Words sometimes just don't come easy von Deloran ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Ich bitte diejenigen, die auf diese Fortsetzung gewartet haben, diese lange Wartezeit zu entschuldigen. In guter Absicht hatte ich dieses Kapitel schon ungefähr vor einem Jahr fertig gestellt und ungefähr ¾ des nächsten Kapitels... Aber da ich ziemlich im Stress war, und zugegeben auch sehr vergesslich bin, fand ich diese paar Seiten erst wieder, als ich den Computer entrümpeln wollte. Damit nicht noch mehr Zeit verloren geht, lade ich dieses Kapitel so hoch, wie ich es damals geschrieben habe – ansonsten dauert es wieder ein oder zwei Jahre... So entschuldige ich mich noch einmal und wünsche viel Spaß! ____________________________________________________________ Happosai verengte die Augen zu Schlitzen. Voll Verwunderung verfolgte Akane den Wandel in der Körperhaltung des kleinen Zwerges. Hatten vor wenigen Momenten noch seine Arme infolge instinktiver Anspannung der oberen Rückenmuskulatur angriffslustig nach vorne gereckt gewirkt, so blitzte nun Erkennen in seinen Augen auf und er setzte zum Sprung an. Ranma hingegen wirkte wie die Ruhe in Person. Er wusste, was kommen musste. Er konnte es fühlen. Ein Beben durchzitterte die Wände, als sich Happosai mit gellendem Schrei und... einem Eimer kalten Wassers auf Ranma stürzte. Ranma wusste, was passieren würde. Und doch wehrte er weder den Angriff mit kaltem Wasser noch den fliegenden Perversen ab. Innerhalb von Sekundenbruchteilen weiteten sich die Augen aller Anwesenden – minus Happosai, der sich glücklich an der Brust des triefend nassen Ranma rieb. Happosai hielt abrupt inne. Irgendetwas stimmte nicht. Seit wann war seine süße Ranma-chan so... flach? Mit großen, unschuldigen Augen blickte er nach oben, direkt in das kalt lächelnde Gesicht des durchaus männlichen Ranma. Verwirrung hielt ihn nicht lange beschäftigt, da Schmerz und mangelnde Luftzufuhr seine Sinne vernebelten. Kaum eine Regung der Muskeln des Körpers unter seinen grabschenden Händen hatte er wahrgenommen, bevor sein eigener, kleiner Körper wie eine wehrlose Puppe in die Bodendielen gerammt und sein Hals von einer unbarmherzigen Hand mitleidloser Härte und Gnadenlosigkeit zermalmt und zerquetscht zu werden drohte. Die Familie Tendo unterdessen hatte nur winzige Fragmente des Geschehens mitverfolgen können. Im einen Moment noch sahen sie Happosai auf den Rückkehrer zustürzen, im nächsten hörten sie Holz bersten. Stille, bis auf das Würgen des zu Boden gegangenen Meisters hüllte die Anwesenden in eine Starre der Unbeweglichkeit. „Ranma...?“ Happosai spürte, wie der gezielte Druck auf seiner Luftröhre leicht nachließ und sah mit einem Auge, jenem, welches er nicht schmerzverzerrt zugekniffen hatte, nach oben in das Gesicht seines ehemaligen Schülers. Schwarze Punkte tanzten in seiner Sicht, doch was er sah, flößte ihm ein beträchtliches Maß an Furcht ein. Er, Happosai, der Großmeister, hatte schon lange nicht mehr so etwas wie Furcht oder Angst empfunden. In den letzten hundert Jahren war so etwas maximal dreimal vorgekommen. Und immer war er als Sieger aus der Konfrontation hervorgegangen. Es war immer so eine Art Spiel gewesen – ohne je ein großes Risiko der Niederlage. Die blauen Augen, welche ausdruckslos auf das Gesicht desjenigen gerichtet waren, der seinen Namen ausgesprochen hatte, richteten ihren stechenden Blick auf seinen eigenen. Dieses Mal jedoch war er sich nicht so sicher, ob er das Spiel gewinnen würde. Noch einmal hörte er, wie der Name seines Angreifers gerufen wurde, diesmal mit Nachdruck – und doch gelang es ihm wieder nicht, die Stimme zuzuordnen. Das Pochen in seinen Ohren wurde immer lauter und lauter, seine Sicht immer dunkler. Verzweifelt – wann hatte er das letzte Mal Verzweiflung empfunden? - bemerkte er, wie sein Griff immer schwächer um das zu Glühen scheinende Handgelenk des Gegners wurde. Das letzte, was er sah, bevor er vollends in die erlösende Bewusstlosigkeit sank, waren