Deine Tränen auf meiner Wange von Stiffy (Meine einzige Freiheit) ================================================================================ Kapitel 3: Wie ich mich durch dich verändere -------------------------------------------- Als Lucius am nächsten Morgen erwachte, schrak er auf, da er sofort die Gestalt an seinem Bett entdeckte. Xaves war gegen einen der Pfosten gesunken und schlief dort, die dünnen Arme um den eigenen Körper geschlungen und schwer zitternd. Sofort richtete Lucius sich auf und weckte das andere Kind. „Was machst du hier?“, fuhr er ihn an und zog ihn sofort zu sich unter die Decke. Ihre Körper berührten einander und er erschauderte unter der Kälte des anderen. „Ich… wollte schauen… ob du… noch wütend bist…“, zitterte die Stimme des Jungen, ebenso wie der ganze Körper. Obwohl es ihm selbst aufgrund der Kälte widerstrebte, hielt Lucius ihn näher an sich gedrängt. „Ob ich wütend bin?“, fragte er nun. Xaves nickte bloß. „Wieso sollte ich wütend sein?“ Fast hatte er das Gefühl, welches ihn die halbe Nacht hindurch verfolgt hatte, selbst schon wieder vergessen; ausgelöscht durch den Anblick des zitternden, schlafenden Jungen. „Ich weiß nicht, aber gestern warst du wütend auf mich.“ Die Stimme klang nun traurig und Lucius spürte, wie Xaves’ Finger an seiner Brust bebten. „Gestern“, sagte er dann, „aber heute nicht mehr.“ „Nein?“ „Nein.“ Er beschloss für sich selbst, dass es so war, während er seine Nase in Xaves’ Haaren vergrub. Sie rochen gut, der Junge hatte gestern auch ein schnelles Bad genommen. Lucius wollte eigentlich noch etwas sagen, doch es fiel ihm schon nicht mehr ein. Außerdem war er noch gar nicht wirklich wach und spürte das Gähnen, das ihn verließ. Dann horchte er und merkte, dass Xaves schon wieder eingeschlafen war, nah an Lucius’ Brust gedrückt. Er lächelte und beschloss, es ihm gleich zu tun, nicht ahnend, dass der Junge die halbe Nacht schlaflos an seinem Bett gewacht hatte. Lucius und Xaves erwachten wieder, als Liz das Frühstück brachte. Sie schaute ein wenig verwundert, als sie die beiden im selben Bett vorfand, hatte ihren Blick aber sofort wieder unter Kontrolle. Etwas mehr hatte sie heute auf den Teller gefüllt, hatte sie doch bereits gemerkt, dass Lucius seinen Diener mitessen ließ. So schnell hatte sie damit nicht gerechnet, doch die Richtung der Entwicklung gefiel ihr in ihren Anfängen. Nur das Teilen des Bettes, damit hatte sie ganz sicher nie gerechnet; sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Als Liz wieder gegangen war, zog Lucius das Tablett näher heran. Die beiden Jungen aßen schweigend und ein wenig war es Lucius unangenehm, dass Liz sie so gesehen hatte. Er hoffte bloß, dass sie nicht darüber sprechen würde, denn er war sich sicher, dass es der König gar nicht gut heißen würde, wenn er es erführe. Außerdem wusste Lucius nicht, wie er es dann erklären sollte, denn eigentlich wusste er selbst nicht, weshalb er es überhaupt zuließ. Andererseits musste er aber auch zugeben, dass er diese zwei Male, mit Xaves an seiner Seite, so gut geschlafen hatte wie kaum je zuvor. Dem Diener allerdings gingen andere, wirrere Gedanken und Selbstvorwürfe im Kopf herum. Er schmeckte das Essen kaum und war froh, als dem Bett endlich entstiegen wurde. Er nahm sich vor, es nicht zu einer Wiederholung kommen zu lassen, wusste er doch zu genau, wie ungerne so etwas gesehen werden würde, und das war noch nett ausgedrückt. Er kannte seine Position und wusste, dass er sie nicht in diesem Maße ausreizen