Leaving a Sign that I was there von Thlayli (私がいた証拠を残して) ================================================================================ Kapitel 7: ----------- Ende Mai 2000 - Tokyo, Japan Der Samstag kam und Alexandra tigerte den ganzen Vormittag ruhelos durch's Haus. Zum Frühstück hatte sie sich gezwungen, aber zum Mittagessen bekam sie beim besten Willen keinen Bissen hinunter. "Alles okay mit dir, Schätzchen?" Fragte ihre Mutter mit leichter Besorgnis in der Stimme. "J-ja, ja, ich bin nur nur ... nervös", tat sie die Frage ab und rieb sich den rumorenden Bauch, "Man soll vor dem Schwimmen doch sowieso nichts essen" fügte sie noch grinsen hinzu. Das Wetter sah heute eher trüb aus, aber sie hatte keine Lust einen Regenschirm mit zu schleppen, also verließ sie sich auf ihr Glück; beim Schwimmen würde sie sowieso nass werden, was sollte es dann schon ausmachen. Als es endlich Zeit war zu gehen, hatte Alexandra bereits längst ihre Tasche gepackt und schlüpfte noch in Schuhe und eine dünne Jacke. "Viel Spaß" rief ihr ihre Mutter noch hinterher und Alexandra winkte zum Abschied zurück. Wie versprochen, hatte ihr Vater ihr Geld dagelassen, das neben dem Eintritt noch ein Eis oder ähnliches abdecken würde. Sie war froh, dass alles irgendwie in Laufweite war und sie sich nicht auch noch mit Bus oder Bahn herumschlagen musste. Sie wusste, dass sie genug Zeit hatte, den Laden zu erreichen und so schwankte ihr Gang zwischen schlendern und einem schnellen Schritt, den sie vor Nervosität automatisch annahm. Eine viertel Stunde vor der vereinbarten Zeit sah sie den Laden vor sich und davor stand bereits Akagi; das japanische Mädchen hatte in weiser Voraussicht einen Regenschirm mitgebracht. Sofort verkrampfte sich Alexandras Magen und sie beschleunigte ihren Schritt. "Entschuldige, dass du warten musstest" sagte sie nach der Begrüßung. "Kein Problem, ich war sowieso zu früh dran" gab das andere Mädchen zurück und deutete dann mit der flachen Hand in die Richtung, die sie ansteuern wollte, "Sollen wir?" Alexandra nickte nur und als Akagi sich in Bewegung setzte folgte sie dem Mädchen. "Das Wetter sieht heute nach Regen aus ..." meinte Akagi und ließ sich auf ihre Höhe zurückfallen, so dass sie gemeinsam nebeneinander her gingen. "Ja, stimmt", murmelte Alexandra. Sie wusste nicht recht, was sie dazu sagen sollte, irgendwie war sie zu nervös. Tatsächlich war es vom Laden bis zum Schwimmbad nicht weit und sie legten den Weg bis dahin schweigend zurück. Vor dem Gebäude blieb Alexandra stehen. Sie sah es an und schluckte unmerklich, ihre Hände klammerten sich an den Gurt ihrer Tasche. Plötzlich begann es zu tröpfeln und als Akagi sich zu ihr umwandte, damit sie schnell hinein gingen um dem Regen zu entkommen, stieß sie verkrampft hervor, "I-ich kann das nicht, tut mir leid" und automatisch trat sie zwei Schritte von dem Gebäude zurück. Als das andere Mädchen sie etwas fragend ansah, stammelte sie, "Ich dachte, ich könnte es, aber ..." Verlegen sah sie zu Boden. Mittlerweile hatte es zu regnen begonnen und Akagi spannte ihren mitgebrachten Schirm auf. Sie kam auf sie zu und blickte sie sanft aus ihren grünen Augen an, "Es ist okay, wir müssen das nicht machen." Sie hielt den Regenschirm über sie beide und war dem deutschen Mädchen damit sehr nahe. Die Unterhaltung klang in Alexandras Ohren so absurd. Als wäre dies ein Date und die beiden hätten irgendwas unanständiges vor. Sie kam sich dumm und gleichzeitig verloren vor. Sie errötete vor Scham und stammelte eine weitere Entschuldigung die vom Prasseln des Regens auf den Schirm überwiegend verschluckt wurde. "Komm", sagte das andere Mädchen ruhig, sah sie auffordernd an und ging von dem Gebäude weg. Alexandra blickte sie kurz fragend an, ging dann aber mit ihr. Gemeinsam mit ihren Taschen war es eng unter dem Schirm und obwohl sich Akagi nichts anmerken