schwer auf ihren Schulter. ,Es war ein Missverständnis, ein Missverständnis... sag nur, dass ich mich geirrt habe...bitte, ich kann dir doch vertrauen...du liebst mich doch...' "Ja. Es ist wahr." Eine einfache Antwort, die mit einem Schlag alle bisherige Empfindung in ihr zu betäuben schienen. Worte, die ihr Herz in abertausend kleine Scherben zersplittern ließ und sie dabei von jedem Gefühl beraubte. "Nimm es dir nicht so zu Herzen, Misa. Er ist es doch gar nicht wert. Morgen übergeben wir ihn der Polizei. Dann ist das alles nur noch Erinnerung.", flüsterte Seiji ihr mit einer süßlichen Stimme ins Ohr, ehe sie sich von ihm wie eine Marionette nach draußen führen ließ. "Ruh dich ein wenig aus. Wir werden morgen das erste Flugzeug nach Kurata nehmen. Freust du dich nicht endlich wieder nach Hause zu kommen?" Schweigend nickte Misa nur geistesabwesend und merkte nur am Rande, als Seiji hinter sich die Tür schloss. Das Mondlicht, das letzte Nacht die Dunkelheit erhellt hatte, wurde an diesem Abend von einer dicken Wolkenschicht verschluckt. In undurchdringlicher Finsternis tastete sich Misa vorsichtig voran, als ihr ein spitzer Gegenstand, der sich auf dem Schreibtisch neben dem Bett lag, in den Finger stach und selbst im Dunkeln hell aufblitzte. Die kühle Luft auf ihrer Haut, die nur durch ein leichtes Kleid, das Seiji ihr noch für den morgigen Tag bereit gelegt hatte, bedeckt war und durch das weit geöffnete Fenster drang, ließ sie schrecklich frieren. Doch schenkte sie dem keine weitere Beachtung. Der Verrat, der diese Leere in ihr hinterlassen hatte, schien ihre gesamte Seele gefangen zu halten und sie von innen heraus zu verbrennen. Ein weiteres Mal fiel ihr Blick auf den silbrig glänzenden Gegenstand in ihrer Hand. ,Mama, war es das, was du damals gefühlt hast? Wie viele Jahre habe ich dich dafür verachtet. Ich habe es nicht verstanden. Und jetzt...' ,Habe ich mich so getäuscht? Hab ich dir den nichts bedeutet? Hast du denn nur mit mir gespielt? Warum?!....warum Kojiro...ich habe dir vertraut. Ich habe dich geliebt. Du verdammter Mistkerl! Warum tust du mir das an?!...ich liebe dich doch.' Tränenüberströmt rutschte Misa auf die kalten Fließen und fuhr federleicht mit der Spitze des funkelnden Brieföffners ihren Unterarm entlang. ,Hat dir unsere gemeinsame Nacht überhaupt etwas bedeutet?' #Sanft streichelnde Hände auf seidener Haut. Leicht geöffnete Lippen, die den erhitzten Atem aushauchen. Der betörende Geruch des Geliebten und die ineinander verschränkten Finger, die ihm nach kurzem Zögern mit sanftem Druck bestätigen den letzten Schritt zu wagen. Ein leises Flüstern zwischen den engumschlungenen Körpern, die sich umgeben von schleierhaftem, weißen Mondlicht im steten Rhythmus einander hingeben.# ,Ich würde auch mit meinem Blut bezahlen, wenn ich diesen ganzen Tag vergessen könnte. Nur ein kleiner Schnitt und alles wäre vorbei. Es wird nicht lange dauern. Bewusstlos und dann tot...tot und dann... nichts mehr. In der Dunkelheit versinken und alles vergessen. Auch dich? Will ich das denn wirklich?... Ich bin so erbärmlich. Ich kann die Zeit mit dir noch nicht einmal bereuen.' #"Mama....ich hab einen Schmetterling gesehen, der war sooo groß, den hast du noch nie.... Mama?" Achselzuckend als sie das Zimmer ihrer Mutter betrat und keine Antwort bekam, schlich sie sich mucksmäuschenstill zu dem kleinen Schmuckkästchen auf der Kommode. Mit glänzenden Augen musterte sie die funkelnden Juwelen und nahm eine der silbernen Ketten, die sie vor ihren Hals hielt. Doch gerade als sie sich im Spiegel betrachten wollte, fiel ihr Blick auf eine dunkelrote Pfütze, die sich hinter dem Bett gebildet hatte.# #Die ausgestreckte Hand blutüberströmt, das braungelockte Haar verklebt, die Kleidung in Blut getränkt. Ein bleiches starres Gesicht. Die Augen und Lippen noch leicht geöffnet, als würde sie schlafen. Einen Schlaf für die Ewigkeit. Ein zitterndes Kind mit leerem Blick, unfähig sich zu bewegen, bevor es verzweifelt am leblosen Körper rüttelt und immer wieder dieselben Worte formt.# Die Erinnerung klärte Misas Blick genauso wie den verdeckten Himmel, der langsam aufbrach. Zögernd ließ sie den Brieföffner sinken und atmete die schneidend kalte Luft des Winters ein. "Nein, noch ist es nicht so weit. Mama, wir sprechen uns später. Ich habe noch etwas zu erledigen." Dabei winkte sie lächelnd den ersten Sternen die sich an diesem Abend zeigten zu, bevor sie sich entschlossen auf den Weg machte, ihren Worten Taten folgen zu lassen. "Rühr dich nicht von der Stelle! Sonst muss ich dir leider alle Knochen brechen. Anweisung vom Boss. Das verstehst du doch, oder?" Als jedoch keine zufriedenstellende Antwort zu hören war, riss er grob den hängenden Kopf an den Haaren in den Nacken und zwang Kojiro somit ihn anzusehen. Doch die blicklosen Augen seines Gegenübers zeigten sich völlig unbeeindruckt von den Schmerzen, die er mit dieser ruckartigen Bewegung verursachte und so ließ er bereits nach kurzer Zeit von dem Gefangenen ab und kehrte ihm den Rücken zu, bevor er ihn im Dunklen einschloss. ,Es ist vorbei. Ich sollte erleichtert sein. Keine Geheimnisse, keine Lügen...nichts. Ich vermisse dich. Hasst du mich, weil ich am Anfang beauftragt wurde in deiner Nähe zu bleiben, oder weil du die Wahrheit über mich erfahren hast? Es ist egal. Du wirst mich nie wieder so ansehen wie letzte Nacht.' ,Wie hätte ich es wagen können, dir noch einmal in die Augen zu sehen. Nachdem du jetzt erfahren hast, wer ich bin...' Die Erinnerung an jenem Septembermorgen schlich sich erbarmungslos in sein Gedächtnis und spiegelte jene Ereignisse und Gefühle glasklar wieder. #Im dämmernden Licht schleichen Schatten umher. Schwarze Schatten, so dunkel wie die Nacht. Eine Dunkelheit zieht herauf, um zu verbergen, sich zu verstecken und doch kein Schutz vor der kriechenden Angst bietet, die sich leise und unaufhaltsam in das tiefste innere Selbst schleicht. Jeder Atemzug, jede noch so kleine Bewegung lässt den Schatten näher kommen, um zu zerstören, wonach er sucht. Wie jedes andere Mal zuvor, scheint Flucht zwecklos und das Unvermeidliche nur aufzuschieben.# #,Ich höre seine Schritte, seinen Atem. Tief und rau, wie der eines Tieres auf der Jagd, um die erhaschte Beute zu zerreißen. So wird es auch sein, sobald er mich gefunden hat. Ich kann es spüren. Es dauert nicht mehr lange. Aber vielleicht....vielleicht verliert er die Lust daran mich zu quälen, wenn ich nicht schreie...aber ich werde schreien. So wie immer, bis ich bewusstlos bin. Dann ist es vorbei. Wenigstens bis die Jagd von vorne beginnt. Doch irgendetwas ist heute anders. Dieses Mal wird er sich nicht zurückhalten. Vielleicht habe ich Glück und es ist das letzte Mal. Einer von uns beiden wird dem ganzen ein Ende bereiten.'# #,Meine Hände...Blut.....Blut! Überall!!!! Nein, das kann nicht sein.....Was ist das? Was ist das?! Glas....ich habe.....mein Gott.....Mörder....MÖRDER!!!! Was habe ich getan?! Die zerbrochene Flasche in meiner Hand... alles rot...es geht nicht ab... Aber ich...ich wollte doch nur mein Gesicht schützen! Ich wollte... wollte.......... doch nicht....... Bitte Mutter, sieh mich nicht so an...bitte.......... Ich kann dein Mitleid nicht ertragen... Verstehst du denn nicht, was ich gerade getan habe?! Ich habe meinen eigenen Vater getötet!!! Du musst mich hassen!!! Geh, fass mich nicht an! Ich bin das Letzte! Lass mich....lass mich........bitte.... Ich werde dich vermissen.'# "Ich werde dich vermissen...." ,Wie oft hatte ich gehofft diese Worte nicht noch einmal sagen zu müssen. All die Jahre habe ich niemanden mehr an mich herangelassen. Und dann... dann kamst du. Du warst der erste Mensch bei dem ich so etwas wie Glück empfunden habe, Misa. Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals jemanden so lieben würde. Wie egoistisch von mir. Was wird jetzt aus dir und Hikari? Die Kleine wird wohl in einem der überfüllten Heime aufwachsen. Wenigstens wird sie nicht auf der Straße leben müssen. Aber was geschieht mit dir, wenn sie von deiner Kraft erfahren? Tzt... jetzt bin ich schon so weit, dass ich selbst daran glaube... Was werden sie mit dir tun? Verdammt! Schon allein der Gedanke daran, dass Seiji... Verdammt! Komm zurück, Misa! Du darfst ihm nicht vertrauen! Bitte, ich werde auch alles tun... Wenn du mir nur verzeihst.' "Ich habe Hunger und mir ist kalt! Hallo, ist da jemand? Hört mich denn niemand?! Ich will zu meiner Mama..." Schluchzend vergrub sich Hikari in ihren Armen und weinte bitterlich, als sich plötzlich die Tür vor ihr öffnete. "Wer...wer bist du?" Das Licht warf tiefe Schatten über das Gesicht des gewaltigen Mannes, der ihr den Weg nach draußen wies. "Na komm schon, meine Kleine. Du wirst mich doch nicht etwa vergessen haben? Dabei habe ich mich schon so darauf gefreut dich wiederzusehen." "Komm her, ich tu dir auch nichts." Zögernd trat Hikari ins Licht, als sie sich schnell die letzten Tränen wegwischte, die über ihre Wangen rollten. "Komm her. Du trägst ein hübsches Kleid." Dabei beugte er sich näher zu dem kleinen Mädchen herunter, das etwas verwirrt seinen Bewegungen folgte. "Ich kenne dich nicht. Ich will...zu Misa." "Du bist doch ein großes Mädchen. Du hast doch keine Angst vor mir?" Dabei setzte er sich auf einen der Lehnstühle, des schäbig eingerichteten Zimmers. "Du riechst sehr gut." Instinktiv wich Hikari ein paar Schritte zurück, als er nach ihr griff, bevor er sie mit sanfter Gewalt zu sich auf seinen Schoß zog und an ihr schnupperte. "Schhhh....es wird dir nichts passieren. Ich muss doch auf dich aufpassen. Das habe ich doch deiner Misa versprochen. Sie wollte nicht, dass du dich allein fühlst, solange sie weg ist." Als er Misa erwähnte entspannte sich Hikari zusehends. Auch wenn er ihr fremd und ein wenig unheimlich war, so würde sie ihm doch vertrauen können. Schließlich hatte ihn Misa darum gebeten sich um sie zu kümmern. "Du bist ein braves Mädchen. Habe ich Recht? Und für brave Mädchen habe ich auch immer eine Überraschung. Du magst doch Überraschungen, oder?" Neugierig geworden nickte Hikari, als er unmerklich mit seinen Fingern ihr Knie berührte. Zufrieden ließ er seine Hand höher wandern und beugte sich nahe an ihr Ohr. "Weißt du, mir ist ein wenig langweilig. Wenn du ein bisschen mit mir spielst, bekommst du deine Überraschung. Einverstanden?" Zögernd nickte Hikari ein weiteres Mal. "Bei den Erwachsenen gibt es so eine Art Spiel. Eigentlich ist es ein Geheimnis, aber dir werde ich es zeigen. Würdest du nicht gerne wissen, was die so machen, wenn sie sich ein wenig amüsieren wollen? Soll ich es dir zeigen?" Durch die ungewohnten Berührungen verunsichert schüttelte Hikari nur den Kopf und versuchte sich dabei klammheimlich dem unangenehmen Körperkontakte zu entziehen. "Ich sagte doch, du brauchst keine Angst haben. Es ist nichts Verbotenes. Es ist sogar etwas sehr schönes, das sie machen, wenn sie sich ganz lieb haben. Deine Mama wäre bestimmt stolz auf dich, wenn du schon so ein großes Mädchen bist... Komm her." Das stetig liebevolle Lächeln auf seinem Gesicht, als er sie wieder an sich zog, nachdem sie sich vorsichtig gelöst hatte, ließ nichts Böses erahnen. Doch die Augen dieses Mannes glitten unruhig über Hikaris zierliche Form, während sein Atem schneller wurde, als er den nun zappelnden Leib an sich drückte und eine Hand zwischen ihre Beine gleiten ließ. ,Warum sieht er mich so komisch an? Ich will nicht, dass er mich da unten anfasst. Ich will doch nur nach Hause.' Unbeweglich, starr vor Angst. Keine Zeit für Tränen. Keine Zeit!!! Kalter, harter Boden. So kalt und hart wie der Körper über ihr. Zu spät... Erstickte Hoffnung. Unbeantwortete Fragen. Verzweiflung, Wut, Schmerz. Kein Raum und keine Zeit für Gefühle... Sei ganz ruhig, sei still und bewege dich nicht!... Ein unbändiger Schmerz, der die Seele vergiftet, den Körper zerreißt. Keine Zeit für Gefühle und doch...es tut noch immer weh. ,...nein, ich will das nicht...geh weg...es tut so weh...er soll aufhören....warum hört er nicht auf? Ich will dieses Spiel nicht spielen! .....ich habe doch nichts Böses getan! Mama, ich will nach Hause...ich will doch nur nach Hause.......warum hat mich Papa weggeschickt? Hattet ihr mich nicht mehr lieb?...bitte, Mama,.....ich will doch nur, dass du mich wieder lieb hast...ich will doch nur wieder nach Hause...es tut so weh....es tut so weh, Mama...ich bin auch nie wieder böse, Mama..........' Tja, vielleicht hätte ich vorher eine Warnung schreiben sollen, aber ich dachte allein von der Wirkung her ist es besser, wenn ich den Leser unvorbereitet wie die Protagnonisten selbst in diese Situation stoße. Besonders der letzte Teil mit Hikari war schwer zu schreiben. Ich weiß zumindest noch, dass ich tagelang um den Computer geschlichen bin, weil ich die Szene NICHT schreiben wollte. Ich hoffe inständig, dass ich damit niemanden verletzte. Aber diese und die nächsten Geschehnisse sind entscheidend für den späteren Verlauf der Handlung. Kapitel 24: ------------ Teil 24 Missmutig begutachtete Seiji seine nicht gerade exquisite Unterkunft, wie er sie ansonsten gewohnt war und legte angewidert seine Kleidung ab. ,Was tut man nicht alles. Aber ich könnte mich nun mal unmöglich mit diesen Delinquenten in der Öffentlichkeit zeigen. Gott sei Dank kann ich dieses Rattenloch morgen wieder verlassen. Hier bekommt man das Gefühl zu ersticken!' Mit einer ruckartigen Bewegung öffnete er das Fenster und atmete tief die frostige Luft, die seinen Körper umströmte, ein. "Das sie ausgerechnet in diesem Moment hereingeplatzt ist... Ihr kleiner Liebling war so voller Hass und Abscheu, wie ein ungebändigtes Tier. Ich bin mir sicher, sie hat ihn gar nicht wiedererkannt. Wer hätte gedacht, dass er nach allem noch so viel Mut besitzt sich mir entgegenzustellen. Damit hat er mir nur eine Menge Arbeit abgenommen. Ich dachte schon, es würde schwierig werden sie von den Tatsachen zu überzeugen. Nun wird sie nichts lieber tun, als nach Hause zu kommen und ihre Kleinmädchenträume vom strahlenden Ritter vergessen wollen." Seiji suhlte sich gerade in der Gewissheit seines glorreichen Sieges, als es plötzlich an der Tür klopfte. Etwas ungehalten über die späte Störung riss er die Tür auf und hielt gerade noch rechtzeitig inne, bevor er den ungebetenen Gast für seine Unverfrorenheit zur Raison bringen konnte. Schlagartig änderte sich seine Miene, als er geradezu entzückt seine Schwester erkannte. ,Ich hätte nicht gedacht, dass sie so bald zu mir kommen würde. Aber gut, ich habe schließlich lange genug gewartet.' Doch der Gaube an einen baldigen Triumph wurde innerhalb weniger Sekunden zerschlagen, als sie seine dargebotene Hand wegschlug und mit entschlossenen Augen den Schlüssel zu Kojiros Zimmer, oder besser gesagt Zelle, verlangte. "Ich habe das Recht ihn noch einmal zu sehen, bevor er seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Ich habe ihm einiges zu sagen, ehe ich endgültig mit diesem leidigen Thema abschließe." Der kalte berechnende Ton in ihrer Stimme erstaunte selbst den abgebrühten Drahtzieher des geschickt eingefädelten Schauspiels. Trotz ihrer kühlen Art hegte er dennoch starke Zweifel an der Wahrheit ihrer angegebenen Gründe, um den Blondschopf wiederzusehen. Nachdenklich tippte er sich an das Kinn und bat sie für einen Moment herein. "Ich weiß nicht, ob ich das verantworten kann. Immerhin ist er ein gefährlicher Verbrecher und..." "Und er ist gefesselt. Er stellt keine Gefahr für mich dar." ,Das ist mir neu. Seit wann zeigt das kleine Schmusekätzchen seine Krallen? Vielleicht sollte ich sie ihr erst noch stutzen.' Mit seinem charmantesten Lächeln näherte er sich seiner Beute und strich vorsichtig mit seinen Fingern ihren Arm entlang. "Du bist mir doch nicht böse, wenn ich dir sage, dass ich das unmöglich erlauben kann?" Mit einer ungestümen Bewegung wehrte Misa jeden Körperkontakt zu ihrem Adoptivbruder ab, während sie ihn mit drohend aufblitzenden Augen deutlich vor jedem weiteren Annäherungsversuch warnte. "Hältst du mich wirklich für so dumm?! Denkst du, ich wüsste nicht, dass du die ganze Sache geplant hast?! Ich habe nicht nur gehört, was Kojiro sagte, sondern auch jedes einzelne Wort aus deinem Mund. Wenn du also willst, dass ich mit dir nach Hause zurückfliege, gibst du mir jetzt den verdammten Schlüssel!" Durch ihren unerwartet heftigen Widerstand, huschte beinahe unmerklich ein Lächeln über sein Gesicht, ehe er ihr den Schlüssel aushändigte und ihr bewundernd hinterher blickte. ,Das keine Mädchen ist wohl erwachsen geworden. Gut, ein zu leichter Sieg war mir schon immer zuwider. Ich weiß schließlich den Spaß an einer richtigen Jagd zu schätzen.' Zögernd drehte Misa den Schlüssel vorsichtig im Schloss um und erstarrte für einen Moment, als im schwachen Lichtstrahl, des ansonsten dunklen Zimmers, sich der am Boden liegenden Körper langsam in eine sitzende Position aufrichtete und mit seinem widerstandslos hängendem Kopf aussah, als würde er seinen Henker erwarten. Nachdem sie mit einigen Schwierigkeiten den Lichtschalter gefunden hatte und die leicht flackernde Lampe notdürftig ein wenig Licht spendete, schloss sie hinter sich die Tür und betrachtete eine Weile, die noch immer in sich zusammengesunkene Gestalt. "Ich werde Seiji morgen nach Hause begleiten und der Heirat zustimmen. Das war es doch was du wolltest, oder nicht?" Mit weit aufgerissenen Augen folgte er der Stimme, die ihn in kürzester Zeit aus seiner Apathie riss. ,Ist sie es wirklich, oder... ich muss träumen.' Ungläubig blickte er sie sprachlos an, ehe er sich sicher war, das sein Geist ihm keinen Streich spielte und Misa tatsächlich vor ihm stand. "War alles nur ein Spiel für dich? Denn weißt du, ich...ich kann und ich will es auch gar nicht glauben, dass alles nur eine Lüge gewesen sein soll. Hast du mich denn nicht geliebt? Wenn...wenn du mich so getäuscht haben solltest, dann bist du der beste Schauspieler der Welt. Aber es ist auch egal. Ich wollte...mich nur von dir verabschieden." Bei diesen Worten krampfte sich augenblicklich sein Herz zusammen und er schluckte schwer den Kloß in seiner Kehle hinunter, ehe alle Gedanken die in seinem Kopf schwirrten aus ihm herausbrachen. "Misa...ich muss...ich will mich für so vieles bei dir entschuldigen, aber niemals werde ich um Verzeihung bitten, dass ich mich in dich verliebt habe. Du bist mit Abstand das Beste, das mir in meinem ganzen Leben begegnete ist... Ich...ich wollte nur, dass du das weißt, bevor du gehst." Die Tränen brannten bereits in ihren Augen, während sie den scharfen Gegenstand in ihrer Manteltasche umfasste und ein paar kleine Schritte auf ihn zuging. "Kojiro ich..." "Misa, ich weiß, ich habe dich verletzt, aber bitte hör auf mich, wenn ich dir sage, dass du Seiji nicht vertrauen darfst! Er hat nur vor dich zu benutzten! Diese ganze Geschichte von deiner Mutter... Halt mich für verrückt, aber ich glaube, dass sie dich aus genau diesem Grund nicht gehen lassen wollen. Du musst von hier..." Die Worte sprudelten nur so aus seinem Mund, als sie sich vor ihn kniete und ihn stürmisch küsste. Atemlos starrte er sie eine Weile aus großen Augen an, als sie ihm mit einem wehmütigen Lächeln die Haare aus dem Gesicht strich. "Man kann doch nicht von einem Tag auf den anderen aufhören jemanden zu lieben, oder? Ich werde dich vermissen...jeden Tag. Nun habe ich es am Ende doch verstanden... Die Liebe ist schon seltsam. Aber wir werden uns nie wiedersehen." Damit umklammerte sie zitternd das glänzende Objekt fester, während Kojiros Blick nun vollkommen ruhig auf dem Gegenstand ruhte. Traurig schloss sie ihre Augen, als sie sich langsam nach vor beugte und sich gegen ihn lehnte. "Kojiro? Ich weiß jetzt, dass du es nicht so gemeint hast. Aber du warst so verändert, als du Seiji... Du hast deinen Vater nicht absichtlich getötet, habe ich Recht? Ich denke, es ist an der Zeit, dass du dir endlich selbst verzeihst.... Ich habe nichts zu bereuen. Es war eine schöne Zeit. Danke.", flüsterte Misa ihm leise ins Ohr, als sie ihre Hände seinen Rücken entlang wandern ließ und mit einem Ruck die Fesseln mit dem Brieföffner durchschnitt. Für einen Moment kniff Kojiro die Augen zusammen und hielt überrascht die Luft an, als er das kühle Metall an seinen Händen spürte. "Du musst Hikari finden und mit ihr verschwinden! Ich traue hier niemandem. Ich habe sie seit wir getrennt