Eine etwas andere Geschichte - Die Klammer muss weg! von izu- ================================================================================ Prolog: Prolog - Wie ich meine Zähne verlor ------------------------------------------- Nun... Wie fange ich am besten an? Ich könnte mit einer laschen Vorstellung anfangen, meinen Unfall, der letztendlich dazu führte, dass ich meine Zähne verlor oder das erste Mal, dass ich bei Dr. J (nach wirklich vielen anderen Zahnärzten, Kieferorthopäden und Kieferchirurgen) die Praxis betrat. Aber ich fange mit der Angst an. Die Angst, die mich heute dazu bringt zu schreiben.   Denn diese habe ich zum ersten Mal nach einem Termin bei meinen „Zahnarzt des Vertrauens“. Ich hatte schon bei (oder vor) vielen Zahnärzten Angst, doch bei Dr J hatte ich immer das Gefühl, gut aufgenommen und angenommen zu werden. Die Ärzte dort sind immer da, haben ein offenes Ohr und sind sehr sensibel. Eine Tatsache, die mir immer sehr gut gefallen hat. Tatsächlich kommt meine Angst nicht davon, dass mich einer der Ärzte geschlagen oder ausgelacht hätte. Um genau zu sein, weiß ich nicht einmal, woher genau meine Angst kommt. Denn schon vor meinen Aufklärungstermin war mir klar, dass die Prozedur mal wieder schmerzhaft werden würde. Wahrscheinlich habe ich einfach vor der Gesamtsituation Angst. Die ganze Scheiße mal wieder von vorne! Fantastisch! Ich weiß, es gibt Menschen, die wirklich schlimmere und schwerwiegendere Probleme haben als ich. Ein verlorenes Bein, lernen, wieder zu laufen oder Krebs mit Chemotherapien. Vielleicht stelle ich mich auch einfach nur an. Diese Menschen würden über meine Geschichte lachen. Und während ich das hier schreibe und ganz realistisch darüber nachdenke wird mir klar: Ich habe ein Problem. Eigentlich ein wirklich kleines Problem im Gegensatz zu dem, was andere Menschen durchmachen müssen. Aber auch etwas, was für andere Menschen in meinem Alter in derselben Situation, oder vielen andere Menschen interessieren könnte. Vielleicht dasselbe oder Ähnliches erlebt haben. Etwas, was andere Menschen bewegen kann. Also schreibe ich einfach weiter.   Ich denke, es führt kein Weg an einer laschen Vorstellung vorbei, also tue ich das nun: Mein Name ist Verena. Ich bin 26 Jahre jung, seit neuestem glücklich verlobt und führe ein normales Leben. Meine Eltern zogen mich und meine drei Geschwister liebevoll auf. Aus uns allen ist etwas geworden: Meine beiden Schwestern A. (28) und R. (24) sind beide Krankenschwestern, mein Bruder F. (22) ist Dachdecker. Ich bin gelernte Einzelhandelskauffrau, vor einiger Zeit habe ich mich jedoch ins Büro gesetzt. Wir wuchsen in der Eifel auf. Wir hatten viele Kinder im Dorf, mit denen wir täglich spielten. Wir sind die letzte Generation, die ohne Handys, Tablets und Konsolen aufgewachsen sind und tatsächlich noch draußen gespielt haben. Ich würde mich selbst als Problemkind beschreiben. Nicht, dass ich als Jugendliche zu Alkohol und Drogen gegriffen hätte... Nein, bei mir gab es andere Themen, die (wie ich glaube) meine ganze Familie geprägt hat. Ich war elf, als ich meinen ersten Unfall hatte. Ich wollte Süßigkeiten bei der nahegelegenen Tankstelle kaufen, also griff ich zum Fahrrad. Eine Fahrzeit von nicht einmal einer Minute, zu Fuß vielleicht fünf Minuten. Doch auf halber Strecke ging das Vorderrad fliegen. Da ich auf den Pedalen des Fahrrads stand, kippte ich vorne über und landete auf dem Kinn. Dadurch brach mein Kiefer und bohrte sich in meinen Gehörgang. Im Klartext eine doppelseitige Kieferfraktur. Ich möchte auf diesen Unfall nicht groß eingehen, da dieser nicht zu den Problemen führte, die ich heute habe. Diesen Unfall möchte ich nur erwähnen, um hier einmal aufzuzeigen, dass meine Eltern es wirklich nicht leicht mit mir hatten und was das für meine Familie bedeutete: Meine Geschwister, damals dreizehn, neun und sieben Jahre alt, wurden damals direkt zu Nachbarn gegeben, damit meine Eltern mir ins Krankenhaus folgen konnten. Arzttermine über Arzttermine zogen sich über ein Jahr immer weiter. Ich kann heute gar nicht mehr aufzählen, wie viele und welche Ärzte mich behandelt haben. Ich denke, meine Geschwister fühlten sich in dieser Zeit vernachlässigt. Ich denke, auch sie hatten eine wirklich schwere Zeit, denn meine Eltern waren (gefühlt) nur für mich da. Das hat mich als elfjähriges Kind schon belastet. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich nach ca anderthalb Jahren komplett genesen war. Ich konnte wieder lachen und ein Kind sein; ich konnte mein Gesicht wieder vollständig benutzen.   Kommen wir nun zum Knackpunkt. Zwei Jahr später, ich war dreizehn, war ich über's Wochenende bei meiner Freundin. Wir spielten miteinander und wie es früher üblich war, fuhren wir Inline Skates. Als wir einen kleinen Hügel runterfuhren und um die Ecke bogen, erfasste mich ein Auto. Um ehrlich zu sein, kann ich mich nicht an viel erinnern. Ich weiß nur noch, wie ich Blutspuckend im Krankenwagen lag, weinte und mich von meiner Mutter verabschiedete. Für ein dreizehnjähriges Mädchen keine schöne Erinnerung. Und ich will nicht wissen, wie sich meine Mutter dabei fühlte. Es muss wirklich schlimm für sie gewesen sein. Es ging alles von vorne los. Meine Kiefergelenke wurden diesmal nach hinten weggebrochen, der Unterkiefer brach einmal zwischen den unteren rechten Schneide- und Eckzahn. Befund: Dreifacher Kieferbruch mit Schädelbasisfraktur am Felsenbein. Zudem brachen mir die oberen vier Schneidezähne (Frontzähne) raus. Wieder ein kräfteraubender Akt, der meine Familie ein weiteres Mal belastete. Wieder Arzttermine über Arzttermine. Ein Thema, welches mich noch immer prägt und mich einschränkt. Denn seitdem trage ich eine lose Prothese. Ein „Übergangsprovisorium“. Ich brauche Zahnersatz. Ich will etwas Festes. Und über dieses Thema möchte ich schreiben. Denn dieses Thema ist für mich heute aktueller denn je. Denn ich hatte gestern meinen ersten Termin, der in die Richtung des festen Zahnersatzes geht. Und der hat mich fertig gemacht. Kapitel 1: Warum ich es immer aufgeschoben habe - Der erste Termin (02.02.2021) ------------------------------------------------------------------------------- Ich bin ein sensibler Mensch. Sensibler, als mir recht ist und als ich es mir eigentlich zugestehen möchte. Peinliche oder unangenehme Situationen überspiele ich gerne mit Humor. So war es auch immer mit meinen Zähnen. Immerhin sieht es ja lustig aus, wenn man die Prothese rausnimmt und Jemanden mit einer riesigen Zahnlücke angrinst. Aber insgeheim hat es mich auch immer gestört, etwas „Loses“ wie ein Gebiss zu haben. Es ist eine Sache, die immer unangenehm für mich war. Wie erzählt man zum Beispiel seinen Schwarm/seinen festen Freund, dass einem die Frontzähne fehlen? Denn im Alter von 14 musste ich das regelmäßig tun. Und wie Jugendliche eben sind, traf ich oft auf Abneigung und Beleidigungen und selten auf Verständnis. Auf Bildern sehe ich immer sofort, dass ich eine Zahnprothese trage. Viele meiner Freunde sagen, dass ihnen das nie aufgefallen ist. Ich weiß aber, wo ich schauen muss. Denn neben den vier Frontzähnen die mir fehlen sieht man nach zwei weiteren festen Zähnen (genau gesagt am jeweils 1. Prämolar) einen Draht, der den festen Zahn umschließt und somit die Dritten oben halten. Ich will nicht sagen, dass es schlecht aussieht. Die Prothese sieht sogar sehr gut aus! Doch stellt euch einfach mal vor, wie ich und mein Verlobter uns abends die Zähne putzen. Ja, ihr dürft bei der Vorstellung ruhig lachen, wie wir nebeneinander stehen er sich die Zähne putzt, während ich meine Prothese mit der Zahnbürste bearbeite. Es ist für mich (und auch für ihn) normal geworden. Tatsächlich hatte ich sogar schon einmal die Situation, dass ich meine Prothese im See raus gespuckt und verloren hatte. Mein Verlobter M., hat sie eine geschlagene Stunde gesucht, nachdem er sich bei unseren Liegepartnern eine Taucherbrille ausgeliehen hatte. Er ging auf die wildfremden Leute zu und sagte: „Hi, ich bin M. Entschuldigt die Störung, aber meine Freundin hat ihre Zähne im See ausgespuckt. Kann ich mir mal bitte eure Taucherbrille ausleihen, um sie zu suchen?“ Toll, oder? Stellt euch bitte einmal bildlich vor, wie ihr einen schönen Tag am See verbringt und irgend so ein Typ mit diesen Worten auf euch zu kommt. Also im Normalfall würde ich mich veräppelt fühlen. Mir war es nicht nur peinlich, sondern auch wirklich beschämend. Immerhin stand mir in diesem Moment wortwörtlich ins Gesicht geschrieben, dass ich nicht wie andere Menschen bin. Denn wenn die Zähne erst einmal raus sind, gibt es eine unschöne Delle in der Lippe, die ganz offensichtlich aufzeigt, dass dort etwas fehlt. Wenn man währenddessen auch noch am heulen ist, weil die Zähne futsch sind, sieht man nicht nur die Delle sondern auch das nackte Zahnfleisch. Nicht nur unschön, sondern auch peinlich. Auch vor den Freunden, mit denen wir eigentlich einen schönen Tag am See verbringen wollten und stattdessen eine Tour zum Zahnarzt fuhren, da wir nur mit einem Auto unterwegs waren. Sie waren wirklich sehr verständnisvoll, haben mich getröstet und gesagt, dass das nicht schlimm sei. Aber trotzdem: Man fühlt sich einfach fremd. Dazu kam, dass ich meinen Chef im Aldi anrief, um ihm zu sagen, dass ich am nächsten Morgen (ein Samstag) nicht zur Arbeit kommen könnte, da ich meine Prothese im See verloren hatte. Die große Freude könnt ihr euch sicher vorstellen!   Daher kommt die große Frage auf: Warum lasse ich mir kein Zahnimplantat machen? Eine gute Frage. Immerhin ist diese Prothese, die ich auch heute immer noch trage, ein Provisorium. Wie der Name schon sagt eine Übergangslösung, die ich eigentlich nur im Alter zwischen vierzehn bis ungefähr zwanzig tragen sollte. Also bis mein Kiefer ausgewachsen ist und man sich dann etwas Festem widmen kann. Warum also habe ich das vor sechs Jahren nicht gemacht?   Nun, zum einen ist das auch eine psychische Frage. Keiner von uns mag Zahnärzte, man sucht sie am liebsten nur im Notfall auf. Für mich war das nie ein Problem, ich habe in meinen jungen Jahren schon gefühlt hundert Zahnärzte, Kieferorthopäden und Kieferchirurgen kennen gelernt. Es hat mich nie gestört, mich auf den Zahnarztstuhl zu setzen, solange es nur um eine Karies ging. Doch ich musste feststellen, dass ich mit den Jahren eine gewisse Angst entwickelt habe, sobald es um die Prothese ging, oder eher gesagt, um den Schritt nach der Prothese. Woher das kommt? - Keine Ahnung. Doch immer wenn meine Eltern, meine Geschwister, mein Verlobter oder jemand anderes mich darauf ansprach, was denn nun mit dem festen Zahnersatz sei, habe ich es geschickt auf ein anderes Thema abgelenkt. Komisch eigentlich. Denn das wäre ja der logische Schritt, nachdem man etwas Loses hat und nun etwas Festes haben möchte.   Als nächstes kommt natürlich die Kostenfrage. Denn sind wir mal ehrlich (und das ist auch kein Geheimnis): Zähne sind Schweineteuer!! Bitte lasst mich euch eines ans Herz legen: Sucht euch eine gute Zahnzusatzversicherung! Egal wie gut oder schlecht eure Zähne sind. Egal, wie alt oder Jung ihr seid. Das rettet euer Sparschwein! Es kann immer was mit euren Zähnen passieren, was am Ende wirklich, wirklich, wirklich teuer ist. Und nein, ich habe keine Zahnzusatzversicherung. Warum? Nennt mir eine Versicherung, die mir bereitwillig Implantate bezahlen will. Genau.- Keine. Ja, ich höre euch schon schreien: „Schau doch mal in der Werbung – die haben da ein Angebot!“ Ja, haben sie. Aber nicht für Zähne die nicht vorhanden sind. Man müsste sich für viele Jahre bei dieser Versicherung verpflichten und würde extrem hohe Beiträge zahlen, was am Ende des Spiels teurer ist, als es selbst zu bezahlen. Gut, da wir das nun geklärt haben, erzähle ich weiter. ;-) Ich würde mich als Normalverdiener beschreiben. Mit meinem Gehalt und dem meines Verlobten, können wir uns zusammen schon schöne Sachen leisten. Unser Hobby sind Autos, genauer gesagt Japaner. M Hat sich vor zwei Jahren einen wirklich schönen Nissan gegönnt, ich besitze seit vielen Jahren einen alten Honda. Das geht natürlich ins Geld. Wir haben uns mit Freunden zusammen eine Halle angemietet, eine Hebebühne gekauft, hier und da ein paar Tuningteile. An sparen für die Zähne habe ich generell nicht gedacht. Oder genauer gesagt: Ich hatte daran gedacht, habe es aber nicht getan. Ich bin ja auch keine Oma! Ich hatte mich bis zum Seevorfall mit einer losen Prothese arrangiert, auch wenn ich meinen Eltern bei der Frage Zahnersatz immer sagte: „Ja, das müssen wir bald mal machen.“, was so viel heißt wie: „Ja, vielleicht wenn ich im Lotto gewonnen habe.“ Nennt mich verrückt, aber generell ist es für mich auch keine schöne Vorstellung, wie mir Dr J das Zahnfleisch vom Oberkiefer abzieht, mir in den Knochen reinbohrt und dann ein Gewinde da rein setzt, um schließlich dort Zähne reinzuschrauben. Da läuft's mir kalt den Rücken runter. Dennoch kam in mir immer weiter der Wunsch auf, etwas Festes zu haben. Die Prothese stört mich immer mehr. Und auch wenn ich über mich und meine Prothese lachen kann, bin ich davon überzeugt, dass Implantate da doch die bessere Lösung sind, so sehr ich auch das lustige Zähneputzen mit meinem Verlobten schätze.   Also habe ich einen Termin bei meinen Zahnarzt Dr J gemacht. Ein sogenanntes Einleitungs- und Beratungsgespräch. Und das war gestern. Und das ist der Grund, warum ich anfing zu schreiben. Die Verwirrung darüber, dass ich gestern vor meinen Zahnarzt geheult habe ist wirklich groß. Auch wenn ich sensibel bin, bin ich keine Frau die so schnell anfängt zu weinen. Ich mache das meist mit mir selbst aus, und drauf los heulen kommt für mich weder in Frage, noch ist es eine Option. Wenn ich ein Problem habe, bin ich der typ Mensch der es lieber in Angriff nimmt, als sich selbst zu bemitleiden. Aber von Vorne:   Dr J ist ein wirklich netter Herr mittleren Alters. Ich kenne ihn schon seit über zehn Jahren, nachdem ich meine erste, wirklich schlechte Prothese die den gesamten Gaumen überdeckte von einen anderen Zahnarzt bekam, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen und veranlasste sofort sein Zahnlabor, mir eine Neue anzufertigen. Meine Eltern sind seitdem von ihm überzeugt, gehen auch selber in die Praxis. Alle Ärzte aus seinem Team sind mir bekannt und wirklich sympathisch. Auch wenn meine Zahnärzte mich fragten, wann wir das Thema Zahnersatz denn mal in Angriff nehmen wollten, kam meine seit Jahren typische Antwort: „Ja, müssen wir bald mal machen.