Leaving a Sign that I was there von Thlayli (私がいた証拠を残して) ================================================================================ Kapitel 10: ------------ 13. Oktober 2000 - Bunker unter Hakone, Japan Nachdem sie jetzt ihre Schlüsselkarte und die Erlaubnis hatte, sich in bestimmten Bereichen aufzuhalten, stromerte Alexandra öfter durch die unheimlichen Gänge, in der Hoffnung auf jemanden zu treffen, den sie kannte, auch wenn ihrer Mutter das nicht so ganz behagte. Ihr Vater und die anderen Mitarbeiter schufteten jetzt noch mehr als zuvor und so kam sie nicht dazu ihn nach Dr. Akagis Tochter zu fragen, doch sie blieb optimistisch sie vielleicht irgendwo zu treffen. Auf ihren Streifzügen durch die Gänge traf sie so endlich auf Fuji und freute sich das Mädchen zu sehen. "Fuji-san? Bist du das?" Rief sie ihr zu und als das Mädchen sie erkannte, wurden ihre Augen groß und sie kam auf sie zu. "Kaiser-senpai! Ich hab mich also doch nicht verlesen auf der Liste in der Bibliothek. Wie schön dich gesund zu sehen!" Sie freute sich aufrichtig, jemanden zu treffen, den sie kannte. Dann fügte sie leicht tadelnd hinzu "Du sollst mich doch Yuriko-chan nennen." Alexandra lächelte, "Okay, Yuriko-chan. Aber dafür nennst du mich bitte auch beim Vornamen, bei uns ist es nicht üblich sich permanent mit dem Nachnamen anzusprechen und ich kann mich nur schwer daran gewöhnen." Das Mädchen blickte zerknirscht, "Aber der ist so schwierig auszusprechen. Areku- nein, Areksandora-senpai." Alexandra lachte, "Ja fast, aber das ist schon in Ordnung, ich danke dir", dann wurde sie ernst, "Sag mal, hast du jemanden vom Buchclub getroffen? Weißt du ob es ihnen gut geht? Ob es ... Akagi-san gut geht?" Das Mädchen griff ihren verzweifelten Blick auf und schüttelte traurig den Kopf, "Nein, tut mir leid, von Ritsuko-senpai weiß ich gar nichts. Ich glaube die Familie von Satoshi-senpai hat die Stadt verlassen und Hana-senpai wurde verletzt, sie liegt auf der Krankenstation, wo meine Mutter arbeitet, und wird gut versorgt", als sie den verängstigten Blick und die Tränen in den Augen der älteren Schülerin bemerkte, die krampfhaft versuchte sich zu beherrschen, nahm sie vorsichtig ihre Hand und fügte hinzu, "Keine Sorge, ihre Mutter hat hier doch eine leitende Position, sie hat sicher dafür gesorgt, dass Ritsuko-senpai in Sicherheit ist." Alexandra nickte nur, sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten und weinte leise. Sie drückte die Hand des Mädchens dankbar. "Du hast sie wirklich gern, nicht war?" Wieder nickte Alexandra nur. Die beiden Mädchen standen eine ganze Weile schweigend in dem schummrigen Korridor des Bunkers. Nur wenige Leute gingen in dieser Zeit an ihnen vorbei und niemand beachtete sie groß, alle waren durch die Geschehnisse traumatisiert. Als Alexandra sich ein wenig beruhig hatte, meinte Yuriko "Komm, wir besuchen Hana-senpai auf der Krankenstation. Sie wird sich freuen, dich zusehen Kai- ähm ... Areksandora-senpai." "Ja, lass uns gehen", Alexandra war dem jüngeren Mädchen sehr dankbar für den stillen Beistand, auch wenn ihr vermutlich gar nicht klar war, wie viel Akagi ihr bedeutete. Um zur Krankenstation zu kommen mussten sie durch einige Gänge laufen und mit dem Fahrstuhl in tiefere Ebenen vordringen, dafür ernteten sie von manchen Mitarbeitern kritische Blicke, doch niemand sagte etwas. Sie traten vorsichtig ein und eine Krankenschwester erkannte Yuriko direkt, "Hallo, wollt ihr zu Hana-chan?" Ihr Blick fiel auf die geröteten Augen von Alexandra und besorgt fügte sie hinzu, "Oder geht es euch nicht gut?" Alexandra schüttelte sachte den Kopf und Yuriko sagte an ihrer Stelle, "Nein, alles gut, danke. Wir möchten Hana-senpai besuchen." "Dann ist ja alles gut", die Schwester