Zum Inhalt der Seite

Hokaru

Der Stern in dir
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Letzte Kindertage

Müde rieb ich mir den Schlaf aus den Augen. Was war los? Heute war doch Samstag und ich musste nicht in die Schule. Irgendetwas hatte mich geweckt. Aber was?

Gähnend stand ich auf und schlüpfte in meine Pantoffeln. Sie waren hellblau und schön weich. Erst vor zwei Tagen hatte Mama sie mir gekauft und ich habe sie auf den ersten Blick gemocht.
 

Leise tapste ich auf den Flur hinaus.

Dort sah ich sofort meinen älteren Bruder stehen. Auch er schien vom Lärm geweckt worden zu sein und sah genauso verschlafen drein wie ich. Nur war da auch noch etwas anderes in seinem Blick, das ich jedoch nicht zuordnen konnte.

"Koichi? O-nii-san? Was ist denn los?", fragte ich ihn mit meiner kindlichen Knaben-Stimme.

"Pst! Sei still Ichiro!", meinte er flüsternd und legte seinen rechten Zeigefinger auf seine Lippen.

Fragend blickte ich ihn an und schon im nächsten Moment konnte ich hören, warum wir leise sein sollten.

"Du hast eine Andere!"

Erschrocken riss ich meine Augen auf. Bis hierher konnte ich die wütende Stimme meiner Mutter vernehmen.

Ich begriff, dass unsere Eltern sich stritten, auch wenn ich nicht wusste, worum es ging.

Jetzt wurde mir klar, was mich geweckt hatte.

Ängstlich sah ich zu meinem Bruder. Er hatte wohl genauso viel Angst wie ich, schließlich war er ja auch erst zwölf Jahre alt. Dennoch kam er zu mir und schloss mich in seine Arme.

"Na und? Ist das denn ein Verbrechen?", brüllte mein Vater zurück.

"Aber ich dachte du liebst mich!"

Stumm begann ich zu weinen. Noch nie hatte ich Mama so laut schreien gehört. Gestern war doch noch alles in Ordnung gewesen.

"Ich fand sie halt einfach attraktiv!", konterte mein Vater wieder.

Sanft begann Koichi mir über den Rücken zu streichen. Aus meinen spärlichen Tränen wurde ziemlich schnell ein wilder reißender Bach, der über meine Wangen lief.

An die Brust meines Bruders gelehnt, schniefte ich halblaut.

"Du elender Bastard!"

Mutters Stimme klang nicht mehr nur wütend. Sie klang bedrohlich und ein kalter Schauer lief über meinen Rücken. Dann herrschte eine Zeit lang Stille.

Das nächste, was ich vernahm, war ein erschrockenes aufkeuchen meines Vater und ein entsetztes "Nein!".

Auf einmal ertönte ein lauter Knall und ich spürte, wie mein Bruder sich verkrampfte, einfach erstarrte.

Nur eine Sekunde später löste sich Koichi von mir und wies mich an hier zu warten. Dann lief er eilig ins Wohnzimmer, wo der Kampf meiner Eltern stattgefunden hatte.

Normalerweise war ich immer brav und hörte auf das, was meine Eltern und mein Bruder mir sagten. Doch in diesem Moment übermannte mich einfach die Neugier.

Ich schlich meinem Bruder nach und was ich sah, erfüllte mich mit Schrecken.
 

Mein Vater lag auf dem Boden .Neben ihm kniete meine Mutter. Sie weinte laut. Bei genauem hinsehen, konnte ich erkennen, dass mein Vater eine Wunde am Oberkörper hatte aus der Blut quoll. Auch an den Händen meiner Mutter, die sie sich vors Gesicht hielt, klebte Blut.

Noch nie zuvor hatte ich so viel Blut gesehen.

Klar, hin und wieder, wenn mein Bruder und ich auf dem Spielplatz waren und vom Klettergerüst gefallen waren oder uns mit anderen Jungs gestritten da sah ich Blut. Aber es war nicht so viel auf einmal!

Fasziniert betrachtete ich, wie die rote Flüssigkeit von den Händen meiner Mutter tropfte. Ich wusste gar nicht, dass ein Mensch soviel Blut im Körper hatte.

Erst nach und nach drang die Erkenntnis in meinen Kopf, das etwas nicht stimmen konnte. Schließlich weinte meine Mutter und auch mein Bruder, der etwas abseits stand, hatte angefangen stumme Tränen zu vergießen.

