Warum Eigentlich Noch Liebe? von tobiiieee (Inspiriert von "Love Sux") ================================================================================ Kapitel 7: Vielleicht Ist Das Alles Doch Gar Nicht Mehr So Lustig ----------------------------------------------------------------- Been lying, my body’s aching What do you do when the hero needs saving?   Sephiroth ließ sich die Sonne durchs Fenster auf eine Gesichtshälfte scheinen. Ihm war zutiefst bewusst, dass er irgendwann würde aufstehen müssen, und er war drauf und dran, sein vermaledeites Hirn anzuschreien, dass es endlich veranlassen sollte, dass er wenigstens ein verdammtes Bein aus dem Bett bekam. „Ich hab noch Akten von gestern auf dem Tisch“, sagte er sich. „Das heißt, ich muss aufstehen.“ Unglücklicherweise hatte das nicht den gewünschten Effekt. Vielmehr lief ihm ein Schauer über den Rücken und er zog sich die Decke wieder über den Körper. I tell the truth but get interrupted Ask about me, I’m quick to change the subject   „Hey, Seph!“ Sephiroth seufzte. Nachdem er es mit deutlicher Verspätung geschafft hatte, zu duschen, seine Haare zu kämmen, sich die Zähne zu putzen und sich anzuziehen, um sich endlich ins Büro zu stehlen, musste ihm auf dem Gang der Wohnetage ausgerechnet Cloud begegnen, sobald er nur die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Wo warst du den ganzen Tag?“ Er wich Clouds Blick aus.      „Wieso?“ „Ich hab dich gesucht“, sagte Cloud schulterzuckend. „Lazard hat eine Besprechung für nachher angesetzt.“            „Oh.“ Vor Sephiroths geistigem Auge erschien das Bild der Akten, die er am Vortag auf seinem Schreibtisch liegen gelassen hatte. Er begann sich auf die Lippe zu beißen. „Seph, bist du in Ordnung?“, hörte er Cloud fragen. Sein Blick ging durch ihn hindurch. „Du wirkst total durch den Wind.“      „Ja, klar“, sagte Sephiroth. „Nur viel zu tun." Er hatte nicht auf die Uhr gesehen, als er aus der Tür war, aber er musste bereits einen signifikanten Teil des Tages verschwendet haben. Wenn er es jetzt ins Büro schaffte, wie lange würde er brauchen, um einen Bericht zu lesen, und wie viele konnte er schaffen, bis es Zeit für die Besprechung war? Wenn er keine Pausen machte, konnte er vielleicht die Hälfte aller Akten vor der Besprechung bearbeiten, eher weniger. Am Nachmittag wollten meist alle möglichen Leute alle möglichen Dinge von ihm und die Mails schlugen im Sekundentakt ein, was für ihn an seinen besten Tagen eine kaum stemmbare Aufgabe war und ihn bis in die Abendstunden beschäftigte. Nach einem Abendessen legte er für gewöhnlich noch eine Nachtschicht ein, um alles in Ordnung zu bringen und für den nächsten Tag vorzubereiten. Eine Uhr schlug zwölf.           „Hallo?“ „Hä?“ „Lebst du?“ Sephiroth blinzelte. Cloud stand noch immer vor ihm.           „Ähm“, machte er. Ihm kam ein Gedanke. „Sag mal ... denkst du, ich muss da hin?“ „Keine Ahnung, Herr General“, sagte Cloud sarkastisch. „Wie alt bist du bitte, zweiundvierzig oder zwölf? Meine Kinder stellen solche Fragen nicht mehr. ‚Muss ich das machen?‘ Ja, logisch musst du.“   Sephiroth fiel einen Moment lang nichts zu sagen ein. Irgendetwas an seiner Kehle schmerzte. „Verzeih meine Naivität“, sagte er bissiger als beabsichtigt. „Ich hab kurz nicht mitgedacht.“ Cloud schaute betreten drein. „Sorry. Die Nerven liegen bei allen blank. Apropos, bist du wirklich OK?“            „Ja, klar“, sagte Sephiroth erneut.     „Warum lügst du mich an?“, fragte Cloud, mit einem Blick so direkt, dass Sephiroth wegschaute. „Ich seh doch, dass es dir nicht gut geht. Ist irgendwas mit Genesis?“ „Nein“, sagte Sephiroth schnell und sehr bestimmt. „Ich hab nur noch ‘ne Menge zu erledigen. Entschuldige mich bitte.