Schatten des Lichts von rot ================================================================================ Kapitel 28: ------------ So, wir nähern uns jetzt mit riesen Schritten dem Ende. Genauer gesagt ist das hier das vorletzte Kapitel! Wenn es nach diesem Kapitel Beschwerden regnen sollte, ich bin gewappnet. Also nur zu. Teil 28 Die Sonne, die durch das gekippte Fenster drang, kitzelte Misas kleine Stupsnase, die sich naserümpfend versuchte umzudrehen, um sich noch einmal in die Kissen zu kuscheln. Doch ihr kleiner Babybauch hinderte sie daran so in einer halbwegs bequemen Lage liegen zu bleiben. Seufzend drehte sie sich wieder auf den Rücken und schlug die Augen auf. ,Noch dreieinhalb Monate, bis ich... was?' "Kojiro! Kojiro wach auf!" Grummelnd ließ der sich von Misa wachrütteln. "Hab heute meinen freien Tag, warum..." Doch gerade als er sich über die unsanfte Behandlung beschweren wollte, legte Misa seine Hand auf ihren Bauch, in dem sich etwas leicht bewegte. Plötzlich hellwach riss er die Augen auf, bevor er seinen Kopf vorsichtig auf die Rundung legte. Mit einem Grinsen von einem Ohr zum anderen streichelte sie ihm die blonden Haare zurück. "Das Baby wollte wohl ,Guten Tag' sagen." Lachend beugte er sich über sie und küsste sie zuerst auf ihren Mund, ehe er ebenfalls einen leichten Kuss auf die Wölbung ihres Unterleibs hauchte. "Guten Morgen, Baby!" * Erschrocken drehte sich Frau Hokosai um, als sich eine zwielichtige Gestalt mit Sonnenbrille und Trenchcoat hinter ihr räusperte. "Sie haben mir einen ganz schönen Schreck eingejagt. Ich habe sie gar nicht kommen hören." "Ich suche Herrn Seiji Wakabashi. Ich habe gehört, dass ich ihn hier finden kann." Nachdem sie ihn für einen Moment neugierig gemustert hatte, schüttelte sie den Kopf und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch. "Hier finden sie nur den Senior der Wakabashi Familie. Sie müssen auf die andere Seite des Komplexes, um den Sohn anzutreffen. Wenn sie aus dem Fenster blicken...ist es genau auf der gegenüberliegenden Seite. Aber haben sie denn überhaupt einen Termin. Ich fürchte, ohne..." "Danke." Ohne ein weiteres Wort drehte er ihr den Rücken zu und verschwand wieder so geheimnisvoll, wie er aufgetaucht war. * "Ich bin froh, dass wir endlich mal wieder richtig Zeit für uns haben. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und die Luft ist so klar und frisch... zumindest im Park." Kojiro und Misa schienen um die Wette zu strahlen, als sie die kleinen Wege inmitten des zarten Frühlingsgrüns eingehackt entlang schritten. Der frische Wind wirbelte Kirsch und Apfelblüten von den Bäumen. Diese tanzten wie Schneeflocken in der Luft herum. Genießerisch schloss Misa die Augen, als sie einen kleinen Zweig zu sich herunterzog und den betörenden Duft einsog. Lächelnd strich sie vorsichtig über die zarten Blütenblätter einer noch nicht geöffneten Kirschblüte, als diese sich plötzlich zu öffnen begann. Blinzelnd betrachtete sie das kleine Schauspiel, ehe sie stotternd Kojiro zu sich rief, der sie aus einiger Entfernung beobachtet hatte. "Sieh dir das an!" Wieder suchte sie sich eine Knospe und strich darüber, bis auch diese sich in ihrer vollen Pracht zeigte. "Ist....ist das meine Kraft?" Verblüfft sah er ihr weiter dabei zu, wie sie es immer wieder wiederholte, da sie es selbst noch nicht ganz zu glauben schien, dass noch mehr Fähigkeiten in ihr schlummerten, als jene die sie bisher gefürchtet hatte und die sie durch ihren Zorn oder ihre Verzweiflung unkontrolliert hervorrief. "Versuch etwas anderes." Kojiros Neugier war geweckt. Staunend beobachtete er wie Misa sich an den Wegrand kauerte und durch pure Konzentration ihre