lächelte die beiden an, "Du weißt ja wo sie liegt, geht einfach zu ihr." Und das taten sie auch. Das andere Mädchen lag in einem großen Raum, voller Betten, die lediglich durch Vorhänge voneinander abgetrennt waren. "Hana-senpai, ich bin's", sagte Yuriko leise, "dürfen wir reinkommen?" "Ja, gerne", tönte die Stimme dumpf von der anderen Seite, "Aber wer ist wir?" Die beiden traten durch den Vorhang und als Kusawas Blick auf Alexandra fiel hellte er sich auf, "Kaiser-senpai, was für eine schöne Überraschung!" "Hallo Kusawa-san, ich hoffe, du bist nicht all zu schwer verletzt?" Sie winkte ab, "Ich hab mir das Bein gebrochen, das heilt schon wieder. Ich bin nur froh, wenn ich endlich wieder aufstehen darf. Hier ist es ziemlich langweilig. Und bitte, nenn mich doch Hana, wir kennen uns jetzt doch schon eine Weile. Darf ich dich auch beim Vornamen ansprechen?" Fragte sie direkt. "Äh ...", Alexandra war überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel und der Vertrautheit des anderen Mädchens, "ähm, klar, gerne, wenn du möchtest." "Na dann, Areksandora-san", sagte sie grinsend. Alexandra grinste etwas verlegen zurück, räusperte sich und deutete dann auf den kleinen Stapel an Büchern neben ihrem Bett, "Immerhin kannst du lesen, gegen die Langeweile." "Stimmt", sie lachte, "das würde mir noch fehlen! Aber erzähl, wie ist es dir ergangen? Ist mit deiner Familie alles gut?" Wollte sie ernst wissen. Die ältere Schülerin nickte "Ja, uns geht es gut, danke. Wir sind in einem der Wohnräume untergebracht, aber mein Vater muss viel arbeiten. Und mir fällt langsam die Decke auf den Kopf, deswegen schlendere ich manchmal durch die Gänge, in der Hoffnung jemanden zu treffen; und so traf ich auf Yuriko-chan", sie warf der Jüngsten einen dankbaren Blick zu. Hana nickte, "Das kann ich sehr gut verstehen. Aber wir können uns glücklich schätzen hier sein zu dürfen, draußen muss es echt übel sein ..." Die drei schwiegen einen Augenblick und jede hing ihren eigenen Gedanken nach. "Na ja, hoffen wir, dass sich die Lage bald bessert", brach Hana das Schweigen und meinte dann an die Jüngste gewandt, "Und, was liest du gerade?" "Oh, ich habe in der kleinen Bibliothek eine Ausgabe von Goethes Faust entdeckt und sie mitgenommen." Alexandra hob anerkennend die Augenbrauen "Ein ganz schön schwieriges Buch für eine 12jährige, oder?" Yuriko bleckte die Zähne, "Ich bin schlauer als ich aussehe." "Natürlich bist du das, sonst wärst du doch nicht im Buchclub" hielt Alexandra grinsend dagegen. Dabei fand sie gar nicht, dass das andere Mädchen in irgendeiner Art dumm aussah. Sie trug ihr halblanges Haar zu zwei schmalen Zöpfen geflochten und eine Brille, für Alexandra war das irgendwie der Inbegriff von Schlauheit. Yuriko hob den Zeigefinger, "Sehr gut erkannt, Areksandora-senpai!" Die älteren beiden mussten lachen, aus der Kleinen würde sicher mal ein sehr kluger Kopf werden. Nach einer Weile der halblauten Unterhaltungen mit Hana machten sich Alexandra und Yuriko wieder auf den Weg zurück zu den Wohnräumen; Alexandra befürchtete, dass ihre Mutter sich schon zu viele Sorgen machen würde. Sie war froh sowohl Yuriko als auch Hana in halbwegs munterem Zustand angetroffen zu haben, so kannte sie hier unten wenigstens noch jemanden und fühlte sich nicht ganz so einsam. "Das war schön, mal wieder zusammen zu sitzen und über Bücher zu reden, oder?" Fragte Yuriko sie auf dem Rückweg. "Ja, das war es", Alexandra war tatsächlich etwas erleichtert, zumal die Gemüter von Yuriko und Hana ungebrochen gut zu sein schienen, "Sollen wir versuchen uns regelmäßig zu treffen und den Buchclub ein wenig aufleben zu lassen, während wir hier unten gefangen sind?" Sie rang sich für die Jüngere ein Lächeln ab. "Sehr gern", Yuriko