Hello. It's Me. von tobiiieee ================================================================================ Kapitel 1: Prolog: Wiedersehen ------------------------------ Und als ich mich auf dem Stuhl umdrehte, bot er mir seine Hand an. Er trug keine Handschuhe; der Anblick seiner langen schlanken Finger versetzte mich zurück in eine längst vergangene Zeit, an deren Version meiner Selbst ich mich kaum noch erinnern konnte. Seine Finger zitterten nicht, doch ich hatte das Gefühl, dass die weichen Kuppen sich unmerklich von mir entfernten, als ich nicht sofort reagierte. Langsam ging mein Blick an ihm empor: Für den Anlass hatte auch er seine Uniform gegen einen ungewohnten Anzug eintauschen müssen; er trug Schwarz zu Schwarz, was ihm gut stand. Die langen Haare, im Nacken zusammengebunden, verschwanden hinter dem breiten Rücken, doch die vordere Partie umspielte wie immer kunstvoll sein Gesicht. Die fast dreiundvierzig sah man ihm nicht an, doch etwas von früher war aus seinem Ausdruck verschwunden; seine Augen wirkten unsicher, vorsichtig. Auf der Hut. Vor mir. Er blinzelte. Seine Lippen öffneten sich wie zu einem Seufzer. „Um der alten Zeiten willen“, sagte er sanft. Er versuchte es mit einem Lächeln. Ich bemerkte, dass ich die Luft angehalten hatte, und atmete aus. Noch einmal sah ich auf in dieses altbekannte Gesicht, und Erinnerungen stiegen in mir auf, wie ich es einst berührt hatte, liebkost – damals, früher. Aber jetzt tat sich nichts, kein Verlangen, in diese Intimität zurückzukehren. Er wartete. „Cloud ...“, sagte er mit dieser Stimme, die mich wie das Schnurren einer Katze vereinnahmte. Ich gab mich geschlagen, legte meine Hand in seine und erhob mich. Kapitel 2: Erst Mal Alles Auf Anfang ------------------------------------ Ein Knall. Die grüne Felduniform färbte sich rot. Blankes Chaos. Eingefrorene Zeit. Meine Augen weiteten sich im Schock der Erkenntnis. Der Schuss war danebengegangen, es gab kein Herausreden, kein Herumdiskutieren, niemanden, auf den ich einschlagen konnte, um es zu ändern. Beim Militär gab es keine Mätzchen. Im Nebel der Ungewissheit, was jetzt passieren würde, tauchte Nibelheim vor mir auf, Heimat, Eiswüste im Schatten des Gebirges. Was würde meine Mutter sagen, wenn sie davon erfuhr? Oder ... Tifa ... Ausgeschlossen. Gepiesackt. Aufgezogen. Das schwarze Schaf im Dorf. Die Mutter unverheiratet. Der Junge asozial. Wenig Geld. Kleiderspenden. Ein rumorender Magen, der nicht wusste, wann es die nächste Mahlzeit geben würde. Gelegenheitsjobs statt Schule. Und all die Streits ... all die Streits. Dieselben Leute, die mich tagsüber beschäftigten, um mir vielleicht fünf Gil dafür zu geben, waren diejenigen, die darüber redeten, dass aus mir nie etwas werden würde. Aber was wussten sie schon, dachte ich mir damals. Ich würde zum Militär gehen, aufsteigen und als First zurückkehren, endlich würdig, mit stolzgeschwellter Brust voller Abzeichen würde ich vor ihrer Tür auftauchen ... Und jetzt das. Die Berge wichen dem Übungsplatz. Ein zum Glück behelmter Kamerad lag am Boden, mehrere Leute über ihn gebeugt. Zumindest bewegte er sich. Zitternd starrte ich auf das Gewehr in meinen Händen, ließ es sinken, sagte nichts. „Strife!