Deine Tränen auf meiner Wange von Stiffy (Meine einzige Freiheit) ================================================================================ Kapitel 7: Zwischen uns die Hitze --------------------------------- Wenn man nur die Augen weit genug aufsperrte, konnte man deutlich sehen, was sich zwischen den beiden Jungen geändert hatte. Es war nicht der Punkt, dass sie plötzlich wieder miteinander sprachen, dass man Xaves wieder lachen hören konnte, er wieder hübschere Kleidung trug oder dass sie fast jeden Tag miteinander ausritten; es war auch nicht die Tatsache, dass Lucius nun wieder fröhlicher war, dass er keine Augenringe mehr umher trug oder des Nachts nur aus dem einen Zimmer Stimmen und Lachen zu hören waren. Dies alles waren nicht die Anzeichen dafür, die man hätte deuten können, wenn man nur hingesehen hätte. Sie alleine hätten auch eine Freundschaft sein können, etwas rein Platonisches zwischen zwei Jungen… dass es jedoch mehr war, das erkannte fast jeder in der großen Residenz, wenn er die beiden Jungen nur einmal miteinander sah; nein, eigentlich schon in dem Augenblick, in dem sie nur über den anderen sprachen. Es war etwas in ihren Augen, das sie verriet. Man konnte es nicht mit Glitzern oder Strahlen bezeichnen, mit keinen solch banalen, gar greifbaren Worten, und doch war es deutlich sichtbar. Sie sahen sich mit dieser Intensität an und sie strahlten sie aus, wann immer der andere auch nur in den Gedanken vorkam. Selbst an den Tagen, die sie nicht miteinander verbringen konnten, da Lucius mit seinen Eltern unterwegs war und konnte Liz, welche ihn begleitete, es fast greifen, wie der junge Prinz sich nach seinem Freund sehnte. Und Calia beobachtete dann stirnrunzelnd ihren Schützling, der ihr fleißig half und immer mehr lernte, während er doch die meiste Zeit mit den Gedanken woanders war. Die Einsamkeit, welche sie monatelang umgarnt hatte, war vollkommen einer vertrauten, heftigen Zuneigung gewichen. Und das bemerkten nicht nur die zwei Frauen, sondern auch so viele andere auf der Residenz, wie die Küchenhilfe am glücklichen Lachen der Jungs oder der alte Stallmeister an ihren liebevollen Neckereien. Sie alle schüttelten die Köpfe, obgleich es doch schön war, das Strahlen auf den Kindergesichtern zu sehen. Sie alle wussten doch auch, dass es nicht gut ausgehen würde, wenn nur zwei bestimmte Personen einmal richtig hinsehen würden. Doch gerade diesen beiden Menschen, dem Königspaar nämlich, blieb es verborgen, auf lange, lange Zeit. Noch nie waren sie gut darin gewesen, ihren Sohn zu beobachten, selbst wenn sie ihm mit den Augen folgten. Immer noch glaubten sie, dass ihm wertvolle Geschenke das wichtigste seien, dass er große Anlässe ebenso liebte wie sie. Sie waren gut darin, sich selbst zu belügen, und so profitierte letztendlich eben der missachtete Junge davon, da seine Eltern nicht sahen, welch Band die beiden Jungen aneinander fesselte. Diese beiden Jungen natürlich waren sich über ihre Offensichtlichkeit nicht im Klaren. Zwar wussten sie, dass sie nur innerhalb des Zimmers oder weit weg auf der Wiese auf diese spezielle Weise einander nahe sein sollten, doch war dies Wissen kein wirklicher Gedanke sondern purer Instinkt. Sie begriffen nicht, dass es ihnen aus den Augen schien, dass sie einander anders betrachteten als zuvor, und dass man fast blind oder einfach nur ignorant sein musste, um es nicht zu erkennen. Doch es war auch gut so, dass sie es nicht begriffen, denn nur so konnten sie frei sein, ohne Sorgen; nur so konnten sie jeden Augenblick genießen und sich freuen, einander zu haben. Schnell schon war klar gewesen, dass Xaves’ Zimmer nun nur noch Requisite sein