Ter´nak Band 1: Wind von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 11: Der Weise --------------------- »Verzeihung, dürfte ich Sie kurz stören?«, fragte eine mir unbekannte Stimme. Ich drehte mich um und sah mich einem adrett gekleideten, älteren Wolfsmenschen gegenüber. Der Mann verbeugte sich vor mir und sagte: »Mein Herr, wünscht Sie umgehend zu sprechen, werter Magier.« »Mich?«, rutschte es mir raus. Er hob eine Augenbraue. So wie er mich ansah, kam ich mir echt dämlich vor, immerhin war ich der einzige Magier hier. Um meine Verlegenheit zu überspielen, fragte ich: »Wer bist du? Und wer ist dein Herr?« »Verzeiht mir. In der Eile vergaß ich mich vorzustellen.« Abermals verbeugte er sich. »Ich bin Klaus. Der Butler von Felix dem Weisen.« Felix der Weise wollte mich sehen? Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für ein Kaffeekränzen. Ratsamer wäre es, höflich abzulehnen, da ich es mir nicht mit dem Weisen verscherzen wollte. »Ich fühle mich sehr geehrt, aber wir haben gerade eine Ausnahmesituation. Vor den Toren des Dorfes steht ein Schreckenswolf.« »Mein Herr ist sich der aktuellen Lage sehr wohl bewusst. Aus diesem Grund wurde ich beauftragt, Euch umgehend zu ihm zu geleiten.« Klaus wandte sich an Gustav. »Leider muss ich ihnen mitteilen, dass Fräulein Charlottes Windgeister einem Schreckenswolf nicht allzu lange standhalten werden. Daher hat mein Herr befohlen, die Tore seiner Residenz zu öffnen. Alle Dorfbewohner sollen sich umgehend auf das Anwesen meines Herrn begeben.« Mit einer weiteren Verbeugung sagte Klaus: »Wenn der werte Magier und sein Gefolge mir bitte folgen würden. Die Zeit drängt.« Ich warf Rogue und Garret einen fragenden Blick zu. Beide zuckten ratlos mit den Schultern. Damit war es an mir, eine Entscheidung zu treffen. Leise seufzte ich auf, dann wandte ich mich dem Butler zu. »Geh voran Klaus, wir folgen dir.« * Auf der linken Seite des Dorfes führte ein steiler Weg eine Bergflanke hinauf. Verdeckt hinter einigen hohen Bäumen, thronte die Residenz des Weisen. Wie der Handelsposten Meerblick stand die Festung, wie ich dieses Bauwerk betitelte, auf einer Landzunge. Rein strategisch gesehen, war das optimal. Von drei Seiten mit steilen Klippen umgeben, wurde es auf der Landseite von einer dicken Steinmauer effektiv geschützt. Hinter dem Burgtor, anders konnte ich den Eingang nicht bezeichnen, befand sich ein schöner, gepflegter Schlossgarten. Ein breiter Schotterweg führte zu dem imposanten Hauptgebäude. Bestehend aus gehauenem Stein, drei Stockwerke hoch und mit fünf spitz zulaufenden Türmen versehen. Am eindrucksvollsten war der Zentralturm, der seine Brüder in den Schatten stellte und hoch in den Himmel ragte. Von dort oben hatte man sicher einen wunderschönen Blick auf das Meer sowie auf das Fischerdorf und seine gesamte Umgebung. Alles hier strahlte eine deutliche Erhabenheit aus. Es schrie einem quasi ins Gesicht, hier wohnt eine wichtige, mächtige und wohl auch reiche Person. Ich empfand diese Residenz dem Titel Weisen als sehr angemessen. Schnurstracks schritt Klaus voran in die offenstehende Eingangshalle. Dort drehte er sich zu uns um. »Händler Garret, bitte wartet hier. Mein Herr empfängt nur die werten Abenteurer.« Schnell warf ich Garret einen entschuldigenden Blick zu. Dieser zwinkerte und sagte: »Geh nur. Den Weisen solltet ihr nicht warten lassen, immerhin hat er noch nie jemanden zu sich gerufen.