“ Daher denke ich, hatte Dr J sich schon damit abgefunden, dass er mir kein Gewinde in den Kiefer schrauben durfte. Im Januar habe ich aber endlich einen Termin zum Thema Zahnersatz gemacht, habe es auch meinen Eltern erzählt, welche mir ein Feedback von Verwirrung, Freude bis hin zu ironischer Kommentare gaben. Ich denke, auch sie hatten das Thema abgeschrieben. Umso verwirrter war ich, als sie mir zum Geburtstag neben neuen Werkzeug einen vierstelligen Geldbetrag für meinen Zahnersatz schenkten. Nun stellt euch vor: Eine Sechsköpfige Familie hat nie viel Geld. Wir waren nie reich, aber ich kann behaupten, dass wir immer glücklich waren. Umso mehr schockierte es mich, als ich den Umschlag öffnete und dort ein Geldbetrag im Wert von zwei Monatsmieten drin war. Mein erster Gedanke: SIND DIE DENN VERRÜCKT?! Ich wollte das Geld nicht annehmen, doch meine Eltern bestanden darauf. Immerhin hatten sie das Geld extra für mich gespart. Etwas, was ich nicht getan hatte. Ich habe zwar ein Tagesgeldkonto auf dem ich immer spare, doch das gesparte Geld war immer für Urlaub, Autoteile oder einen Notfall gedacht. Vor dem Termin habe ich das „Notgroschen-Konto“ also auch als Zahngeld-Konto abgeschrieben und hatte dadurch ein gutes Eigenkapital, wenn man das so nennen kann. Wie auch immer...   Als ich bei Dr J rein kam, grinste er mich durch seine Maske wie ein Honigkuchenpferd an und verkündete: „Ach Verena, Ihre Mutter hat mir gestern auch eine Email geschrieben.“ - „Wie bitte?!“, platzte es aus mir heraus. Ich befürchtete schon das Schlimmste. Zurecht. „Ja, sie hat mir geschrieben, ich möge Ihnen doch bitte einen angenehmen Preis machen.“ Mir fiel alles aus dem Gesicht. Hier darf ich anmerken, dass Mütter nicht nur in der Pubertät peinlich sind. Meine Mutter kann das ein ganzes Leben lang. „Das hat sie nicht getan!“, antwortete ich, was Dr J zum lachen brachte. „Das ist doch voll in Ordnung!“, meinte Dr J, immernoch durch seine Maske grinsend. Er ist jedenfalls kein Kind der Traurigkeit. Nachdem er die Routine-Untersuchung gemacht hatte und mein Röntgenbild vorlag, setzten wir uns an einen Tisch. Er hatte mein Röntgenbild in ausgedruckter Version vor sich liegen und sah mich an. „Nun, Verena, das wird nicht so einfach, wie wir uns das dachten.“, meinte er und tippte mit einen Stift auf der Kopie rum. Schlag Nummer eins. Aber ich ließ mir nichts anmerken. „Warum dachte ich auch, bei mir wäre einmal etwas einfach?“, fragte ich spaßend und grinste ihn durch meine Maske an.   Dr J hingegen sah mich noch einmal prüfend an, bevor er fortfuhr, mir erklärte, dass sich über die Jahre mein Kiefer zurück gebildet hatte und man erst einmal eine sogenannte „Knochenaufbau-Therapie“ machen müssen. Ich merkte, wie mir die Tränen kamen. Bloß nicht heulen! Ich klimperte sie weg. Er erklärte weiter, dass man bei diesem Knochenaufbau ein Stück Knochen aus dem Unterkiefer entnimmt und dieses Stück schließlich am Oberkiefer einschraubt, wo man den Knochen braucht. Warum ich mir Dr J dabei psyschohaft lachend mit einer Werkstattfräse über meinem Gesicht hängend vorstelle, ist mir ein Rätsel. Anschließend wird das Zahnfleisch wieder zu genäht und es muss etwa ein halbes Jahr heilen. Bei der Erklärung kritzelte er unentwegt weiter auf dem Röntgenbild, um mit alles zu veranschaulichen. Ich merkte, wie mir die Tränen wieder kamen. Ein ganzes halbes Jahr, bis ich wirklich festen Zahnersatz haben KÖNNTE! Denn diese Prozedur garantiert nicht, dass der Knochen wirklich dran wächst. Als die (für meinen Geschmack viel zu aufmerksame) Zahnarzthelferin mit der Tempo Box kam und mir entgegen streckte, war es bei mir vorbei. Ein leiser Schlurzer entkam mir, was Dr J in seiner Erklärung und seinem Kritzeln stoppen ließ. „Alles okay?“ Ich nahm mir ein Tempo aus der Box, nickte schnell und wischte die Tränen weg. Ich hätte mich nicht schminken sollen! Dr J erklärte mir professionell den ganzen Ablauf, sagte, dass ich mir das gut überlegen sollte und schickte mich auf den ersten Schock erst einmal nach Hause. Im Auto angekommen brach ich so richtig in Tränen aus. Ich brauchte eine geschlagene Stunde, bis ich mich einigermaßen ein bekommen hatte und los fahren konnte. So kenne ich mich nicht. Das macht mir irgendwie Angst. Wie soll das denn weiter gehen, wenn mir bei jedem Wort aus seinem Mund die Tränen kommen?   Als ich endlich zu Hause ankam, brauchte es nur einen Blick von meinem Verlobten und erneut brach ich in Tränen aus, obwohl ich mir fest vorgenommen hatte nicht zu heulen. M sah man die Überforderung ganz deutlich in den Augen an. Sein Allheilmittel für alles: „Schatz... Setz dich erstmal hin... Ich hol dir ein Bier. Nicht weinen! Was ist denn los?!“ Dafür liebe ich ihn! M. ist bei vielen Sachen überfordert. Ich bin die „Reglerin“ in unserer Beziehung. Auch als eine gute Freundin der Familie starb, ich in Tränen ausbrach und mein Verlobter das sah, gab es nur eine einzige, unbeholfene Lösung: Bier. Er kann mich einfach nicht weinen sehen.   Tatsächlich entfloh mir ein kleines, verheultes Lachen. „Es ist nichts!“, beteuerte ich, ließ mir dennoch bereitwillig mein Bier öffnen und nahm einen großen Schluck. Dann erklärte ich ihm alles, was Dr J mir gesagt hatte, verdrückte dabei einige Tränchen. Ich glaube, ich habe seit Jahren nicht mehr so heftig geheult. Warum das so ist? Ich weiß es nicht. Ich wusste schließlich, dass das schon ohne den Knochenaufbau schmerzhaft werden würde. Warum also ist es deshalb etwas Anderes? Oder hätte ich auch geheult, wenn Dr J mir ein positives Feedback gegeben hätte? Nach dem Motto „Jo, morgen können die Zähne rein“.   Ich denke es ist die Angst davor, dass es so schlimm werden könnte, wie Damals. Ich habe Angst vor den Schmerzen, vor einer Knochenentnahme und vor allem, was irgendwie dazu gehört. Ich habe Angst, ein halbes Jahr ohne Zähne rumzulaufen. Das hat irgendwie einen Touch von „asozial“. Ich weiß nicht, was auf mich zu kommt und das macht mich nervös. Ich weiß, dass das bescheuert ist. Aber trotzdem kam ich wegen dieser Verwirrtheit darauf, eine Art Bericht zu schreiben und diesen mit euch zu teilen. Vielleicht ist Jemand in meiner Situation, hat ähnliche Probleme, Gedanken, oder einfach nur Lust, meine kleine Geschichte und meinen Werdegang zu verfolgen. Und solange ich nur einen Menschen mit diesem Bericht erfreuen kann, hat es sich gelohnt. Kapitel 2: Die Experten – Der zweite Termin (25.02.2021) -------------------------------------------------------- Ich machte mir in den nächsten Tagen wirklich viele Gedanken, ob ich das alles wirklich machen will. Nachdem ich die ersten Zeilen geschrieben hatte wurde mir immer mehr klar, warum ich so eine Angst habe. Es ist nicht einmal das Thema Geld oder Schmerzen... Es ist die Tatsache, dass ich ohne Zähne im Gesicht rumlaufen müsste. Nennt mich 'Oberflächlich', aber ich habe wirklich keine Lust ein halbes Jahr ohne Frontzähne herum zu laufen. Auch wenn mein Freundeskreis das mit den Zähnen weiß und wir gerade sowieso Corona haben und mit Maske rumlaufen müssen, ist es mir einfach unangenehm. Wir müssen nicht weiter darüber reden, dass es nicht schön aussieht, doch sich ein halbes Jahr ohne Zähne vor den Verlobten stellen und sich dabei „begehrenswert“ zu fühlen, ist für mich nicht machbar. Es ist eben eine Sache, die bei mir ganz tief drinsitzt, auch wenn so viele gesagt haben, dass das alles halb so schlimm sei. Auch als mein Bruder F an einen Abend bei uns war, wurde das wieder ein tiefsinnigeres Gespräch, als ich es mir erwünscht hatte. Mal wieder war ich am heulen. Ich glaube, ich habe mein Kontingent an Tränen mindestens für die nächsten zehn Jahre aufgebraucht. Ich habe oft und lange mit M darüber geredet. Er meinte, dass das auch für ihn nicht schlimm wäre. Leicht zu sagen, für Jemanden der mit seinem Oral-B-Lächeln Werbung machen könnte. Noch dazu käme das Handicap mit dem Essen. Auch wenn meine jetzige Prothese lose ist, war sie immer eine gute Stütze beim Abbeißen. Esst mal einen Apfel ohne Frontbeißer... Viel Spaß! =P Letztendlich zog ich sogar in Erwägung, mir eine sogenannte „Brücke“ einbauen zu lassen. Bei dieser Methode des Zahnersatzes werden die nächsten benachbarten Zähne als Pfeiler benutzt. Diese werden runter geschliffen, wie eine Krone präpariert und zur Stabilisierung und Befestigung genutzt. Dazwischen sitzen dann die künstlichen Zähne. Ein Knochenaufbau ist hierfür nicht nötig. Mein persönlich großer Nachteil bei dieser Prozedur ist ganz einfach zu erklären: Zwei Zähne werden komplett unbrauchbar, um vier Zähne zu ersetzen. Dazu sind es vier Zähne, die eine leichte Biegung machen. Das heißt, die Brücke wird auf Kurz oder Lang, je nach Belastung brechen. Selbst wenn sie nicht kaputt gehen würde, hat so eine Brücke eine Haltbarkeit von etwa zehn Jahren. Dann sind die benachbarten Zähne eventuell unbrauchbar. Im Endeffekt würde ich also in etwa zehn Jahren wieder vor dieser Entscheidung stehen: Eine Brücke, dieses Mal würde ich zwei weitere Zähne opfern, um sechs Zähne zu ersetzen (Falls das überhaupt möglich ist), oder Implantate, Knochenaufbau, also alles mit allem drum und dran mit dem Stand von heute. Für viele Leute ist diese Brücken-Lösung ganz toll, ich will sie absolut nicht schlecht machen! Nur in meinem Fall ist so eine Brücke eben unvorteilhaft. Dennoch könnt ihr mein inneres Dilemma vielleicht verstehen, ich stehe einfach nicht so auf Schmerzen und dann noch ein halbes Jahr so aussehen, als hätte man (ganz unkonventionell gesagt) eine auf's Maul bekommen, steht eigentlich nicht unbedingt auf meiner To-Do Liste. Dazu kam, dass Bekannte, Freunde und Familie auf einmal alle zu Experten wurden. Kennt ihr das? Jeder weiß auf einmal alles besser. Ich kann mich davon nicht los sprechen. Ein Beispiel: Man schaut Nachrichten. Vielleicht Politik oder sowas, ganz aktuell ist ja momentan auch Corona. Ich weiß natürlich viel besser als unsere Politiker, was zu tun ist. Ich habe diese Sache extrem. Ich schaue mir die Nachrichten an und weiß natürlich sofort, wie man es Besser machen kann, obwohl ich null Ahnung von Politik, Corona oder Viren habe. Als wäre ich Politiker, Arzt oder Virologe. Als wäre ich ein Experte. Das gleiche passierte in den Tagen, nachdem ich den ersten Termin hatte. Auf einmal war jeder in meiner Familie und aus meinem Bekanntenkreis ein Zahnarzt, ein Chirurg oder ein Implantologe. Sprüche wie „Lass dir für jeden Zahn ein einzelnes Implantat machen.“ oder „Nimm doch besser den anderen Zahnarzt, der macht das schon seit Ewigkeiten.“ waren keine Seltenheit. Mir wurden Zahnärzte empfohlen, ein Labor in Köln, welches anscheinend „Zahnkunst“ betreibt und etliche Zahnzusatzversicherungen, bei denen beim genauen hinschauen und vorrechnen auch den Experten klar wurde: Das bringt nix. In diesen Momenten merkte ich, wie nervig ich selbst sein kann. Ich halte mich in Zukunft aus der Politik und der Coronakriese raus. Ich hatte es satt zu jammern, zu heulen und von jedem „Gute Ratschläge“ zu bekommen. Immerhin ist das hier eine Sache, die nur mich selber etwas anging. Auch wenn ich es schätze, dass meine Mutter immernoch mit mir zum Arzt gehen will, um diverse Sachen abzuklären, finde ich, dass ich so langsam auch mal erwachsen bin und für mich selbst sprechen und Fragen stellen kann. So sehr ich meine mütterliche Mutter schätze. Also fing ich an, mich unabhängig schlau zu machen. Schließlich leben wir in einer Zeit, in der man nur die richtigen Worte in die Suchmaschine eingeben muss, und schließlich von Informationen überflutet wird. Also ran an den Speck! Der YouTube-Kanal von Dr J hat mir viel weiter geholfen. Corona sei Dank - hat er sich vielen Themen gewidmet, wo man sich einen persönlichen Termin sparen kann. Eine Beratung war demnach also auch von Zuhause möglich. Daher konnte ich mir direkt von Dr J erklären lassen, was nun passiert, wie es passiert, welche Vor- und Nachteile es bei verschiedenen Behandlungen gibt und welche Sachen man vorher beachten sollte. Auch über eine Brücke habe ich mich weiterhin schlau gemacht und abgewogen, was in meinem Fall sinnvoller wäre, weshalb ich letztendlich zu dem Schluss kam, den ich bereits oben aufgeführt habe. Sinnvoller: Implantate; Leichter: Brücke. Der Knochenaufbau bereitete mir ebenfalls weiterhin Magenschmerzen. Immerhin ist es kein Zuckerschlecken, sich ein Stück seines Knochens entnehmen zu lassen. Ich stelle es mir schmerzhaft vor. Also befragte ich Tante Google nach Erfahrungsberichten, die sie mir bereitwillig anzeigte. Ich kam in einem Forum an, bei dem viele Leute beteuerten, dass dieser Eingriff nur halb so schlimm sei. Schmerzen – Ja; Unendlich schlimme Schmerzen – Nein. Also konnte mich dieses Forum zumindest etwas beruhigen, denn ich kann von mir behaupten, relativ gut mit Schmerzen klar zu kommen. Wenn da nicht diese Sache mit dem nackten Zahnfleisch wäre... Doch auch hier konnten mich einige Foren-Berichte beschwichtigen: Bei vielen Patienten wurde die Prothese angepasst und wieder benutzt, sobald die Schwellung zurück gegangen war. Ein kleiner Hoffnungsschimmer. Letztendlich ging ich ziemlich entspannt zum nächsten Termin. Nachdem ich zu meinem ersten Termin ziemlich unvorbereitet kam, hatte ich mich dieses Mal vorbereitet, ein paar Notizen gemacht und Fragen aufgeschrieben. Puh, was kam ich mir erwachsen vor! Auch für Dr J hatte ich meinen Bericht einmal ausgedruckt und zukommen lassen. Immerhin könnte es ihn ja interessieren, was in seinen Patienten vorgeht. Auch wenn seine jetzige Patientin leicht bescheuert, sentimental und verrückt ist. Anscheinend hat ihm dieses Skript tatsächlich gut gefallen, denn ein weiteres Mal kam Dr J weit grinsend in den Behandlungsraum hinein. Ja, bei ihm sieht man das auch ohne Maske. „Huhuuuu!“, grüßte er mich sogleich. Gemeinsam setzten wir uns an den Tisch, sprachen kurz über meine „Etwas andere Geschichte“ und kamen schließlich zum Thema. Er sah sich nochmal kurz meine Prothese an, mein Lächeln und meinen nicht vorhandenen Kiefer, welcher aufgebaut werden muss. Ich arbeitete brav meine Liste mit Fragen ab und meine größte Sorge löste sich in Luft auf: „Sobald der Knochenaufbau gemacht wurde, muss ich dann ohne Zähne rum laufen?“, frage ich ihn, für mich die Frage aller Fragen. „Um Gottes Willen, ich kann sie doch nicht ein halbes Jahr ohne Zähne rumlaufen lassen!