A Vampire's Kiss von Cowardly_Lion ================================================================================ Kapitel 5: Von Schwertern, ihren Besitzern und den dazugehörigen Vögeln ----------------------------------------------------------------------- Nach einem entspannenden Bad und acht Stunden Schlaf in einem weichen Bett fühlte Kai sich wieder halbwegs wie ein Mensch. Den Rest der letzten Nacht (zumindest in den fünf Minuten, ehe er eingeschlafen war) hatte er nicht mehr großartig über seine Begegnung mit dem Vampir nachdenken müssen, und so war der Jäger durchaus positiv gestimmt. Er würde die Untotenplage dieser Stadt vernichten und damit den Traditionen der Familie Hiwatari Ehre erweisen! Aber zunächst musste er etwas essen, wie ihm das Knurren seines Magens nahe legte. Kaum war Kai im Schankraum der Gaststätte angekommen, da kam auch schon der freundlich lächelnde – und dadurch ziemlich nervig wirkende – Page vom Vortag auf ihn zu: „Guten Mittag, ich hoffe, Sie haben gut geschlafen! Kann ich irgendetwas tun, um Ihr Wohlbefinden zu steigern?“ „Ja, du könntest zur Abwechslung mal die Klappe halten!“, der verletzte Ausdruck in Max’ Augen verriet Kai, dass er das eben wohl laut gesagt hatte. Für einen Augenblick sah es so aus, als wolle der Blondhaarige losheulen, doch schon Sekunden später hatte sich seine Mimik wieder auf die für ihn übliche Strahleoptik eingestellt: „Und sonst? Kann ich noch etwas für Sie tun?“ Am liebsten hätte Kai laut aufgeschrieen. Wie er solche Leute doch hasste! Kamen grundsätzlich eine halbe Stunde zu früh und taten nach außen immer fröhlich und nett, nur um im Inneren Rachepläne gegen die Leute zu schmieden, deren Spott sie Tag für Tag stoisch lächelnd ertrugen. Das war doch einfach nur scheinheilig! Wenn irgendjemand es wagte Kai zu nerven, hatte derjenige meistens kurz darauf eine Faust in der Fresse. Das war viel ehrlicher! Statt seine übliche Maxime an Max anzuwenden, taxierte der Vampirjäger den Pagen nur kalt und fragte dann: „Wo kann ich hier einen Schmied finden? Während der Reise wurde mir mein Schwert gestohlen.“ Zuzugeben, dass er es schlicht und einfach zuhause hatte liegen lassen, wäre selbst ihm peinlich gewesen. „Oh, da habt Ihr aber Glück! Mein Vater ist der Schmied in unserer Stadt!“ Gedanklich schlug sich Kai die Hand vor den Kopf. Na toll, der einzige, der ihm helfen konnte, musste auch ausgerechnet der Vater dieses Smilies sein! Im Geiste sah der Blauhaarige sich schon ein Schwert schwingen, das statt einer Klinge ein Schaumstoffpolster besaß, damit auch ja niemand verletzt wurde… „So, da wären wir!“, fröhlich grinsend blieb Max vor einem kleinen Laden stehen. Besorgt stellte Kai fest, dass der nicht unbedingt wie eine typische Schmiede aussah; viel mehr befanden sie sich vor einem kleinen Tante Emma–Laden. „Wo soll hier bitteschön eine Schmiede sein!?“ Erstaunt sah Max ihn an: „Wir stehen davor!?! Im Hof steht der Amboss, und hier im Laden verkaufen mein Vater und sein Lehrling die von ihm hergestellten Waffen!“ Tja, typisch Kleinstadt; warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Im Laden stand ein Junge mit blau-schwarzen Haaren hinter der Theke und war gerade damit beschäftigt, die zahlreichen Glasvitrinen voller Waffen zu entstauben. Dumm nur, dass er diese mit den Krümeln des Sandwichs, welches er nebenbei in sich hineinscherbelte, wieder dreckig machte… „Hallo Tyson!“, offensichtlich kannte Max diese Landplage näher. Schnell drehte sich Angesprochener herum und verteilte die Hälfte des Sandwichbelages im Raum: „Hi Max. Dein Vater beschlägt gerade Bürgermeister Dickensons Pferde.“ In Gedanken beglückwünschte¹ Kai sich; Blondies Vater war also nicht nur Waffen-, sondern auch Hufschmied. Schien so, als hätte er einen richtigen Alleskönner erwischt. Während Max nun in den Hof eilte, um seinen Vater zu begrüßen, blieb der gefrustete Vampirjäger allein mit Tyson zurück. Der erwies sich bei genauerem Kennenlernen als ebenso nervig wie er breit war²: „Na~~, kann ich Ihnen eines unserer Exponate näher vorstellen?“ „Nein danke, ich finde mich schon allein zurecht.