strahlte sie an, "Sobald Hana-senpai wieder aufstehen darf können wir uns in der Bibliothek oder einem unserer Wohnräume treffen. Du hättest doch nichts dagegen?" Alexandra schüttelte den Kopf, "Keines falls, ich würde mich sehr freuen." Auf dem Gang kamen ihnen zwei Gestalten entgegen und beim Näherkommen erkannten sie Akagi, die neben einer Frau her schritt. Alexandras Gesicht hellte sich auf und ihr Schritt beschleunigte sich unbewusst. "Akagi-san! Es geht dir also gut, bin ich froh!" Platzte es aus ihr heraus, ohne die Frau neben dem Mädchen zu beachten. So groß war ihre Freude, das Mädchen wieder zu sehen, das sie die letzten vier Wochen vermisst und um das sie so gebangt hatte. Doch Akagi schenkte ihr nur einen knappen Blick und antwortete "Ja, danke, es geht mir gut." Sie nickte dem jüngeren Mädchen ebenfalls zu, grüßte es mit Namen und wandte dann den Blick wieder nach vorne um neben der Frau Schritt zu halten. Alexandra glaubte, ihr Herz würde stehen bleiben. Sie konnte nicht einordnen, ob Akagi sie so abweisend behandelte, weil sie ihr damit klarmachen wollte, dass sie die ihr entgegengebrachten Gefühle nicht erwiderte, oder ob es an der allgemein angespannten Situation lag. Doch wie dem auch sei, ihr Herz hatte einen kleinen Sprung bekommen und als sie aus ihrer Starre erwachte überrollten sie Angst, Verzweiflung und Enttäuschung, die sich in einem wütenden Schlag mit der Faust gegen die Stahlwand des Ganges entluden. "Areksandora-senpai!" Yuriko schien sichtlich erschrocken über diese Reaktion, doch dann erkannte sie die Tränen auf den Wangen des älteren Mädchens und sie griff mitfühlend nach Alexandras anderer Hand um sie sanft zu drücken. Sie sah Akagi und der Frau nach, die sich kurz umgedreht hatten um herauszufinden, was das Geräusch ausgelöst hatte, bevor sie sich wieder auf ihren Weg machten. "Komm, Senpai, ich begleite dich zu deinem Wohnraum" wisperte sie Alexandra zu und führte sie weg. "Wer war das?", fragte die Frau das Mädchen, als sie außer Hörweite der beiden anderen Schülerinnen waren. "Mitglieder aus dem Buchclub" antwortete diese knapp. "Das eine Mädchen schien sehr aufgebracht wegen dir zu sein", kommentierte die Frau die Szene. "Wenn du meinst, Mutter." "Interessiert dich gar nicht warum?" Das Mädchen schwieg. "War sie aus deiner Klasse?" "Ja, ihr Vater arbeitet für dich", antwortete das Mädchen. Die Frau hob die Augenbrauen, "Also wohl einer von Dr. Kaisers Zwillingen. Warum war sie so wütend?" Wieder schwieg ihre Tochter und gemeinsam gingen sie weiter den Gang hinunter. Yuriko brachte Alexandra bis zu ihrem Wohnraum und als Thomas ihnen die Tür öffnete verneigte sich die jüngere Schülerin und verabschiedete sich. "Gute Besserung, Areksandora-senpai", murmelte sie noch etwas zerknirscht, bevor sie sich auf den Weg zu ihrer eigenen Bleibe machte. "Was meinte sie?" Wollte ihr Bruder wissen und bemerkte erst jetzt, dass seine Schwester schwieg und gerötete Augen hatte. Mit einem Seufzen legte er ihr liebevoll die Hand auf den Kopf und gemeinsam traten sie in den Bunker. "Na endlich! Ich hab mir schon Sorgen gemacht!" Ihre Mutter zeterte, doch Thomas brachte sie mit einem sanften Kopfschütteln zum Schweigen. Er führte seine Schwester zu ihrem Bett und setzte sich neben sie. "Ist alles okay?" Murmelte er leise und Alexandra nickte halbherzig. Eigentlich wollte sie jetzt gar nicht hier sein, sie wollte ihre ganze Frustration und Wut irgendwo rausschreien, doch ihre Mutter war nicht bereit sie nochmal gehen zu lassen. Also beteiligte sie sich schweigend am Abendessen und legte sich dann auf ihr Bett, doch sie tat die ganze Nacht keine Auge zu. Am nächsten Morgen stand sie vor den anderen auf und beschloss den Fitnessraum aufzusuchen, vielleicht