wurden nicht mehr gesehen. Ich mache mir große Sorgen. Versprich mir, dass du auf sie aufpassen wirst! Sie hat mit dieser Sache nichts zu tun. Und sei bitte vorsichtig... Was siehst du mich so an? Hast du etwa geglaubt ich würde dich mit diesem Ding erstechen!?" Die Stricke durchtrennt, rieb er sich erstmals die schmerzenden Handgelenke, bevor er die vollkommen entrüstet dreinblickende Misa fest an sich drückte und sich an ihr festklammerte, als würde sie jeden Moment vor seinen Augen verschwinden. "Es tut mir Leid...es tut mir so Leid. Ich kann nicht ohne dich gehen. Ich lass dich nicht hier zurück. Ich bringe uns alle drei hier raus und dann..." "...wird uns Seiji unser ganzes Leben lang verfolgen, bis er uns gefunden hat. Es ist zu riskant. Für dich und Hikari. Du kannst mir nicht helfen. Außerdem brauche ich inzwischen keinen Aufpasser mehr. Ich komme gut alleine zurecht und mit Seiji werde ich schon fertig. Ich werde vorgehen und dir den Weg freihalten. Den Rest wirst du alleine schaffen." Noch bevor er etwas erwidern konnte, verschloss sie seine Lippen mit den ihren und löste sich von ihm, bevor er bemerkt hatte, dass sie sich vorsichtig aus seinen Armen gewunden hatte. Hastig löschte sie das Licht, bevor sie sich aus der Tür schlich und sich nach allen Seiten umsah, ehe sie ihm ein Zeichen gab, dass die Luft rein war. Das bitterliche Weinen eines Kindes, ausgehend von einem verborgenen Winkel des heruntergekommenen Hauses erweichte das schon lange erfrorene Herz ihres Peinigers nicht im Geringsten. ,...er kann mich nicht sehen.....nein, er wird mich hier nicht finden.... .es ist so dunkel.... hier wird mich niemand finden...niemand wird mir mehr weh tun....er darf mich nicht sehen...' Der kleine geschundene Körper verkroch sich immer mehr in der dunklen Ecke, um den fehlenden Schutz zu suchen, während er sich unberührt eine Zigarette anzündete. "Hör endlich auf zu heulen, oder ich stopf dir das Maul!" ,...nein, er kann mich nicht hören....er meint nicht mich....er kann mir nichts tun...ich will nicht...ich will nicht....ICH WILL DAS ALLES NICHT!' Wie ein Mantra murmelte Hikari leise, unzusammenhängende Worte vor sich hin, ehe diese in ihrem atemlosen Schluchzen untergingen und wiegte sich dabei zusammengekauert selbst hin und her, als sie grob aus der Ecke gezerrt wurde. Schreiend versuchte sie sich panisch aus seinem eisernen Griff zu lösen und trat, stieß und zog so fest sie nur konnte, bevor er sie wütend auf den harten Steinboden fallen ließ. "Kleines Biest, wer nicht hören will muss eben fühlen! Bisher habe ich versucht Verständnis zu zeigen und war noch sehr nett zu dir, aber ich werde dir wohl beibringen müssen, dass man...." "DAS WAS?!" Kojiro hatte ihn von hinten überrascht und rammte dessen Kopf hart gegen die nächste Wand, während Misa zu Hikari rannte und sie hochheben wollte, als diese sich heftig wehrend mit ihren Fäusten auf sie einschlug. "Hikari, ich bin es! Erkennst du mich denn nicht?! Ich bin es doch, Misa! Jetzt ist alles wieder gut. Niemand wird dir mehr etwas tun. Hikari!" Verzweifelt versuchte Misa sie zu beruhigen, doch diese schlug nur immer weiter auf sie ein, bevor sie erschöpft in sich zusammensank. "Kojiro, was..." Ein leiser Verdacht beschlich Misa, der nicht niederschmetternder hätte sein können und von Kojiros entsetztem Blick nur bestärkt wurde. "Nein.. nein... Hikari, sieh mich an, bitte...was hat er..." Aber anstatt einer Antwort, sah sie Misa nur aus leeren Augen an. "Ich hasse dich." In Hikaris Stimme lag keine Wut, kein Zorn. Nur eine absolute Leere. Kein Kind, das sie unschuldig anblickte und nach immerwährender Aufmerksamkeit verlangte, wie bisher. Lachend erhob sich der Mann und wischte sich das Blut von der Stirn, ehe er es genüsslich von seiner Hand leckte. "Keine Sorge, die Kleine hatte ihren Spaß. Ich habe sie nur ein bisschen eingelernt, bevor ich sie auf die Straße schicke." In Sekundenschnelle verschwand sein süffisantes Lächeln, als ihn Kojiros Faust mitten im Gesicht traf. Blind vor Wut schlug und trat er immer wieder auf die Mensch gewordene Ausgeburt des Teufels ein und gab ihm keine Zeit sich zu erholen, als Misa ihn plötzlich an der Schulter festhielt und ihn von der zusammengebrochenen Gestalt wegzog. "Bring sie von hier weg! Bitte Kojiro, kümmere dich um sie." Erst jetzt fiel sein Blick auf Hikari, die wie in Trance auf dem Boden saß und nichts mehr um sich herum wahrzunehmen schien. Kurz nickte er Misa zu, umarmte sie noch flüchtig, bevor er sich vorsichtig der Kleinen näherte und sie hochhob. "Ich werde jetzt auf dich aufpassen, ok? Hörst du mich? Ich werde nicht zulassen, dass dir noch einmal jemand weh tut." Wie eine leblose Puppe ließ sie sich von ihm auf die Arme nehmen und machte nun auch keine Anstalten mehr ihn davon abzuhalten. Gerade als sie den Ausgang in diesem Labyrinth gefunden hatten, stellte sich ihnen eine großgewachsene, schlanke Figur in den Weg. "Na sieh mal einer an. Wen haben wir den hier? Ich dachte, ich hätte dich bereits gewarnt, dass ich dir alle Knochen brechen werde, wenn du versuchen solltest zu verschwinden. Ich würde ja gerne sagen, dass es mir Leid tut, dass du es trotzdem probiert hast, aber ich war schon immer ein von Grund auf ehrlicher Mensch." Kojiro war mit seinem Bündel in den Armen unfähig sich den Weg freizukämpfen und warf einen hilflosen Seitenblick auf Misa, die ihm verstehend zunickte. Vorsichtig übergab er Hikari in ihre Arme und begab sich in Kampfposition, um sich seinem Gegner zu stellen, als er hinter sich Schritte hörte. "Ich hätte wissen müssen, dass sich meine Schwester nicht so leicht geschlagen gibt. Es war offensichtlich ein Fehler dir zu vertrauen und dir den Schlüssel zu geben. Denkst du nicht eine Minute an Vater? Kannst du dir überhaupt vorstellen, was du ihm mit deinem Verschwinden angetan hast? Er wartet jeden Tag darauf, dass du zurückkommst." Misa war mit ihrem Verständnis und ihrer Beherrschung schon lange an ihrer äußersten Grenze angelangt und kurz davor zu explodieren, als sie auch noch die Stimme ihres Bruders, der für all das verantwortlich war, hinter sich hörte. "Komm mir besser nicht zu nahe, oder ich kann für nichts mehr garantieren!" Doch ungeachtete der ernst gemeinten Warnung, ging er gelassenen Schrittes auf die umzingelten Flüchtlinge zu, als Hikari begann wieder wild um sich zu schlagen, bis Misa sie schweren Herzens auf den Boden stellte, bevor diese sich ängstlich an Kojiros Bein klammerte und sich vor den fremden, unheimlichen Männern zu verstecken versuchte. Beschützend legte er einen Arm um die Kleine und beobachtete beunruhigt, als Misa in ihre Manteltasche griff. "Was hat denn die Kleine? Sie vermisst doch nicht etwa ihre Mami?" Durch seinen gehässigen Unterton, den letzten Funken ihrer Selbstkontrolle verlierend zog Misa blitzschnell den messerscharfen Brieföffner, den sie noch immer bei sich trug, aus ihrer Manteltasche und setzte ihn, ehe Seiji wusste was geschah, unter seiner Kehle an. "Misa! Er ist es nicht wert! Tu's nicht!" "Du wusstest alles!...von Anfang an. Du schreckst noch nicht einmal davor zurück ein unschuldiges Kind... Du bist das Allerletzte! Gib mir nur einen Grund, warum ich dich nicht auf der Stelle töten sollte!" Zuerst ihren Wutausbruch mit einem herablassenden Lächeln abtuend, trat ihm unversehens der Schweiß auf die Stirn, als sie bereits ansetzte und die ersten Blutstropfen seine Kehle entlang rannen. "Du würdest doch nicht deinen eigenen Bruder... Misa..... Wir wollten doch heiraten." Beruhigend hob er seine Hände, um seine Männer vor einer unüberlegten Tat abzuhalten, die ihn in diesem Fall Kopf und Kragen kosten würde. "Ich dich?! Bring mich nicht zum Lachen! Hast du gedacht, ich würde auf deine Spielchen noch einmal hereinfallen?! Ich liebe Kojiro und daran wird sich nichts ändern! Hast du diesen Kerlen Hikari versprochen, wenn sie ihren Auftrag erfüllt haben?! LOS, SAG ES!" Vorsichtig wollte er ein paar Schritte zurücktreten, als sie bei Seijis Versuch ihr den Brieföffner aus der Hand zu nehmen nur unerbittlich weiter seine Haut durchbrach und ihn aus kalten Augen anfunkelte. "Gut, was willst du hören?! Dieses Blumenmädchen...ein trauriges Schicksal, aber so ist das Leben! Sie war nun mal ein einfaches Mittel zum Zweck!" Schockiert über seine Worte ließ Misa die Waffe sinken, bis sie aus ihrer Hand glitt und dumpf zu Boden fiel. Erleichtert wagte es Seiji wieder auszuatmen und gab seine Fassung wiedergewonnen den Befehl sie einzusperren. "Das wirst bereuen! Hast du vergessen? Ich bekomme immer, was ich will! Wenn du mich noch einmal abweisen solltest, werde ich die beiden hier, vor deinen Augen töten lassen. Hast du nun endlich verstanden?!", zischte er ihr gefährlich leise zu, bevor er den anderen das Zeichen gab sie nach oben zu führen. "Das gilt im Übrigen auch für dich. Wenn du nur einen Mucks machst ist die Kleine die erste, die stirbt." Kojiro waren die Hände gebunden, wenn er verhindern wollte das Hikari etwas zustieß. Widerstandslos ließ er sich von den anderen Männern überwältigen, die eher enttäuscht über seine Gehorsamkeit, die neuen Fesseln anlegen wollten, als Hikari sich langsam von ihm löste und einige Schritte auf Misa zuwankte, die bereits von zwei Männern eskortiert die Treppe hinaufgeführt wurde. "Misa! Ich....es..." Außer sich vor Freude, dass ihr kleiner Engel wieder mit ihr sprach, drehte sich Misa um, als ein markerschütterndes Geräusch das Blut in ihren Adern gefrieren ließ. Ein Schuss. Laut. Ohrenbetäubend. Ein Lächeln verschwindet. Regungslose Erstarrung. Taumelnde Bewegung. Blut. Die Welt steht für einen Moment still, bevor der Sturm über sie hereinbricht. Unfähig sich zu bewegen in diesem wahrhaftigen Alptraum, zog das Geschehen an Kojiro vorbei, während sich Misa losriss und sich im nächsten Moment über den zitternden kleinen Körper beugte und ihn leicht anhob, um ihr das Atmen zu erleichtern, als das dunkle Rot aus ihren Mundwinkeln floss. "Es wird alles wieder gut, mein Schatz... es ist alles in Ordnung." Leise geflüsterte Worte ohne Bedeutung, um sich selbst zu beruhigen. "Ich... Es tut so weh...ich wollte doch nur...nur sagen, dass....dass es mir Leid tut... Warum...warum tut es so weh... Bitte mach das es aufhört.....bitte...es tut so weh...." Eine hilfesuchende Hand, die ins Leere tastet. "Ich...Es tut mir so Leid... ich weiß nicht... ich weiß doch nicht...wie..." Verzweifelte Hoffnungslosigkeit, ein Bekennen ohne Schuld. "Misa?.......Kannst du...kannst du mich nach Hause bringen?... ...Ich will nach Hause.. bitte..... .ich bin auch ganz brav... .........versprochen...... .... ...." Ein stiller Atem ohne Leben. Ein Lächeln ohne Gesicht. Die Augen blicken starr. TOD Von Tränen blind, nickte Misa nur während sie sich ein Lächeln auf die Lippen zwang und ihr beruhigend durch das feine blauschwarze Haar strich. "Hikari? Hikari?! HIKARI!!!" Aus Liebe geschaffen. Eine Glut von hellem Licht. Geboren aus der Dunkelheit der Verzweiflung, um zu zerstören und zu rächen. Die Erde bebt. Das Gebäude erzitterte unter der seltsamen Kraft die von Misas Körper Besitz ergriffen hatte. Ungläubig starrten die Anwesenden auf das fremdartige Wesen vor ihnen. Mit aller Kraft presste es den leblosen Körper des soeben getöteten Kindes an sich, während ihre golden glühenden Augen nach den Schuldigen suchten. "Das ist nicht möglich! Sie gehört mir! DU...DU HAST ES GEWAGT..." Seiji zog außer sich einen Revolver aus dem Halfter des Mannes neben sich und zielte auf Kojiro, der noch immer wie erstarrt auf seine beiden Mädchen blickte. Das eine tot in den Armen seiner Geliebten, die durch eine glühende Aura, deren Macht er deutlich in sich selbst spüren konnte, umgeben war. Mit zusammengekniffenen Augen fixierte Misa Seiji, als der Boden unter den Füssen der verängstigten Männer aufbrach und Teile der Decke auf diese zu stürzen drohten. Schnell ergriffen diese die Flucht, während Seiji wie durch Magie regungslos in der Luft hing, bevor er gegen die nächste Wand geschleudert wurde. Nach Atem ringend hielt er seine verletzte Schulter und kroch über den aufgerissenen Boden, um ein Versteck vor dem unberechenbaren Wesen zu suchen, das immer näher kam, um mit ihm abzurechnen. #'Wenn sie jemanden töten sollte, wird sie ihre Seele verlieren.'# Kaoris Worte hallten in Kojiros Erinnerung nach und die grausame Realität traf ihn mit einem Schlag, als Misa kurz davor war für Hikaris Tod Rache zu fordern. Aus seinem Dämmerzustand erwacht, stellte er sich Misa entgegen, um das schlimmste zu verhindern. "Misa! Mach nicht den gleichen Fehler wie ich! Das bist nicht du!" Das Glühen in den Augen verschwand, doch die leuchtende Aura strahlte so hell wie zuvor. "Kojiro?" Zweifelnd versuchte Misa ihren Blick zu klären und schien soeben erst zu erwachen, als ihr Blick auf Hikari fiel, die sie noch immer fest umklammert in ihren Armen hielt. Das noch warme Blut aus der Schusswunde am Rücken tropfte unaufhörlich zu Boden und haftete klebend an Misa, als diese sie nur fester an sich drückte und ihren Kopf schluchzend in dem zerbrechlich wirkenden Körper vergrub. "Ich bring dich nach Hause...ich bring dich nach Hause... versprochen... ich war so dumm... Ich habe gedacht, ich könnte mich um dich kümmern,... dir deine Familie ersetzten.... Es tut mir so Leid... so Leid. Bitte, verzeih mir..." Die kleinen Arme und Beine hingen bleiern nach unten. Der Kopf an dessen Seiten sich blutverkrustete Spuren zogen, fiel leblos nach hinten. #"Bist du jetzt böse auf mich?" "Wer könnte dir schon böse sein? Wo sind eigentlich deine Eltern?" "Duuu...Trägst du mich?" "Warum sollte ich das tun? Du kannst doch wohl selber laufen."... "Hüüüüü" "Hikari ist gerade Mal fünf Jahre alt. Sie ist selbst für ein so genanntes Blumenmädchen ungewöhnlich jung. Die meisten fangen erst mit sieben an." "Wir gehen doch hin, oder? Ich darf doch." "Was fragst du mich?!" "Wer soll es mir denn sonst erlauben?" "Ich mach dir eine neue Frisur." "Hi..Hikari, was ist DAS DA?!!!" "Ich werde jetzt auf dich aufpassen, ok? Hörst du mich? Ich werde nicht zulassen, dass dir noch einmal jemand weh tut."# Der entsetzliche Anblick des kleinen Engels, der sie die letzten Tage immer auf Trab gehalten hatte und den sie in ihr Herz geschlossen hatten, brannte sich tief in Kojiros Inneres, als er sich vorsichtig den beiden näherte. "Nicht Kojiro! Bleib weg! Ich...ich bin ein Monster...ich bin ein Monster.... Geh weg...GEH!" Misa Aura erlöschte, als sie ängstlich ein paar Schritte zurückwich, bis sie stolpernd das Gleichgewicht verlor. Wimmernd hielt sie schützend das Kind an sich gepresst, dass sie selbst jetzt nicht losgelassen hatte. Zitternd wischte er sich schnell die Tränen aus den Augenwinkeln und kniete sich vor die beiden hin, ehe er behutsam Hikaris Augen schloss und sie auf die Stirn küsste. "Wir müssen gehen." Kojiro suchte seinen letzten Funken an Standhaftigkeit, um wenigstens Misa vor ihrer Familie und deren Intrigen zu beschützen. "Ich kann nicht.", flüsterte sie leise, mehr zu sich selbst. "Ich lass dich hier nicht zurück! HÖRST DU! Wir müssen von hier verschwinden!" Daraufhin schüttelte er sie, bis sie ihn aus leeren Augen ansah und zog sie mit Hikari zusammen hoch. Kojiro wagte es nicht ihr das kleine Bündel abzunehmen und hoffte inständig, dass sie ihm freiwillig folgen würde. Das kleine Mädchen in ihren Armen noch immer fest umklammert ließ sie sich unbewusst von Kojiro über all die Bruchstücke nach draußen führen, bis ihnen der kalte Wind der inzwischen sternenklare Nacht erbarmungslos entgegenschlug. Also vielleicht werde ich jetzt doch noch von irgendjemandem geschlagen oder gewürgt... Aber ich sage zu meiner Verteidigung, es tut mir sehr, sehr Leid, dass die Kleine gestorben ist. Ich hatte nur einfach von Anfang an geplant, dass sie im Laufe der Geschichte stirbt. Und sie ist mir ja auch sehr ans Herz gewachsen. Deswegen war das auch alles andere als leicht zu schreiben. Und zu Seiji kann ich nur sagen: Bähhhh... da ist dir wohl einer zuvor gekommen, was? Kapitel 25: ------------ Teil 25 Unruhig lief Kaori bereits den ganzen Abend auf und ab und wimmelte nebenbei die lästigen Fragen Kiras ab, der sich nun durch das Ausbleiben der drei Gäste und den Ereignissen des Nachmittags, doch sichtlich um sie sorgte. "Du solltest nicht so viel trinken. Deswegen kommen sie auch nicht eher zurück." Auf diese Bemerkung hin, bedachte sie Kira mit hochgezogenen Augenbrauen und musste leicht schmunzeln. "Und das aus deinem Mund. Ich versuche hier lediglich meine Nerven zu beruhigen. Was für eine Entschuldigung hast du für gestern Abend?" Sich räuspernd wechselte er schnell das Thema, bevor sie noch auf die Idee kam weitere Fragen zu stellen. Besonders für den Fall, dass ihr seine peinliche Aktion am Vorabend zu Ohren gekommen war. "Warum sagst du mir nicht endlich, was dass heute Nachmittag sollte. Ich gebe nicht eher Ruhe, bevor du mir keine Erklärung dafür geliefert hast. Denn normalerweise ohrfeigst du nicht gerade deine Gäste aus irgendwelchen unersichtlichen Gründen. Zumindest hatte ich bisher diesen Eindruck." Sie wusste, dass er sich nicht geschlagen geben würde und ließ sich nun resignierend auf das Sofa neben ihm fallen. "Kira, du würdest mir ohnehin kein Wort glauben. Aber ich versuche dir die wesentlichen Dinge zu erklären, um die Situation zu verstehen." Sie holte noch einmal tief Luft und ordnete ihre Gedanken, bevor sie dem nun neugierig wartenden Kira selbst ein Glas des alkoholischen Getränks in die Hand drückte. "Du weißt, ich war schon einmal verheiratet. Misa ist die Adoptivtochter meines Ex-Mannes, Zutomu Wakabashi." Bei dem Namen runzelte die Stirn, da er glaubte ihn schon einmal gehört zu haben. Kaori hatte zuvor kein Wort über ihre frühere Ehe verloren und ging dem leidigen Thema immer liebend gern aus dem Weg. "Zufälle gibt's. Der Name kommt mir übrigens bekannt vor." Nickend starrte Kaori in ihr halbleeres Glas und schwenkte es dabei leicht hin und her. "Kein Wunder, er ist ja auch der Gründer des Wakabashi-Konzerns." Mit großen Augen blinzelte er nun seine Stiefmutter an. "Das ist'n Witz, oder?" Kopfschüttelnd stellte sie nun das Glas, an das sie sich zuvor geklammert hatte, beiseite. "Nein. Und ich würde es vorziehen wenn du mich nun zu ende erzählen lässt und mich nicht weiter unterbrichst. Ich rede nicht gerne über diese Zeit." Nun nahm Kira auf diesen Schock hin auch zum ersten Mal einen großen Schluck und lehnte sich wieder in eine bequemere Lage zurück. "Um es kurz zu sagen: Zutomu war ein skrupelloser Bastard. Er hat Misas Mutter nur ausgenützt und sie in den Selbstmord getrieben. Danach nahm er sie als seine eigene Tochter auf. Nur um auch ihr ein Schicksal aufzubürden, dass dem ihrer Mutter gleichgekommen wäre. Doch gerade als der Kreislauf wieder von vorne beginnen sollte, nahm sie Reißaus. Ich habe versucht sie heute vor Zutomu zu warnen, da sie damals noch zu klein war, um diese Dinge zu verstehen. Verständlicherweise glaubte sie mir kein Wort. Um auf andere Gedanken zu kommen ist sie mit der Kleinen spazieren gegangen, aber wie du siehst ist sie noch nicht zurück. Ich hoffe, der Junge hat sie gefunden, bevor er es tut." Kira saß nach diesen Informationen wie auf einem Nadelkissen. Er hatte so viele Fragen, wagte es aber nicht sie zu stellen, da sie ihn gebeten hatte bis zum Schluss damit zu warten. So nahm er nur wieder einen großen Schluck und wartete gespannt darauf, dass sie fortfuhr. "Ich habe, als ich ihn damals verlassen habe, auch einen Sohn zurückgelassen. Er dürfte jetzt ungefähr in deinem Alter sein. Ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen. Er ist hinter Misa her und er wird, wenn er, wie ich befürchte, nach seinem Vater geraten ist, nicht eher aufgeben, bis er hat, was er will." Mehr wollte Kaori ihrem Stiefsohn nicht mehr erzählen. Und würde sie auch nur ein Wort über diese Kraft verlieren, die Misa in sich trägt, würde er wahrscheinlich die nächste Psychiatrische Anstalt anrufen, um sie einliefern zu lassen. Dieser saß auch gerade mahr als überwältigt da und leerte den Rest seines Glases in nur einem Zug, bevor er sich noch einmal selbst nachschenkte. Gerade bevor er sich gesammelt hatte, um Fragen zu stellen, stürzte eines der älteren Zimmermädchen in den Raum. "Sie sind hier. Das Mädchen... Frau Hinoto... ich....." Sie war kreidebleich, als sie verloren in der Mitte des Zimmers stand und vor sich hinstammelte. Sofort eilten Kaori und Kira mit ihr zur Eingangshalle, in der die kleine Gruppe im schummrigen Licht stand. Erleichtert wollte Kaori schon auf Misa zueilen, als sie von der Hand Kiras an ihrem Unterarm gestoppt wurde, der nun ebenfalls blass auf das kleine Bündel in ihren Armen starrte. Ihre Hände waren blutverschmiert, von der Kleidung gar nicht erst zu sprechen, während sie zitternd den Körper an sich drückte. Zögernden Schritts ging Kaori auf die beiden zu und schlug sich bei näherer Betrachtung der kleinen Hikari die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Wortlos kam nun auch Kira auf die beiden zu, als Kojiro sich an Misa wandte und das Mädchen vorsichtig aus ihren Armen zu schälen versuchte. "Misa, lass los." Doch sie schüttelte nur den Kopf und wich einen Schritt von ihm zurück. "Ich habe ihr versprochen, dass ich sie nach Hause bringe. Ich habe es ihr versprochen." Um in diesem Moment nicht auch noch selbst vor ihr zusammenzubrechen, setzte er so gut es ging seine gleichgültige Maske auf und versuchte seiner Stimme einen festen Ton zu geben. "Wir wissen noch nicht mal, wo ihre Familie lebt. Misa, lass sie los!" "Nein. Bitte... Kojiro." Sie sah ihn dabei so flehend an, dass ihm beinahe das Herz brach, als er Hikari letztendlich an sich nahm und sie in Kiras bebende Arme legte. "Wir bringen nur diese Familie weiter in Gefahr, wenn wir noch länger hier bleiben. Komm, Misa. Wir müssen gehen." Bei dem Gedanken Schuld daran zu tragen, dass weitere Menschen verletzt werden könnten, brach sie ein weiteres Mal in Tränen aus, bevor sie sich zum Gehen wandte. Doch noch bevor sie die Tür erreicht hatten, legte Kaori Kojiro eine Hand auf die Schulter. "Mit diesem Kleid kann sie unmöglich unbemerkt reisen. Wartet einen Augenblick." Ohne zu zögern schlüpfte sie hastig aus ihrem eigenen und hielt es Misa hin, die nur verständnislos auf das dargebotene Kleid starrte. "Komm zieh das an." Mit zittrigen Fingern schälte sie sich aus ihrer blutverschmierten Kleidung und zog das Gewand über, bevor Kaori ihr einen ihrer Mäntel umlegte. "Meldet euch, sobald ihr in Sicherheit seid." Stumm nickte ihr Kojiro zu, ehe er mit dünner Stimme einen leisen Dank murmelte und die beiden in der Schwärze der Nacht verschwanden. Wie in Trance beobachtete Kira die ganze Szene, als wäre er nur ein Zuschauer in einem schlechten Film. Selbst das tote Mädchen in seinen Armen holte ihn nicht wieder in die Realität zurück, als er nur schweigend auf den leeren Flur starrte, während Kaori ihn eindringlich musterte. Er stand eindeutig unter Schock und war noch nicht fähig zu begreifen, was geschehen war. Vorsichtig kam sie näher und führte ihn bis zu einem Stuhl auf den er sich setzten sollte. Dort angekommen betrachtete sie noch einmal das leichenblasse Gesicht des schwarzhaarigen Mädchens und streichelte ihr zärtlich ein paar verklebte Strähnen aus der Stirn. In diesem Moment schien er zum ersten Mal zu verstehen, dass das fragile Wesen nicht mehr atmete, sich nicht rührte. Schluchzend ließ er sich von Kaori in eine tröstende Umarmung ziehen, die ihm beruhigend über den Kopf streichelte, während ihr selbst die Tränen kamen. Das morbide Haus drohte bereits einzustürzen, als sich Seiji einen Weg nach draußen suchte. Die Schulter war zusammen mit ein paar Rippen gebrochen und jeder einzelne Schritt und Atemzug bereitete ihm höllische Qualen. Trotzdem ging er immer weiter in die Richtung einer kleinen Gruppe von Männern, die eigentlich für seine Sicherheit garantieren hätten sollen. Doch stattdessen waren sie feige davongelaufen, als seine werte Schwester ihre Kraft freisetzte und nur so nebenbei versucht hatte ihn umzubringen. Um zu behaupten seine Laune war schlecht, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen. Als er das Gesicht desjenigen entdeckte, der der Auslöser für dieses ganze Chaos gewesen war, indem er ohne ersichtlichen Grund auf das Mädchen geschossen hatte, verengten sich seine Augen zu kleinen Schlitzen. "Ich dachte, sie wollte...ich sollte doch......" Doch zu mehr kam der Mann nicht mehr, da Seiji seine Pistole aus dessen Halfter zog und sie direkt vor sein Gesicht hielt. "Seht es als eine Art Warnung an, mich noch einmal zu verraten." Damit zielte er nun genau auf den Schritt, des in kalten Angstschweiß ausgebrochenen Mannes, bevor er abdrückte. Die Polizei wurde bereits verständigt und man erwartete jeden Augenblick ihre Ankunft, als schließlich ein Auto in die Auffahrt fuhr und einige Männer aus einem schwarzen Wagen stiegen. Allen voran ein junger Mann, der offensichtlich Schwierigkeiten hatte aufrecht zu gehen. Nervös ergriff Kaori den Türknauf und atmete noch einmal tief durch, ehe sie die Tür öffnete und sie in das wutverzerrte Gesicht, das sie mit eiskalten Augen zornig anfunkelte, blickte. "Wo ist sie?!" Der forsche Ton in seiner Stimme ließ nun keinen Zweifel mehr. "Seiji." Kaori sah nun zum ersten Mal in das Gesicht ihres inzwischen 23 Jahre alten Sohnes, der umgeben von Yakuza vor ihr stand wie der Racheengel höchstpersönlich. Noch ehe er Zeit hatte sich zu fragen, woher sie seinen Namen kannte, hatte sie auch schon ihre Hand in die Höhe erhoben und verpasste ihm eine Ohrfeige, die er sein Leben lang nicht vergessen sollte. Vollkommen überrascht stolperte ein paar Schritte rückwärts, während einer der Männer eine Waffe zog und diese auf die seltsam bekannte Frau vor ihm richtete, als er plötzlich erkannte, wer sie war. Beinahe panisch griff er nach dem ausgestreckten Arm mit der Pistole in der Hand und gab ihm damit zu verstehen sie schleunigst wieder einzustecken, wenn er nicht das Schicksal seines Kollegen teilen wollte. Zum ersten Mal in seinem Leben war er sprachlos. Er hatte schon längst die Hoffnung aufgegeben seine Mutter jemals wieder zu sehen. Doch nun stand sie vor ihm und war doch unerreichbar. Die Situation verbot jegliche Empfindung. Als sie ihn mit 12 Jahren allein zurückgelassen hatte, nahm sie auch jeden Rest an Gefühlen, die er in sich trug mit sich. Er konnte es sich nicht leisten ausgerechnet jetzt Schwäche zu zeigen. Wie zu Stein erstarrt stand Seiji da, ehe er die Hand ausstreckte und zögernd nach ihrem Arm griff, den diese hastig aus seiner Reichweite zog. "Hier wirst du Misa nicht finden. Aber du hast Recht. Sie war hier. Bei Gott, ein fünf jähriges Mädchen... Welche Bestie ist nur aus dir geworden. Ich wünschte ich hätte dich nie geboren!" Ihre Stimme als sie sprach war beinahe monoton. Nur den letzten Satz spuckte sie förmlich mit all ihrer Abscheu, die sie gerade empfand, in sein Gesicht, bevor sie die Tür vor seiner Nase zuschlug. Hikaris Leiche wurde noch in derselben Nacht abgeholt. Die nicht enden wollenden Fragen der Polizei mussten immer und immer wieder mit dem gleichen Bericht beantwortet werden. Die Verhöre schienen eine Ewigkeit zu dauern, bis man Kira und Kaori wieder nach Hause gehen ließ, als man den Mörder des Mädchens in der Nähe des Bahnhofes fand. Ungewöhnlicherweise erklärte der schwerverletzte Mann sich ohne Ausflüchte schuldig, er habe sie aus sexuellen Motiven getötet und sich im Nachhinein selbst verstümmelt, indem er die Pistole auf seine eigenen Geschlechtsteile richtete. Ab jetzt gehts, ich versprech es hoch und heilig, wieder ein wenig bergauf. Ich kann schließlich niemanden in eine tiefe Depression stürzen... am wenigsten mich selbst. Kapitel 26: ------------ Teil 26 3 Monate später: Jegliches Sonnenlicht wurde durch die schweren Brokatvorhänge aufs sorgfältigste abgeschirmt. Seufzend warf eine Frau mittleren Alters und aufgesteckten schwarzen Haaren durch einen Spalt einen Blick nach draußen, bevor sie sich wieder dem alten Mann mit dem grauen, eingefallenen Gesicht und den schwarzen Ringen unter den Augen zuwandte und das volle Tablett auf der Anrichte neben dem Bett musterte. "Bitte, Herr Wakabashi! Sie müssen endlich essen! Ich kann das nicht länger mitansehen. Sie hungern sich noch zu Tode. Aber das bringt ihre Tochter auch nicht zurück!" "Schweig!... Ich lege die Firma für die nächste Zeit in Seijis Hände. Er dürfte sich inzwischen von seinem Unfall erholt haben. Ich denke, er hat inzwischen genug Erfahrung gesammelt, um eine Weile ohne mich auszukommen. Ich werde Ihnen eine Empfehlung schreiben. Mit Ihren Referenzen dürfte es Ihnen keine Schwierigkeiten bereiten eine geeignete Anstellung zu finden, in der Sie Ihre Fähigkeiten weiter unter Beweis stellen können." "Sie schicken mich weg?! Aber ich..." "Sie verschwenden hier nur Ihre Zeit. Ich habe Sie schließlich nicht eingestellt, damit sie einen kranken Mann pflegen." Mit energischem Blick setzte sie sich ans Bett und hielt ihm eine Tasse Tee an die Lippen. Sie war eine der Wenigen, die mit seinem schwierigen, aufbrausenden Charakter zurecht kam und nicht gleich in Tränen ausbrach, wenn er einen schlechten Tag hatte und seine Laune an anderen ausließ. "Mein Vertrag wurde von Ihnen vor ein paar Monate um ein Jahr verlängert. Inzwischen stehe ich bereits das fünfte Jahr in Ihren Diensten. Sie sagten, Sie würden mir ihr volles Vertrauen schenken. Also überlassen Sie mir die Entscheidung, wo meine Aufgaben liegen." * Im schummrigen Licht der Pianobar suchte eine junge Frau mit braungelockten Haaren ihre Notenblätter zusammen und verstaute sie in ihrem Rucksack, als ihr ein älterer Herr ein Glas Orangensaft anbot, dass sie dankend mit einem Lächeln annahm. "Madame, es war wie immer eine Freude Ihnen zuzuhören. Aber sie sehen in letzter Zeit etwas blass aus. Ich hoffe, Sie haben sich nichts eingefangen." "Keine Sorge, Herr Ukomota. Ich bin nur etwas müde, weil ich es noch nicht gewöhnt bin spät abends zu arbeiten. Das geht vorbei." Schnell lehrte sie das Glas in nur einem Zug, als sie einen Blick auf die Uhr warf. ,Mist, so spät! Kojiro ist sicher schon zu Hause.' Eilig verabschiedete sich Misa, bevor sie ihren Mantel schnappte und sich auf den Weg zu ihrer gemeinsamen Wohnung machte. Nach jener schrecklichen Nacht sind wir weiter nach Süden gezogen. Wie ich später erfuhr in Kojiros Geburtsstadt Rojukuu. Eine riesige Millionenstadt in der der einzelne unwichtig ist und man mit Freude jede Anonymität willkommen heißt. Offiziell waren wir ein frisch verheiratetes Ehepaar mit Nachnahmen Aogiri. Hier hatte der Frühling längst begonnen, während zu Hause noch die letzten Schneeflocken fielen. Die Polizei war, wie wir leidlich erfahren mussten, immer noch hinter uns her. Ich war auf Grund von Seijis grausam durchdachten Plan wegen Diebstahls und Kojiro wegen Mordes gesucht. Ich kam mir vor wie Bonnie und Clyde. Nachdem wir eine kleine Wohnung gefunden hatten, verschwand Kojiro oft den ganzen Abend und kam erst frühmorgens völlig zerschunden und mit immer neuen Platzwunden zurück. Dabei hatte er auch immer ein Bündel von Geldscheinen mit nach Hause gebracht. Misstrauisch folgte ich ihm eines Abends und entdeckte dabei sein kleines Geheimnis. Kojiro nahm an unerlaubten Straßenkämpfen teil, bei denen Regeln keine Rolle spielen, um für uns beide die Miete zu bezahlen. Es war auch das erste Mal, dass ich mich nachts auf die Straße gewagt hatte, da ich mich bisher in der Wohnung verkrochen hatte und selbst Kojiro nicht an mich heranließ. Ich hatte ihn immer wieder abgewiesen, obwohl ich wusste, wie sehr ihm die ganze Sache selbst zu schaffen machte. Jede Berührung war mir zuwider. Diese neue Kraft in mir war angsteinflössend und unkontrollierbar. Ich wollte niemanden unabsichtlich verletzten. Am aller wenigsten Kojiro. Die brutale Gewalt mit der unerbittlich gekämpft wurde, machte mich fast panisch, als ich ihn inmitten dieser johlenden Menge, die sich in einem Kreis versammelt hatte, meinen unverkennbaren Blondschopf entdeckte, der sich gerade in einem erbarmungslosen Kampf mit einem etwa doppelt so breit gebauten Mann befand. Aus lauter Angst bemerkte ich nicht, dass ich aus Versehen diese verabscheuungswürdige Kraft einsetzte und die Erde zu beben begann, während sich ein Sturm zusammenbraute. Kojiro musste es gespürt haben, denn er sah unverzögerlich in meine Richtung und musste dabei einen harten Schlag direkt ins Gesicht einstecken, bevor auch sein Angreifer das Weite suchte, als das Erdbeben stärker wurde. Gerade als ich mir Kojiro vorköpfen wollte, senkte er entschuldigend den Kopf und bat mich um Verzeihung, bevor er sich umdrehte und seine Jacke vom Boden aufhob. Er wusste, dass ich meine Kraft eingesetzt hatte, sagte jedoch kein einziges Wort dazu. Stattdessen hielt er mir nur ein paar Geldscheine hin, während er sein Gesicht noch immer von mir abgewendet hielt. Zögernd nahm ich sie entgegen, als ein Kloß in meiner Kehle drohte mir die Luft abzuschnüren. "Kojiro, warum siehst du mich nicht an?" Doch anstatt einer Antwort ballte er nur die Hände zu Fäusten und schloss die Augen. "Hast du... hast du Angst vor mir? Schon gut, ich kann dich verstehen...ich..." Gerade als ich weitersprechen wollte, nahm er mit entsetzt aufgerissenen Augen mein Gesicht in seine Hände und schüttelte nur den Kopf, bevor er kraftlos vor mir auf den nassen Asphalt sank. "Wie kannst du meine Nähe überhaupt noch ertragen? Ich habe versagt... es tut mir so Leid... ich hätte sie festhalten müssen. Ich habe doch versprochen, dass ihr nichts mehr passiert." Erst in diesem Moment wurde mir klar, dass ich nicht die einzige war, die um Hikari trauerte. Was in ihm vorging hatte ich bisher nicht wahrgenommen und ich ließ ihn mit dieser Last völlig allein, während er sich die ganze Zeit um mich gekümmert hatte. All die Stärke, die er für mich aufgebracht hatte, war nur Fassade. Dahinter war er wie ich von Schuldgefühlen zerfressen und kurz davor unter ihnen zusammenzubrechen. Diese Erkenntnis war wie ein nötiger Schlag ins Gesicht, um in die Realität zurückzufinden. Zitternd strich ich ihm über die blutverschmierte Wange und zog ihn an mich. Es war das erste Mal, dass er seit jeder Nacht seine eigenen Gefühle nicht vor mir verbarg und auch das erste Mal, dass er um Hikari weinte. Es dauerte eine halbe Ewigkeit bis ich ihm klarmachen konnte, dass er keine Schuld daran trug und noch viel länger, bis auch ich mir verzeihen konnte. An einem der folgenden Abende gingen wir gemeinsam aus und entdeckten eine kleine Pianobar. Zumindest stand das auf dem Schild. Als wir eintraten und uns einen der vielen freien Tische suchten, bemerkten wir, dass wir zusammen mit einem älteren Ehepaar die einzigen Gäste waren und auch von Musik keine Rede sein konnte. Der Klavierspieler hatte offensichtlich zu tief ins Glas gesehen und wie wir in Erfahrung bringen konnten, auch nicht zum ersten Mal. Wütend wies ihm der Barbesitzer die Tür und rief ihm nach er solle erst wiederkommen, wenn er seinen Rausch ausgeschlafen hatte. Immer wieder fiel mein Blick auf das leere Klavier und ich spürte längst dieses Kribbeln in meine Fingern, während ich in Gedanken bereits die ersten Noten durchspielte, als Kojiro mich hochzog und ehe ich mich versah, saß ich auch schon vor dem schwarzen Piano. "Was..." "Du warst vollkommen abwesend und hast, seitdem das Piano so alleine rumsteht, kein Wort von dem was ich gesagt habe mitbekommen und auf dem Tisch zum Klavierspielen angefangen. Das Ehepaar hat mir bereits mitleidige Blicke zugeworfen. Da dachte ich mir, es ist besser du tobst dich hier aus und dafür darf ich mich dann zu Hause...huhumm...ja." Nach Luft schnappend wurde ich rot wie ein Tomate, als ich seinen Satz in Gedanken zu Ende führte und spielte gleich die ersten Noten falsch. Doch noch bevor der Besitzer mich für meine Unverfrorenheit rauswerfen konnte, war ich in meinem Element. Bewundernd klatschte das Ehepaar Beifall, als ich das Stück beendet hatte und der Barbesitzer nahm mich zur Seite und bot mir einen Job an. Überglücklich fiel ich Kojiro um den Hals, während ich ihn gleichzeitig darum bat mit den Straßenkämpfen aufzuhören, da wir nun auch andere Möglichkeiten hatten Geld zu verdienen. Widerwillig stimmte er zu sich einzuschränken und sich einen anderen Job zu suchen, zu dem ihm auch einer seiner "Kollegen" von der Straße verhalf. Auch wenn es weniger Geld einbrachte arbeitete Kojiro ab sofort in einem Dojo und erteilte Anfängern Unterricht. Wir führten ein für unsere Verhältnisse geregeltes Leben, bis... Zu Hause angekommen drehte Misa noch während sie ihre Schuhe in die Ecke feuerte, das Licht auf. Verwundert ging sie ins Schlafzimmer und suchte überall nach Kojiro, der jedoch nirgends zu finden war. Seufzend drehte sie den Fernseher auf und erforschte den Kühlschrank, der in letzter Zeit ständig leer war, nach etwas Essbarem. Egal wie viel Misa auch einkaufte, schien in kürzester Zeit eine Art Heuschreckenbefall alles, was es an Essen gab, zu vernichten. So wie es aussah, musste sie sich heute mit einem Pudding begnügen, oder noch schnell zur nächsten Tankstelle laufen, die um diese Zeit noch geöffnet hatte. ,Na toll! Nichts zu Essen, kein Kojiro... schreckliches Fernsehprogramm...!" Gerade als sie den Fernseher ausschalten wollte, wurde ein ihr bekanntes Gesicht gezeigt. "...wurden von der Polizei die illegalen Straßenkämpfe gestoppt. Die Beteiligten streiten jedoch jeden..." "Scheiße!" Fluchend warf sie die Fernbedienung auf das Bett und suchte panisch ihre Schlüssel, die sie gerade eben auf den Tisch gelegt hatte. ,Ganz ruhig bleiben. Ganz ruhig.... Erst mal nachdenken..... Ich kann dort doch nicht einfach aufkreuzen, aber... Verdammter Mist! Kojiro!' (das Fluchen hat sie wohl auch von unserem Blondschopf) Tief durchatmend versuchte sie sich zu beruhigen, was ihr in diesem Moment mehr als schwer fiel, bevor sie entschlossen die Treppe hinunterlief und sich zum Polizeipräsidium aufmachte. * Nur wenige Angestellte hielte sich zu so später Stunde noch im Gebäude des Wakabashi Komplexes auf, als es kaum hörbar an der Tür zu Seijis Büro klopfte, bevor die ein wenig ängstlich wirkende Sekretärin durch den winzigen Türspalt lugte. "Herr Wakabashi? Ich habe hier eine Mitteilung von ihrem Vater..." Nachdem Seiji von seiner Reise zurückgekehrt war, glich seine eiserne Miene, der eines Eisblocks. Geschweige denn von seinen Wutausbrüchen, bei denen sich eine kleine Ader auf seiner Stirn bildete, ehe er ungehalten seinem Zorn und seiner Frustration in den unmöglichsten Formen nachgab. Alle Angestellten bekamen seine Reizbarkeit nur allzu gut zu spüren und hüteten sich bedacht vor der Höhle des Löwen, als würde jeder noch so kleine Fehler das nächste Todesurteil bedeuten. "Legen Sie's schon auf den Tisch!" "Sehr wohl." Schnell huschte sie in das Büro, das sie eigentlich tunlichst zu meiden suchte und verschwand sogleich wieder, da sie nicht wusste, um was es sich in der Nachricht seines schwerkranken Vaters handelte und sie es bevorzugte nicht in Seijis Reichweite zu sein, sollte diese eine schlechte sein. * Unsicher trat Misa von einem Fuß auf den anderen. Ihr Herz klopfte, als müsste es zerspringen, als sie den ersten Fuß auf die marmorne Treppe setzte. ,Also gut...mir wird schon etwas einfallen. Sie dürfen auf keinen Fall herausbekommen, wer er ist, oder ich sehe ihn erst in zwanzig Jahren wieder.' Noch einmal sammelte Misa all ihren Mut zusammen, bevor sie die letzte Hürde überwand und die Tür öffnete. Suchend sah sie sich in dem Gewühl aus Menschen nach Kojiro um und entdeckte ihn gerade noch rechtzeitig, ehe seine Personalien überprüft werden konnten. "Hier treibst du dich also rum?! Ich sitze zu Hause bei den Kindern und du... was machst du... Du verdammter Mistkerl! Weißt du eigentlich noch wie deine Söhne aussehen?! Sie fragen mich immerzu nach ihrem Vater, aber der treibt sich ja lieber mit allen möglichen Schlampen herum. Ich kann froh sein, wenn er mir nicht irgendeine Geschlechtskrankheit angehängt hat. Ich meine, ich habe schon so ein komisches Jucken da unten und..." Kojiro der einen Moment zuvor noch um ein Wunder gebeten hatte, starrte sprachlos und mit offenem Mund Misa an, die sich vor ihm aufgebaut hatte und ihn wie eine Furie beschimpfte. "Geschlechtskrankheit? Kinder?" "Sehen Sie, was ich meine?! Er kann sich noch nicht mal an uns erinnern! Dabei hat er mir damals hoch und heilig versprochen, dass er mich liebt! Und dann...DAS! Können Sie verstehen, was er mir antut?! Ich werde so lange hier bleiben, bis sie mit ihm fertig sind! Der entkommt mir nicht noch einmal! Darauf kann er sich