“ Und er zog an Cloud vorbei zu den Aufzügen, ohne einen Blick zurückzuwerfen.   „Die Besprechung ist vierzehn Uhr!“, hörte er Cloud noch rufen, als sich die Türen schlossen. Er seufzte und atmete im einsamen Aufzug endlich durch. Noch eine Besprechung also, und er wusste im Moment nicht, wie viel Zeit ihm noch blieb. Warum schlug sein Herz, als würde er rennen? Warum zitterten seine Muskeln, als hätten sie sich angestrengt? Warum schnappte er nach Luft, als wäre er gerade von einem zu langen Tauchgang zurückgekommen? Sein Blick raste blind durch den kleinen Raum, auf der Suche nach diesem einen Loch, durch das er entkommen oder zumindest an frische Luft kommen konnte, sein Mund trocken und er war kurz davor, auf die Knie zu sinken, als sich die Aufzugtüren auch schon wieder auf seiner Etage öffneten. Auf dem Gang standen Soldaten, ins Gespräch vertieft, wartend. Sephiroth schluckte schmerzhaft. Er wappnete sich, nickte den Männern zu und lief den Gang entlang zu seinem Büro. I keep trying just to make it to the end of the day You know I hate it   Die Tür schlug er hinter sich zu, die Augen geschlossen, bis seine Atmung sich endlich beruhigt hatte. Es war nur ein ganz normaler Arbeitstag, sagte er sich. Er hatte schon früher mit sich anhäufenden Aufgaben zu tun gehabt. Wenn er das hier jetzt nicht hinbekam, würden sich alle Abläufe verzögern und alle andern Abteilungen würden auf ihn warten müssen. Wollte er sich wirklich mit der Begründung entschuldigen, dass er es nicht rechtzeitig aus dem Bett geschafft hatte? Er atmete tief ein.   Ein Blick auf sein Handy verriet ihm, dass es bereits kurz vor elf war. Er leckte sich über die Lippen, während er diese Information verarbeitete. Elf. Wo er normalerweise gegen sechs im Büro anfing. Elf. Er konnte sich selbst nicht erklären, wohin diese ganze Zeit verschwunden war. Er hatte nichts getan, nichts, was diese Verspätung rechtfertigte. Er schluckte. Seine einzige Möglichkeit war nun, pausenlos abzuarbeiten, was liegen geblieben war. Er steckte das Handy wieder weg und warf einen Blick auf seinen Schreibtisch. Sofort sank ihm der Mut wieder.            Die Akten, die er am Vortag übrig gelassen hatte, hatten sich vervielfältigt. Ungläubig ging er auf den Tisch zu und strich über die Akten. Berichte über Anfragen, Papiere, Gutachten, Dokumente über Dokumente, alles von ihm durchzusehen und zu beantworten. Der Büroanteil seines Jobs war ihm noch nie lieb gewesen, aber das hier ... Zittrig nahm er einen der Hefter zur Hand und öffnete den Deckel. Die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen. Beim besten Willen würde er nicht in der Lage sein, auch nur ein Wort zu lesen. Er blinzelte und kniff die Augen zusammen, wollte die Worte zwingen, Form anzunehmen, wenigstens lesen konnte er doch wohl noch ...            Er seufzte. Es war vergebens. Vielleicht konnte er wenigstens ein paar der Papiere, die er nur unterschreiben musste, ungesehen ordentlich abheften und die Kopien zum Rausschicken ablegen. Mechanisch umrundete er den Schreibtisch und ließ sich auf den Boden sinken, um in der untersten Schublade nach Tacker und Locher zu kramen, wo er sie allerdings nicht fand. Sein Hirn arbeitete nur sehr langsam und sein Gesichtsfeld schien zu verschwimmen, als er sich im Raum umsah. „Natürlich“, stöhnte er dann. Beide Geräte standen längst auf dem Tisch. Wie kam er auf die Idee, er hätte sie weggeräumt?    