Wenn die Praiosscheibe wandert von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 1: Ein Plan ------------------- Im Dunkelwald rührte sich nichts. Weder Mensch noch Tier traute sich heraus, im Angesicht jener Streitmacht, die an der Grenze zum Forst lagerte. Krieger, schwer gepanzert und gehüllt in weiße Wappenröcke, auf denen die Praiosscheibe prangte, liefen im Lager umher. Rotgekleidete Priester spendeten Segen oder bereiteten Messen vor. Die Praoiten waren auf Anordnung Großinquisitors Amando Laconda da Vanyas gekommen, um dem schändlichen Treiben der Hexen endgültig ein Ende zu bereiten. Zu lange waren sie ihm schon ein Dorn im Auge. Ihr lästerliches Treiben, die wilden Rituale und das Ablehnen Praios´, als obersten Gott und Richter, konnte nicht länger geduldet werden. Niemand durfte dem Fürsten der Götter freveln, niemand. Dieser Armee stand ein Zirkel aus vier Frauen gegenüber: Josmene, Morla, Saphira und Alwene. Jede von ihnen war eine Tochter Satuarias, durch und durch. Es sah nicht gut aus. Vier Frauen gegen die geballte Macht des Sonnenzugs. Aussichtslos. Nun, so ganz stimmte das nicht. „Da habt ihr mir ja wieder Etwas eingebrockt“, murmelte der junge Mann am Fuße der Anhöhe, von der aus die vier Hexen und er das Praoitenlager beobachteten. Er war von durchschnittlicher Größe, dunkelhaarig, breitschultrig und hübsch, wäre da nicht die lange Narbe gewesen, die längs über sein linkes Auge verlief. Sie störte und verzerrte das Bild eines ansehnlichen Mannes, Mitte seiner 20er. „Warum bist du überhaupt gekommen?“, zischte Josmene. Die Frau mit den gelockten, roten Haaren warf ihrem Mitstreiter einen finsteren Blick zu. „Das frage ich mich auch“, schnappte er leise zurück und strich sich nachdenklich über das rasierte Kinn. Es war tatsächlich so, wie die Frauen beschrieben hatten: Der Großinquisitor war gekommen, um den Zirkel zu vernichten, nicht nur, um dessen Feierlichkeit zu stören. Einer solchen Streitmacht konnte man unmöglich mit konventionellen Mitteln beikommen. „Dann scher dich doch…“, begann Josmene, wurde aber sogleich von ihrer Zirkelschwester, Alwene durch einen Finger auf ihrer Lippe, zum Schweigen gebracht. „Sei still, sonst hören sie uns noch.“ „Seien wir lieber froh, dass Brin unserem Ruf gefolgt ist“, pflichtete Saphira ihrer Kollegin bei. Der Mann, genannt Brin, rutschte zurück und atmete tief durch. Er war bereits einmal dem Sonnenzug entgegengetreten, doch damals hatte sich der Großinquisitor als Abkömmling einer uralten Rasse von Menschen und Drachen herausgestellt. Der Name des Echsenwesens hatte Seldrakon gelautet. Er selbst hatte den Mantra'ke erschlagen, nebst dessen Anhängern. Wenn es sich dieses Mal um den echten da Vanya handelte, hatten sie schlechte Karten. Brin hmpfte leise. Die Bannstrahler waren nicht gerade für ihre Gnade bekannt. Warum hatten sie es erneut auf die Hexen im Dunkelwald abgesehen? Die Ruine an der Bergspitze war uninteressant – das Buch der Schlange lag wieder im Hesindetempel, wo es hingehörte. Auch war der Großteil der Leute im Dorf des Forsts gut auf die Hexen gut zu sprechen. Einen Sonnenzug auszurufen erschien reichlich übertrieben. „Und, hast du schon eine Idee?“, wollte Josmene ungeduldig wissen. „Ich bin gut, aber nicht so gut, meine Damen. Nicht einmal ich kann es mit einem ganzen Lager von Bannstrahlern aufnehmen.“ „Hach, ist der nutzlos“, knurrte die Rothaarige und schob die Unterlippe vor. „So wie beim letzten Mal, hm?“, bohrte der Schwarzhaarige spöttisch in einer offenen Wunde. Es war ihm zu verdanken, dass die Praioten damals mehr oder weniger friedlich abgezogen waren. Viele Möglichkeiten blieben ihnen tatsächlich nicht. Sich ergeben kam nicht in Frage, und auch Brins Ruf als Streiter der Drachenqueste konnte die Frauen vor dem Zorn des Großinquisitors nicht beschützen. Sie würden also kämpfen müssen. Die Frage war nur wie. „Nun, ich denke, wir haben nur die Option, Eure älteste Zirkelschwester zu rufen, sofern sie noch lebt“, sagte Brin nach einer Weile des Schweigens. „Wenn wir das Feuer entzünden, werden sie doch sofort auf uns aufmerksam“, murmelte Morla und strich sich dabei einige ihrer schwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Das führt die Praioten direkt zu uns.“ „Natürlich, genau das will ich auch.