verlassen!" Der Polizeibeamte an den sie sich gerichtet hatte, wollte sie beruhigend auf einen Stuhl setzten, als Misa wieder aufsprang und Kojiro kräftig durchrüttelte. "Für diese Schweinebacke hab ich mich sogar tätowieren lassen! Wollen Sie mal sehen?!" Dabei zog Misa ihren Rock höher, bis dieser schon sittenwidrig hoch saß, bevor der Polizeibeamte sie mit hochrotem Kopf davon abhielt, vor ihm und all den anderen Anwesenden im Raum, wobei die meisten der Verhafteten bereits heftig grölten und sie noch weiter anfeuerten, ihren Allerwertesten zu entblößen. Schwer schluckend schob der Beamte Kojiro zusammen mit Misa vor die Tür. "Kümmern Sie sich besser um Ihre....Ihre Frau...oder was auch immer das ist...und halten sie sich in Zukunft von derartigen Veranstaltungen fern!" Erleichtert atmete Misa durch und packte Kojiro am Handgelenk, der sich mit noch immer weit aufgerissenen Augen von ihr weiterziehen ließ. "Geschlechtskrankheit? Kinder? Tätowierung?...... Misa?" "IDIOT!" * Das erste selbstzufriedene Grinsen seit langer Zeit leuchtete auf Seijis Gesicht auf, als er die wenigen Zeilen der krakeligen Schrift seines Vaters entzifferte. ,Wie es aussieht, macht er es nicht mehr lange. Das ist die erste gute Nachricht seit dieses kleine Miststück mir die Schulter gebrochen hat. Ich sollte mich wohl besser auf die baldige Übernahme der Firma vorbereiten.' * Erst am Treppenabsatz des Gebäudes hatte Kojiro das Durcheinander in seinem Kopf geordnet und begann zu verstehen, warum Misa sich so merkwürdig verhalten hatte. Wütend wenn auch erleichtert stapfte sie voraus, ehe er sie mit geübtem Griff zu sich umdrehte und sich ausgiebig bei ihr mit einem Kuss bedankte. Außer Atem suchte sie nach Worten, um ihm für seine Leichtsinnigkeit gehörig den Kopf zu waschen, bevor er ihr dieses unvergleichliche Lächeln schenkte, dass sie so liebte und bei dem sie dahinschmolz wie Butter in der Sonne. Seufzend ließ sie sich von ihm in die Armen ziehen, als eine erstickte Stimme ihre Aufmerksamkeit forderte. "Kojiro... Du bist es doch?" Bei diesen Worten trat die zierliche Person ins Licht der Straßenlaterne und in sekundenschnelle wich jegliche Farbe aus Kojiros Gesicht. "Ich war mir nicht sicher, als ich dich in den Nachrichten gesehen habe. Aber ich..." Als wäre er soeben einem Geist begegnet, wich er leichenblass mehrere Schritte zurück, als er nervös zu stottern begann. "M...da....du...... pfh...ich..." Misa stand nur daneben und sah verwirrt von einem zum anderen, während sich Kojiro und die fremde Frau gegenseitig anstarrten und keiner von den beiden sich zu bewegen wagte. "Kennst du diese Frau?" Doch anstatt einer Antwort senkte er nur den Blick zu Boden, während die Frau mit dem strohblondem Haar, in dem sich bereits einige graue Strähnchen zeigten, sich schnell die fortwährenden Tränen wegzuwischen versuchte und ein paar Schritte näher trat. "Du bist so... groß. Aus meinem hübschen Jungen ist inzwischen ein richtiger Mann geworden." Zitternd krallte sich Kojiro an seiner Hose fest, um Halt zu finden und sich daran zu hindern einfach davonzulaufen. Zu diesem Zeitpunkt ging auch Misa ein Licht auf, als sie mit einem Mal die Ähnlichkeit der beiden bemerkte. ,Ist sie... warum verhält er sich dann so abweisend? Sein Vater. Ich hatte es fast vergessen. Ich habe es nicht ein Mal gewagt ihn danach zu fragen.' "M.....u..m..." Kojiros Stimme war nur mehr ein leises Krächzen und doch genügte es, dass im Gesicht seiner Mutter die Sonne aufzugehen schien, während sie ihn halb erwürgte, indem sie ihn umarmte, als gäbe es kein morgen mehr. * "En...entschuldigen Sie, dass ich sie noch einmal stören muss, aber es scheint ein wirklich wichtiger Anruf zu sein." "Auf Leitung 2?" Überrascht über den gutgelaunten Ton in Seijis Stimme, nickte sie nur kurz und verschwand ein weiteres Mal durch die Tür, um sich dieses Mal auf den Weg nach Hause zu machen. ... "Herr Wakabashi? Sie haben uns vor ein paar Monaten einen Auftrag erteilt. Eine delikate Angelegenheit, die wir natürlich streng vertraulich behandeln. Heute haben wir die erste Spur aufgenommen und Informationen darüber erhalten, wo sich der Mann aufhält, den sie suchen. Es lief heute in den Nachrichten. Einer unserer Mitarbeiter hat sein Gesicht erkannt. Er war an irgendwelchen Straßenkämpfen in Rojukuu beteiligt und wurde festgenommen. Wir müssen ihn also nur noch abholen." Seijis Augen blitzen gefährlich auf, während sein Lächeln augenblicklich erstarb. "Ist das Mädchen bei ihm?!" "Nein. Aber ich vermute, dass sie sich ebenfalls in dieser Stadt aufhält." "Gut, Sie wissen, wie sie weiter vorgehen müssen. Ich verlasse mich auf Sie. Und vergessen Sie nicht, ich will ihn lebend!" "Schon gut, wir haben schließlich alles bis aufs kleinste Detail besprochen. Ich wünsche Ihnen eine geruhsame Nacht." KLICK. Schon alleine der Gedanke an seine erste und wie er zweifellos entschied letzte Niederlage, brachte sein kaltes Blut zum kochen. ,Dieses beinahe herzergreifende Schicksal der Kleinen, ist nichts gegen das, was dich erwartet. Du wirst noch winselnd vor mir am Boden kriechen und mich um Verzeihung bitten, wenn ich mit dir fertig bin.' * Mutter und Sohn saßen sich nun schon seit geraumer Zeit, um es milde auszudrücken, etwas wortkarg gegenüber. Misa hatte den Vorschlag gemacht, das unvermeidliche Gespräch der beiden in ihrer Wohnung fortzusetzen, worauf Frau Asano dankbar zustimmte, bevor es sich der Polizist doch noch anders überlegen sollte. Die entsetzliche Stille lastete schwer auf ihnen und wurde inzwischen unerträglich, aber keiner wagte es den Anfang zu machen, bis Misa, die sich bedachtsamer Weise zurückgezogen hatte, den Kopf durch die Tür steckte und merkte, dass die beiden sich noch immer unverändert anschwiegen. "Möchte...vielleicht jemand Tee, oder Kaffee? Ich hab auch noch Orangensaft." "Wenn es nicht zu viele Umstände macht, hätte ich gerne eine Tasse Kaffee." Lächelnd nickte sie ihr kurz zu, bevor sie sich noch einmal an ihren vollkommen geistesabwesenden Freund richtete. "Kojiro?" "Hmm...was? Ich....ähm....nein, danke." Schnell warf Misa ihm noch einen aufmunternden Blick zu, bevor sie in der Küche verschwand. "Du...du hast dich sehr verändert. Als ich euch beide gesehen habe, da warst du so...anders. Glücklich. Ich kann mich schon nicht mehr daran erinnern, wann ich dich das letzte Mal so gesehen habe." "Sie hat mich verändert. Nicht ich. Ich habe ihr vieles zu verdanken." "Du liebst sie wohl sehr?" Lächelnd nickte er und sah ihr dabei zum ersten Mal in die Augen, die ihm liebevoll entgegenblickten. "Kojiro,... du solltest die Vergangenheit endlich ruhen lassen. Du weißt, wenn du geblieben wärst und alles erklärt hättest, wäre es niemals zu dieser Anklage gekommen. Es war nicht deine Schuld." "Lass es!" Alles in ihm sträubte sich ihr noch weiter zuzuhören. Er hatte sich schon lange damit abgefunden, dass er derjenige war, der diesen Abend so blutig beendet hatte. Dass er es herausgefordert hatte und nun mit den Konsequenzen leben musste. Er wollte keine ,Schön Wetter' Theorien. Er hatte einen Menschen getötet...seinen eigenen Vater. Daran ließ sich nichts mehr ändern. "Ich hätte ihn damals verlassen sollen, als er angefangen hat auch dich zu schlagen, aber ich...ich habe es nicht getan. Ich hätte wissen müssen, dass es so kommt. Dass er dich nicht ansehen konnte, dass er dich so gehasst hat, war genauso wenig deine Schuld. Kojiro,...ich muss...ich muss dir etwas gestehen. Ich hatte früher nicht die Kraft dazu es dir zu erklären, aber du hast ein Recht darauf es zu erfahren.... Du warst nicht sein leiblicher Sohn. Ich hatte eines Abends zu viel getrunken und da ist es passiert. Ich kann mich noch nicht einmal daran erinnern, wie sein Name war. Aber er war sehr charmant und ich und dein Vater hatten uns gerade gestritten... Ich habe ihm am nächsten Tag alles reumütig gebeichtet, aber er hat mir nie verziehen. Und dass ich dann auch noch schwanger wurde.... Er begann zu trinken und eines führte zum anderen. Zuerst verlor er seinen Job und dann seine Freunde. Geschweige denn von den finanziellen Schwierigkeiten, die immer schlimmer wurden. Verstehst du jetzt? Du hast nichts falsch gemacht. Trotz allem was später geschehen ist, habe ich dich mehr geliebt, als alles andere. Und das tue ich noch." Kojiro setze seine steinerne Maske auf und versuchte sein Gesicht zu wahren, um nichts von seinen wahren Gefühlen zu zeigen, die so verschiedenartig sie waren, drohten ihn innerlich zu zerbrechen. "Tja, jetzt verstehe ich auch, warum er versucht hat mein Gesicht zu zerschneiden. ...Ich denke, es ist besser du gehst jetzt." Seine trockene Antwort in diesem sarkastischen Ton wurde am Ende zu einem kaum hörbaren Flüstern, bevor er ihr den Rücken zuwandte und darauf wartete, dass die Tür hinter ihm geschlossen wurde. "Kojiro?" Leise schlich sich Misa nach seiner Kurzfassung, von dem was seine Mutter ihm gerade eröffnet hatte und er sich zurückgezogen hatte, auf Zehenspitzen in das Schlafzimmer. Dort fand sie ihren Blondschopf auch schon mit geschlossenen Augen auf dem Bett, alle Viere von sich gestreckt. Vorsichtig schmiegte sie sich an ihn und bettete ihren Kopf auf seiner Brust. "Vielleicht hätte ich sie nicht wegschicken sollen, aber... Ich kann das nicht." "Es war ein langer, langer Tag." "Hmm..." Sanft fuhr sie mit ihrer Nasenspitze über seinen Hals, bevor sie einen Kuss auf eine besonders empfindliche Stelle im Nacken hauchte und sich mit ihrem Gesicht in seinen Haaren vergrub. "Würdest du sie wieder wegschicken, wenn du sie zum Beispiel morgen wiedersehen könntest?", nuschelte sie leise an sein Ohr. "Ich weiß nicht. Wahrscheinlich nicht. Es war einfach zu viel auf einmal. Ich war nicht darauf vorbereitet sie wiederzusehen." Zufrieden lächelnd stützte sich Misa auf ihre Arme auf. "Gut, denn ich hab sie für morgen eingeladen." "Du hast was?!" Mit einem Mal drohten alle Gesichtszüge Kojiros zu entgleisen, als sie seine Lippen sogleich mit den ihren versiegelte, bevor er irgendwelche Einwände vorbringen konnte. "Ich weiß doch, wie sehr sie dir fehlt. Ich vermisse meine Mutter auch." Gerade als es an der Tür klingelte, hatte Misa sozusagen ein kleines Picknick auf dem Teppichboden veranstaltet. Zumindest konnte man das vermuten, bei der Menge an Essen, die vor der zierlichen Person aufgestapelt war. "Tut mir leid. Ich bin ein wenig früh. Aber ich war so nervös... Weiß er, dass ich...?" "Keine Sorge, ich habe es ihm noch gestern gesagt. Er müsste gleich zurück sein. Aber kommen Sie bitte rein. Ich freue mich Sie kennen zu lernen." Die herzliche Begrüßung sorgte dafür, dass das bisher unbehagliche Gefühl fast zur Gänze verschwand, während Misa sie freundlich hereinbat, als diese bemerkte, dass das Wohnzimmer einem Schlachtfeld glich. "Es ist mir ein wenig peinlich. Ich bin noch nicht dazu gekommen hier aufzuräumen." Verlegen kratzte sich Misa am Kopf, bevor sie die Reste schnell in den Kühlschrank zurückstopfte und das Geschirr in die Abwasch stellte. "Tut mir leid, ich wusste nicht, dass Ihr Besuch habt..." "Haben wir auch nicht..." Dabei lief Misa rot wie eine Tomate an, während Frau Asano sie aus großen ungläubigen Augen musterte. "Oh...Beneidenswert, dass sie so schlank bleiben." Am liebsten hätte sich Misa rot wie eine Ampel leuchtend in einer Ecke verkrochen. "Ich...ich....das liegt alles an meinem unruhigen Magen. In letzter Zeit spielt er völlig verrückt.....Einmal ist mir wieder schlecht und dann...nun ja, kann ich Ihnen etwas anbieten?" Lachend winkte Frau Asano ab. "Danke. Aber mach dir keine Umstände und nenn mich bitte Fuyumi." Freudestrahlend über das baldige Du, das in dieser unpersönlichen Stadt eher unüblich war, nickte sie heftig und zog sie sogleich hinter sich her, um ihr die Wohnung zu zeigen. "Das Wohnzimmer...das Badezimmer....ich weiß, ein wenig mickrig, aber ich finde es gemütlich hier...und das wäre das...Schlafzimmer." Grinsend über die kleine Spielwiese, die man trotz allem wohl Bett nannte und wahrscheinlich auch das einzig wirklich große in der kleinen Wohnung war, ließ sich Fuyumi zurück in die Küche ziehen. "Wie lange seid ihr eigentlich schon zusammen? Du und Kojiro?" Misa musste erst einige Zeit überlegen, ehe sie eine Antwort geben konnte. Das Leben mit Kojiro schien ihr bereits so normal und selbstverständlich. Genauso wie ihre Vergangenheit, wie ein böser Traum wirkte, den man besser schnell vergaß. Besonders nachdem sie nun die Hintergründe gewisser Dinge verstand. "Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke 4-5 Monate." Der Blick von Fuyumi zeigte sehr genau ihre Überraschung. "Ich hätte schwören können, dass ihr euch schon eine Ewigkeit kennt. Er war immer sehr verschossen, aber so wie Kojiro von dir gesprochen hat, hast du sein Herz wohl im Sturm erobert." "Im Sturm kann man nicht gerade sagen. Wohl eher ein Gewitter, oder ein Orkan...", murmelte Misa mehr zu sich als zu Fuyumi, die sich aber sehr genau vorstellen konnte, was sie damit gemeint hatte. ,Den Kampf, den wir uns am Anfang geliefert haben...' Bei dem Gedanken an ihre ersten Erlebnisse grinste Misa über das ganze Gesicht, besonders über diverse Begegnungen im Adamskostüm, die es im Moment zur Genüge gab, die aber keiner der beiden noch missen würde wollen. Plötzlich spitzte sie wie eine Katze die Ohren, als sie das Rascheln von Schlüsseln an der Tür hören konnte und zur Tür stürmte, ehe sie diese aufriss und ein perplexer Kojiro dahinter zum Vorschein kam. "Wie oft soll ich es noch sagen? Mach die Tür nicht auf, wenn du nicht sicher bist, wer draußen ist!" "Sei nicht so mufflig! Ich kenne schließlich die Art wie du beim Heraufgehen der Treppe mit den Schlüsseln spielst. Hast du den Kuchen?" Seufzend hielt er ihr eine kleine weiße Schachtel hin. "Ja,... ich liebe dich auch." "'Tschuldigung." Schnell drückte sie einen flüchtigen Kuss auf seine Wange und nahm ihm dabei geschickt das kleine Päckchen aus den Händen. Schnell riss sie die Verpackung auf, bevor sie enttäuscht auf der zermatschten Erdbeerkuchen starrte. "Kojiro, was ist das! Kannst du nicht besser aufpassen?! Außerdem wollte ich keinen Erdbeerkuchen mit Joghurtcreme!" Mit hochgezogener Augenbraue betrachtete er erst den Kuchen und dann Misa, der bereits die Tränen in den Augen standen und fuhr sich leicht genervt durch die Haare. "Misa du hast nichts von..." "Du hättest es doch wissen können!" Wie vom Blitz getroffen stand Kojiro in der Küche und sah einer über einen Kuchen in Tränen ausgebrochenen Misa hinterher, wie sie hinter sich die Tür zuschlug. Er hatte im Augenblick keinen Nerv um sich um ihre Launen zu kümmern, besonders während seine Mutter die ganze Szene mitverfolgt hatte und ebenfalls zur soeben sehr geräuschvoll geschlossenen Tür blickte. "Sie hat gerade eine etwas komische Phase. Denk dir nichts." Es war völliges Neuland für ihn mit seiner Mutter über derartige Probleme zu sprechen, oder überhaupt mit ihr zu reden und so steckte er schnell die Hände in die Jacketasche, um seine Unsicherheit zu verbergen. "Geh..Geht das schon länger so?" Geschafft ließ er sich auf den freien Stuhl vor ihr fallen und schüttelte den Kopf. "Nein, aber ihre Launen werden wie es aussieht immer schlimmer. DAS NÄCHSTE MAL HOL DIR DEINEN VERDAMMTEN ERDBEERKUCHEN GEFÄLLIGST SELBST!" Daraufhin hörte man das Klirren von Glas, das dem Geräusch zu urteilen an der Tür des Schlafzimmers zersplitterte. "Siehst du!" Nachdenklich nickte Fuyumi, als sie ihn mit fragenden Augen ansah. "Im wievielten Monat ist sie denn?" Verwirrt zog Kojiro ein weiteres Mal eine Augenbraue hoch, während er mit dem nervösen Schaukeln des Stuhls kurz inne hielt. "Im was?" "Na sie ist doch schwanger, oder nicht." POFFF!!! Mit einem lauten Knall landete Kojiro samt Stuhl rücklings auf dem Boden und starrte mit weit aufgerissenen Augen an die Decke. "Kojiro? Alles in Ordnung?" Doch nachdem fünf Minuten später immer noch keine Antwort kam und er weiterhin die höchstinteressante Zimmerdecke musterte, wurde er mit einem Glas Wasser, das sie gezielt in sein Gesicht schüttete aus seiner geistigen Abwesenheit zurückgeholt. "Kojiro!" "Hummm...." Besorgt betrachtete sie sein schneeweißes Gesicht, das langsam wieder Farbe anzunehmen schien. "Woher weißt du, dass sie...du weißt schon. Hat sie es dir gesagt?" Kopfschüttelnd lächelte sie ihn an und half ihm auf die wackligen Füße. "Nein, aber ich war schließlich auch mal schwanger. Es ist doch ziemlich eindeutig. Findest du nicht?... Oh... oh... Es könnte natürlich auch sein, dass ich mich irre." Kojiro atmete erst mal tief durch, um den Schock zu verdauen, den sie ihm mit dieser Vermutung versetzt hatte. ,Es passt alles zusammen. Die Übelkeit am Morgen, die ständige Müdigkeit, die kürzlichen Fressattacken und Launen. Oh, bitte nicht! Das darf einfach nicht wahr sein! Sie kann doch nicht... Ich bin nun mal kein VERFICKTER FAMILIENVATER!!! SCHEIßE!' Innerlich brodelte er, auch wenn er versuchte sich über die neue Erkenntnis, die er seiner Mutter zu verdanken hatte, nicht allzu sehr aufzuregen. Vorsichtig öffnete Kojiro die Tür und schlich, wie letzte Nacht Misa in das durch die Vorhänge verdunkelte Schlafzimmer, als sich plötzlich eine im Dunkeln liegende Gestalt auf dem Bett aufsetzte. "Misa...Kann es sein, dass du mir etwas zu sagen hast?" "Es tut mir leid. Ich weiß ja selbst nicht, was in mich gefahren ist. Ich...ich hab's nicht so gemeint. Wirklich! Ich bin so kindisch mich wegen einem bescheuerten Kuchen so zu benehmen. Und das auch noch vor deiner Mutter...dabei wollte ich doch..." Misa vergrub sich beschämt im Kissen und versuchte vergeblich das leise Schluchzen zu unterdrücken. "Du hast dich verändert. Warum...warum glaubst ist das so?" Misa verstand jedes Wort als Vorwurf und begann nur umso heftiger zu weinen, als er sich neben sie setzte und auf eine Antwort wartete. "Seit ich diese Kraft...ich...ich weiß doch nicht, was mit mir passiert... Vielleicht ist sie...auch so eine Art Krankheit... Ich...ich weiß es doch nicht!... Ich weiß doch nicht, was mit mir los ist..." Auch wenn es ihm fast das Herz zerriss, so konnte er sich doch nicht dazu überwinden sie jetzt tröstend in den Arm zu nehmen. Der Verdacht, den er hatte, durfte sich auf keinen Fall bestätigen. "Misa, meine Mutter möchte, dass du morgen mit ihr zum Arzt gehst. Ich... ich muss noch einmal weg. Ich..." ,Ich liebe dich.' Auch wenn er es noch so gerne gesagt hätte, so brachte er kein Wort mehr über seine Lippen, bevor er sie weinend zurückließ. "Es tut mir Leid." Ich kann mir gut vorstellen, dass ihr jetzt nicht gerade begeistert von Kojiro seid. Aber vergesst nicht, dass meine Charaktere durchaus Fehler machen und nicht immer besonders liebenswert sind, wie in diesem Fall. Auch kann ich mir vorstellen, dass der dreimonatige Zeitabschnitt, der von mir nur in Misas Verson geschildert wurde, etwas plötzlich kam. Aber ich wollte ganz einfach nicht noch mehr auf die verständliche und nervenzehrende Trauerphase und Eingewöhnungsphase in ihr neues Leben eingehen. Damit hätte sich die Geschichte nur noch mehr unnötig in die Länge gezogen. Deswegen der Bruch mit dem Wechsel des Erzählers (was wie euch vielleicht aufgefallen ist öfter vorkommt) und das Fehlen dieser drei Monate. Falls euch etwas an dieser Geschichte nervt oder unverständlich vorkommt, bitte sagen. Mir ist aufgefallen (bzw. durch den kleinen Tipp von Bettyna), dass so manche Erklärungen wohl nicht ganz verständlich, zu kompliziert waren oder sogar gefehlt haben. Wer einen Vorschlag hat, wo ich noch einmal umschreiben oder einfügen soll, nur keine Scheu. Ich beiße nicht (oft)...