Apfelblüte von Morgi (Inu no Taishō / Izayoi) ================================================================================ Kapitel 37: Schafgarbe ---------------------- Apfelblüte - Schafgarbe - Autor: Beta: - - - - - Fandom: Inu Yasha Genres: Romantik (Hetero), Drama, Epik, Alternate Timeline Triggerwarnungen: Gewalt, Tod, Trauma Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - 118 Die Muster der Papierschiebetüren warfen lange Schatten auf den Gang hinaus, doch Sesshoumaru hatte dafür nichts übrig. Die Striche erschienen ihm ungelenk, als hätte ein törichter, zweihundertjähriger Welpe den Pinsel geschwungen, und das Knistern der Kohlenpfannen zerrte an seiner Geduld. Die Holzscheite gaben ein unangenehmes Knacken von sich, sobald die Flammenzungen an ihnen leckten und die Rinde schlohweiß verfärbten - und jeder Funke, der unweit von ihm in die Höhe stob, hauchte glühend sein Leben aus. Menschen. Es erschien ihm wundersam, dass sie sich nicht längst an ihren eigenartigen Feuerstellen verbrannt hatten. Aber welche Wahl besaßen sie schon? Sie froren leicht, wenn er Vaters Erzählungen glauben konnte, und diese Schwäche gesellte sich zu den zahllosen anderen, die ihn befremdeten, ja, oft genug sogar anwiderten. Abweisend strich Sesshoumaru mit seinen Klauen durch sein Schulterfell, ehe sein Blick hochmütig die Holzrahmen streifte. Er erkannte Kerben und feine Kratzer zu seiner Rechten, dazu war der Boden vor seinen Knien wie glattgeschmirgelt. Nun, kein Wunder. An diesem Platz mussten sich die Dienerinnen niederwerfen, ehe sie die Griffmuscheln packten, die Türen aufschoben und lautlos hineinrutschten. Tze. Lautlos - als ob diese Kreaturen dazu in der Lage wären. Der Narr, der sich ihm genähert hatte, war bereits daran gescheitert, den Atem flach und leise zwischen den Lippen einzuziehen. Die dumpfen, schnellen Schritte hatten ihn lange vorher wissen lassen, dass er barfuß und angespannt auftrat - aber mutig und entschlossen? Kaum. Es sei denn, Menschenkinder fühlten sich tapfer, wenn ihnen der Speichel vor Schreck fast aus dem Mundwinkel tropfte. Dass man es überhaupt wagte, ihm als Hundedämon derart unter die Augen zu treten! Wofür hielten sich die Bewohner dieses Fleckchens Erde? Dachten sie, sein Vater hätte es ihnen durchgehen lassen? Sesshoumarus goldene Augen funkelten, ehe er die Hände forsch auf der gespannten Seide seiner Oberschenkel ablegte. Da er an diesem Ort niemandem außer dem Inu no Taishou Anerkennung entgegenzubringen gedachte, weigerte er sich, steif und aufrecht zu sitzen - seine Schultern konnten nur von einem einfältigen Menschen für starr gehalten werden. Ein Dämon hätte in ihnen eine dreiste, respektlose Haltung erkannt. Dann sah er weiter zur Seite, bis sein Blick an den geborstenen Holzstücken und Papierwänden hängen blieb, die wie bleiche Knochen in die Höhe ragten. Dazwischen fischte der Kriegsherr, der ihn zur Rede hatte stellen wollen, gerade den anderen, vor Schmerz stöhnenden Burschen heraus. Sesshoumaru hätte taub sein müssen, um nicht zu verstehen, wie der augenscheinlich Ranghöhere dabei flüsterte: "Du hast Glück. Ich werde dich fortbringen." Der Tonfall war jedoch so scheinheilig, so unfassbar aalglatt, als sei jeder weitere Atemzug auf den Nachtigallböden fortan gezählt und der Tod bereits nah. Interessant. Eine Schlange, die im eigenen Nest meucheln wollte? Das käme ihm schlecht zu Gesicht, solange Vater laut Myouga darauf bestand, in seiner Nähe nur gehorsame, feige Überlebende vorzufinden. Schweigend schmälerte Sesshoumaru die Lippen. 