ließ, war Alexandra bemüht, ihr nicht zu nahe zu kommen. Unweit des Schwimmbads bogen sie in eine Gasse ein und nach einem kurzen Weg erkannte Alexandra die Gegend wieder. Es war das Sträßchen mit dem italienischen Eiscafé. Als Akagi darauf zusteuerte atmete Alexandra erleichtert auf. Ob Akagi dieses Aufatmen hörte, wusste sie nicht, aber es war ihr für den Moment auch egal. Die beiden Mädchen betraten das Café, grüßten freundlich und Akagi stellte ihren Regenschirm in den dafür vorgesehenen Ständer. Isabella erkannte sie sofort und begrüßte sie herzlich. Sie wies ihnen einen kleinen Tisch in einer Nische zu und brachte ihnen die Karten. Ein seltsames Schweigen herrschte zwischen den Mädchen, das Akagi erst brach, als Isabella ihnen ihre Bestellungen gebracht hatte. "Es tut mir leid. Wenn ich gewusst hätte, dass es dir so unangenehm ist, dann hätte ich es nicht vorgeschlagen." Alexandra blickte sie verblüfft an. Warum entschuldigte sie sich bei ihr? Sie schüttelte den Kopf, "Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, du konntest es ja nicht wissen. Ich bin selbst schuld, weil ich Nichts gesagt habe ... Ich dachte wirklich, ich könnte das", sie lächelte das andere Mädchen verlegen an, "Ziemlich blöd, oder?" Diesmal schüttelte Akagi den Kopf, "Nein, gar nicht. Ich habe ja bereits gemerkt, dass dir die Schuluniform und auch die Sportbekleidung unangenehm sind, da hätte ich etwas weiter denken sollen." Wieder schwiegen sie sich an und Alexandra stocherte etwas verloren in ihrem Eisbecher herum. Sie überlegte krampfhaft was sie sagen könnte, doch egal was ihr einfiel, es wirkte absurd. Sie wollte das andere Mädchen einfach nur etwas besser kennenlernen, aber Konversation fand sie unglaublich schwierig, wenn sich nicht spontan ein Gespräch entwickelte. Außerdem hatte sie die Situation mit ihrem Verhalten verpatzt, wie konnte sie das ausbügeln? Doch wieder war es Akagi, die die Stille durchbrach, "Yuriko-chan hat mir von eurem Treffen auf dem Spielplatz erzählt." "Ach ja?" Alexandra sah überrascht von ihrem Eisbecher auf. Das andere Mädchen nickte, "Sie hat mir erzählt, dass du einen neuen Freund gefunden hast" gab sie mit einem leisen Kichern zurück. "Was?" Das langhaarige Mädchen war perplex, dann erinnerte sie sich, "Oh, du meinst den kleinen Jungen? Ich glaube, er heißt Taro", sie errötete unmerklich etwas, als sie an das Erlebnis auf dem Spielplatz dachte. "Du kannst wohl gut mit kleinen Kindern umgehen" meinte das Mädchen auf der anderen Seite des Tisches. Alexandra legte den Kopf leicht schief, "Hm ... darüber hab ich nie nachgedacht. Ich glaube es war nur ein Zufall. Der Junge war eigentlich ganz süß." Sie fragte sich, was genau Fuji dem anderen Mädchen erzählt haben könnte. "Trotzdem ist es nicht selbstverständlich, was du getan hast" fügte Akagi hinzu und wieder war die Aussage so schwammig, dass Alexandra nicht wusste was genau sie meinte. Akagi blickte aus dem Fenster und Alexandra ertappte sich dabei, wie sie das Profil des anderen Mädchens musterte. Sie hatte eine hohe Stirn, lange geschwungene Wimpern, eine leichte Stupsnase, schön geformte Lippen, ein edel wirkendes Kinn und ihre Haut sah so zart und irgendwie zerbrechlich aus, und dann war da noch das perfekt geformte Muttermal, das ihr Gesicht mit den tiefgrünen Augen abrundete. Als Alexandra merkte, was ihr eben durch den Kopf gegangen war, schalt sie sich innerlich selbst und musste den Impuls, heftig den Kopf zu schütteln, unterdrücken. Sie versuchte in der Aufzählung von Akagis optischen Werten eine reine Bewunderung zu sehen und nichts weiter. Doch sie merkte plötzlich wie ihr Herz heftiger klopfte und in ihrem Magen erneut ein flaues Gefühl aufkam. Es war kein so übelerregendes Gefühl mehr wie vor der Schwimmhalle, als sie eine regelrechte Panik durchbohrt hatte, aber dennoch ein seltsames Gefühl, das