“, warf er gleich ein. Meine Erleichterung könnt ihr euch sicher vorstellen. Professionell wie er ist, erklärte er mir, dass der Kiefer aufgebaut wird und die Prothese anschließend angepasst wird, sobald alles abgeschwollen ist. Immerhin ist das immernoch ein operativer Eingriff. Doch vorab muss noch etwas anderes geregelt werden: Meine Weisheitszähne müssen raus. Alle. Wenn ich mir vorstelle, was in diesem Jahr in meinem Mund alles los sein wird, bekomme ich wieder ein flaues Gefühl. Doch was tut man nicht alles für ein schönes Lächeln..? Außerdem hätte ich das mit den Weisheitszähnen ja auch ohne das ganze Drumherum machen müssen, also warum nicht jetzt? Dr J riet mir, das noch machen zu lassen bevor wir mit der Implantat-Geschichte starten, da er so auch besser ein Stück Knochen für den Knochenaufbau entnehmen könnte. Er empfahl mir einen guten Kieferchirurgen, mit dem die Praxis nahe zusammen arbeitet und schrieb mir direkt eine Überweisung. Als nächstes kam dann noch die Kostenfrage. Für diese verabschiedete ich mich von Dr J und ging zu den netten Damen, die für die Praxis Kostenvoranschläge und wahrscheinlich noch einiges mehr machen. Diese zeigten mir zuerst den vereinfachten Kostenvoranschlag, der mich schon um einiges beruhigte. Bei meiner Kostenvorstellung für Implantate ohne Zahnzusatzversicherung und zwei Kronen, die ebenfalls noch gemacht werden sollen bin ich wohl weit über's Ziel hinaus geschossen. Im Klartext habe ich mir Kosten von etwa 20.000€ vorgestellt, zum Glück ist es „nur“ etwa die Hälfte. Ein Punkt, bei dem ich aufatmen kann. Es ist immer noch viel Geld, natürlich. Aber es sind keine 20.000€. Anschließend gaben sie mir den detaillierten, sogenannten „Heil- und Kostenplan“ mit Anlagen, eine 12-Seitige Lektüre mit Leisungsbeschreibungen, die kein Mensch kennt. Lustige Begriffe wie „Adhäsive Befestigung“, „Stoma: Osteosynthese Titanschraube“ und „Neoss-Anatomischer Gingivaformer“ sind dort aufgelistet. Und diese lustigen Begriffe habe ich nur auf einer von zwölf Seiten gefunden. Dinge, die ich niemals auf meine Einkaufsliste setzen würde, aber kaufen werde ich sie in Zukunft dann wohl trotzdem. Nun, jedenfalls werde ich mich dann erst einmal an den Kieferchirurgen wenden, bei dem ich mir lustigerweise erst einmal vier Zähne entfernen lasse, damit ich mir vier künstliche Zähne einbauen lassen kann. Das wird ein Spaß! Kapitel 3: Zwischending – Mein Termin bei Dr. H (06.04.2021+22.04.2021) ----------------------------------------------------------------------- Kennt ihr den Unterschied zwischen einer Narkose und einer Sedierung? Ich kannte den Unterschied bis vor kurzem nicht. In der Theorie heißt es wie folgt: Die Narkose ist ein bewusst herbeigeführtes Koma. Mithilfe von Medikamenten und/oder Narkosegasen werden Bewusstsein und Schmerzwahrnehmung ausgeschalten. Das heißt, man ist in einen komatösen Zustand, muss beatmet werden und nicht ansprechbar. Die Analgosedierung ist ein Mittelding zwischen örtlicher Betäubungsspritze und Vollnarkose. “Analgo” steht für Analgesie/Analgetika und “Sedierung” für Sedativum/Schlafmittel. Vereinfacht eine 2-in-1-Lösung. Man schläft also während man gleichzeitig ansprechbar ist. Im Gegensatz zur Vollnarkose atmet man auch selbstständig. Auch ist eine Sedierung deutlich günstiger als eine Vollnarkose. Das Verrückte aber: Nach dem Aufwachen weiss man angeblich von Nichts mehr. Warum ich das erzähle? Ganz einfach: So eine Sedierung hatte ich bei meinem letzten Termin von Dr. H. 06.04.2021 – Das Vorgespräch Obwohl ich eine Überweisung von Dr. J hatte, wartete ich etwas über einen Monat auf einen Termin bei Dr. H. Er schien mir somit sehr gefragt zu sein... Der Mai zog sich also wie Kaugummi zwischen neuen Corona-Bestimmungen, Corona-Lockerungen, Lockdown Nummer Drei und Kurzarbeit. Der April kam aber doch und schließlich auch mein Termin. Könnt ihr euch noch erinnern, dass ich auf dem Land groß geworden bin? Ich wohne immernoch mitten im Nationalpark Eifel. Wenn ich eine Ampel sehe, flippe ich aus. Wenn ich zu viel Beton an einer Stelle ist, flippe ich aus. Wenn ich in der Stadt fahren muss, flippe ich grundsätzlich aus. Drei Mal dürft ihr nun raten, wo Dr. J mich hin überwiesen hat... Genau. Mitten in die Stadt. Genauer gesagt nach Rheinbach, etwa 15 Kilometer von Bonn entfernt. Schöne Wurst! Doch auch meine Ampel- und Stadtphobie konnte ich überwinden. Auch wenn ich irgendwo in die falsche Straße einbog und mitten in einer Sackgasse landete. Habe ich schon erwähnt, dass ich Städte hasse? Diese Sackgasse habe ich aber ganz schnell zum Parkplatz umfunktioniert und bin den Rest des Weges zu Fuß gegangen. Man muss eben praktisch denken. Nach einer wirklich sehr kurzen Wartezeit wurde ich zu allererst durch Dr H über den Ablauf und mögliche Risiken voll aufgeklärt. Anhand meiner Röntgenbilder konnte er schon abschätzen, dass alles unproblemtisch verlaufen wird. Man wird auch auf den Ablauf und die Tage vor und nach der Operation vorbereitet. Das fand in einem separaten Termin vor dem eigentlichen Eingriff statt, wo es nur um die Beratung und die Kosten geht. Ich konnte auch viele Fragen stellen. Das fand ich persönlich sehr hilfreich und hat mir viele Bedenken genommen. Dieser Termin hat etwa eine halbe Stunde gedauert, schließlich bin ich wieder zu meinen Auto gestapft und ließ Rheinbach hinter mir. 22.04.2021 – Die OP Einen Tag vor dem Eingriff sollte ich beginnen, Antibiotika zu nehmen. Diese sollen dann nach der OP verhindern, dass sich bakterielle Infektionen in den offenen Wunden im Mund bilden können. Zusätzlich wurde ich mit Ibuprofen gegen die Schmerzen eingedeckt und vorbeugend Arnica genommen. Ich sollte sechs Stunden vor dem Termin nichts mehr essen, zwei Stunden vor dem Termin nichts mehr trinken und mein persönliches Problem: nicht rauchen. Man muss nüchtern kommen. Der Grund: Bei einer Sedierung werden neben dem Bewusstsein auch Schutzreflexe wie Husten und Schlucken ausgeschaltet. Es besteht die Gefahr, das Mageninhalt in den Rachen gelangt und eingeatmet wird. Deshalb minimiert man das Risiko dadurch, dass der Magen quasi leer ist. Macht Sinn. Ich war mit meiner Mutter noch vor Praxisöffnung da. Auch wenn Mama ziemlich langsam fuhr, waren wir bereits um 7:20 da. Der Termin war um 8:00Uhr. Trotzdem wurden wir bereits um 7:45 Uhr hinein gelassen. Solche Eingriffe sind bei Oralchirurgen Standardeingriffe. Die machen das mehrmals am Tag. Deshalb wirkte alles total ruhig, ein paar letzte Dinge wurden geklärt und schon ging es los: Zuerst wurde ich in einen Umkleideraum gebracht, wo ich ein OP-Hemd anziehen sollte, mich von Schmuck trennen und einen Überzug über die Schuhe ziehen sollte. Anschließend wurde ich in einen großen, hellen Raum gebracht, wo einfach nur ein Behandlungsstuhl in der Mitte war. Alles war generell total entspannt. Keine Hektik, keine Geräusche, nur Musik wurde leise im Hintergrund gespielt. Nur Dr. H und eine Schwester waren anwesend. Alles war total entspannt, ich war die Ruhe selbst. Als würde ich das jeden Tag machen. Ich habe noch etwas Small-Talk mit der Schwester und dem Arzt gehalten. Ein paar Sekunden später: ZACK und ich war weg. Ich weiß nichtmal mal mehr, wann mir die Augen zugefallen sind. Ich weiß nur noch, dass man mir was in den Mund gesteckt hat (wahrscheinlich ein Mundöffner). Das nächste, an das ich mich erinnern kann war, dass mir im Mund rumgefummelt wurde (die Wattepads?). Das muss schon kurz vor Ende gewesen sein, keine Ahnung. Ich meine mich zu erinnern, dass Dr H mir die ein oder andere Anweisung gegeben hat, das könnte aber auch reine Einbildung sein... Ich habe weder irgendwas gespürt noch bemerkt. Ich hab geschlafen und mir war alles scheissegal haha. Dann bin ich im Aufwachraum wach geworden. Alles vorbei. Eine 40 Minuten OP in gefühlten 5 Minuten im Schlaf. Großartig! Ich konnte zwar durch die andauernde Betäubung nichts spüren, aber ich merkte, dass mein Mund voll war mit Watte und Blut. Kein Wunder nach 4 gezogenen Weisheitszähnen. Ich kann gar nicht so richtig beschreiben, wie sich diese Sedierung angefühlt hat. In dem Moment, wo die Sedierung wirkt, ist man ja auch schon weg. Keine Ahnung, das waren vielleicht 10 – 15 Sekunden und ich war weg. Und während man schläft kriegt man auch nichts mit. Von der Behandlung weiss ich kaum mehr etwas. Zum Ende hin habe ich Stimmen vernommen. Was genau diese gesagt haben, weiß ich aber nicht mehr. Aber es fühlt sich so an, als würde man einen richtig tiefen und entspannten Mittagsschlaf halten. Aber auch davor war ich null aufgeregt und hatte auch keine Angst. Der Chirurg hatte ein sehr entspanntes Ambiente geschaffen. Ein schöner heller Raum, leise Musik. Ich sagte ja, dass ich nur den Stuhl sah beim reingehen. Wahrscheinlich machen die das extra so und holen die Gerätschaften erst raus, wenn der Patient schläft. Tolle Strategie! Gerade ängstlichen Menschen kommt das sehr entgegen. Nach dem Aufwachen war ich etwas benebelt. Man redet aber nicht komisch wegen der Sedierung, sondern eher weil man den Mund voll Watte und Blut hat. Ich habe insgesamt 95€ bezahlt. Ich habe aber gehört, dass die Kosten von Chirurg zu Chirurg variieren. Die Krankenkasse übernimmt das leider nicht. Lachgas aber schon – sehr merkwürdig. Aber unabhängig davon, finde ich 95€ gemessen an der Stressersparnis und allem total fair. Ich bin immer noch total begeistert, was die Sedierung für eine tolle Alternative ist. Vor allem ist es halt wirklich ein Dämmerschlaf – jetzt verstehe ich, wieso das auch immer in Klammern dahinter steht. Vor allem für mich als Patient ergeben sich so völlig neue Möglichkeiten. Abgesehen davon hat mir die Sedierung und der Eingriff auch gezeigt, dass alles nur halb so schlimm ist. Das ist alles nur in deinem Kopf. Man musst absolut keine Angst vor gar nichts haben! Man muss den Ärzten und Chirurgen vertrauen, die machen das jeden Tag. Also lasst euch das hiermit mal von einem Patienten gesagt sein: Alles, was euch die Ärzte über die Sedierung sagen, ist wahr! Ich würde es auch immer wieder nutzen, wenn es möglich ist und ich würde es jedem empfehlen! Kapitel 4: Next Step – Letzter Termin bei Dr H (06.05.2021) ----------------------------------------------------------- Nach der OP muss man auf einige Dinge achten. Zunächst ist man für 24 Stunden nach der OP nicht geschäftsfähig. Eigentlich wollte ich in der Zeit ja einen Maserati kaufen, habe es aber dann doch gelassen ;-). Die Schwellung die entsteht, muss man logischerweise kühlen. Jedoch sollte man dies nicht mit Kühlelementen machen, da diese generell zu kalt sind. Man soll am Besten kalt-feuchten Umschlägen kühlen und diese immer wieder erneuern. Ich habe einfach ein Gästehandtuch genommen, welches ich immer wieder mit kalten Wasser nass gemacht habe. Dieses passte perfekt von meinem Kiefergelenk über den Mund zum nächsten Gelenk. So lange die Betäubung im Mund (Lokalanästhesie) wirkt, sollte man logischerweise nichts heißes trinken, geschweigedenn essen. Die Gefahr, dass man sich selber verletzt, ist zu hoch. Zudem sollte man auf Kaffee, schwarzen Tee, Alkohol und Nikotin mindestens die ersten 3 Tage nach dem Eingriff verzichten. So toll diese Operation verlaufen war, so schlecht fühlte ich mich die Tage danach. Die Schwellung wollte drei Tage nicht zurück gehen, wurde sogar zunehmend dicker und spannte unangenehm. Zudem hätte ich die ganzen Tage einfach nur durchschlafen können. Ich war total fertig. Letzten Endes muss ich aber sagen, dass ich es mir generell schlimmer vorgestellt habe. Ich dachte, die Schwellung würde dicker, die Blutergüsse blauer und die Schmerzen schmerzhafter. Das war zum Glück nicht der Fall. Die ersten Tage ernährte ich mich von Griesbrei, fruchtigen Babybrei, Joghurt und Rührei. Dazu muss ich sagen, dass man auch was Anderes essen kann. Kartoffelbrei, weich gekochtes Gemüse oder Ähnliches wäre auch gegangen. Meine Mutter hatte mir sogar Kartoffelbrei mit etwas Soße fertig gemacht, letztendlich hat M das alles gegessen. Ich hatte einfach keinen Apetit und musste mir das den ganzen Brei so schon rein zwingen. Irgendwas muss man ja zu sich nehmen, vor allem wenn man noch Tabletten nimmt. Erst an Tag 3 nach dem Eingriff zwang mein Verlobter M mich, etwas Richtiges zu essen. Seine Mutter hatte Kartoffeln mit Blumenkohl und Braten gemacht. Ich fing an mir zwei Kartoffeln und ein wenig Blumenkohl zu zerquetschen, machte etwas Bratensoße drauf und sah das alles total angewiedert an. Ich wollte nichts essen. Ich wollte mich wieder auf die Couch verkriechen und schlafen. Außerdem wollte ich nicht vor den Schwiegereltern mit dick geschwollenen Hamserbacken sitzen. Also bemühte ich mich, das alles schnell in mich rein zu schaufeln, damit ich mich schnell wieder verkrümeln konnte. Doch als ich das gegessen hatte, nahm ich mir Nachschub. Ich war überrascht über mich selbst, auf einmal hatte ich richtig Apetit und hunger. Manchmal muss man mich eben zu meinen Glück zwingen. Erst danach ging es für mich Berg auf. Endlich ging die Schwellung nach und nach zurück, die blauen Flecken verliefen langsam und wurden bereits an nächsten Tag grünlich. Ich fühlte mich generell viel besser und fitter. Ein richtiges Essen kann kein Brei der Welt ersetzen. Die nächsten Tage bemühte ich mich, mich nicht mehr den ganzen Tag auf die Couch zu verkriechen und zu schlafen. Ich setzte mich raus an die frische Luft, telefonierte mit meiner Mutter, schrieb mit meinen Schwestern und fing auch wieder an zu kochen. Ich konnte meinen armen Verlobten ja nicht die ganze Zeit TK-Pizza oder meine Suppe essen lassen. Der arme Kerl! Mir ging es mit jedem Tag ein bisschen besser, die Schwellung ging langsam aber sicher zurück. Auch wenn die blau-grünen Flecken blieben erleichterte es mich sehr, wenigstens nicht mehr wie ein Hamster auszusehen. Ich ging mit M sogar schon langsam spazieren, auch wenn meine Beine noch ziemlich wackelig waren. Ebenfalls störte mich, dass ich mir die Nase nicht putzen durfte. Leider ist das eingetroffen, was Dr H im Vorgespräch bereits erwähnt hatte: Meine Nebenhöhlen wurden leider beschädigt und mussten nun erst einmal heilen. Das tut nicht weh, man darf eben nur nicht die Nase putzen und muss mit offenem Mund niesen, damit die Wunde nicht wieder auf geht. Ich persönlich habe es mir einfachheitshalber verboten zu niesen, damit ich selbst mit offenen Mund nichts falsch mache. Allgemein muss ich sagen, dass es mir besser ging als ich es verdient hatte. Die Regel mit dem Rauchen hatte ich bereits einige Stunden nach der OP gebrochen. Auch wenn ich ein bisschen weniger rauchte und danach immer mit antibakterieller Mundspülung spülte, hätte sich das alles ziemlich fies entzünden oder die Wundheilung generell schlechter sein können. Natürlich merkte ich, dass die Stellen noch ziemlich wund waren, kann aber nicht behaupten dass dies schlimmer wäre als bei einem Nichtraucher. Da ich aber kein Nichtraucher bin, kann ich das schlecht sagen... Bereits nach Tag 5 fing ich wieder an, Bratkartoffeln oder weich gekochte Nudeln vorsichtig zu essen. Auch wenn ich ziemlich langsam aß und mich an einer