Ranmas Augen, welche sich langsam wieder zu weiten begannen, nachdem die Pupillen sich schlagartig starr verengt hatten. Unbehagen erfüllte diejenigen, welche die nächtliche Szene verfolgt hatten und weder ohnmächtig, noch im Begriff sich wieder an den Tisch zu setzen waren. Eine einzige Frage geisterte allen durch den Kopf – was war gerade passiert? Reglos lag die kleine Nervensäge in einem Haufen gesplitterten Holzes, welches von der Wucht des Aufpralls geborsten war. Unnatürliche Blässe zeigte sich auf seiner pergamentartigen Haut, und zum ersten Male in der Geschichte der langjährigen und unheilvollen Bekanntschaft mit seinem Meister konnte Soun Tendo sehen, wie alt das widerwärtige Ekel wirklich war. Und zum ersten Mal hatte er sehen können, wie jemand den Schrecken einer jeden Dessousabteilung innerhalb weniger Sekunden Schach-Matt setzen konnte. Ob man es nun mit Telepathie oder temporär elektro-magnetisch überladenen Feldern, in denen Elektronen unter Einfluss von Lorenzkräften und akutem Aktivitätsenthusiasmus den Elementarteilchenboogie im Streetstyle vollführen und dank des auftretenden Drehwurms die Upquarks des nächstgelegenen Protons vollreiern, erklären wollte – nach einem schnellen, kurzen Blickwechsel waren sich Soun und Genma einig: Genma kramte ein Postpaket hervor, Soun schnappte sich eine Tüte 5-Minuten-schnell-trocken-Zement. Nach einigen Minuten emsigen Treibens lag Happy zementiert und so für die „Ewigkeit“ präpariert abreisefertig in einem Postpaket verschnürt. Akane war sprachlos, während Nabiki amüsiert den Aktionen der beiden älteren Männer zusah. Beide wirkten mit einem Schlag so unbeschwert, so sorglos – und um 20 Jahre jünger! Es war wirklich unfassbar. Mit weit offenen Augen blickte Akane erst zu ihrem Vater und dem Teilzeitpanda, dann zu ihrem Verlobten, welcher in aller Gemütsruhe mit geschlossenen Augen und gesammeltem, konzentriertem Gesichtsausdruck den mittlerweile etwas abgekühlten Tee trank. Was. War. Da. Gerade. Passiert?! Erging es nur ihr so, oder konnte man die eben abgelaufenen Ereignisse nicht als normal bezeichnen? Warum nur störte es lediglich sie, dass Ranma, nun... Nach all der langen Zeit kehrte er zurück, anscheinend bis zu bisher unauslotbaren Tiefen verändert, erwürgte fast den alten Greis und trank nun einfach seinen Tee? Hatten denn ihre Väter nichts besseres zu tun, als ihren alten Meister los zu werden? Nun, das wohl nicht, aber... Fragte sich denn keiner, warum aus Ranma kein Mädchen geworden war? Nachdem Nabiki sich dazu bereit erklärt hatte, Happosai mit zum nächsten Briefkasten mitzunehmen, erklärte Soun die Teerunde für aufgelöst. Schließlich sei es sehr früh am Morgen, und sie alle müssten schon bald wieder aus den Federn. Nabiki hatte sich laut denkend dazu entschlossen, ihren morgendlichen Dauerlauf ein wenig früher zu tätigen, da sie ohnehin schon wach sei und wohl nicht mehr einschlafen könne, was alle Anwesenden an die frühe Morgenstunde erinnerte, zu der sie sich um den Esstisch gesammelt hatten. Höflich nahm Ranma das gastfreundliche Angebot an, im Hause Tendo zu übernachten – ihm blieb kaum eine andere Wahl bei so viel Gastfreundlichkeit. Jedoch folgte er nicht Soun, seinem Vater und Akane die Treppe hinauf. Akane wunderte dieses Verhalten, doch stellte sie keine Fragen. Zu aufgewühlt war sie noch von den vorherigen Ereignissen. Wie konnte das sein? Warum hatte Ranma sich nicht verwandelt? Und warum war er so eigenartig? Und so stark...? Sie spürte, wie sich ihre Wangen erwärmten. Er sah gut aus... Sein leicht muskulöser Körperbau verriet jedoch nicht im Ansatz, wie stark er tatsächlich war. So etwas hatte sie noch nie gesehen! Er hatte Happosai einfach abgewehrt, als wäre dieser eine lästige Fliege! Sicherlich hätte das noch nicht einmal Cologne fertig gebracht. Das war einfach nur erstaunlich! Weitere Gedanken konnte und wollte sie sich jedoch nicht machen – sie war zu übermüdet, um klare Gedanken fassen zu können. Ihre müden, schweren Glieder