Verwundet schaute ich mich um. Kein einziger Tropfen rann über meine Wange.

"Was ist denn passiert? Was ist mit Papa?"

Fragend schaute ich auf Mama und Koichi.

Meine Mutter reagierte nicht, aber mein geliebter großer Bruder sah mich mit einem Mal in der Tür stehen. Sofort stürmte er auf mich zu und drückte mich an seine Brust, ersparte meinen Augen damit, weiterhin auf das Szenario zu blicken.
 

Ein paar Minuten später zog er mich dann auf den Flur hinaus.

"Was ist mit Mama?", fragte ich ihn, doch erhielt keine Antwort.

Stumm ging er zum Telefon und wählte eine Nummer.

"Guten Tag. Könnten sie bitte einen Krankenwagen schicken? - Nakamura. Koichi Nakamura. - Ja, danke."

Er legte den Hörer wieder auf die Gabel und drehte sich zu mir um. In seinen Augen stand der Schock deutlich geschrieben, jedoch lächelte er mich trotz allem tapfer an, versuchte mir Mut zu machen.

Ich wollte wieder ins Wohnzimmer gehen, mein Bruder hielt mich jedoch zurück. Er nahm mich bei der Hand und führte mich in mein Zimmer. Dort setzte er sich auf meinen Futon und zog mich auf seinen Schoß.

Ich vergrub mein Gesicht an seiner Halsbeuge und so warteten wir, bis wir schließlich die Sirenen hören konnten.

Als es an der Tür klingelte, hob mich Koichi auf und ging zurück in den Flur.

Stumm öffnete er den Rettungsmännern die Haustür und zeigte ihnen, in welchen Raum sie gehen mussten.

Erneut mussten wir warten. Ich sah, wie mein Vater auf einer Bahre hinausgetragen wurde und auch meine Mutter, die unter Schock stand, wurde hinaus begleitet.

Ein Polizist kam auf uns zu und sah meinen Bruder an.

"Was ist denn passiert?", fragte er ihn und Koichi erzählte ihm, was er gehört hatte.

Der Beamte versuchte uns aufmunternd anzulächeln. Er sagte, wir müssten zu erst einmal mit aufs Revier kommen und er versprach uns eine heiße Schokolade.

Dabei begannen meine Augen richtig zu leuchten, denn ich liebte dieses Getränk.

Aufgeregt zappelte ich in Koichis Armen, bis dieser mich herunter lies.
 

Zu dritt saßen wir dann im Polizei Auto. Leise summte ich vor mich hin. Ich liebte es zu singen und mir ging gerade die Melodie von "Es klingen die Lieder" durch den Kopf. Der Polizist bedachte mich mit einem fragenden Blick.

"Es klingen die Lieder!", antwortete ich ihm freudestrahlend.

Schließlich wusste ich ja nicht, dass ich seine Frage falsch gedeutet hatte, dass er sich in Wirklichkeit eher fragte, wie ich es schaffte nach so einem Drama so fröhlich zu sein.

Jedoch dachte ich in diesem Moment gar nicht mehr daran. Dazu fand ich das alles viel zu aufregend. Morgen, dachte ich, würde ja sowieso alles so sein wie früher.

Wie jeden Sonntag würden wir gemeinsam Frühstücken.

Papa würde sein Gesicht hinter der großen Sonntagsausgabe verstecken und ich würde mit Koichi streiten. Mutter würde uns wie immer ermahnen und zu benehmen und endlich still zu sein. Es würde jedoch nichts nützen und wir würden uns weiter zanken, solange bis entweder mein Vater ein Machtwort sprach, oder das Frühstück beendet war und jeder in sein Zimmer verschwand.

Gedankenverloren starrte ich aus dem Fenster. Auch wenn man es wegen der Dunkelheit nicht sehen konnte, aber ich wusste dass es Frühling war.

Ich stellte mir die Kirschbäume vor, die gerade blühten. Ihr Anblick war wirklich verzaubernd und ich musste immer einige Minuten in unsrem Garten stehen bleiben, wo wir einen riesengroßen Kirschbaum stehen hatten.

Der Wagen bog ab und der Polizist bat uns auszusteigen.
 

In dieser Nacht wurden mein Bruder und ich zu Halbwaisen. Meine Mutter wurde verhaftet. Die Anklage lautete auf Mord.
 

Ich war sechs Jahre alt als ich ins Heim kam.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Das war also der Prolog. Wie hat er euch so gefallen???