verdammten Nudel verbrannt hatte, sodass ich nun aussehe als hätte ich einen Herpes. Man bekommt den Mund durch die Schwellung nicht mehr so weit auf und muss sehr vorsichtig essen und immer wieder darauf achten, dass sich keine Essensreste in die Wange, in die Wunde oder in die Naht setzen. Ich glaube, meine Mundhygiene war noch nie so gut wie zu dieser Zeit. Ich hatte einfach keine Lust auf eine Entzündung, die wäre nämlich am Ende nicht nur sehr schmerzhaft sondern würde auch dafür sorgen, dass das alles viel länger dauern würde. Nach einer Woche ging ich bereits wieder arbeiten. Die Schwellung war zum Glück schon komplett weg, ich hatte nur noch ein wenig grünliche Flecken am Kinn. Trotzdem merkte ich, dass meine Konzentration zu wünschen übrig ließ. Glücklicherweise hatte mein lieber Chef schon für mich vorgearbeitet, sodass mein Schreibtisch nur halbvoll gestopft war... ;-) Nach zwei Wochen wurden die Fäden gezogen. Auch das war absolut nicht wild, hat nicht geziept oder sonst was. Rein und Raus in fünf Minuten, alles wunderbar! Letzten Endes muss ich sagen, dass das alles ganz toll verlaufen ist Wenn ich könnte würde ich immer wieder zu Dr H in die Praxis gehen (auch, wenn ich da immer nach Rheinbach fahren muss und meine Stadtnörgelei wieder von vorne beginnt). Das Personal ist super nett, genau wie Dr H. Ich habe mich jederzeit sehr gut aufgehoben gefühlt und hatte nie das Gefühl, dass irgendwo Fragen offen blieben. Wirklich großartig! Jetzt kann es weiter gehen, oder eher gesagt; jetzt kann ich los legen! :-) Kapitel 5: Wenn es kommt, dann kommt es hart! - Dritter Termin (24.06.2021) --------------------------------------------------------------------------- Kennt ihr das Gefühl, wenn alles viel zu gut läuft und ihr euch denkt: Ja, so langsam muss doch mal Schei…benkleister passieren.? Ich kann euch nur eines sagen: Dieses Gefühl täuscht mich meistens nicht. Meine (nicht mehr vorhandenen) Weisheitszähne sind sehr gut geheilt, M und ich haben eine wunderschöne, große, neue Wohnung bekommen und die Corona-Inzidenz ging so weit zurück, dass wir sogar eine kleine Einweihungsparty schmeißen konnten. So verging die Zeit viel schneller als erwartet: Meinen nächsten Termin bei Dr J hatte ich erst am 24.06.2021. Das sind fast zwei Monate seit meinen letzten Termin bei Dr H und vier Monate nach meinen letzten Termin bei Dr J. Das kam mir alles nicht so lange vor. So viel Angst ich noch am Anfang hatte, so Zweckmäßig sehe ich nun die Maßnahmen die ergriffen werden müssen. Seit ich anfing zu schreiben, dämmten sich mein Stresspegel und meine Angst vor den OP’s die bevorstanden und die, die noch bevorstehen immer weiter ein. Zurück bleibt das Wissen über die Notwendigkeit die darin besteht und die Tatsache, dass ich bald ein „neues Esszimmer“ habe. Ich habe meine Gelassenheit wieder gefunden. Und das tut mir wirklich gut. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich mich wirklich darauf freue, wenn das alles durch ist. Auch die neueste schlechte Nachricht von Dr J konnte mich nicht weiter aus der Bahn werfen… „Naaa, Verena! Wie geht es Ihnen?“, fragte Dr J mich durch seine Maske grinsend. Ich glaube so langsam, er hat nie schlechte Laune. Jedenfalls habe ich ihn immer nur breit durch seine Maske lächelnd erlebt. Es macht mir als Patient ein wirklich gutes Gefühl, so einen gelassenen Zahnarzt/Implantologen zu haben. Ich glaube, so schnell wirft Dr J nichts aus der Bahn. Zusammen gingen wir in den Behandlungsraum, machten die Routineuntersuchung und setzten uns schließlich an unseren Stammplatz am Schreibtisch. Dr J nahm mir dieses Mal auch Blut ab, um es auf den Vitamin D-Gehalt im Labor prüfen zu lassen. Vitamin D ist nämlich extrem gut für die Wundheilung und stärkt die Knochen. Auf seinem YouTube-Kanal widmete er gleich ein ganzes Video dem Vitamin D, wie wichtig es für einen zahnärtlichen Eingriff ist und wie toll Vitamin D sei. Deshalb wusste ich auch schon, worauf er hinaus wollte. „Ich lasse das Blut dann prüfen“, informierte er mich, als er fertig mit der Blutabnahme war. Ich sah ihn nur schräg grinsend an. „Dr J… Ich bin ein Mozzarella!“ Damit meine ich Hautfarbe=hell=kein Vitamin D. Dafür brauche ich keinen Laborbericht. „Ich bestelle mir das Zeug einfach!“ Die Zahnarzthelferin kicherte hinten in ihrer Ecke. „Ja, ist wohl besser.“, meinte Dr J ebenfalls grinsend und schob mir ein Blatt unter die Nase. Darauf befand sich ein ausgedruckter Screenshot von einen Produkt von Amazon. „Das ist richtig gut! Das nehme ich selber auch…“, meinte Dr J nickend. Ich bin immer wieder überrascht, wie viel Mühe er sich gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jeder Zahnarzt sowas macht. Nicht nur, dass Dr J extra das Blut prüft, damit die Wundheilung am Ende unterstützt wird, er empfiehlt auch ein sehr gutes und verhältnismäßig günstiges Produkt. Das muss er als Zahnarzt wirklich nicht machen. Und ich bin ja nicht (oh, welch Wunder) die einzige Patientin, die behandelt wird. Stellt euch mal vor: Dr J empfiehlt zehn Mal die Woche dieses Produkt an einen seiner Patienten. Das heißt, er druckt zehn Mal die Woche diesen Screenshot aus. Das sind etwa 520 Mal Papier was dabei drauf geht und nicht zu vergessen die Druckerpatrone. Und wenn ich gerade realistisch darüber nachdenke, ist das noch ziemlich niedrig geschätzt. Zehn Mal am Tag kommt da wahrscheinlich eher hin. Jedenfalls ein großes Lob, ganz ehrlich! Man fühlt sich immer wieder als wäre man in den richtigen Händen gelandet. Nachdem das geklärt war, ging es zum Röntgen. Es wurde ein 3D-Bild von meinem Kiefer angefertigt. Man muss sich ganz gerade hinstellen, sich nicht bewegen und ganz still bleiben. Währenddessen fährt das Röntgengerät einmal um das Gesicht und macht Aufnahmen von allen Seiten. Und ich Dussel-Doof kann in den Momenten wo es darauf ankommt natürlich nicht still stehen. Naja, es schien trotzdem funktioniert zu haben. Denn mit dieser 3D-Aufnahme eröffnete sich das nächste Problem: Eine dunkle Stelle über meinen rechte Eckzahn, welcher eigentlich überkront werden sollte. Selbst Dr J sah die Aufnahme unzufrieden an und wirkte, als würde er sich die richtigen Worte für eine problematische Sache zusammen legen. Am Ende waren es simple Worte, die das Problem darstellten: „Der Zahn muss gezogen werden. Der ist leider entzündet, das kriegen wir so nicht überkront.“ Ich stehe ja manchmal gerne auf der Leitung, aber ganz so dumm bin ich auch wieder nicht. Während Dr J immer weiter das Bild ansah, es in alle Richtungen drehte und offensichtlich eine Lösung suchte, wie man an zwei Implantaten fünf Zähne zum halten bringen kann, zuckte ich simpel mit den Schultern. „Also noch ein Implantat.“, stellte ich nüchtern fest. Wenn ich das alles einmal machen lasse, dann vernünftig! Dr J sah mich verblüfft an. „Ja, ich denke es führt kein Weg dran vorbei. Was machen Sie nochmal beruflich?“ Ich musste grinsen. „Ich bin Bürokauffrau.“, meinte ich. „Und machen Sie noch irgendwas praktisches?“ - „Ja, alles was mir in die Hände fällt...“, sagte ich nüchtern, hatte ich vor kurzem doch noch in der neuen Wohnung gleich zwei Badezimmer saniert. Auch mein Vermieter kam darauf nicht wirklich klar. Er ging davon aus, dass M das alles gemacht hatte. Naja, Frauen und Bau ist anscheinend eine ganz neue Sache für manche Menschen. Aber mein Papa musste halt zu lange auf einen männlichen Nachkommen warten, also hat er mich einfach in die Welt der Autos und des Handwerks eingewiesen, sodass es für mich selbstverständlich ist anzupacken. Naja, jedenfalls war Dr J ein wenig verwundert darüber, dass ich direkt erkannt habe, dass das mit zwei Implantaten und fünf Zähnen in einer Kurve nicht funktioniert. Für mich war das irgendwie klar. Immerhin hatte ich mich lange mit der Brücken-Lösung auseinander gesetzt. Alleine das hätte nicht geklappt. Oder er war verwundert darüber, dass ich nicht gleich anfing zu heulen wie ein Schlosshund. Jedenfalls standen wir nun vor diesem Problem, sodass Dr J sogleich seine drei Stifte in verschiedenen Farben aus seinem Kittel zog. So langsam habe ich sogar das Farbschema kapiert: Knochen und Zähne sind bei ihm blau, Zahnfleisch ist rot und alles, was in irgendeiner Weise eingebaut wird (Implantate, Schrauben, ect...), mal er grün ein. Er nahm mein erstes Röntgenbild hervor, bei dem er mir schon einmal alles detailliert erklärt hatte und kreuzte den rechten Eckzahn mit einem kaum hörbaren Schnaufen durch. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ihm das alles auch nicht richtig passt. Ob ihn das für mich so Leid tut, oder ob ihm die „Mehrarbeit“ gegen den Strich geht, kann ich aber leider nicht sagen. Er nahm den grünen Stift zur Hand und malte ein Implantat ein, schließlich malte er mit dem blauen Stift einen Zahn darunter. „So wird das dann gemacht...“, erklärte er schließlich mit einem doch nicht mehr so enthusiastischen Ton. Anschließend nahm er die Mappe zur Hand, welche er für mich vorbereitet hatte. Auch hier korrigierte er die ersten beiden Seiten, indem er diesen Zahn auf der Zeichnung ebenfalls weg strich und ein Implantat einmalte. So schnell ich den Unmut bei Dr J spürte, so schnell war er auch schon wieder am Lächeln. „Das werden wir auch schaffen!“, meinte er und nahm die vorbereitete Mappe hervor. „Dann müssen wir das hier erst einmal klären...“ Er schob mir den Papierstapel unter die Nase, den er zuvor noch korrigiert hatte. Ein Dokument, was sich „Thime Compliance – MKG17 – Zahnimplantate (Einpflanzung künstlicher Zahnwurzeln)“ nennt. Das sind 6 DIN-A4 Seiten, die sämtliche Fragen klären sollen. Hier werden Kostenübernahmen, mögliche Behandlungsalternativen und Komplikationen geklärt, es steht aber auch genau darin, wie der Eingriff durchgeführt wird. Auch Dr J hat auf fast jeder Seite noch Notizen in Doktorsauklaue daneben gekritzelt. Als wir das Dokument besprochen hatten, folgte das Nächste: „Geistlich Biomaterials - Knochenregeneration – Begleitbogen zur Patientenaufklärung“. Das ist ein Aufklärungsbogen zum Knochenersatzmaterial, welche neben meinen Eigenknochen ebenfalls verwendet wird. Diese heißen Bio-Oss und Bio-Gide. Bio-Oss besteht aus dem mineralischen Anteil von Rinderknochen. Die organischen Bestandteile werden so entfernt, dass nur noch die aus Kalzium-Verbindungen, also aufgebaute harte Knochenstruktur zurück bleibt. Damit wird neben meinen eigenen Knochen der Kiefer aufgebaut und aufgefüllt. Boi-Gide ist eine aus Kollagen aufgebaute Membran. Diese wird vom Schwein gewonnen. Kollagen ist ein Hauptbestandteil unserer Haut, Knochen und Bindegewebe. Aus der Membran wird eine Schutzbarriere aufgebaut, was ebenfalls die Wundheilung unterstützt. Hinzu kamen drei Prospekte: Eines war direkt von der Zahnarztpraxis mit augenmerk auf Implantologie, eins von Bio-Oss und Bio-Gide und das letzte von mectron. „PRF- Ihr Booster zur sanften Heilung“. PRF ist sozusagen eine „Eigenblut-Kur“. Dr J wird mir eine kleine Menge Blut entnehmen, welches in eine Zentrifuge gegeben wird. Wer nicht weiß, was eine Zentrifuge ist – das ist ganz einfach erklärt! Kennt ihr auf den Spielplätzen noch diese kleinen Karussells, mit denen man sich selber dreht? Dafür gibt es einen feststehenden Teller, an dem alle wie verrückt drehen. Dieses drehen ist so enorm, dass man immer weiter nach hinten gepresst wird. Etwas anderes macht eine Zentrifuge auch nicht: Sie dreht sich so schnell, dass (egal welche Flüssigkeit) sich nach außen presst. Dadurch werden in meinem Fall die besten Partikel des Blutes heraus gefiltert und dieses gefilterte Blut wird dann auf die Wunde gegeben. Dadurch soll alles super heilen. Als Letztes kam ein einzelnes Blatt mit der Überschrift „Ihre Checkliste vor einer Implantation“. So langsam wird es Ernst. Wir gingen alles detailliert durch, Dr J fragte mich jedes Mal ob ich noch Fragen hätte, anschließend packte er alles zusammen wieder in die Mappe. „Lesen Sie alles zu Hause noch einmal in Ruhe durch, beim nächsten Mal bringen Sie es unterschrieben zurück.“, meinte Dr J schließlich. Auch hier muss ich sagen, dass einem richtig viel Zeit gelassen wird. Man wird nicht zu einer Unterschrift genötigt. Auch beim Kostenvoranschlag wurde mir immer wieder gesagt, dass ich alles gut durchlesen soll, mir alles gut überlegen soll und wenn ich Zeit habe, solle ich mich melden. Das empfinde ich als sehr angenehm. Jedenfalls platzte diese Mappe fast aus allen Nähten als er mir diese übergab. „Dann besprechen wir beim nächsten Mal den neuen Kostenplan und machen Abdrücke.“, sagte er und nickte dabei lächelnd. „Das schaffen wir schon!“ Ich nickte. Was soll ich auch sonst machen? Inzwischen habe ich das Geld fast zusammen gespart, was ich zum ersten Kostenvoranschlag dazu zahlen musste. Tatsächlich fehlen mir nur noch knapp 1000 Euro. Jetzt kommt ein Implantat dazu. Zum Haare raufen! Aber was soll ich schon machen? Es kann keiner was dafür, dass der Zahn weg muss. Und wenn ich es schon einmal machen lasse, dann vernünftig! Und nicht so, dass ich in zwei Jahren wieder unters Messer muss. Also spare ich einfach weiter. Auch wenn ich wirklich gespannt bin, was da (finanziell) auf mich zu kommt. Ich muss ganz ehrlich sagen: Geld ist Geld. Wenn alle Stricke reißen nehme ich einen kleinen Kredit auf oder informiere mich bei Dr J über Ratenzahlung. Was ich jetzt mache habe ich schon Jahre vor mir her geschoben, das werde ich wegen einen Zahn nicht wieder abblasen. Und dass nächste Woche schon Abdrücke gemacht werden ist nur ein Zeichen dafür, dass ich ganz nahe dran bin. Also Kopf hoch und Arsch in den Sattel! =) Kapitel 6: Vorbereitung – Vierter Termin bei Dr J (01.06.2021) -------------------------------------------------------------- Noch vor kurzem hatte ich mich mit meiner Freundin unterhalten. Sie ließ sich vor ein paar Jahren die Augen lasern und kam von -6 Dioptrin auf Null. Von einem Tag auf den Anderen konnte sie richtig sehen. Sie erzählte mir, dass sie Rotz und Wasser heulte, als sie zum ersten Mal den Sternenhimmel sah. Denn selbst mit Brille und Kontaktlinsen hatte sie noch nie die Sterne sehen können. Auch sie musste die ganze Prozedur selber bezahlen, da die Krankenkasse erst ab 9 Dioptrin – nun haltet euch fest - 20% dazu zahlt. 