sanken in ihr weiches Bett, und so gab sie sich nur allzu willig den wohligen, schwarzen Tiefen des Schlafes hin. Lange konnte sie ihren Schlaf jedoch nicht genießen. Ein Geräusch weckte sie und ließ sie kerzengerade im Bett auffahren. Was war das nur? Atemlos lauschte sie in die Dunkelheit. Da war doch ein Geräusch gewesen! Oder hatte sie sich geirrt? Sie spürte, wie ihr Herz heftig schlagend gegen ihren Brustkorb drängte, zitternd wie ein verängstigter Vogel der hinfort fliehen mochte. Erschöpft sank sie in ihre Kissen zurück. Vielleicht hatte sie nur schlecht geträumt und war deswegen aufgewa- Halt! Da war es wieder! Dieses Geräusch! Da bewegte sich jemand im unteren Geschoss! Die Erkenntnis sickerte siedend heiß in ihr nun schlagartig waches Bewusstsein: Einbrecher! Kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn, als sie mit zitternder Hand nach dem Baseballschläger unter ihrem Bett griff und sich ärgerlich bewusst wurde, wie lange es her war, dass sie das letzte Mal ordentlich trainiert hatte. Nun musste sie einfach hoffen, dass ein paar harte Schläge mit dem Baseballschläger genügten... Leise schlich sie die Treppe hinunter und lauschte, am Fuß der Treppe angekommen, wo sich die kriminelle Geräuschquelle wohl befand. Ein Schauer breitete sich über ihren Rücken aus, und sie war hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, einfach die Polizei zu rufen und dem Bedürfnis, ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Nachdem Ranma sie so schmählich vernachlässigt hatte, brauchte sie einfach jemanden, auf den sie munter einschlagen konnte. Da! In Richtung des Dojo... Je näher sie dem Halunken kam, desto verwunderter wurde sie. Was waren das für seltsame, schleifende Geräusche? So hörte es sich doch nicht an, wenn ein Dieb in Wertsachen herumwühlte! Und seit wann benutzten Einbrecher bei ihrer Arbeit Licht? Als sie in den Flur zum Dojo einbiegen wollte, fiel heller Lampenschein auf sie, der sie für einen kurzen Moment blendete. „Ich wusste nicht, dass eure Gastfreundschaft Baseballschläger beinhaltet.“ Sie blinzelte. Und in eben diesem Moment erkannte sie, dass dort nicht ein Einbrecher auf dem Boden kniete, und mit Hingabe die Dielen schrubbte. Akane war so verwirrt, dass sie noch nicht einmal Gelegenheit fand, in schüchterne Nervosität zu verfallen. „Ranma? Was machst du da?“ Ein Blick seinerseits von unten herab, der dennoch herablassend wirkte, machte ihr klar, wie unnötig diese Frage war. „Ähm, ich meine... Das brauchst du doch nicht zu tun! Möchtest du dich nicht hinlegen? Du hast doch bestimmt eine lange Reise hinter dir... Oder konntest du nicht einschlafen? Soll ich dir einen Tee machen?“ Er schwieg noch immer. Nun breitete sich doch in ihr diese Nervosität des prickelnden Gefühls im Bauch und der leicht schwitzigen Hände aus. Was faselte sie denn da nur?! Obwohl sie wusste, wie sehr sie sich zum Narren machte, schien es doch, als könne sie nicht zu plappern aufhören. Einerseits war dort diese unglaubliche Erleichterung, nicht einem möglicherweise bewaffneten Verbrecher begegnet zu sein - andererseits wurde sie sich immer mehr dessen bewusst, dass sie in ihrem Lieblingsschlafanzug, der mit den niedlichen, gelben kleinen Entchen, vor ihrem lang vermissten Verlobten stand und brabbelte, als gäbe es kein Morgen mehr. Was machte sie nur da?! „Wir haben im Moment nicht mehr so viele Teesorten, seitdem Kasumi ausgezogen ist... Hat dir Paps schon erzählt, dass Kasumis Krankengymnast Teeexperte ist? Zu dem muss sie immer wegen ihrer Wirbelsäule...“ Warum tat er so, als wäre sie nicht anwesend?! Scheinbar geistesabwesend ließ er sanft, hingebungsvoll die weiche Bürste über das Holz gleiten und ignorierte sie. „Nun, wie gesagt ich kann dir einen Tee machen. Wenn du aber lieber heiße Milch magst... Ich kenne das, wenn man nicht einschlafen kann, weil man in einem fremden Haus ist. Naja, du bist ja eigentlich hier nicht so fremd, auch wenn sich hier viel geändert hast, seit du weggegangen bist, also...