Würde mich über Kommentare dazu freuen... ^^#

Sehr sogar XD~
 

Glück Auf!

Ryon ^_-

Brüder

Ein lautes Klopfen an der Tür ließ mich aufwachen. Gähnend richtete ich mich in meinem Bett auf. Konnten die Heimbetreuer denn nicht einmal gnädig sein und uns länger als bis 7:00 Uhr schlafen lassen?

Ich sah, wie nun auch auf der anderen Seite des Zimmers eine Gestalt begann sich zu bewegen.

"Guten Morgen, Koichi.", lächelte ich meinem Bruder entgegen.

Langsam setzte er sich auf und sein Anblick brachte mich wie fast jeden Morgen zum schmunzeln, aber er bot einfach ein zu amüsantes Bild.

Die schulterlangen, blonden Haare standen wild von seinem Kopf ab und nur ein Kamm konnte sie in ihre gewohnt, glatte Form zurückbringen. Verschlafen nickte Koichi mir zu und ich erwartete auch keine weitere Reaktion von ihm.

Er war einfach kein Morgenmensch und würde es wohl auch nie werden.

Zugegeben, auch ich hatte am Morgen nicht immer gute Laune, aber es war nicht so extrem wie bei Koichi. Er brauchte mindestens eine halbe Stunde, um wenigstens halbwegs munter zu werden.

Noch einmal gähnte ich verhalten und schlug dann die Bettdecke zurück, um mich erst einmal duschen zu gehen. Danach würde ich garantiert munter wie ein Fisch im Wasser sein und das Frühstück genießen können.

Schließlich war heute Dienstag und nach der Schule hatte ich wie immer etwas ganz besonderes vor.
 

Schon von weitem hörte man den Lärm aus dem Saal, in dem wir immer aßen. Jeden Tag drei mal.

Ich ging zum Buffet, nahm einen Teller und legte erst einmal zwei Brötchen, Butter und Wurst hinauf. Dann schenkte ich mir noch eine Tasse warme Milch ein und tat Kakaopulver dazu. Ein Kakao am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen!

Mit dem beladenen Tablett in der Hand, drehte ich mich dann wieder in den Raum. Fast alle Plätze waren von den Heimbewohnern belegt, aber ich erspähte sofort einen noch freien Tisch. Vorsichtig schlängelte ich mich an den Frühstückenden vorbei, zu der Ecke hin, in der besagter Tisch stand.

Dort angekommen stellte ich mein Tablett ab und setzte mich. Genüsslich nippte ich an meiner Tasse Kakao und starrte an die Wand.

Es war keine Absicht, dass ich mich mit dem Rücken zu den anderen Leuten setzte, eher eine Angewohnheit. Ich fand es ganz einfach erträglicher.

Es dauerte jedoch nicht lange und der Sessel, der mir gegenüberstand, wurde herausgezogen und ein Tablett hingestellt.

Koichi setzte sich auf den Stuhl und erst jetzt fiel mir auf, dass er heute blasser war als sonst. Außerdem hatte er große Ringe unter den Augen.

"Alles in Ordnung?", fragte ich und bedachte ihn mit einem besorgten Blick.

"Klar", antwortete er kurz angebunden und sein Ton machte deutlich, dass ich besser nicht weiterfragen sollte.

Lautlos seufzte ich auf und widmete mich meinem Essen. Wie immer waren die Brötchen nicht knusprig und man schmeckte, dass sie sicher schon einen Tag alt waren.

Sofort ermahnte ich mich selbst, nicht so zu denken. Schließlich war es teuer dieses Heim zu führen und so viele Kinder und Jugendliche hier gratis wohnen zu lassen.

"Ichiro?"

Koichis Stimme ließ mich von meinen Gedanken hochschrecken.

"Ja?"

"Ich... muss dir etwas sagen."

Ich schluckte. Also war doch nicht alles in Ordnung mit ihm. Angestrengt versuchte ich einen leichten Anflug von Panik niederzukämpfen.

"Was?", fragte ich und man hörte meiner Stimme deutlich die Unsicherheit an.

Tief sah mir Koichi in die Augen und versuchte krampfhaft zu lächeln.

"Ichiro, ich... ich werde ausziehen. Von dem Heim meine ich."

Stille.

Ich brauchte einen Moment um das Gesagte zu verarbeiten, doch dann riss ich meine Augen ungläubig auf.

"Wieso?"

Im Saal wurde es mit einem Mal still. Ich hatte wohl etwas zu laut gesprochen. Jedoch vergingen nur ein paar Sekunden und der Lärmpegel schwoll wieder auf seinen gewohnten Punkt an.

