Deine Tränen auf meiner Wange von Stiffy (Meine einzige Freiheit) ================================================================================ Kapitel 1: Dein neues Leben mit mir ----------------------------------- Es begab sich zu einer Zeit, da noch Könige regierte und Kerzen die Räume erhellten, dass der junge Prinz Lucius seinen dreizehnten Geburtstag feierte. Das Fest wurde in Saus und Braus begangen, mit Wein und Schank für die Alten, mit viel Musik, einem Festmahl und allerlei Geschenken. Er bekam alles, was er sich nur hätte wünschen können, doch das Strahlen eines Kindergesichtes war zwischen all den fröhlichen, erwachsenen Gästen nicht auszumachen. Es sei jedoch fraglich, ob dies jemand bemerkte, wie sehr sie ihn auch betrachteten; und gerade seine Eltern, das Königspaar, sahen es nicht, als sie ihm sein letztes Geschenk vorführten.  Es war am Abend, nachdem alle Gäste gegangen waren. Zunächst sah Lucius nur den Jungen vor sich stehen; sie waren des gleichen Alters, was er nicht ahnte, denn der andere Junge war einen Kopf kleiner als er, schmächtiger und senkte den Blick, als Lucius ihn ansehen wollte.  „Was ist das?“, fragte das Geburtstagskind und rümpfte die Nase. Er kannte kaum Kinder; fast nie hatte er etwas mit ihnen zu tun, und in diesem Moment missfiel ihm der gesenkte Blick des Jungen.  „Dein letztes Geschenk“, lächelte der König und schob den Jungen näher an seinen Sohn heran. „Das ist Xaves. Er wird dir ab heute bei allem helfen, dich bedienen und dir jeden Wunsch von den Augen ablesen.“ Lucius starrte seinen Vater an, seine Mutter, dann wieder das andere Kind. Noch immer hatte der den Blick gesenkt; Lucius’ Hand fuhr vor und schob das Kinn in die Höhe. Er sah die roten Augenringe und rümpfte die Nase noch mehr. Erst blickten die Augen an ihm vorbei, doch als er fester griff, drehten sie sich. Sie waren blau und glänzten; das Ängstliche in dem Blick war nicht zu übersehen.  „Du machst alles, was ich sage?“, fragte Lucius aber fast gelangweilt und musterte den anderen Jungen weiter von oben bis unten.  Dieser nickte, ganz langsam und so gut es gegen Lucius’ Hand ging.  „Hast du auch eine Stimme?“ „Ja… ja, mein Herr“, krächzte er also, mit einer hellen, fast lieblichen Stimme, nicht eindeutig die eines Jungen.  Doch Lucius genügte es. Er ließ das Kind los und sah nun wieder seine Eltern an.  „In Ordnung“, war sein Dank und die beiden nickten, lächelten und entfernten sich, wohl mit dem Gedanken, ihrem Kind eine Freude gemacht zu haben.  Zurück blieben die beiden sich fremden und so unterschiedlichen Jungen, von denen der eine schon wieder den Blick gesenkt hatte. Der Prinz musterte ihn einen Augenblick lang und sagte dann bloß, er solle ihm die Geschenke zusammen räumen. Schweigend tat der neugeborene Diener dies, während Lucius ihn nicht aus den Augen ließ. Er war sich noch nicht sicher, was er von diesem neuen Lebewesen in seiner Umgebung halten sollte. Irgendetwas missfiel ihm gewaltig, doch er dachte zu wenig darüber nach, als dass es ihm eingefallen wäre. Er war es nicht anders gewohnt. Die nächste Überraschung, mit der er nichts anfangen konnte, traf Lucius später, als sie sein Schlafgemach betraten. Xaves folgte ihm mit dem immer noch gesenktem Blick und den geröteten Augen. Er hatte kein Wort mehr gesprochen und das störte Lucius sehr, nicht aber so sehr wie die Tatsache, dass plötzlich in der hintersten Ecke seines Zimmers ein winziges Bett stand.  „Was ist das?“, deutete er darauf und sah sich um.  