nicht weichen wollte. Akagi wandte ihren Blick wieder dem andere Mädchen zu, lächelte und widmete sich dann ihrem Eisbecher. Alexandra tat es ihr gleich, bevor das meiste davon nur noch Suppe wäre. In diesem Moment kam Isabella an ihren Tisch, "Na, seid ihr nur zu zweit heute?" Fragte sie und beim Lächeln blitzten ihre weißen Zähne auf. "Ja, diesmal ist es kein offizielles Treffen unseres Buchclubs" gab Akagi lächelnd zurück und lobte den Eisbecher. Isabella bedankte sich für das Lob und wendete sich dann Alexandra zu, "Du bist so still heute signorina, ist alles in Ordnung?" Das langhaarige Mädchen riss sich von seinen Gedanken los und zwang sich zu einem Lächeln, "Ja, alles gut, danke. Das Eis ist genau so lecker wie letztes Mal." "Herzlichen Dank. Dann lasst es euch schmecken. Wenn ihr noch etwas brauchen solltet, ruft mich einfach" und damit ließ sie die beiden Mädchen wieder alleine. Um einem erneuten Schweigen zu entkommen zwang Alexandra sich dazu, etwas zu sagen, "Gehst du eigentlich öfter schwimmen?" Am liebsten hätte sie sich direkt danach auf die Zunge gebissen - Akagi hatte bei dem Treffen mit dem Buchclub doch erwähnt, dass sie das gerne tat. Alexandra rollte innerlich über ihre eigene Dummheit mit den Augen. Akagi legte den Kopf leicht schief, "Nicht so oft, wie ich gerne würde", antwortete sie mit einem seichten Lächeln, "Meine Zeit lässt es leider nicht so häufig zu, aber dann und wann schaffe ich es." "Oh ..." Alexandra kam sich vor, als hätte sie das andere Mädchen jetzt um etwas Schönes betrogen. "Darf ich dich was fragen?" Kam es von Akagi und Alexandra nickte. Das Mädchen mit den grünen Augen fuhr fort, "Bist du noch nie gern schwimmen gegangen? Also ... sofern du mir das verraten möchtest." "Damit habe ich kein Problem", sie lächelte das Mädchen an, dankbar über die Unterhaltung, und antwortete dann, "Als Kind habe ich schon gern geplanscht, ich habe auch einen Schwimmkurs absolviert, es ist also nicht so, als könne ich es nicht", erklärte sie, "aber ... mit dem älter werden kam das Unwohlsein. Ich hörte auf Kleider und Röcke zu tragen und wollte auch nicht mehr in's Schwimm- oder Freibad. Ich fühlte mich einfach nicht wohl dabei. Vielleicht war es die Scham, von anderen so gesehen zu werden ... und vielleicht ist sie das auch jetzt noch" wieder lächelte sie verlegen. Akagi nickte, "Ich verstehe." "Macht dir das denn gar nichts aus?" Platzte es aus Alexandra heraus und schnell biss sie sich auf die Zunge, "Ich meine ... die Schuluniform und so ..." "Es ist manchmal schon etwas unangenehm, aber ich bin es von kleinauf gewöhnt. Ich glaube, ich habe nie wirklich oft Hosen getragen", diesmal war sie es, die verlegen lächelte und sie strich sich eine Strähne hinters Ohr, was Alexandras Herz erneut zum Klopfen brachte, "Und beim Schwimmen bin ich so konzentriert, dass ich alle anderen Menschen um mich herum ausblende. Ähnlich wie beim Lesen oder Lernen" sie grinste leicht. Alexandra blickte sie etwas bewundernd an, da es ihr oft schwer fiel sich auf etwas zu konzentrieren. Sie fand die Art des anderen Mädchens irgendwie faszinierend, verstand aber auch, warum viele dachten sie wäre hochnäsig. Dabei war sie offenbar ein ruhiges, in sich gekehrtes Mädchen, das zielstrebig seinen Weg verfolgte und nicht anecken wollte; das machte sie vermutlich gleichzeitig auch etwas einsam. "Gibt es in Deutschland keine Schuluniformen?" Wollte Akagi jetzt wissen. Alexandra schüttelte den Kopf, "Nein, also zumindest kenne ich das so nicht. Vielleicht auf Privatschulen, aber sonst ..." Das japanische Mädchen blickte sie interessiert an, "Dann verstehe ich, warum es für dich so ungewöhnlich sein muss. Vermutlich würde es mir dann genauso gehen." Nach einer kurzen Pause wechselte Akagi das Thema, "Und, wie weit bist du mit deinem aktuellen Buch?" "Fast fertig", antwortete das Mädchen