« Langsam nickte ich. Anschließend folgten Rogue, Lucky und ich Klaus ins dritte Stockwerk. Dort angekommen, musste ich erstmal Luft holen. Ich hasste sportliche Betätigungen, das hatte sich durch meine Wiedergeburt nicht geändert, Treppensteigen zählte dazu. Geduldig wartete Klaus, bis ich mich erholt hatte, dann führte er uns zu einer großen Doppeltür. Vor dieser verbeugte er sich und sagte, mit der Hand auf die Tür deutend: »Mein Herr erwartet euch bereits.« Zeit, dem Weisen meine Aufwartung zu machen. Innerlich war ich gespannt wie ein Flitzebogen. Wie er wohl war? Ich würde es gleich erfahren. * Das Zimmer hinter der Doppeltür lag im Halbdunkeln. Die linke Seite wurde von einem gewaltigen Bücherregal eingenommen. Ihm gegenüber, etwa fünf Meter vor mir, befand sich ein Himmelbett. Aufgrund der zugezogenen Vorhänge konnte ich nur dunkel den Umriss einer Person ausmachen. Neben mehreren kleinen Tischen, zwei gemütlichen Sesseln und einem Balkon, der zum Meer hin zeigte, war der große Raum recht spärlich eingerichtet. Dennoch strahlte er eine gewisse Geborgenheit aus. Vielleicht lag das an den dicken roten Teppichen, verziert mit Goldfäden, die fast den gesamten Boden bedeckten. Oder aber an dem Kamin, neben dem Bett, in dem ein gemütliches Feuer brannte. »Ich danke euch, dass ihr meine Einladung angenommen habt«, erklang eine altersschwache Stimme vom Bett her. »Seid willkommen, in meinem bescheidenen Zuhause, Adrian, Rogue und Lucky« Ich verneigte mich leicht und erwiderte: »Seid gegrüßt, Weiser.« Rogue hingegen blieb stumm. In Anbetracht seines sonst üblichen Benehmens, entschied ich, ihn gewähren zu lassen. »Bitte, bitte, nur keine Umstände. Sagte Felix zu mir. Des Titels Weiser bin ich schon lange nicht mehr würdig.« Er war viel netter, als ich es erwartet hatte. Auch klang seine Stimme sehr freundlich. Eine Schande nur, dass ich keinen direkten Blickkontakt mit ihm hatte. Wenn seine Skills so gut waren wie sein Haus, dann mussten sie der Hammer sein. »Darf ich erfahren, warum du uns zu dir gerufen hast, Felix.« Es fühlte sich seltsam an, einen offenbar älteren, vollkommen Fremden zu duzen. Vor allem wenn diese Person den Titel Weiser trug. »Bevor ich dir das beantworte, muss ich dir eine Gegenfrage stellen. Weiß dein Sklave über dein altes Leben Bescheid?« Felix wusste es. Mir stockte das Blut in den Adern, ganz sicher hatte ich sämtliche Farbe im Gesicht eingebüßt. Er wusste, wer beziehungsweise was ich war. Hastig warf ich einen Seitenblick zu Rogue. Noch hatte ich die Chance, mein Geheimnis vor ihm zu bewahren. Allerdings waren wir so etwas wie Freunde, so sah ich es zumindest. Wir hatten gemeinsam gekämpft, unser Leben riskiert, das Essen und zweimal das Nachtlager geteilt. Ich runzelte die Stirn. Das war meine Gelegenheit, reinen Tisch zu machen. Dennoch musste ich mich schützen und vorsichtig vorgehen. Langsam sprach ich ihn an: »Rogue, es gibt da ein paar Dinge, die ich dir nicht erzählt habe. Wenn du bleibst, musst du mir versprechen, mein Geheimnis zu bewahren. Andernfalls bitte ich dich, zu Garret in die Eingangshalle zu gehen.« Rogue warf mir einen seltsamen Blick zu. »Ich verspreche dir, niemandem etwas zu sagen.« Plötzlich grinste er mich an. »Erfahre ich jetzt, warum du manchmal so seltsam bist, komisches Zeug redest und, was es mit deinem Beutel auf sich hat?