119 Wäre es Toutousai vergönnt gewesen, ein Tuch zur Hand zu haben, hätte er es über seinen Kopf gezogen und zwischen den Stofffalten hervorgelugt - bemüht darum, das eigene, spöttische Grinsen zu verbergen. "Was für eine Frage", säuselte er scheinheilig zum Fürsten. "Jeder Youkai der westlichen Ländereien wäre dankbar darum, dich nicht in deiner wahren Gestalt zu sehen. Und sie?" Für gewöhnlich hielt sich der Atem in den Lungen nicht lange, wenn es soweit kam. Die Pranken eines Hundedämons waren weder zimperlich noch ungeschickt. Was wusste das Mädchen überhaupt? Er hatte selbst als junger, armer Schmied daneben gestanden, als sich der Inu no Taishou verwandelt, dann mit einem dickbefellten Bärenyoukai angelegt und dem die Brust wie einen Pfirsich gespalten hatte. Das war ein Anblick gewesen! Danach hatte er jedoch zwei Tage gebraucht, um sich den Gestank der Eingeweide aus der Seide zu waschen, weil der dreiste Fürst nicht einmal die Zeit auftat, Blut und Gedärme in die andere Richtung spritzen zu lassen. Wofür verbreitete diese Familie eigentlich das Gerücht in alle Winde, vorausschauend zu handeln? Damit Dummköpfe sich dazu hinreißen ließen, die Wahrheit zu brüllen und dafür einen Kopf kürzer gemacht zu werden? Nun, er hatte nicht vor, das aus erster Hand in Erfahrung zu bringen, solange ihn das Menschenkind scheu musterte. Immerhin eine, die ihn mit Vorsicht betrachtete. Gut so! Ihre geweiteten Pupillen waren Balsam verglichen zu den verkohlten Grashalmen und dem Flimmern des Youkis in der Luft. Toutousai bleckte zufrieden die Zähne. "Wenn du einen Rat willst", erklärte er Izayoi, "verzichte darauf." "Toutousai." Huh? Hatte er schon wieder etwas Lebensmüdes von sich gegeben?! Überstürzt trat der Schmied einen Schritt zurück, um sich tiefer in den spärlichen Schutz einer Zeder zu begeben, aber dann erkannte er auf den Zügen des Daiyoukais Unbekümmertheit statt Schärfe. Bevor Toutousai aufstöhnen konnte, weil ihm dieser Ausdruck stets nur Scherereien eingebracht hatte, ging Isamu bereits auf Abstand. Er tat es so elegant und gutmütig, dass die Fürstentochter verwirrt aufhörte, die Wurzel in ihren Händen zu zerdrücken. Zwei kleine, abgebrochene Rindenstücke fielen prompt zwischen ihnen zu Boden, dann dämpfte er seinen Ton. "Wollt Ihr sie sehen? Gebt mir nur Euer Wort, nicht zu erschrecken." Izayoi zögerte, ehe sie sich verstohlen umblickte. Sie wusste, dass es hier niemanden gab, der ihr die Neugierde austreiben oder gar übelnehmen könnte, doch es klang überaus gefährlich. Von Kappas wusste sie, dass die Haut fahl und grünstichig, manchmal unnatürlich bläulich gefärbt sein sollte, und obwohl sie noch nie jemanden gesehen hatte, der in einem Teich ertrunken war, hatten Takemarus Männer die Geschöpfe stets mit deren aufgedunsenen Lippen und Augen verglichen. "Ich..." "Ja?" Oh, wie gelang es ihm nur, ein einziges Wort so ermutigend klingen zu lassen? Sie spürte, wie sich ihre Fingerspitzen aufmüpfig und glühend vor Wissbegierde strecken wollten. Das Nicken saß ihr bereits in den Knochen, obwohl ihr Verstand sie eindringlich davor warnte, weiter seinem Blick zu begegnen und einen Dämon um seine wahre Gestalt zu bitten: Als Fürstentochter würde sie darüber nie ein Wort verlieren dürfen. Niemals. Keine Hofdame, ja, nicht einmal ihre Amme Mashiko oder ihr geliebter Großvater dürften erfahren, was sich in dieser Nacht ergab. Sie war eine Frau! Die Residenz zu verlassen, um einen Meisterschmied zu treffen und von einer Insel mit Hanyous zu hören, brächte ihr bereits den sicheren Tod. Doch ein Daiyoukai, der ihr dieses Geheimnis anvertraute ... oh weh! Keine Silbe, die ihre Zunge je formen mochte, konnte ein menschliches Ohr dann noch besänftigen. Izayoi begriff, dass diese Gelegenheit ihr Leben für immer verändern würde: Ganz gleich, was sie tat. Die Gefühle in ihrer Brust rangen miteinander, während sie sich vorstellte, wie sie einst in einer Teezeremonie sitzen oder zwischen den roten Herbstblättern schreiten würde. Sie wäre vollkommen in ihrer Tätigkeit versunken, ernst und viele Jahre älter, vielleicht sogar mit der Gegenwart des schweigsamen Takemarus beehrt, der längst einer der gefürchtetsten Feldherrn Japans geworden wäre, bevor sie die Erinnerung an die wahre Gestalt Isamus aus dem Nichts überraschen mochte. Und dennoch ... Sie wollte es nicht anders. Izayoi wünschte sich von