mit den blauen Augen ihr, "Ein, oder zwei Stellen muss ich wohl noch mal lesen und mir ein paar Kanji raussuchen, die ich nicht ganz deuten kann, aber im Großen und Ganzen sollte ich damit nächste Woche fertig werden." Akagi nickte leicht anerkennend, "Das klingt doch gut." Dass Alexandra leichte Lektüre las, die eher für Grundschüler geeignet war, störte Akagi nicht. Als Leiterin des Buchclubs war es ihr vor allem wichtig, dass alle Spaß am Lesen hatten. Mehr wertete sie nicht. Dem deutschen Mädchen war bereits Hilfe angeboten worden und ob sie diese annahm, oder nicht, stand ihr frei; sie würde sie nicht dazu drängen. Doch Akagi gestand sich ein, dass ihr die Hartnäckigkeit, mit der ihr Gegenüber sich durch den Alltag biss, durchaus imponierte. An dem Mädchen mit den blauen Augen war etwas Besonderes, das ihr Interesse geweckt hatte; alleine schon, weil sie sich irgendwie um sie und die anderen des Buchclubs bemüht hatte, was ihr nicht selbstverständlich vorkam. Außerdem kam sie ihr bedingungslos freundlich und ehrlich vor, was sie an der neuen Schülerin sofort bemerkt hatte. Sie war auf die Frage, ob sie etwas gemeinsam unternehmen wollten, auch deswegen eingegangen, weil sie ebenso das Bedürfnis verspürte das Mädchen näher kennen zu lernen. Sie hatte kaum Freunde und vielleicht war die Offenheit des ausländischen Mädchens genau das, was sie selbst als Anstoß brauchte um aus sich heraus zu kommen. Akagi legte den Löffel beiseite und sah das andere Mädchen aufmerksam an, "Darf ich dich noch etwas fragen?" Sie klang dabei fast etwas schüchtern, was das langhaarige Mädchen darauf schob, dass sie sonst vermutlich eher zurückhaltend und ruhig war. "Natürlich", antwortete Alexandra, froh darüber, dass es nicht wieder in Schweigen endete, "deswegen sind wir doch hier, oder?" Fügte sie grinsend hinzu. Das Mädchen mit den grünen Augen lächelte schüchtern und nickte, "Stimmt", bevor sie fortfuhr strich sie sich erneut eine Strähne hinters Ohr, die beim Eisessen nach vorne gerutscht war, "Wie war es für dich, als du hörtest, dass ihr umziehen werdet? Es ist ja ein großer Schritt, in ein anderes Land zu ziehen." "Das stimmt", Alexandra nickte und überlegte kurz wie sie sich mit ihrem noch recht kargen Wortschatz ausdrücken konnte, "Ich war anfangs nicht begeistert darüber. Aber ich wollte meine Familie auch nicht alleine lassen." "Hättest du denn bei jemandem bleiben können? Großeltern, oder so?" "Vielleicht bei meiner Tante, wenn ich es wirklich gewollt hätte, aber ...", sie überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf, "Nein, es war für mich keine Option getrennt von meinen Eltern oder meinem Bruder zu sein." Akagi nickte langsam, "Ich glaube, ich verstehe. Hast du dich denn wenigstens schon etwas an das Leben in Japan gewöhnt?" "Es ist manchmal nicht einfach. Die kulturellen Unterschiede sind sehr groß, aber im Moment ist die Sprache ist das größte Problem, denke ich. Aber dank dem Buchclub fühle ich mich schon sehr viel wohler hier", gab das langhaarige Mädchen zurück und lächelte Akagi an, "Ich bin euch wirklich dankbar, dass ihr alle so nett zu mir seid." Wieder ein schüchternes Lächeln von dem japanischen Mädchen, "Wir mögen doch alle Bücher, da ist das doch selbstverständlich." Alexandra lächelte zurück und schüttelte sacht den Kopf, "Nein, ist es nicht." Darauf konnte Akagi nichts erwidern. Sie wusste, dass das andere Mädchen recht hatte, trotzdem empfand sie es als selbstverständlich jemanden, der gerne las, im Buchclub mit offenen Armen zu empfangen. Vielleicht lag es aber auch an dem deutschen Mädchen, das seine eigene Schüchternheit überwunden und sie angesprochen hatte, obwohl es noch ganz neu auf der Schule war. Isabella trat wieder zu ihnen an den Tisch, "Darf ich euch noch etwas bringen?" Fragte sie freundlich. Alexandra sah Akagi fragend an und ein leichter