« In der Annahme, dass das alles nun ans Licht kommen würde, sagte ich: »Solltest du nach diesem Gespräch noch weitere Fragen haben, beantworte ich sie dir gerne, sobald wir Zeit haben, Deal?« »Deal.« Augenblicklich wandte ich mich dem verhangenen Bett zu. Einfach so die Pistole auf die Brust gedrückt zu bekommen, behagte mir nicht. »Rogue ist nicht mein Sklave, sondern mein Freund. Außerdem wüsste ich gerne, was hier gespielt wird. Woher weißt du über mich Bescheid?« Felix seufzte auf. »Das Temperament der Jugend. Eins von vielen Dingen, die ich vor langer Zeit verloren habe.« Ein krächzendes Lachen erklang. »Nun zu deinen Fragen. Ich habe dich aufgrund deiner drei Extra Skills zu mir kommen lassen. Einen davon besitze ich ebenfalls. Dreimal darfst du raten, welcher es ist.« Meine Pupillen weiteten sich. Ich wusste genau, welchen Skill er meinte: Analyse. Der alte Sack hatte mich vollkommen durchschaut, gleichsam aber verhindert, dass ich dasselbe mit ihm tun konnte. Ein verzwickte Angelegenheit. Ich hatte es zwar schon geahnt, aber nun wusste ich es, Felix war kein Dummkopf. Ihn als Gegner zu haben, wäre äußerst lästig. »Wie ich sehe, kennst du die Antwort.« »Du siehst mich?«, fragte ich verwirrt. »Selbstverständlich.« Ein schemenhafter Umriss schwebte hinter dem Vorhang, auf eben diesen zu. Zum Vorschein kam ein mittelgroßer Spiegel, der durch die Luft schwebte. Sogleich warf ich einen Blick auf das Infofenster. Der Spiegel war mit zwei Verzauberungen belegt: Levitation und Fernsicht. Erstere ließ ihn von selbst schweben, zweitere ermöglichte es dem Besitzer, alles im Umkreis von zwei Kilometern zu beobachten und sogar zu hören. Lautlos glitt der Spiegel zurück zu Felix, während er sagte: »Bei dir kann ich mir eine Erklärung wohl sparen. Bestimmt weißt du bereits, was der Spiegel kann.« »Ach ja? Ich aber nicht«, mischte sich Rogue von der Seite her ein. »Hört gefälligst auf, in Rätseln zu sprechen, das gilt für euch beide.« Bevor ich etwas sagen konnte, meinte Felix. »Komm schon, erzähl uns deine Geschichte, Adrian. Sollte mir gefallen, was ich zu hören bekomme, dann akzeptiere ich dich als meinen Schüler. Mit meiner Hilfe wirst du den Schreckenswolf in die Knie zwingen. Wie hört sich das an?« Was geschehen würde, wenn Felix nicht zufrieden wäre, ließ er aus. Die Situation gefiel mir nicht. Ich sollte einem, mir völlig Unbekannten vertrauen, ohne eine Absicherung. Verdammt noch mal. Das hatte Felix geschickt eingefädelt. Aber welche Wahl hatte ich denn? Ohne seine Hilfe würde ich weder gegen die Horde an Wölfen, und schon gar nicht gegen den Schreckenswolf ankommen. Mir blieb keine andere Möglichkeit, als alle Karten auf den Tisch zu legen und auf das Beste zu hoffen. Für einen kurzen Augenblick schloss ich die Augen und atmete einmal tief durch. Anschließend erzählte ich Rogue und Felix meine Geschichte. Ich begann mit meiner Reise nach Paris, über meine Begegnung mit dem Götterdrachen und wie ich in dieser Welt gelandet war, bis hin zum heutigen Tag. Hin und wieder warf ich Rogue einen Seitenblick zu. Erst sah er ungläubig drein, dann schottete er sich ab. Ich hatte weder eine Ahnung, was in ihm vorging, noch wie es zwischen uns weitergehen sollte. Nachdem ich geendet hatte, herrschte einige Sekunden Schweigen. Dann sagte Felix: »Wirklich faszinierend. Deine Geschichte übertrifft meine Erwartungen bei weitem. Auch kann ich keine Lügen oder Halbwahrheiten erkennen. Wie unsere Vorfahren stammst auch du von der Erde.