gab es dort ja einen Boxsack, oder ähnliches, wo sie sich etwas austoben konnte. In den Gängen war es schummrig und leer, wie meistens, und sie hörte lediglich das Tappen ihrer Schuhsohlen auf den Metallplatten. Im Fitnessraum angelangt entdeckte sie tatsächlich einen Boxsack, doch da noch ein jüngerer Mann im Raum war beherrschte sie sich. Sie grüßte ihn leise und zog es dann vor auf dem Laufband zu rennen. Sie war zwar nicht super sportlich, aber auch keine Couchkartoffel, jedoch hatte sie nach zwanzig Minuten das Gefühl, ihre Lunge würde kollabieren und sie müsse sich übergeben. Also stieg sie ab und rang erst mal mit rotem Kopf nach Luft. "Am Anfang sollte man es nicht gleich übertreiben", meinte der Mann lächelnd zu ihr und warf sich sein Handtuch über die Schulter, "Lass es langsam angehen. Aber Sport ist eine gute Methode um Dampf abzulassen", fügte er noch hinzu und verabschiedete sich dann. Kaum war er aus dem Raum inspizierte sie den Boxsack und gab ihm einen kleinen Probeschlag mit der Faust. Er war härter, als es den Anschein hatte und jetzt verstand sie, warum die Leute immer mit Handschuhen daran trainierten. Aber sie hatte keine, also musste es so gehen. Sie ballte die Fäuste fixierte das rote schwankende Ding und verpasste ihm ein paar Schläge. Obwohl sie das Gefühl hatte recht fest zuzuschlagen pendelte der Sack kaum stärker als zuvor und sie kam schnell außer Puste. Das ärgerte sie. Sie ärgerte sich über sich selbst, über ihre Schwäche, über ihre Wut und sie ärgerte sich auch ein wenig über Akagi. Sie Szene vom Vorabend kam ihr wieder in den Sinn. Die ganze Nacht hatte sie deswegen nicht schlafen können. Sie verstand nicht, warum sie sie mit Nichtachtung strafte. Wenn sie nichts für sie empfand und die zarten Freundschaftsbande nun in Trümmern lagen, dann wollte sie darüber wenigstens Klarheit haben und versuchen damit abzuschließen. Alexandra schlug immer härter auf den Boxsack ein und schrie sich die Wut aus dem Bauch, doch es sorgte nur dafür, dass sie müde wurde und ihre Hände schmerzten. Schließlich sank sie an dem Sportgerät hinunter und die Tränen begannen zu laufen. Sie weinte und weinte, bis sie irgendwann sanft an der Schulter berührt wurde. Als sie sich beschämt umblickte sah sie ihrem Bruder entgegen. "Was machst du denn hier?" Fragte er sie, "Mama hat sich schon Sorgen gemacht, als du nicht da warst." Sie weinte einfach weiter und war nicht fähig zu antworten. Er nahm sie schweigend in den Arm und gemeinsam saßen sie auf dem Boden des Trainingsraumes, bis Alexandra sich etwas beruhigt hatte. "Komm, wir gehen heim", murmelte er ihr zu und entdeckte dann ihre geröteten und verschrammten Hände. "Heim ...", sie sprach das Wort fast etwas verächtlich aus, sagte aber nichts weiter. Er half ihr schließlich auf und schweigend machten sie sich auf den Weg zu ihrem Wohnraum. Dort angekommen musste sich Alexandra von ihrer Mutter erst mal gehörig den Kopf waschen lassen, aber sie ließ es geduldig über sich ergehen. Nach ihrem Wutanfall im Trainingsraum und der Heulattacke danach, war sie einfach zu müde um noch großartig was zu erwidern. Ihr Bruder holte derweil etwas Eis für ihre Hände aus dem Gefrierfach des Kühlschranks und danach Verbandszeug um die Hände zu bandagieren. "So ist es besser", sagte er schließlich, als er fertig war, "das wird schon wieder." Alexandra schwieg und setzte sich auf ihr Bett, lehnte den Kopf an die Wand und starrte zur Zimmerdecke. Was sollte sie jetzt tun? Wie sollte sie Akagi das nächste Mal begegnen? Einfach ignorieren konnte sie sie nicht, dafür hatte sie in den letzten Wochen zu sehr gelitten. Sie wollte sich aussprechen und wenn Akagi dann der Meinung war, dass sie in Zukunft lieber getrennte Wege gehen sollten, dann