^^ Kapitel 27: ------------ Teil 27 Misa wurde leichenblass, als sie das Schild neben dem Eingang der Ordination las. "Ein Frauenarzt! Aber..." Verwirrt ließ sie sich von Fuyumi weiterziehen und anmelden. Aufmunternd lächelte sie ihr im Wartezimmer zu und ergriff ihre zitternde Hand. "Es ist eine reine Routineuntersuchung. Du hast nichts zu befürchten. Außerdem nur für den Fall, dass.... Du hast doch bestimmt schon selbst daran gedacht. Habe ich Recht?" Doch Misa biss sich nur hart auf die Unterlippe, während sie ihr beruhigend über den Kopf strich. "Denkt Kojiro, dass ich... ist er deshalb gestern Nacht einfach wieder spurlos verschwunden?" Überrascht blickte sie in das verheulte von einer braunen Mähne umgebene Gesicht und runzelte die Stirn. "Hat er denn nicht mit dir darüber gesprochen?" Betrübt schüttelte sie nur den Kopf und musste bereits die nächsten Tränen zurückhalten, als sie auch schon eine Schwester zu sich rief, um ihre Presonalien aufzunehmen. * Das Telefongespräch, das Seiji soeben mit einer gewissen Agentur geführt hatte, die aufgrund von unlauteren Mitteln im Untergrund arbeitete, war alles andere als befriedigend. Wütend warf er das Telefon an die Wand und suchte mit seinen Blicken nach etwas, das er zerstören konnte. ,Dieses kleine Miststück! Ich war so knapp dran und sie... Aber wenigstens weiß ich jetzt in welcher Stadt ich zu suchen habe. Ich hätte nicht erwartet, dass er noch einmal nach Rojukuu zurückkehren würde. Ein cleverer Schachzug, das muss ich zugeben. Aber nicht clever genug. Hättest du dich für mich entschieden, hätte ich dir einiges ersparen können. Nach der Zeremonie wäre alles vorbei gewesen und vielleicht hätte ich dich sogar laufen lassen. Aber so wirst du das Schicksal deiner Mutter teilen. Wenn ich schon nicht diese Kraft beherrschen kann, dann kann ich wenigstens dich beherrschen und somit die ganze Welt.' (Muhahah... The Pinky, the pinky and the brain, brain, brain, brain, brain... Konnte es mir nicht verkneifen.) Etwas beruhigt suchte er nach seiner Fassung. Er hatte sich in letzter Zeit viel zu häufig gehen lassen und seine freundliche Fassade wurde brüchig. So kurz vor dem Ziel durfte er sich keinen weiteren Fehler mehr erlauben. Er würde sich ein weiteres Mal in Geduld üben müssen. * Kojiro war, nachdem er sich eines Abends klammheimlich davongestohlen hatte, tagelang unauffindbar, als wäre er vom Erdboden verschluckt worden. Er hatte anscheinend keinen Zweifel mehr am Ergebnis unserer ersten gemeinsamen Nacht. Es war das einzige Mal, dass wir ungeschützt miteinander geschlafen haben. Aber dieses eine Mal hatte offensichtlich gereicht. Ich war schwanger. Ich hatte die Veränderung, vor allem die meines Körpers natürlich selbst gespürt, aber alles meiner anderen Veränderung in mir, dieser neuen Kraft und dem was Hikari zugestoßen ist, zugeschrieben. Der erstmalige Schock über das Ergebnis der Untersuchung steckte noch tief in meinen Knochen. Ich habe mich jede Nacht in den Schlaf geweint. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt und ich war froh darüber, dass wenigstens Fuyumi zu mir hielt und mir in dieser schweren Zeit beistand. Sie hatte sich sehr schnell mit der Tatsache, dass sie demnächst Oma wird, angefreundet. Erst hatte sie ihren verlorenen Sohn wiedergefunden, der zugegebnermaßen kurz darauf wieder verschwunden war und gleichzeitig noch ein Enkelkind dazu gewonnen. Am liebsten hätte sie mich noch am selben Tag, an dem ich es erfahren hatte, in sämtliche Babygeschäfte der Stadt geschleift, ließ es aber wegen meiner von Tränen rot geschwollenen Augen bleiben. Ohne sie hätte ich nicht gewusst, was ich machen sollte. Nach dem dritten Tag an dem er sich nicht gemeldet hatte, machte sich eine leise Stimme in meinem Hinterkopf bemerkbar, die mir einredete, er hätte mich verlassen und würde nie wieder zurückkommen. Aber er brauchte wohl einfach nur ein wenig Zeit, um mit der neuen Situation fertig zu werden. Er hatte anscheinend vergessen, dass er nicht der Einzige war, der Angst hatte. Und ich hatte Todessangst. Vor allem, dass er mich nun allein lassen würde. Die leere Wohnung wurde mir immer unerträglicher und ich fand meinen einzigen Trost im Klavierspiel, bis er eines Tages beschloss, dass er genug gegrübelt hatte. Allerdings stockte mir bei seinen Worten der Atem. Die Dunkelheit des Zimmers war wie immer das Einzige, dass Misa begrüßte, als sie von der Arbeit nach Hause kam und so wurde auch ihre leise Hoffnung, dass Kojiro doch zurückgekommen war, wieder mit einem Schlag zunichte gemacht. Sie hatte keine Lust noch einmal alleine zu essen und schleppte sich so müde bis zum Schlafzimmer. Gerade als sie das Licht anschalten wollte, wurde sie durch eine leise, aber bestimmte Stimme zurückgehalten. "Nicht!" Misa glaubte ihren Ohren nicht zu trauen, als sie Kojiros Stimme erkannte. "Kojiro?! Verdammt wo warst du! Ich habe schon geglaubt, du kommst nie mehr zurück... Du hast es schon gewusst, nicht? Du hast noch nicht mal das Ergebnis abgewartet. Liebst du mich jetzt nicht mehr! Du kannst nicht einfach abhauen! Für mich ist das auch nicht leicht! Verstehst du das denn nicht?!" Obwohl sie erleichtert war, war sie zu Recht auch unheimlich wütend, dass er sie ausgerechnet jetzt allein gelassen hatte. Besonders da es sie beide ganz entschieden betraf. "Ich.... Es tut mir Leid. Aber ich kann für niemanden den Vater spielen. Manchmal denke ich, ich bin so wie er.... Ich bin viel zu sehr wie er... Ich kann unmöglich für eine Familie sorgen." Der Kloß der sich in Misas Kehle gebildet hatte, gab ihr das Gefühl jeden Moment ersticken zu müssen. Mit letzter Kraft würgte sie die Worte hervor, durch die sich ihr Herz unwillkürlich zusammenkrampfte. "Was willst du mir damit sagen? Du...du willst doch nicht, dass ich es abtreiben lassen, oder? Ko..koji.....ro, ...das ist nicht....nicht dein Ernst..." "Ich weiß es nicht! Ich will nicht, dass noch ein unschuldiges Kind stirbt, aber ich... Misa, versteh mich doch! Ich bin genauso wie er! Ich habe schon genug Angst davor, dir weh zu tun, aber meinem eigenen Kind... Wenn ich... Ich kann das nicht!" Kojiros ganzer Körper zitterte, als Misa sich ihm vorsichtig genähert hatte und sich nun neben ihn zu Boden gesetzt hatte. "Was hat dein Vater getan? Wovor hast du solche Angst?" Kojiro atmete tief durch. Er hatte sich schon längst vorgenommen, ihr alles zu erzählen, den Moment davor aber gefürchtet und immer wieder hinausgeschoben. Doch nun schien es, dass der Zeitpunkt gekommen war. "Er war....sehr wütend. Er war generell ein sehr jähzorniger Mensch. Wegen jeder Kleinigkeit, rastete er aus. Er hat meine Mutter geschlagen so lange ich denken kann. Meistens war er dabei betrunken. Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr zusehen. Ich wollte sie beschützten, so wie sie mich zuvor beschützt hatte, aber ich war zu jung... Ich hatte keine Chance gegen ihn. Nachdem ich mich einmal eingemischt hatte, ließ er meine Mutter großteils zufrieden. Dafür musste ich für seine Wutausbrüche herhalten. Er hat es geliebt mir direkt ins Gesicht zu schlagen... Als ich dreizehn war, ist er eines Tages wieder einmal sturzbetrunken nach Hause gekommen. Er hat meine Mutter gesucht. Weiß Gott, was er mit ihr machen wollte. Als er sie nicht fand, weil sie erwartet hatte, dass er die Nacht wegbleiben würde und sich erlaubt hatte ein Mal auszugehen, rastete er vollkommen aus. Ich versuchte mich vor ihm zu verstecken, aber es war zwecklos... Er begann mich wieder zu schlagen, aber irgendetwas war anders. Ich spürte es. Als ich mich wehrte, nahm er eine der herumstehenden Flaschen und zerbrach sie an der Tischkante. Er hatte mich mit dem Rücken zum Boden gedrückt. Er war zu stark. Ich konnte mich nicht bewegen und er nahm eine der Scherben... Ich...ich weiß noch, wie er mit seinem dreckigem Grinsen sagte, er würde mir mein ,hübsches Gesicht' zerschneiden, damit er meine Visage nicht länger ertragen muss.... Panisch griff ich nach dem erstbesten, dass ich zwischen die Finger bekam... und stach zu... immer wieder... Ich weiß nicht, wie lange ich dort gesessen habe. Es war alles voller Blut. Ich... ich konnte meiner Mutter nicht mehr in die Augen sehen. Die Nachbarn hatten die Polizei verständigt, als sie die Schreie gehört haben... Nur komisch, dass sie sich früher nie gekümmert haben... Meine Mutter erkannte an meinem eigenen blutüberströmten Gesicht sofort, was geschehen sein musste. Aber ich wollte nur noch weg... ich wollte nicht, dass sie mich so ansieht. Ich wollte nicht, dass sie mich so sieht wie ich war und vielleicht noch immer bin." Vorsichtig tastete Misa nach seiner Hand, die er in seinem Schoß vergraben hatte und drückte sie sanft, bevor sie sich so vor ihn hinkniete, bis sie ihm so direkt in die Augen sehen konnte. Behutsam strich sie ihm ein paar seiner blonden Strähnen zurück, sodass die Narbe zum Vorschein kam. "Du bist nicht wie er und das wirst du auch nie sein. Hör auf dir so etwas einzureden. Ich glaube an dich. Immer!" Unsicher kauerte er sich noch mehr zusammen und schlang die Arme um seine Beine. "Das Letzte, das er sagte war, dass ich genauso bin wie er. Das ich nun wahrlich sein Sohn wäre. Er hat sogar dabei gelächelt. Es war so unglaublich bizarr." Beschämt drehte er seinen Kopf zur Seite und versuchte ihr auszuweichen, als sie seine Hand nahm und sie auf ihren noch flachen Bauch legte. "Es ist unser Kind. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht jetzt schon eine Familie zu gründen. Aber jetzt ist es nun mal so und ich freue mich trotz allem darauf. Ich habe genauso Angst und meine Zweifel wie du. Bin ich denn überhaupt schon fähig eine gute Mutter zu sein? Ich werde gerade mal 18! Was wenn ich etwas falsch mache. Und dann auch noch die Sache mit Seiji. Was wird passieren, wenn er es herausfindet und uns aufspürt?! Ich brauche dich jetzt! WIR brauchen dich! Bitte, hör auf ständig davonzulaufen, wenn dich etwas bedrückt. Du kannst doch mit mir reden." Stockend sah Kojiro auf und hielt ihrem Blick stand. Tiefe schwarze Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab, die seine innere Zerrissenheit und Sorge widerspiegelten. "Ich habe schon einmal versagt! Wenn ich euch nicht beschützen kann... Ich würde es mir nie verzeihen, wenn euch etwas passieren sollte. Ich bin kein guter Mensch und schon gar nicht ein guter Vater. Ich kann kein Vorbild sein, für niemanden!" Zärtlich nahm sie sein Gesicht in ihre Hände und beugte sich nach vor, bis sie nur noch wenige Zentimeter voneinander trennten. "Du redest schon wieder Unsinn. Ich habe dich doch mit Hikari beobachtet. Du hast dich um sie gekümmert und mit ihr gespielt. Sie hat dir sogar noch vertraut, nachdem dieser Mann sie missbraucht hatte, weil sie wusste, dass du ihr niemals etwas antun würdest. Du wärst ein großartiger Vater." Müde lehnte er sich gegen ihre Schulter und schloss die Augen. Er hatte die letzten Nächte kaum geschlafen und der fehlende Schlaf forderte nun seinen Tribut. "Wann ist es eigentlich soweit?" Dabei strich er liebevoll mit der Hand über ihren Bauch und blickte kurz auf. Misa hatte inständig gehofft, dass er das Kind, das in ihr heranwuchs endlich akzeptieren würde und so wie es aussah wurden ihre Gebete gerade erhört. "Ende Sommer.... Du wirst ein toller Vater. Ganz sicher." Bei diesen leise an sein Ohr geflüsterten Worten schlief er mit einem wehmütigen Lächeln auf den Lippen in ihren Armen ein. ,...und ich soll dich jetzt ins Bett schleppen, was? Manchmal komme ich mir vor, als hätte ich bereits ein kleines Kind...' Nach diesem klärenden Gespräch entwickelte sich Kojiro immer mehr zur besorgten Glucke, während Misas Heulkrämpfe und ihre Wutausbrüche aus heiterem Himmel immer häufiger wurden und 2 Monate später ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatten. Kojiro wurde in dieser Zeit zu einem begeisterten Sammler von Stofftieren (natürlich für das Baby) mit denen er klammheimlich alle harten Gegenstände in Misas Umgebung verschwinden ließ und beispielsweise glasähnliche Objekte oder Schuhe durch kleine Stoffhasen und Enten austauschte. So sah die Wohnung bald mehr einem Spielzeugladen gleich, als wie der eines jungen Paares. Gleichzeitig sammelte sich in jeder Ecke ein Berg von Büchern und Zeitschriften an, die Kojiros Mutter mit Begeisterung bei jedem Besuch mitbrachte. Angefangen vom Fötus im Mutterleib bis hin zum Teenager waren sie für die nächsten Jahre mit Elternratgebern eingedeckt. Auch das Verhältnis zwischen Kojiro und Fuyumi taute im Laufe der Zeit immer weiter auf. Er war inzwischen heilfroh darüber seine Mutter um Rat fragen zu können, wenn Misa sich gerade wieder von ihrer charmantesten Seite zeigte und ihn beispielsweise aus einem für ihn unerklärlichen Grund aus der Wohnung beförderte, nur um ihn wenige Minuten später unter Tränen wieder reinzuzerren. Sie konnte sich in Sekundenschnelle von einer sanften, verschmusten Kuschelkatze in ein gefährliches Raubtier verwandeln, dem man besser nicht zu nah kam. Nur beim Klavierspiel, das sie unter keinen Umständen aufgeben wollte, wirkte sie zufrieden und ausgeglichen wie eh und je und diese Wirkung hielt auch noch ein paar Stunden vor, wodurch Kojiro keinerlei Einwände dagegen hatte, solange sie sich nicht überanstrengte. Eines ruhigen Abends, an dem Kojiro wiedereinmal in der Pianobar auf seinem angestammten Platz saß und Misas Musik lauschte, wurde er plötzlich von zwei dunkeln Gestalten überrascht, die sich von hinten an ihn herangeschlichen hatten. "Lange nicht gesehen, Kojiro." Blitzartig sprang er auf und starrte ungläubig die beiden, die sich nun grinsend vor ihm aufgebaut hatten, an. "Kira! Takeru! Was zum Teufel macht ihr denn hier?!" Seufzend ließ sich Kira auf den freien Stuhl fallen und rollte mit den Augen. "Ein bisschen mehr Begeisterung hätte ich schon erwartet. Außerdem hat Misa bei ihrem letzten Anruf auf mein Handy erwähnt wo sie arbeitet. Wir mussten euch also noch nicht einmal suchen. Im Übrigen bleiben wir auch nur zwei Tage." Mit besorgtem Blick nickte Kojiro nur kurz, bevor er ihm eine eindringliche Frage stellte. "Aber sonst weiß niemand wo wir sind?! Es ist euch auch niemand gefolgt?!" Nun schaltete sich auch Takeru, der sich inzwischen einen leeren Stuhl vom anderen Tisch geborgt hatte, ein. "Ihr habt schließlich nur von einer Telefonzelle aus angerufen und außer Kira und mir hat niemand auch nur den blassesten Schimmer, wo ihr seid. Lediglich das es euch so weit gut geht. Mehr wollte Frau Hinoto auch gar nicht wissen. Und Herr Hinoto... Nun ja, er tappt noch immer im Dunkeln. Was in diesem Fall vermutlich auch besser ist." Sichtlich erleichtert atmete Kojiro auf und entspannte sich wieder. "Gut. Das Letzte, was wir im Moment gebrauchen können ist, dass Seiji uns findet." Schweigend stimmten sie ihm zu, als Kiras Blick zum Klavier wanderte, während er sein Zigarettenetui aus der Jackentasche holte. "Hat sie es inzwischen verkraftet?" Nachdenklich nippte Kojiro kurz an seinem Apfelsaft, bevor auch er Misa betrachtete und ein Lächeln über sein Gesicht huschte. "Ja. Ja, ich denke, sie ist darüber hinweg." ,Trotz ihrer Launen sieht sie glücklich aus. Wahrscheinlich hilft ihr das Baby dabei das Ganze zu vergessen. Nur ihre neue Kraft macht mir Sorgen. Sie kann sie immer noch nicht kontrollieren. Langsam wird es gefährlich. Die vielen Erdbeben in letzter Zeit, auch wenn sie nur sehr schwach waren, könnten Seiji aufmerksam machen. Ich kann nur hoffen, dass wir diesem Mistkerl nie wieder gegenüber treten müssen, sonst kann ich für nichts garantieren.' Kojiro grübelte bereits eine ganze Weile vor sich hin, als das Klavier verstummte und Misa eine Pause einlegte und sich auf den Weg zu ihrem Tisch machte. "Sie ist aber ganz schon aus der Form gelaufen was?", flüsterte Kira leise in Kojiros Ohr, der ihm daraufhin einen Klaps auf den Hinterkopf verpasste. "Sag ihr das ins Gesicht und du bist ein toter Mann! Das schwör ich dir!" Augenblicklich verstummte Kira und nahm einen genüsslichen Zug von seiner Vanillezigarillo, doch seine und Takerus Blicke auf Misas leicht gewölbten Bauch, sprachen Bände. Das Lächeln auf Misas Gesicht über die unerwarteten Gäste wurde zu einem bösen Funkeln. "Misa, du... du siehst toll aus..." "JA, ja genauso...so rank und schlank wie immer.", setzte Kira noch einen drauf, nachdem es Takeru schon so offensichtlich schwer fiel die passenden Worte zu finden, worauf Misa...... leise zu schluchzen begann. Genervt stöhnte Kojiro auf, bevor er sie in seine Arme zog und ihr beruhigend den Rücken entlang streichelte, während er den beiden sprachlos vor sich hinstarrenden einen Blick zuwarf der töten könnte. "Ich...ich werde feeeeett..." "Aber nicht doch. Das ist in deinem Zustand vollkommen normal, dass du ein paar Pfunde zulegst." Verwirrt sahen sich Takeru und Kira an, ehe sie sich wieder den beiden zuwandten. "Welcher Zustand? Wieso habt ihr uns nichts gesagt?! Ist sie krank?" Schniefend schüttelte Misa nur den Kopf und vergrub sich wieder in Kojiros Halsbeuge. "Kojiro liebst du mich noch wenn ich fett bin und ich Krampfadern bekomme, fünfmal in der Stunde auf Klo renne und esse wie ein Schweeein..." Beim letzten Wort heulte Misa wieder los wie eine Heulboje, bevor sie ihn fragend aus verweinten Augen ansah. "Natürlich. Ich liebe dich auch jetzt noch." "Ich HABE noch gar keine KRAMFPADERN!!!" Die falsche Antwort ist schließlich auch eine Antwort und Misa sprang mit einem Satz hoch und baute sich bedrohlich vor ihm auf, während Takeru eins und eins zusammenzählte und ungläubig die Augen aufriss und Kojiro, der sich bereits duckte, mit seiner Erkenntnis vor einem neuerlichen Wutausbruch rettete. "Du bist doch nicht schwanger?!" Plötzlich grinste Misa ein wie ein Honigkuchenpferd und setzte sich brav auf Kojiros Schoß. "Doch. Fünf Monate und knapp zwei Wochen." Kira blinzelte ein paar Mal, bevor er in schallendes Gelächter ausbrach. "Ihr verarscht uns doch! Beinah hätt ich's euch geglaubt. Guter Witz..." Doch verstummte er abrupt, als die anderen nicht in sein Lachen miteinstimmten. "Kein Witz? Ihr zwei?" Takeru fand als erstes seine Fassung wieder und gratulierte den zukünftigen Eltern, dem sich Kira, der sich verlegen am Kopf kratzte, alsbald anschloss. "Wer hätte das gedacht? Ich meine, vor ein paar Monaten habt ihr noch abgestritten, dass ihr zusammen seid und jetzt..." Noch immer mit ungläubig aufgerissenen Augen blickte er auf Misas Bauch, während er die Zigarette augenblicklich im Aschenbecher ausdrückte und den letzten Rauch wegwedelte. "Kann... kann man denn schon was fühlen?", fragte Takeru schon fast schüchtern, als Misa liebevoll über das kleine Bäuchlein streichelte. "Bisher kann nur ich ganz leicht etwas spüren. Aber es dürfte nicht mehr lange dauern, bis man den Herzschlag durch die Bauchdecke fühlen kann. Das hat zumindest der Arzt gesagt." Lächelnd betrachteten die beiden Männer das junge Paar, ehe sie wehmütig aufseufzten, was unserer Misa mit den scharfen Adleraugen natürlich nicht entging. "Und was ist mit euch beiden?" Ruckartig erhoben sie gleichzeitig ihre Köpfe, als sich durch Misas wissendes Grinsen ein leichter Rotschimmer auf ihren Wangen bildete und ihren Blick in die jeweils entgegengesetzte Richtung lenkten. "Was...was soll schon sein?" "Na ja, seid ihr gerade in einer Beziehung?" Verschmitzt grinsend beobachtete sie jede Reaktion der beiden, die so unbeholfen und verlegen wirkten, dass sich ihr Verdacht wohl zu bestätigen schien, als beide gleichzeitig losplatzten: "WIR?! ...nein...nein, also..." Kojiro der Misas komischen Unterton bemerkte, verstand nur Bahnhof, als sich die beiden ebenso merkwürdig verhielten. "Dann seid ihr also noch Single? Ihr könnt euch ja mal gemeinsam umsehen. Takeru kümmert sich um die Frauen, während Kira die Männer übernimmt." Beide verzogen bei dem Gedanken das Gesicht zu einer Grimasse, ehe sie bemerkten, dass sie von Misa gerade in eine Falle gelockt wurden. Zufrieden lächelnd lehnte sich Misa noch einmal an Kojiro, bevor sie aufstand und sich entschuldigte. "Meine Pause ist leider vorbei. Aber nach einer Stunde ist ohnehin Schluss. Ich hoffe, ihr habt nichts gegen das Sofa. Es ist zwar relativ breit, aber eigentlich nicht für zwei Personen gedacht. Deswegen könnte es ein wenig eng werden. Bis dann." Kira schluckte bei der Vorstellung von einem dicht an ihn gepressten Takeru hart und fingerte nervös eine Zigarillo aus dem Etui, während sein grünäugiger Gegenüber wie ein Huhn Löcher in die Luft starrte. ,Das überleb ich nicht.' (Von wem kam der Gedanke bloß?) Für den Rest des Abends war Misa so gnädig diverse Anspielungen zu unterlassen und richtete stattdessen das Sofa besonders gemütlich her. Schnell schmiss sie die Stoffhasen und Enten beiseite und platzierte stattdessen eines ihrer großen kuscheligen Polster von ihrem eigenen Bett und richtete die Decke. ,Irgendwie übertreibt es Kojiro mit seinen Stofftieren. Woher er nur so plötzlich diesen Tick hat... So das dürfte reichen. Obwohl ein paar Kerzen vielleicht auch nicht schlecht wären, um eine romantische Stimmung zu schaffen.... Nein, das wäre dann doch zu