durfte. Nach dem Frühstück gingen die Jungen wieder zu den Pferden und dieses Mal sprachen sie ein wenig, während sie die beiden striegelten. Lucius erzählte von einem lustigen Traum und Xaves lachte darüber, was dem Prinzen ausgesprochen gut gefiel. Dann schmiedeten sie Pläne, was sie machen würden, wenn Xaves erst einmal richtig reiten könnte; Lucius kannte viele Orte, welche er selbst schon erkundet hatte, mit Liz als Anhängsel, was nie wirklich nach seinem Geschmack gewesen war. Mit Xaves allerdings, da war sich der junge Prinz sicher, würde es viel mehr Spaß machen. Erst beim Mittagessen verlor Lucius einen Teil seiner Fröhlichkeit wieder; da nämlich, als er daran dachte, wie am vergangenen Tag in der Küche gelacht worden war. Ob dies nun wohl auch wieder so war, während er selbst schweigend bei seinen ernsten Eltern saß? Bisher hatte ihn dies nie gestört, doch nun wurmte es ihn gewaltig, dass er seinem Vater nicht einfach irgendwas erzählen konnte; der König würde es nicht hören wollen und lachen würde er erst recht nicht. Also beendete Lucius das Essen schnell und ging zur Küche. Zu seiner Überraschung wartete Xaves schon davor auf ihn und grinste ihm entgegen. Das bedrückte Gefühl schwand sofort, als sei es nie in ihm gewesen. An diesem Nachmittag hatten die beiden Jungen eine Menge Spaß. Filena machte die ersten Schritte mit Xaves auf dem Rücken, dieser klammerte sich ängstlich an die Zügel und Lucius sah dem Schauspiel amüsiert zu. Irgendwann schwang er sich auf Calvaros Rücken hinauf und ritt im großen Bogen um die beiden herum. Es war anders, als wenn er sonst mit Liz ausgeritten war; dann war es ihm immer darum gegangen, möglichst schnell irgendwo hin zu galoppieren, doch das schien nun nicht wichtig. Heute sollte Xaves ein wenig Gefühl für den Sattel bekommen und es machte Spaß, ihm dabei zuzusehen, wie sein Gesicht neben der Furcht mit der Zeit immer größere Freude zeigte. Am Ende mochten die beiden Jungen sich kaum von den Tieren trennen und lachten noch, als sie das Schlafgemach betraten, in dem das Abendessen bereits auf sie wartete. Grinsend schlangen sie es herunter und fachsimpelten über die Pferde, soweit Xaves dabei mittlerweile zumindest schon mitmachen konnte. Abschließend half Xaves Lucius beim entkleiden und durch ihre Gespräche abgelenkt, half Lucius ohne nachzudenken Xaves aus seinem Hemd, das vom Schweiß des Tages an ihm klebte; das Bad, welches der junge Diener zuvor erhitzt hatte, schäumte ihnen begierig zu. Lucius ließ sich hineingleiten, während Xaves sich am Wannenrand nieder ließ, nur noch eine Unterhose tragend. Diese Konstellation gefiel dem Prinzen jedoch nur einen kurzen Moment lang und er wartete, bis Xaves von alleine zu singen begann, um ihn überraschend zu greifen und zu sich in die Wanne zu ziehen. Der blonde Junge tauchte unter und kam prustend zurück an die Oberfläche. Sein erschrockenes Gesicht verwandelte sich in Lachen und er zögerte kaum, sondern stürzte sich auf den Prinzen und drückte diesen ins Wasser hinunter. Sie tollten und Schaumwolken flogen durch den Raum, während dieser von Kinderlachen erfüllt wurde. Es war vielleicht das allererste Mal, dass Lucius auf diese Weise lachte, dass er von flinken Händen gekitzelt und überlistet wurde, dass er überhaupt ein einfaches, johlendes Kind war. Hätte ihn irgendwer so gesehen, sie alle hätten wohl nicht gewusst, ob sie ihren Augen und Ohren trauen durften. Später fielen die beiden Kinder erschöpft, nur notdürftig abgetrocknet und nackt nebeneinander in