würde sie das akzeptieren; glaubte sie zumindest. Sie würde dann alles versuchen um ihr nicht mehr zu begegnen, das schwor sie sich. Irgendwann musste sie über ihrer Grübelei eingenickt sein, denn sie erwachte vom Klappern der Töpfe und des Geschirrs, als ihre Mutter das Abendessen für sie zubereitete. Durch den Zugriff auf das Lager war ihre Mutter an ein paar andere Lebensmittel gekommen und sie konnte jetzt kleine Köstlichkeiten zaubern, die ihrer Familie tatsächlich ein wenig Heimat vermittelten. Das brachte das Mädchen zum Lächeln und sie raffte sich von ihrem Bett auf, setzte sich an den Tisch und bot ihrer Mutter ihre Hilfe an. Mit dem Schneiden von Gemüse konnte sie sich etwas ablenken und gleichzeitig freute sie sich schon auf das Essen. Nach dem Kochen und Essen beschloss Alexandra nochmal die Bibliothek aufzusuchen, vielleicht traf sie dort ja wenigstens auf Yuriko. Das Mädchen hatte ihr mehr geholfen, als es vermutlich ahnte. Und vielleicht hatte sie ja Glück und traf Akagi, sie wollte unbedingt Klarheit haben, auch wenn es weh tun sollte. Wieder zog sich in ihr etwas zusammen, diesmal war es schmerzhaft und sie hatte das Gefühl sich übergeben zu müssen. , murrte sie in sich hinein und versuchte das Gefühl hinunterzuschlucken. Als hätte es das Schicksal so gewollt traf sie auf dem Gang zur Bibliothek auf Akagi. Diese war jedoch nicht allein, sondern wieder in Begleitung der Frau und auch zwei Männer mit Anzügen und Sonnenbrillen waren bei ihnen. Das wirkte schon seltsam genug, so dass Alexandra stehen blieb und das Mädchen mit den rotbraunen Haaren fest an sah. Akagi trug ein Outfit, das der Schuluniform recht ähnlich war, dabei fiel Alexandra auf, dass sie das Mädchen noch nie in einer Hose gesehen hatte; sie trug immer Röcke. Im Gegensatz zu ihr, schien ihr das nichts auszumachen. "Akagi-san, bitte lass uns reden", sagte sie und das andere Mädchen blickte sie fast etwas erschrocken an. Alexandra meinte auch eine leichte Röte auf ihren Wangen zu sehen, doch sie antwortete nicht und schritt mit den anderen an ihr vorbei. Also rief Alexandra ihr nach, "Ich meinte ernst, was ich in der Schule zu dir sagte. Und das einzige was ich jetzt möchte, ist Klarheit!" Akagi blickte zu ihr zurück und zögerte einen Augenblick; jetzt war Alexandra sich sicher, dass sie gerötete Wangen hatte. Das Zögern nahm Alexandra als Anlass, ihr nachzulaufen, doch die Frau nickte den beiden Männern zu und während der eine Akagi mit sanftem Druck weiter schob kam der andere auf Alexandra zu um sie am Weiterlaufen zu hindern. "Hey, was soll das? Lassen Sie mich durch!" Sagte sie zu dem Mann und blickte suchend an ihm vorbei, doch er blieb hartnäckig in ihrem Sichtfeld. Also versuchte sie sich an ihm vorbeizudrängen, wurde von ihm jedoch grob zurückgehalten. "Akagi-san hat keine Zeit, stör sie nicht" sagte er nur. "Lassen Sie mich los!" blaffte sie, riss sich aus seinem Griff und versucht an ihm vorbeizurennen. Sie konnte Akagi etwas entfernt sehen. Sie blickte zu ihr zurück, wurde aber unaufhaltsam weitergedrängt. "Akagi-san!" Rief sie dem Mädchen nach und kassierte, für ihren Versuch vorbei zu kommen, von dem Mann einen groben Schlag in die Seite, der sie mit einem Ächzen auf die Knie sinken ließ. Schließlich hatte er die Geduld mit ihr verloren, nahm ein Paar Handschellen hervor, hatte Alexandra mit einem gezielten Griff zu Boden gebracht und ihr hinterrücks die Schellen angelegt. "Hey! Das können Sie nicht machen! Lassen Sie mich los!" Schrie sie und wandte sich auf dem Boden, doch sein Knie auf ihren Schulterblättern hielt sie erbarmungslos zu Boden gedrückt. "Akagi-san!" Rief sie noch einmal und das andere Mädchen blickte immer noch über die Schulter zu ihr zurück. Sie erkannte das