Handfläche glühte und eine Blume zu wachsen begann. "Wie hast du...." Doch ihre braunen Augen blickten ihn nur ratlos an, während sie die Schultern zuckte und sich wieder aufrichtete. "Vielleicht ist diese Kraft nicht nur dazu da, um etwas zu zerstören. Wenn ich etwas so Reines erschaffen kann, dann kann es doch nicht nur schlecht sein, oder?" * Leise folgte Frau Hokosai dem Mann. Sie hatte ihre Pläne etwas mehr über die Geschäfte Seijis zu erfahren noch nicht aufgegeben, auch wenn sich diese als ein schwierigeres Unterfangen, als erwartet herausgestellt hatten. Niemand wagte auch nur die kleinste Kleinigkeit davon preiszugeben und an Akten war es wie es schien selbst für sie unmöglich heranzukommen. So erkannte sie dies als ihre Chance durch den verirrten Geschäftspartner Seijis ein paar wenige Informationen zu erlangen. Wie sie das anstellen würde, wusste sie zwar nicht, aber ihr würde schon noch was einfallen, wenn es soweit war. Als sie das Büro ihrer verhassten Kollegin betrat, atmete sie erstmals auf, denn von dieser war keine Spur. Offensichtlich hatte Seiji sie weggeschickt, was bedeuten musste, dass dieser Mann so wichtig war, dass er selbst seine eigene Sekretärin nicht in seiner Nähe haben wollte, wenn er ihn empfing. Nervös blickte sie sich noch einmal um, ehe sie sich an ihren Schreibtisch schlich und die Gegensprechanlage einschaltete, um belauschen zu können, worum es sich bei dem Geschäft handelte. * Den ganzen Tag lang schlenderten sie turtelnd durch die Einkaufsstraßen Rojukuus, blieben dabei hier und da an einem Maronistand, einer Würstchenbude und dergleichen anderen Schnellimbissbuden stehen, um Misas Hunger zu stillen. Es war ein Frühlingstag, wie man ihn sich nur wünschen konnte. Müde streckte Misa die Beine aus, während sie es sich auf einer Parkbank gemütlich machten und sie genießerisch die Augen schloss. Sie lehnte sich entspannt zurück und atmete tief durch, als sie unerwartet zusammenzuckte. "Was ist los?" Besorgt blickte er in ihre rehbraunen Augen, als sie nur gequält lächelnd abwinkte. "Ist gleich vorbei. Das Baby ist nur gerade wieder aktiv." Doch ihr blasses Gesicht und die Schweißperlen, die ihr auf die Stirn traten, verrieten, dass sie ihn nur beruhigen wollte und offensichtlich Schmerzen hatte. Hilflos nahm er ihre verkrampfte Hand und strich ihr sanft über das schmerzverzerrte Gesicht, bis Misa sich wieder etwas entspannte und langsam ihre Farbe zurückbekam. "Ich bring dich sofort zu einem Arzt!" Behutsam half er ihr hoch und stützte sie so gut es ging. "Kojiro, es ist schon wieder vorbei. Kein Grund zur Sorge, ehrlich! Ich bin schwanger nicht schwerkrank!" Doch egal wie sehr sie auch versuchte ihn davon zu überzeugen, dass das vollkommen normal war, ließ er sich nicht davon abbringen, sie bis zum nächsten Arzt zu schleifen Vor einem Krankenhaus angekommen, dass mit der Buslinie leicht zu erreichen war, zeigte ihm Misa den Vogel, da er ihrer Meinung nach aus einer Mücke einen Elefanten machte und sie sowieso demnächst einen Termin für eine weitere Vorsorgeuntersuchung bei ihrem Frauenarzt habe. Nichts desto trotz schnappte er sich die nächste Schwester, die vorbei lief und verlangte von ihr, dass diese ihm sofort einen Arzt für seine schwangere Freundin besorge, es handle sich um einen Notfall. Dafür fing er sich von Misa einen leichten Klaps auf den Hinterkopf ein. "Hey, hörst du mir nicht zu?! Mir geht's gut siehst du? Du brauchst hier nicht die armen Krankenschwestern herumscheuchen. Am besten du besorgst mir in der Zwischenzeit eine Kleinigkeit zu essen." "Aber..." Keinen Widerspruch duldend schob sie ihn ein paar Meter in Richtung Ausgang und winkte ihm zum Abschied