würde. Alle wichtigen Sachen brachten sie hinüber in Lucius’ Schlafgemach. Es war logisch für sie, dass sie sich nun auch nachts nicht mehr trennen würden; jetzt erst recht nicht mehr, nicht eine Sekunde länger als nötig. Und so begannen sie schnell, diese Momente unter der Decke nicht nur zum erschöpften Einschlafen zu nutzen, sondern für unzählige Küsse, dann und wann für harmlose Berührungen. Wenn es dunkel um sie wurde, fanden sich noch lange ihre Lippen und Hände und sie genossen diese Augenblicke, summten sich gegenseitig ins Ohr oder lachten, wenn des einen Atem den anderen im Nacken kitzelte. Es waren schöne, kindliche Augenblicke, die sie auf diese Weise teilten, doch die Zeit blieb nicht stehen, kroch weiter, unaufhörlich an ihnen vorbei. Sie wurden älter, erfahrener, wussten immer besser, was dem anderen gefiel, wie er gerne berührt wurde. Und natürliche Instinkte erwachten, intensive Gefühle, die sie doch voreinander lange versuchten, zu verbergen. Es war ihnen peinlich, wenn ihr Körper reagierte, sie sprachen nicht darüber und versuchten in solchen Momenten an andere Dinge zu denken, während doch in Ihrem Inneren etwas brannte und es sie nur noch mehr nach dem anderen sehnten. Lucius war es, irgendwann, der das Thema nicht mehr länger totschweigen konnte. Es waren Monate vergangen seit ihrem ersten richtigen Kuss und in nur wenigen Tagen würden sie beide 15 Jahre alt werden. Xaves hatte noch immer keinen Wunsch geäußert und so suchte Lucius nach Ideen, wie er ihn an jenem Tag zum Strahlen bringen könnte, während er andere Gedanken verdrängte. Auch so an jenem dunklen Abend, an dem er seinem Freund in den Armen lag und er wieder einmal deutlich spürte, wie ihm heißer wurde, immer stärker. Er versuchte, sich ein Geschenk auszudenken, doch es gelang ihm schlecht, denn er merkte, während Xaves seinen Nacken kraulte, dass er sich schon bald würde abwenden müssen, wenn er wollte, dass der andere Junge die Reaktion nicht bemerkte. Lucius hatte keine Ahnung, dass es etwas vollkommen Natürliches war, das er da spürte. Sie beide wussten das nicht, hatte es ihnen doch nie irgendwer erklärt. Daher hatte es ihnen beiden für sich Angst gemacht, als es zum ersten Mal passierte, und es wurde ihnen vor sich selbst peinlicher mit jedem Mal. Doch andererseits widerstrebte es Lucius ungemein, sich immer wieder wegzudrehen, vorzugeben zu schlafen, wenn er doch die Minuten gerade so genoss. Auch kam es vor, wenn sie gerade auf der Wiese waren, wo sie zuvor noch rumgetollt hatten, oder in der Wanne, der er schnell entstieg, um ihre Nähe zu trennen. Er hasste es, denn er spürte auch, dass es eigentlich etwas war, das er mit diesem Jungen teilen wollte; mit diesem Menschen, der ihm so wichtig war. Er spürte, dass eben dieser der eigentliche Grund der Reaktion des eigenen Körpers war; er spürte es nicht nur, es war zu deutlich, um es zu übersehen. Also begann er sich zu fragen, ob auch bei Xaves derartiges geschah, wenn dieser sich manchmal plötzlich wegdrehte oder ihn einfach zu schnell aus der Wanne fliehen ließ. Vielleicht erging es seinem Freund ähnlich und auch er wusste nur nicht, wie er damit umgehen sollte. Vielleicht mussten sie sich gar nicht ihrer schämen. Lucius hielt sich an jenem Abend genau an diesem Gedanken fest und versuchte, sich auszumalen, was geschehen könnte, wenn er das Thema zur Sprache brächte. Ihm wurde nur wärmer bei dem Gedanken und all das war ihm peinlich, doch er begriff auch, dass er sich nicht mehr lange mit möglichen Geburtstagsgeschenken ablenken könnte. Er wusste, dass er endlich seine Stimme finden musste. Dennoch, auch mit diesem Gedanken, drehte Lucius sich weg, als er