Zögern, aber auch, dass das Mädchen weiter gedrängt wurde. Die Frau in dem Laborkittel hatte sie am Arm genommen und zog sie mit. "Wie ist dein Name, Mädchen? Ich bringe dich in dein Quartier", sagte der Mann und zog sie am Arm auf die Knie. "Ich will mit Akagi-san reden!" Antwortete sie nur bockig. "Wie du willst", seufzte er, warf sie sich über die Schulter und trug sie den Gang lang, auf den Fahrstuhl zu. Währenddessen schimpfte sie wie ein Rohrspatz in sämtlichen Sprachen, derer sie mächtig war und zappelte ohne Unterlass. "Hör auf dich zu wehren Mädchen, sonst muss ich dich k.o. schlagen", murrte der Mann. Alexandra war sich sicher, dass er es nicht tun würde und ignorierte ihn, und sie sollte Recht behalten. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl tiefer hinab, als sie es bisher getan hatte und dort öffnete er eine metallene Tür. Es war ein karger Raum aus Eisenplatten, der von einer einzelnen kleinen Lampe schwach beleuchtet wurde und außer einem Stuhl befand sich nichts darin. Auf diesem setzte er sie unsanft ab, ging wieder hinaus und verriegelte die Tür. Alexandra war so verdattert gewesen, dass sie nicht mal reagiert hatte, bis die Tür verschlossen war, dann sprang sie wütend auf, rannte zur Tür und warf sich probehalber mit der Schulter dagegen. "Hey, was soll der Scheiß!?" Schrie sie, doch die Antwort des Mannes, auf der anderen Seite, konnte sie nicht verstehen, es drang lediglich unverständliches Gemurmel zu ihr durch. Sie tobte und schrie noch eine Weile, bis sie müde wurde und es aufgab, dass der Mann die Tür wieder öffnen würde. Sie bezweifelte, dass er überhaupt noch da war. Alexandra ließ sich, so gut es mit gefesselten Händen möglich war, auf den Stuhl fallen und starrte an die schummerige Decke des Raumes. In ihrem Kopf wiederholten sich sämtliche Szenen mit Akagi, erst ihr Geständnis in der Schule, dann das kühle Wiedersehen am Vortag und schließlich das heutige Treffen. Alexandra war aufrichtig froh zu sehen, dass es Akagi gut ging, aber offenbar erwiderte sie ihre Gefühle nicht. Damit musste sie sich jetzt wohl abfinden. Es tat mehr weh, als sie geglaubt hatte. Und sie hasste sich selbst dafür, die Freundschaft zerstört zu haben. Ihr Kopf fuhr Karussell und sie schloss für einen Moment die Augen. Sie wusste nicht wieviel Zeit vergangen war und ob sie zwischendrin mal eingenickt war, doch sie vernahm dumpf das Öffnen der Tür und murmelnde Stimmen. "Warum trägt sie Handschellen?" Die Stimme klang vorwurfsvoll. "Es tut mir leid, aber sie wollte nicht kooperieren", hörte sie die Antwort, "Da sie mir nicht sagen wollte, in welchem Quartier sie lebt, habe ich sie hier untergebracht um ihre Angehörigen zu-" "Schon gut", wurde er abgewürgt, "Nehmen Sie ihr die Handschellen ab. Bitte!" Schweigend trat jemand zu ihr und entfernte die Handschellen. Dann verließ die Person den Raum und sie hörte wie sich die Tür wieder schloss. "Die Behandlung tut mir leid. Ich wusste nicht, dass es so laufen würde ...", sprach die erste Stimme zu ihr. Sie klang warm und vertraut, "Geht es dir gut, Kaiser-san?" Als sie den Kopf hob stand Akagi an der Tür, lächelte sie etwas wehmütig an und kam dann langsam auf sie zu. "Du ...?" Murmelte Alexandra müde, "Aber warum ...?" "Ich wollte mich eigentlich mit dir unter vier Augen unterhalten, aber es gab bisher keine Gelegenheit. Meine Mutter gab mir schließlich die Möglichkeit, nachdem ich hörte, dass du hier festgehalten wirst", sie blickte sie entschuldigend an. "Deine Mutter ...?" "Ja, die Frau, die du bei mir gesehen hast." Als Alexandra schwieg und sie aus leicht apathischen Augen ansah fuhr sie fort, "Es freut mich, dich hier zusehen, eto ... also nicht hier", sie deutete auf den Boden unter ihren Füßen, "aber hier