noch einmal zu, bevor sich die Glasschiebetür hinter Kojiro schloss. Erleichtert atmete Misa auf, als sie auch schon von einer der Schwestern das Anmeldeformular in die Hand gedrückt bekam. * Dankend nahm der schwarzgekleidete Mann mit dem verwegenen Blick einen Drink an, bevor er sich in das Ledersofa sinken ließ und es sich gemütlich machte. "Wir haben die Gegend des Epizentrums der letzten Erdbeben in Rojukuu genauer unter die Lupe genommen. Es scheint, als hätten sie Recht. Es gibt dort tatsächlich ein Paar das ihren Beschreibungen bis aufs Haar gleicht. Wir haben die beiden unter einem falschen Namen entdeckt. Als frisch verheiratetes Ehepaar namens Aogiri. Sie haben es sehr geschickt gemacht und sich nirgendwo mit ihrem richtigen Namen eingetragen. Die beiden haben nur einen Fehler gemacht. Ihre Schwester war bei einem Arzt und musste dort die wahren Umstände angeben. Sie dachten wahrscheinlich, dass das Arztgeheimnis sie davor bewahren würde entdeckt zu werden." Seiji hörte angespannt den Worten seines Gegenübers zu. Dessen Anwesenheit allein bewies schon, dass er dieses Mal nicht enttäuscht werden würde und sich sein Ziel bereits in greifbarer Nähe befand. Er hatte schon lange darauf gewartet und nun würde sein Wunsch endlich in Erfüllung gehen. Mehr beiläufig als wirklich interessiert streute er daher eine Frage ein. "Was war das für ein Arzt? Meine Kleine wird sich doch nicht erkältet haben?" Sein süffisantes Grinsen wurde jedoch durch die Antwort mit einem Schlag aus seinem Gesicht gewischt. "Nein, sie ist schwanger. Das ändert doch nichts an ihren Plänen, oder?" Seiji musste sich zügeln nicht laut loszuschreien. Eine Ader auf seiner Stirn schwoll gerade gefährlich an, als der andere sich gemächlich eine Zigarette anzündete. "Wir dachten uns bereits, dass sie nicht wirklich davon begeistert sein würden und haben uns erlaubt etwas zu arrangieren. Der Arzt steht, wie man so sagt, unter dem Schutz unserer Organisation. Zuletzt hatte er uns gegenüber bemerkt, dass sich gewisse Komplikationen ergeben könnten. Sie dürfen also beruhigt sein." Neugierig geworden zog Seiji eine Augenbraue hoch und setzte sich wieder in seinen Bürosessel. "Komplikationen?" Der Mann vor ihm, der es noch immer nicht für nötig befunden hatte die Sonnenbrille abzunehmen, nickte nur leicht und nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette. "Dank uns hat er ihr die Tatsache verschwiegen, dass sie demnächst ohne medikamentöse Behandlung und viel Ruhe das Kind verlieren wird. Wir haben ihn gerade abgefangen, als er ihr die neuesten Untersuchungsergebnisse mitteilen wollte. Eine Fügung des Schicksals." So wie es aussah, ergab sich nun doch alles für Seiji zum Besten. Er würde diesen unschätzbar wertvollen Dienst natürlich auch dementsprechend entlohnen. Das Scheckbuch gezückt erweiterte er die vertragsgemäße Zahl um eine weitere Stelle. "Ich danke Ihnen. Sie wissen wenigstens, wie man seine Kunden zufrieden stellt." Mit diesen Worten überreichte er ihm das Stück Papier und verabschiedete sich mit einem höchst zufriedenen Ausdruck im Gesicht. Dadurch entging seinem Blick der rot aufleuchtende Knopf der Gegensprechanlage, der sich soeben ausschaltete. Fahrig fuhr sich Frau Hokosai mehrmals durch die Haare, bevor sie entschlossen die Türschnalle hinunterdrückte und sich leisen Schritts in das Zimmer schlich, um die Vorhänge zurückzuziehen. "Herr Wakabashi? Sind Sie wach? Ich muss dringend mit Ihnen sprechen." Nur schwach öffnete er die schweren Augenlieder unter denen sich schwarze Ringe abzeichneten. "Warum lassen Sie mich nicht endlich in Ruhe?" Doch wie immer ignorierte sie seine depressive Stimmung und fasste