“, hörte ich die Ausbilderin bellen. Ich wagte es nicht, ihr in die Augen zu sehen, und wandte nichts ein, als sie mich fortführte. Irgendetwas sagte mir, dass dieser erste Feldtag auch mein letzter sein würde. Kapitel 3: In Ruhe Essen ------------------------ Ich hielt meinen Kopf gesenkt, als ich die Treppen nach unten nahm, ignorierte alle vorbeikommenden Soldaten, Infanteristen, Kameraden. Mir drehte sich immer noch der Magen um, wenn ich einen von ihnen nur aus Versehen anschaute, ich erschauerte, Kurzschluss, nur schnell weg. Alles in allem war mir also nicht unbedingt nach Mittag, aber vor der Nachmittagseinheit würde ich noch etwas essen müssen, allein, um nicht vor Erschöpfung zusammenzuklappen und mich noch mehr zu blamieren. Also löste ich in der Kantine eine Essensmarke ein, fragte mich, was das auf dem Teller sein sollte, und machte mich auf die Suche nach einem Platz irgendwo am Rande des Saals, in dem noch vereinzelte Shinra-Angestellte und Soldaten saßen, als mir ein bekanntes Gesicht auffiel. Zack hob den Kopf, als ich bei ihm auftauchte. „Was machst du allein hier?“, fragte er. „Wurde ausgeschlossen“, murmelte ich, ohne ihn anzuschauen. Ich setzte mich und Zack widmete sich wieder seiner Mahlzeit, die wie eine ausgewogene Mischung aus buntem Salat, Hähnchencurry und irgendeiner Schokocreme zum Nachtisch aussah. Neidisch hafteten meine Augen auf seinen Tellern, während ich mich an meinen grauen undefinierbaren Schleim machte, der vermutlich alte Kartoffeln, ein bisschen Speck und Erbsen beinhaltete. „Du weißt“, sagte Zack, als er meinen Blick bemerkte, „dass du nicht viel dazuzahlen musst, um hier richtiges Essen zu kriegen, oder?“ Rekruten bei Shinra erhielten pro Monat genügend Essensmarken, um sich in der Kantine kostenlos gerade so zu ernähren, allerdings gab es dafür nur das „Tagesessen“, das im Grunde aus Resten der Vortage bestand. Man konnte den Wert einer Essensmarke aber auch verrechnen lassen und den restlichen Preis für ein richtiges Essen einfach bar bezahlen. Nun war die Vergütung in der Ausbildung nicht zu üppig, aber immerhin mussten wir davon keine Unterkunft und eigentlich auch keine Klamotten oder dergleichen bezahlen, also blieb am Ende des Monats doch etwas übrig. Was Zack jedoch nicht wusste, war, dass mein Geld fest verplant war zwischen dem Betrag, den ich an meine Mutter in Nibelheim schickte, und dem Betrag, der als Ersparnis unangetastet auf dem Konto verblieb. Natürlich war das etwas einschränkend für mich, aber das Kantinenessen war immer genau ausreichend, also gab es eigentlich keine Notwendigkeit, hier Geld zu verschwenden, also zuckte ich nur die Schultern. „Du hast also gehört, was passiert ist?“, fragte ich, den Blick vorsichtig halb vom Tisch hebend. „Klar, alle haben davon gehört“, sagte Zack breit grinsend. Schön, dass er fröhlich sein konnte. „Ich wusste nicht, dass so was in dir steckt.“ „Es war ein Unfall!“, platzte es aus mir heraus. Ich flehte Zack innerlich an, mir zu glauben. Wenigstens er. „Ich schwör’s!“ „Cloud“, sagte Zack, während er sein Besteckt beiseitelegte. „Hör mir mal zu. Wenn irgendjemand ehrlich glauben würde, dass es kein Unfall war, würdest du hier nicht frei rumlaufen, sondern wärst längst unter Arrest oder schlimmer.“ Ich starrte ihn an, während ich zusammenzusetzen versuchte, was er gesagt hatte. Es wurde ganz still. Ich runzelte die Stirn, atmete aus. Irgendetwas ... irgendetwas daran wirkte nicht ganz unlogisch. „Aber ...“, sagte ich. „Aber die Stube muss ich trotzdem allein aufräumen und saubermachen. Zur Strafe.“ „Ja, logisch wollen sie sichergehen, dass du bestraft wirst, damit so was nicht noch mal passiert“, sagte Zack, und jetzt nahm er wieder seine Gabel zur Hand. „Aber glaub mir eins, wenn jemand dich für schuldig halten würde, würdest du’s wissen. Es war ein Unfall, und Unfälle passieren in der Ausbildung, auch wenn sie nicht sollten. Aber sieh’s mal so: Was hat denn dein Kamerad in der Schusslinie gesucht? Er hat bestimmt auch Ärger gekriegt, nachdem er wieder in Ordnung war, er sagt’s dir nur nicht. Also bleib einfach ganz ruhig.