20%! Ich darf langsam nicht mehr darüber nachdenken, wofür wir in unsere Krankenkassen einzahlen. Kein Mensch sucht sich aus, dass er halb erblindet ist, oder bei einem Unfall die Zähne verliert. Jedenfalls kamen wir Beide überein, dass alles was im Gesicht gemacht werden muss, eine miese Kiste ist. Und, dass Krankenkassen uns ausnehmen. Aber spulen wir zum Anfang: Ich ging zu diesem Termin in meiner Mittagspause. Ich dachte, so lange kann es ja nicht dauern, sich den neuen Kostenvoranschlag abzuholen und Abdrücke machen zu lassen. Dachte ich... Tatsächlich dauerte das alles ein wenig länger: Diesmal war ich das Vorzeigemodell, welches sich jeder anschauen muss. Immerhin hat man nicht oft so einen Patienten, bei dem so ein einzigartiger Eingriff vorgenommen wird. Es waren bereits Dr J und drei andere Personen im Raum, als ich hinein kam. Innerhalb der nächsten Momente füllte sich der Raum noch einmal. Nach etwa zwei Minuten waren Dr J, drei Schwestern, zwei Zahntechniker und noch ein Arzt anwesend. Ich bin es gewöhnt, das Anschauobjekt zu sein. Das war ich schon damals im Krankenhaus. Daher war es für mich kein Problem, dass nun etwa sieben Köpfe über mich gebeugt waren. Solange es den Ärzten hilft sich weiterzubilden, habe ich nichts dagegen. Die jetzige Prothese wurde gefühlt zwanzig Mal raus genommen und wieder eingesetzt, es wurden Fotos mit und ohne Zähnen gemacht, Debattiert und Diskutiert und Aufträge erteilt. Dadurch, dass der Knochenaufbau gemacht wird, wird nun eine neue Prothese, eine sogenannte „Aufbissschiene“ die auch den Druck vom Knochenaufbau nimmt, angefertigt. Anschließend leerte sich das Behandlungszimmer und jeder ging an seine Arbeit. Zum Glück habe ich keinen ausgeprägten Würgereflex, denn anschließend wurden Abdrücke von meinen Zähnen gemacht, um die Aufbissschiene anzufertigen. Dazu wird eine klebrige Masse die nach Minze schmeckt in eine Schiene, einen sogenannten „Löffel“, gefüllt, der die Zähne umschließt. Dieser wird dann in den Mund geführt und für etwa eine Minute auf die Zähne gepresst. Dabei härtet die Masse aus. Schließlich wird der Löffel mit der Masse von den Zähnen entfern, was sich so anfühlt, als würde man gleich alle Zähne mit raus ziehen. Tolles Gefühl! Das wurde bei mir am Ober- und am Unterkiefer gemacht, damit die Praxis ein exaktes Abbild von meinen Kiefer und meinen Zähnen hat. Als auch dies erledigt war, blieben nur Dr J und ich zurück im Raum. Wieder setzten wir uns an den Stammplatz am Schreibtisch und sprachen noch einmal über den ganz genauen Ablauf der ersten OP. Diese ist nämlich schon beim nächsten Termin. Nachdem keine einzige Frage mehr offen blieb, wurde ich noch einmal kurz in den Warteraum geschickt, um anschließend über Kosten zu sprechen. Dies fand ein weiteres Mal in den seperaten Büro hinter dem Empfangsthresen statt, wo die Damen aus der Buchhaltung sitzen. Als ich dann den neuen Kostenplan von den netten Damen hinter den Kulissen bekam, musste ich lustigerweise an meine Jugend denken. Am Wochenende durften wir immer lange auf bleiben und auf irgendeinen Sender lief eine Show mit Sketchen. Jedenfalls war dort dieser lustige Hartz-IV-Typ, der immer alkoholisiert war und absolut keinen Bock hatte zu arbeiten. Dieser bekam Besuch von einem Bankberater, der sagte: „Ich denke, es führt kein Weg daran vorbei... - Sie müssen den Pfand weg bringen.“. Warum ich daran dachte? - Ganz einfach: In meinem Fall reicht es leider nicht, den Pfand weg zu bringen... Auch, wenn ich in der Kostenfrage mal wieder über das Ziel hinaus schoss (vorgestellt hatte ich mir Extrakosten von etwa 3000-5000 Euro), ist es mal wieder viel Geld von dem wir reden. Von den etwa 1000 Euro Kosten die zusätzlich auf mich zukommen, hätten M und ich einen schönen Urlaub machen können, den wir tatsächlich schon geplant hatten. Wir wollten ein Wochenende in Berlin verbringen, bevor es mit meinen OP's und Heilungsphasen los geht. Zusammen haben wir nun entschieden, dass wir das besser sein lassen. Ich muss ehrlich sagen, dass mir das wirklich gegen den Strich geht. Ich habe es satt, dass M meinetwegen immer mir zurück stecken muss! Mit dem Geld, was ich für Zähne ausgebe, könnten wir so viele schöne Sachen machen. Zusammen! Er ermahnt mich immer wieder, an die „Zahnkasse“ zu gehen, streckt immer wieder Geld vor und sagt, dass das sowieso „unsere“ Kasse ist, wenn wir verheiratet sind. Ich bin wirklich glücklich und dankbar einen Mann zu haben, der dermaßen hinter mir steht! Auf der anderen Seite weiß ich aber, dass er sich eigentlich selber ein paar Sachen gönnen wollte. Zurück bleibt das schlechte Gewissen. Irgendwann werde ich mich sicherlich bei ihm revangieren können, aber bis dahin wird wahrscheinlich wieder ein wenig Zeit ins Land ziehen. Eine Sache, die mich zusätzlich ärgert, ist die Krankenkasse. Bei dem ersten Kostenvoranschlag bekam ich einen Zuschuss von genau 1086,32€. Dafür, dass nun ein Implantat mehr anfällt, wird man offensichtlich bestraft: Bei einen Ersatz von mehr als vier Zähnen wird nur noch eine „Pauschale für prothetische Maßnahmen“ angerechnet, die genau 469,54€ beträgt. Obwohl ich es mir fest vorgenommen habe, habe es mir doch verkniffen bei der Krankenkasse anzurufen und die mal nach den Puls zu fragen... Am Ende würde ich mich nur noch mehr ärgern. Daher werde ich nun in den sauren Apfel beißen müssen und weiter sparen, sparen, sparen. Mehr bleibt mit eh nicht übrig. Und beim nächsten Termin ist es schon soweit: Der erste große Schritt nach vorne! Kapitel 7: Knochenaufbau – Erste OP bei Dr J (17.08.2021) --------------------------------------------------------- Entgegen meiner Vorstellung, dass ich auch diese OP mit einer Sedierung 'verschlafen' könnte, stellte ich mich der Tatsache, dass Dr J keine Sedierung anbietet. Eine Narkose dagegen kam für mich nicht in Frage. Auch wenn die Nebenwirkungen einer Vollnarkose inzwischen sehr gering sind, zog ich eine Lokalanästhesie vor. Ich rief mir immer wieder ins Gewissen, dass ich voll und ganz auf Dr J vertrauen kann und alle Komplikationen und Schmerzen die ich haben könnte nur in meinen Kopf existieren. Was andere Menschen vor mir geschafft haben, schaffe ich auch! Die Gelassenheit, die ich bei der OP mit den Weisheitszähnen bei Dr H hatte, hatte ich diesmal jedoch nicht. Auch, wenn ich wusste, dass alles nur in meinen Kopf ist, war ich dieses Mal schon ein paar Tage vor der Operation etwas aufgeregt. Dennoch bereitete schon alles soweit vor, sodass ich mich nach dem Eingriff nur noch auf die Couch verziehen konnte. Es war genug Suppe gekocht, dass ich mich ganze zwei Wochen davon ernähren könnte, die Wäsche war komplett gemacht und der Haushalt fertig. Die Nacht schlief ich wunderbar durch, sodass ich vollkommen ausgeschlafen und fit bei Dr J antrat. Wie auch beim letzten Mal fuhr meine Mutter mich zum Termin und es dauerte nicht lange, bis ich aufgerufen wurde. „Wie geht es Ihnen, Verena?“, fragte Dr J mich, währen er mir Blut für die PRF (Eigenblut-Kur) entnahm. Ich musste leicht grinsen. „Gut... Nur etwas aufgeregt.“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Das wird schon... Keine Sorge!“, munterte er mich direkt auf. Tatsächlich gelang es ihm. Dr J hat eine wirklich beruhigende und ehrliche Art an sich, die mich zu keinen Moment zweifeln lässt, dass er etwas runter spielen würde, nur um mich aufzumuntern. Ich denke, wenn er Bedenken hätte, würde er es frei heraus sagen. Als er mit der Blutentnahme fertig war, legte er mir zwei große und eine kleine Tablette auf den Tisch und erklärte, dass die ersten Beiden ein Antibiotika sind und die kleine eine „Scheiss-egal-Tablette“. Leider habe ich mir nicht gemerkt, wie diese heißt, aber meistens sind das Arzneistoffe aus der Gruppe der Benzodiazepine. Das sind verschreibungspflichtige Medikamente, die als Schlaf- oder Beruhigungsmittel eingesetzt werden. Diese Arzneistoffe wirken sedierend (das heißt, sie machen müde), muskellockernd / krampflösend, entspannend, manchmal sogar euphorisierend. In Tatsache also genau die Beruhigung, die ich gerade brauchte. Vielleicht würde ich die OP ja doch verschlafen können. Nachdem ich alle Tabletten geschluckt hatte, wurde ich auf den Behandlungsstuhl bugsiert, damit mein Mund betäubt werden konnte. Lasst mich eines klar stellen: Ich habe nichts gegen Spritzen, aber so eine Betäubung im Gaumen ist wirklich unangenehm! Als Dr J die Lokalanästhesie gesetzt hatte, schickte er mich noch einmal kurz aus dem Raum, damit die Betäubung und die Scheiss-egal-Tablette greifen können und er in Ruhe alles vorbereiten konnte. Denn als ich zum ersten Mal rein kam, hatte ich noch keine Zangen, Dremel oder sonstiges, furchteinflößendes Zubehör sehen können. Und um ehrlich zu sein, bin ich froh und dankbar, wenn ich das Zeug auch nicht sehen muss. Diese Apparaturen regen nur mein Kopfkino an. Nach etwa zehn Minuten, in denen mein Gesicht wirklich vollkommen taub wurde, wurde ich wieder in den Behandlungsraum gerufen. Auch jetzt sah ich keine Bohrer, Fräsen, Dremel oder Flux-Kompensatoren. Alles war penibel abgedeckt. Ich setzte mich auf den Behandlungsstuhl, eine Schwester ließ meine Haare unter einer OP-Haube verschwinden, während der Stuhl sich weit nach hinten kippte. Wenige geübte Handgriffe wurden noch gemacht, mein Gesicht wurde desinfiziert, und erst als ich so weit zurück lag, dass das Werkzeug aus meiner Sicht lag, wurde das Tuch, welches sich als OP-Abdeckung herausstellte, vom Werkzeug entfernt und über mich gelegt. Ich durfte mir über Kopfhörer noch Musik an machen und schon waren die letzten Vorbereitungen abgeschlossen. Nun ging es zur Sache. Ich weiß nicht, ob die Scheiss-egal-Tablette nicht wirkte, oder ob sie einfach nicht die Wirkung hatte, die ich erwartet habe, aber ich bekam alles ganz genau mit. Und im Nachhinein bin ich auch wirklich froh darüber, da ich nun alles genauer erzählen kann. Dr J kündigte jeden Schritt den er machte vorher an, sodass ich mich jedes Mal darauf vorbereiten konnte. Als erstes wurde der entzündete Eckzahn gezogen. Das war wirklich unangenehm, aber Schmerzen hatte ich keine. Ich spürte, wie Dr J mit einer Zange an dem Zahn zog und wackelte, hörte, wie es in meinen Oberkiefer eklelig knischte und knackte, aber die Schmerzen die ich mir davon erwartete, blieben aus. Sofort machten wir eine kleine Pause und ich durfte unter dem Zuspruch der netten Arzthelferinnen einmal durchatmen, bevor es weiter ging. Denn nun folgte der schwierige Teil. Dr J operierte 2 ½ Stunden, von denen ich nur die Geräusche und Bewegungen, die sich in meinen Blickfeld schoben beschreiben kann. Er kündigte jedes Mal an, wenn es sich für mich laut anhören würde, als er den Knochen aus meinen Unterkiefer fräste. Und tatsächlich sind diese Geräusche, die man letztendlich nur im Kopf hört, wirklich laut und unangenehm. Wie das knirschen von Fingernägel über einer Tafel oder das kreischen einer Flex, wenn man Metall schneidet. Geräusche, bei denen ich mir normalerweise die Ohren zu halten würde, denn sie waren extrem laut in meinem Kopf. Statdessen krallte ich mich an mein Handy und versuchte die Musik lauter zu machen. Jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Es waren allerlei eklige und laute Geräusche, die mein Kopfkino nur so ankurbelten und mir die Frage aufwarfen, was zur Hölle ich hier in diesem Stuhl gerade machte. Genauso verstörend waren die Bewegungen, die sich in mein Blickfeld schoben: Dr J's Hände, die mit Miniatur-Hammer und -Meißel auf mein Gesicht zukommen und mir wahrscheinlich gerade ein Stück Knochen raus hauen, mit einer Art Dremel mit Bohraufsatz über meinem Gesicht schweben, und mit einem Schraubenzieher offensichtlich eine Schraube in meinen Oberkiefer dreht. Bilder, die mich an meinen Verstand zweifeln lassen, von denen ich aber weiß, dass sie wahr sind. Und Bilder, die die Frage in mir aufwerfen, warum zum Teufel man den Beruf des Implantologen ausüben möchte. Hat Dr J etwa Spaß daran in irgendwelchen Knochen rumzubohren?! Im Nachhinein kann ich nur sagen, dass ich wirklich keine Schmerzen hatte. Die 2 ½ Stunden vergingen für mich wie im Flug. Und als Dr J verkündete, dass wir fertig wären, kamen mir die Tränen. Nicht, weil ich schmerzen hatte oder weil diese Prozedur so extrem schrecklich gewesen wäre. Nein, es war die Tatsache, dass der erste große Schritt getan war. Endlich. Und die Eingriffe, die noch folgen werden, sind weitaus kleiner und nicht so aufwendig. Das Schlimmste ist geschafft! Mir fielen tausend Steine vom Herzen. Während einer der Schwestern mir gut zuredete und meine Tränen weg wischte, holte die andere Schwester meine Mutter mit ins Zimmer. Dr J half mir aus dem Stuhl aufzustehen und mich an unseren Stammplatz am Schreibtisch zu setzen. Auch wenn meine Konzentration am Ende war, versuchte ich ihm zu folgen, als er eine Liste mit mir und meiner Mutter durchging, wie ich mich nun zu verhalten hatte. Im Endeffekt waren es beinahe die selben Maßnahmen, die ich auch nach der Weisheitszahn-OP hatte. In Kurzfassung also kühlen, nicht rauchen, Medikamente nehmen, kein Alkohol oder Koffein, hochgelagert Schlafen und zwei Mal täglich die mitgegebene Mundspülung benutzen. Bei Schmerzen soll man Ibuprofen einnehmen (keine Aspirin, da diese blutverdünnend sind und somit Nachblutungen verursachen können) und am nächsten Tag sollte ich wieder zur Nachkontrolle kommen. Dr J gab mir ein Gerät zum Kühlen mit und wir verabschiedeten uns für diesen Tag, mit dem Lob auf Dr J's Lippen, dass ich das alles wirklich toll gemacht hätte. Die ganze Rückfahrt über war ich derart zerstreut, dass ich mich selbst nicht wieder erkannte. Ich war die ganze Zeit stumm am heulen und verbot meiner Mutter in meiner Grisgrämigkeit sogar jede Frage, jeden Zuspruch und jeden Trost den sie hätte aufbringen können, bis wir bei mir zu Hause ankamen. Von dort an hatte ich mich soweit einbekommen, dass ich mit Mama eine Runde auf der Couch kuschelte, bis mein Verlobter M von der Arbeit nach Hause kam. Nachdem die Beiden einen Kaffee getrunken hatten und meine Mutter M alle Anweisungen von Dr J übermittelt hatte, verabschiedete sie sich von mir und sagte, ich solle mir etwas Ruhe gönnen. Das Gerät zum kühlen, welches Dr J mir mitgegeben hatte, stellte sich als äußerst praktisch heraus. Es heißt „Hilotherm Homecare“ und ich kann es nur Jeden empfehlen, der langfristig irgendeine Körperstelle kühlen muss. Es ist ein kleiner Kasten mit der Größe einer halben Mikrowelle, welches kontinuirlich einen kühlenden Wasserkreislauf erzeugt. Der „Kasten“ ist immer gleich, aber man kann viele verschiedene Manschetten anbringen sodass z. B. Ein Gelenk, eine Brust oder andere Körperteile gekühlt werden können.In meinem Fall wurde also eie Gesichtsmasken-Manschette an diesen Kreislauf angeschlossen. Es sieht zwar ziemlich ulkig aus, wenn man diese Maske anzieht, aber sie erfüllt ihren Zweck und ich musste nicht alle zehn Minuten aufstehen und etwas Neues zum kühlen holen. Wirklich fantastisch! Leider kann man die Schwellung damit aber nicht aufhalten, sondern nur eindämmen. Am nächsten Tag fuhr ich