Zweifel blitzte in ihren Augen auf. Sie wollte noch nicht gehen, aber es auch nicht überstrapazieren. "Sollen wir?" Meinte Akagi und Alexandra war sich nicht sicher, was sie damit meinte. Sollen wir gehen? Sollen wir noch etwas bestellen? Es war manchmal schwierig den Kontext zu verstehen. Also nickte sie einfach nur und gab die Entscheidung damit an das andere Mädchen ab. Als Akagi noch etwas zu trinken bestellte atmete das langhaarige Mädchen innerlich auf. Sie tat es ihr gleich und Isabella verschwand mit ihren leeren Eisbechern in der Küche. "Ich bin froh, dass wir hergekommen sind" sagte Akagi plötzlich und als Alexandra sie verdutzt ansah fuhr sie fort, "Na ja, ich glaube, beim Schwimmen hätten wir uns nicht so gut unterhalten können." Sie errötete leicht. Alexandra fühlte, wie sie eine Welle überrollte und ihr Herz begann wieder wie wild zu klopfen, "St-stimmt", brachte sie heraus und wünschte, das bestellte Trinken wäre schon da. Ihr Hals fühlte sich plötzlich ganz trocken an. "Ich hoffe, ich habe dich trotzdem nicht um das Vergnügen gebracht, da du doch so gerne schwimmst" murmelte sie, weil ihre Stimme zu brechen drohte. Akagis Augen weiteten sich für den Bruchteil eines Herzschlags, "Aber nein, das macht doch Nichts", beteuerte sie und fügte dann leiser hinzu, "Ich hätte mich schlecht gefühlt, dich in's Schwimmbad zu zwingen, wenn du es doch eigentlich gar nicht willst." "Da-danke ..." krächzte Alexandra. In ihren Ohren rauschte das Blut und sie schluckte mehrmals um ihren Hals zu befeuchten. Sie war regelrecht angetan von Akagis Freundlichkeit und sie wünschte sich wirklich, mit dem Mädchen öfter etwas zu unternehmen. Just in diesem Augenblick kam das erlösende Getränk und Alexandra trank begierig ein paar Schlucke, auch wenn sie das Gefühl hatte, es half nicht gegen die Trockenheit ihres Halses. Sie fragte sich, warum sie nach wie vor so nervös war. Ihr entging jedoch nicht, dass Isabella ihnen einen kurzen Blick zu warf, bevor sie wieder in die Küche verschwand; einen Blick, den sie nicht so recht zu deuten wusste. "Wie ist Deutschland so?" Wollte das Mädchen mit den grünen Augen wissen und Alexandra war froh, dass sich ihr Herzschlag wieder etwas beruhigt hatte. "Ähm ... na ja ... deutsch?" Sie lachte, "Ich weiß nicht. Was möchtest du denn gerne wissen?" Akagi kicherte kurz und überlegte dann, "Stimmt es, dass es ein Land der Denker und Dichter ist, wie es immer heißt?" Alexandra legte kurz den Kopf schief, "Ja, da ist durchaus was dran, denke ich. Es gab viele Dichter, Komponisten und Erfinder - Goethe, Schiller, Heine, Beethoven, Bach, Wagner, Einstein, Benz, Daimler, ..." zählte sie auf, "Alles große Persönlichkeiten aus Deutschland." Akagi warf ihr einen leicht bewundernden Blick zu, weil sie so viele Leute aufzählen konnte ohne groß darüber nachdenken zu müssen. Daraufhin errötete das langhaarige Mädchen und verstummte. "A-aber ich denke, das sind alles Ausnahmen. Wenn man bedenkt wie viele Menschen in dem Zeitraum noch gelebt haben" fügte sie hinzu und blickte auf die Tischplatte zwischen ihnen. "Das ist wahr, trotzdem haben diese paar Beachtliches geleistet" hörte sie Akagis Stimme und nach einer kurzen Pause sagte sie, "Was kannst du mir noch erzählen? Gibt es etwas, das du besonders magst?" Alexandra war leicht verwirrt über das Interesse des anderen Mädchens, aber es machte sie auch gleichzeitig glücklich, weil sie so mit ihr reden konnte. "Ich liebe die Landschaft. Es gibt natürlich auch Großstädte, aber ich mag besonders das ländliche Leben; die Dörfer mit ihren Kuhweiden, die Berge, Seen und Flüsse und ganz besonders mag ich den Winter. Ich bin in einer Gegend aufgewachsen, in der es recht viel Schnee gibt und ich habe es jeden Winter geliebt" Alexandra dachte verträumt an die Winter zurück in denen sie mit ihrem Bruder einen Schneemann gebaut hat oder mit