Herzen, dass ihr das warme Gold seiner Augen erhalten blieb, bis sie irgendwann die grauen Strähnen zwischen ihren Fingerspitzen verzwirbelte und den letzten Atem auf den Damastkissen aushauchte. Es war so unfassbar törricht, unvernünftig und selbstsüchtig - und es erhellte ihr den Gedanken an ihr vorherbestimmtes Leben. Auf sie wartete tagein und tagaus geziertes Schweigen, und der Gehorsam gegenüber einem Gatten und den Schwiegereltern. Wenn sie nicht einmal über den Tod tapferer Männer oder das Leid ihrer verstorbenen Mutter reden durfte, dann wollte sie auch diese Nacht mit all ihren Wundern verschweigen und mit in ihr Grab nehmen. Dieses Mal straffte Izayoi sehr bewusst ihre Schultern, doch ihre Stimme zitterte vor Aufregung. "Werdet ... werdet Ihr eigenartig aussehen?", fragte sie. "Ich hoffe nicht. Meine Mutter fand mein Fell stets bemerkenswert", lachte Isamu rau, während Toutousai eine Hand vor das Gesicht schlug, aber augenblicklich innehielt zu murmeln, als eine scharfe, heiße Windböe über ihn hinwegfegte. Noch bevor die Baumpilze und Zweige aufgehört hatten zu beben, fuhr sich der Daiyoukai mit einer Hand ins Haar und löste das Band darin. Die Strähnen fielen aus dem hochgebundenen Zopf und flossen über seine Schultern, doch sein Lächeln galt einzig und allein der jungen Frau. Sie steckte voller Überraschungen. "Tretet zurück, meine Liebe." 120 Izayoi gehorchte und starrte zu Boden, während sie von ihm wich und sich darum bemühte, unter seinen Augen nicht zu stolpern. Nur wenige Ellen später wünschte sie sich, dass er ihr mit einem Nicken beschied, innehalten zu dürfen. Die Kälte der Nacht drang wieder unter den wattierten Saum ihres Kimonos und obwohl sie in der Finsternis die Konturen der Pflanzen nur schemenhaft erkennen konnte, hatte sie das Gefühl, der geschmolzene Raureif würde bestens wissen, wo er in ihre Tabisocken sickern konnte. Ihre Zehen wurden nass, kurz darauf eisig und klamm. Dann frischte der Wind auf - stärker, viel stärker und unerbittlicher, als wollte er ihr gegen die blassen Wangen schlagen und sie ängstigen, bis ihr Herz aufhörte, vor Schreck zu klopfen. Sie sah auf, nahm entgeistert die rechte Hand von der Wurzel und hielt ihren Arm über der Stirn. Bei allen Göttern! Ehe Izayoi wusste, was geschah, verloren die weißen, flatternden Haare des hohen Herrn ihre Schönheit. Gleißendes Licht brach durch den Boden, wirbelte Stoffe und Strähnen in die Höhe und aus seinen Augen wich jede Wärme. Das Grollen, das sich aus seiner Kehle löste, erstickte kaum das Knacken seiner Knochen, die wie trockenes Holz auseinanderbrachen - und mit jedem Atemzug, den sie in ihre Lungen zwang, verzerrte sich seine Gestalt, wuchs und wurde noch größer, bis die Äste der Bäume herabfielen. Kleiner als Reiskörner schlugen sie neben ihm auf, manche verfingen sich in dem dichten, wild abstehenden Fell auf seiner Schulter, andere prallten auf die krallenbewehrten Pfoten. Dann begriff Izayoi, dass ihre weichen Knie es schafften, dem Anblick standzuhalten. Vor ihr stand der gewaltigste Hund, den sie jemals in ihrem Leben erblickt hatte - und dass sie ihn nicht aus voller Kehle anschrie, lag nur daran, dass er seinen mächtigen Kopf zur Seite neigte und ihn kurz vor Toutousai über den Gräsern hielt. "Ich weiß, was du vorhast", wetterte der Einsiedler in derselben Sekunde, da er das Blitzen in den roten Augen bemerkte. "Komm mir nicht so! Friss meinen Ochsen, aber wage es dir nicht-!" Zu spät. Die große, raue Zunge erwischte ihn mit einer Hingabe, die aus dem besten Schmied des Landes ein eingespeicheltes Häufchen Elend formte, das gar nicht so aufbrausend zetern konnte, wie es seine Stimme für notwendig befunden hätte. Die Verwünschungen, die sich aneinanderreihten, ließen Izayoi völlig verblüfft zurück. Sie ... sie hatte so vieles erwartet, aber ... er war ja ganz harmlos. Oder? Die Fangzähne, die hinter seinen Lefzen aufblitzten, und der Schweif, der einen Haselnussbusch kahl