zur Nachuntersuchung, wo Dr J penibel die operierten Stellen im Mund untersuchte. Die Schwellung war zu der Zeit schon dicker geworden, was Dr J als „normal“ einstufte. Auch ich wusste, dass die Schwellung noch schlimmer werden würde, da die Schwellung erst am dritten Tag ihren Höhepunkt erreicht. Nachdem er alles zufrieden abgenickt hatte, vereinbarten wir den nächsten Termin in genau einer Woche. Es ist wahrscheinlich einer meiner schlimmsten Gewohnheiten, auf der Couch zu schlafen, wenn ich krank bin oder wenn es mir generell nicht gut geht. Ich lasse mich so lange vom Fernsehr beschallen, bis ich einschlafe. Wenn ich das nicht habe, versinke ich in meinen Gedanken, Unannehmlichkeiten oder Schmerzen, steigere mich da rein und kann dann eh nicht schlafen. Und M hat jede einzelne Nacht auf unserer kleinen, unbequemen Couch mit mir verbracht. Die ersten Beiden Nächte konnte ich nicht durchschlafen. Mitten in der Nacht bin ich aufgewacht, nur um zu merken, dass die Schwellung immer schlimmer wurde. Entgegen der Schwellung nach der Weisheitszahn-OP blieb sie dieses Mal nicht im Mund-Kiefer-Bereich, sondern zog sich hoch bis in die Augen. Nach zwei Tagen konnte ich nicht mehr erkennen, dass sich ein Nasenbein zwischen meinen Augen befand und meine Augen schwollen so sehr an, dass ich beinahe nicht mehr durch sehen konnte. Ich traute mich nicht einmal mehr raus auf unsere Terasse, da ich befürchtete, dass Jeder der mich erblicken könnte der Meinung wäre, dass mein Verlobter mich grün und blau geschlagen hätte. Ich sah aus, als wäre ich vom Bus überfahren worden. Sogar meine Krankenschwester-Schwester A hatte Angst, dass ich keine Luft mehr bekommen würde. Und sie hat mich nur auf Bildern gesehen. Doch nach Tag drei schwoll mein Gesicht Schritt für Schritt ab und zurück blieben nur meine rot-blau unterlaufenen Augen und ein grünlich ummalter Mund. Immernoch kein schöner Anblick, aber es ging Berg auf. Aufgrund der Tatsache, dass eher mein oberes Gesicht anschwoll, musste ich mich auch nicht nur von Suppe und Brei ernähren. Bereits nach den zweiten Tag konnte ich Nudeln vertilgen, die meine Mutter und meine Schwester R mir vorbei brachten. Besser so, denn wenn ich hunger habe, werde ich zum Miesmuffel! Generell fühlte ich mich fitter als nach der Weisheitszahn-OP, auch wenn mein Körper nach jeden Klogang in Schweiß ausbrach – eine klare Ansage, dass ich mich weiter schonen sollte. Nach Tag fünf war mein Gesicht so weit abgeschwollen, dass ich mich sogar wieder raus traute. Ich sah zwar noch verblötscht aus, aber nicht wie nach einem Bungee-Jumping-Unfall. Den erste Tag, den ich nicht ausschließlich auf der Couch verbrachte, besuchten M und ich meine Eltern, die mich immernoch ansahen, als wäre ich verunglückt. Mein Vater hatte mich seit der OP ausschließlich auf Bildern gesehen, die ich meiner Mutter und meinen Schwestern als tägliches Update schickte. Aber ich war froh nochmal raus zu kommen, nachdem ich mich eine Woche strickt an die Schonung gehalten hatte. Auch wenn mein Körper mir immer wieder klar machte, dass ich noch nicht so los legen kann, wie ich es gerne hätte. Auch meine Mutter und meine Schwestern legten mir ans Herz, mich noch eine Woche zu schonen. Also wurde mein eigentlicher Kontrolltermin einen Tag vorverlegt und als ich Dr J schilderte, wie ungewöhnlich mein Körper sich momentan verhält, schrieb er mich direkt eine weitere Woche krank. Eigentlich wollte ich nur bis zur Mitte der Woche krank geschrieben sein, da ich auf der Arbeit noch einen Monatswechsel bearbeiten muss, jedoch sollte ich auch vernünftig sein. Das alles kann auch nächste Woche noch bearbeitet werden. Also ließ ich mich breit schlagen. M hatte aber nach dieser Woche die Nase voll, auf unserer kleinen Couch zu nächtigen und organisierte einen kleinen Fernsehr, den er bei uns im Schlafzimmer aufstellte. Also konnten wir nach dieser glorreichen Idee wieder ins Schlafzimmer umziehen, was zwei tolle Nebeneffekte hat: Erstens, sein armer Rücken muss nicht mehr darunter leiden. Zweitens, sieht unser Wohnzimmer nicht mehr aus wie eine Krankenstation. Mein Held! Schlussendlich kann ich nur sagen, dass es sich zwar ziemlich ungewöhlich in meinen Mund anfühlt (klar, wenn man nichts Anderes gewöhnt ist), aber im Endeffekt würde ich es immer wieder machen! Kapitel 8: Kontrolle – Termine bei Dr J am 27.08., 14.09., 17.09.2021 --------------------------------------------------------------------- Eine penible Pflege war nun einmal mehr das A und O. Auch wenn ich schon eine antibakterielle Mundspülung von Dr J verschrieben bekam – um genau zu sein Chlorhexamed mit Fluid, was genauso eklig schmeckt wie es sich anhört – so versucht man doch auch selber etwas beizutragen. Wie bereits erwähnt bin ich Raucher, was eben nicht zu einer einwandfreien Mundhygiene beiträgt. Auch wenn ich das Rauchen auf ein Minimum einschränkte, spülte ich meinen Mund trotzdem nach jeder Zigarette, sowie nach jeder Mahlzeit mit antibakterieller Mundspülung aus. Ich putzte mir im Schnitt vier Mal täglich die Zähne, nahm weiter das Vitamin D. Zudem besorgte ich mir zusätzlich Vitamin B und nahm weiter hochdosiert Arnica. Ich trank nur noch Wasser und Tee, versuchte mich weiter zu schonen, jedoch nicht nur auf der Couch zu hocken, was sich manchmal als ein ziemlicher Spagat herausstellte. Ich merkte, wie es mir jeden Tag ein bisschen besser ging, das tut nicht nur dem Körper sondern auch der Seele gut. Es erleichterte mich ungemein, nicht mehr nach jeden Auftehen in Schweiß auszubrechen. Auch der Blick in den Spiegel wurde von Tag zu Tag weniger verstörend und ich sah irgendwann nicht mehr aus wie der Glöckner von Notre Dame. Leider kam somit aber das nächste Problem auf: die Aufbeißschiene, die extra für mich angefertigt wurde, passte nicht wirklich. Ich hatte einige Druckstellen und sie sah bei weitem nicht so ästhetisch aus, wie ich es eigentlich von dem Labor von Dr J gewohnt bin. Ich denke das Problem war, dass der Abdruck relativ früh genommen wurde. Dass der obere Eckzahn dann auch noch gezogen und aus dem Abdruck nur „wegradiert“ wurde, kann natürlich auch zu Unstimmigkeiten führen – aber das ist nur eine Vermutung. Aufgrund des Knochenaufbaus konnte man jedenfalls keinen neuen Abdruck machen, zumindest nicht sofort. - Also was tun? In erster Linie war ich beim ersten Termin froh und glücklich, dass die Fäden gezogen wurden. Auch die Aubeißschiene wurde noch einmal etwas angepasst. Dr J und ich kamen überein, dass das besser ist, als gar keine Zähne zu haben. Jedoch versicherte er mir, dass auf jeden Fall eine neue Aufbeißschiene angefertigt wird, sobald man einen Abdruck nehmen kann. Das war mir auch wirklich angenehmer um Raus oder zur Arbeit zu gehen. Zwei Wochen damit rum laufen, dann bekomme ich einen Abdruck gemacht und anschließend eine neue Aufbeißschiene. Eine Sache, mit der ich mich arrangieren konnte... - mehr oder weniger. Denn durch diese Aufbeißschiene lispelte ich ganz schrecklich. Für das Büro, wo man ans Telefon gehen muss und dich kein Mensch verstehen kann eher kontraproduktiv. Also mussten sich meine Kollegen damit arrangieren, dass ich eben keine Zähne im Mund hatte – für sie kein Problem. Auch zum Essen konnte ich das Teil nicht benutzen. Es drückte sich ins Zahnfleisch und tat weh. Also musste sich auch Jeder, der bei uns grillen kam mit dem Anblick anfreunden. Entgegen meiner Vorstellung hatte ich kaum Probleme mit meiner Ästhetik. Keiner hatte ein Problem damit, mich ohne Zähne zu sehen. Klar, ich bin zwar kein 6-Jähriges Mädchen mehr, bei dem das süß aussieht eine Zahnlücke zu haben, aber es gibt weitaus schlimmere Anblicke. Die Sache, vor der ich am Anfang solch eine Angst und Abneigung hatte, machte ich nun freiwillig, obwohl ich hätte Zähne einsetzen können. Ich trug die Aufbeißschiene nur noch, wenn Fremde vorbei kamen, die mich nicht kannten. Bei Familie und Freunde trug ich sie garnicht mehr. Auf der Arbeit hatte ich die Schiene nur noch in einem Döschen dabei, falls ein Kunde auftauchen würde – was im Endeffekt auch nicht der Fall war. Und ich fühlte mich wohl dabei. Natürlich war ein kleiner Beigeschmack von Scham dabei, wenn gelacht wurde. Entweder ich grinste so beit, dass es wahrscheinlich beinahe gruselig aussah, oder ich hielt mir die Hand vor den Mund. Meine Kolleginnin hielten es für unnötig und das weiß ich natürlich auch... Aber ich tat es für mich und nicht für die Anderen. Am 14.09. kam dann der Termin, an dem ich den neuen Abdruck machen lassen konnte. Nach fast einem Monat Einheilungsprozess konnte ich mich auf neue Zähne im Mund freuen. Auch wenn ich mich ohne Zähne gut arrangierte, freute ich mich dennoch wieder mit lachen zu können, anstatt mit einem grotesken Grinsen nur dabei zu sitzen. Außerdem stand ein Geschäftsessen an, bei dem ich wirklich ungerne ohne Kauleiste auftauchen wollte. Ich fuhr also wieder in meiner Mittagspause zum Termin, der dieses Mal wirklich schnell ging. Nachdem Dr J einen Blick in meinen Mund geworfen hatte, verabschiedete er sich auch schon wieder mit den Worten, dass alles wunderbar heilen würde. Ein Hoch auf meine Mundhygiene! :P Schließlich ließ er mich mit der netten Zahnarzthelferin alleine, die geübt einen Abdruck nahm. Rein und raus in 10 Minuten! Die neue Aufbeißschiene wurde innerhalb 3 Tagen fertig gestellt. Da ich an diesen Freitag frei hatte, musste ich dieses Mal nicht meine Mittagspause opfern. Dass ich mit den Empfangsdamen noch nicht „per du“ bin, wundert mich ehrlich. Immerhin bin ich inzwischen spätestens alle 2-4 Wochen dort. Aber egal... Nachdem ich mich angemeldet hatte, wurde ich diesmal in den 2. Stock in das Zahnlabor geschickt. Auch hier kenne ich mich bestens aus. Denn in meiner Berufsfindungsphase hatte ich hier oben schon ein Praktikum absolviert, natürlich ohne Hintergedanken... hust... Nein, mal ehrlich: Schon in meinen Jugendjahren, als ich mit der Zahlosigkeit konfrontiert wurde, war der Gedanke, Jedem der in meiner Situation ist, wieder ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Ich fand diese Arbeit wirklich spannend und bewundernswert. Jedoch musste ich mich schnell mit der Tatsache abfinden, dass diese Arbeit überhaupt nichts für mich ist. Ich bin zu grobmotorisch und für diese feine Millimeterarbeit hatte ich weder die Geduld noch das Talent. Soviel zu der kleinen Geschichte wie ich doch nicht Zahntechniker geworden bin... Dennoch kenne ich noch den Ein- oder Anderen dort, unter Anderem J, der Zahntechnikermeister, der mich heute in Empfang nahm und mir meine neue Aufbeißschiene präsentierte. Um ehrlich zu sein konnte ich mir Monate lang nicht vorstellen, was genau eine Aufbeißschiene ist. Ich habe mir die Finger wund gegoogelt, aber ohne Ergebnis. Am Ende ließ ich mich einfach überraschen: Ich glaube nicht, dass diese Aufbeißschiene eine gängige Lösung in der Zahntechnik ist. Am ehesten kann man sie wie diese neuen, durchsichtigen Zahnspangen beschreiben. In meinem Fall sind die fehlenden Frontzähne mit eingebaut, die anderen Zähne werden vom durchsichtigen Kunststoff umschlossen. Somit kommt der Druck, der zum Beispiel beim Abbeißen oder Kauen entsteht, nicht auf den Knochenaufbau, sondern wird auf die umschlossenen Zähne aufgeteilt. Man sieht überhaupt nicht, dass dort etwas fehlt und wer genau hinschaut würde schlimmstenfalls denken, dass ich eine Zahnspange trage. Eine wirklich kreative und fantastische Lösung! Die Schiene saß perfekt, sie musste nicht einmal angepasst werden. Und nachdem auch Dr J zu uns stieß und sich selbst überzeugte, dass alles passt, konnte ich auch schon wieder nach Hause fahren. Zuerst war ich wirklich skeptisch, was diese Aufbeißschiene betraf. Die erste passte wie gesagt nicht richtig, ich hatte Druckstellen und Zahnschmerzen. Als ich sie an hatte, sah ich so aus als wäre mein Gesicht noch angeschwollen und ich war fürchterlich am lispeln. In Tatsache hatte sie also mehr Nachteile als Vorteile. Inzwischen hatte ich mich sogar damit abgefunden, dass ich die Zähne zu Hause garnicht mehr tragen würde, solange der Knochenaufbau einheilen muss. Doch das tolle Team von Dr J konnte mich mal wieder vom Gegenteil überzeugen. Die jetzige Schiene sitzt perfekt und ich habe ein tolles Lächeln. Ich kann wieder normal sprechen und Niemanden wird auffallen, dass in meinem Mund etwas fehlt. Ihr Lieben, heute Abend esse ich einen Burger, ohne ihn in alle Einzelteile zu zerlegen! Es sind die kleinen Dinge, die mir Freude machen. Heute sind es fünf kleine Zähnchen, die meine Lücke schließen. Kapitel 9: Happy Birthday – Implantation und Nachuntersuchung 27.01.; 28.01.; 01.02.2022 ---------------------------------------------------------------------------------------- Meine Kolleginnen hielten mich für verrückt. Heute, genau auf diesen Tag, eine Implantation machen zu lassen, war für die Beiden vollkommen unverständlich. Auch dass ich die Ruhe selbst war, konnten sie nicht begreifen. Gelassen zuckte ich mit den Schultern und lächelte die Beiden an. „Was soll mir jetzt noch passieren? Den Knochenaufbau habe ich hinter mir und schlimmer als das kann es sicher nicht werden.“, erklärte ich gelassen und aß weiter meine „Henkersmahlzeit“ - um genau zu sein ein Stück Donauwelle, welches ich heute zur Feier des Tages mit in die Firma gebracht hatte. Nach der Arbeit fuhr ich also genau so entspannt zur Praxis von Dr J. Das was ich zu meinen Kolleginnen gesagt hatte, meinte ich vollkommen Ernst. Ich fühlte mich, als könnte mir nichts mehr etwas anhaben. Das Einzige was mich wirklich ärgerte war, dass ich meine Kopfhörer für die Musik vergessen hatte. „Wer kommt den auf die Idee, auf so einen Tag so einen Eingriff machen zu lassen?“ – Ich grinste erneut. „Ist doch ein schönes Geburtstagsgeschenk!“, antwortete ich Dr J. Grundsätzlich ist es mir egal, wann ich einen OP-Termin bekomme – Auf Weihnachten, Ostern - oder eben auf meinen Geburtstag. Ich bin da eben pragmatisch. „Ja, so kann man es auch sehen...