dem Snowboard die Piste runter gesaust war. Erst als Akagi leise zu sprechen begann, riss es das Mädchen aus seinen Gedanken. "Das muss wunderbar sein, ich würde es gerne mal sehen." Alexandra blickte sie an, "Wirklich?" Das andere Mädchen nickte scheu, doch ihre Augen glänzten, "Was noch?" Fragte sie fast begierig und Alexandra musste in sich hinein grinsen über die Neugier von Akagi. "Ich mag einige der Feste", begann sie wieder. "Der christliche Glauben ist weit verbreitet bei uns und demnach sind es auch die Feste - Ostern und Weihnachten sind die Größten und die werden auch primär gefeiert, denke ich" sie überlegte kurz und fuhr dann fort, "Ich selbst bin nicht gläubig in diesem Sinne, aber ich mag es, dass man an diesen Festen Zeit mit seiner Familie verbringt." "Ah, ich verstehe", das andere Mädchen nickte, "Das klingt schön." Alexandra lehnte sich zurück, "Leider sehen das nicht alle so, aber na ja", sie seufzte und blies sich den Pony aus der Stirn, "Aber abgesehen davon gibt es in Deutschland eher Kleinigkeiten, die mir gefallen haben. Freizeitparks, Theater, Konzerte und so weiter; Dinge, die es hier aber mit Sicherheit auch gibt" sie grinste das andere Mädchen an. Akagi lächelte erneut, "Mit Sicherheit" bestätigte sie. Nach dem Redeschwall widmete sich Alexandra ihrem Getränk und leerte es fast in einem Zug. Sie war froh, dass sich ihr Magen wieder beruhigt hatte und sie sich recht normal mit dem anderen Mädchen unterhalten konnte. "Gehst du denn gerne in's Theater oder in Freizeitparks?" Wollte Akagi noch wissen. Alexandra war verwundert über die Gesprächigkeit des Mädchens, das sonst eher wortkarg war. "Na ja, ich war noch nicht besonders oft im Theater oder auf einem Konzert, aber es hat Spaß gemacht. Und in dem einen oder anderen Freizeitpark war ich auch schon. Mein Vater unternimmt ganz gern was mit uns, wenn es sich einrichtigen lässt" gab sie zurück, "Und du?" Akagi schüttelte leicht verlegen den Kopf, "Meine Mutter hat für so was leider kaum Zeit, aber mit meiner Großmutter bin ich schon mal in's Theater oder zu den üblichen Schrein-Festen gegangen." "Du warst also noch nie in einem Freizeitpark?" Alexandra konnte sich das kaum vorstellen, aber vielleicht hatte sie auch einen Luxus erlebt, den nicht jeder hatte. Erneut schüttelte das Mädchen gegenüber den Kopf und errötete leicht, "Aber das ist nicht schlimm, denke ich", fügte sie hinzu. "N-nein, natürlich nicht" sagte Alexandra schnell und hatte ein schlechtes Gewissen. Sie hoffte, sie hatte dem anderen Mädchen nicht das Gefühl gegeben, dass es wichtig sei, solche Dinge zu machen. "Vi-vielleicht können wir so was ja irgendwann einmal machen" fügte sie schnell hinzu, ohne groß darüber nachzudenken, ob Akagi das überhaupt wollte. Das Mädchen mit den grünen Augen nickte und lächelte seicht, "Ja, das wäre schön." Da war es wieder, das Herzklopfen und das leicht schwummerige Magengefühl. Alexandra sah schnell zur Seite und tat, als würde sie den Regen draußen vor dem Fenster beobachten, der unaufhörlich weiter fiel. "Möchtest du noch etwas trinken?" Hörte sie Akagi fragen, die ebenfalls vor einem leeren Glas saß. Alexandra wollte nicht auf die Uhr sehen. Sie hatte kein Gefühl dafür, wie lange sie schon hier waren und sie würde gern noch mehr Zeit mit dem Mädchen verbringen, aber irgendwie kam es ihr auch ein wenig seltsam vor hier allein mit Akagi zu sitzen. Sah es für außenstehende nicht komisch aus? "Ich ähm ... möchtest du denn?" Zwang sie sich zu fragen und hoffte, dass Akagi auf den Zug aufsprang. "Ich würde gerne, aber ich glaube ich sollte langsam mal nach Hause. Ich muss noch etwas lernen" gab diese schüchtern zurück und Alexandra war sich nicht sicher, ob es vielleicht eine Ausrede war um nicht mehr länger mit ihr hier sitzen zu müssen. "Oh ..." antwortete sie nur und war sich sicher, dass sie ihre Enttäuschung