sich ein Herz, um ihm die neuesten Nachrichten nicht stotternd zu überbringen. "Es wird Sie interessieren, da es um Ihre verschwundene Tochter geht. Ich denke, ich weiß, wo wir sie finden können. Nur ich befürchte, Ihr Sohn kommt uns zu vor." Ein regelrechtes Strahlen ging über sein Gesicht, wenn er auch verwirrt durch ihre letzten Worte war. "Seiji hat sie gefunden? Wo? Und wie?" Nervös biss sich Frau Hokosai auf ihrer Unterlippe, ehe sie es wagte aufzusehen. "Ich habe einiges über Ihren Sohn herausgefunden. Aber versprechen Sie mir sich nicht aufzuregen!" * Liebevoll strich Misa immer wieder über ihr kleines Bäuchlein und sprach sich dabei selbst Mut zu, während der Arzt das Ultraschallgerät einschaltete und das kühle Gehl verteilte. ,Es ist alles in Ordnung. Du bist nur ein bisschen lebhaft... Hab ich Recht? Es geht dir doch gut? Mein Frauenarzt hat schließlich gesagt, dass alles in bester Ordnung ist. Wenn ich Kojiro gegenüber erwähnt hätte, dass das nicht zum ersten Mal vorgekommen ist, wäre er wahrscheinlich völlig ausgeflippt. Er würde sich nur wieder unnötige Sorgen machen. Ich kenn ihn doch.' Gerade in diesem Moment bemerkte sie die zu Falten gerunzelte Stirn des Arztes, der sich nun näher an das Gerät heranbeugte. "Sie sagten, Sie hätten diese Schmerzen schon länger? Haben sie ihren Arzt davon in Kenntnis gesetzt?" Nun doch sichtlich besorgt nickte Misa nur und wartete auf das Ergebnis seiner Untersuchung. "Wie soll ich sagen.... Es fällt immer schwer so etwas.... Die Plazenta, die sie hier sehen, hat sich beinahe vollständig gelöst. Normalerweise passiert so etwas nur nach einem schweren Unfall, oder einem Schlag in die Magengegend... Ich kann mir selbst nicht erklären warum..." "Was...was kann man dagegen tun? Ich meine, meinem Baby geht es doch gut?" Zitternd kämpfte Misa mit den Tränen, während der Arzt mit sich rang der jungen Frau vor sich die grausame Wahrheit zu sagen. "Mit Medikamenten können wir versuchen Ihr Baby zu retten. Aber ich will Ihnen nichts vormachen. Es könnte sein, dass sie ihr Kind innerhalb weniger Stunden oder Tage verlieren. Es ist sogar höchstwahrscheinlich... Sie sind noch sehr jung. Sie werden noch viele Kinder bekommen können, nur dieses..." Kopfschüttelnd sah sie ihn nur ungläubig an, als sie sich langsam aufrichtete, während sie ihre zitternd, verkrampften Hände in ihre Unterarme krallte. "Nein, nein, der Arzt hat doch.... Das kann nicht sein... NEIN, lassen Sie mich!....." In diesem Augenblick wurde das Gebäude von einem Erdbeben ergriffen, durch das die Regale umstürzten, während der Druck auf die Wasserleitungen zu groß wurde und an jeder Ecke Wasserfonthainen hervorschnellten. Schreiend hielt Misa sich die Ohren zu und schlug mit aller Kraft um sich, als er versuchte sie festzuhalten, bis sie sich in einer Ecke schutzsuchend zusammenkauerte. Mit tränenverschleierten Augen starrte sie ins Leere, während sie bereits seine Worte, sowie die Beruhigungsspritze, die in ihren Unterarm eindrang nicht mehr wahrnahm. Dunkelheit umhüllte ihren Geist. Ihr ganzer Körper fühlte sich, bis auf den dumpfen Schmerz in ihrem Unterleib, wie sinnloser Ballast an, den man nicht abwerfen konnte. Ein Schmerz, den sie verzweifelt versuchte festzuhalten. Ihr einziges Zeichen, dass ihr Baby noch am Leben war. Kojiro, der sich nicht länger von diversen Schwestern aufhalten lassen wollte, die ihm beteuerten, dass seine Frau ihre Ruhe brauchen würde, stürmte das Krankenzimmer, in dem man Misa untergebracht hatte. Ohne Vorwarnung, was ihn darin erwarten würde, riss er die Tür auf und blieb im nächsten Moment wie angewurzelt stehen. Unverändert starrte Misa wie bisher an die Decke und