« Einen Moment, was hatte der Alte da gerade gesagt? »Die Menschen auf diesem Planeten stammen von der Erde? Meiner Erde?« Felix Stimme wurde nachdenklich. »Das könnte sein. Deine Erzählung ergänzt einige unserer bisherigen Thesen. Aufgrund der schier unendlichen Anzahl von Dimensionen innerhalb des Multiversums, gebietet die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Vorfahren ebensogut von einer ähnlichen, aber dennoch anderen Erde stammen könnten als du. Soviel jedenfalls zur Multiversums-Hypothese.« Plötzlich unterbrach die weinerliche Stimme eines Mädchens unser Gespräch: »Dieses rote Biest hat Funkelstern erwischt.« Ich zuckte zusammen. Das musste dann wohl Charlotte sein. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Rogue und Lucky sich überrascht umsahen. Keiner von uns Dreien hatte ihre Anwesenheit bemerkt. Rasch ließ ich meinen Blick schweifen, jedoch konnte ich sie selbst mit Analyse nicht aufspüren. »Das war der Windgeist über dem Haupttor oder?«, fragte Felix. Die Dorfbewohner waren in Gefahr. Wütend ballte ich die Hände zu Fäusten. Was sollte ich schon tun? Ich war viel zu schwach, um mich mit dem Schreckenswolf anzulegen. Angespannt hörte ich weiter zu. »Ja.« Im Hintergrund hörte ich Charlotte schluchzen. Hinter dem Vorhang des Bettes sah ich eine Bewegung. Dann sagte Felix: »Die Evakuierung ist noch nicht abgeschlossen. Wir benötigen mehr Zeit. Schick Glimmer, um die Leute zu beschützen.« Charlotte gab ein Kichern von sich. »Du meinst wohl Schimmer. Glimmer kämpft bereits.« Frustriert schnaubte Felix: »Dann eben Schimmer. Für mich sehen die alle gleich aus.« »Hm«, brummte Charlotte. »Hältst du das für eine gute Idee? Ich traue den Dreien nicht. Was wenn sie versuchen, uns anzugreifen?« Redete sie über uns? Ich konnte nur den Kopf schütteln. Als ob wir in der Lage wären, es mit einem Weisen oder Charlotte aufzunehmen. Ihre Windgeister konnten uns mit nur einem Windschnitt in kleine Stücke schneiden. Streng tadelte Felix seine Enkelin: »Die Drei stellen keine Gefahr für uns da.« Ganz meine Rede. »Tu, was ich sage, Charlotte. Die Leben der Dorfbewohner stehen auf dem Spiel.« Erleichtert stieß ich den Atem aus. Auf Felix war Verlass. Immerhin er verstand es, Prioritäten zu setzen, im Gegenzug zu seiner wohl recht jungen Enkelin.« »Ja, doch. Ich mach ja schon, du alter Griesgram«, nörgelte Charlotte. War sie eingeschnappt? Wie alt war sie bitte schön? Über mir nahm ich eine Bewegung wahr. Ich riss den Kopf hoch und sah einen Windgeist, der rasant auf den Balkon zuschoss. Wo kam der denn auf einmal her? Ich sah zurück zur Tür. Schimmer hatte wohl über der Tür im Halbdunkeln gelauert, bereit, uns Dreien jederzeit den Garaus zu machen. Unglaublich. Ich war beeindruckt und beleidigt zugleich. Wie ich es bereits geahnt hatte, war Felix eine nicht zu unterschätzende Person. Charlotte hingegen konnte ich noch nicht einschätzen. Ihrer Verhaltensweise und Namenswahl ließ mich schließen, dass sie noch sehr jung war. »Ah«, schrie sie plötzlich auf. »Lass Flimmer in Ruhe, du Scheusal. Nimm das, und das. Und das auch noch.