die Übermacht der Hitze spürte, die mittlerweile seinen gesamten Körper durchlief und besonders eine Gegend umspielte. Xaves’ Hand glitt aus seinen Haaren fort und Lucius kniff die Lider hinab. Er hätte nun einfach versuchen können zu schlafen, wie er es bereits so viele Nächte zuvor getan hatte, doch er wusste auch, dass es ihm ebenso schwer gelingen würde wie in all diesen Nächten zuvor. Zudem gefiel ihm der Gedanke nicht, sich zu verstecken, vor dem anderen Jungen zu flüchten. Sie hatten einander gesagt, dass sie immer ehrlich sein wollten, wieso waren sie es also nicht? Wieso war er nicht ehrlich und gestand, dass es da etwas gab, das er nicht verstand; etwas, bei dem er aus unerfindlichem Grund spürte, das er es teilen wollte. Also öffnete Lucius schließlich den Mund, wenn auch der Name seines Freundes nur sehr zaghaft aus ihm hervor drang als habe er ihn nie zuvor gesagt. „Ja?“ Xaves’ Stimme klang überrascht, doch auch, wenn man das bei einem so kleinen Wort überhaupt sagen konnte, auf gewisse Weise nervös. „Mir… ist heiß…“ Dem Prinzen versagte fast die Stimme und er hatte das Bedürfnis, sich unter der Decke zu verkriechen. Er glühte mittlerweile wohl puterrot vor lauter Scham. „Mir auch“, kam es aber bloß leise in sein Ohr hinein. Er schüttelte den Kopf. Xaves verstand nicht, aber wie sollte er auch? Vielleicht war es ja doch etwas Unnormales. „Nein!“, sagte er fest und mit jedem bisschen Mut, den er finden konnte. „Das meine ich nicht. Mir ist-“ In diesem Moment war es, dass Xaves näher rückte, und als Lucius’ Hände von denen des anderen Jungen umgriffen wurden und der Körper sich an ihn drückte, spürte er noch etwas anderes, was ihm den Atem stocken ließ. „Ich weiß… was du meinst…“ Xaves’ Stimme war unglaublich dünn und extrem nervös, doch sie war direkt an Lucius’ Ohr und streifte ihm eine Gänsehaut über den Körper hinweg, während er noch immer mit aufgerissenen Augen dalag und ihm das Herz noch lauter schlug als zuvor. Heißer Atem trieb ihm die Nackenhaare in die Höhe. „Xaves… das…“ Ihm selbst brach nun die Stimme und er führte eine Hand des Freundes an seine Lippen heran, drückte sie dagegen und suchte nach irgendwelchen Worten. „Es macht mir Angst“, sprach Xaves jedoch zuerst. Lucius fuhr herum, fast im selben Augenblick, weil er nun das Gesicht sehen wollte, das diese Offenbarung machte. Und es überraschte ihn, dass er darin das erkennen konnte, was er auch selbst verspürte. Sie waren sich so gleich, das es erschrecken könnte; ihn jedoch beruhigte es ungemein. Seine Finger bebten leicht, als er eine blonde Haarsträhne nach hinten schob und die blauen Augen nur schwer in der Dunkelheit des Sonnenuntergangs halten konnte. Dann schob er sich vor und küsste die Lippen, welche er so sehr begehrte, und als sie ihn trafen, merkte er, dass sie noch heißer waren als sonst; der Kuss war um so Vieles intensiver. „Mir auch“, gab er nun endlich zu, als sie sich getrennt hatten und ihre Augen nur Millimeter vor denen des anderen hingen. Gleichzeitig spürten sie wohl beide die Spannung ihrer Körper und das unbekannte Verlangen, welches ins Freie treten wollte. Vielleicht weil aber Lucius es gewesen war, der die Sprache in diese Richtung gedrängt hatte, war es nun Xaves, der als erstes den nächsten Schritt zu gehen wagte. Seine Hand war unbeholfen, als sie hinab glitt, nicht genau wusste, wie und wo sie eigentlich berühren sollte. Und so traf sie durch den Stoff etwas zu stark das, was Lucius so unendlich peinlich war. Diesem entwich ein Stöhnen und er zuckte schwer zusammen, was er selbst kaum begriff. Erschrocken rissen sie beide die Augen auf. Xaves wollte zurückweichen, doch Lucius hielt ihn