streichelte über ihren Bauch, während sie leise Kinderlieder vor sich hinsummte. Bei dem Anblick drohten seine Beine nachzugeben, als er an seiner rechten Schulter den Druck einer Hand verspürte. "Sind sie der Mann von Frau Aogiri?" "Was?" Ohne seinen Blick von Misa abzuwenden ließ er sich von diesem auf einen Stuhl setzten, den dieser neben ihr Bett herangezogen hatte. "Es tut mir Leid." "Was? Was tut Ihnen Leid? Was haben Sie mit ihr gemacht?!" Sein Blut kochte. Aufgebracht drängte er den verängstigten Arzt gegen die nächste Wand, während er die Hand zur Faust ballte. "Be...beruhigen Sie sich doch. Es ist besser Sie setzten sich hin. Ihre...ihre Frau ist in einem Schockzustand. Wir mussten ihr ein Beruhigungsmittel spritzen!" "Was ist passiert?" Kojiros Lippen bebten, als er die Worte kaum hörbar herauspresste. Er fühlte sich wie in einem schlechten Film, als der Arzt auch ihm die Situation zu erklären begann. Vor kurzem noch schien die Welt vollkommen in Ordnung zu sein, doch nun zersplitterte diese vor seinen Augen in tausend kleine Scherben, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Er verspürte eine Machtlosigkeit, die ihn halb um den Verstand brachte. * Trotz des schlechten gesundheitlichen Zustands von Herrn Wakabashi, war er durch nichts mehr davon abzuhalten den nächsten Flug nach Rojukuu zu buchen. All die Dinge, die er von seiner vertrauenswürdigen Sekretärin gehört hatte, hatten ihn in einen Rausch der Gefühle versetzt. Erleichterung über ein Lebenszeichen seiner Tochter und unbändiger Zorn über seinen Sohn, der sich bereits mit dem Privatjet des Hauses auf dem Weg zu Misa befand. Wenn es tatsächlich wahr wäre, was ihm Frau Hokosai erzählt hatte, dann durfte er keine Sekunde mehr verlieren, um sie zu beschützen. Die ganze Zeit über war er hintergangen und verraten worden. Man hatte ihn zum Spielball gemacht. Er war nichts weiter als eine Figur in Seijis Schmierenkomödie, um an die Macht zu gelangen, die ihn selbst jahrelang blind gemacht hatte. Er würde nicht zulassen, dass sich die Vergangenheit noch einmal wiederholt. Zu viel Blut klebte an seinen eigenen Händen, als dass er sich damit abfinden würde seine einzige Chance auf Vergebung zu versäumen. * Stunden zuvor war Misa in einen unruhigen Schlaf gefallen, den Kojiro mit Argusaugen bewachte. Sein Blick ruhte auf ihren angespannten Gesichtszügen und den immer wieder zusammenkrampfenden Händen. Wenn sie dieses Kind verlieren würde, wusste er nicht, wie er Misa jemals wieder in diese Welt zurückholen würde können. Als Hikari starb zog sie sich vollkommen in sich selbst zurück. Es hatte eine halbe Ewigkeit gedauert, bis er sie berühren durfte, ohne dass sie zusammenzuckte oder seine Hand wegschlug. Es war wie ein Wunder für ihn, als sie in jener Nacht so plötzlich vor ihm stand, um ihm letztendlich diese schwere Schuld zu verzeihen, die auf ihm lastete. Und nun sollte er ein weiteres Mal zusehen, wie ein unschuldiges Kind starb. Ihr Kind. ,Warum? Ist es noch nicht genug? Was muss den noch geschehen?! Wie viel mehr denn noch?.... Gott? Wenn es dich gibt... ich hasse dich!' Die schwere Verbitterung hatte deutlich ihre Spuren hinterlassen. Sein Gesicht war wie in Stein gemeißelt und zeigte keinerlei Gefühlregung mehr. Das Einzige, das sein Herz noch davor bewahren konnte in immer tieferer Dunkelheit zu versinken, lag nun vor ihm und kämpfte um das Leben ihres Babys. Kojiro hatte Misa seit sie eingeschlafen war keine Sekunde lang aus den Augen gelassen, obwohl seine schweren Augenlieder drohten demnächst von alleine zuzufallen. Gerade als er dem Schlaf nachgeben wollte und die Augen schloss, hörte er leise Geräusche vor sich. Den Atem anhaltend