« Vom Bett her feuerte Felix sie an. »Pass auf, da kommen noch welche von rechts. Ja, genau so. Das ist meine Enkelin. Zeig den Wölfen, mit wem sie sich angelegt haben.« Wo war ich denn hier gelandet? Meine Mundwinkel zuckten. Die ganze Situation war derart surreal, dass ich nicht an mich halten konnte. Halb belustigt, halb der Verzweiflung nahe, breitete sich ein Grinsen in meinen Gesicht aus. Wo sollte das nur enden? »Die beiden haben sie doch nicht mehr alle«, kommentierte Rogue das Geschehen. Dabei machte er sich nicht die Mühe, seine Stimme zu senken. Innerlich konnte ich nur den Kopf schütteln, aber so war dieser rotzfreche Bengel nunmal. »Rogue«, sprach ich ihn an, »Ich weiß, du hast so einiges zu hören bekommen, aber ist alles in Ordnung zwischen uns?« Mit einem seltsamen Ausdruck in seinen Augen sah er mich an. »Du sagtest, ich sei dein Freund. War das ernst gemeint?« Nach allem, was ich erzählt hatte, fragte er das? Sollte das ein Scherz sein? Erwartungsvoll sah er mich an. Kein Scherz. Offenbar interessierte ihn meine Antwort sehr. Vorsichtig sagte ich: »Ja, das war mein Ernst.« Ein breites Grinsen breitete sich in seinem Gesicht aus. »Danke.« »Wofür bedankst du dich?«, fragte ich ihn irritiert. Er zuckte mit den Schultern und wechselte das Thema: »Hättest du etwas dagegen, wenn ich den Dorfbewohnern helfe? Hier dumm rumzustehen, gefällt mir nicht.« Einen Augenblick dachte ich über seine Bitte nach. Felix und Charlotte waren in ihrer eigenen Welt. Auch für mich gab es hier nichts zu tun. Aus diesem Grund entschied ich: »Ich komme mit.« »Wartet«, hielt uns Felix auf. Anschließend sprach er uns beide nacheinander an: »Adrian, ich bitte dich, hier zu bleiben. Wir haben noch einiges zu besprechen. Rogue, wenn du helfen willst, geh zu Klaus in die Eingangshalle. Bleib aber bitte im Inneren des Gebäudes.« »Du hast mir gar nichts zu sagen, Opa«, fauchte Rogue den Weisen an. Rasch mischte ich mich ein. »Lass es gut sein, ich komme später nach.« Rogue nickte mir zu. »Wie du willst.« Dann stürmte er aus dem Raum. Anschließend bot Felix mir einen Sessel an, bevor er sich wieder dem Kampf und seiner Enkelin widmete. Ich setzte mich vor den Kamin und warteten ab. Zur Untätigkeit verdammt, wippte ich nervös mit dem Fuß. * Etwa eine halbe Stunde später befanden sich die Dorfbewohner in Sicherheit. Dank Charlottes Windgeistern gab es nur drei Opfer zu beklagen. »Das Tor ist geschlossen und meine Freunde patrouillieren um das Anwesen.« Stolz ergänzte sie: »Ich habe mehr als vierzig Wölfe erwischt.« Felix räusperte sich. »Das hast du gut gemacht. Geh jetzt bitte zu Klaus und sag ihm, er soll sich um die Versorgung der Verletzten kümmern. Ich stelle den Dorfbewohnern das Erdgeschoss sowie den ersten Stock zur Verfügung.« »Du kannst dich auf mich verlassen, Opa. Bis später«, kaum waren dies Wort verklungen, hörte ich, wie eine mir verborgene Tür ins Schloss fiel. Ich seufzte in mich hinein, während ich geistesabwesend Lucky auf meinem Schoß streichelte. Zu mehr, als hier dumm rumzusitzen, war ich wohl nicht im Stande. Eine gewaltige Schande für den vermeintlich mächtigsten Magier. »Entschuldige, dass du warten musstest«, richtete Felix seine Worte an mich. »Nun, da alle in Sicherheit sind, können wir fortfahren.« Deprimiert schürzte ich die Lippen. Die Lust, mich mit ihm zu unterhalten, war mir vergangen. Bemüht ruhig fragte ich: »Gibt es einen bestimmten Grund, warum du mich hier festhältst?