auffällig. Aber wenn die nicht bald einen Gang schneller schalten, sind sie 70 bevor sie merken, dass sie ganz einfach zusammen gehören. Und ich weiß, dass sie zusammengehören. Ich weiß es einfach.' Zufrieden schlüpfte sie unter die Bettdecke und erklärte Kojiro, der inzwischen neugierig geworden war, da er bereits bemerkt hatte, dass Misa wieder etwas ausgeheckt hatte, in der Kurzfassung von ihrer Vermutung. "Du meinst, die beiden? Aber Takeru steht nicht auf..." "Kann ja sein, aber so wie er ihn ansieht, wenn er glaubt, dass es keiner merkt. Außerdem solltest du doch erleichtert sein. Immerhin geht dir Kira dann nicht mehr an die Wäsche und ich kann beruhigt schlafen." Gegen den letzten Grund konnte er nichts mehr erwidern und so stimmte er Misa zu, dass die beiden das perfekte Paar schlechthin bildeten und entschied, dass er sie bei ihrem Verkupplungsversuch unterstützen sollte. Unschlüssig standen Kira und Takeru vor dem Sofa und maßen mit ihren Augen ab, dass es nicht nur eng sondern verdammt eng werden würde. "Ich schlafe auf dem Boden. Wir können uns ja abwechseln und morgen bekomme ich das Sofa." Kira überlegte eine Weile, ob er seinem Freund tatsächlich den kalten Boden zumuten konnte, ehe sein Blick wieder auf das Einmann Sofa fiel. "Gut, morgen bekommst du das Sofa. Aber nimm das Kissen und die Decke, sonst kannst du dich morgen nicht mehr bewegen." Damit warf er ihm beides zu und schlüpfte schnell in sein Schlafshirt, nur um stundenlang an die Decke zu starren und über Misas Worte zu grübeln, wobei er sich allerdings in prächtiger Gesellschaft befand. Schon am frühen Morgen lugten Misa und Kojiro ins Wohnzimmer und seufzten enttäuscht auf, als sie bemerkten, dass ihre Gäste getrennt geschlafen hatten. "Das wird schwerer als ich dachte.", flüsterte Misa ihrem Blondschopf zu, der sie auf Zehenspitzen wieder zurückschob. "Vielleicht hast du dich auch einfach geirrt und Takeru will gar nichts von ihm." Doch Misa schüttelte nur den Kopf und verdrehte genervt ihre Augen. "Falls ich mich irren sollte, darfst du dir was von mir wünschen." "Was immer ich will?" "Jaaa..." Damit wurde die Vorstellung, dass aus den beiden doch kein Paar wurde für ihn gleich wieder um vieles angenehmer und grinsend stellte er sich bereits eine neue Einkaufsliste, auf der ganz groß Schokosirup und Belegkirschen stand, zusammen. ,...yessss....ich weiß schon ganz genau, was ich mit meinen Kirschen belegen werde...' Dabei musterte er seine Auserkorene mit einem kurzen Seitenblick und verlängerte die Liste um ein paar Erdbeeren. Misas glänzende Idee den angebrochenen freien Tag am Meer zu verbringen, wurde einstimmig angenommen. Mit Takerus Polaroidkammära bewaffnet suchte Misa nach dem bestmöglichen Motiv, bis sie ihr Opfer, das sich zu nahe an die Klippen gewagt hatte und sich pitschnass im Sand räkelte schließlich in einer perfekten Position erwischte. Freudestrahlend präsentierte sie das Foto Kojiro, der es am Liebsten in lauter kleine Schnipsel zerpflückt hätte. "Was willst du mit dem Bild?! Wenn ich das irgendwo in der Wohnung entdecke, dann..." "Reg dich nicht gleich auf. Das ist doch nicht für mich. Ich will nur jemandem damit auf die Sprünge helfen. Ich meine, wenn ihm das nicht die Augen öffnet, dann geb' ich mich geschlagen und du hattest Recht. Aber wenn nicht... dann bist du mir etwas schuldig, ok?" Damit klimperte sie ein paar Mal mit ihren langen Wimpern und blickte ihn mit ihren großen, unwiderstehlichen, rehbraunen Augen an. "Einverstanden." Siegessicher zog sie Kojiro zu sich und änderte ihre persönliche Einkaufsliste auf Karamelleis und einer genauso hautengen Short, wie die burgunderfarbene die Kira ausgesucht hatte und die sie nun heiß und innig liebte, für ihren Herrn. ,Dafür bezieh ich nachher sogar das Bett neu...' (Was haben die nur für Sauereien geplant... also wirklich...) Um die Sache ein wenig zu beschleunigen nahm Misa Takeru beiseite und Kojiro musste sich um Kira kümmern, um den Stand der Lage zu überprüfen. Natürlich geschah das Ganze unter dem Vorwand, dass sie jemanden brauchte der mit ihr nach Muscheln suchte und Kojiro dabei nur mufflig neben ihr herstapfen würde. "Das hab ich gehört, Misa!" Entschuldigend lächelnd zog sie Takeru weiter, der sich das Grinsen nicht verkneifen konnte. "Anscheinend habt ihr euch ganz gut eingelebt. Die kleinen Sticheleien... wie ein altes Ehepaar." "Offiziell sind wir ja auch verheiratet. Ohne den falschen Nachnahmen würde uns Seiji mit Sicherheit bald aufspüren. Ist Kiras kleines Geheimnis eigentlich inzwischen auch schon zu seinem Vater vorgedrungen?" Takeru legte seine Stirn in Falten und schüttelte den Kopf. "Nein. Alles was er vom Ball gehört hat, tut er als Kiras Racheaktion ab, weil er ihn wiedereinmal zu einer derartigen Veranstaltung genötigt hatte. Um ehrlich zu sein, Kira macht sich zurecht Sorgen. Sein Vater legt sehr viel wert auf das Ansehen in der Gesellschaft. Er erwartet von Kira, dass er eines Tages in seine Fußstapfen tritt. Er wird die Tatsache, dass sein einziger Sohn auf Männer steht nicht so einfach hinnehmen. Es wird nicht einfach ihn davon zu überzeugen, dass man daran nichts ändern kann. Ich traue es ihm zu, dass er ihn deswegen zum Psychiater schickt, oder ihn gleich vor die Tür setzt." Entsetzt blieb Misa stehen und blickte in Takerus besorgtes Gesicht. "Du denkst er würde soweit gehen?" "Ja. Und das weiß Kira auch." Misa hatte diesen Aspekt bisher noch gar nicht betrachtet. Sie hätte niemals geglaubt, dass sein eigener Vater ihn dafür verstoßen würde, es ihm derartige Schwierigkeiten bereiten würde, wenn er gewisse gesellschaftliche Tabus brach und sich zur Homosexualität bekannte. Jetzt verstand sie auch warum er so panisch reagierte, als sie ihn damals direkt darauf ansprach. "Aber was ist mit dir? Dir hat es doch auch nichts ausgemacht. Ihr zwei steht euch doch nach wie vor sehr nahe." Lächelnd nickte er ihr kurz zu, bevor er eine bläuliche Muschel aufhob und den daran haftenden Sand entfernte. "Als ich es bemerkt habe, war es... irgendwie komisch für mich. Aber er hat nie auch nur das Geringste versucht, deswegen habe ich mir nichts mehr dabei gedacht. Einige Zeit hat er sich sogar stark von mir zurückgezogen. Er ist mir immer ausgewichen. Warum weiß ich bis heute nicht. Aber in dieser Zeit habe ich erst gemerkt, wie viel mir unsere Freundschaft bedeutet und es vollkommen unwichtig ist, ob er nun mit Männern oder mit Frauen schläft." ,Jetzt oder nie', dachte sich Misa, als sie Takeru kurz aus dem Augenwinkel beobachtete und sich ein sanftes Lächeln auf seinem Gesicht zeigte, während er erzählte. "Entschuldige bitte, wenn diese Frage zu weit führt, aber...bist du dir wirklich sicher, dass du nur sein bester Freund sein willst?" "Ich bin nicht schwul!" Doch Misa fuhr unbeirrt mit ruhiger Stimme weiter und sah ihm dabei fest in die Augen. "Ich habe auch nicht danach gefragt, ob du schwul bist, sondern danach ob du vielleicht etwas mehr für Kira empfindest, als nur reine Freundschaft. Manchmal verliebt man sich doch auch ganz unabhängig vom Geschlecht des anderen in eine Person. Jemanden, den man zuerst vielleicht noch nicht einmal in Betracht gezogen hätte. Jemanden, der einfach alles für einen bedeutet." Nach Worten suchend öffnete er immer wieder seinen Mund wie ein Fisch auf dem trockenen, bevor er seine wilden Gestikulationen einstellte und sich gegen den nächsten Felsen lehnte. Etwas kleinlaut starrte er auf seine Zehen, die sich weiter im Sand vergruben, als verlöre er den festen Boden unter den Füßen und würde buchstäblich jeden Augenblick darin versinken. "Ich... ich weiß es nicht. Aber ich könnte nie... mit einem Mann... Die Vorstellung allein mit einem Mann zu schlafen ist... Ich kann das nicht! Es wird nie...niemals mehr als Freundschaft zwischen uns sein!" Kira bibberte vor Kälte. Nach seiner kleinen Dusche an der Gischt, klebten seine Kleider klitschnass an seinem Körper fest und der eisige Meereswind tat sein übriges dazu. Nur der Sand, der sich durch die Sonnenstrahlen ein wenig aufgewärmt hatte, war angenehm. Mit dem kleinen Nachteil allerdings, dass nun auch dieser an ihm klebte und er aussah wie jemand, der dringend eine heiße Dusche gebrauchen konnte. Kojiro hatte sich nur ungern dazu überreden lassen, bei Kira ein wenig nachzubohren, um in Erfahrung zu bringen, ob sich ihr Verdacht bestätigte. Der Blondschopf hatte keine Lust lange um den heißen Brei herumzureden und so kam er gleich und ohne weitere Umschweife auf den Punkt. "Du stehst doch auf Takeru, oder? Warum sagst du es ihm nicht einfach. Bei mir hast du schließlich auch nicht lange gefackelt." Im Hintergrund hörte er Misa schon sagen ,Kojiro, manchmal bist du ein echter Holzkopf'. Wie vom Blitz getroffen sprang Kira auf und starrte ihn entsetzt an. "Du...du.. woher? Habe ich irgendetwas gesagt, oder... Misa, habe ich Recht? Sie will doch nicht!..." Die Erkenntnis, dass das höchstwahrscheinlich ihr Werk war und sie nun mit Takeru allein sprach, traf ihn wie ein Blitz. Gerade als er davonstürmen wollte, um das Schlimmste zu verhindern, wurde er von Kojiro aufgehalten. "Sie tickt in letzter Zeit zwar manches Mal aus, aber sie wird es ihm schon nicht gleich auf die Nase binden." ,Hoff ich zumindest.' Noch immer etwas unsicher, fuhr sich Kira durch die nassen schulterlangen Haare und ließ sich wieder zurück in den Sand fallen. "...vielleicht wäre es sogar besser. Das Ganze jetzt noch mal von vorn ertrage ich ohnehin nicht." Verwirrt zog Kojiro eine Augebraue hoch, bevor er sich zu ihm gesellte und darauf wartete, dass Kira endlich zu erklären begann. "Ich habe mich vor einigen Jahren schon einmal in ihn verliebt. Damals hatte ich noch schreckliche Angst, dass er irgendwann herausfindet, dass ich Männer um einiges attraktiver fand, als Frauen. Ich habe mich so gut es eben ging von ihm ferngehalten, damit er keinen Verdacht schöpfen konnte. Dann denke ich, ich habe es endlich geschafft und bin darüber hinweg und es geht wieder von vorn los. Nur noch viel schlimmer. Ich kann nicht mehr. Ich kann mich nicht mehr von ihm fernhalten. Selbst wenn ich es wollte... Ich weiß einfach nicht mehr, was ich noch tun soll..." Kojiro wusste, wie es war den Menschen den man liebt nicht berühren zu dürfen. Er selbst hatte es ja kaum einen Tag ausgehalten. Alleine der Gedanke sich jahrelang von Misa fernhalten zu müssen, wäre ihm unerträglich. Er konnte sich kaum eine Vorstellung davon machen, wie sich das kleine Häufchen Elend neben ihm fühlen musste, das sich zitternd schnell über die feuchten Augen wischte, bevor die ersten Tränen entkommen konnten. Dankbar erkannte Kojiro wie Misa zusammen mit Takeru im Schlepptau von ihrer kleinen Exkursion zurückkam, obwohl der Ausdruck auf beiden Gesichtern darauf schließen ließ, dass ihre Unterhaltung ein genauso bedrückendes Ende genommen hatte. Die Fahrt mit Kiras Auto zurück in die Stadt verlief mehr als schweigsam. Auch in der Wohnung breitete sich, nach einem kleinen oder für manche überaus großen Abendessen und einer nötigen Dusche für Kira, eine nicht in Worte zu fassende Spannung aus. Einzig und allein wurden so manche Blicke ausgetauscht, während andere wieder vermieden wurden, bis sich Misa und Kojiro zurückzogen und sich im Wohnzimmer eine Totenstille ausbreitete. Mit einem scheuen Lächeln wünschte man sich eine gute Nacht, bevor das Licht gelöscht wurde und Kira es sich auf dem Boden gemütlich machte, bis ein leichtes Klappern die Stille durchbrach. "Kira? Bist du das?" Beschämt biss er sich auf die Lippen, um das Klappern seiner Zähne zu stoppen. "Tut mir leid." Nach dem unfreiwilligen Bad am Meer wurde ihm selbst nach der eher lauwarmen Dusche, da das heiße Wasser am Morgen bereits verbraucht war, nicht wieder warm. Nach kurzem Zögern sammelte Takeru seinen letzten Rest Mut zusammen und rückte so weit es ging an das Ende des Sofas. "Na komm schon, oder willst du morgen eine Erkältung?" Doch Kira drückte sich nur weiter in sein Kissen und beteuerte, dass es am Boden mindestens genauso gemütlich wäre, wie auf der Couch. Außerdem habe er gestern Nacht das Sofa in Beschlag genommen. "Stell dich nicht so an! Es macht mir nichts aus. Oder muss ich dich erst hertragen?" Kira schickte schnell noch ein Stoßgebet zu Gott, dass er ihm helfen möge, sich zusammenzureißen und atmete tief durch, bevor er sich zögernd mit Decke und Kissen auf den Rand des Sofas setzte. "Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht?" Takeru verdrehte die Augen und zog ihn an den Schultern auf die andere Seite des Sofas. "Ja und jetzt leg dich endlich hin und schlaf. Ich habe nicht vor, dass bis zum Morgengrauen mit dir zu diskutieren. Also, gute Nacht." Verschlafen rieb sich Kojiro die Augen und kratzte sich am Kopf. Er hatte mit Misa noch ein sehr langes Gespräch über ihre beiden Problemkinder geführt und blinzelte nun mehrmals über den gebotenen Anblick im Wohnzimmer. Schulterzuckend drehte er sich wieder um, schloss die Tür hinter sich und öffnete sie ein weiteres Mal. Doch diesmal blieb er wie angewurzelt stehen, als sich das Bild vor ihm noch immer nicht verändert hatte. Kira und Takeru sahen aus wie ein einziges Gewirr an Beinen, Armen und Haaren, die nach allen Seiten wegstanden. Grinsend holte er sich die Polaroidkammära und machte ein unvergleichliches Foto fürs Familienalbum. Zufrieden schüttelte er es ein wenig hin und her, bis sich das Bild zeigte und huschte schnell zurück zu Misa, als sich das menschliche Knäuel zu bewegen begann. Schmatzend zog Kira den warmen Körper, der halb über ihm lag, näher und vergrub sein Gesicht in den bläulich schwarzen Haaren, während seine Finger den breiten Rücken entlang wanderten, bis er den knackigen Po mit beiden Händen in Besitz nahm. Mit einem Schlag hellwach erhob sich Takeru soweit, dass er in das Gesicht seines Gegenübers blicken konnte, der zufrieden vor sich hinlächelte und gar nicht daran dachte seine neue Errungenschaft so schnell wieder verschwinden zulassen und nur kräftiger zupackte. Erschrocken sog Takeru scharf die Luft ein, als etwas an seinem Oberschenkel rieb, dass eine gewisse Panik in ihm aufsteigen ließ und rüttelte an Kira damit er endlich aufwachte, bis dieser verschlafen blinzelte, ehe er endgültig die Augen aufschlug. "OH GOTT!" Mit einem Satz sprang er auf und beförderte damit seinen Freund unsanft auf den Boden, bevor er so schnell wie irgend möglich im Bad verschwand. Wie ein Gekreuzigter daliegend, wagte es Takeru nicht sich zu bewegen und das Zittern in ihm zu unterdrücken, während Kira sich einer eiskalten Dusche unterzog und inständig hoffte, dass wenigstens seine Erregung unbemerkt blieb. (Geringe Chance....gaaaanz geringe Chance...) Inzwischen versuchte Kojiro Misa so sanft wie möglich zu wecken und kuschelte sich dabei noch einmal unter die Decke. "Misa, hey aufwachen." Doch diese schlief wie ein Stein und rührte sich nicht. Also blieb ihm nur eine Möglichkeit, die auch die letzten Tage zuvor besser gewirkt hatte, als es jede Sirene hätte tun können. "Frühstück!" BATSCH! Misa saß kerzengerade im Bett, während sich Kojiro die Nase hielt und sich vor Schmerzen wand wie ein Wurm. "Oh... Tut mit leid! Alles in Ordnung?" "Beschtens..." Entschuldigend küsste sie ihn sanft auf den Mund, ehe Kojiro ihr das Foto aushändigte und Misa freudig zu jubeln begann und nach draußen stürzte. Enttäuscht entdeckte sie Takeru mit hängendem Kopf auf der Couch sitzen und hörte nebenbei das prasseln von Wasser aus der Dusche. "War irgendetwas? Du siehst nicht gerade glücklich aus." Als er Misa bemerkte, hob er den Kopf leicht und lächelte sie müde an. "Nein. Alles bestens." ,Das sagt Kojiro auch immer, wenn etwas nicht in Ordnung ist.' Seufzend eilte sie schnell ins Schlafzimmer und überreichte ihm einen Briefumschlag. "Sieh es als eine Art Test an. Wenn du dir nicht mehr sicher bist, was du fühlst, dann öffne den Umschlag." Mit hochgezogener Augenbraue nahm er das weiße Kuvert entgegen und blickte sie fragend an. "Was soll da drin sein?" "Das wirst du schon noch sehen. Aber erst öffnen, wenn du dir nicht mehr sicher bist." Dabei zwinkerte sie ihm verschwörerisch zu und Takeru blieb nichts anderes übrig, als sein Versprechen zu geben. Zwischen diesem Teil und dem nächsten gibt es ein Kapitel, das zwar an Teil 27 anschließen würde, ich es aber lieber seperat ins Internet stellen werde. Es handelt sich dabei ausschließlich um Kira und Takeru, weswegen ich es aus dieser Geschichte herausschneide. Für alle, die die beiden lieb gewonnen haben, kann ich empfehlen die Sidestory mit dem Titel: 'Geständnisse' zu lesen. Für die anderen ist es kein Problem diesen Teil auszulassen, da es nichts zum Verlauf der weiteren Geschichte mit Misa und Kojiro beiträgt. Kapitel 28: ------------ So, wir nähern uns jetzt mit riesen Schritten dem Ende. Genauer gesagt ist das hier das vorletzte Kapitel! Wenn es nach diesem Kapitel Beschwerden regnen sollte, ich bin gewappnet. Also nur zu. Teil 28 Die Sonne, die durch das gekippte Fenster drang, kitzelte Misas kleine Stupsnase, die sich naserümpfend versuchte umzudrehen, um sich noch einmal in die Kissen zu kuscheln. Doch ihr kleiner Babybauch hinderte sie daran so in einer halbwegs bequemen Lage liegen zu bleiben. Seufzend drehte sie sich wieder auf den Rücken und schlug die Augen auf. ,Noch dreieinhalb Monate, bis ich... was?' "Kojiro! Kojiro wach auf!" Grummelnd ließ der sich von Misa wachrütteln. "Hab heute meinen freien Tag, warum..." Doch gerade als er sich über die unsanfte Behandlung beschweren wollte, legte Misa seine Hand auf ihren Bauch, in dem sich etwas leicht bewegte. Plötzlich hellwach riss er die Augen auf, bevor er seinen Kopf vorsichtig auf die Rundung legte. Mit einem Grinsen von einem Ohr zum anderen streichelte sie ihm die blonden Haare zurück. "Das Baby wollte wohl ,Guten Tag' sagen." Lachend beugte er sich über sie und küsste sie zuerst auf ihren Mund, ehe er ebenfalls einen leichten Kuss auf die Wölbung ihres Unterleibs hauchte. "Guten Morgen, Baby!" * Erschrocken drehte sich Frau Hokosai um, als sich eine zwielichtige Gestalt mit Sonnenbrille und Trenchcoat hinter ihr räusperte. "Sie haben mir einen ganz schönen Schreck eingejagt. Ich habe sie gar nicht kommen hören." "Ich suche Herrn Seiji Wakabashi. Ich habe gehört, dass ich ihn hier finden kann." Nachdem sie ihn für einen Moment neugierig gemustert hatte, schüttelte sie den Kopf und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch. "Hier finden sie nur den Senior der Wakabashi Familie. Sie müssen auf die andere Seite des Komplexes, um den Sohn anzutreffen. Wenn sie aus dem Fenster blicken...ist es genau auf der gegenüberliegenden Seite. Aber haben sie denn überhaupt einen Termin. Ich fürchte, ohne..." "Danke." Ohne ein weiteres Wort drehte er ihr den Rücken zu und verschwand wieder so geheimnisvoll, wie er aufgetaucht war. * "Ich bin froh, dass wir endlich mal wieder richtig Zeit für uns haben. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und die Luft ist so klar und frisch... zumindest im Park." Kojiro und Misa schienen um die Wette zu strahlen, als sie die kleinen Wege inmitten des zarten Frühlingsgrüns eingehackt entlang schritten. Der frische Wind wirbelte Kirsch und Apfelblüten von den Bäumen. Diese tanzten wie Schneeflocken in der Luft herum. Genießerisch schloss Misa die Augen, als sie einen kleinen Zweig zu sich herunterzog und den betörenden Duft einsog. Lächelnd strich sie vorsichtig über die zarten Blütenblätter einer noch nicht geöffneten Kirschblüte, als diese sich plötzlich zu öffnen begann. Blinzelnd betrachtete sie das kleine Schauspiel, ehe sie stotternd Kojiro zu sich rief, der sie aus einiger Entfernung beobachtet hatte. "Sieh dir das an!" Wieder suchte sie sich eine Knospe und strich darüber, bis auch diese sich in ihrer vollen Pracht zeigte. "Ist....ist das meine Kraft?" Verblüfft sah er ihr weiter dabei zu, wie sie es immer wieder wiederholte, da sie es selbst noch nicht ganz zu glauben schien, dass noch mehr Fähigkeiten in ihr schlummerten, als jene die sie bisher gefürchtet hatte und die sie durch ihren Zorn oder ihre Verzweiflung unkontrolliert hervorrief. "Versuch etwas anderes." Kojiros Neugier war geweckt. Staunend beobachtete er wie Misa sich an den Wegrand kauerte und durch pure Konzentration ihre Handfläche glühte und eine Blume zu wachsen begann. "Wie hast du...." Doch ihre braunen Augen blickten ihn nur ratlos an, während sie die Schultern zuckte und sich wieder aufrichtete. "Vielleicht ist diese Kraft nicht nur dazu da, um etwas zu zerstören. Wenn ich etwas so Reines erschaffen kann, dann kann es doch nicht nur schlecht sein, oder?" * Leise folgte Frau Hokosai dem Mann. Sie hatte ihre Pläne etwas mehr über die Geschäfte Seijis zu erfahren noch nicht aufgegeben, auch wenn sich diese als ein schwierigeres Unterfangen, als erwartet herausgestellt hatten. Niemand wagte auch nur die kleinste Kleinigkeit davon preiszugeben und an Akten war es wie es schien selbst für sie unmöglich heranzukommen. So erkannte sie dies als ihre Chance durch den verirrten Geschäftspartner Seijis ein paar wenige Informationen zu erlangen. Wie sie das anstellen würde, wusste sie zwar nicht, aber ihr würde schon noch was einfallen, wenn es soweit war. Als sie das Büro ihrer verhassten Kollegin betrat, atmete sie erstmals auf, denn von dieser war keine Spur. Offensichtlich hatte Seiji sie weggeschickt, was bedeuten musste, dass dieser Mann so wichtig war, dass er selbst seine eigene Sekretärin nicht in seiner Nähe haben wollte, wenn er ihn empfing. Nervös blickte sie sich noch einmal um, ehe sie sich an ihren Schreibtisch schlich und die Gegensprechanlage einschaltete, um belauschen zu können, worum es sich bei dem Geschäft handelte. * Den ganzen Tag lang schlenderten sie turtelnd durch die Einkaufsstraßen Rojukuus, blieben dabei hier und da an einem Maronistand, einer Würstchenbude und dergleichen anderen Schnellimbissbuden stehen, um Misas Hunger zu stillen. Es war ein Frühlingstag, wie man ihn sich nur wünschen konnte. Müde streckte Misa die Beine aus, während sie es sich auf einer Parkbank gemütlich machten und sie genießerisch die Augen schloss. Sie lehnte sich entspannt zurück und atmete tief durch, als sie unerwartet zusammenzuckte. "Was ist los?" Besorgt blickte er in ihre rehbraunen Augen, als sie nur gequält lächelnd abwinkte. "Ist gleich vorbei. Das Baby ist nur gerade wieder aktiv." Doch ihr blasses Gesicht und die Schweißperlen, die ihr auf die Stirn traten, verrieten, dass sie ihn nur beruhigen wollte und offensichtlich Schmerzen hatte. Hilflos nahm er ihre verkrampfte Hand und strich ihr sanft über das schmerzverzerrte Gesicht, bis Misa sich wieder etwas entspannte und langsam ihre Farbe zurückbekam. "Ich bring dich sofort zu einem Arzt!" Behutsam half er ihr hoch und stützte sie so gut es ging. "Kojiro, es ist schon wieder vorbei. Kein Grund zur Sorge, ehrlich! Ich bin schwanger nicht schwerkrank!" Doch egal wie sehr sie auch versuchte ihn davon zu überzeugen, dass das vollkommen normal war, ließ er sich nicht davon abbringen, sie bis zum nächsten Arzt zu schleifen Vor einem Krankenhaus angekommen, dass mit der Buslinie leicht zu erreichen war, zeigte ihm Misa den Vogel, da er ihrer Meinung nach aus einer Mücke einen Elefanten machte und sie sowieso demnächst einen Termin für eine weitere Vorsorgeuntersuchung bei ihrem Frauenarzt habe. Nichts desto trotz schnappte er sich die nächste Schwester, die vorbei lief und verlangte von ihr, dass diese ihm sofort einen Arzt für seine schwangere Freundin besorge, es handle sich um einen Notfall. Dafür fing er sich von Misa einen leichten Klaps auf den Hinterkopf ein. "Hey, hörst du mir nicht zu?! Mir geht's gut siehst du? Du brauchst hier nicht die armen Krankenschwestern herumscheuchen. Am besten du besorgst mir in der Zwischenzeit eine Kleinigkeit zu essen." "Aber..." Keinen Widerspruch duldend schob sie ihn ein paar Meter in Richtung Ausgang und winkte ihm zum Abschied noch einmal zu, bevor sich die Glasschiebetür hinter Kojiro schloss. Erleichtert atmete Misa auf, als sie auch schon von einer der Schwestern das Anmeldeformular in die Hand gedrückt bekam. * Dankend nahm der schwarzgekleidete Mann mit dem verwegenen Blick einen Drink an, bevor er sich in das Ledersofa sinken ließ und es sich gemütlich machte. "Wir haben die Gegend des Epizentrums der letzten Erdbeben in Rojukuu genauer unter die Lupe genommen. Es scheint, als hätten sie Recht. Es gibt dort tatsächlich ein Paar das ihren Beschreibungen bis aufs Haar gleicht. Wir haben die beiden unter einem falschen Namen entdeckt. Als frisch verheiratetes Ehepaar namens Aogiri. Sie haben es sehr geschickt gemacht und sich nirgendwo mit ihrem richtigen Namen eingetragen. Die beiden haben nur einen Fehler gemacht. Ihre Schwester war bei einem Arzt und musste dort die wahren Umstände angeben. Sie dachten wahrscheinlich, dass das Arztgeheimnis sie davor bewahren würde entdeckt zu werden." Seiji hörte angespannt den Worten seines Gegenübers zu. Dessen Anwesenheit allein bewies schon, dass er dieses Mal nicht enttäuscht werden würde und sich sein Ziel bereits in greifbarer Nähe befand. Er hatte schon lange darauf gewartet und nun würde sein Wunsch endlich in Erfüllung gehen. Mehr beiläufig als wirklich interessiert streute er daher eine Frage ein. "Was war das für ein Arzt? Meine Kleine wird sich doch nicht erkältet haben?" Sein süffisantes Grinsen wurde jedoch durch die Antwort mit einem Schlag aus seinem Gesicht gewischt. "Nein, sie ist schwanger. Das ändert doch nichts an ihren Plänen, oder?" Seiji musste sich zügeln nicht laut loszuschreien. Eine Ader auf seiner Stirn schwoll gerade gefährlich an, als der andere sich gemächlich eine Zigarette anzündete. "Wir dachten uns bereits, dass sie nicht wirklich davon begeistert sein würden und haben uns erlaubt etwas zu arrangieren. Der Arzt steht, wie man so sagt, unter dem Schutz unserer Organisation. Zuletzt hatte er uns gegenüber bemerkt, dass sich gewisse Komplikationen ergeben könnten. Sie dürfen also beruhigt sein." Neugierig geworden zog Seiji eine Augenbraue hoch und setzte sich wieder in seinen Bürosessel. "Komplikationen?" Der Mann vor ihm, der es noch immer nicht für nötig befunden hatte die Sonnenbrille abzunehmen, nickte nur leicht und nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette. "Dank uns hat er ihr die Tatsache verschwiegen, dass sie demnächst ohne medikamentöse Behandlung und viel Ruhe das Kind verlieren wird. Wir haben ihn gerade abgefangen, als er ihr die neuesten Untersuchungsergebnisse mitteilen wollte. Eine Fügung des Schicksals." So wie es aussah, ergab sich nun doch alles für Seiji zum Besten. Er würde diesen unschätzbar wertvollen Dienst natürlich auch dementsprechend entlohnen. Das Scheckbuch gezückt erweiterte er die vertragsgemäße Zahl um eine weitere Stelle. "Ich danke Ihnen. Sie wissen wenigstens, wie man seine Kunden zufrieden stellt." Mit diesen Worten überreichte er ihm das Stück Papier und verabschiedete sich mit einem höchst zufriedenen Ausdruck im Gesicht. Dadurch entging seinem Blick der rot aufleuchtende Knopf der Gegensprechanlage, der sich soeben ausschaltete. Fahrig fuhr sich Frau Hokosai mehrmals durch die Haare, bevor sie entschlossen die Türschnalle hinunterdrückte und sich leisen Schritts in das Zimmer schlich, um die Vorhänge zurückzuziehen. "Herr Wakabashi? Sind Sie wach? Ich muss dringend mit Ihnen sprechen." Nur schwach öffnete er die schweren Augenlieder unter denen sich schwarze Ringe abzeichneten. "Warum lassen Sie mich nicht endlich in Ruhe?" Doch wie immer ignorierte sie seine depressive Stimmung und fasste sich ein Herz, um ihm die neuesten Nachrichten nicht stotternd zu überbringen. "Es wird Sie interessieren, da es um Ihre verschwundene Tochter geht. Ich denke, ich weiß, wo wir sie finden können. Nur ich befürchte, Ihr Sohn kommt uns zu vor." Ein regelrechtes Strahlen ging über sein Gesicht, wenn er auch verwirrt durch ihre letzten Worte war. "Seiji hat sie gefunden? Wo? Und wie?" Nervös biss sich Frau Hokosai auf ihrer Unterlippe, ehe sie es wagte aufzusehen. "Ich habe einiges über Ihren Sohn herausgefunden. Aber versprechen Sie mir sich nicht aufzuregen!" * Liebevoll strich Misa immer wieder über ihr kleines Bäuchlein und sprach sich dabei selbst Mut zu, während der Arzt das Ultraschallgerät einschaltete und das kühle Gehl verteilte. ,Es ist alles in Ordnung. Du bist nur ein bisschen lebhaft... Hab ich Recht? Es geht dir doch gut? Mein Frauenarzt hat schließlich gesagt, dass alles in bester Ordnung ist. Wenn ich Kojiro gegenüber erwähnt hätte, dass das nicht zum ersten Mal vorgekommen ist, wäre er wahrscheinlich völlig ausgeflippt. Er würde sich nur wieder unnötige Sorgen machen. Ich kenn ihn doch.' Gerade in diesem Moment bemerkte sie die zu Falten gerunzelte Stirn des Arztes, der sich nun näher an das Gerät heranbeugte. "Sie sagten, Sie hätten diese Schmerzen schon länger? Haben sie ihren Arzt davon in Kenntnis gesetzt?" Nun doch sichtlich besorgt nickte Misa nur und wartete auf das Ergebnis seiner Untersuchung. "Wie soll ich sagen.... Es fällt immer schwer so etwas.... Die Plazenta, die sie hier sehen, hat sich beinahe vollständig gelöst. Normalerweise passiert so etwas nur nach einem schweren Unfall, oder einem Schlag in die Magengegend... Ich kann mir selbst nicht erklären warum..." "Was...was kann man dagegen tun? Ich meine, meinem Baby geht es doch gut?" Zitternd kämpfte Misa mit den Tränen, während der Arzt mit sich rang der jungen Frau vor sich die grausame Wahrheit zu sagen. "Mit Medikamenten können wir versuchen Ihr Baby zu retten. Aber ich will Ihnen nichts vormachen. Es könnte sein, dass sie ihr Kind innerhalb weniger Stunden oder Tage verlieren. Es ist sogar höchstwahrscheinlich... Sie sind noch sehr jung. Sie werden noch viele Kinder bekommen können, nur dieses..." Kopfschüttelnd sah sie ihn nur ungläubig an, als sie sich langsam aufrichtete, während sie ihre zitternd, verkrampften Hände in ihre Unterarme krallte. "Nein, nein, der Arzt hat doch.... Das kann nicht sein... NEIN, lassen Sie mich!....." In diesem Augenblick wurde das Gebäude von einem Erdbeben ergriffen, durch das die Regale umstürzten, während der Druck auf die Wasserleitungen zu groß wurde und an jeder Ecke Wasserfonthainen hervorschnellten. Schreiend hielt Misa sich die Ohren zu und schlug mit aller Kraft um sich, als er versuchte sie festzuhalten, bis sie sich in einer Ecke schutzsuchend zusammenkauerte. Mit tränenverschleierten Augen starrte sie ins Leere, während sie bereits seine Worte, sowie die Beruhigungsspritze, die in ihren Unterarm eindrang nicht mehr wahrnahm. Dunkelheit umhüllte ihren Geist. Ihr ganzer Körper fühlte sich, bis auf den dumpfen Schmerz in ihrem Unterleib, wie sinnloser Ballast an, den man nicht abwerfen konnte. Ein Schmerz, den sie verzweifelt versuchte festzuhalten. Ihr einziges Zeichen, dass ihr Baby noch am Leben war. Kojiro, der sich nicht länger von diversen Schwestern aufhalten lassen wollte, die ihm beteuerten, dass seine Frau ihre Ruhe brauchen würde, stürmte das Krankenzimmer, in dem man Misa untergebracht hatte. Ohne Vorwarnung, was ihn darin erwarten würde, riss er die Tür auf und blieb im nächsten Moment wie angewurzelt stehen. Unverändert starrte Misa wie bisher an die Decke und streichelte über ihren Bauch, während sie leise Kinderlieder vor sich hinsummte. Bei dem Anblick drohten seine Beine nachzugeben, als er an seiner rechten Schulter den Druck einer Hand verspürte. "Sind sie der Mann von Frau Aogiri?" "Was?" Ohne seinen Blick von Misa abzuwenden ließ er sich von diesem auf einen Stuhl setzten, den dieser neben ihr Bett herangezogen hatte. "Es tut mir Leid." "Was? Was tut Ihnen Leid? Was haben Sie mit ihr gemacht?!" Sein Blut kochte. Aufgebracht drängte er den verängstigten Arzt gegen die nächste Wand, während er die Hand zur Faust ballte. "Be...beruhigen Sie sich doch. Es ist besser Sie setzten sich hin. Ihre...ihre Frau ist in einem Schockzustand. Wir mussten ihr ein Beruhigungsmittel spritzen!" "Was ist passiert?" Kojiros Lippen bebten, als er die Worte kaum hörbar herauspresste. Er fühlte sich wie in einem schlechten Film, als der Arzt auch ihm die Situation zu erklären begann. Vor kurzem noch schien die Welt vollkommen in Ordnung zu sein, doch nun zersplitterte diese vor seinen Augen in tausend kleine Scherben, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Er verspürte eine Machtlosigkeit, die ihn halb um den Verstand brachte. * Trotz des schlechten gesundheitlichen Zustands von Herrn Wakabashi, war er durch nichts mehr davon abzuhalten den nächsten Flug nach Rojukuu zu buchen. All die Dinge, die er von seiner vertrauenswürdigen Sekretärin gehört hatte, hatten ihn in einen Rausch der Gefühle versetzt. Erleichterung über ein Lebenszeichen seiner Tochter und unbändiger Zorn über seinen Sohn, der sich bereits mit dem Privatjet des Hauses auf dem Weg zu Misa befand. Wenn es tatsächlich wahr wäre, was ihm Frau Hokosai erzählt hatte, dann durfte er keine Sekunde mehr verlieren, um sie zu beschützen. Die ganze Zeit über war er hintergangen und verraten worden. Man hatte ihn zum Spielball gemacht. Er war nichts weiter als eine Figur in Seijis Schmierenkomödie, um an die Macht zu gelangen, die ihn selbst jahrelang blind gemacht hatte. Er würde nicht zulassen, dass sich die Vergangenheit noch einmal wiederholt. Zu viel Blut klebte an seinen eigenen Händen, als dass er sich damit abfinden würde seine einzige Chance auf Vergebung zu versäumen. * Stunden zuvor war Misa in einen unruhigen Schlaf gefallen, den Kojiro mit Argusaugen bewachte. Sein Blick ruhte auf ihren angespannten Gesichtszügen und den immer wieder zusammenkrampfenden Händen. Wenn sie dieses Kind verlieren würde, wusste er nicht, wie er Misa jemals wieder in diese Welt zurückholen würde können. Als Hikari starb zog sie sich vollkommen in sich selbst zurück. Es hatte eine halbe Ewigkeit gedauert, bis er sie berühren durfte, ohne dass sie zusammenzuckte oder seine Hand wegschlug. Es war wie ein Wunder für ihn, als sie in jener Nacht so plötzlich vor ihm stand, um ihm letztendlich diese schwere Schuld zu verzeihen, die auf ihm lastete. Und nun sollte er ein weiteres Mal zusehen, wie ein unschuldiges Kind starb. Ihr Kind. ,Warum? Ist es noch nicht genug? Was muss den noch geschehen?! Wie viel mehr denn noch?.... Gott? Wenn es dich gibt... ich hasse dich!' Die schwere Verbitterung hatte deutlich ihre Spuren hinterlassen. Sein Gesicht war wie in Stein gemeißelt und zeigte keinerlei Gefühlregung mehr. Das Einzige, das sein Herz noch davor bewahren konnte in immer tieferer Dunkelheit zu versinken, lag nun vor ihm und kämpfte um das Leben ihres Babys. Kojiro hatte Misa seit sie eingeschlafen war keine Sekunde lang aus den Augen gelassen, obwohl seine schweren Augenlieder drohten demnächst von alleine zuzufallen. Gerade als er dem Schlaf nachgeben wollte und die Augen schloss, hörte er leise Geräusche vor sich. Den Atem anhaltend beugte er sich leicht über Misa, die gerade aufzuwachen schien und dabei einen tieferen Atemzug holte. Liebevoll strich er ihr über die Wange auf der noch immer die versiegten Tränenspuren glitzerten. "Hey." Mit einiger Anstrengung schlug Misa die Augen auf, wagte es jedoch nicht ihm ins Gesicht zu sehen. "Kojiro...ich......." Ihre Stimme war kaum mehr als ein leises Wispern. "Ich weiß." Schluchzend ließ sie sich von Kojiro in die Arme ziehen, der sie zärtlich auf die Stirn küsste und dabei sanft hin und herwiegte. "Ich will dieses Baby..... ich will es nicht verlieren..... ich........ Was wenn ich.... Ich kann diese Kraft noch immer nicht kontrollieren. Bin ich daran schuld? Ich bin doch auch schuld an dem Erdbeben. Ich habe das ganze Krankenhaus verwüstet. Wenn es eingestürzt wäre... Die vielen Menschen hier........." "Das Stromnetz blieb die ganze Zeit intakt, deshalb hält sich der Schaden in Grenzen. Es ist alles in Ordnung. Es gab nur kleinere Verletzungen.", versuchte er sie zu beruhigen. "Ich will doch niemandem wehtun. Ich will diese Kraft nicht. Ich will sie nicht. Ich will doch nur, dass unser Baby lebt. Bringst du mich bitte nach Hause?" Einen Moment zögernd ließ er Misa los, um sich nach einem der Ärzte zu erkundigen, die noch immer wie aufgescheuchte Hühner herumschwirrten und versuchten das Chaos unter Kontrolle zu bringen. "Bin gleich zurück." Im Krankenhaus befand man es zwar für keine gute Idee ,Frau Aogiri' zu entlassen, doch nachdem man auch hier nichts weiter als darauf warten konnte, wie sich die Dinge durch die Medikamente weiter entwickeln würden und die Ärzte im Moment alle Hände voll zu tun hatten, stimmte man letztendlich, dem Wunsch der Patientin nach Hause zu gehen, zu. Kojiro, der ein Taxi gerufen hatte, verfrachtete Misa mit äußerster Vorsicht, als wäre sie aus Glas, auf den Rücksitz. Müde lehnte sie sich gegen seine Schulter und hielt ihre Arme schützend über ihren Bauch gelegt, als könnte sie damit ihr Baby vor allem, was es bedrohte, behüten. Vor dem Wohnhaus angekommen, reichte Kojiro dem Fahrer ein paar Scheine, der den beiden zukünftigen Eltern alles Gute und viel Glück wünschte und dafür nur ein schwaches Lächeln der baldigen Mutter und einen strafenden Blick des Blondschopfs kassierte. Der Morgen dämmerte bereits, als ihnen der schneidende Wind um die Ohren blies und ein schwarzer Mercedes in der Nähe des Hauseingangs Kojiros Aufmerksamkeit erweckte. Misstrauisch kniff er die Augen zusammen und hinderte Misa daran noch einen Schritt weiter zu gehen, als sich die Wagentür öffnete. ,Nicht jetzt! NICHT JETZT!!!!' Kojiros Körper zitterte vor Anspannung, als er darauf wartete, dass die nächste Katastrophe, die nicht lange auf sich warten ließ, über sie hereinbrechen würde. "Misa, kannst du laufen?" Nickend nahm sie seine Hand und drückte sie fest. "Ich kann auch versuchen es zu kontrollieren, aber..." "Nein, schon gut. Wir schaffen es auch so. Du musst diese Kraft nicht einsetzten. Spar sie dir für das Baby." In der Luft knisterte es vor Spannung und der Wind rauschte durch die Blätter, als den Lackschuhen, die als erstes den Boden berührten, der dazugehörige Körper folgte. Blankes Entsetzten spiegelte sich in ihrer beider Augen, als sich tatsächlich Seiji vor ihnen aufbaute und sie mit einem kalten, abschätzigem Lächeln bedachte. "Lange nicht gesehen. Ich denke, wir haben noch eine Rechnung zu begleichen." Auf diese Worte folgte sogleich ein wahres Geschwader seiner Gefolgsmänner, die sich aus allen dunklen Ecken zu stehlen schienen und die beiden einkreisten. "Kojiro..." Ängstlich umklammerte sie seinen Arm und blickte ihn fragend an, als auch hinter ihnen keine Fluchtmöglichkeit mehr zu bestehen schien. Resigniert schloss er die Augen und nickte ihr zu. "Gut." Entschlossen sammelte sie ihre Kräfte und begann sich zu konzentrieren, als auch schon der Sturm über sie hinwegfegte und die Erde ein weiteres Mal unter ihr erbebte, worauf Seiji etwas kleinlaut den Befehl gab, auf die beiden zu zielen. "Wenn du nicht sterben willst, Misa, dann hör auf dich gegen mich zu wehren. Du hast keine Chance! Oder legst du es etwa darauf an, dass noch ein Mensch deinetwegen sein Leben verliert?!" Doch anstatt klein bei zu geben, hob Misa die Hand, als sich ein schwaches Lächeln über ihre Lippen stahl. "Keine Sorge, Seiji! Soweit werde ich es nicht kommen lassen." Ihre Augen begannen wie in jener Nacht zu glühen, während sich die Luft erwärmte und eine Druckwelle die schussbereiten Männer, die mit offenem Mund staunend ihren Blick auf das überirdisch wirkende Wesen vor ihnen gerichtet gehalten hatten, zurückgeschleudert wurden. Der Schmerz der Misa in jenem Augenblick durchfuhr raubte ihr beinahe das Bewusstsein, als Kojiro sie stützend unter dem rechten Arm festhielt und nach einem Fluchtweg Ausschau hielt. Nur am Rande bemerkte sie, wie er sie mit sich zog. "Wir haben es gleich geschafft. Du warst großartig. Misa? Misa, hörst du?!" Besorgt umfasste er ihre Taille, als sie sich schwankend gegen ihn lehnte. ,Meine Schuld...meine...' Suchend blickte er sich nach der nächsten Möglichkeit um, Misa etwas Halt zu geben, bevor sie in seinen Armen zusammenbrach. ,Ich wusste es....' Doch inmitten des leeren Marktplatzes den sie nur schleppend überquerten fand sich keine Gelegenheit Misa zur Ruhe kommen zu lassen. ,Wenn ich diese Kraft nicht eingesetzt hätte....' Mit blassem, schmerzverzerrtem Gesicht krümmte sie sich immer wieder zusammen, ehe sie sich ein paar Schritte weiter zwang. ,Mein Baby!... Es tut so weh... Ich kann spüren wie es schwächer wird..... Oh Gott nein,... stirb nicht! Stirb bitte nicht!... Bitte...' Zitternd hielt Kojiro Misa fest, während sie sich auf