beugte er sich leicht über Misa, die gerade aufzuwachen schien und dabei einen tieferen Atemzug holte. Liebevoll strich er ihr über die Wange auf der noch immer die versiegten Tränenspuren glitzerten. "Hey." Mit einiger Anstrengung schlug Misa die Augen auf, wagte es jedoch nicht ihm ins Gesicht zu sehen. "Kojiro...ich......." Ihre Stimme war kaum mehr als ein leises Wispern. "Ich weiß." Schluchzend ließ sie sich von Kojiro in die Arme ziehen, der sie zärtlich auf die Stirn küsste und dabei sanft hin und herwiegte. "Ich will dieses Baby..... ich will es nicht verlieren..... ich........ Was wenn ich.... Ich kann diese Kraft noch immer nicht kontrollieren. Bin ich daran schuld? Ich bin doch auch schuld an dem Erdbeben. Ich habe das ganze Krankenhaus verwüstet. Wenn es eingestürzt wäre... Die vielen Menschen hier........." "Das Stromnetz blieb die ganze Zeit intakt, deshalb hält sich der Schaden in Grenzen. Es ist alles in Ordnung. Es gab nur kleinere Verletzungen.", versuchte er sie zu beruhigen. "Ich will doch niemandem wehtun. Ich will diese Kraft nicht. Ich will sie nicht. Ich will doch nur, dass unser Baby lebt. Bringst du mich bitte nach Hause?" Einen Moment zögernd ließ er Misa los, um sich nach einem der Ärzte zu erkundigen, die noch immer wie aufgescheuchte Hühner herumschwirrten und versuchten das Chaos unter Kontrolle zu bringen. "Bin gleich zurück." Im Krankenhaus befand man es zwar für keine gute Idee ,Frau Aogiri' zu entlassen, doch nachdem man auch hier nichts weiter als darauf warten konnte, wie sich die Dinge durch die Medikamente weiter entwickeln würden und die Ärzte im Moment alle Hände voll zu tun hatten, stimmte man letztendlich, dem Wunsch der Patientin nach Hause zu gehen, zu. Kojiro, der ein Taxi gerufen hatte, verfrachtete Misa mit äußerster Vorsicht, als wäre sie aus Glas, auf den Rücksitz. Müde lehnte sie sich gegen seine Schulter und hielt ihre Arme schützend über ihren Bauch gelegt, als könnte sie damit ihr Baby vor allem, was es bedrohte, behüten. Vor dem Wohnhaus angekommen, reichte Kojiro dem Fahrer ein paar Scheine, der den beiden zukünftigen Eltern alles Gute und viel Glück wünschte und dafür nur ein schwaches Lächeln der baldigen Mutter und einen strafenden Blick des Blondschopfs kassierte. Der Morgen dämmerte bereits, als ihnen der schneidende Wind um die Ohren blies und ein schwarzer Mercedes in der Nähe des Hauseingangs Kojiros Aufmerksamkeit erweckte. Misstrauisch kniff er die Augen zusammen und hinderte Misa daran noch einen Schritt weiter zu gehen, als sich die Wagentür öffnete. ,Nicht jetzt! NICHT JETZT!!!!' Kojiros Körper zitterte vor Anspannung, als er darauf wartete, dass die nächste Katastrophe, die nicht lange auf sich warten ließ, über sie hereinbrechen würde. "Misa, kannst du laufen?" Nickend nahm sie seine Hand und drückte sie fest. "Ich kann auch versuchen es zu kontrollieren, aber..." "Nein, schon gut. Wir schaffen es auch so. Du musst diese Kraft nicht einsetzten. Spar sie dir für das Baby." In der Luft knisterte es vor Spannung und der Wind rauschte durch die Blätter, als den Lackschuhen, die als erstes den Boden berührten, der dazugehörige Körper folgte. Blankes Entsetzten spiegelte sich in ihrer beider Augen, als sich tatsächlich Seiji vor ihnen aufbaute und sie mit einem kalten, abschätzigem Lächeln bedachte. "Lange nicht gesehen. Ich denke, wir haben noch eine Rechnung zu begleichen." Auf diese Worte folgte sogleich ein wahres Geschwader seiner Gefolgsmänner, die sich aus allen dunklen Ecken zu stehlen schienen und die beiden einkreisten. "Kojiro..." Ängstlich umklammerte sie seinen Arm und blickte ihn fragend an, als auch hinter ihnen keine