“ Langsam aber sicher verabschiedete sich ihre Geduld. Wie lange war es wohl her, dass sie diese unkontrollierbare Wut in sich aufsteigen fühlte? 5 Jahre. Warum gelang es Ranma nur immer, sie aus der Fassung zu bringen? 5 lange Jahre hatte sie hart an sich gearbeitet, hatte das autogene Training gemeistert und glaubte, eine außergewöhnlich gute Selbstkontrolle zu besitzen. Nun jedoch, nach nur wenigen Minuten des Gespräches – konnte man diese einseitige Unterhaltung denn wirklich als Gespräch bezeichnen? Monolog wäre wohl treffender! - , fühlte sie sich wieder wie vor 5 Jahren: Von ihrem Gegenüber zeitlich ins Grundschulalter zurückversetzt. Selbst ohne ein einziges Wort ärgerte sie! Wie hatte sie nur Lust, wieder wie ein Kleinkind zu brüllen, um sich zu schlagen und nachher zu heulen! Aber nein! Das konnte sie sich nicht erlauben. Waren die ganzen Jahre umsonst gewesen? Nein! Sie würde ihm beweisen, dass sie nicht das dumme, fette Machoweib war! Sie würde sich wie eine reife, wohlerzogene junge Frau verhalten. Nun konnte sie ihm endlich zeigen, dass sie seiner als Verlobte würdig war! Weshalb sonst hatte er sie damals verlassen? Nichts hatte er gesagt, aber sie glaubte, den Grund seiner Abreise zu kennen. Sich an ihre Übungen erinnernd atmete sie einmal kontrolliert ein und langsam wieder aus und zwang sich zur Ruhe, obwohl widerstrebende Emotionen sich in ihr stritten. Auf der einen Seite wollte sie ihn einfach nur umarmen und sagen, wie sehr sie ihn vermisst hatte, auf der anderen Seite sehnte sie sich nach einem der alten, hitzigen Wortgefechte. Doch egal, welchem der beiden Zwänge sie erliegen würde – sie würde auf diese Art keine Antworten auf ihre Fragen bekommen. Und sie brauchte Antworten. Zu sehr hatten sie die Szenen aus dem Wohnzimmer einige Stunden zuvor verunsichert und verwirrt. Etwas in ihm hatte sich verändert – und Akane wusste nicht so recht, ob sie diese Veränderung begrüßen sollte. Natürlich hatte sich vieles geändert – vom Äußeren her wirkte er erwachsener und sein Zopf hatte mittlerweile eine beachtliche Länge erreicht. Aber auch sein Charakter musste sich gewandelt haben. Immer in dem Glauben, ihren Ranma immer und überall zu erkennen, wenn sie ihn sah, war Akane sehr verwirrt und zugegeben, auch verängstigt. War das dort, derjenige, der schweigend mit einer weichen Bürste und einem Eimer kaltem Wasser die Dielen des Ganges, der zum Dojo führte, gewissenhaft schrubbte, ihr Ranma? Der Ranma, mit dem sie gestritten, aber auch gelacht hatte? Sie konnte es nicht sagen. Seine Augen waren die gleichen, die Farbe hatte sich nicht geändert - aber jetzt wirkten sie verschlossen und glänzten kalt mit einem gefährlichen Feuer bösartiger Intelligenz. Vielleicht bildete sie sich auch nur irgendwelche Hirngespinste ein... Jedoch war ihre Freude über das Wiedersehen mit ihm getrübt. Wie schön hatte sie sich all das ausgemalt! Zugegeben... wahrscheinlich sehr kitschig und mädchenhaft, aber... Was nützte es, Tatsachen zu leugnen? Sie hatte ihn schrecklich vermisst. Doch er war so anders... „Habe ich es jetzt geschafft? Hältst du nun endlich deinen Mund? Sehr gut.“ Zorn türmte sich wie Gewitterwolken in ihr auf, aber sie würde sich nicht provozieren lassen, sie würde...! Jedoch sah es noch nicht mal so aus, als wollte er sie provozieren. Er hatte es nicht darauf abgesehen, sie wütend zu machen – es war lediglich eine gleichgültige Feststellung gewesen, die ihr Temperament so gefährlich reizte. Vielleicht hatte sich Ranma ja tatsächlich geändert, so wie sie sich geändert hatte? Vielleicht würde er sie jetzt nicht mehr beleidigen und reizen? Vielleicht könnten sie nun endlich wie Erwachsene miteinander reden? Sie würde ihm zeigen, dass sie sich verändert hatte! Sie würde nicht gereizt oder aggressiv reagieren und ihm beweisen, dass sie nicht mehr der kindische Hitzkopf war, den er bisher gekannt hatte! So stellte sie sich vor ihn und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. „Nein, noch nicht! Nach so langer Zeit sehen wir uns zum ersten Mal wieder, und ich soll still sein? Nie!