Seufzend versuchte er, sich wieder vom Boden zu erheben – doch seine Muskeln versagten ihm den Dienst. Er ließ den Kopf erschlafft gegen den Schreibtisch fallen. Jetzt auch noch das. Auf dem Boden seines Büros gefangen, weil er nicht hochkam. Vielleicht war das aber auch gar nicht das Schlechteste – so hatte er wenigstens eine Ausrede, Lazards Besprechung nicht beizuwohnen. I’m slowly fading, suffocating   Er konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, als ein Klopfen ihn aus seiner Starre löste. Umständlich kämpfte er sich auf die Beine, der Rücken steif; ihm tanzten Sterne vor den Augen. „Ja?“, sagte er, während er sich vorsichtig in den Schreibtischstuhl gleiten ließ. Es war Amber vom Geschäftszimmer, die die Tür öffnete. Er fragte sie, was es gab. „Die neuen Rekruten, die nächste Woche anfangen“, eröffnete sie ihm ohne Umschweife. „Wir brauchen immer noch deinen Plan dafür, es ist Deadline.“  „Oh“, machte Sephiroth. Sein Blick ging für einen Moment durch Amber durch. Was sollte er ihr sagen? – Was wollte sie denn hören? „Ja, ich erledige das noch“, sagte er hohl. Ambers skeptischer Blick ruhte auf seinem überladenen Schreibtisch. „Ist gut, ich weiß auch nicht, wann ich dazu kommen soll, aber danke fürs Angebot, ich brauch keine Hilfe.“ Er funkelte sie an und sie stapfte mit geschürzten Lippen zur Tür hinaus.    Sephiroth verdrehte die Augen und griff nach seinem Handy, um Genesis eine Nachricht zu schicken, dass er bestens verstand, warum er Amber nicht leiden konnte, auch wenn er wusste, dass Genesis die Nachricht nicht lesen würde, als sein Handy vibrierte. Es fiel ihm fast aus der Hand, als er sofort darüber wischte, um zu sehen, ob Genesis ihm endlich zurückschrieb – doch es war Amanda. „Heyhey“, schrieb sie. Sephiroth öffnete den Balken ihrer Nachricht nur auf dem Sperrbildschirm. Es folgte: „Ich bin nächste Woche in Midgar. Sehen wir uns?“ Er schaltete den Bildschirm aus, als das Handy noch einmal vibrierte. „Oder wann kommst du das nächste Mal nach Junon?“, fragte Amanda noch.          „Vielleicht sollte ich die Lesebestätigung ausschalten, dann muss ich nicht immer alles heimlich lesen“, überlegte er. Wann sollte er auch noch Zeit finden, sich mit Amanda zu treffen? Was wollte sie überhaupt von ihm? Sie wusste doch, dass im Moment alles kompliziert war – und plötzlich traf ihn die Wucht der Erkenntnis wie eine Lawine.           Genesis hatte die Lesebestätigung ausgeschaltet. Er hatte alle Nachrichten gelesen. Er wusste, wie schlecht es seinem eigenen Ehemann ging, und entschied sich trotzdem, nicht nach Hause zurückzukehren.  Mit rasendem Herzen durchsuchte Sephiroth all die Nachrichten, die er Genesis seit September geschickt hatte. All die „Du fehlst mir“, „Ich hasse das, wenn ich das Gefühl habe, jemand würde im Schlafzimmer stehen, obwohl ich weiß, dass da niemand sein kann“, „Ich glaub, ich hab letzte Nacht nur ungefähr eine Stunde am Stück geschlafen“, „Lebst du eigentlich noch?“, „Ich wünschte, ich wüsste, wo du bist“, „Wann kommst du wieder?“, „Ich liebe dich“ – vergeblich. Sephiroth verschlug es den Atem.   I say that I’m just fine but I don’t feel alright on the inside I say that I’m OK but I don’t feel OK right now   Die Tür öffnete sich erneut, aber Sephiroth reagierte nicht. Am Rande registrierte er anhand der Statur und der blonden Haare, dass es sich um Cloud handeln musste. Die Figur bewegte sich auf Sephiroths Schreibtisch zu und sein Trommelfell nahm entfernt war, dass etwas gesagt wurde, aber nicht die einzelnen Worte. Vor seinem Gesicht bewegte sich etwas hin und her. „Hallo?“, hörte er Cloud sagen. „Jemand zu Hause?“          Sephiroth seufzte. Er konnte sich dem hier wohl genauso gut stellen. „Was ist jetzt noch?“, fragte er ungeduldig. Langsam stellte sein Blick wieder scharf.        „Ungelegen?