Fluchtmöglichkeit mehr zu bestehen schien. Resigniert schloss er die Augen und nickte ihr zu. "Gut." Entschlossen sammelte sie ihre Kräfte und begann sich zu konzentrieren, als auch schon der Sturm über sie hinwegfegte und die Erde ein weiteres Mal unter ihr erbebte, worauf Seiji etwas kleinlaut den Befehl gab, auf die beiden zu zielen. "Wenn du nicht sterben willst, Misa, dann hör auf dich gegen mich zu wehren. Du hast keine Chance! Oder legst du es etwa darauf an, dass noch ein Mensch deinetwegen sein Leben verliert?!" Doch anstatt klein bei zu geben, hob Misa die Hand, als sich ein schwaches Lächeln über ihre Lippen stahl. "Keine Sorge, Seiji! Soweit werde ich es nicht kommen lassen." Ihre Augen begannen wie in jener Nacht zu glühen, während sich die Luft erwärmte und eine Druckwelle die schussbereiten Männer, die mit offenem Mund staunend ihren Blick auf das überirdisch wirkende Wesen vor ihnen gerichtet gehalten hatten, zurückgeschleudert wurden. Der Schmerz der Misa in jenem Augenblick durchfuhr raubte ihr beinahe das Bewusstsein, als Kojiro sie stützend unter dem rechten Arm festhielt und nach einem Fluchtweg Ausschau hielt. Nur am Rande bemerkte sie, wie er sie mit sich zog. "Wir haben es gleich geschafft. Du warst großartig. Misa? Misa, hörst du?!" Besorgt umfasste er ihre Taille, als sie sich schwankend gegen ihn lehnte. ,Meine Schuld...meine...' Suchend blickte er sich nach der nächsten Möglichkeit um, Misa etwas Halt zu geben, bevor sie in seinen Armen zusammenbrach. ,Ich wusste es....' Doch inmitten des leeren Marktplatzes den sie nur schleppend überquerten fand sich keine Gelegenheit Misa zur Ruhe kommen zu lassen. ,Wenn ich diese Kraft nicht eingesetzt hätte....' Mit blassem, schmerzverzerrtem Gesicht krümmte sie sich immer wieder zusammen, ehe sie sich ein paar Schritte weiter zwang. ,Mein Baby!... Es tut so weh... Ich kann spüren wie es schwächer wird..... Oh Gott nein,... stirb nicht! Stirb bitte nicht!... Bitte...' Zitternd hielt Kojiro Misa fest, während sie sich auf dem kalten Boden zusammenkauerte, als Blut über ihre Schenkel rann und sie ihre Arme auf ihren Bauch presste. "Kojiro, das Baby..." Flüsternd wie der Wind, nicht gewagt es auszusprechen. Ungläubig schüttelte er den Kopf, während die salzigen Tränen über seine Wangen und seinen Kiefer entlang liefen, bis sie letztendlich vermischt mit dem hereinbrechenden Regen zu Boden fielen. Der Himmel weint. Keine Zeit. Keine Zeit für Tränen. Hikari, du hast es schon gewusst, nicht wahr? Weinst du nun trotz allem? Obwohl der Sturm droht? "Was für ein rührender Anblick. Mir kommen beinahe die Tränen." Seufzend beobachtete er die beiden für einen Bruchteil einer Sekunde, ehe er das Zeichen gab, sie zu ergreifen. Kaum fähig vor blinder Wut und Trauer das Gleichgewicht zu halten, richtete sich Kojiro auf und stellte sich den unversehrten Männern aus Seijis Anhang, die sich zahlenmäßig durch Misas Angriff stark dezimiert hatten, entgegen. Blicklos fing er einen nach dem anderen ab, ehe sie auch nur in die Nähe von Misa kamen und sendete ihn mit wenigen Schlägen in das Reich der Bewusstlosigkeit, bis drei von ihrer Sorte sich gleichzeitig auf ihn stürzten. Doch durch das monatelange, harte Training hatte er einiges dazugelernt und schaffte es sogar sich seinen Kontrahenten mehr als würdig zu erweisen. Wütend beobachtete Seiji das Geschehen und kniff verärgert die Augen zusammen. Er hatte vor Kojiro eine Lektion zu erteilen, die er niemals vergessen würde. Doch so wie die Dinge lagen, musste seine Rache wohl oder übel mit seinem Tod Genugtuung finden. Gerade als er die Waffe zog und sie auf den Blondschopf inmitten des Treibens richten wollte, hielt