“ Sie lachte leicht und wartete hoffnungsvoll seine Reaktion ab. Diese fiel spartanisch aus: Flüchtig sah er von seiner Arbeit auf und musterte sie kurz. Gelangweilt, ohne sonderliches Interesse. Schweigen. „Sag mal, Ranma... Wie bist du deinen Fluch eigentlich los geworden? So weit ich weiß, ist doch...“ Sein Gesichtsausdruck verunsicherte sie und lenkte sie kurzfristig ab. Was bedeutete dieses Lächeln? „d-die Quelle des ertrunkenen Mannes ausgetrocknet... oder?“ Für einen Moment sah er sie nur mit einem Ausdruck an, den wohl eine Katze auf dem Gesicht tragen musste, wusste sie eine Maus in der Falle. Akane wollte es nicht zugeben... Aber sie empfand ein Gefühl der Furcht, wenn sie ihn so ansah. Seine Augen funkelten mit dunklem, bösartigem Vergnügen, als er lautlos aufstand und sie von oben herab musterte. „Vermisst du sie, Akane? Vermisst du die Kleine?“ Verwirrt zog die Dunkelhaarige ihre Augenbrauen leicht zusammen und wich unbewusst einen kleinen Schritt zurück, sodass ihr Rücken gegen die kühle Holzwand stieß. „Wie...?“ Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Die Kämpferin in ihr befahl ihr, schnellstmöglich auf irgendeine Art und Weise auszuweichen, da sie einen Angriff erwartete. Doch was für ein Angriff mochte das sein? Am liebsten wäre sie fortgelaufen, aber seine Augen hielten sie gebannt. Was sie in ihnen erkannte, ließ sie schaudern. Das Verlangen, Schmerz zu sehen und selbst zu empfinden. „Ja, du vermisst sie. Warst wohl ziemlich enttäuscht, als du sie nicht gesehen hast, nicht wahr?“ Er schob lässig den Eimer mit kaltem Wasser mit seinem linken Fuß in ihre Richtung und trat einen Schritt auf sie zu. Gerne wäre sie noch weiter zurückgewichen, aber die Wand verhinderte dies. „I-i-ich war nur neugierig.“ Aus seiner Kehle entwandt sich leises Hohngelächter, welches, in Verbindung mit seiner wachsenden, körperlichen Nähe, eine unausgesprochene Drohung implizierte. Was war nur mit ihm los? Sein Lachen brach scharf ab, er stützte sich mit dem linken Arm an der Wand, direkt oberhalb ihrer Schulter, ab und beugte sich soweit vor, dass sein Gesicht direkt vor dem ihren verharrte. Wie oft hatte Akane sich eine solche Situation früher gewünscht, herbeigesehnt! – nun jedoch empfand sie nichts weiter als Unwohlsein. „Neugierig, mein Kätzchen? Curiosity killed the cat…” Er wandte sein Gesicht ab und flüsterte ihr ins Ohr, sodass sie seinen heißen Atem über ihre empfindliche Ohrmuschel streichen fühlen konnte. „Willst du sie sehen?“ Er lehnte sich wieder zurück und fixierte sie mit seinen Augen, während er langsam nach dem Eimer mit kaltem Wasser griff. Fasziniert verfolgten ihre Augen, wie er den Eimer hob und das kalte Wasser über seinem Kopf entleerte. Schwarzes Haar färbte sich feuerrot und schon im nächsten Augenblick stand eine sinnliche, junge Frau vor ihr. Akanes Augen weiteten sich – wie war das nur möglich? Zeit, um die sich in ihrem Kopf überschlagenden Gedanken zu vollenden und in ein logisches Schema einzuordnen, wurde ihr nicht gelassen, denn eine weibliche, verführerisch dunkle und raue Stimme rief sie in die Gegenwart aus den Sphären ihrer Überlegungen zurück. „Hab keine Angst vor deinen Gefühlen, meine Kleine...“ Katzengleich trat die exotische Schönheit einen kleinen, spielerischen Schritt näher. Unbewusst nahm Akane wahr, wie sich die anmutig geschwungenen Hüften bewegten, wie sich der dünne Hemdstoff über den unübersehbaren Kurven der jungen Frau vor ihr spannte und der perfekten Schöpfung Gottes Lob pries. Faszination stürzte sie in eine berauschende Trance – jeder Gedanke wich aus ihrem Kopf. Diese blauen Augen... Ranma, wie sehr hatte sie ihn vermisst! Wie sehr hatte sie sich nach seiner Aufmerksamkeit gesehnt, nach Anerkennung, nach Wertschätzung! Und nun... So sehr war sie von dem Verlangen erfüllt, ihre lang gehegten Wünsche endlich erfüllt zu sehen, dass sie nicht sah, wie der grausame Zug um