“ Schweigend aßen wir eine Weile weiter. Meine Kameraden waren nicht so entspannt wie Zack und ließen mich mehr denn je spüren, was sie von mir hielten. Wenn sie mich schlicht ignorierten, war das fast noch am leichtesten zu ertragen. Leichter jedenfalls als die Gemeinheiten, die sie sich, in meiner Nähe stehend, über mich erzählten und die gerade so meine Ohren erreichten. Leichter als die ständige Suche nach meinen Sachen, sodass ich überall immer erst in letzter Sekunde auftauchte, also gerade noch pünktlich, aber eigentlich doch zu spät. Und nie war es jemand gewesen, nie hatte jemand etwas gesagt, nie trat mir jemand gegenüber. Nie wollte jemand wirklich etwas mit mir zu tun haben. Ich seufzte. „Ich weiß nicht wirklich, was ich machen soll“, sagte ich, bevor ich mich zurückhalten konnte. „Konzentrier dich auf die Ausbildung“, sagte Zack schlicht. „Lern viel, üb viel, trainier viel, achte einfach auf dich. Und weißt du, was du machen kannst, du kannst dich auf dieses ... Wie heißt das offiziell? Na, auf dieses Mentoren-Dings bewerben.“ Ich schnaubte. „Weil ich darauf eine Chance habe.“ „Weißt du nicht, bis du’s probiert hast“, sagte Zack schulterzuckend. „Wir alle denken nicht, dass wir’s schaffen, aber am Ende wird jemand gewählt, und ich sag dir eins, ohne Angeal als Mentor wär ich bestimmt auch nicht, wo ich heute bin.“ „Du willst sagen, allein hab ich keine Chance“, schloss ich trocken. „Du musst nicht immer so negativ sein.“ „Aha. Ich soll also ehrlich glauben, dass auch nur einer von Den Drei Großen was mit ausgerechnet mir zu tun haben will?“, fragte ich Zack, meinen skeptischen Blick auf sein Gesicht geheftet. „Wieso nicht? Ich glaub, die werden dafür auch extra bezahlt, also haben sie wenigstens was davon.“ Ich lachte über die Absurdität der Situation. Zack schaute sich um, wie um sicherzustellen, dass niemand lauschte, und beugte sich dann näher zu mir. „Und ich will ja nichts sagen, aber ... alle drei gehen ja auch langsam auf die vierzig zu, also sind sie vielleicht auch nicht ganz uninteressiert an ein bisschen Nachwuchs.“ Ich hielt Zacks Blick stand. „Und dann warten sie ausgerechnet auf mich.“ Zack stöhnte. „Ich geb’s auf mit dir.“ Kapitel 4: Ein Gemütlicher Abend ... ------------------------------------ Shinra brachte nun also auch eine Zeitschrift heraus, in der die neuesten Errungenschaften des Konzerns gefeiert wurden. Auf Seite 49 wurde ich fündig. Nach Dienstschluss hatte ich mich auf mein Etagenbett in der Stube zurückgezogen, in der nur wenige Kameraden zugegenwaren, die mich immerhin nicht weiter beachteten. Im Magazin gab es einen Bericht über die neueste Mission in der Nähe von Mideel, die General Sephiroth geleitet hatte: Ein mitreisender Photograph hatte eine Bildstrecke beigesteuert, die Sephiroth abwechselnd über einen Besprechungstisch gebeugt, auf dem Marsch oder im Gespräch mit beteiligten SOLDATEN zeigte. Wenn ich nur einer von ihnen hätte sein können ... Ich zog die Zeitschrift näher heran und heftete meinen Blick zurück auf Sephiroth. Klar, als First war der General super stark, schnell und geschickt und überhaupt der beste Soldat aller Zeiten. Wir alle wollten so sein wie er, auch wenn manche es nicht zugeben mochten. Andererseits ... sah er auch einfach nicht schlecht aus. Mit den Fingerspitzen fuhr ich über die Bilder, als könnte ich den abgebildeten General