Lucius’ Bett. Es gab keine Rede darüber und auch Xaves verschwendete nicht mal einen Gedanken daran, was er sich am Morgen noch vorgenommen hatte, sondern sie kuschelten sich noch immer kichernd unter die dicke Federdecke, nahe beieinander und von der Müdigkeit schnell übermannt. In dieser Nacht würden sie herrlich schlafen und aufregend träumen, beide von ihnen. ~ * ~ Der nächste Tag lief ähnlich ab und der danach und auch der darauf folgende. Nach einem fröhlichen Frühstück ging es in den Stall, selbst wenn es regnete. Sie kümmerten sich kleinlichst um ihre beiden Tiere, nahmen dann und wann auch noch einige der anderen Pferde mit auf die Koppel. Xaves lernte schnell; bereits nach zwei Wochen konnte er sich bei leichtem Galopp einigermaßen im Sattel halten, wenn es auch für Wettrennen oder ähnliches noch viel zu früh war. Lucius hatte eine ausgesprochene Freude dabei, Xaves zuzusehen. Das Bild des Jungen auf dem Rücken des mächtigen Tieres gefiel ihm und er genoss jede Minute, die sie in der freien Luft verbrachten. Am Abend dann, wenn sie dreckig und aufgeregt vom Tag zurück ins Gemach kamen, badeten die beiden Jungen fast immer zusammen, lachten dabei viel und fielen anschließend zusammen in das größere der beiden Bett, in das bequeme, weiche und zusammen so wunderschön warme. Nach ein paar Tagen hatte er Xaves verboten, ihn mit „Herr“ anzusprechen oder anders demütig. Zwar hatten ihn Liz und alle anderen immer so genannt, aber aus Xaves’ Mund heraus klangen die Worte falsch. Ja, man hatte ihm einen Diener geschenkt, aber das hieß noch lange nicht, dass Lucius ihn auch so sah. Für ihn war Xaves der erste Spielgefährte in seinem Alter, den er je gehabt hatte. Das führte auch dazu, dass er immer öfter vergaß, wer er selbst war, wozu er erzogen worden war und was man von ihm erwartete und was nicht. Ganz von alleine übernahm er andere, neue Arbeiten, half Xaves sogar immer öfter das Zimmer aufzuräumen oder das Bett zu richten. Erst hatte dieser versucht, ihn davon abzuhalten, aber Lucius war es einfach so unangenehm, Xaves für sich arbeiten zu sehen, dass es für ihn ganz selbstverständlich wurde, selbst etwas zu tun. Und auch andere Dinge wurden schnell selbstverständlich. So wurde Xaves’ Bett schon bald gar nicht mehr angerührt, mittlerweile stapelten sich Kleider darauf, welche Lucius zu groß waren, Xaves aber wie angegossen passten. Erst fühlte der junge Diener sich unwohl in der neuen Pracht, doch Lucius’ Verhalten half ihm schnell, dies Unbehagen abzulegen und er genoss es, die weichen Stoffe zu trage; bald schon sah man ihn gar nicht mehr in der üblichen Hausmode der Bediensteten. Natürlich war es nicht zuletzt deshalb schwer zu übersehen, dass der junge Diener einen besonderen Stellenwert eingenommen hatte; wann immer er an der Seite des Prinzen war, strahlte er oder wirkte zumindest zufrieden; er arbeitet kaum und verbrachte Tag um Tag auf dem Rücken eines quasi eigenen Pferdes. Von den anderen Bediensteten missgönnten ihm dies nur ein paar einzelne, die jüngsten, und auch sie nur irgendwo verborgen im Herzen; denn eigentlich freuten sie sich alle, dass der Junge zu einem solchen Leben gefunden hatte. An seinem ersten Tag hatten sie ihn noch so bitterlich weinen sehen, anschließend angeschrieen durch den König, er solle es nicht wagen, vor dem Prinzen ein solches Gesicht zu zeigen. Nun aber waren die Tränen getrocknet und der Junge war einfach ein Kind, das hier und da mit anfasste, half und sogar das Kochen lernen wollte. Doch fast mehr