die vollen Lippen der Rothaarigen zu einem schiefen Grinsen des Hohns wurde. Nicht wissend, welche emotionale Strömung in ihm stärker war, ließ er sich treiben. Einerseits wollte er lachen – wie einfach das alles doch war... Wie einfach die Menschen doch waren, wie leicht zu manipulieren! Anderseits wollte er in purer Verzweiflung schreien. War denn niemand in der Lage, durch all das getönte Glas, welches seine klammen Hände wie eine Maske vor sein Gesicht hielten, hindurchzusehen? Konnte niemand seine dunklen Motive im durchtriebenen Spiel erkennen? Er war es Leid, ständig der ewige Gewinner zu sein. Jemand musste ihn endlich besiegen und erlösen! Jemand musste dem Ganzen ein Ende bereiten! Bis dahin... würde er weiterhin seinem ausgewachsenen Masochismus frönen. Früher hätte er es nicht geglaubt – aber er hatte mit der Zeit Gefallen am eigenen Leid gefunden, an dem Schmerz, der sich quälend langsam in ihm ausbreitete. Was blieb ihm anderes übrig? Ein Mensch braucht stets einen Gegenspieler – und wenn jedes andere Lebewesen sich von seiner perfekten Täuschung irre führen ließ, musste er die Aufgabe nun einmal selbst übernehmen. Wie also konnte er sich am meisten quälen? Indem er das tun würde, was er später am meisten bereuen würde. Er hatte sich geschworen, sich von ihr fern zu halten – und doch... Nun fühlte er es wieder. In seinem Innern wand es sich, begierig darauf, ihn ins Unglück zu stürzen. Freudig begrüßte er dieses Gefühl und ließ sich, frohlockend, glücklich, endlich die Welt der Realität dem Ungeheuer in sich überlassen zu können, in die samtene Schwärze der emotionalen Ohnmacht gleiten. Das Spiel konnte beginnen. Zäh floss die Zeit in trägen Strömen um sie beide herum und wurde im Takt seines langsamen, dennoch kräftigen Pulses, welcher vom Bereich seines Unterbauches ausging, gehalten. Jede ihrer Reaktionen wie der hauchdünne Schweißfilm auf ihrer Stirn, der fiebrige Glanz ihrer Augen und ihr Hunger nach seiner vollen Aufmerksamkeit wurde ihm mit einer solchen Schärfe gewahr, das sie ihn erregte. Sie wollte seine Nähe, sie wollte das Gefühl, dass all seine Gedanken bei ihr waren, sich seine Welt vollkommen um sie drehte und er nur für sie lebte. Innerlich hörte er sich bösartig lachen und fühlte sich gleichzeitig von diesem all zu menschlichen, nur natürlichen, Egoismus und Egozentrik angewidert wie auch geschmeichelt. Scheinbar schüchtern senkte er seine Augen kurz zum Boden und biss sich ein wenig auf die Unterlippe, wohl wissend dass jede seiner Bewegungen von ihren begierigen Augen verschlungen werden würde. Er achtete darauf, sich besonders langsam zu bewegen, da sie in ihrem momentanen Gemütszustand besonders empfänglich für die Eindrücklichkeit und tiefergehende Bedeutung der Langsamkeit war. Man mochte sich eine kleine Maus vorstellen, welche voller Verzücken auf die schillernden Muster des „Hutes“ einer Kobra starrt und hinter den faszinierenden Zeichnungen nicht die abgespreizten Rippen und die getönten Schuppen einer Schlange, ebenso wie deren weit geöffnetes Maul mit nadelartigen Giftdolchen sieht. Etwas schneller hob sie ihren Blick wieder und sah der kleinen, verschüchterten Maus direkt in die Augen. Er wusste, dass sie die scheinbar unbedachten Bewegungen seiner, nein ihrer Lippen wahrgenommen hatte, wusste um die Wirkung seiner unnatürlich geweiteten Pupillen unter den langen, dunklen Wimpern und die Hitze, die von seinem nun weiblichen Körper ausging und ihr das Gefühl geben würde, einer besonders heftigen Welle der Emotion und Erregung ausgeliefert zu sein. Es war so einfach! Zeit... sich ein wenig Spaß zu gönnen. Perverse Ironie, dass es für ihn nur dann Unterhaltung geben konnte, wenn er wie ein Hund litt. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sich diese blauen Augen auf sie richteten und sie scheinbar verschlangen, verbrannten mit kaltem, gnadenlosem Feuer. Das war vielleicht nicht unbedingt die sanfte Wärme die sie sich stets erträumt hatte... Aber in diesem eindringlichen Blick stand Verlangen und Leidenschaft geschrieben. Sie machte sich erst gar keine Gedanken darum, um welches Verlangen und welche Leidenschaft es sich handeln mochte – in diesen Momenten zählte einfach nur, dass er sie mit diesen Augen ansah. So registrierte sie kaum, wie diese glühenden Hände an ihren nackten Oberarmen hinunter zu ihren Unterarmen und zu ihren Handgelenken strichen. Wohlige Schauer huschten über ihren Körper, als sie diese delikaten Fingerspitzen mit entzündenden, entzückenden Funken prickelnder Hitze auf ihrer empfindlichen Haut spürte. Nur der Wärme dieser Hände war sie sich bewusst, nicht ihrer Handlungen. Da war nur Ranma... Wie sehr sie ihn vermisst hatte!... Wie sehr sie sich in ihm und in diesen blauen Augen verlieren wollte!... Warum aber konnte sie sich nicht sicher fühlen, nicht geborgen, wenn er sie so ansah? Was stimmte bloß an diesem Bild nicht, welches sie sich schon so oft erträumt hatte? Süße Vorfreude. „Wie süß... Du hast mich, nein sie ja tatsächlich vermisst!“ Konfus erwachte sie aus ihrer Trance und sah ihr Gegenüber traurig, aus ihrer Traumwelt gerissen worden zu sein, fragend an. Dieses jedoch verengte seine Augen und funkelte sie boshaft an, bevor es die Augen senkte. Akanes Augen folgten der vorgeschlagenen Richtung und hafteten entsetzt an ihrer Hand, welche, umschlossen von den nunmehr ernüchternd kühlen Händen geführt worden waren und jetzt auf etwas weichem ruhten. „Ich wusste schon immer, dass deine Präferenzen feminin sind – kleiner Transvestit. Auch wenn du gerne Kleidchen trägst, dein männliches Gesicht verrät dich.“ Ranma konnte nicht umhin, dunkel zu kichern. Ja, ihre Reaktion war durchaus vorhersehbar gewesen. Auch wenn er von der ausbleibenden Heftigkeit ein wenig enttäuscht war. Die Lampen, welche den Gang noch vor wenigen Momenten in ein warmes Licht getaucht hatten, flackerten und erloschen als er sich in seinem weiblichen Körper mit seinem Rücken an der Wand hinabgleiten ließ und am Boden zusammensank. Seine, nein... Er lachte kurz auf. Seine? Nein, ihre Wange brannte von der reflexartigen Ohrfeige, welche die kleine Schwarzhaarige ihm verpasst hatte. Dem Schlag hatte die Wut und Kraft gefehlt, welche er eigentlich hatte provozieren wollen. Verstand denn niemand, dass er leiden wollte…? Anscheinend nicht. Die Kleine war somit uninteressant. Dummes, kleines Mädchen, dass von seinem Äußeren angezogen wurde. Wie alle anderen. Wie Motten zum Licht... Verächtlich lächelnd schüttelte er seinen Kopf und überlegte, ob er dem unachtsamen Späher, welcher auf der Umgrenzungsmauer des Tendo-Anwesens im Schatten eines dicht belaubten Ginkobaumes kauerte, eine Show bieten sollte. Höhnisch verzogen sich seine, pardon ihre Mundwinkel. Warum gab man einem so unerfahrenen Wicht schon die Ausrüstung dritter Klasse, zu welcher Nachtsichtgeräte gehörten, und durch deren Erwerb man erst zur Nachtpatrouille eingeteilt wurde? Er musste ein Nachtsichtgerät haben. Wenn er ein wenig seine Rezeptoren anstrengte, war seine Erregung fast schon greifbar. Auch er war von diesem furchtbar schönen Körper mehr als angetan. Wahrscheinlich eines vom Typ Hawk. Dieser Typ passte zwar eigentlich nicht zur Ausstattung der Klasse 3, da es im Aufgabenbereich der dritten Klasse eher hinderlich denn nützlich aufgrund seiner ungewöhnlichen Masse war, hatte jedoch auch auf große Distanzen eine stechend scharfe, ausgezeichnete Auflösung. Der Späher musste jedoch tatsächlich ein wahrhafter Neuling sein. Seine Tarnung war schlecht, viel zu offensichtlich. Außerdem... Sein Grinsen weitete sich und nahm die bösartige, grausame Qualität an, für die er in den dunkleren Gefilden Tokios berühmt war. Außerdem ließ sich der junge Herr noch viel zu sehr von weiblichen Reizen beeindrucken. Obwohl Standhaftigkeit ja nun eine Frage der Definition war, nicht wahr? Für einen Moment noch zog er in Erwägung, den Kleinen noch ein wenig mehr zu reizen, entschied sich dann jedoch dagegen. Er fühlte sich ein wenig ermüdet