fest. „Nein“, keuchte er und drängte sich plötzlich näher, aus purem Instinkt heraus. „Das ist… schön…“, sagte er, bevor er es selbst richtig begriffen hatte. Xaves sah ihn an mit glänzenden, schüchternen Augen. Er schien etwas zu suchen und als er es gefunden hatte, lächelte er ein winziges bisschen, wagte es dann erneut und streckte die Finger sanft unter der Bettdecke aus. Er versuchte sich zu überlegen, was er sich für eine Berührung wünschte, wenn er diese Hitze spürte, also versuchte er nun, dies zu geben. Wieder wollte Lucius aufstöhnen, doch er biss sich auf die Lippe, um es nicht zu tun. Er kniff die Lider hinunter, während er genau jeden Millimeter der Fingerspitzen spüren konnte. Sie waren heiß auf seiner empfindlichen Haut, besonders, nachdem Xaves die Unterhose zögernd hinab geschoben hatte. Mitten in einer vorsichtig tastenden Bewegung war es, dass Lucius ebenfalls die Finger streckte. Zögernd tastete er hinab, entfernte den lästigen Stoff und es nahm ihm für einen Moment den Atem, als er diese neue Gegend zum allerersten Mal erkundete. In der nächsten Sekunde aber keuchten sie beide, als Xaves den Körper etwas vor bewegte, als ihre Körper sich trafen und Hitze zu Hitze überging. Es war ein neues, unbekanntes Spiel, was sie dort trieben, vorsichtig reibend mit Bewegungen des Körpers, tastend mit den Händen. Und es kam ihnen unendlich vor, während sie langsam ungestümer wurden. Dabei ging es sehr schnell vorbei; ehe sie es überhaupt begriffen, krallten sie sich bereits aneinander und konnten viele Laute nicht mehr hinter den Lippen verbergen, wie sehr sie es auch versuchten. Sie stöhnten und keuchten, während die Körper von etwas geschüttelt wurden, von dem sie nicht wussten, nicht verstanden, was es war. Nur dass es schön und unbeschreiblich intim, sowie etwas ganz besonderes war, das begriffen sie noch im selben Augenblick, in dem es auch endete. Die Sekunden danach klammerten sich die beiden Jungen noch aneinander. Sie saugten die Luft in sich hinein und versuchten jeder für sich zu begreifen, was soeben mit ihnen geschehen war. Dann bewegten sie sich leicht und im selben Moment spürten sie plötzlich, dass irgendetwas an ihnen klebte. Xaves wich als erstes zurück, weil er sich sehr erschrak und dachte, einen Fehler gemacht zu haben. Er wollte aus dem Bett, doch Lucius hielt ihn fest, sah ihm in die Augen und bat ihn mit diesen, nicht zu gehen. Wie würden sie sich begegnen können, wenn sie einander in diesem Augenblick verließen? Xaves’ Blick entspannte sich zumindest ein kleines bisschen; dann schlug er die Decke von ihren Körpern zurück und deckte dabei die milchig weißen Überbleibsel auf. Sie sahen sich an und sie sprachen nicht darüber. Xaves zog Lucius aus dem Bett hinaus ins Bad, hier in die Wanne. Mitten in der Nacht nahmen die beiden Jungen nun also ein schweigendes Bad, beide ihren Gedanken nachhängend, die sich doch um dasselbe drehten. Sie hielten sich schweigend fest und beide glühten sie im Gesicht, trauten sich nicht zu sprechen. Xaves wechselte danach das Laken und knüllte das alte in eine Ecke; dann kroch er mit Lucius wieder unter die Bettdecke, sie drückten sich aneinander und fanden doch beide lange keinen Schlaf. Es war ihnen peinlich, sie wussten nicht genau, wie sie sich ansehen sollten, am nächsten Morgen; doch gleichzeitig, ganz unterbewusst, hatte es sie beide nur noch näher zueinander gebracht. Liz weckte die beiden Jungen am nächsten Morgen. Mittlerweile klopfte sie an und wartete anschließend auf eine Erwiderung, bevor sie durch die Tür trat. Lucius hatte diese Veränderung irgendwann wahrgenommenen und nicht weiter darüber nachgedacht. An diesem Morgen, nach