“ Allgemein kann ich behaupten, dass Dr J und ich inzwischen unsere eigene Routine entwickelt haben. Er brauchte schon gar nichts mehr sagen, als er die Antibiotika-Tabletten auf den Tisch legte (was er natürlich als kompetenter Arzt trotzdem tat); ich fragte ihn, ob er zuerst Blut abnehmen oder den Mund betäuben wollte. Er brauchte nicht viel erklären, da ich wusste, was auf mich zukam. Ich denke, dass das die Sache für uns Beide erleichtert. Ein weiteres Mal wartete ich, bis die Betäubung griff und der Raum vorbereitet war. Ein weiteres Mal kam ich herein und alles war sowohl steril als auch abgedeckt. Geübt setzte mir eine der Schwestern die OP-Haube auf, nachdem ich mich auf den Stuhl gesetzt hatte. Und schon kündigte Dr J an, dass er nun loslegen würde. Drei Implantate, die es nun zu setzen galt. Ein letztes Mal atmete ich tief durch, bevor es losging. Das erste Implantat wurde dort gesetzt, wo mein Eckzahn gezogen wurde. Hier wurde also nicht gebohrt. Ich spürte, wie Dr J die Aushöhlung die vom gezogenen Zahn hinterlassen wurde, ein weiteres Mal ausgeschabt wurde. Ein wirklich unangenehmes Gefühl, welches man beim besten Willen nicht beschreiben kann. Es tut nicht weh, aber es ist ein wirklich unangenehmes Gefühl und ein richtig ekliges Geräusch. Kaum fünf Minuten Später verkündete Dr J: „Das erste Implantat ist sitzt! Wir betäuben jetzt noch einmal nach.“ Gesagt – Getan. Und während die Betäubung weiter wirkte, fing Dr J an, die Schrauben vom Knochenaufbau zu entfernen. Mit einen Schraubenzieher. Ich fühle mich langsam wie eine runter gekommene Blechbüchse, an der mal alles austauschen muss. Anschließend fing Dr J mit dem nächsten Implantat an. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich dachte es ist nichts Anderes, ob man nun im Zahn oder im Oberkieferknochen bohrt. Hiermit revidiere ich meine Meinung: Es war wirklich unglaublich Laut, als Dr J das Loch für das Implantat bohrte. Nicht wirklich unangenehmer, als am Zahn, aber tierisch laut! Doch auch dieses Bohren ging nach einiger Zeit vorbei. Und auch dieses Implantat wurde ohne Probleme eingesetzt. Wow, wenn das so weiter gehen würde, wäre ich in Null Komma Nix hier raus! Unangenehme Gefühle, gepaart mit ekligen Geräuschen im Kopf bin ich ja mittlerweile gewöhnt. Quasi ein Spaziergang. Nur noch eins! Ein letztes Mal atmete ich durch, bevor ich dem Mund wieder öffnete. Ein letztes Mal kündigte Dr J an, dass er nun bohren würde. Und noch bevor Dr J die exakte Tiefe erreicht hatte, durchzuckte mich ein stechender Schmerz. „Hmm!“, machte ich mich bemerkbar. Dr J stoppte sofort und hielt kurz inne. „Wir betäuben nochmal nach, okay?“ Ich nickte und atmete noch einmal durch. Es wurde ein weiteres Mal nachbetäubt und einige Minuten gewartet, bevor Dr J ein weiteres Mal ansetzte. Doch es half nichts. Es tat wirklich unglaublich weh, nicht nur das Loch zu bohren, sondern auch, als das Implantat eingeschraubt wurde. Ich kniff die Augen zusammen (als würde sowas helfen) hielt es einfach aus. Was sollte ich auch sonst tun? Es war nur noch ein popeliges Implantat, 2/3 waren schon getan. Und nach etwa zehn Minuten Schmerzen verkündete Dr J: „Das letzte Implantat sitz auch. Ich nähe nur noch zu, dann haben Sie es geschafft!“ Puh! Na endlich! Nach etwa weiteren zehn Minuten war auch schon zu genäht und Dr J lächelte mich durch die Maske an. „Geschafft!“, verkündete er, “Wir röntgen noch einmal und dann besprechen wir alles Wichtige.“ Ich nickte nur, während der Stuhl wieder hoch fuhr und versuchte auf meinen wackeligen Beinen aufzustehen. Tatsächlich gelang es mir und schon führte die Schwester mich zum Röntgen-Raum. Ein weiteres Mal wurde ein Bild von meinem Kiefer erstellt. Dass ich nachts noch nicht leuchte, wundert mich schon ein wenig. Wenige Minuten später fand ich mich im Behandlungsraum wieder, wo Dr J bereits am Schreibtisch wartete und das Röntgenbild begutachtete. Stolz seigte er mir das Bild wo sich nun drei Implantate im Oberkiefer zeigten. Warum ich auf einmal Schmerzen hatte, konnte er auch ganz einfach erklären: Der Knochenaufbau hatte sich auf der linken Seite bereits zurück entwickelt. Daher waren wir wohl ziemlich nahe am Nerv dran. Routiniert sprachen wir den Rest durch, machten einen Folgetermin für den nächsten Tag und er gab mir das Kühlgerät wieder mit. Vorne an der Rezeption holte ich meine Krankmeldung und die Rezepte für das Antibiotika und die leckere Mundspülung ab. Ich möchte hier nichts verharmlosen. Das letzte Implantat hat wirklich höllisch wehgetan. Es hat sich wortwörtlich so angefühlt, als würde es in der Nase wieder raus kommen. Kein schönes Gefühl. Wäre es andersrum gewesen, also zuerst die höllischen Schmerzen und danach der Spaziergang, wäre ich wohl positiver überrascht gewesen. Ich kann stolz sagen, dass mich dieses Mal mein Mann (nicht mein Verlobter) abgeholt hat. Mein Bruder kam mit, um mein Auto nach Hause zu fahren. Mein Mann nahm mir das Kühlgerät ab und führte mich mit meinen wackeligen Beinen die Treppe von der Praxis hinab. Jetzt schon war mein Gesicht, vor allem Oberlippe und Nase, gut angeschwollen. Ich gab meinen Bruder F meinen Schlüssel, anschhließen fuhren M und ich noch in die Apotheke, um meine Medikamente zu holen. In meiner Nase und der Oberlippe hatte ich bereits unglaubliche Schmerzen. Kein Wunder wenn man sich überlegt, dass das Zahnfleisch bis unter die Nase aufgeschnitten und dieses Stück über anderthalb Stunden hoch gehalten wird. Trotzdem muss ich sagen, dass es nicht so schlimm war, wie es sich viele vorstellen. Ja, es ist mit Schmerzen verbunden, doch im schlimmsten Fall hätte ich die anderthalb Stunden Schmerz auch ausgehalten (in meinen Fall waren es zum Glück nur etwa 15-20 Minuten). Und wer das so nicht will, kann sich immernoch in Narkose oder eine Sedierung versetzen lassen und bekommt nichts mit. Zuhause angekommen fing ich direkt an zu kühlen. Obwohl mein gesamter Mund noch betäubt war, schmerzte meine Nase. Ich nahm direkt eine Ibuprofen ein und kuschelte mich auf die Couch. Die Nacht war kurz. Auch wenn ich keine größeren Schmerzen hatte, merkte ich, wie mein Gesicht anschwoll. Ganz davon abgesehen, dass sich ein angeschwollenes Körperteil ziemlich fremd anfühlt, fült es sich auf einen Kopfkissen ziemlich komisch an. Um etwa 6 Uhr morgens gab ich es auf, mich nochmal in Schlaf zu lullen und stand auf. Noch nicht einmal Kaffee konnte ich trinken, falls ihr euch erinnert ist das nach sämtlichen OP's verboten. Also fing ich nach einer Dusche und einem wohltuhenden Glas Wasser wieder an zu kühlen. Meine Nase tat zum Glück nicht mehr so weh. Um 8 Uhr hatte ich auch schon meinen Kontrolletermin bei Dr J. Dieser schaute nur kurz in meinen Mund, ob alles saß und sich nicht entzündete. Nach bereits 5 Minuten war ich wieder auf dem Heimweg. Dieses Mal ging der Heilprozess erstaunlich schnell. Mein Gesicht schwoll nicht so extrem an, wie ich es von den letzten OP's gewöhnt war. Schon am Samstag konnte ich wieder ganz normal essen. Ich war wirklich überrascht, wie gut es mir ging. Ich konnte mich ganz normal bewegen, ohne in Schweiß auszubrechen; ich fühlte mich bis auf das geschwollene Gesicht wirklich gut! Die OP war donnerstags, montags ging ich wieder arbeiten. Wirklich großartig! Zum nächsten Kontrolltermin wurden mir die Fäden gezogen. Auch dieses Mal kontrollierte Dr J penibel die OP-Stelle und wir klärten alles Wichtige ab. Die Implantate wurden gesetzt, in etwa 8-12 Wochen werden Zähne darauf gesetzt – also über die komplette Einheilungsphase. Die Aufbeißschiene kann ich über diese Zeit ganz normal tragen. Meine OP's sind geschafft. Es wird nichts mehr schlimmes kommen. Und jetzt brauche ich nur noch warten, bis mein strahlendes Lächeln von selbst kommt. Kapitel 10: Freilegung am 13.06.2022, Scannen am 04.07.2022 ----------------------------------------------------------- Die Implantate heilten wunderbar ein, schon nach etwa zwei Wochen hatte ich kein Druckgefühl mehr im Kiefer und meine Nase machte mir auch kaum mehr zu schaffen. Nun galt es nur noch zu warten, damit die Implantate komplett einheilen und vom Kiefer nicht mehr als Fremdkörper angesehen werden. So dusselig wie ich eben bin, habe ich mir eine falsche Einheilzeit aufgeschrieben. Es waren keine 6-8 Wochen, sondern etwa 12-16 Wochen, die es zu überbrücken galt. Aber auch die Wartezeit war im normalen Wahnsinn des Alltags unglaublich schnell rum. Als Nächstes stand also die Freilegung auf dem Plan. Bei diesem Termin ging es darum (wie der Name schon sagt), das Zahnfleisch um die Implantate herum freizulegen, damit die Schrauben für die Kronen dort befestigt werden können. Also machte ich mich wieder auf, ab zum Zahnarzt meines Vertrauens. Auch dieser Termin war im Null Komma Nichts gemacht: Dr J betäubte mir den Oberkiefer und legte die Implantate frei. An einem Implantat musste er sogar etwas „überstehenden“ Knochen weg schleifen, damit er nicht zu weit heraus wächst. Ein Zeichen dafür, dass die Implantate super vom Körper angenommen werden und nicht als Fremdkörper angesehen werden. In die Implantate setzte er Schrauben, die ein wenig aus dem Kiefer heraus ragen, damit das Zahnfleisch nicht wieder komplett zu wächst. Anschließend wurde das Zahnfleisch um die Implantate herum wieder zu genäht. Das war kein großer Eingriff, die Aufbeißschiene konnte sofort wieder eingesetzt werden und ich ging danach ganz normal arbeiten. Einmal mehr galt es, die offenen Stellen zu Pflegen. Das stellte sich bei meiner jetzigen Routine als unproblematisch heraus. Was sich als schwieriger heraus stellte, war, die „Schrauben“ frei zu halten. Hier setzte sich nämlich immer wieder eine dünne Hautschicht drauf und versuchte, die Implantate wieder zu umschließen. Nach einer radikalen Behandlung mit Wattestäbchen wuchs diese Haut aber auch nicht mehr nach. Die Fäden, die eigentlich selbstlösend sein sollten, taten auch nicht wirklich ihren Dienst. Kurzerhand entschloss ich, diese selber zu ziehen, anstatt dafür extra eine Tour zu Dr J zu fahren. Die Woche darauf hatte ich eh einen Termin, falls es nicht klappen würde. Um die Fäden zu ziehen brauchte ich nur eine Pinzette und eine kleine Schere (in meinem Fall eine Nagelschere). Diese kochte ich beide ab, desinfizierte sie und legte dann los: Mit der Pinzette zog ich den Faden leicht vom Zahnfleisch ab und schnitt ihn dann durch. Super einfach! Bei mir waren es nur drei Fäden, die es zu ziehen galt. Das war schnell und unkompliziert gemacht. Auch der nächste Termin ließ nicht lange auf sich warten. Hier ging es darum, die ganz genauen Maße aufzunehmen. Auch wenn schon mehrere Abdrücke genommen wurden, kam es hier offensichtlich auf die Präzision an. Dr J erklärte mir alles Schritt für Schritt: zuerst würden wir die Schrauben raus nehmen, um dann längere Stäbe einzusetzen. Gesagt – getan. Nun wurde ein Faden mehrmals um die Schrauben gefädelt. Danach kam ein Kunststoff auf das Stab-Faden-Geflecht, sodass die Mitte bzw. die Lücke zwischen den Zähnen gefüllt war. Und als wenn das nicht genug wäre, wurde nun noch ein Abdruck genommen. Dieses Mal war es aber nicht die normale Masse, die wir sonst immer nahmen. Diese Masse war lila und hat bestimmt einen tieferen Hintergrund (nach dem ich aber nicht gefragt habe ;-)). Der Löffel blieb etwas länger im Mund, da die Masse anscheinend länger zum aushärten brauchte. Anschließend puhlte Dr J in der gehärteten Masse herum, um die Stifte zu finden und aus meinem Kiefer wieder heraus zu schrauben. Diese Prozedur hat nicht weh getan, man merkt aber schon genau wie das Gewind in- und aus dem Kiefer heraus geschraubt wird. Das würde ich weniger unangenehm als viel mehr interessant nennen. Dr J schraubte die kleinen Schrauben wieder ein und somit war „Punkt eins“ von der Liste abgehakt. Als Nächstes widmete sich Dr J meinen kleinen, toten Zahn im Unterkiefer. Dieser wurde nämlich Wurzelbehandelt und ist seitdem ganz dunkel geworden. Da das natürlich nicht schön aussieht, hatte Dr J eine einfache wie elegante Lösung zur Hand: Eine Masse, die im Zahn eine chemische Reaktion auslöst und den Zahn somit aufhellt. Geübt bohrte er also den toten Zahn auf (was natürlich auch nicht weh tut, da ja kein Nerv mehr da ist) und machte etwas von besagter Substanz rein. Danach wurde der Zahn ganz normal wieder geschlossen. Diese Masse darf jedoch nicht zu lange im Zahn bleiben, da er sonst zu hell wird. Punkt zwei – check! Nun, da Dr J nicht mehr benötigt wurde, verabschiedete er sich auch schon zum nächsten Termin. Zurück blieben die Arzthelferin und ich. Nun ging es darum, die Maße meines Kopfes zu nehmen. Dafür nahm sie eine Gesichtsbogen, den man am ehesten als viereckiges Stethoskop mit integrierter Schieblehre beschreiben kann. Links und rechts in meine Ohren kam Knopf hinein, so misst man die Breite vom Kopf. Als Nächstes kam eine weiche Schiene auf das Nasenbein und ganz nebenbei beißt man schließlich noch auf eine Schiene. Das ist nicht weiter unangenehm, es ist eine Sache von etwa 2-3 Minuten, die man gut aushalten kann. Somit waren auch die Arzthelferin und ich fertig und als Letztes ging es hoch ins Labor. Die nette Zahntechnikerin nahm meine Abdrücke entgegen und zusammen schauten wir, welche Zahnfarbe am Besten zu meinen natürlichen Zähnen passt. Ja, es ist bald soweit! Ich habe noch zwei Anpassungs-Termine. Und, ihr Lieben, am Ende dieses Monats werde ich feste Zähne haben. Ich freue mich wirklich darauf, und, ich freue mich euch davon zu berichten! Kapitel 11: Ein Lächeln im Gesicht – Anprobe am 08.07.2022 ---------------------------------------------------------- Leute, ich bin happy. Und dabei habe ich noch nicht mal die festen Zähne drin. So langsam kann ich aber Licht am Ende des Tunnels sehen. Ja, ich kann mit Stolz sagen, dass ich heute eine richtig tolle erste Anprobe hatte. Aber von vorne: Ein weiteres Mal begrüßte Dr J mich strahlend und begleitete mich in das Behandlungszimmer. „Na, freuen Sie sich schon?“ – „Und wie!“, meinte ich grinsend und setzte mich auf den Stuhl. „Das erste Muster ist jetzt fertig, ich habe es mir eben noch angeschaut. Es sieht schon gut aus, aber meiner Meinung nach kann man da noch was rausholen. Aber wir schauen gleich mal zusammen.“, erklärte Dr J, als auch schon die Zahntechnikerin mit Schwerpunkt Keramik, Frau H, mit meinen bearbeiteten Abdrücken mit dem ersten Muster hinein kam. Neugierig versuchte ich einen Blick zu erhaschen, was mir jedoch nicht wirklich gelang. Pech gehabt. Dr J fuhr den Stuhl nach hinten und schraubte die Schrauben hinaus. Das tut nicht weh, aber man merkt schon, dass eine Schraube raus geschraubt wird. Weniger vom Gefühl her, als eher vom Geräusch. Es ist schwierig zu erklären; es hört sich am ehesten an wie ein leises mahlen. Dann setzte Dr J das Provisorium ein und schraubte es ebenso in den Gewinden der Implantate fest. Das drückt ein bisschen am Zahnfleisch, ist aber ebenfalls nichts Schlimmes; wie gesagt, man hört nur das leise mahlen und spürt einen leichten Druck am Zahnfleisch. Ich stellte mir die ganze Zeit vor, dass das Provisorium, welches ich eingesetzt bekam aus Wachs ist, denn neben dem Termin auf dem Terminzettel stand „Wax-up“. Bestimmt habe ich einfach zu viel hinein interpretiert, denn das war nicht der Fall. Das erste Muster wurde aus Kunststoff angefertigt. Als erstes fiel mir auf, dass mein Gaumen frei war. Das ist natürlich nichts Unnormales, doch bei mir war der halbe Gaumen seit Jahren mit Kunststoff verdeckt. Daher ist für mich das Gefühl, Zähne im Mund zu haben und gleichzeitig den Gaumen bis zu den Frontzähnen frei zu haben komplett neu. Wenn ich jetzt mit der Zunge über den Gaumen fahre, spüre ich bis etwa zur Mitte nur das Plastik, was verhindert dass ich Lispel. Erst ab etwa der Mitte des Gaumens, bis nach hinten zur weicheren Haut der Nase spüre ich das Zahnfleisch. Deshalb war das leicht kitzelnde Gefühl der Zunge so weit vorne in der Mundhöhle schon das erste kleine Glücksgefühl. Dann endlich, bekam ich einen Spiegel in die Hand gedrückt und lächelte mich durch diesen hindurch an. Was soll ich sagen? – Ich war in dem Moment total enttäuscht! Die Frontzähne, die die Zahnlücke schlossen, waren im Vergleich zu kurz, meine natürlichen Zähne überragten sie. Das war definitiv nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Und was sagt man in so einem Moment? - „Oh… Wie schön!