und hatte keine gesteigerte Lust, in der Nacht vielleicht noch die eine oder andere Überraschung erleben zu müssen, beziehungsweise sich jetzt möglicherweise auf ein Abenteuer einzulassen. Aufmerksam studierte er, ob der ungewohnte, weibliche Körper Gelüste verspürte. Nein. Nachdem die süße kleine Akane verschwunden war, hatte sich die Lust schnell verflüchtigt. Lust, welche wohlgemerkt von selbstdestruktiven Trieben initiiert wurde. Sein weiblicher Körper reagierte selten mit echtem Verlangen – wenn er ihn doch einmal nutzte, dann meist nur zu geschäftlichen Zwecken. Nun sah er keinen Grund, kein zu erreichendes Ziel. Möglicherweise hätte der Neuling Glück gehabt, wenn seine weibliche Hälfte irgendeine Befriedigung gesucht hätte – was jedoch nicht der Fall war. So bewegte er die Lippen und formte lautlos das Wort „verschwinde“. Er wusste, dass, so unerfahren der Kerl auch war, er die Botschaft verstanden haben musste. Es hätte keinen Sinn gemacht, den Befehl laut auszusprechen. Um über diese Distanz eine akustische Botschaft zu vermitteln, hätte er praktisch schreien müssen, was ungewollte Aufmerksamkeit von den dann erwachenden Tendos und Nachbarn provoziert hätte. Angehörige der 3. Klasse mussten Lippenbewegungen lesen können – das gehörte einfach zu ihrem Job. Ranma leckte sich die Lippen. Wenn der Idiot es nicht konnte und oder seinem Befehl nicht Folge leistete... Dann hatte er das Recht ihn zu töten. Im ersten Falle könnte er sich vor dem Tribunal damit verteidigen, dass Grund zur Annahme bestanden hätte, der vermeintliche Späher hätte einen Angehörigen der Organisation, präzise der dritten Klasse getötet und sich dessen Ausrüstung bemächtigt. Wenn Angehörige der dritten Klasse Lippenbewegungen deuten konnten, und dieser nicht dazu in der Lage war – dann konnte er nicht zur dritten Klasse gehören. Und selbst wenn, so könnte die Organisation froh sein, dass er das unwerte Subjekt liquidiert hätte. Wenn Verdacht bestand, dass er wusste, dass der Späher zur Organisation gehörte... so war der Fall eindeutig. Dann hatte er die Weisungen eines Vorgesetzten missachtet und wäre somit gerecht bestraft worden. Mal ganz davon abgesehen, dass sich das Tribunal wohl kaum an ihn heranwagen würde. Leider wurde er jedoch enttäuscht. Der Kleine konnte seine Lippenbewegungen korrekt deuten und widersetzte sich nicht seiner Weisung. Dann würde er... wohl noch ein wenig warten müssen. Langsam beruhigte sich sein Puls und seine gesteigerte Wahrnehmung bildete sich zurück. Er durfte sich nicht immer so hinreißen lassen... Das brachte nur Unglück. Genau wie die kleine Tendo... Er brachte es nicht über sich, auch nur ihren Namen zu denken. Immer wieder wühlte sie ihn auf und reizte ihn. Vor fünf Jahren noch ärgerte sie ihn stets – oder er sie, je nachdem. Aber sie gehörte der Vergangenheit an – eine Vergangenheit, der er nicht mehr beimessen wollte, als sie wert war – nämlich nichts. Was nun zählte, war das Jetzt – im Rausch der Gefahr, ständig in Bewegung, unnachgiebig, mitleidlos und unbarmherzig. Nachdenklich legte er die Stirn in Falten und ließ seine Augen über die Stelle schweifen, an welcher sich vor wenigen Momenten noch der Stümper von Späher aufgehalten hatte. Er hätte es wissen müssen – seitdem ihm die lästigen Blicke eines der lächerlich aufgetakelten und uniformierten Schaffner aufgefallen waren, die auffällig häufig zu ihm gestreunt waren und seinem eigenen Blick stets scheu ausgewichen waren. Humorlos schnaubte er leise durch die Nase und erhob sich aus seiner Position von den Dielen. Anscheinend mochte es el jefe nicht, wenn seine Tölen zu lange umherstreiften – immer wieder musste er an ihren Leinen zerren und ihnen somit zeigen, dass er immer noch ihr Herr war. Lächerlich – aber Ranma wollte es sich nicht mit ihm verscherzen. Also würde er in der nächsten Nacht „nach Hause“ zurückkehren. Wer weiß – vielleicht würde das ja die gähnende Langeweile in ihm vertreiben? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)