im Bunker allgemein, meine ich. Ich war nicht sicher, ob deine Familie ebenfalls hier her kommen würde, oder ob ...", sie brach ab und ihr Blick fiel auf Alexandras bandagierte Hände, "Ist das von heute? Der Mann vom Sicherheitsdienst hat dich doch nicht so verletzt, oder?" Sie klang bestürzt und kniete sich vor das Mädchen auf den Boden, nahm vorsichtig ihre Hände in die eigenen. Sie schwieg eine Weile und blickte auf den Verband, bevor sie schließlich weitersprach, "Weißt du noch, dass ich in der Schule zuletzt zu dir sagte, dass wir darüber reden werden? Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat." "Und jetzt bist du hier ... um mir zu sagen, dass ich dumm war, nicht wahr?" Sagte Alexandra leise und blickte ihr wehmütig in die grünen Augen, "Ja, dumm war ich. Ich habe dich mit meinen Gefühlen überrumpelt, dich einfach geküsst und gehofft, dass du das Selbe fühlen würdest ...", Tränen rannen wieder aus ihren Augen und tropften auf die Hände des anderen Mädchens, das immer noch sanft die ihren hielt. Sie schluchzte, "Es tut mir leid, dass ich dich so bedrängt habe. Ich habe dich in eine Situation gebracht und dir dann nicht mal die Möglichkeit gegeben darauf zu reagieren. Natürlich musst du mich hassen." "Hassen? Nein, ich hasse dich nicht", antwortete Akagi sanft, "Wäre ich hier, wenn ich dich hassen würde? Wäre ich hier, wenn es mir nicht etwas bedeuten würde? Noch nie hat mir jemand so was gesagt, wie du an diesem Tag. Noch nie hat mich jemand ... geküsst ... Aber ..." sie unterbrach ihren Redeschwall schüchtern. "Aber du erwiderst meine Gefühle nicht, ich versteh schon", murmelte Alexandra traurig und zog ihre Hände aus dem sanften Griff des anderen Mädchens zurück, "Ich wünschte, wir könnten einfach wieder Freunde sein ..." "Das wünsche ich mir nicht ..." sagte Akagi sanft, "Nein, ich ...", doch weiter kam sie nicht, da sich hinter ihr die Tür geräuschvoll öffnete. Die Frau, mit der sie unterwegs gewesen war, steckte den Kopf herein und blickte sie leicht missbilligend an. "Ritsuko, bist du endlich fertig? Ich habe noch viel zu tun", wie um die Aussage zu unterstreichen, blickte sie auf ihre Armbanduhr, "Wenn sie sich wieder beruhigt hat, darf sie gehen." Akagi stand auf, "Einen Moment noch bitte, Mutter", sie klang nachdrücklich, blieb aber höflich wie eh und je. Ihre Mutter schaute kritisch zu den beiden Mädchen und ehe sie die Tür wieder schließen ließ, fügte sie hinzu, "Zwei Minuten." Akagi blickte Alexandra entschuldigend an, "Es läuft einfach Nichts, wie es soll. Meine Mutter ist leider immer in Eile." Sie atmete einmal ein und aus um sich zu sammeln und sagte schließlich, "Ich habe mir lange überlegt was ich dir sagen will, aber jetzt wo es so weit ist ... na ja, dann ist es doch anders, als gedacht", wieder eine kleine Pause, dann fuhr sie fort, "Es hat mich sehr gefreut, was du in der Schule zu mir gesagt hast. Und auch was du getan hast ..." sie brach ab, sah etwas beschämt zu Boden und Alexandra bemerkte im schummrigen Licht einen roten Schimmer auf ihren Wangen. Ihr Herz klopfte plötzlich wie wild und sie glaubte schon, es würde gleich stehen bleiben. Sie erhob sich endlich von dem Stuhl und starrte das andere Mädchen an. "Bitte sag mir die Wahrheit, Akagi-san, ich kann Ungewissheit nicht ertragen", flehte sie fast schon. Das andere Mädchen blickte ihr schüchtern in die Augen. Bei dem Anblick, dem sich ihr bot machte Alexandras Herz einen kleinen Sprung. Erneut atmete das andere Mädchen tief durch, bevor sie sich zu einer finalen Aussage durchrang, "Ich ... empfinde ebenso für dich ..." Sagte sie so leise, dass Alexandra es kaum verstehen konnte. Akagis Gesicht lief jetzt komplett rot an und sie sah auf den Boden, nicht mehr fähig dem Blick des