durch die Seiten berühren. Die breiten Schultern ... die Vorstellung allein, von diesen Armen umschlossen zu werden ... oder die Brust zu berühren, die durch die Uniform zu erahnen war ... Mir wurde langsam warm; ich leckte mir die Lippen. Über seinen Rücken floss das lange Haar, das ihm den Namen „Silberner General“ eingebracht hatte. Es nur ein einziges Mal zu berühren ... die Finger über den Hals fahren zu lassen ... in den Nacken ... Ich schaute mich im Raum um, in den die letzten Strahlen des herbstlichen Tageslichtes hinein leuchteten. Die andern beiden Etagenbetten waren leer, zwei Kameraden verließen gerade die Stube in Richtung Kantine. Ich schien also niemandem weiter aufzufallen. Kurzentschlossen drückte ich die Zeitschrift an mich und verzog mich dann ungesehen ins nächste Bad. _______________________________________________________ Sephiroth beobachtete seit geraumer Zeit den kleinen Käfer, der auf der Zimmerdecke hin- und herlief. Vielleicht hatte er eine Straßenkarte, die Sephiroth nicht kannte. Trotzdem schien sie genauso verwirrend zu sein wie all die Irrwege, die er selbst je eingeschlagen hatte. Im Zimmer war es schon lange dunkel, und still. Ein frisch verschwitzter Geruch lag in der Luft, nicht unangenehm jedoch. Er wandte den Kopf zur Seite, betrachtete Genesis‘ nackten Rücken, dessen Seite sich mit jedem Atemzug hob und senkte. Leise, um Genesis nicht zu wecken, schälte er sich aus den Laken, suchte seine Klamotten zusammen und überquerte, nun zumindest halb angezogen, den Flur in Richtung seiner eigenen Wohneinheit. Kapitel 5: Variation vom Prolog ------------------------------- „Heute ist die ... vorletzte Testübung?“, fragte Sephiroth die andern beiden, während er in den ihm mitgegebenen Unterlagen blätterte. „Nummer sechs.“ „Ich kann nicht fassen, dass wir jedes Jahr hier raus zitiert werden“, stöhnte Genesis, den Rücken gegen das Geländer gelehnt, der den etwas schlammigen Pfad einsäumte, auf dem die sechste Disziplin des Eignungstest abgehalten wurde. Der Frühlingsanfang war recht verregnet gewesen; wirklich warm hatte es auch noch nicht werden wollen. „Und ich kann nicht glauben, dass du dich jedes Jahr aufs Neue darüber beschwerst“, sagte Angeal, den Blick fest auf die Kandidaten gerichtet. „Und du solltest aufpassen.“ „Angeal, kannst du dir wirklich mich als Mentor für eines von diesen Kindern vorstellen? Babys ... Föten ... Embryonen ...“ „Ihr habt jedes Jahr dieselbe Diskussion. ‚Es sollte uns eine Ehre sein, Nachwuchs ausbilden zu dürfen.‘ – ‚Shinra will nur keine zusätzlichen Ausbilder einstellen.‘ – Das nächste Mal bring ich eure Argumente einfach ausgedruckt mit und dann haben wir das ganze Drama von Anfang an durch.“ „Spielverderber.“ Endlich wandte Genesis sich den Bewerbern zu. „Gewaltmarsch. Gehört auch verboten.“ „Wie bist du eigentlich noch immer in deinem Job?“ Genesis warf Sephiroth einen amüsierten Seitenblick zu. „Manchmal muss man nur mit den richtigen Leuten schlafen.“ „Kriegt ihr euch ein?“, sagte Angeal. „Die armen Anwärter.“ Nach und nach gingen sie ihre Unterlagen durch, Blatt für Blatt. Bis sie zum letzten Rekruten kamen. „Der kleine Blonde da?“ Drei Blicke, die ihre Ratlosigkeit zu verstecken suchten, gingen über das Gelände. „Ich konnte kleine Männer noch nie ernst nehmen.“ Genesis wandte den Kandidaten wieder den Rücken zu. Sephiroth studierte das Blatt, auf dem „Cloud Strife“ vermerkt war. Im Sommer zuvor 18 geworden, aus Nibelheim, 1,73. Erstklassige Ausbildungsleistungen, unter den Besten beim Eignungstest. Ein Vermerk seiner Ausbilderin über die ungemeine Leistungssteigerung seit Beginn der Ausbildung. Sephiroth runzelte die Stirn und glich erneut das Blatt mit der beinahe zierlichen Figur in der Felduniform ab, die bei der Übung zu erkennen war. Wie konnte das alles zusammenpassen? „Drogen?