“, fragte Cloud. Sephiroth setzte ein falsches Lächeln auf. „Nein, gar nicht.“          Cloud nickte. „Also“, sagte er vorsichtig. „Amber ist sauer auf dich.“       „Das beruht auf Gegenseitigkeit.“     „Sie meinte, ich soll mit dir reden.“   „Und das machst du ganz wunderbar, ich bin stolz auf dich.“          Cloud grinste. „Soll ich dir ein paar von denen hier abnehmen?“    Sephiroths Lächeln erlosch. „Wenn du kannst“, sagte er leise.        „Klar“, sagte Cloud und schob ein paar der Akten auf dem Tisch hin und her. „Sag mal, was war das mit –“ „Ist doch egal“, unterbrach ihn Sephiroth.    „Okaaaay“, sagte Cloud, und zum unzähligsten Male fragte er: „Alles klar?“        Sephiroth starrte ihm einen Moment stumpf in die Augen. „Nein“, sagte er endlich. „Ganz und gar nicht. Aber was soll’s, oder? Es kommt sowieso immer was dazu, also warum mich noch damit abgeben?“     Clouds Blick wurde ratlos. „Was genau –“   „Und jetzt kommt auch noch Amanda an und will ein Treffen.“    „Oh, schrecklich“, sagte Cloud sarkastisch, „eine Freundin, die dich sehen will.“ „Ich hab keine Zeit“, sagte Sephiroth mit einem abweisenden Nicken in Richtung seines Schreibtischs. „Glaubst du nicht ...“, begann Cloud, doch er unterbrach sich, als Sephiroth den Blick abwandte. Er seufzte. „Warum versuch ich’s eigentlich noch? Ich nehm mir hier so einen Stapel, ja?“     „Danke“, sagte Sephiroth leise, noch immer ohne Cloud anzusehen, als der auch schon die Tür hinter sich schloss. Er seufzte und ließ den Kopf auf den Schreibtisch fallen. Honestly I can't shake it, Shake it, shake it Honestly I can't take it   Genesis, du Bastard. Sephiroth konnte zu keinem anderen Schluss kommen. Was sollte es bedeuten, dass er Genesis sein Herz ausgeschüttet hatte, dieser alles gelesen hatte – und keine Reaktion folgen ließ? Wie konnte er so kalt sein? Hatten sie sich nicht „in guten wie in schlechten Zeiten“ geschworen? Sephiroth erlebte so schlechte Zeiten wie seit über zwanzig Jahren nicht mehr, und wo war sein Mann? Ja, wo war Genesis eigentlich?            Natürlich hatte er ihn zuallererst in Banora oder zumindest in Lissabon erwartet, aber niemand im Dorf hatte Genesis gesehen. Sephiroth hatte sogar Ramons Uni-Mailadresse recherchiert, um ihn zu fragen, ob er irgendetwas wusste, aber er war ebenso ratlos. Nun wäre das aber auch abstrus gewesen, wenn Genesis Sephiroth schon wieder verlassen hätte, um stattdessen bei Ramon zu sein ...           Auch die sonst so verlässlichen Photojäger hatten nirgends ein Bild von Genesis erhaschen können. Wenn sein Handy nicht eindeutig eingeschaltet wäre, wäre Sephiroth wirklich überzeugt gewesen, dass Genesis tot sein musste. Natürlich bestand diese Möglichkeit immer noch und das Handy konnte ihm abgenommen worden sein. Aber so richtig glaubte Sephiroth das nicht. Nein, der Bastard las einfach seine Nachrichten, die zunehmend verzweifelter klangen, legte seelenruhig das Handy beiseite und ging weiter seinem Tag nach, wo auch immer das sein mochte. Vielleicht irgendwo in Brasilien, dort musste es leicht für ihn sein, einfach in der Menge unterzugehen.      „Seph? Seph? Seph?“ „Hm?“, machte Sephiroth. Lazard sah ihn vorwurfsvoll an.            „Was du darüber denkst.“     „Oh. Ähm.“ Fuck, schoss es ihm durch den Kopf. Er hatte nicht ein einziges Wort seit Beginn der Besprechung in Lazards Büro mitbekommen. Er sah sich panisch um. Auch Cloud kam ihm nicht mehr zu Hilfe. Er musste auf einen Trick zurückgreifen und das Beste hoffen. „Nichts hinzuzufügen.“ Aus der Fassungslosigkeit, die allen daraufhin ins Gesicht geschrieben stand, schloss er, dass er die falsche Floskel ausprobiert hatte. Er versuchte zu überspielen: „Äh – ich hab auch gleich ‘ne Therapiesitzung, ich denke, es ist besser, wenn ich langsam aufbreche.