"Ichiro... ich bin schon 22 und ich kann nicht ewig hier leben. Es wird Zeit, dass ich mein verdientes Geld zusammenkratze und mir eine eigene Wohnung suche."

Geschockt starrte ich ihn an.

"Und was soll ich dann machen? Ich kann und will hier nicht alleine leben! Du darfst nicht einfach so gehen!"

"Aber ich muss. Es ist bereits beschlossen. Noch heute werde ich von hier weg gehen."

"Was?"

Wenn es überhaupt noch möglich war, so öffneten sich meine Augen ungläubig noch weiter.

"Wieso schon heute? Kannst du denn nicht noch die zwei Jahre warten, bis ich 18 bin? Bitte! Oder nimm mich doch einfach mit!"

Mein Bruder seufzte leise.

"Du weißt, dass das nicht geht. Ich könnte nicht uns beide ernähren. Du bleibst hier. Ende der Diskussion."

Koichis Worte waren hart und ließen keinen Widerspruch gelten. Ich konnte fühlen, wie sich langsam Tränen in meinem Augenwinkeln ansammelten und stumm meine Wange hinunter rannten.

Das alles konnte doch ganz einfach nicht wahr sein. Seit mein Vater gestorben war, hatte ich nur noch Koichi. Immer war ich an seiner Seite gewesen und er hatte auf mich Acht gegeben. Er konnte mich doch nicht einfach so hier zurück lassen!

Insgeheim hatte ich ja gewusst, dass es einmal so weit sein würde. Aber nicht so bald, nicht heute, nicht jetzt! Es war doch noch viel zu früh dafür und ich war nicht vorbereitet!

Das kratzen eines Stuhls über den Boden lies mich aufblicken und ich sah, wie mein Bruder mit einer harten, ausdruckslosen Miene, eilig den Tisch verließ.
 

Als ich später in mein Zimmer kam, war keine Spur mehr von Koichi zu sehen. Seine ganzen Sachen waren gepackt und nur ein benütztes Taschentuch im Papierkorb erinnerte noch an seine Anwesenheit. Selbst sein Bett hatte er noch ordentlich gemacht. Nur wann? Warum war mir nicht aufgefallen, dass er seine Koffer gepackt hatte? Warum hatte ich es nicht früher bemerkt?

Ein Gefühl der Verzweiflung und Hilflosigkeit ergriff von mir Besitz. Was sollte ich jetzt tun?

Ich legte mich auf Koichis Bett. Es roch noch nach ihm.

Warum um alles in der Welt wollte er ausziehen? Und warum sagte er es mir erst JETZT? Jetzt, wo er schon fertig gepackt und ausgezogen ist?

Auf die Schule hatte ich heute keine Lust mehr. Wenn ich einmal in meinem Leben den Unterricht versäume, werden sie mir ja nicht gleich den Kopf abreißen.

Ich schloss meine Augen.

Eine Szene drängte sich in meinen Kopf:
 

~~ ~~~~ ~~~~~~~ ~~~~~~~~
 

Ein mittelgroßer Raum, ein Wohnzimmer. Es ist schön eingerichtet, zwar spärlich aber schön.

Ich stehe in der Schiebetür und betrachte den Raum eingehend.

Zuerst die Decke, dann schweift mein Blick die weiß-braunen Wände entlang.

Nur langsam komme ich dem Boden näher, der mit Tatamimatten ausgelegt ist.

Auf diesen Matten sehe ich eine knieende Frau, die noch sehr jung wirkt.

Von ihren Händen tropft Blut. Vor ihr liegt ein Mann auf dem Boden, der auch blutverschmiert ist. Seine Augen sind weit aufgerissen und die Pupillen nach oben gedreht. Neben den Beiden sehe ich etwas liegen. Ich schaue etwas genauer hin und erkenne, dass es sich um ein Messer handelt. Es ist nur schwer zu erkennen, denn man kann fast nur den schwarzen Griff ausmachen. Die Klinge glänzt nicht mehr, sondern ist so rot wie fast alles in diesem Raum.

Ich hole tief Luft, wünsche mir jedoch gleich darauf wieder, es nicht getan zu haben. Man kann das Blut riechen und dieser Geruch löst einen Brechreiz in mir aus.

Gegen diesen ankämpfend, lasse ich meinen Blick weiter durch den Raum wandern und erst jetzt erkenne ich einen Jungen, der hilflos in dem Raum steht. Sein Blick ist starr und spiegelt blankes Entsetzen wider.