dem Klopfen, hielt er noch immer den halb schlafenden Xaves in den Armen; er selbst war bereits seit geraumer Zeit wach gewesen. Liz trat hinein und lächelte leicht. Sie kannte die Nähe der beiden Jungen bereits, den Unterschied zum Morgen zuvor konnte sie durch dieses Bild nicht ausmachen. Ohne weitere Gedanken stellte sie das große Frühstückstablett am Fußende ab und wollte gerade wieder hinaus gehen, als sie im selben Augenblick das Bettlacken entdeckte, welches in eine Ecke gestopft war, in die es nicht gehörte. Noch ehe es auch nur einer der Jungen begriff, ehe sie überhaupt darauf hätten reagieren können, hatte Liz das Laken schon hervor geholt. Der Stoff breitete sich aus und auf seiner dunklen Farbe waren die Flecken erschreckend genau zu sehen. Xaves verbarg sich augenblicklich unter der Decke, Lucius fauchte Liz an, loszulassen, und die junge Frau wurde kreidebleich. Wie alle anderen in dieser Residenz, ausgenommen des Königspaars, hatte sie unterbewusst darauf gewartet, eines Tages etwas dergleichen zu erfahren, doch es wäre ihr recht gewesen, wenn dies noch ein paar Monate, gar Jahre auf sich hätte warten lassen. Bloße Vermutungen konnte man beiseite schieben, Tatsachen würden nur schwer zu verdrängen oder verbergen sein. Statt dem Befehl des Prinzen nachzugehen, faltete sie das Lacken zusammen, mit gerunzelter Stirn, die verriet, dass sie nachdachte. Dann ging sie zur Tür und schloss den Spalt, den sie aufgelassen hatte. Lucius sah sie wütend an, Xaves lugte unter der Decke hervor, ängstlicher als sein Freund. Er wusste, dass er hier nur der Bedienstete war, wenn es um die offizielle Rangordnung ging; er hatte hier nicht viel zu sagen. Andererseits hatte er sich noch nie vor Liz gefürchtet; ebenso wie Lucius mochte er sie, die sie seit geraumer Zeit mit einem immer dicker werdenden Babybauch herumlief. Heute hatte er dennoch zum ersten Mal auf gewisse Weise Angst vor ihr. „Was willst du noch?“, fauchte Lucius. Doch Liz ließ sich nicht davon beirren, sondern schob das Tablett beiseite und setzte sich stattdessen auf diese Stelle des Bettes. Sie sah den jungen Prinzen an und versuchte, die eigenen Gedanken zu ordnen. Hätte man sie in diesem Augenblick gefragt, warum sie sich zuständig fühlte, weshalb sie glaubte, nun mit den Jungen ein Gespräch führen zu müssen, so hätte sie wohl mit den Schultern gezuckt und gesagt, dass sie es eigentlich gar nicht wisse. Aber vielleicht war sie in all den Jahren, die sie hier arbeitete, so etwas wie die große Schwester des Prinzen geworden; obwohl sie seine Dienerin war, gab es Momente, in denen der Junge zu ihr aufgesehen hatte und er bat sie um Rat, dann und wann, wenn er selbst keinen mehr wusste. Er war früher, als er noch jünger und weniger stolz gewesen war, mit Fragen, Wünschen und mit manchen Problemen zu ihr gekommen. Wie könnte sie sich also dieses Mal nicht seiner annehmen? Liz nämlich wusste, dass es niemanden sonst gab, mit dem der Prinz oder Xaves über diese Sache hätte reden können. Niemand würde es ihnen erklären und sie würden alleine gelassen; im Herzen wusste sie, dass sie es so nicht ablaufen lassen konnte, den Jungen zuliebe, die nichts für die Welt oder Konvention konnten, in der sie lebten. Also räusperte sie sich nun, den wütenden Blick, den Lucius ihr schenkte, ignorierend und zu gut verstehend. „Wann ist das zum ersten Mal passiert?