“ „Ja, denk ich auch“, sagte Lazard, offensichtlich noch immer sprachlos. Sephiroth, alle Blicke meidend, stahl sich flugs aus dem Besprechungsraum. Natürlich hatte er keinen Therapietermin, aber die Ausrede war die erste und beste gewesen, die ihm einfiel. Er lief den Gang entlang, als würde er den Weg zu seinem Therapeuten einschlagen, bog dann allerdings zum Aufzug ab, um sich auf die Etage seiner Teeküche tragen zu lassen, wo er sich ein kühles Glas Wasser eingoss, von dem er kleine Schlucke nahm. So langsam entwickelte sich dieser Tag in einen Horrortrip, was ihm jetzt noch fehlte ... Ja, eigentlich konnte er das gar nicht so genau sagen. Aber vielleicht musste er die schlimmen Dinge nicht auch noch heraufbeschwören.         Als er das Glas zur Hälfte geleert hatte und ein wenig zur Ruhe gekommen war, hörte er wieder sein Handy vibrieren. Es war wieder Amanda. „Hallo, ignorier mich nicht“, schrieb sie. Sephiroth antwortete nicht, sondern ging stattdessen ein paar seiner anderen Unterhaltungen durch. Cloud hatte ihm am Vormittag tatsächlich mehrmals geschrieben und gefragt, wo er war. Genesis hatte sich seit September nicht mehr gemeldet. Sein Schwiegervater hatte ihn schon eine ganze Woche zuvor gefragt, ob es ihm gut ging und ob er am Wochenende etwas Besonderes kochen würde. Und dann waren da mehrere Nachrichten von Yuffie. „Dein Vater würde dich auch gerne mal wiedersehen“ war darunter.        Sephiroth steckte das Handy wieder weg. Yuffie war zehn Jahre jünger als er selbst und trotzdem mit seinem Vater verheiratet, und jedes Mal, wenn er daran dachte, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Er mochte Yuffie, keine Frage. Das Verhältnis zu seinem Vater war ... kompliziert. Dass sie sich erst kennengelernt hatten, als Sephiroth bereits einundzwanzig war, und dass Vincent immer behauptete, nicht geahnt zu haben, dass Sephiroth sein Sohn war, waren Dinge, die er selbst in Therapie nie wirklich hatte aufarbeiten können. Aber Sephiroth musste zugeben, wenn er es zuließ ... war Vincent ihm kein schlechter Vater.       Er seufzte und schaute auf die Uhr. Wenn er sich noch zwei Stunden in seinem verschlossenen Büro vor der Welt versteckte, konnte er Yuffie vielleicht später auf ihrem Heimweg abpassen, so tun, als wäre alles ein Zufall, und sich zum Abendessen einladen lassen. Gut kochen konnte Vincent immerhin. Das musste in der Familie liegen ...             It's like I'm runnin' from an avalanche   „Yuffie hat dich also zufällig aufgegabelt, ja?“, fragte ihn sein Vater, als sie sich nach dem Essen gemeinsam in der Küche um den Abwasch kümmerten.           „Ja, total“, sagte Sephiroth, den Blick starr auf den Teller gerichtet, den er abtrocknete.  „Das hat also nichts mit den Dingen zu tun, die man in letzter Zeit so hört?“     „Was hört man denn so für Dinge?“             „Erzähl du’s mir.“ Sephiroth legte den Teller in seiner Hand ab und nahm einen neuen. Das Handtuch wurde langsam zu feucht, um damit abzutrocknen. Vincent seufzte. „Komm, jetzt erzähl deinem alten Vater, was los ist.“     Sephiroth stapelte die vier mittlerweile trockenen Teller übereinander. Er ließ das Handtuch sinken. „Ich glaub einfach, alle hassen mich. Cloud, Lazard. Eigentlich ganz Midgar. Dann ist da noch so ein blöder Typ. Amanda auch. Und ... Genesis ...“    Das Wasser ging geräuschvoll durch den Abfluss. Sephiroth schluckte. Er stützte sich an der Spüle ab. „Das glaub ich nicht.“, sagte Vincent ruhig. „Und wir hassen dich nicht. Yuffie, deine Schwester, ich.