>Koichi!<, versuche ich ihm zuzurufen, aber ich kann mich nicht bewegen.
 

~~ ~~~~ ~~~~~~~ ~~~~~~~~
 

Langsam öffnete ich wieder meine Augen und starrte an die Decke. Jede Nacht im Traum sah ich dieses Bild vor mir und es wollte einfach nicht verschwinden.

Warum wollte mich Koichi mit solch einer Erinnerung alleine lassen?

Ich begann meine Schläfen zu massieren.

Es hatte ja sowieso alles keinen Sinn. Ich konnte ihn von seinem Entschluss nicht abbringen, denn so ernst wie heute, hatte er noch nie zu mir gesprochen.
 

Ich wusste nicht genau wann, aber irgendwann war ich dann wohl eingeschlafen. Erschrocken sah ich mich nach allen Seiten um. Schon wieder hatte ich im Traum dieses Bild vor mir gesehen.

Ich fuhr mir über die dunkelblonden, kurzen Haare und blickte verschlafen zu dem Wecker, der neben meinem Bett am Nachtkästchen stand.

Mist. Es war schon 14:00 Uhr. In einer Stunde musste ich doch bei Saito-sensei sein!

Ich hatte heute zwar die Schule geschwänzt, aber meine Gesangsstunde konnte ich nicht ausfallen lassen. Das hatte mehrere Gründe und einer davon war wohl, dass ich wusste, dass nur Singen mich von Koichis Auszug ablenken konnte.

Betrübt begann ich wieder nachzudenken, doch dann schob ich meine Gedanken energisch beiseite. Dafür hatte ich jetzt eindeutig keine Zeit!

Eilig sprang ich auf und rannte ins Bad. Ich putze mir die Zähne und zog dann ein frisches T-Shirt an. Duschen würde ich mich, wenn ich zurückkäme.

Noch einmal sah ich mich suchend im Zimmer um. Nein, ich hatte wohl nichts vergessen. Den Schlüssel hatte ich in der Tasche und die Noten lagen sowieso immer bei Saito-sensei.

Schnellen Schrittes verließ ich das Zimmer, sperrte ab und machte mich dann auf den Weg aus dem Gebäude hinaus.

Unterwegs begegnete ich einigen Klassenkollegen. Keiner von ihnen schien sich zu fragen, warum ich heute nicht in der Schule gewesen war. Ob sie es überhaupt bemerkt hatten? Schließlich hatte ich noch nie mit einem von ihnen ein Wort gewechselt.

Wie auch immer, es konnte mir egal sein und so begab ich mich eilig zur Straßenbahnhaltestelle. Ich musste nicht lange warten und erhaschte sogar einen Sitzplatz.

Der Heimleitung war es ziemlich egal was wir am Nachmittag taten. Nach der Schule konnten wir unsere Freizeit immer so gestalten, wie es uns passte. Die einen gingen Fußballspielen oder machten Kendo. Aber das interessierte mich nicht wirklich.

Meine einzige Leidenschaft war das Singen.
 

Als die Straßenbahn zum vierten Mal hielt, erhob ich mich und stieg aus. Ich sah mich kurz um. Es war schönes Wetter und die Sonne strahlte eine angenehme Wärme aus. Ich beschloss, den Weg durch den Park zu nehmen.

Der Park war groß und auf dem Boden lag schon das erste Laub. Die Blätter, die noch an den Bäumen hingen, hatten wunderbare Rot-, Gelb- und Orange-Töne angenommen.

Auf einem Spielplatz hörte man Kinder, die ihren Spaß hatten. Ihre Mütter saßen ganz in der Nähe und achteten darauf, dass ihnen auch ja nichts passierte.

Meine Mutter war nie mit mir in den Park gegangen. Ich hatte ja immer Koichi.

Schon wieder musste ich an meinen Bruder denken. Ärgerlich versuchte ich mich auf den Kiesweg vor mir zu konzentrieren, doch so ganz wollte es mir nicht gelingen.
 

Ich war erleichtert, als ich endlich vor der großen Eigentumswohnung Saito-senseis ankam. Ich klingelte.

Es dauerte ein bisschen, doch dann öffnete mir ein Mann mittleren Alters, dessen dunkelbraune Haare schon etwas schütter wurden.

"Guten Tag, Saito-sensei", begrüßte ich ihn mit einer tiefen Verbeugung.