“, schlug Genesis, darauf angesprochen, unbeeindruckt vor. „Beste Voraussetzungen, um das zukünftige Mako zu vertragen.“ „Er ist auch derjenige, der im September diesen Schießunfall verursacht hat.“ „Ich hatte doch gleich im Gefühl, dass da was nicht stimmt.“ „Ich denke, wir sollten ihn uns morgen noch mal genau anschauen.“ Genesis schnaubte und machte Anstalten, sich auf den Rückweg zu machen. „Ohne mich.“ Angeal, den Blick unverwandt auf die blonde Gestalt auf dem Übungsplatz gerichtet, blieb noch einen Moment stehen. „Ich denke auch, da ist irgendwas. Aber genug, um Potential in ihm zu sehen ...?“ Er schüttelte fast unmerklich den Kopf. „Wer so durchstartet, fällt auch schnell wieder.“ Und er folgte Genesis, während Sephiroth, tief in Gedanken versunken, noch eine Weile am Pfad stehen blieb. Kapitel 6: ... und der Tag danach --------------------------------- Sephiroth schwang probehalber sein Schwert, nachdem er als Erster den Trainingsraum betreten hatte. Er hatte schlecht geschlafen, allein im großen Bett, war trotzdem früh aufgestanden. Wie immer. Sein müder Blick glitt in die Ferne, sah dennoch nur die Spitze von Masamune. Ein nahezu unmerkliches Zucken ging über sein Gesicht. Die Tür öffnete sich hinter ihm, doch Sephiroth wandte sich zunächst nicht um. Das Schwert, das gezogen wurde, das hörte er deutlich, war Rapier. In einer blitzschnellen Drehung wehrte er den auf ihn niedersausenden Schwerthieb ab. Genesis schien guter Laune. Er grinste. „Dem Gegner einfach den Rücken zuzuwenden ... Dein Übermut wird dir noch zum Verhängnis.“ Sephiroth seufzte innerlich. Sehr lustig. „Ich denke, das sollten wir uns für drinnen aufsparen.“ Sie ließen die Schwerter sinken. „Du warst gestern plötzlich weg“, sagte Genesis dann. Sephiroth wandte den Blick ab. Eine wirkliche Erklärung hatte er nicht. Er wand sich in dem Versuch, eine Antwort zu finden, als Genesis ihn schon wieder unterbrach: „Krieg dich ein, es ist nicht so, als ob ich nichts mit mir anzufangen wüsste.“ Sephiroth versuchte es mit einem Lächeln. Es stimmte. So explosiv Genesis sein konnte, er nahm ihm nie etwas übel oder war nachtragend. Alles war gut. Die Tür öffnete sich erneut. „Na, was heckt ihr zwei schon wieder aus?“ Angeal schleppte mittlerweile ziemlich an seinen Schwertern. „Weltherrschaft“, sagte Sephiroth. „Das Übliche.“ „Ach“, sagte Angeal, zu den beiden aufschließend. „Und hattet ihr vor, mich in eure Pläne einzuweihen?“ Genesis und Sephiroth tauschten einen Blick aus. „Sicher …“, sagte Genesis. „Du kannst uns ja überzeugen“, sagte Sephiroth schalkhaft, „wenn ich dich nicht vorher fertigmache.“ Über Angeals Gesicht glitt ein ungläubiges Lachen. „Soll ich jetzt ‘nen Hofknicks machen oder so was?“ „Unser selbstgefälliger Seph mal wieder“, schalt ihn auch Genesis, während sie sich alle gemeinsam auf den Weg in den Simulationsteil des Trainingsraums machten. „Du solltest nicht immer den Mund so voll nehmen.“ „Zugegeben, bei dir ist das etwas schwierig.