noch freuten sie sich, die Veränderungen an ihrem Prinzen zu bemerken, zumindest jene, die sie mitbekamen. Jeder wusste doch, wie einsam der Junge immer gewesen war; umso schöner war es, dass er nun ständig strahlte und gut gelaunt war, auch mal ein paar freundliche Worte mit ihnen wechselte und neugierig Dinge herausfinden wollte, die ihn sonst nicht interessiert hatten So kam es immer häufiger vor, dass Lucius die Küche betrat. Meistens nach der Mittagszeit, welches bald die einzige Zeit war, in der sich die beiden Jungen freiwillig voneinander lösten. Lucius wusste genau, dass sein Vater es nie dulden würde, einen der Diener am selben Tisch sitzen zu haben, daher trennten sie sich an, manchmal in der Küche voneinander, nur um sich bald darauf wieder in Empfang zu nehmen und über das Essen zu reden, welches natürlich bei dem Prinzen üppiger und ausgefallener gewesen war, aber dennoch nicht immer dessen Geschmack entsprach. Dann streckte Xaves Lucius lachend die Zunge raus und sie jagten einander lachend durch die großen Hallen, an den Augen der belustigten Leute vorbei, weiter hinaus bis zum Stall, um bald gar die Koppel hinter sich zu lassen. Für das Königspaar wäre es sicher schwer, die Veränderung an ihrem Sohn nicht zu erkennen, gar zu übersehen. Er war immer sehr schweigsam gewesen, ruhig, schwer zufrieden zu stellen. Nun aber genügte es ihm, mit diesem Diener zu spielen und sein Lachen schallte vom Garten oftmals an ihre Fenster heran. Es war nicht zu bezweifeln, dass die Eheleute dies mit Sorgenfalten auf der Stirn mit ansahen. Wie hätten sie es auch gutheißen können, dass der wohlerzogene Prinz mit einem dahergelaufenen Burschen spielte? Und doch taten sie gleichsam nichts dagegen, denn hatten nicht sie ihm diesen Jungen geschenkt? Und zudem wussten sie auch, dass sie ihm ihn nicht so einfach entreißen könnten; vermutlich würde Lucius das niemals verzeihen, denn die Wut dieses Kindes konnte tief reichen. So also wurde das Thema nie zur Sprache gebracht, totgeschwiegen und von den Eltern mit Sorge betrachtet. Wann immer es ging, nahmen sie ihren Sohn mit zu gesellschaftlichen Anlässen, welche er schon immer gehasst hatte, nun aber noch um vieles mehr verabscheute. In diesen Momenten war es die wohlerzogene Liz, welche die Familie begleitete, nicht der blonde Bursche, der stattdessen alleine zurück blieb und den Tag alleine im Stall verbrachte, oder in der Küche bei der alten Köchin Calia, welche immer ein schützendes Auge auf ihn hatte. Es war schwer zu sagen, wie sehr die beiden Jungen einander an solchen Tagen wirklich vermissten oder wie sehr sie aneinander hingen. Vielleicht hätte man es mit Brüderschaft beschreiben können, hätte es nicht so einen merkwürdigen Klang, wenn man bedachte, dass der eine noch immer ein Prinz war und dem anderen die Eltern vom König genommen worden waren. Dies war ein Punkt, über den die beiden Kinder nie sprachen. Lucius war zu jung, um Xaves zu diesem Thema Trost spenden zu können; überhaupt tat es dem blonden Jungen gut, nicht zu viel darüber zu reden oder nachzudenken. Nur ab und an sank eine Träne in sein Kissen, wenn er nachts neben Lucius lag und durch das große Fenster den Sternenhimmel sah und in Gedanken mit seinen Eltern sprach, ihnen vom Tag erzählte. Dann aber kuschelte er sich näher an den warmen Körper des Prinzen heran und fand mit dessen Nähe bald in einen beruhigenden Schlaf hinein. ~ * ~ Und so vergingen die Tage, die Wochen, die Monate. Sie zogen an ihnen vorbei, nicht unbemerkt, sondern