"Hallo Ichiro", antwortete dieser mit einem breiten Grinsen und trat zur Seite. Ich ging an ihm vorbei und wartete, bis er die Tür wieder geschlossen und den Schlüssel umgedreht hatte.

Dann ging er voraus. Ich folge ihm in sein Wohnzimmer. Es war sehr groß und teuer eingerichtet. Die Jalousien waren heruntergelassen und nur eine kleine Lampe in einer Ecke des großen Raumes erhellte diesen.

Mittendrin stand ein großer, schwarzer Konzertflügel. Saito-sensei lies sich auf dem Hocker, der davor stand, nieder.

"Dann wollen wir mal anfangen", lächelte er.

Ich nickte.

Die Einsingübungen, die am Anfang jeder Stunde kamen, hörten sich ziemlich dumm an. Doch ich sagte mir immer wieder, dass sie wichtig für die richtige Atmung und den richtigen Stimmsitz waren.

Als ich mit den verschiedensten Übungen die Tonleiter rauf und runter geklettert war, kamen wir dann endlich zu einem Lied.

Es war "Die kleine Nachtmusik" von Mozart. Das Lied passte zwar eher zu einem kleinen Jungen, aber für 16 war ich mit 1,70m nicht gerade sonderlich groß. Außerdem meinte Saito-sensei immer, dass dieses Lied zu meiner noch etwas kindlichen Stimme passen würde.

Mit den höheren Stellen hatte ich sowieso keine Probleme, denn meine Stimme war, oder besser gesagt sollte, die eines Kontertenors* werden.

Zufrieden sah mich Saito-sensei an. Ich freute mich, denn das war das höchste Lob, das man sich von ihm erwarten konnte.

"Komm mal her", bat mich mein Lehrer und ich gehorchte ihm.

Er wies mit seiner Hand auf die Noten eines Stückes, welches auf dem Notenpult lag.

"Kennst du dieses Lied, Ichiro?"

Ich sah etwas genauer hin und überlegte.

"'Mama, wo bist du?'. Der Titel kommt mir bekannt vor", überlegte ich laut.

"Es ist ein Stück aus dem Musical Elisabeth, dass der junge Rudolf singt", erklärte mir der 46-jährige.

"Ja, ich kenne es!"

Wie konnte ich das nur vergessen? Ich kannte dieses Musical in und auswendig. Elisabeth war ein sehr bekanntes Musical aus Europa, das auch hier in Japan aufgeführt wurde. Ich liebte es! Schon oft hatte ich mir in einem CD-Shop Lieder daraus angehört.

"Probier mal", meinte mein Gesangslehrer und ich tat wie mir geheißen.
 

Es war ein trauriges Lied und es gefiel mir schon als ich es das erste Mal gehört hatte. Ich konnte mich so richtig in Rudolf hinein versetzen und als ich es nun endlich singen durfte, liefen mir die Tränen in Sturzbächen herunter.

Das war ein Grund, warum ich das Singen so liebte. Nur hier konnte ich meinen Gefühlen Ausdruck verleihen und das sagen, was ich wollte.

Nachdem ich fertig war, endeten auch meine Tränen.

"Ich denke es ist genug für heute", holte mich Saito-sensei wieder in die Realität zurück.

Er nahm meine Hand und zog mich auf seinen Schoß.

"Vergiss nicht auf die Bezahlung...", lächelte er dreckig und küsste mich mit seinen spröden Lippen.

Gesangsstunden waren sehr teuer und nicht einmal wenn ich nebenher gejobbt hätte, hätte ich sie mir leisten können. Deswegen hatten wir uns vor vier Jahren auf eine andere Art der Bezahlung geeinigt.

Ich bezahlte mit meinem Körper. Für jede halbe Stunde, durfte er einmal mit mir anstellen, was er wollte.

Er begann an meinem Ohrläppchen zu knabbern und wie immer schaltete ich einfach ab.

"Heute will ich dich fisten**." Seine Worte hörte ich nur noch aus weiter Ferne, lies alles einfach über mich ergehen.
 

Erst nachdem alles vorüber war und ich nackt in seinem Bett lag, begann ich langsam wieder etwas um mich herum wahr zu nehmen. Saito-senseis Hände strichen sanft über meine Wangen.

"Du hast Fortschritte gemacht.", sagte er plötzlich.

"Ich meine... auch gesanglich."

Ich horchte auf.