“ Das Dr J in dem Moment nicht lauthals anfing zu Lachen ist mir im Nachhinein ein Rätsel. Immerhin weiß er am besten, wie ästhetische Zähne auszusehen haben. Bestimmt hat seine FFP2-Maske auch nur das Offensichtliche verborgen. Den leichten Schalk in seinen Augen konnte er jedenfalls nicht verbergen. „Sicher?“, fragte er und schaute mich an. „Naja, vielleicht etwas länger?“ - „Genau der Meinung bin ich auch! Aber wir schauen jetzt mal etwas genauer.“ Somit wurde der Stuhl wieder hoch gefahren und ich stellte mich vor Dr J. Dieser schaute mit der Zahntechnikerin, Frau H, genau mein Lächeln an. „Oh ja,“, sagte Frau H und sah einmal von allen Seiten mein Lächeln an,“auf jeden Fall etwas Länger.“ „Mintestens drei Millimeter.“, stimmte Dr J zu. „Sagen Sie bitte mal was.“, sagte Frau H. Anscheinend stand ein großes Fragezeichen in meinem Gesicht, denn sie grinste leicht und fügte hinzu: „Zählen Sie mal bis zehn.“ Das machte ich auch. Die Beiden starrten mich mit Argusaugen an, ich stellte mir vor, wie sie applaudieren würden, nachdem ich die Zehn zuende gezählt hatte. Tatsächlich musste ich kurz auflachen. Ja, ich bin verrückt. Beide besprachen noch etwas, benutzten Fachbegriffe die ich nicht verstand, aber das störte mich nicht weiter. „Verena, haben Sie etwas Zeit mitgebracht? Dann können wir nochmal anpassen.“, meinte Dr J. „Na klar.“, sagte ich. Also wurde das Muster wieder raus geschraubt und Frau H verschwand damit ins Labor. Ich hingegen zog die Aufbeißschiene wieder an und setzte mich ins Wartezimmer. Nach etwa zwanzig Minuten wurde ich wieder aufgerufen. Ich hatte mit mehr gerechnet, immerhin wird auf das Muster wieder Kunststoff aufgetragen, welcher auch aushärten muss. Das ging wirklich schnell! Ein weiteres Mal ging ich also in das Behandlungszimmer und das Muster wurde wieder eingeschhraubt. „Oh ja, schon viel besser!“, sagte Dr J und drückte mir wieder den Spiegel in die Hand. Tatsächlich war es diesmal wirklich schön! Ich hätte sofort drauf losheulen können – tat ich aber natürlich nicht. Wieder stand ich vor den Beiden, Lächelte bis meine Mundwinkel anfingen zu zittern, zählte ein weiteres Mal bis Zehn und wartete geduldig, bis die Beiden alles fachliche besprochen hatten. Denn Dr J war immernoch nicht ganz zufrieden, was ich als Laie natürlich nicht nachvollziehen konnte. Das eine verstand ich aber: Die unästhetische Lücke, die durch meinen sehr spitzen Eckzahn entstand. Dr J und Frau H suchten eine ganze Weile nach einer Lösung, bis sie dann kam: Dr J zaberte die Ecke weg wie einen abgebrochenen Zahn. Eine ganz normale Füllmasse. Das wurde auch sofort ausprobiert und siehe da: Ein wunderschönes Lächeln! Niemand würde auf die Idee kommen, dass diese Frontzähne nicht echt sind! Ich war begeistert! Dr J offensichtlich auch, denn er wollte das Muster schon direkt als Provisorium drinnen lassen, bis die Keramikzähne fertig gestellt sind. Doch Frau H stoppte ihn in seinem Vorhaben, da im Muster eine bestimmte Substanz drin ist, die sich bei Wärmezufuhr extrem erhitzt, damit das Muster schneller troknet. „Dann verbrüht die arme Verena sich, wenn sie nur einen Kaffee trinken will...“, erklärte sie. Wie schade! Doch die paar Wochen kann ich jetzt auch noch abwarten! Und jetzt weiß ich, dass die Zähne fantastisch werden! Das heißt: Zurück lehnen und Kaffe trinken – ohne sich zu verbrühen. ;-) Kapitel 12: Anprobe mit Folgen – Termin am 26.07.2022 ----------------------------------------------------- Die nächste Anprobe. Ich war so gespannt, wie die Zähne aus Keramik aussehen würden! Mein letzter Termin war 2 ½ Wochen her und ich schaute mir immer wieder voller Vorfreude die Bilder vom Wax-up an. Ich bin im Endspurt! Als Dr J förmlich durch die Tür hüpfte und mich durch seine Maske angrinste, hätte ich schon ahnen können, dass da was im Busch ist… „Halloo~hoo! Naaa… Freuen Sie sich schon?“ – „Ja klar!“, antwortete ich grinsend. „Super, ich mich auch!“, sagte Dr J und ließ sich auf seinem Stuhl nieder. “Dann fangen wir mal an.“ Na dann los! Routiniert wie immer nahm ich die Aufbeißschiene raus, der Zahnarztstuhl fuhr nach hinten und schon schraubte Dr J die Schrauben raus. Einen Blick auf die Keramikzähne konnte ich ein weiteres Mal nicht ergattern, ließ mich aber gerne überraschen. „So, ich setze das jetzt mal ein.“, informierte Dr J mich. Und schon wurde die Lücke gefüllt und die Schrauben wieder eingesetzt. „das drückt jetzt ein bisschen…“, kündigte Dr J an als er die Schrauben fester zog. Tatsächlich drückte es unangenehm, doch das war nichts Schlimmes. Dr J sah mich schließlich an und ein Lächeln stand in seinen Augen. „Cool!“ Ich lächelte ihn an und sein Grinsen wurde breiter. “Wirklich cool!” Na, wenn der Chef nichts zu bemängeln hat, dann kann es ja nur gut sein! Dr J bat die Helferin, Frau H herzuholen, damit auch sie einen Blick drauf werfen konnte. Ich bereitete mich darauf vor, ein weiteres Mal bis zehn zu zählen. In der Zeit ließ Dr J den Stuhl hochfahren und drückte mir den Spiegel in die Hand. OH MEIN GOTT!! Ich hätte heulen können!!! Wie toll das geworden ist, konnte ich gar nicht fassen. Ich wundere mich bis jetzt noch, dass ich in dem Moment nicht in Tränen ausgebrochen bin. In der Zeit kam auch schon Frau H in den Raum und begutachtete ebenfalls lächelnd ihr Kunstwerk. “Wir sind fertig!“ „Fertig?!“ Mir fiel alles aus dem Gesicht. „Fertig!“, sagte Dr J breit grinsend. Ich konnte es nicht glauben, war mental überhaupt nicht auf die Situation vorbereitet, dass ich heute schon feste Zähne haben könnte. „Wirklich?!“, harkte ich daher noch einmal ungläubig nach. „Es sei denn, Sie möchten noch zwei Tage warten...“ -NEIN!!- Ich lächelte nur breit mit meinem neuen Lächeln, was auf alle Anwesenden abfärbte. „Die Schrauben habe ich schon mitgebracht!“, meldete sich auch Frau H und hielt als Beweis ein Kästchen hoch. Ich lächelte immernoch ungläubig, konnte gar nicht fassen, was in diesem Moment geschah. Wie gesagt, ich wundere mich, dass ich nicht anfing zu Heulen. Dr J nahm ihr das Kästchen ab und lobte Frau H für Ihre großartige Arbeit. Auch ich bedankte mich noch einmal herzlich, bevor sie den Raum verließ. Ich wollte den kleinen Handspiegel schon gar nicht mehr aus den Händen geben. „So, wir machen jetzt noch die richtigen Schrauben rein.“, kündigte Dr J an, ‘die Montage-Schrauben‘, schoss es mir durch den Kopf. Jetzt kam die Aufregung! „Okay.“, stimmte ich zu und wurde ein weiteres Mal nach hinten gefahren, legte den Spiegel trotz Widerwillen weg. Und in diesem Moment nahm ich alles vollkommen Bewusst wahr: Ein letztes Mal das leise Mahlen der Schrauben. Ein letztes Mal nacktes Zahnfleisch, welches mit kalter Flüssigkeit gereinigt wird. Dr J’s konzentrierter Blick, während er seiner Arbeit nachgeht. Das unangenehme Blenden, wenn man ausversehen in das Licht der Lupenbrille schaut. Mir wurde auf einmal ganz klar bewusst, dass ich in wenigen Minuten fertig sein würde. Anderthalb Jahre. Anderthalb Jahre harte Arbeit. Gleich wäre es soweit. „Ich drehe das jetzt richtig fest, das wird etwas drücken, ok?“, warnte Dr J mich vor. Und so wie er es sagte, drehte er die Schrauben mit einem Drehmomentschlüssel fest. Das drückte tatsächlich sehr. Kennt ihr das Gefühl, wenn seitlich am Zahn eine Füllung gemacht wird und diese Spange dazwischen geklemmt wird? So in der Art kann man es vergleichen, nur dass die Zähne nicht zusammen gedrückt werden. In meinem Fall wurde mächtig an den Implantaten gezogen (bzw. die Schrauben wurden im Gewinde festgezogen, was natürlich mächtig am Oberkiefer zieht), um die Kronen fest zu halten. Mich würde echt mal interessieren, mit wie viel Nm die Zähne fest gezogen werden… „Geht es?“, erkundigte er sich. „Hm-hm“, bejahte ich. Die nächsten Schrauben wurden also auch auf dieselbe Weise fest gemacht. Als Nächstes wurden die Schraubenlöcher mit Teflon und einer ganz normalen Füllung geschlossen. „So, wir passen das jetzt noch einmal an.“, informierte Dr J mich. Das ist einfach und hat Jeder, der schon mal eine Füllung bekommen hat, gemacht. Man klappert mit den Zähnen auf abfärbendem Papier, da kann der Zahnarzt sehen, wo etwas vorsteht. Diese Stelle wird dann abgeschliffen und poliert. Der Vorgang wurde mehrere Male wiederholt, bis nirgendwo mehr Druckstellen vorhanden waren. Anschließend wurde der Stuhl wieder hochgefahren. „Wir haben es geschafft!“, verkündete Dr J. Ich lächelte ein wenig wehmütig. Von einem Moment auf dem Anderen war alles vorbei. Ich war absolut nicht darauf vorbereitet. Dr J war aber noch nicht alles losgeworden: „Verena, ich möchte Ihnen ein großes Kompliment aussprechen. Es hat richtig Spaß mit Ihnen gemacht. Sie waren immer super drauf, immer wenn Sie rein gekommen sind, hatten sie ein Lächeln im Gesicht. Auch wenn es dick geschwollen und blau war. Vielen Dank, es war sehr schön, mit ihnen zu arbeiten!“ „Ich habe zu danken! Es ist so schön geworden und hier fühlt man sich immer gut aufgehoben!“, lenkte ich sofort ein. Und das ist mein absoluter Ernst. In jeder Situation fühlte ich mich in den richtigen Händen, es blieben nie Fragen offen, man konnte mit Dr J und den Schwestern scherzen. „Darf ich Sie trotz Corona einmal umarmen?“, fragte ich. Dr J breitete direkt lächelnd die Arme aus. „Vielen vielen lieben Dank!“, bedankte ich mich noch einmal. Keine Worte können beschreiben, wie viele tausend Steine von meinem Herzen gefallen sind. Es war ein langer Weg. Mich begleiteten der Sturm aufs Kapitol, Impf-Chaos, und Corona-Lockdowns. Der Militärputsch in Myanmar, ein blockierter Suezkanal, die Maskenaffäre, die Corona Notbremse, der Raketenkrieg zwischen Hamas und Israel und Corona-Lockerungen. Extremwetter mit unglaublichem Hochwasser in Deutschland und zerstörerischem Feuer in Griechenland, der völlig Missglückte Abzug der Nato aus Afghanistan, Pandemie, Inflation, ein neuer Bundeskanzler, Krieg in Europa, ach ich kann gar nicht alles aufzählen. Auch privat ging ich durch Höhen und Tiefen: Meine Verlobung, der überraschende Tod M’s Opas, der Umzug in unsere neue Wohnung, eine gefühlte Sanierung, so viele Corona Lockdowns und Lockerungen, dass ich sie nicht mehr zählen kann und die damit verbundene Freude unsere Freunde endlich mal wieder zu Gesicht zu bekommen. Die Überflutung, die nicht nur unsere komplette Nachbarschaft betraf, sondern auch unsere Autohalle auflöste, unser Familienzuwachs in Form unseren kleinen Katers Nacho – nicht zu vergessen der dicke, verrückte Kater Tommy, der wenig später dazu kam. Unsere eigene Hochzeit, wir kauften ein Haus, Arbeit, Stress, alles auf einmal. Anderthalb Jahre voller Freuden und Sorgen, Erschöpfung und Munterkeit, Ein Gefühlschaos, was viele von uns betraf, wenn wir den Fernseher nur eingeschaltet haben um Nachrichten zu sehen. 2021 war ein Jahr voller Katastrophen, Wahlkampf und Umstrukturierung; 2022 steht Krieg und Inflation im Mittelpunkt. Mein Name ist Verena. Ich bin 27 Jahre jung, seit Dezember glücklich verheiratet und führe ein normales Leben. Hätte ich vor der Behandlung gewusst, was mich für ein Chaos auf der Welt begleiten würde, hätte ich mir wohl mehrmals überlegt, ob ich das Geld in Zähne investiere. Ich bin froh, dass ich es nicht wusste. Denn jetzt trage ich ein strahlendes Lächeln im Gesicht und werde es nie wieder abgeben müssen. Ich muss beim Schwimmen gehen nicht mehr aufpassen, und mein Mann muss nie wieder nach einer Taucherbrille für meine Prothese fragen. Ich muss auf einer Achterbahn nie wieder den Mund zu halten, beim nächsten Mal werde ich mir die Seele aus dem Leib schreien ohne darauf zu achten, ob etwas raus fallen könnte. Ich kann mit vollem Genuss in einen Apfel beißen. Ich achte nicht mehr darauf, welches Brot ich kaufe. Und, ihr Lieben; während ich das hier schreibe sind erst drei Tage vergangen. Ihr müsstet mich mal sehen, wenn ich Zähne putzen will – ich will immer noch die Prothese/die Aufbeißschiene raus nehmen, bevor ich loslege. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal vom ganzen Herzen bei Dr J und seinem tollen Team bedanken! Ich kann nicht in Worte fassen, wie Dankbar ich bin. Von den Empfangsdamen, den Ärzten, die Arzthelfer und Assistenz, den Zahntechnikern, bis hin zu der Buchhaltung wurde ich immer bestens aufgeklärt und an die Hand genommen. Das ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Tausend Küsse an euch Alle, ihr leistet eine fantastische Arbeit! Tausend Dank!!! Am Anfang wollte ich mit diesem Bericht meine Angst besiegen, nun erkenne ich, dass das alles halb so Schlimm war. Ich kann den Menschen da draußen aus erster Hand erzählen, dass das alles nur halb so schlimm ist. Ja, ich hatte dicke Backen; ja, ich hatte Schmerzen; ja, mein Gesicht war geschwollen und blau. Ja – ich hatte Angst. Aber je mehr Termine ich hatte, desto einfacher wurde ist. Ich wurde lockerer, gelassener und ich wusste was auf mich zukommt. Lasst euer Kopfkino nicht siegen – es ist halb so schlimm! Ihr Lieben – egal wer da draußen ist, egal wer das liest. Seid ihr in meiner Situation? Lasst es machen! Ich kann gar nicht beschreiben, was das für ein Glücksgefühl ist! Im Nachhinein könnte ich mich im Arsch beißen (hihi – Wortspiel :P) dass ich es nicht früher gemacht habe. Was war ich dumm! Überwindet eure Angst. Macht den ersten Schritt – den ersten Beratungstermin bei euren Zahnarzt des Vertrauens! Das möchte ich euch ans Herz legen und mit auf den Weg geben. Und ich werde für mich Persönlich jede Gelegenheit nehmen, um mit einem strahlenden Lächeln durchs Leben zu gehen. Voll auf die Fresse - Eine etwas andere Geschichte (Die Klammer muss weg!) -Ende- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)