“ Die vier Frauen sahen ihren Mitstreiter entgeistert an. War er denn völlig von Sinnen? Vor nicht wenigen Minuten meinte er noch, die Praioten nicht aufhalten zu können, jetzt wollte er sie direkt zu den Hexen führen. „Der Weg zu eurem Tanzplatz hinauf ist äußerst schmal. Ihre Truppenstärke ist damit fast nutzlos. Der Engpass knapp über dem Felsbogen existiert noch?“ Nun dämmerte es den Frauen allmählich. „Aber selbst, wenn das klappen sollte, wir werden eine Weile brauchen um Heidruna herbeizurufen“, warf Alwene ein. „Ich weiß. Ich verschaffe euch die nötige Zeit. Hoffentlich fällt ihr etwas ein“, antwortete Brin und rieb sich dabei den Nacken. Er setzte alles auf eine Karte. Wenn der weisen Heidruna nichts einfiel, waren sie alle verloren. Zeit für einen anderen Plan hatten sie aber nicht; Zeit war überhaupt ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnten. Langsam robbte der Streiter der Drachenqueste außer Sichtweite, mit seinen Begleiterinnen im Schlepptau. Als es sicher war, stand er auf und klopfte seinen Wappenrock, den ein weißer Hirsch zierte, ab. „Du lebst äußerst gefährlich, weißt du das eigentlich“, plapperte Josmene, während sie sich auf dem Weg zu Saphiras Labor befanden. „Erzähle mir etwas, das ich noch nicht weiß“, murmelte Brin gedankenverloren und schob einen Ast beiseite, der ihm im Weg war. „Eines Tages wird dich der Zorn des Praios treffen“, fuhr die Rothaarige fort. Sie schwafelte, wenn sie nervös war. „Dann hoffe ich, dass Satuaria und Rondra mir beistehen.“ Auch wenn Hexen durchaus für die Taten verantwortlich waren, die man ihnen in ganz Aventurien anlastete, so war es bar jeder Gerechtigkeit, sie einfach dahinzumetzeln oder auf einen Scheiterhaufen zu werfen. Es gab genügend unter ihnen, die viel Gutes taten, sei es Heilkunst, das Aufnehmen von Waisen oder die Pflege der Natur. Außerdem waren einige von ihnen verboten hübsch. Genau das machte sie aber oft zur Zielscheibe von rachsüchtigen Männern, die gleich mit dem Zorn des Fürsten der Götter und der ewigen Verdammnis drohten, weil sie sich nicht beugen wollten. „Satuaria hat aber selten etwas für Männer übrig“, kicherte Morla. „Dann habe ich wohl eine falsche Entscheidung getroffen damals, hm?“, grinste Brin schief und brachte seine weibliche Eskorte zum Verstummen. Er verstand es natürlich, dass sie alle nervös waren, doch auf ihm herumzuhacken half auch nicht. Außerdem war er sowieso mehr Rondra, der Göttin des ehrlichen Kampfes zugetan, denn dem Götterfürsten. Als Streiter der Hesinde mochte diese auch auf ihn achten. Zwei göttliche Fürsprecher und dazu noch Satuaria mussten wohl reichen, um ihn vor dem Zorn des Praios zu schützen. Außerdem war nichts Gerechtes daran, Frauen in einer solchen Überzahl, mochten sie auch Hexen sein, dahinzuschlachten. Am Labor angekommen, machten sich die Frauen daran, die Utensilien für das Beschwören der obersten Hexe zusammenzusuchen und Brin schlüpfte in seine Rüstung. Die Feuerrüstung des Pal'Na'Thar hatte ihm gute Dienste geleistet. Ganz in Gold stand er da, Flammensang am Gürtel und das Schild des Fendral am Rücken. Ihm entging dabei nicht die Ironie, dass sich Satuaria auch nichts aus Rüstungen machte. Ihr war auch nicht diese Farbe zugeordnet, viel mehr dem Götterfürsten. „Letztes Mal hattest du diesen schicken Fummel aber noch nicht“, pfiff Josmene beeindruckt. „Letztes Mal war es auch nicht so aussichtslos“, erwiderte Brin nüchtern. Hoffentlich funktionierte der Plan. Er war simpel aber gerade deswegen erfolgversprechend. „Hätte ich nicht bereits ein Auge auf Danos im Gut geworfen“, kicherte Alwene und betrachtete den goldgepanzerten Krieger, wie er sich verlegen am Kinn kratzte. „Die alte Leier schon wieder? Spricht er denn noch mit dir? Letztes Mal passte er in meinen Rucksack und quakte laut vor sich hin…“ „Natürlich. Wer kann mir schon wiederstehen?“, grinste die Hübscheste und auch Jüngste der Hexenschwestern. „Wenn so einfach ist, dann versuche mal den Großinquisitor um den Finger zu wickeln“, fauchte Saphira, was das Grinsen auf den Zügen der anderen Hexe zum Erlöschen brachte. „Ganz ruhig, wir bekommen das schon hin“, beschwichtige Brin die alte Frau und schulterte seinen Rucksack. Es war ein weiter Weg und er musste sich noch die bestmögliche Position suchen, um den Bannstrahlern Einhalt zu gebieten. So zogen sie los, in Richtung Tanzplatz der Hexen, dort wo das Frühjahrsfeuer brennen, und Heidruna erscheinen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)