"Ich denke, ich werde dich an einem Wettbewerb teilnehmen lassen. Wenn du ihn gewinnst, hast du die Chance berühmt zu werden. Hast du Interesse?"

Ich setzte mich auf und nickte eifrig. Natürlich hatte ich Interesse!

"Gut", grinste er und zeigte mir seine schiefen, leicht verfärbten Zähne. "Aber das bedeutet natürlich, dass du von jetzt an jeden Tag proben musst."

Erneut grinste er auf seine typisch, dreckige Art und Weiße.

"Natürlich nicht gratis."

Ich brauchte nicht lange zu überlegen und nickte.
 

Auf dem Nachhauseweg spürte ich, wie mir wieder einmal alles wehtat. So sollte es von jetzt an jeden Tag sein.

Doch das störte mich nicht sonderlich. Dieser Wettbewerb war es mir auf alle Fälle wert! Saito-sensei meinte noch, ich sollte die beiden Lieder die wir heute durchgemacht hatten singen und ich war damit einverstanden.

Das war meine Chance. Endlich hatte ich die Möglichkeit, meinen Traum zu erfüllen!
 

*** Fortsetzung folgt ***
 

* Weil meine Betaleserin den Ausdruck nicht kannte will ich ihn hier kurz erläutern. Ein Kontertenor ist eine Stimmlage bei Männern die höher ist als die eines Tenors. Also man kann sagen, die höchste Männerstimme. Ein bekannter Kontertenor ist Freddie Mercury (Sänger von Queen).
 

** fisten ... fist heißt ja bekanntlich Faust... Und da es sich um eine Sexpraktik handelt, könnt ihr euch ja ungefähr ausmahlen was das heißt >-<
 

So... das war's auch schon wieder einmal ^^ Danke für's Lesen!

Ein ganz besonders DANKESCHÖN geht an Sayomi, die kurzerhand als Betaleserin eingesprungen ist ^^

Mein alter Betaleser versinkt derzeit im Stress und es war nicht leicht einen würdigen Ersatz zu finden ^^

Aber ich hab es getan ^.^ Also ein ,Danke' noch mal!

Natürlich würde ich mich über einen Kommentar von euch freuen, damit ich weiß, ob euch gefällt was ich hier schreibe, beziehungsweise es überhaupt jemand liest ^^#
 

Anmerkung: Die hier genannten Musicals, Komponisten und Lieder gehören nicht mir!

(der Rest aber schon ;P)

Der Wettbewerb

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (13)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2005-09-06T05:18:42+00:00 06.09.2005 07:18
Hallo!

Das ist ja...O.O
So ein Prolog....wenn das nicht gut zu dem Wort "heftig" passt, weiß ich auch nicht...O.O
Es war klasse!!!
Sehr eindringlich...und dramatisch. Dass die Hauptperson da noch so jung ist...Daher gefällt mir die stelle mit "Es klingen die Lieder" besonders gut! Das ist schon fast psychologisch, da es zeigt, dass sie es kaum verarbeiten kann...
In Punkto Rechtschreibung und Grammatik war wie immer alles hervorragend und es war toll zu lesen!
Bye

Pitri
Von:  SanKamo
2005-08-16T15:19:30+00:00 16.08.2005 17:19
den größten teil hab ich schon gekannt (*argh* und ich hab dir kein kommi geschrieben? ich unwürdige!!)

meine güte ist dieser lehrer ekelhaft *schüttel*

schreib schnell weiter damits dem kleinen endlich besser geht :D
Von:  uteki-chan
2004-12-25T10:29:44+00:00 25.12.2004 11:29
ich find deine story klasse, aber ichiro tut mir echt leid. zuerst vater und mutter, dann der bruder und er verkauft sih mehr oder minder auch noch...

aber ich bin schon gespannt, wies weitergeht! ^^

kisses,
aqua
Von: abgemeldet
2004-12-05T19:13:42+00:00 05.12.2004 20:13
Hia mein Kommi ^.^

Wai! Deine Story hat sich ganz toll lesen lassen! Du hast nicht unnötig Zeit für irgendwelche Umschweife verwendet (wie ich es von manch anderen kenne) und somit dafür gesorgt, dass es sich ganz locker, leicht hat lesen lassen, sodass es Spaß gemacht hat, das Geschehen mitzuverfolgen (und glaub mir, ich habe schon mal eine Lemonszene gelesen, die sooo langatmig und kompliziert beschrieben war, dass ich des Lesens müde wurde)
Man konnte sich sehr gut in den Ichiro hineinversetzen und somit gut verstehen, wie er sich gefühlt haben musste, als sein Bruder so plötzlich ging ;_;
Wie es wahrscheinlich auch deine Absicht war, habe ich mich über den Musiklehrer aufgeregt. So ein Schwein! =.= Sich an so einem jungen Menschen zu vergreifen ;_;