Außer ihnen beiden stand noch das Dienstmädchen Liz vor ihm, welches ihn kannte, seit er den Windeln entsprungen war. Sie hielt die Idee des Dienerjungen nicht einmal für besonders schlecht. Es konnte dem Prinzen nur gut tun, Umgang mit einem gleichaltrigen zu pflegen, so dachte sie. Doch Xaves' traurige Miene ließ das gute Gefühl nicht gänzlich hervordringen, denn sie mochte kaum daran denken, welchen Grund es hatte, dass gerade dieser Junge nun hier war; und zu alle dem reagierte Lucius so kalt auf den Jungen, der im Moment einfach nur Wärme gebrauchen würde… doch was sollte man anderes in einer solchen Situation erwarten? Von einem Prinzen, der in diese Welt und dieses Umfeld geboren worden war? Sie arbeitete schon zu lange hier, als dass sie mit etwas anderem gerechnet hätte… „Dort schläft er“, sprach sie nun also vorsichtig, da er fragte, rechnete fast mit einem Ausbruch ihres jungen Herrn. Sie wusste um sein Temperament nur zu gut.  Tatsächlich aber begann der Prinz nicht zu schreien, doch packte er Xaves, riss ihn zu sich herum.  „Du schläfst hier?“, betonte er das letzte Wort stark und fixierte den bleichen Jungen.  Dieser nickte bloß, bis er den scharfen Gesichtsausdruck in den braunen Augen sah.  „Ja mein Herr“, stotterte er und wollte den Blick drehen, was Lucius nicht zuließ, indem er erneut das Kinn packte. Die Furcht, die der Junge ohnehin seit zwei Tagen im Herzen trug, wurde nur größer mit jedem weiteren Moment.  „Wieso?“ „Damit… damit ich euch… jederzeit behilflich sein kann…“ Seine Augen waren noch immer gerötet und sein Gesicht verzog sich merkwürdig, die Stimme klang schwer. Lucius stieß ihn von sich.  „Liz!“, knurrte er „Lass mich allein. Ich will jetzt schlafen.“ Die junge Frau, welche mit 14 den Prinzen als Baby gefüttert und gewickelt hatte, verbeugte sich tief und verließ rückwärts den Raum. Am liebsten würde sie dem jungen Herrn sagen, dass er das alles von einer anderen Seite sehen sollte, doch natürlich sprach sie dies nicht zu ihm, sondern schloss leise die Tür, während Lucius wieder sein neustes Objekt fixierte.  Er wusste noch immer nicht, was er eigentlich davon halten sollte. Etwas im Gesicht des Jungen gefiel ihm nicht und zudem sollte er nun mit diesem Wesen sein Zimmer teilen. Was dachten sich seine Eltern bloß dabei?  „Hilf mir“, knurrte er schließlich und ließ sich auf sein großes, weiches Bett nieder.  Er streckte die Füße von sich und der Junge kroch heran, um ihm die Schuhe zu öffnen, die Hose, das Hemd über den Kopf zu ziehen. Er faltete es fein säuberlich, doch seine Finger zitterten dabei. Lucius musterte ihn genau, sah jedes unerwünschte Zucken und rümpfte die Nase darüber. Anders als seine Eltern mochte er es nicht sonderlich, wenn man Angst vor ihm hatte.  Entkleidet, ließ er sich von Xaves ein Bad einlassen. Er mochte es auch nicht, wie der Junge mit gesenktem Blick mucksmäuschenstill daneben stand, während er selbst sich in den Schaum gleiten ließ, also befahl er Xaves, ein Lied zu singen, was dieser nur sehr schwer über die Lippen brachte. Dennoch bemerkte Lucius, dass es eine schöne Stimme war, die er da hörte, zumindest, als sie nach einigen Zeilen weniger angstvoll zitterte.  „Das musst du lernen“, murrte er dennoch und entstieg dem Bad wieder mit Xaves’ Hilfe, der ihn, ohne den Befehl dazu erhalten zu haben, abtrocknete. Ein Luxus, dem Lucius durchaus etwas abgewinnen konnte.  Er zog sich selbst an, dann traten sie wieder in das geräumige Schlafgemach, in dessen Ecke Xaves’ winziges Bett fast unterging.  „Geh schlafen“, befahl Lucius mit einem Blick darauf und er selbst trat an sein übergroßes Federbett heran.  Erst als er lag aber löschte Xaves das Licht und Lucius hörte, wie er unter die Decke schlüpfte. Er selbst starrte in die Dunkelheit und versuchte noch immer darüber zu entscheiden, ob ihm dies Wesen gefiel oder nicht. Wie mochte es sein, einen ganz eigenen Diener zu haben?  Obwohl er gar nicht das Gefühl gehabt hatte, müde zu sein, so glitt Lucius doch schnell mit seinen Gedanken weit fort. Der Tag lief noch mal vor seinem geistigen Auge ab und fast schon wäre er darüber eingeschlafen, als er mit einem Mal ein unbekanntes Geräusch vernahm. Er setzte sich im Bett auf, wobei seine schwere Decke laut raschelte; das Geräusch verstummte sofort. Sogleich dachte er, es wäre bloß Einbildung gewesen, also sank er zurück, zog die Decke unters Kinn und wollte erneut Richtung Schlaf gleiten, als er es erneut vernahm. Dieses Mal lauschte er ohne eine Bewegung und schnell erkannte er es auch, selbst wenn es ganz leise und stockend war. Er runzelte die Stirn und fragte sich, was den Jungen dazu trieb, zu weinen. Und waren seine Augen etwa daher so rot gewesen?  