einfach zu schnell. Bald schon verbrachten sie viele Tage damit, auszureiten, selbst wenn es ihnen nie gestattet wurde, eine ganze Nacht wegzubleiben. Sie erkundeten die Gegenden, welche Lucius Xaves hatte zeigen wollen, und sie sahen noch so viele weitere, unbekannte Orte. Die Welt schien sich vor ihnen zu erstrecken, auch wenn Lucius manchmal dachte, dass er eigentlich gar nicht wusste, wie die Welt eigentlich aussah. Er kannte die Natur in der Umgebung, einen halben Tagesritt entfernt; er kannte viele Residenzen, Paläste, Anwesen und die Wege, die außerhalb der Kutsche vorbeizogen. Doch er kannte nicht die kleinen Dörfer, die Märkte, Schauplätze, von denen Xaves ihm berichtete. Und so merkte er immer mehr, wie wenig er doch eigentlich wusste und wie viel mehr Xaves zu berichten hatte. Manchmal machte ihn das fast etwas traurig, doch meistens hörte er gespannt und neugierig zu, stellte Fragen und lachte über Kleinigkeiten, die ihm fremd erschienen. Er lernte auf diese Weise nicht nur noch viel mehr unbekannte Ort kennen, sondern schloss auch den anderen Jungen, der alles in so prächtigen Farben erzählen konnte, immer mehr in sein Herz. Währenddessen trugen Filena und Calvaro sie über die Wiesen, welche ihre Blüte verloren, von Schnee bedeckt wurden und dann den neuen Frühling begrüßten. Schnell war auf diese Weise ein ganzes Jahr vergangen und Lucius konnte es kaum fassen, als er eines Morgens erwachte und Xaves ihn bereits von der anderen Seite des Bettes angrinste. „Herzlichen Glückwunsch!“, fiel ihm der blonde Junge um den Hals und sie schmiegten sich eine Sekunde noch leicht verschlafen aneinander. Selbst wenn Lucius schon seit Tagen wusste, dass es bald so weit war, konnte er nun doch nicht fassen, dass tatsächlich ein ganzes Jahr mit Xaves vergangen war. Er konnte sich kaum noch daran erinnern, was er zuvor gemacht hatte. Wie hatte er gelebt, ohne das Lachen dieses Jungen? War er wirklich jeden Tag für sich alleine gewesen? Überfüllt mit Unmengen von Spielsachen und doch ohne einen einzigen Freund? Dieser Gedanke war vielleicht zu alt für seine 14 Jahre, und dennoch hielt er ihn im Kopf, während er Xaves von sich drückte und sie einander in die Augen sahen. Und auch der Kuss passte nicht zu ihrem Alter, doch Lucius war von irgendeiner Macht gepackt worden und dachte gar nicht darüber nach, bevor er es tat. Die Lippen hatten einander kaum berührt, als die beiden Jungen auch schon voneinander zurück wichen. Plötzlich wurde ihnen ihre Nacktheit des längst vergangenen, abendlichen Bades bewusst und Xaves sprang als erster aus dem Bett, um sich anzukleiden. Im selben Moment klopfte es an der Tür und Liz trat hindurch, mit einem feierlichen Lächeln auf den Lippen und einem Tablett, beladen mit allen Dingen, die Lucius gerne mochte. Der aber hatte kaum Augen für sie, als sie ihn flüchtig und fast scheu umarmte, ihm gratulierte und ihm die Feinheiten präsentieren wollte. Er konnte nur Xaves mit den Augen folgen, der sich daran gemacht hatte, das Zimmer aufzuräumen. Noch immer glaubte der Prinz, das Gefühl der Lippen zu spüren. „Ja, ja“, erwiderte er ungeduldig als Liz ihm sagte, dass seine Eltern in einer Stunde auf ihn warten würden. Heute würde es bereits am Vormittag einen Empfang geben, viele Gäste und entfernte Familienmitglieder waren geladen; alles Leute, mit denen Lucius noch nie etwas hatte anfangen können, nach diesem veränderndem Jahr wohl aber noch viel weniger. Liz legte ihm schöne Kleider aufs Bett, welche er anziehen sollte, dann verließ sie endlich den Raum. Xaves war mittlerweile im Bad angekommen; Lucius rief ihn zu sich, sobald sich die Tür durch Liz von außen schloss. Xaves zitterte ganz leicht, als er vor dem Bett stand, steif und nur mit einer leichten Hose bekleidet. Unsicherheit stand ihm im Gesicht und Lucius vergaß die Entschuldigung, die er eigentlich hatte aussprechen wollen. Stattdessen, selbst wohl hochrot auf den Wangen, deutete er auf das Tablett und forderte den Jungen auf, sich zu ihm zu setzen. „Wir wollen es uns gut gehen lassen!