Trink das Leben in vollen Zügen von DieLadi ================================================================================ Kapitel 7: Der Kummer des Karma ------------------------------- Zwar nahm er sich vor, diesen Umstand bei ihrem nächsten Treffen zu ändern. Doch als Marti ihm dann wieder gegenüber stand und seine blauen Augen ihn anleuchteten, vergaß er diesen Vorsatz. Er fragte weder nach der Nummer noch nach sonstwelchen weitergehenden Informationen. Er genoss einfach ihr Beisammensein, ihre Gespräche und jedes Mal, wenn Marti den Zug in Braunschweig verlassen hatte, dann fiel es ihm wieder ein. Er verstand selber nicht genau, warum sein Kopf ihm diesen Streich spielte? War es, weil er diese Aura des geheimnisvollen mochte? Oder war es, weil er befürchtete, dass es irgendetwas zwischen ihnen ändern würde, wenn er mehr über Marti wusste? Oder war es einfach nur Vergesslichkeit? Herrührend durch die Verliebtheit? Was auch immer der Grund war. Letzen Endes blieb es dabei, dass er Martis Nummer noch immer nicht hatte und auch seinen Namen noch immer nicht wusste. Die Zeit ging dahin. Der Herbst wurde nass und kalt, und auf dem Bahnsteig fegte der Wind unangenehm daher. Jako hatte weiterhin jedes mal einen Kaffee für Marti dabei, der darüber sehr dankbar war, denn er kam jetzt immer früh genug, um gemeinsam mit Jako auf dem zugigen Bahnsteig noch einige Minuten zu frieren. Er hatte sich angewöhnt als Dankeschön für den Kaffee ein paar Teilchen vom Bäcker mitzubringen, die sie gemeinsam verspeisten, nachdem sie es sich im Zug gemütlich gemacht hatten. So wusste Jako also immerhin, dass sein Marti (SEIN Marti...?) ein Süßschnabel war. Als es gegen Ende November draußen immer ungemütlicher wurde, ging Jako dazu über, statt des Kaffees vom Büdchen Tee in einer Thermoskanne von zu Hause mitzubringen. Es war eine Weihnachtsmischung mit Zimt und Kardamom und mit Honig gesüßt. Er schenkte ihn in zwei Warmhaltetassen aus und Marti war begeistert. Er strahlte geradezu und hätte Jako es nicht besser gewusst, hätte er geglaubt, dass er ihm beinahe um den Hals gefallen wäre. Doch - wusste er es denn besser? Er wusste doch genau genommen immer noch nicht viel mehr als im Sommer. Die Adventszeit begann. Überall wurde die Welt mit Lichtern geschmückt. Und auch wenn es in diesem Jahr mal wieder keinen Schnee gab, worüber die beiden wegen ihrer regelmäßigen Zugfahrten ganz glücklich waren, zog doch selbst auf dem kalten, zugigen Bahnhof so etwas wie Weihnachtsstimmung ein. Ein großer Tannenbaum schmückte den Eingangsbereich. Die kleinen Buden und Geschäfte wetteiferten in vorweihnachtlichem Schmuck. Drei gemeinsame Fahrten würde es noch geben in diesem Jahr, heute, dann noch mal Mitte und Ende Dezember. Danach würden sie beide bei ihren Eltern bleiben und in der zweiten Januar- Woche würden sie wieder gemeinsam auf Reisen gehen. Jako freute sich, dass Marti das soweit mit ihm besprochen hatte. Es schien dem kleineren offenbar wichtig zu sein. Er schien die gemeinsamen Reisen inzwischen auch so sehr zu mögen, wie Jako. Nur ... mochte er sie tatsächlich genauso? Jako hatte noch immer keinen wirklichen Anhaltspunkt, ob es sich von seitens des kleineren rein um Freundschaft handelte oder ob da doch mehr war. Als Marti schließlich den Bahnsteig entlang auf ihn zugelaufen kam, warm eingepackt und mit einer vom frostigen Wind roten Nase, schmunzelte Jako. Es war ihm in diesem Moment beinahe egal, denn wichtig war nur, dass Marti wieder hier war, hier bei ihm. Dass er ihm ein paar Stunden seiner Zeit schenkte und sie gemeinsam mit ihm genoss. Dass er sich über den Tee freute. Dass er lachte, als sie schließlich im Zug saßen und ihre Kuchenteilchen verspeisten und Jako ihm einen Krümel Zuckerguss mit dem Finger aus dem Mundwinkel strich. Dass er ob der beinahe zärtlichen Geste strahle. Jako wurde knallrot, doch Marti, der die ganze Zeit unentwegt geredet hatte, quasselte weiter, als sei nichts geschehen. Nun, vermutlich ist für ihn auch nichts geschehen, dachte Jako und seufzte innerlich. Es gab da noch jemanden, oder besser noch etwas, das seufzte. Nicht innerlich, sondern laut und vernehmlich. Nämlich das Schicksal. Das Karma. Die Vorsehung. Oder wie auch immer man das bezeichnen möchte. Es ist sich da selber nicht ganz sicher. Jedenfalls hatte es nun endlich genug. Genug von diesem umeinander herum Getanze. Herrgott nochmal, das konnte sich ja nun keiner mehr mit ansehen. Es hatte sich doch so bemüht. Es hatte eimerweise Sterne und Glockentöne und rosa Regenbögen über den beiden ausgeschüttet und sie hatten nichts gemerkt. Oder hatten nicht den Mumm gehabt, etwas zu unternehmen. Also war jetzt endgültig Schluss. Wenn also all die regenbogenfarbene glitzernde Einhornkotze nicht hilft, dachte das Schicksal, dann muss ich eben zu harten Methoden greifen. Es seufzte erneut. Das würde wirklich schlimm werden. Denn so ein Schicksal hat manchmal auch keine Wahl: Wenn nichts mehr geht, dann muss es dir Knüppel zwischen die Beine werfen und dir wehtun. Richtig übel wehtun. Dich richtig schlimm verletzen, damit du merkst wie schön es ist, wenn du keine Schmerzen hast. Das Schicksal hatte nun eigentlich gar keine Lust darauf. Aber es hatte keine Wahl. Und so packte es in die dunkelschwärzeste Kiste und holte das dickste und festeste Drama heraus, dass es finden konnte. Zwei Wochen vor Weihnachten war es, dass Jako wieder zum Bahnhof kam, die Tasche geschultert und die Thermoskanne in der Hand, und auf Marti wartete. Voller Vorfreude auf den anderen. Doch er wartete umsonst. Marti kam nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)