“         „Na gut“, sagte Sephiroth genervt. Er stellte die Teller weg und wandte sich Vincent zu. „Vielleicht nicht alle wie alle. Aber – ich meine –“ Er stockte. „Irgendwie sind alle sauer und enttäuscht. Und ich kann’s ihnen nicht verdenken, ich ... ich bin einfach so unzuverlässig und ein Arsch zu allen – und ich will so nicht sein! Ich bin das nicht ... Ich ... Ach, ich wünschte einfach, Genesis wär da ...“        Er schaute Vincent in die roten Augen auf der Suche nach etwas – irgendetwas, das seinem Gestammel Sinn gab. Vincent ließ fast etwas wie ein verstehendes Lächeln vermuten. „Alles hat seine Zeit. Er hat dir gesagt, er kommt wieder? Dann tut er das auch.“   „Ich weiß nicht ...“     „Glaubst du nicht mehr an eure Ehe?“          „Ich weiß nicht mehr, woran ich glauben soll!“, platzte es aus Sephiroth heraus. Er starrte angewidert auf seine linke Hand. „Was hat dieser Ring für eine Bedeutung, wenn ...“ Seine zugeschnürte Kehle ließ ihn den Satz nicht beenden. Was hatten ihre Ringe für eine Bedeutung, wenn sie nicht zusammen waren? Das hatte er sagen wollen. Es klang so albern. „Komm mal her“, hörte er Vincent sagen. „Papa ist da.“ Sephiroth schaute in Vincents verständnisvolle Augen, rot wie die aufgehende Sonne oder ein gemütlich knisterndes Kaminfeuer, und langsam, ganz langsam ließ er sich auf die Dunkelheit ein, als er sein Gesicht an die Schulter seines Vaters legte und die Welt für einen kurzen Moment zu existieren aufhörte ... Tonight I don’t feel alright on the inside   Über das Hämmern seines Herzens hörte Sephiroth beinahe nicht, wie er an die Tür vor ihm klopfte, aber es musste hörbar gewesen sein, denn nur Momente später öffnete ihm Cloud. „Seph!“, sagte der mit großen Augen. „Du bist wieder da!“     „Ja ...“, murmelte Sephiroth betreten. „Du, ich wollte fragen ... ob ich heute hier schlafen könnte?“       „Logisch“, sagte Cloud sofort und ließ ihn eintreten. „Warst du vorhin wirklich bei deinem Therapeuten?“, fragte er, als er die Tür schloss.         „So ähnlich“, sagte Sephiroth ausweichend. Cloud warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Du kümmerst dich drum, ja?“          „Ja“, sagte Sephiroth ehrlich nickend in dem Wissen, dass Cloud nur genervt war, weil er ihn sehr liebte. Er lächelte schon wieder fast. Clouds Zimmer war nur leicht und angenehm erleuchtet, während draußen die Sonne schon lange untergegangen war. Sephiroth ließ sich bereits auf dem Bett nieder, während Cloud auf einem Stuhl Platz und sein Handy zur Hand nahm. „Was Wichtiges?“   „Ich les grad noch eine Mail von Andy ...“   „Oh, noch mehr Geburtstagstalk?“, fragte Sephiroth und entlockte Cloud so ein Lächeln. „Wie ist die Uni?“            „Erste Prüfungsphase, also Horror. Aber er fühlt sich wohl unter so vielen kreativen Menschen.“           „Musik, huh?“            „Das ist was, das wir nicht verstehen“, sagte Cloud schulterzuckend. „Ich kann auch morgen noch antworten.“     „Nein, nein, mach das jetzt“, sagte Sephiroth schnell. „Ich leg mich schon mal hin, das Tastengeräusch hilft mir beim Einschlafen.“           Cloud tippte bereits auf seinem Handy. „Seit wann brauchst du Hilfe beim Einschlafen?“ Sephiroth grinste und schlüpfte unter die Decke. Sein Rücken kreischte zwar, als sich die Muskeln in seinem Körper zu entspannen anfingen, aber er nahm das als ein gutes Zeichen. Nur Momente später, wie es ihm schien, drehte er sich im Halbschlaf auf die Seite, als auch Cloud zu ihm ins Bett kroch, und mit einem zweiten warmen Körper in den Laken kam ihm der ungefähre Gedanke, dass vielleicht doch gar nicht alles so schlimm werden würde ...  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)