Zusammenfassend will ich ausdrückend, dass mir die Geschichte sehr gut gefallen hat und auf jeden Fall weiter lesen will um zu erfahren, wie es mit den Brüdern weiter geht!
Schreib also schön fleißig weiter *anfeuerz*
Mia
Von:  Ixtli
2004-09-28T08:36:30+00:00 28.09.2004 10:36
Der Prolog ist wirklich klasse!
Was mir gefiel, war, dass man den Streit der Eltern und das Ende davon aus der Sicht der Kinder erlebt. Man hat persönlich dann Abstand, weiß zwar, was passiert ist, aber dadurch, dass man alles aus der Position des jüngeren Kindes erlebt, fühlt man eher mit ihm - und er verdrängt, versteht wahrscheinlich nicht richtig, was da in seiner Familie passierte. Erst einmal.
Die letzten Sätze heben das wieder auf.
Jetzt bekommt man noch einmal gesagt, was ja schon im ersten Drittel des Prologs klar war, aber die Wortwahl ist anders, man wird als Leser persönlich angesprochen. Ganz klar, ohne irgendwelche Beschönigungen.
Eine wahnsinnig intensive Wirkung!


Und das Tolle ist, es geht genau so gut weiter, wie man vom Prolog her hoffen durfte. ^^
Die Charaktere sind bis hier hin schon super ausgearbeitet, dein Schreibstil reißt mit, aber immer zur Stimmung passend. Mal langsamer, mal schneller.

Schön, wie du kleine Angewohnheiten der Charas einfließen lässt. Z.B. dass sich Ichiro mit dem Rücken zu den anderen Leuten hinsetzt. Vollkommen glaubhaft für ein Kind/einen Jugendlichen mit seiner Vorgeschichte.
Jemandem den Rücken zuzudrehen, bedeutet zwar, dass man ein gewisses Maß an Vertrauen haben muss, um sich so zu geben, aber auch, dass Ichiro (sich) scheinbar schon so weit aufgegeben hat, dass es ihm egal ist, was hinter seinem Rücken geschieht.

Ich bin mal gespannt, ob sich die ganzen sprichwörtlichen "Wände", die Ichiros Blick einschränken, noch einreißen lassen.


Grüße,
Nadine ^^
Von: abgemeldet
2004-08-17T06:50:00+00:00 17.08.2004 08:50
Hallo!

Da bin ich!! ^^
Etwas schneller als gedacht! *freu*
Ich hab einfach mal in das aktuellste von dir rein geschaut...
Ich finds ganz toll!!!
Beide kapitel!!!
*dollnick*
Dein Stil gefällt mir wirklich sehr! Die Charaktere sind klasse, genau wie die Storyline!
Und keine Fehler...*bewunder*

Ciao

Pitri
Von:  Bakanishi-pi
2004-08-15T19:07:10+00:00 15.08.2004 21:07
Hoi!
*John_Doe anlins* Des passt schon so...
Supaaa Ryryyyy, gaile Story und voll gut geschrieben! *Daumen hooooch* ^.-
*knuffääääl*
Dat Kao-chan (warumono desu XD)
Von:  morphing
2004-08-15T08:35:01+00:00 15.08.2004 10:35
^^ ich hör gerade auch elisabeth^^
das gesangslehrer ist ja eklig!!
ich würde das nicht machen!!
armer kleiner ichiro!!
er tut mir voll leid!!

cu Morgi-sama
p.s.; ich find die geschichte voll cool!!^^
Von:  John_Doe
2004-07-23T12:42:13+00:00 23.07.2004 14:42
Hej, was muss ich da lesen, Kaoru?!
die Schizo-Story wäre bestimmt endgeil gewesen, aber jez hast ja alles schon veraten...
naja, warscheinlich hätt's eh nie eine gegeben... ;-(
an dieser Stelle eine kleine versteckte Andeutung..

dewa, matane
Von: abgemeldet
2004-06-16T19:11:59+00:00 16.06.2004 21:11
Hier das versprochene Kommi von mir... XD"
Also i mag den Prolog au!^^ Ich find der is voll gut, hoff die Kapsis folgen schnell!^^


Zurück