“, genervt verdrehte Kai die Augen. Konnte dieser Idiot ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Offensichtlich nicht, denn der Schmiedelehrling machte ungerührt weiter: „Wirklich nicht? Wir haben ein paar sehr gute Stücke zum Verkauf!“ Langsam riss Kai der Geduldsfaden. Deswegen bemühte er sich in betont ruhiger Art, Tyson seinen Standpunkt zu verdeutlichen: „Hör zu, Nervensäge: ICH BRAUCHE DEINE HILFE NICHT!!! Ich zweifle ohnehin daran, dass du irgendeine Ahnung von Waffen hast. Nein, eigentlich zweifle ich daran, dass du überhaupt von irgendetwas außer dem Verschlingen von Dingen eine Ahnung hast. Und ehrlich gesagt frage ich mich sowieso, wer so blöd wäre, dir etwas abzukaufen!“ „Unter anderem Tysons Großvater, der Hauptmann der Stadtwache.“, erklang hinter ihnen eine Männerstimme. Als Kai herumfuhr, befand er sich Auge in Auge mit einem Mann mit rotbraunen Haaren. „Mein Sohn hat mir schon erzählt, dass Sie ein Schwert benötigen. Was genau suchen Sie denn?“ Mit seinem plötzlichen Auftauchen hatte Max’ Vater ihn erschreckt, auch wenn Kai keineswegs bereit war, das zuzugeben. Stattdessen meinte er nur kalt: „Ein Langschwert, am besten aus Silber. Führen Sie so etwas?“ Schweigend holte der Schmied eine Auswahl von in Frage kommenden Schwertern hervor. Von denen schien keines wirklich geeignet für das, was der Vampirjäger mit ihm… Doch Halt, was war das für ein Prachtstück? Wie durch Magie wurde Kais Blick von diesem Schwert angezogen. Es war kunstvoll gearbeitet, in den Schwertgriff war ein Vogel mit einem Rubin als Auge eingraviert. „Was ist das für eine Klinge?“, mehr unbewusst sprach er seine Frage laut aus. „Das? Oh, das ist eine Neuerwerbung meinerseits; wenn Leute aus der Umgebung sterben, kaufe ich bisweilen Dinge aus ihrem Nachlass. Dieses Schwert war so ein Glücksgriff! Wunderbar ausgewogen, allerdings leider nicht aus Sil…“ „Ich nehme es!“, entschlossen presste Kai die Klinge samt Scheide an sich und eilte sich, seine Neuerwerbung zu bezahlen. Auf dem Rückweg in die Gaststätte starrte Max ihn die ganze Zeit über so komisch von der Seite an. Schließlich waren selbst Kais Nerven aus Stahl überstrapaziert und so blieb er ruckartig stehen: „WAS?!“ Schlagartig lief Max rot an: „Nichts! Ich… Ich habe mich nur gerade gefragt, weshalb Sie ausgerechnet dieses Schwert gekauft haben…“ „Darauf erwartest du doch nicht wirklich eine Antwort, oder!? „Äh… Doch?!“ Schicksalsergeben seufzte Kai; wahrscheinlich würde der Blonde ja sowieso keine Ruhe geben, bis er nicht den Grund kannte: „Okay, hör zu, ich sag’s nämlich nur einmal! Es gibt drei Gründe: 1. Ich brauchte ein Schwert, 2. Das schien das Beste zu sein, was an Waffen im Laden herumlag.“ „Und drittens?“ „3. Wehe, du lachst – Der Vogel auf dem Schwertgriff erinnert mich an einen Kanarienvogel, den wir mal hatten.“ Eine Weile sah Max ihn perplex an. Dann brach er in schallendes Gelächter aus. Mit einem leicht bedepperten Gesichtsausdruck beobachtete der Jäger ihn dabei: „Ich hab doch gesagt, du sollst nicht lachen!!!“ Immernoch leise kichernd wischte der Hotelpage sich eine Träne aus dem Augenwinkel; „Tut mir leid, aber dass Sie… Dass du den Vogel mit einem Kanarie vergleichst, ist einfach zu köstlich. Das da auf deinem Schwert ist nämlich kein Wellensittich, sondern ein Phönix!“ Ein Phönix… Ein Wesen aus den Legenden, welches sich selbst zu Asche verbrannte, um aus dieser aufzuerstehen… Das war für einen Untotenjäger eine ziemlich makabere Waffe… „Erde an Hiwatari! Jetzt hör schon auf, das Schwert so anzustarren! Du benimmst dich ja fast so seltsam wie der andere Pensionsgast!“ „Ein anderer Gast?“ „Ja, kam letzte Nacht an, ein paar Stunden nach dir. Ein Asiate… Eigentlich ganz nett, aber auch ein wenig seltsam. Warum willst du das wissen?“ Ohne Max eine Antwort zu geben, rannte Kai los. Er musste sich Gewissheit verschaffen… ¹ Zeit zum Nasenbluten: Auf dem Blatt mit dem Originalskript habe ich anstatt „beglückwünschte“ aus Versehen „beglückte“ geschrieben; Kai muss verdammt gelenkig sein… ² Das war jetzt irgendwie zweideutig ^.~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)