blauäugigen Mädchens standzuhalten. "Ich gebe zu, ich war von deinem Geständnis sehr überrascht, Kaiser-san, vor allem weil es ... sehr direkt war, aber es hat mich auch sehr glücklich gemacht, diese Worte aus deinem Mund zu hören", murmelte sie, "M-mir war nicht klar, dass ich genauso für dich empfinde, bis zu diesem Moment ... So-sofern du noch so empfindest ..." fügte sie hinzu. "Das tu ich!" Kam es wie aus der Pistole aus Alexandra geschossen und sie griff nach den Händen des Mädchens, das sie erschrocken an sah, "I-ist das ... wahr? Du empfindest ebenso ...?" Fragte sie ungläubig und das andere Mädchen nickte beschämt. Auf Alexandras Gesicht breitete sich ein Lächeln aus und es war ihr, als wäre eine Last von ihrem Herzen gefallen. Erneut öffnete sich die Tür und Dr. Akagi steckte den Kopf herein, "Wir müssen jetzt wirklich los. Verabschiede dich bitte und komm." Sie duldete keinen Aufschub mehr. Akagi zog ihre Hände sanft aus denen des langhaarigen Mädchens und sah sie entschuldigend an, "Du wirst gleich zu eurem Wohnraum gebracht und ... wir sehen uns bald wieder, ich verspreche es. Bis bald, Kaiser-san ..." murmelte sie ihr noch schnell zu, dann verschwand sie aus dem Raum und aus Alexandras Blickfeld. Auf den Wink des Mannes im Anzug trat sie vor den Raum und sah wie sich Mutter und Tochter Akagi entfernten, "Bis bald ... Akagi-san", rief sie ihr schüchtern hinterher und sah, wie sich das andere Mädchen nochmal nach ihr umdrehte. "Bist du jetzt zufrieden?" Fragte Dr. Akagi ihre Tochter. "Ja. Danke Mutter", gab diese zurück und drehte sich nach Alexandra um, weil diese ihr eine Verabschiedung hinterher gerufen hatte. "Verrätst du mir jetzt, was es mit dem Mädchen auf sich hat und warum du so dringend mit ihr sprechen wolltest?" So wie sie das sagte, wusste Ritsuko, dass ihre Mutter ein Nein nicht akzeptierte. "Sie hat mir in der Schule ihre Liebe gestanden", sagte sie darum sanft, wenn auch nicht besonders laut. Dr. Akagi hob die Augenbrauen, blickte erst ihre Tochter an und warf dann ebenfalls einen Blick zurück auf das Mädchen, das auf dem Gang stand, "So? Und du?" "Ich liebe sie ebenfalls" murmelte das Mädchen. "Aha", sagte die Frau unverbindlich und damit schritt sie weiter den Gang entlang, "Komm jetzt, wir haben genug Zeit verloren." "Ja Mutter", antwortete sie und folgte ihr. Ihre Mutter war wie immer pragmatisch was Liebesdinge anging, aber auf Ritsukos Gesicht war dennoch ein verträumtes Lächeln zu erkennen. In den letzten Wochen waren ihre Gedanken immer wieder um das Mädchen mit den blauen Augen und dessen klare Ansage in der Schule gekreist. Ein Missverständnis war bei den Worten, die sie benutzt hatte, eigentlich nicht möglich, deswegen war sich Ritsuko ziemlich sicher gewesen, was das deutsche Mädchen ihr zu verstehen gegeben hatte. Zuerst hatte sie nicht so recht gewusst was sie damit anfangen sollte und der Schock über diese Tat überwog über allen anderen Gefühlen, doch dann hatte sie in sich hineingehorcht und gemerkt, dass sie diese Gefühle teilte. Es war ihr peinlich gewesen und in dem Chaos der letzten Zeit war es oft unter gegangen, doch wenn sie nachts im Bett lag und zur Ruhe kam dachte sie wieder an das Mädchen. Sie musste sich eingestehen, dass ihre Gefühle für Alexandra tiefer gingen, als nur Freundschaft. Und jetzt verstand sie auch, warum sie sich so abgewiesen und verletzt gefühlt hatte, als das langhaarige Mädchen sie etwas gemieden hatte. Sicher war es ihr genauso ergangen und sie hatte nur versucht ihre Gefühle zu sortieren. Als Akagi an diesem Abend in ihr Bett sank, stieß sie einen erleichterten Seufzer aus. Jetzt konnte sie mit dem Mädchen endlich über alles sprechen, hoffte sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)