“ Genesis, leicht rot werdend, erwiderte daraufhin nichts mehr. Kapitel 7: Sieben ----------------- Auf dem Bauch liegend starrte ich auf den hellen Spalt zwischen den zugezogenen Vorhängen. Seit Stunden war ich unfähig mich zu bewegen; nicht im eigentlichen Sinne, sondern einfach zu angespannt, die Augen weit, nur ein unregelmäßiges Zucken im Bein. Ausgerechnet Schießen. Seit dem ... Vorfall waren Monate vergangen, dennoch hatte ich es seitdem nicht gewagt, am Schießstand zu üben, wenn ich nicht allein war. Mittlerweile konnte ich jede Art Schusswaffe, die Shinra zur Verfügung stellte, im Schlaf auseinandernehmen und wieder zusammenbauen, wusste, wie man die richtige Position an der Schulter fand, wie man sich gegen den Rückstoß stemmte. Und doch ... wenn ich nur die Augen schloss, ... erschien eine gesichtslose Gestalt vor mir, am Boden liegend, in einer großen Blutlache, und über allem stand er, die Stirn gerunzelt in einer Mischung aus Enttäuschung und purer Abscheu. Seine grünen Augen durchbohrten mich, spießten mich auf, ehe er sein langes, schmales Schwert zur Hand nahm und ... – Ich zuckte zusammen und öffnete die Augen. Schlaf konnte ich zwar gut gebrauchen, dachte ich mir, aber nicht solche Träumereien. Es blieb mir nichts anderes übrig, als im Geiste meine Übungen durchzugehen, wieder und wieder ... Die Hand am Griff ... Die Hand am Griff, aber den Finger noch nicht am Abzug. Gewehr vor, dann gegen die Schulter gedrückt, fest im Weg der Kappe, keine Bewegung zu erkennen. Die Finger der anderen Hand unter dem Lauf, unbewegt im Griff des Daumens. Gesicht nah am Kolben, ein Adlerblick durch den Sucher. Der einzelne Schuss ging ins Ziel. Auch die Schusssalve brachte ihn nicht aus dem Gleichgewicht. Nicht viele Anwärter brachten so viel offensichtliche Erfahrung mit. „Das macht er nicht zum ersten Mal“, bemerkte Sephiroth folglich. Genesis beugte sich von der Seite zu ihm. „,Unfall‘“, sagte er nur. Sie beobachteten die Rekruten bei der letzten Disziplin, seitlich am Schießstand stehend. „Vielleicht war es einfach tatsächlich ein Unfall und er hat das zum Anlass genommen, zu üben, damit so was nicht noch mal passiert“, schlug Sephiroth vor. Angeal enthielt sich, während Genesis ungläubig dreinschaute. „Du musstest natürlich noch nie trainieren, weil du schon immer alles konntest. Du bist perfekt.“ „Richtig“, sagte Genesis, der so tat, als würde er sich geschmeichelt fühlen. „Ich hab noch nie einen Fehler gemacht.“ „Du hast mich verlassen“, rutschte es Sephiroth heraus, ehe er darüber nachgedacht hatte. Er selbst stockte. Er merkte augenblicklich, dass er das Falsche gesagt hatte: Genesis – ausgerechnet Genesis, dessen Kopf in einer augenblicklichen Bewegung zu ihm herumschnellte, Genesis, der ihn mit geweiteten Augen anstarrte – verschlug es die Sprache, und Angeal versuchte sich offensichtlich im Hintergrund zu halten und klein zu machen. Sephiroth schüttelte leicht den Kopf, als müsste er zu Sinnen kommen. „‘tschuldige.“ „Seph, das ist so lange her“, hauchte Genesis. „Ich dachte, du wärst darüber hinweg.“ „Ja“, sagte Sephiroth stirnrunzelnd. „Natürlich.“ Er beobachtete die weiteren Rekruten bei ihren Schießübungen. Viele trafen ihre Ziele, andere nicht. Den meisten wackelten die Gewehre beim Rückstoß. „Ich schätze, das mit Natt sitzt noch tiefer, als ich dachte.“ „Ach komm“, winkte Genesis ab, nun wieder sein übliches herablassendes Selbst. „Das hast du doch nicht ernst gemeint.“ „Du musst nicht immer von dir auf andere schließen“, brummelte Sephiroth. Genesis setzte zu einer Antwort an, als Angeal sie unterbrach: „Könnt ihr aufhören euch zu kabbeln? Es ist besser so, wenn ihr getrennt seid, und jetzt ist Ruhe.