schlecht kaschiert hatte. "Sicher findest du das dumm, an einem Samstag Nachmittag noch etwas lernen zu wollen" murmelte Akagi und strich sich verlegen eine Strähne hinter's Ohr. "N-nein, gar nicht", sagte Alexandra schnell und wusste, dass es nicht besonders glaubhaft klang, "Ich gebe zu, für mich wäre es Nichts, aber ... ich verstehe, dass es dir wichtig ist" versuchte sie die Situation zu retten, obwohl ihr Satz nicht wirklich gehaltvoll klang. Sie wusste, dass das japanische Mädchen in jeder freien Minute ein Buch in der Hand hatte, oder lernte; zumindest schien es ihr so. "Tut mir leid" sagte Akagi noch leise und sah etwas betreten auf den Tisch. "M-macht doch nichts. Ich freue mich, dass wir hier waren und reden konnten" gab das langhaarige Mädchen zurück und klang dabei jetzt wirklich aufrichtig. Akagi sah sie dankbar an und in Alexandra drehte sich sofort wieder alles. Schnell sah sie sich suchend um und entdeckte Isabella am Tresen, die sie zu beobachten schien. "Wi-wir müssen an den Tresen um zu zahlen, oder?" Fragte sie Akagi und als diese zur Antwort nickte erhob sich Alexandra und das andere Mädchen tat es ihr gleich. Sie schulterten ihre Taschen und traten dann vor Isabella, die sie breit anlächelte. "Wir würden gerne bezahlen", sagte sie und an Akagi gewandt fügte sie hinzu "Ich bezahle alles." Wieder spürte sie einen Blick von Isabella auf sich, den sie nicht einordnen konnte, doch als sie sie fragend ansah lächelte diese nur und gab ihr ihr Rückgeld. Danach bedankten sie sich erneut bei der Besitzerin des Cafés und steuerten auf den Ausgang zu, wo Akagi ihren Schirm wieder zur Hand nahm. Bevor sie das kleine Gebäude im rustikalen Stil verließen zwinkerte Isabella Alexandra zu und formte mit den Lippen etwas, das sie nicht verstand. In ihrer Unwissenheit lächelte das langhaarige Mädchen die Besitzerin nur an und folgte Akagi hinaus. "Vielen Dank für die Einladung, das wäre nicht nötig gewesen" sagte Akagi, deren Stimme durch den Regen fast übertönt wurde, aber sie lächelte. Sie spannte den Schirm auf und bedeutete Alexandra, sich wieder zu ihr zu gesellen. "Kein Problem, mein Vater hat mir extra Geld für ein Eis oder ähnliches mitgegeben", Alexandra lächelte etwas schüchtern zurück und kam dem Angebot dankbar nach, "Immerhin waren wir nicht schwimmen, da bin ich dir was schuldig" sie grinste. "Ach was", wieder strich sich Akagi eine Strähne hinters Ohr. War dies ein Zeichen von Verlegenheit bei dem japanischen Mädchen? Alexandra fand, es sah unglaublich elegant aus und ihr Herz klopfte sofort wieder etwas schneller. "Wir hatten doch eine gute Zeit, oder?" "Ja" meinte Alexandra etwas verlegen und als Akagi dies mit einem Lächeln quittierte und sich schließlich in Bewegung setzte, folgte Alexandra ihr. "Zum Dank begleite ich dich nach Hause, dann wirst du nicht wieder nass", meinte Akagi nach einem kurzen Stück Weg. Alexandra hatte das Gefühl etwas rot zu werden, "Da-danke ..." murmelte sie. Eigentlich hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil das japanische Mädchen ja nach Hause und lernen wollte, aber sie war auch glücklich über das kleine Bisschen mehr Zeit, das sie miteinander hatten. Sie schwiegen den ganzen Weg und Alexandra durchbrach das Regengeräusch nur um sich peinlich berührt zu entschuldigen, wenn sie mit der Schulter an die von Akagi stieß. Doch darauf lächelte das andere Mädchen nur und bedeutete, dass es nicht schlimm sei. Vor dem Haus angekommen blieben die beiden Mädchen stehen. "A-also ... danke für's Heimbringen und ... für den heutigen Tag" meinte Alexandra und fühlte wieder eine Verlegenheit in sich aufsteigen. "Sehr gern", Akagi nickte und lächelte, "Dann bis Montag, Kaiser-san" sagte sie und verneigte sich leicht vor dem ausländischen Mädchen. "B-bis Montag" Antwortete Alexandra und verneigte sich ebenfalls. Dann ging sie