dem kalten Boden zusammenkauerte, als Blut über ihre Schenkel rann und sie ihre Arme auf ihren Bauch presste. "Kojiro, das Baby..." Flüsternd wie der Wind, nicht gewagt es auszusprechen. Ungläubig schüttelte er den Kopf, während die salzigen Tränen über seine Wangen und seinen Kiefer entlang liefen, bis sie letztendlich vermischt mit dem hereinbrechenden Regen zu Boden fielen. Der Himmel weint. Keine Zeit. Keine Zeit für Tränen. Hikari, du hast es schon gewusst, nicht wahr? Weinst du nun trotz allem? Obwohl der Sturm droht? "Was für ein rührender Anblick. Mir kommen beinahe die Tränen." Seufzend beobachtete er die beiden für einen Bruchteil einer Sekunde, ehe er das Zeichen gab, sie zu ergreifen. Kaum fähig vor blinder Wut und Trauer das Gleichgewicht zu halten, richtete sich Kojiro auf und stellte sich den unversehrten Männern aus Seijis Anhang, die sich zahlenmäßig durch Misas Angriff stark dezimiert hatten, entgegen. Blicklos fing er einen nach dem anderen ab, ehe sie auch nur in die Nähe von Misa kamen und sendete ihn mit wenigen Schlägen in das Reich der Bewusstlosigkeit, bis drei von ihrer Sorte sich gleichzeitig auf ihn stürzten. Doch durch das monatelange, harte Training hatte er einiges dazugelernt und schaffte es sogar sich seinen Kontrahenten mehr als würdig zu erweisen. Wütend beobachtete Seiji das Geschehen und kniff verärgert die Augen zusammen. Er hatte vor Kojiro eine Lektion zu erteilen, die er niemals vergessen würde. Doch so wie die Dinge lagen, musste seine Rache wohl oder übel mit seinem Tod Genugtuung finden. Gerade als er die Waffe zog und sie auf den Blondschopf inmitten des Treibens richten wollte, hielt eine drohend klingende Stimme ihn auf, den Abzug zu betätigen. "Wag es nicht! Du hast schon genug angerichtet!" Überrascht drehte sich Seiji der vor Zorn bebenden Gestalt hinter sich zu, ehe ein Grinsen seine kalte, berechnende Miene bestimmte. "Wer hätte gedacht, dass du jemals wieder von den Toten auferstehen würdest. Ich hatte gehofft zu Hause deinen Sarg anzutreffen, doch stattdessen versuchst du hier den Helden zu spielen. Tja Vater, ich schätze ich muss dich enttäuschen. Die Zeit für Helden ist nun endgültig vorbei." Gleichgültig beobachtete Misa die Szene zwischen ihrem Vater und Seiji aus einiger Entfernung, während sie sich aufrichtete und in die Richtung Kojiros wankte. Mit weit aufgerissenen Augen konnte Herr Wakabashi nur mit ansehen, wie sein eigener Sohn auf ihn zielte und spürte im nächsten Moment schon den brennenden Schmerz einer Kugel in seinem Bein. Gequält schrie er heiser auf, bevor er zusammenbrach und seine bloße Hand auf die Wunde presste. "Ich...ich hätte dir wenigstens das Schießen richtig beibringen sollen." Amüsiert schüttelte Seiji nur den Kopf und wendete sich wieder seinem eigentlichen Ziel zu. "Für dich ist auch noch später Zeit. Ich hoffe, du genießt das Schauspiel." Damit richtete er die Waffe wieder auf Kojiro, der inzwischen schon reichlich lädiert zum Schlag ausholte und durch die Kraft seiner unbändigen Wut auch seinen letzen Gegner atemlos niederstreckte. Flehend hielt Herr Wakabashi die Hand ausgestreckt, um die Waffe an sich zu nehmen, ehe etwas geschah, was nicht zu widerrufen wäre und es seinem Sohn den letzten Rest an Menschlichkeit raubte. "Tu es nicht. Bitte..." Süffisant vor sich hinlächelnd drehte Seiji selbstsicher sein Gesicht wieder seinem Vater zu, bevor er die Sicherung löste und noch immer seinen Blick auf ihm ruhend den Finger an den Abzug legte. "Zu spät." "Misa..." Den Namen leise vor sich hin flüsternd, suchte Kojiros Blick nach ihr, als sie plötzlich mit ihren großen, rehbraunen Augen vor ihm stand und langsam ihre Hand ausstreckte um seine blutverschmierte Wange zu berühren. Nichts schien sich mehr zu bewegen. Selbst der Wind, der zuvor noch die Blätter aufgewirbelt hatte, hielt für einen Moment den Atem an, als mehrere Schüsse die Stille durchbrachen. Mit schmerzverzerrter Miene legte Misa die Arme um seinen Hals und klammerte sich haltsuchend an ihn, bevor ihre Kräfte sie im nächsten Moment verließen und die zweite Kugel ihr ursprüngliches Ziel fand, als diese sich gewaltsam in seine Brust bohrte. Nur ein erstickter Laut kam über seine Lippen, bevor ihm schlagartig schwarz vor Augen wurde und er mit dem vor Schmerzen gekrümmten Körper in seinen Armen in sich zusammensank. Die Sinne schwanden durch eine bleierne Müdigkeit, die sich wie ein schützender Mantel über die beiden legte. Mit letzter Kraft griff Misa nach Kojiros zitternder Hand, ehe sein flacher, rasselnder Atem verstummte. "Du wärst....ein toller Vater geworden..." Ihre Stimme brach unter der Anstrengung, bevor sie den metallischen Geschmack von Blut in ihrem Mund schmeckte und hustend versuchte Luft in ihre Lunge zu pressen. Dabei strich sie noch einmal zärtlich die schweißnassen, blonden Strähnen aus seiner Stirn, bevor sie müde die Augen schloss und sich dem Schatten, der sich über ihren Geist legte, ergab. Mit reißender Gewalt ins Nichts gezogen. Das Licht unsichtbar, doch noch immer spürbar auf der blassen Haut. Keine lähmende Angst mehr. Gewissheit. Es ist bald vorbei. Die Schmerzen werden verschwinden und zurück bleibt eine leere Hülle. Nun darfst du weinen. Nun bist du frei. Sag, leb wohl, bevor du gehst. Sag, leb wohl. Kapitel 29: ------------ Teil 29 Die Seele spendet Licht, der Tod ist ihr Schatten. Wenn das Licht erlischt, begegnen sich Leben und Tod. Lehre des Nantaku Dicke schwarze Wolken verhangen den Himmel, wie ein Leichentuch, von dem große, schwere Tropfen auf den Asphaltboden klatschen, bis sich das Blut mit dem reinen Regen vermischt hatte. Die nasse Kleidung klebte an den leblosen Körpern, die gerade den letzten Atem ausgehaucht hatten. Doch egal wie viel Regen auch fiel, konnte es ihm nicht gelingen die Erde reinzuwaschen. Kriechend schleppte sich Herr Wakabashi mit ungläubig aufgerissenen Augen zu den regungslosen Körpern vor sich, bis er nur wenige Meter vor ihnen schluchzend die Fäuste vors Gesicht schlug, als er den Anblick seiner toten Tochter nicht länger ertragen konnte. Geschockt über die Tatsache auch Misa, seinen Schlüssel zur Macht, getötet zu haben, brach selbst Seiji würdelos am Boden zusammen, als er realisierte seinen eigenen Traum soeben zerstört zu haben. Durch seine Überheblichkeit hatte er auf Kojiro gezielt und den Abzug gelöst, ohne weiter darauf zu achten, ob sich dieses Ziel verändern würde, oder es jemand anderes das Leben kosten würde. Wütend über sich selbst vergoss er wohl zum ersten Mal in seinem Leben als Erwachsener Tränen, während ihm die Waffe in seiner Hand entglitt. Der Marktplatz an dem sich nur wenige Stunden später handelstreibende Menschen versammeln würden, glich einem Schlachtfeld, als die ersten besinnungslosen Gefolgsmänner Seijis ihr Bewusstsein wiederfanden und durch das verwirrende Szenario nicht wussten, was zu tun sei. Ohne einen Befehl ihres ansonsten so gefühlskalten Herrn, der nun fassungslos am Boden kniete, schienen sie ratlos und so zogen sie sich im stillen Einverständnis zurück. Plötzlich begann die Erde ein weiteres Mal zu beben und der Sturm schlug tobend um sich, während von Misas Körper eine Flut von Licht den Himmel erhellte. So klar und strahlend, dass es in nur einem Atemzug alles um sich herum in ein Meer von gleißendem Licht tauchte. Seiji erhob sich wie magisch davon angezogen und schritt, ohne noch einen klaren Gedanken fassen zu können, näher an die Quelle dieses Wunders heran. Obwohl die Schmerzen, die es ihm bereitete, beinahe unerträglich waren, schien ihn nichts mehr daran hindern zu können, sich diesem immer weiter zu nähern. Wie eine Motte, die ins Licht flog und wusste, dass sie sich dabei die Flügel verbrennen würde, so konnte auch er sich dem Bedürfnis nach mehr nicht entziehen, bis seine Augen wie Feuer brannten und sein Kopf sich anfühlte, als würde er innerlich zerfetzen. Er wurde überwältigt von den Bildern und Gefühlen, die auf ihn einströmten, die Qualen und Freuden der Welt, die ihn innerlich verbrannten. Alles in ihm schrie, obwohl kein Laut über seine Lippen kam, bis die Dunkelheit über ihn hereinbrach. "Hab keine Angst mehr." "Bin ich tot?" "Ja." "Oh... Wie ist dein Name?" "Wie auch immer du mich nennen willst." "Wer bist du?" "... Deine Kraft." "Hast du mein Baby getötet?" "Nein. Das Schicksal. Ich nehme keinen Einfluss darauf." "Dann hätte niemand etwas daran ändern können?" "..." "Warum hast du mich erwählt? Warum mich?! Ich wollte doch nur ein normales Leben." "Den Grund dafür hast du gerade selbst genannt. Du warst genauso verletzt und verzweifelt wie ich damals. Unschuldig, zerbrechlich. Ich wusste, ich hatte dich endlich gefunden. Nach so langer Zeit, hatte ich die Hoffnung schon beinahe aufgegeben." "Die Hoffnung worauf?" "Auf einen Menschen, der bereit ist das Leben zu schützen, ohne eine Gegenleistung zu fordern. Jemand, der sich nach mehr Leben und nicht nach mehr Macht sehnt. Jemanden, der wahrhaftig und aufrichtig lieben kann. Das warst du." "Du irrst dich. Meine Mutter..." "Hat geliebt. Sehr sogar. Aber sie hat sich selbst aufgegeben. Sie hat den Menschen, den sie eigentlich mit aller Kraft beschützen wollte allein zurückgelassen. Ihr Selbsthass hat sie getötet. Und mit dem Geschenk das ihr zuteil wurde, stürzte sie viele ins Unglück. Auch wenn sie selbst es nicht wollte. Du wusstest, welche Macht in deinen Händen liegt und doch hast du sie nicht genutzt. Du hast sie gefürchtet. Das erste Mal, das ich nach jemandem wie dir gesucht habe, ist schon lange Zeit her. Ich war enttäuscht und traurig. Die Menschen haben alles zerstört, was ich erschaffen hatte. Sie haben schon immer nach Besitz gestrebt und waren sogar dafür bereit zu töten. Mutlos und verzweifelt entschied ich mich einen Teil meiner Kraft jemandem zu schenken, der wie ich meine Trauer verstand. In der Hoffnung, jemanden zu finden, der das Leben und seine Vielfalt genauso liebt wie ich. Doch viele vor dir haben diese Kraft nicht benutzt, um etwas Neues zu erschaffen, sondern nur um zu zerstören und die eigene Macht zu vergrößern. Sie wurde dazu verwendet andere zu unterdrücken, zu verletzten, manchmal sogar um zu töten. Ihrer eigenen Art haben sie das wertvollste entrissen, haben vergessen sich selbst in ihnen zu sehen, obwohl der Mensch, dem sie das Leben genommen haben, nur ein Spiegel ihrer selbst war. Sie haben nie verstanden. Sie haben es auch nie versucht. Sie waren geblendet von der bloßen Möglichkeit, die sich ihnen durch diese Macht bot." "Aber ich habe viele Menschen verletzt." "Ich weiß." "Habe ich nicht deine Kraft genauso missbraucht? Ich hätte beinahe jemanden getötet." "Aber du hast es nicht. Du hattest in blinder Wut vergessen, was du dadurch verloren hättest. Mit jedem Mord stirbt auch ein Teil deiner selbst. Dein Körper mag dies verbergen, aber er ist nur eine Hülle. Du selbst gehst dabei verloren. Mit der Kraft, die du in dir getragen hast, wäre es dir unmöglich gewesen diesen Schmerz zu ertragen. Durch die Erkenntnis ein Leben, das deinem so ähnlich war, wissentlich beendet zu haben, hätte sich diese Kraft gegen dich gewendet, du hättest sie unbewusst gegen dich selbst eingesetzt. Du warst zornig und verzweifelt, vor allem aber hattest du Angst. Du wolltest die schützen, die du liebst. Du hast nicht zum ersten Mal den Tod gesehen. Nicht zum ersten Mal die Leere, die sich vor allem in den Augen wiederspiegelt erkannt, wenn die Seele dem Körper entflieht. Ich habe deinen Schmerz gespürt. Ich kenne ihn. Aber du hast im letzten Moment zu dir zurückgefunden. Du warst letztendlich stärker als der Hass in dir." "Ich habe nie zuvor so empfunden. Es war als würde es mich von innen heraus verbrennen, als würde nichts mehr von mir übrig bleiben. Wie eine furchtbare Art von Hunger, der gestillt werden wollte. Hikari hatte es nicht verdient zu sterben. Sie war doch nur ein unschuldiges Kind." "Doch wer verdient es zu Leben? Willst du wirklich darüber ein Urteil fällen? Dieser Aufgabe fühle auch ich mich nicht gewachsen. Ich lasse dem Schicksal seinen Lauf. Doch ihr bekämpft den Tod sowie das Leben gleichermaßen." "Du redest von Schicksal, was ist Schicksal? Kann ich denn nur abwarten und nichts tun?! Ist denn alles schon vorherbestimmt?!" "Es ist ein Teil deiner Seele. Du kannst seinen Lauf durchaus beeinflussen, kannst es ändern. Aber ich versuche euch nicht zu ändern. Diese Entscheidung, diese Wahl liegt bei euch. Oft habt ihr falsch gewählt und ich habe nur zugesehen. Doch Gefühle sind kein Verbrechen und meist sind eure Entscheidungen durch sie bestimmt. Ob sie nun Gutes oder Schlechtes hervorbringen. Auch ich kenne beide Seiten. Oft habe ich die Menschen für das, was sie geworden waren verabscheut und doch habe ich sie geliebt. Es wurde immer schwerer nur zuzusehen, ihnen den freien Willen zu lassen. Sie begannen nicht nur sich gegenseitig, sondern auch noch alles um sich herum für sich zu beanspruchen. Es gab keinen Platz mehr auf der Welt, den sie nicht kontrollieren wollten, dem sie nicht ihren eigenen Willen aufzwingen wollten. Ich ließ ihnen die Freiheit zu entscheiden, doch dasselbe galt nicht für sie." "Warum hast du nichts daran geändert? Du hättest ihnen doch diese Freiheit nehmen können, oder nicht?" "Ich wollte verstehen und gleichzeitig, dass auch sie verstehen. Vor allem aber brauchte ich ein Zeichen, dass es noch Menschen gab, die dieses Geschenk zu schätzen wussten. Ich habe gewartet und letztendlich dich gefunden. Ich habe durch deine Augen gesehen und mit deinem Herzen gefühlt. Du hast dir nichts vorzuwerfen. Du hast deinen Weg gefunden und mir dabei meinen Glauben und meine Hoffnung zurückgegeben." "Wie kannst du so etwas nur so einfach sagen?! Ich bin nicht unschuldig. Ich kann nicht deine Hoffung, dein Glaube sein! Du irrst dich! Ich wünschte, ich wäre es, aber ich bin nicht besser als die anderen! Ich hätte ihn töten können, so sehr habe ich Seiji gehasst! Ich weiß, ich hätte es getan, wenn nicht... Ohne Kojiro hätte ich ihn umgebracht. Das ich nicht zum Mörder wurde, habe ich allein ihm zu verdanken. Sein Vater ist durch seine Hand gestorben. Aber Kojiro ist kein Mörder, hörst du! Er hat so viel Seele, so viel Herz in sich, wie niemand sonst. Damals hast du ihm keine Wahl gelassen! Hätte er ihn nicht getötet, dann hätte er Kojiro umgebracht! Das ist keine Wahl! Das ist grausam..." "Das Leben kann grausam sein, aber das ist der Preis den man zahlt, um zu leben. Den Preis bestimme nicht ich, sondern ihr Menschen. In diesem Fall sein Vater. Aber du hast Recht. Er hat aus Notwehr gehandelt, weil er sein eigenes Leben bedroht sah. Er hätte sich auch für den eigenen Tod entscheiden können, aber das hat er nicht. Als er sich verteidigt hat, war er sich seiner Tat nicht voll bewusst. Dennoch ist er nicht völlig ohne Schuld. Er hat bereits geahnt, dass es so kommen würde und trotz allem ist er geblieben." "Aber er ist kein kaltblütiger Mörder!" "Kaltblütig? Nein, aber er hat gesehen, gefühlt, wozu der Mensch fähig ist. Dieses Wissen wird ihn auf ewig begleiten. Es hat seine Spuren hinterlassen. Narben, nicht sichtbar, aber umso schmerzhafter und tiefer. Die Narbe auf der Stirn wäre leicht vergessen, aber die Bedeutung dahinter... er wird nie vergessen." "Ich weiß. Ich wünschte nur ich hätte ihm helfen können." "Aber das hast du doch. Ich sagte, er wird niemals vergessen, aber er fängt an zu verzeihen." "Wem?" "Sich selbst." "Oh... Ich hoffe, es geht ihm gut und er macht sich keine Sorgen. Er konnte es vielleicht nicht immer zeigen, aber ich weiß, dass er mich liebt. Besonders nachdem Hikari... Ich habe noch nie so für jemanden empfunden. Ich hatte mir so sehr eine gemeinsame Zukunft mit ihm gewünscht. Doch als er so dalag... Denkst du, er hat mich noch gehört? Wenigstens war er nicht allein... Sprichst du mit ihm so wie mit mir? Kannst du ihm sagen, dass es mir gut geht und dass ich ihn liebe? Ich glaube, er weiß es. Aber ich will nur sicher gehen. Er zweifelt immer an sich selbst... Könnte ich...vielleicht...irgendwann...... Werde ich ihn je wiedersehen?" "Folge mir. Denn auch wenn du es nicht glauben magst, du hast mir ein unglaublich wertvolles Geschenk gemacht. Nun ist es an mir dir etwas zurückzugeben." Eine Wärme durchflutete den kalten Körper, der regungslos in jemandes Armen lag, der diesen fest an sich presste und herzzerreißende Laute von sich gab, während er mit unkontrolliert zitternden Händen über das bläuliche Gesicht fuhr und ihr unbeholfen die Haare aus der Stirn strich. Zuerst zaghaft und mit einiger Antstrengung, dann wie von selbst holte der gefroren wirkende Körper tief Luft, während die Farbe langsam wieder ins Gesicht zurückkehrte. Doch erst als Misa den sanften Wind auf ihre Haut spürte, wagte sie es sich zu bewegen und die Augen zu öffnen. Verwirrt blickte sie in das geliebte Gesicht über ihr. Mit den gleichen strohblonden Haaren und den gleichen blauen Augen. Nur das diese durch die vielen Tränen, die er einfach nicht mehr verhindern konnte und auch nicht wollte, rot geschwollen waren. Ungläubig hatte er bemerkt wie sich der Brustkorb plötzlich wieder hob und senkte und sie schließlich sogar ihre wunderschönen Augen aufschlug. Unter Schock stehend beobachtete er nur still das Wunder, bis Misa ihn anlächelte und ihre Hand auf die seine legte, die noch immer auf ihrer Wange ruhte. "Hi.", hauchte sie mit gefrierendem Atem, als wäre es Winter und drückte dabei seine Hand. Mit einem schiefen Lächeln zog er Misa noch fester an sich und vergrub dabei sein Antlitz in ihrer Halsbeuge, als nun sein ganzer Körper unter dem Schluchzen hemmungslos geschüttelt wurde. "Kojiro?" Erst nach einer halben Ewigkeit gestattete er Misa sich ein paar Zentimeter von ihm zu lösen, um ihr nicht aus Versehen die Luft abzuschnüren und wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. "Ich...ich dachte.... Ich bin plötzlich aufgewacht, aber du..." Noch immer nach Atem ringend, brachte er kaum ein Wort über die Lippen, obwohl er ihr so vieles zu sagen hatte. "Ich..." Sprachlos, gerührt und vor allem glücklich nickte Misa nur und küsste ihn innig, bis er sich etwas beruhigt hatte, als Misa blitzartig zurückschreckte. Ängstlich erwartete Kojiro, dass man sie ihm ein weiteres Mal entreißen würde, bis diese sich lachend und weinend zugleich an seinen Hals warf, nur um im nächsten Moment sein Gesicht mit Küssen zu bedecken. Unfähig für eine Erklärung nahm sie seine Hand und legte sie auf ihren Bauch, in dem jemand ganz offensichtlich ,Guten Tag' sagen wollte. Ende So zu Bettyna: Mit deiner Bemerkung auf die Hoffnung eines Lichtblicks hättest du es gar nicht besser treffen können, oder? Du warst mir eine große Hilfe und ich bedanke mich ganz herzlich bei dir, dass du mir die Treue gehalten hast und es bis zu Ende gelesen hast! Im Übrigen ist das Zitat ganz am Anfang von... hähämm (sich räusper) einer Magik Karte. Nein, ich bin kein Sammler der Karten, aber ich habe zufällig, als ich mit meinem Bruder gespielt habe (und dabei grauenhaft verloren habe) dieses Zitat gelesen und ich dachte mir, dass es für meine Geschichte wie die Faust aufs Auge passt. Besonders aber für den letzten Teil. Wer sich fragt mit wem Misa dieses Gespräch geführt hat... nun ja ich denke, es ist eigentlich ziemlich eindeutig. (In meinen Kreisen nennt man dieses Wesen Gott) Ich hatte es zuvor nicht so geplant. Allerdings deutete schon so einiges in der Geschichte darauf hin, dass es jemanden, oder etwas, gab, der die Person auf die die Kraft übertragen wird bestimmt. Und um ehrlich zu sein, ich bin keineswegs ein Religionsfanatiker, aber so wie ich überraschender Weise durch mein letztes Kapitel gesehen habe, auch kein Atheist. Ich habe nur inzwischen meine eigene Vorstellung von Gott. Und der ist in meinen Augen keineswegs perfekt und unfehlbar... Aber ich will hier keine Glaubensdiskussion anzetteln und hoffe stattdessen, dass ihr mit dieser Wende zufrieden seid und es nachzuvollziehen ist. Wenn nicht, dann bin ich ganz Ohr. Für alle, die sich noch einen runderen, fröhlicheren Abschied von meiner Geschichte wünschen, gibt es einen Epilog mit dem Titel: Entscheidungen, der zeitlich sechs Jahre danach angesiedelt ist. Und in dem auch viele alte Bekannte auftauchen werden.^^ Den Epilog werde ich übrigens getrennt von dieser Geschichte ins Netz stellen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)