eine drohend klingende Stimme ihn auf, den Abzug zu betätigen. "Wag es nicht! Du hast schon genug angerichtet!" Überrascht drehte sich Seiji der vor Zorn bebenden Gestalt hinter sich zu, ehe ein Grinsen seine kalte, berechnende Miene bestimmte. "Wer hätte gedacht, dass du jemals wieder von den Toten auferstehen würdest. Ich hatte gehofft zu Hause deinen Sarg anzutreffen, doch stattdessen versuchst du hier den Helden zu spielen. Tja Vater, ich schätze ich muss dich enttäuschen. Die Zeit für Helden ist nun endgültig vorbei." Gleichgültig beobachtete Misa die Szene zwischen ihrem Vater und Seiji aus einiger Entfernung, während sie sich aufrichtete und in die Richtung Kojiros wankte. Mit weit aufgerissenen Augen konnte Herr Wakabashi nur mit ansehen, wie sein eigener Sohn auf ihn zielte und spürte im nächsten Moment schon den brennenden Schmerz einer Kugel in seinem Bein. Gequält schrie er heiser auf, bevor er zusammenbrach und seine bloße Hand auf die Wunde presste. "Ich...ich hätte dir wenigstens das Schießen richtig beibringen sollen." Amüsiert schüttelte Seiji nur den Kopf und wendete sich wieder seinem eigentlichen Ziel zu. "Für dich ist auch noch später Zeit. Ich hoffe, du genießt das Schauspiel." Damit richtete er die Waffe wieder auf Kojiro, der inzwischen schon reichlich lädiert zum Schlag ausholte und durch die Kraft seiner unbändigen Wut auch seinen letzen Gegner atemlos niederstreckte. Flehend hielt Herr Wakabashi die Hand ausgestreckt, um die Waffe an sich zu nehmen, ehe etwas geschah, was nicht zu widerrufen wäre und es seinem Sohn den letzten Rest an Menschlichkeit raubte. "Tu es nicht. Bitte..." Süffisant vor sich hinlächelnd drehte Seiji selbstsicher sein Gesicht wieder seinem Vater zu, bevor er die Sicherung löste und noch immer seinen Blick auf ihm ruhend den Finger an den Abzug legte. "Zu spät." "Misa..." Den Namen leise vor sich hin flüsternd, suchte Kojiros Blick nach ihr, als sie plötzlich mit ihren großen, rehbraunen Augen vor ihm stand und langsam ihre Hand ausstreckte um seine blutverschmierte Wange zu berühren. Nichts schien sich mehr zu bewegen. Selbst der Wind, der zuvor noch die Blätter aufgewirbelt hatte, hielt für einen Moment den Atem an, als mehrere Schüsse die Stille durchbrachen. Mit schmerzverzerrter Miene legte Misa die Arme um seinen Hals und klammerte sich haltsuchend an ihn, bevor ihre Kräfte sie im nächsten Moment verließen und die zweite Kugel ihr ursprüngliches Ziel fand, als diese sich gewaltsam in seine Brust bohrte. Nur ein erstickter Laut kam über seine Lippen, bevor ihm schlagartig schwarz vor Augen wurde und er mit dem vor Schmerzen gekrümmten Körper in seinen Armen in sich zusammensank. Die Sinne schwanden durch eine bleierne Müdigkeit, die sich wie ein schützender Mantel über die beiden legte. Mit letzter Kraft griff Misa nach Kojiros zitternder Hand, ehe sein flacher, rasselnder Atem verstummte. "Du wärst....ein toller Vater geworden..." Ihre Stimme brach unter der Anstrengung, bevor sie den metallischen Geschmack von Blut in ihrem Mund schmeckte und hustend versuchte Luft in ihre Lunge zu pressen. Dabei strich sie noch einmal zärtlich die schweißnassen, blonden Strähnen aus seiner Stirn, bevor sie müde die Augen schloss und sich dem Schatten, der sich über ihren Geist legte, ergab. Mit reißender Gewalt ins Nichts gezogen. Das Licht unsichtbar, doch noch immer spürbar auf der blassen Haut. Keine lähmende Angst mehr. Gewissheit. Es ist bald vorbei. Die Schmerzen werden verschwinden und zurück bleibt eine leere Hülle. Nun darfst du weinen. Nun bist du frei. Sag, leb wohl, bevor du gehst. Sag, leb wohl. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)