schnell in's Haus um nicht nass zu werden, ertappte sich aber dabei, wie sie Akagi noch kurz beobachtete, als diese sich umwandte und ihren Heimweg einschlug. Ihre Mutter begrüßte sie und wollte neugierig wissen, wie ihre letzten Stunden waren. Erst jetzt sah Alexandra auf die Uhr und stellte fest, dass es bereits nach 18 Uhr war. Sie hatte also drei Stunden Zeit mit dem anderen Mädchen verbracht und fragte sich wohin die Zeit verflogen war; sie hatten sich doch nur ein bisschen unterhalten und ein Eis gegessen. Wenn man Hin- und Rückweg mit einberechnete war Alexandra vier Stunden unterwegs gewesen, ohne es wirklich zu merken. Beim Ausräumen des Rucksacks fiel ihrer Mutter auf, dass weder das Badetuch noch der Badeanzug nass waren. Ihre Tochter blickte sie etwas beschämt an und sagte dann knapp, "Wir waren nicht schwimmen." "Oh", machte ihre Mutter und sah sie fragend an. Sie überlegte, ob sie ihre Tochter fragen durfte, was die beiden Mädchen denn stattdessen gemacht hatten, oder ob sie beschließen sollte, dass sie das Nichts anginge. "Ich hab mich nicht getraut", räumte Alexandra nach einer kurzen Pause ein und sah verlegen auf die Badesachen hinab, "Wir waren dann ein Eis essen." "Das klingt doch gut, oder etwa nicht?" Alexandra nickte, "Ja, Akagi hatte Verständnis dafür, dass ich mich unwohl fühlte. Es war ihre Idee stattdessen ein Eis essen zu gehen und dafür bin ich ihr dankbar. Wir haben uns gut unterhalten und ich glaube, sie fand es nicht so schlecht." Ihre Mutter hob die Augenbrauen und suchte den Blick ihrer Tochter, "Und wie fandest du es?" Alexandra erwiderte den Blick, "Gut. Nein, sehr gut! Wir haben uns wirklich nett unterhalten und ich glaube ... das machen wir mal wieder. Sie ist wirklich ... freundlich." "Es freut mich, dass du schon eine Freundin gefunden hast", die Frau war erleichtert. "Ich weiß nicht, ob es schon eine Freundschaft ist, aber ich hoffe, dass eine daraus wird" gab das Mädchen zurück und räumte die Sachen endlich weg. Danach fühlte sie sich direkt besser, als wäre eine unglaubliche Last von ihr abgefallen. "Ach, wie bist du eigentlich heim gekommen? Es regnet doch in strömen und du hast wieder deinen Schirm vergessen" sagte ihre Mutter leicht tadelnd. "Ähm ... Akagi hat mich heimbegleitet, sie hatte einen Schirm dabei" antwortete ihre Tochter leicht zerknirscht. Die Augen ihrer Mutter weiteten sich, "Und da bittest du sie nicht herein?" "Ich äh ... sie wollte noch lernen, hat sie gesagt", gab sie zurück. "Da kann ich sie doch nicht aufhalten, wenn sie mich schon nach Hause begleitet hat." Die Antwort stellte ihre Mutter zwar zufrieden, aber sie hob doch eine Augenbraue leicht kritisch, "Das nächste Mal dann aber, ja?" Ihre Tochter nickte und die Mutter war zufrieden. Immerhin wollte sie sich nicht nachsagen lassen, ihre Kinder wären nicht gerade noch gut genug erzogen um der japanischen Etikette wenigstens ein bisschen Ehre zu erweisen. Den Sonntag verbrachte Alexandra mit ihrer Familie, aber immer wieder schweiften ihre Gedanken zu dem Mädchen mit den grünen Augen. Wie sanft sie sprach, wie freundlich sie war und sie schien auch irgendwie immer die Ruhe selbst zu sein. Während Alexandra eher ein Spring-in's-Feld war, sich gerne ablenken ließ und ihre Gefühle oft nur schwer kontrollieren konnte. Es wirkte so gegensätzlich und trotzdem schienen die beiden sich zu verstehen. In den nächsten beiden Wochen unterhielten sie sich etwas öfter als zuvor und auch mit dem Buchclub machten sie nochmal einen gemeinsamen Ausflug. Alexandra genoss jede Zusammenkunft mit den anderen, aber besonders mit Akagi. Etwas an ihr zog sie fast magisch an. Da war immer eine Art Freude, wie ein Leuchten, in ihr, doch in letzter Zeit plagten sie auch öfter wieder die seltsamen Magenschmerzen, die sie sich nicht erklären konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)