“, erklärte er feierlich, während er auch sah, wie das Gesicht des Blonden sich aufhellte. Hatte dieser Angst gehabt, etwas Falsches getan zu haben? Lucius begriff es nicht, aber dafür war er vermutlich wirklich noch zu jung. So also krabbelte Xaves ins Bett zurück und gemeinsam machten sie sich über die Früchte her, die schön angerichtet eben genau darauf warteten. Nun begannen sie auch wieder zu lachen und das Zittern aus Xaves’ Körper verschwand spätestens in dem Moment, als er und Lucius sich um die letzte Beere stritten. Natürlich bekam sie der Prinz, aber Xaves lachte und stopfte sich selbst ein Stück Apfel in den Mund. Der Blick Lucius’ war mittlerweile auf den Kleidern hängen geblieben. Die gute Stimmung wich von ihm. „Ich hab keine Lust“, schluckte er die zerkaute Beere hinunter und deutete auf das verzierte Kleidungsstück. „Mein Junge! Wie geht es dir? Oh, bist du groß geworden! Wie ich es hasse!“ Xaves lachte bloß. „Wie wäre es, wenn wir uns einfach die Pferde schnappen und verschwinden?“ „Und wohin?“ „Egal! Einfach nur weit weg!“ Lucius breitete die Arme aus, stellte sich Orte vor, die er nur von Xaves‘ Erzählungen kannte. „Und erst morgen kommen wir zurück, wenn alles vorbei ist!“ Er meinte es ernst, zumindest so ernst, wie man so etwas mit 14 nun mal ernst meinen konnte. Er grinste entschlossen und malte es sich bereits in den schönsten Farben aus; Xaves jedoch brachte die Gedanken zum Erliegen, als er den Kopf schüttelte. „Warum nicht?“, fragte Lucius enttäuscht. „Weil ich dann Ärger bekomme.“ „Du?“ Der Prinz war verwirrt. „Es ist doch meine Idee! Ich hab-“ „Aber ich habe dich dazu angestiftet.“ Plötzlich sah Xaves ihn traurig an, mit komischen Augen. „Hast du gar nicht!“ „Doch, das werden sie sagen. Ich bin schuld daran…“ „Aber-“ Es klopfte; wieder war es Liz. Dieses Mal wollte Lucius sie am liebsten anschreien, Xaves sprang aber sofort aus dem Bett und übergab ihr das Tablett. „Er kommt gleich runter“, erklärte er und als die Tür sich geschlossen hatte, wirkte er sehr ernst. „Komm schon, zieh dich an.“ Auch Xaves ging zu seinem eigentlichen Bett und kramte sich etwas von ganz unten hervor. Erst als er es trug, erkannte Lucius, dass es die Kleidung der Bediensteten war. Mittlerweile war sie ein bisschen zu klein. „Aber-“ „Nein, es ist schon richtig so.“ Xaves lächelte und zog Lucius aus dem Bett. „Zieh dich endlich an, deine Eltern warten.“ Der Prinz also tat, wie ihm sein Diener befohlen hatte, wenn auch sehr widerwillig. Er hätte noch nicht einmal sagen können, was ihm so sehr missfiel, aber irgendwie war er sauer auf Xaves. Sauer, weil dieser sich dermaßen gekleidet hatte; sauer, weil er den Spaß des Weglaufens nicht mitmachen wollte; sauer, weil sie nicht länger zusammen im Bett bleiben konnten. Doch er sagte nichts davon und als er fertig war, frisch gewaschen und gekämmt, schob Xaves ihn aus dem Zimmer heraus. „Freu dich einfach, sie sind alle wegen dir hier!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)