Dieser Gedanke hielt den Prinzen nun doch ein wenig wach, da es ihm nicht gefiel, das Schluchzen zu hören. Er kam sich fast hilflos vor, auch wenn er es nie derartig benannt hätte. Er bekam nun die traurigen, gesenkten Augen nicht mehr aus seinem Kopf heraus, konnte kaum aufhören, an sie zu denken und fühlte den eigenen, trockenen Mund, der zu ungeübt war, nun etwas zu sagen. Letztendlich aber schlief er über das Weinen Xaves' hinweg ein; mit keinen Träumen in der Nacht.  ~ * ~ Am nächsten Tag verdrängte Lucius die Minuten in der Nacht und übte sich stattdessen bereits darin, Xaves Befehle zu geben. Vieles, das sonst Liz für ihn tat, trug er nun dem Jungen auf. Er hatte beschlossen, dass er nur eine Person ständig um sich haben wollte, beide würden ihm auf Dauer zu viel werden.  Bereits beim Mittagessen, welches er wie gewöhnlich mit seinen Eltern, dem König und der Königin, einnahm, wusste er, dass er dem Geschenk durchaus etwas abgewinnen konnte. Besser als alle anderen, erklärte er, während der hellblonde Xaves mit gesenktem Blick neben ihm stand. Das Magenknurren des Jungen fiel Lucius erst auf, als er selbst fast mit dem Essen fertig war. Nun erst erinnerte er sich, dass er Xaves über sein eigenes Frühstück hinweg direkt zum Aufräumen getrieben hatte. Selbst gegessen hatte der Junge bisher nichts.  Ein komisch unbekanntes Gefühl nistete sich in Lucius ein, ähnlich dem in der Nacht, welches er zu verdrängen versucht hatte, und als seine Eltern ihn verlassen hatten, schob er Xaves seinen Teller hin. Nur ein paar kalte Kartoffeln und ein winziges Stückchen Fleisch lagen noch darauf, welches er gerne noch gegessen hätte, aus irgendeinem Grund hatte er es aber nicht mehr heruntergebracht.  Xaves aß gierig und Lucius beobachtete ihn dabei. Er sah, dass die Augen des Jungen noch immer rot waren und erinnerte sich nur noch deutlicher an das Schluchzen in der Nacht. Sein Mund aber fühlte sich wie zugeklebt, als er danach fragen wollte.  Der restliche Tag verging mit allerlei unwichtigen Kleinigkeiten, die dem Prinzen kaum Freude bereiteten. Er schaffte es nur schlecht, nicht immer wieder seinen Diener zu beobachten, dessen Augen anzustarren und sich zu fragen, was sie bloß in diese Traurigkeit trieb. Er machte sich nie derartige Gedanken, weshalb er sie nicht verstand und sie ihn störten. Einen Ausweg aus dieser Situation aber sah er noch nicht, dafür war sie einfach noch viel zu neu.  Während des Abendessens erlaubte Lucius Xaves in die Küche zu gehen, um dort etwas zu essen. Er selbst war schweigsam und entsann sich darüber, was ihn störte, wenn er zurück dachte an den nun fast vergangenen Tag. Die Antwort fiel für ihn zunächst sehr einfach aus.  „Du musst mit mir sprechen“, befahl er also, als er später mit Xaves zurück zum Schlafgemach ging.  „Ja mein Herr“, stotterte die liebliche Stimme und Lucius zog die Nase kraus.  „Ich meine richtig!“ „Aber… über was denn?“, fragte der Junge ganz leise, als sei er sich nicht sicher, ob er es durfte.  „Ich weiß nicht. Über das, was dir gerade einfällt, verstehst du?“ Lucius aber verstand selbst nicht genau, was er eigentlich damit erreichen wollte.  Xaves hingegen nickte, schwieg aber weiter und sie betraten das große Zimmer.  Lucius nahm wieder ein Bad und ließ Xaves singen, da seine Ansprache noch keine Früchte trug und Xaves kontinuierlich weiter schwieg. Unzufrieden schlüpfte der Prinz ins Bett und schnell konnte er wieder dem unterdrückten Schluchzen lauschen, das die Dunkelheit durchdrang. Es krampfte sich in seinen Magen, es gefiel ihm nicht.  ~ * ~ Es vergingen weitere, sehr ähnliche Tage. Xaves sprach nur die nötigsten Worte, kaum brachte er Sätze zustande, wenn er nicht zuvor etwas gefragt worden war. Lucius gefiel es Tag für Tag weniger, da auch das Schluchzen in der Nacht einfach nicht verstummen wollte. Mit jeder weiteren Stunde, die er in die traurigen Augen blickte, drängten ihn die Fragen mehr. Was war mit dem Jungen, dass er so unglücklich war? Weshalb sprach der Junge nicht mit ihm? Und was sollte er selbst machen?  Immer unbekannter wurde dem Prinzen die neue Situation, in die er nicht hinein wachsen konnte. Er war immer ein einsames Kind gewesen, ohne Spielgefährten und ohne Leute, mit denen er Gespräche führen konnte. Er kannte es bloß durch die Eltern oder durch Liz, die es hin und wieder versuchte, mit ihm etwas länger zu sprechen, doch selbst hatte er selten etwas derartiges initiiert. Nun aber war es an der Zeit, das spürte er selbst, wusste jedoch nicht, wie man so etwas tat. Zudem kam, dass er nicht den Einruck hatte, dass der junge Diener überhaupt an diesem Ort, in seiner Nähe sein wollte; das machte es nicht gerade einfach für den unerfahrenen Prinzen.  Eines Abends im Bett, es war bereits mehr als eine Woche vergangen, seit der Junge mit ihm das Zimmer teilte, drang wieder das Schluchzen an seine Ohren, das nie verstummte und sich des Morgens in den Augen abzeichnete. Wie die Nächte zuvor krallte Lucius seine Finger in die Decke und drängte seine Lider hinunter. Er versuchte, es nicht zu hören, doch es gelang nicht; es war ihm noch nie gelungen; mehr noch, es schmerzte ihn mit jedem Mal mehr, dass er es hörte. Wieso konnte Xaves nicht einfach lachen und fröhlich sein? Das hätte Lucius um ein vielfaches besser gefallen.  „Xaves!“, stieß er das Wort in die Dunkelheit, ehe er selbst überhaupt begriff, dass er zu seiner Sprache gefunden hatte. Das Schluchzen aber verstummte sofort.  „Ja, mein Herr?“, kam es schließlich extrem leise.  Zunächst wusste Lucius nichts zu sagen. Er verkrampfte die Finger weiter und war fast schon gewillt, über die Sache hinwegzugehen und einfach nichts zu sagen, als ihm das Herz riet, es nicht zu tun. Er spürte irgendwo in sich drin, dass er nun etwas sagen müsste; es konnte auf diese Weise einfach nicht weiter gehen.  „Weshalb weinst du?“, fragte er also und war selbst überrascht, wie unsicher er klang. Xaves antwortete nicht; das verunsicherte den Prinzen nur noch mehr.  „Ich hab dich gefragt-“ „Meine Eltern...“ „Deine Eltern? Was ist mit ihnen?“ „Sie… wurden umgebracht.“  Nun konnte Xaves das Schluchzen nicht mehr aus der Stimme verbannen und Lucius war der Atem genommen.  „Von wem?“, kratzte es aus seinem Hals heraus. Er wollte nicht fragen; in Wahrheit bekam er die Frage kaum über die Lippen.  „Das… kann ich euch… nicht sagen.“ Lucius richtete sich blitzschnell im Bett auf. Nur sehr schemenhaft konnte er das kleine Bett des Jungen am anderen Ende des Raumes ausmachen.  „Sag es mir!“, forderte er. Er hasste Geheimnisse, zumindest dann, wenn man sie vor ihm verbarg. Nicht einmal schöne Geheimnisse gefielen ihm; er hatte nie gelernt, wie man mit ihnen umging.  Zudem machte ihm diese Situation Angst. „Sie…“ Die Stimme Xaves’ zitterte deutlich, er schluchzte ununterbrochen. „Sie… haben etwas kaputt gemacht… und… und der verehrte König… er hat sie… sie sind…“ Die Stimme brach ihm und Lucius verstand sofort. Ein eiskaltes Gefühl durchlief seinen Körper. Er spürte, wie er selbst den Kopf in beide Richtungen stieß.  „Genug jetzt“, befahl er. „Schlaf!“ Auch er selbst legte sich wieder hin, aber die Kälte in seinem Körper ließ ihn nicht ruhig werden. Dann ertönte das Schluchzen wieder verborgen in der Dunkelheit und er presste die Hände auf die Ohren. Lange noch lag er wach und versuchte sich auszumalen, was geschehen sein musste, dass sein Vater so etwas tat. Doch letztendlich wusste er auch, dass es dazu nicht besonders viel brauchte.  Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, dass so etwas zu diesem Geschenk geführt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)