“, fragte sie endlich und es kostete sie mehr Mühe, dies auszusprechen, als sie angenommen hätte. Sie strich unbewusst über das gefaltete Laken hinweg, während keiner der Jungen einen Ton hinaus brachte. Sanft lächelte sie also, sich klar darüber, wie unangenehm es den beiden Jungen sein musste. Xaves war noch immer nicht unter der Decke hervorgekommen und der Prinz funkelte sie weiterhin wütend an. Sie wog ihre Worte genau ab, hatte sie doch nicht vor, zu sagen, dass es falsch war, was sie da taten. Das wollte sie sich nicht anmaßen, obwohl sie genau wusste, dass es stimmte; es war jedoch nicht an ihr, über die Gefühle der Jungen zu richten. Schließlich zog sie vorsichtig an der Decke, so dass Xaves aufgedeckt wurde. Aus irgendeinem Grund hielt Lucius sie nicht davon ab. „Hört mir zu“, sprach sie mit beruhigender Stimme und sah zwischen ihnen herum. „Ihr dürft es niemandem sagen.“ Eigentlich hatte sie weniger ernst beginnen wollen, doch war ihr auch klar, dass es die wichtigste Sache war, die sie ihnen zu sagen hatte. Auch die Jungen begriffen dies, denn das Funkeln aus den Augen des Prinzen verschwand, stattdessen sah er sie fragend an, ebenso wie Xaves es tat. Liz beantwortete die unausgesprochene Frage nicht, da sie nicht wusste, wie sie es hätte tun sollen, ohne zu werten; also ging sie lieber auf die Sache an sich ein, denn sie glaubte schon, dass beide nicht verstanden oder gar wussten, was dies eigentlich für eine Sache zwischen ihnen war. Woher auch? „Es ist nichts Schlimmes“, sagte sie also und sah abwechselnd hin und her. „Wenn man in euer Alter kommt, ist es etwas das ganz Normales...“ Beide runzelten nun die Stirn, während sie auch noch immer dunkelrot waren, bis hin zu den Ohren. „Aber… wieso passiert das?“, fragte Xaves nun endlich. Die Frage war ihm peinlich, aber er wusste nicht, wann er sonst eine Antwort darauf bekommen konnte. Schon so lange hatte er sie doch mit sich herum getragen. „Das passiert…“ Liz zögerte einen Moment, nicht sicher, wie viel sie sagen durfte. „Es passiert, wenn man einen Menschen sehr, sehr gerne mag“, fand sie dann, so hoffte sie, die richtigen Worte. „Das ist eine ganz natürliche Reaktion des Körpers, wenn man gerne… von jemandem berührt wird.“ Nun wurde auch Liz rot, denn sie kam sich komisch vor, mit den beiden darüber zu sprechen, die so viel jünger waren und von denen sie einen sogar gewickelt hatte. Es war befremdlich, dass dieser Junge nun so groß geworden war, dass er auf diese Weise für jemand anderen empfand. In ihren Augen war er doch wirklich viel eher ihr kleiner Bruder, doch nun war er unter ihren Blicken ganz von alleine zu einem jungen Mann geworden. „Also… ist es okay?“, presste Lucius hervor, dem die Frage wohl noch schwerer fiel als Xaves seine zuvor. „Ja.“ Sie nickte schwerfällig, da es stimmte. An sich begingen sie keinen Fehler, lediglich ihre Konstellation oder Herkunft war nicht die, wie sie sein sollte. Doch noch immer wollte sie genau das auf keinen Fall aussprechen. Sie wusste, dass die Jungen vermutlich daran zerbrechen würden, wenn sie einander nicht hätten, wie könnte sie sie also voneinander trennen? Würde dies nicht ohnehin schon viel zu früh geschehen? Der Gedanke schmerzte und Liz verdrängte ihn, indem sie nun aufstand und das Gespräch damit beendete. Sie stellte das Tablett zurück und erklärte, dass sie das Laken zum Waschen geben würde. Dann, mit einem letzten Blick auf die beiden so unschuldig aussehenden Jungen, verließ sie das Schlafgemach; lächelnd, um ihnen die Scham noch etwas weiter zu nehmen. Kaum hatte sich aber die Tür hinter ihr geschlossen, brach sie draußen auf dem Flur in leise Tränen aus. Es schnitt ihr ins Herz, die Gewissheit der Gefühle, welche die beiden Jungen umgab, denn sie wusste doch zu genau, dass es sie auf diese Weise einfach nicht geben durfte. Und dass irgendwann alles kaputt gehen würde. Wie kurz bevor es stand, ahnte sie nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)