« Mit freundlicher Stimme sagte Felix: »In der Tat, den gibt es. Zurzeit mögen wir sicher sein. Aber ohne dich, werden wir wohl nicht überleben. Aus diesem Grund wollte ich dich hier in Sicherheit wissen.« Diese Aussage verblüffte mich. Dann verdrehte ich schnaubend die Augen. »Was soll ich schon tun? Du und Charlotte, ihr seid doch viel stärker, als ich es bin.« »In diesem Punkt irrst du dich«, belehrte mich Felix. Er seufzte und begann zu erklären: »Wie so viele, lässt auch du dich von meinem Titel blenden. Die Wahrheit ist aber, seit einem magischen Unfall vor neun Jahren, kann ich keine Magie mehr einsetzen.« Entsetzt schnappte ich nach Luft. Das hatte er also gemeint, als er sagte, er sei seines Titels nicht mehr würdig. Ich bekam ein ganz mulmiges Gefühl in der Magengegend. Wenn selbst ein Weiser einem magischen Unfall erliegen konnte, dann sollte ich wohl besser die Finger von der Magie lassen. »Was meine Enkelin betrifft, so ist sie nicht so stark, wie du glaubst. Charlotte wurde mit einem mächtigen Extra Skill geboren. Diese Fähigkeit erlaubt es ihr, mehrere hochrangige Windgeister gleichzeitig zu beschwören. Im Gegenzug bleibt ihr allerdings der Zugang zu jedweder anderer Magie versagt.« Mit offenem Mund starrte ich das verhangene Bett an. Weder Felix noch Charlotte konnten zaubern. Das hatte ich nicht erwartet. Ich schüttelt den Kopf. »Dennoch ist Charlotte mit ihren Windgeistern eindeutig stärker, als ich es bin.« »Aktuell mag das stimmen, jedoch schlummert in dir ein gewaltiges Potenzial.« Interessiert spitzte ich die Ohren. »Geht es dabei um meinen Skill Magiefulminanz?« »Du hast einen wachen Geist. Deine Annahme ist korrekt. Mit diesem Skill und einigen Jahren Übung, könntest du zum Mächtigsten aller Magier werden. Ganz so, wie du es dir vom Götterdrachen gewünscht hast.« Felix räuspert sich. »Bevor ich dich aber als meinen Schüler akzeptieren kann, muss ich dir eine Frage stellen: Was gedenkst du, mit all dieser Macht zu tun?« Nachdenklich legte ich den Kopf in den Nacken. Darüber hatte ich bisher nicht nachgedacht. Bestimmt machte Felix sich Sorgen, dass ich meine Magie missbrauchen könnte. Würde ich das? Wohl eher nicht. Ich zuckte mit den Schultern und antwortete ehrlich: »Ich wollte lediglich ein paar Abenteuer erleben, Monster verkloppen, mich als Held vom Volk feiern lassen und anschließend ein glückliches Leben in Frieden genießen.« Ich grinste in mich hinein. »So ein Haus wie deines, inklusive Bediensteter, wäre auch nicht schlecht.« Dann wurde ich wieder ernst. »Vor allem möchte ich aber Rogue und Lucky beschützen können. Jeder, der es wagt, sich an meinen Freunden zu vergreifen, wird meinen Zorn zu spüren bekommen.« Den letzten Satz hätte ich mir besser verkneifen sollen. Jedoch war es nichts als die reine Wahrheit. Ich konnte nur hoffen, dass Felix das nicht in den falschen Hals bekam. Stille breitete sich im Raum aus. Gespannt wartete ich ab, während ich nebenbei Lucky kraulte. Weit weg, vom Balkon her, konnte ich Wolfsgeheul hören. Der Abend war angebrochen und färbte das Firmament blutrot. Nach einer schieren Ewigkeit verkündete Felix: »Von heute an wirst du mein Schüler sein. Lerne fleißig, damit dein Traum eines Tages wahr werden wird.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)