“ Sephiroths Blick kehrte widerwillig zurück zu dem blonden Rekruten; er war mittlerweile fertig und stand auf der anderen Seite des Platzes, abseits bei seiner Ausbilderin, die ihm, da war Sephiroth sicher, lobende Worte mitgab. Er kannte Miriam, schätzte sie; sie regierte mit eiserner Faust, doch solange ihre Rekruten spurten, war sie auch bereit, gelegentlich ihre menschliche Seite zu zeigen. Viele Männer unterschätzten sie anfangs, machten sich geradezu lustig; Sephiroth hielt nichts davon, Leuten aufgrund von Vorurteilen oder Äußerlichkeiten keine faire Chance zu geben. Was, wenn dieser Rekrut – er schaute noch einmal in seine Unterlagen: Cloud – was, wenn dieser Cloud auch ... „Seph.“ Genesis unterbrach seine Gedanken. Sein Blick ging zwischen Sephiroth und dem Rekruten hin und her. „Nein. Komm schon, das ist er nicht wert.“ Sephiroth brauchte einen Moment, um sich zu Genesis umzudrehen. „Was willst du jetzt eigentlich schon wieder?“ „Ich seh das doch, du überlegst, ihn zu übernehmen.“ „Nicht wirklich, oder?“, sagte nun auch Angeal. „Ok, er hat gute Ergebnisse, und? Du willst ihn doch aber wohl kaum mit uns vergleichen, oder mit Zack, nein?“ „Wenn er sich einmal erkältet oder verletzt, ist er weg vom Fenster“, fügte Genesis hinzu. „An dem ist doch nichts dran. Oder –“ Genesis warf ihm einen vielsagenden, fast lasziven Seitenblick zu. „Oder stehst du da jetzt drauf? Ich mein – er ist immerhin blond.“ „Das ist jetzt nicht dein Ernst.“ Es war selten, dass Sephiroth so gar nichts an Genesis‘ beinahe nie wirklich ernster Art finden konnte, aber in diesem Moment hätte er ihn am liebsten geohrfeigt. „Was, du hast davon angefangen“, sagte Genesis schulterzuckend. Er gab sich nie schuldbewusst, das kannte Sephiroth nur zu gut, doch manchmal ... „Je mehr ihr dagegen seid, desto mehr bin ich dafür“, schloss Sephiroth kühl. Angeal und Genesis schienen beide nicht überzeugt. „Tja“, sagte schließlich Angeal. „Wenn du ... mal Rat brauchst oder so.“ Sephiroth nickte ihm dankbar zu, ehe Angeal sich verabschiedete und ihn mit Genesis allein zurückließ. Er machte sich weiter Gedanken, was dahinterstecken mochte, dass dieser zierliche kleine Mann von ganz unten nach ganz oben durchgestartet war, obwohl er – und da hatte Genesis schon recht – so aussah, als ob ihn eine schlimme Erkältung ausknocken konnte. „Findest du ihn echt so faszinierend?“, fragte ihn Genesis nach einer Weile. Sephiroth suchte nach dem richtigen Wort. „Widersprüchlich, vielleicht.“ Genesis machte ein genervtes Geräusch. „Wenn er dich so interessiert, kannst du auch einfach rübergehen und mit ihm reden, weißt du, du musst nicht jeden Tag mehrere Stunden in ihn investieren für die nächsten Monate – potentiell sogar Jahre.“ Sephiroth dämmerte es langsam. Er wandte sich Genesis zu und sah ihm ganz genau ins Gesicht. „Bist du ein bisschen neidisch, kann das sein?“ Und zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit hatte es Genesis die Sprache verschlagen. „Pfff, Unsinn“, war alles, was er zustande brachte, während er Sephiroths Blick mied. Dieser wanderte erneut über das Schießfeld, hinüber zu dem blonden Rekruten – hinüber zu Cloud. Und wenn er dem jungen Mann beibringen musste, ordentlich zu essen, um Muskulatur aufzubauen, er würde ihm eine Chance geben. Dann glich dieser Cloud ihm eben nicht, und auch nicht Angeal und Genesis, oder Zack. Was sollte das schon bedeuten? Glichen sie denn einander? Es gab offensichtlich unterschiedliche Arten, zum First zu gelangen, warum sollte es keine für zierliche Männer geben? Sein Entschluss rastete ein. Er warf Genesis erneut einen Seitenblick zu. „Siehst so aus, als ob du in Zukunft meine Aufmerksamkeit wirst teilen müssen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)