fegte, schalten sie leichtsinnig und verhöhnten ihr Gemüt. Doch da blieb ein kleines, hartnäckiges Stimmchen in ihrem Verstand, das Isamu Absicht unterstellen wollte. Obgleich seine Augen furchterregend glühten und nur die Pupillen von dem Rot verschont blieben, lag Schalk in der Luft. Dann widmete er sich wieder ihr und Izayois Gedanken zerfielen wie Sand, den die Dürre im Flussbett zurückgelassen hatte und ein Windstoß auseinandertrieb. Beunruhigt schlüpfte sie in die vertraute, unterwürfige Haltung zurück und rundete ehrerbietig ihre Schultern. Als kleines Mädchen hatte sie gelernt, sich stets an den Kimonosäumen ihrer Mutter zu halten und den Blick auf sie zu senken, aber die Hundekrallen, die sich in die Erde gruben, wollte sie nicht betrachten. Ach! Warum hatte sie nur nach dieser geheimnisvollen, wahren Gestalt gefragt? Sie reichte ihm nicht einmal mehr bis zu der Hälfte seiner Vorderläufe, falls sie das so nennen durfte. Wahrscheinlich nahmen Dämonen deshalb Menschen nicht als ebenbürtig wahr: Ihresgleichen musste winzig wie eine Ameise erscheinen, leicht zu zertreten. Oder konnten sich nur manche Youkai wie er verwandeln? "Izayoi ..." Oh. Ihr Herz schlug kräftiger gegen ihre Rippen, während sie angespannt nach oben sah. Sie war hingerissen, dass er trotz seines fremden, beängstigenden Erscheinungsbildes mit ihr sprechen konnte, doch seiner dunklen Stimme haftete etwas Ruhiges, Wohlbekanntes an. Inständig hoffte sie, dass sie sich an diesen Klang ebenso gut erinnern können würde wie an das Gras unter ihnen. "H-hoher Herr?", flüsterte sie kaum lauter als ein knisterndes Blatt. "Seht", brachte er bedächtig hervor. "Ich bin noch immer der Gleiche." Nun, fast. Wenn er sich mit Myouga in dieser Gestalt unterhielt, schrie der Flohgeist oft und bat, langsamer durch Lichtungen und Reisfelder zu stürmen. Auch jetzt konnte Isamu spüren, wie seine Muskeln unter der Energie brannten, die sich unter seinem Fell aufbäumte - der uralte Drang, etwas mit dem Kiefer zerbersten zu lassen und den Wind heulen zu hören, umgab ihn ebenso wie die Geräusche der Nacht. Alles war frischer, unverfälschter. Lauter ... und so wohltuend wie ein Wasserfall, dessen Gischt ihm ins Gesicht wehte. Hier und dort nahm er zirpende Insekten wahr, sogar den Flügelschlag einer Motte, die hektisch von dannen stob. Hinter seiner linken Flanke trat der Ochsendämon mit seinem Huf auf, scharrte über einen porösen Stein. Nichts davon fesselte ihn jedoch so sehr, wie der helle Hals und die Kehle, die Izayoi unwissentlich zeigte, weil sie ihren Kopf in den Nacken legen musste, um ihn zu betrachten. Es erdete jede andere, tödliche Absicht, die ihn die letzten Jahrhunderte verfolgt hatte. Wenn sie wüsste ... Er würde ihr jedoch nicht verraten, dass ihn der Anblick an die Wärme einer Frau erinnerte, die sich ihm hingab. Wie unpassend wäre es? Vor wenigen Tagen war derlei spurlos an ihm vorübergezogen, aber seine Verwandlung schien ihn empfindlicher zu stimmen. Auch das sollte ihn nicht verwundern, denn die wahre Gestalt eines Dämons diente nicht der Mäßigung. Das tat sie nie - und manchen Überlegungen war auch später nur schwer beizukommen. Glücklicherweise wusste er sich zu beherrschen und besaß genug Willenskraft, um die flüchtige Sehnsucht wieder zu unterdrücken. Izayoi zu mögen und sie zu begehren, waren zwei Umstände, die sich wie Tag und Nacht voneinander unterschieden. Ihr Kinn mit der Fingerspitze anzuheben, selbst zu lächeln und sich hinabzulehnen ... nein. Er hatte nicht vor, ihr die Ehe oder Söhne anzutragen. Der gewaltige Hund senkte so behutsam den Kopf hinab ins Gras, dass kein Halm zerbrach und das Rauschen ihres Blutes so laut in seinem Verstand wiederhallte wie sein eigenes. Toutousais Flüche zerplatzten unbeachtet am Rande seines Interesses. "Sagt, fürchtet Ihr Euch vor mir?" - - - - - - - Die Frage könnte ihm in Kapitel #38, "Mistel", im Halse stecken bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)