Apfelblüte von Morgi (Inu no Taishō / Izayoi) ================================================================================ Kapitel 36: Ranunkel -------------------- Apfelblüte - Ranunkel - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genres: Romantik (Hetero), Drama, Epik, Alternate Timeline Triggerwarnungen: Gewalt, Tod, Trauma Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - 116 Toutousais Grinsen gefror, ehe sich sein Adamsapfel verkrampft auf- und abbewegte, als spürte er plötzlich die Hitze eines frisch geschürten Kohlenfeuers in der Kehle. Was hatte der alte Hund gerade gesagt? "Ich soll Sesshoumaru um einen Fangzahn bitten?", krächzte er. "In der Tat", erwiderte der Inu no Taishou heiter, bevor er sich nach der pechschwarzen Wurzel bückte, die Izayoi zwischen den Gräsern und Schachtelhalmschößlingen vergessen haben musste. Unschuldig reichte er den Strunk weiter und sah ihr dabei zu, wie sie ihn schüchtern mit den Fingerspitzen umschloss, dann wanderten seine Mundwinkel noch höher empor. Zwei Atemzüge später brach auf dem Gesicht des Schmiedes schiere Panik aus. Alle Achtung. Er hatte sich länger beherrscht, als erwartet. "Das ist unmöglich! Ausgeschlossen! Nie und nimmer!" "Huh?", formte Isamu mit seinem Mund, ehe er in vorgetäuschter Überraschung beide Augenbrauen hob. "Hältst du meinen Sohn etwa für zu schwach?" "Red keinen Unsinn!" Das Gegenteil war sein Problem! Wenn er diesen übellaunigen Welpen schon aus der Ferne sah, wurde ihm ganz anders. Wie sollte er dem denn verständlich machen, dass er sich verletzen lassen musste - und noch dazu das Schwert in andere Klauen wandern würde? Ohne ihn. Den Vorschlag schlug er besser mit der geballten Kraft seines Verstandes nieder, bevor er ihn das Leben kostete. "Sesshoumaru ist ... ist ..." Ja, genau: "Zu klein! Er ist geradezu winzig in seiner wahren Gestalt und ragt kaum an deine Schulter heran! Wie stellst du dir das vor?", schnappte Toutousai inbrünstig. "Ich könnte aus seinen Fangzähnen nicht einmal einen Zahnstocher schmieden!" "Bist du dir sicher?" "Selbstverständlich bin ich das! Sieht dieser Mund aus, als würde er zu Übertreibungen neigen?!" Isamu, der ein Glucksen niederringen musste, schmälerte todernst die Augen und gönnte sich einen Moment der Stille. Er wusste nicht wann oder wie, aber diese Unterstellung würde er seinem Welpen zukommen lassen. Es gab nichts Amüsanteres, als Sesshoumarus Stolz wie einen Papierwandschirm ineinander fallen zu sehen, bevor er sein Schulterfell sträubte. "Wir sollten ihn gemeinsam um seine Meinung bitten", dachte er laut nach. "Er ist in den letzten einhundert Sommern rank und schlank wie Bambus gewachsen und ich bin davon überzeugt, dass er-" "Nein!", rief Toutousai geistesgegenwärtig dazwischen. "Ich sagte doch, es geht nicht! Es gibt noch einen weiteren Grund. Der ... der Fangzahn muss einem Daiyoukai gehören und dein Junge ist keiner." Nachdrücklich blähte er die Nasenflügel auf, während sich das nächste Donnergrollen hinter den Wolken aufbäumte und seine Haut zum Kribbeln brachte. "Wirklich? Warum sagst du das nicht gleich?", fragte der Herr der Hunde unbekümmert, ehe der nächste Scherz, der ihm auf der Zunge lag, durch die Hand an seinem Unterarm ins Wanken geriet. Neugierig folgte er den zarten Fingern, dann lehnte er sich zu Izayoi hinab und spitzte die Ohren. "Ihr habt etwas auf dem Herzen?" "Ich ... ja, hoher Herr." "Isamu." "Verzeiht." "Ihr werdet Euch schon daran gewöhnen. Nun? Was bewegt Euch?" Izayoi blinzelte eilig, ehe ihr Gesicht zu glühen begann. Mit so viel Entgegenkommen hatte sie nicht gerechnet, daher musste sie erst ihren Mut zusammen nehmen und sicher sein, dass ihr der grätig vor sich hinmurmelnde Schmied die Unterbrechung nicht übel nahm. Da sich Toutousai jedoch seinem Ochsen widmete und zwischen Farn und Moosen von einem drohenden Unheil sprach, fiel es ihr leichter, sich auf das feine Lächeln ihres Gegenübers zu konzentrieren. "Euer Sohn", flüsterte sie behutsam. "Ja?" "Ich sah ihn neben Euch stehen und er erschien mir sehr groß. Ist er nicht längst ein erwachsener Mann?" Oh. Daher rührte ihre Neugierde? Der Inu no Taishou kräuselte die Lippen, als er daran dachte, wie jung ihr Gemüt doch war und wie weise ihre Fragen. Es war eine Mischung, die ihm das Herz gleich eines sanften Frühlingsregens wärmte. "Kein Welpe gilt als erwachsen, ehe er neun Jahrhunderte kommen und gehen sah", erklärte er. "Nicht unter meinesgleichen. Er könnte sich die Achtung erfahrener, uralter Dämonen jedoch früher verdienen, indem er ein mächtiges Schwert unterwirft oder mich im Kampf schlägt. Bisher gelang ihm weder das eine, noch das andere." "Ist es das, was einen Daiyoukai auszeichnet?" "Nein", widersprach er ruhig. "Jedem Welpen liegt es im Blut, seine Eltern in den Schatten stellen zu wollen. Ein Daiyoukai zu sein, bedeutet jedoch weitaus mehr. Es gibt nicht viele von uns im Westen, wenn ich das bemerken darf, denn Weisheit und Stärke ziehen stets Feinde an. Eines eint uns allerdings: Es fällt uns nicht schwer, willentlich in unsere wahre Gestalt zu wechseln oder auf die Früchte der Wälder und des Meeres zu verzichten. Wir ruhen nur noch in der Nähe unserer Neugeborenen und Frauen - das ist alles." "Wirklich?" Izayoi dämmerte prompt, dass er deshalb vor so vielen Tagen die schweren Futons, die Damastdecken und bestickten Kissen nicht angerührt hatte: Er war wach gewesen, als sie an Mashikos Seite vor der Papierwand seiner Gemächer niedersank. Die ganze Zeit! Ihr Herz klopfte umso ahnungsvoller, als sie daran dachte, dass er sich am ersten Abend sogar Tee von ihr hatte reichen lassen. Aber vielleicht war sie zu voreilig. Er hatte von Speisen und Schlaf gesprochen, nicht von handbemalten Schälchen. Unschlüssig senkte die Fürstentochter ihren Blick, dann gewann eine andere Frage die Oberhand. "Werdet Ihr mir verraten, was es mit der wahren Gestalt auf sich hat?" 117 "Nein." Setsuna no Takemaru starrte finster auf die kleinen, bleichen Frauenhände herab, ehe er sich dagegen entschied, eine weitere Erklärung auszusprechen. Als General des Daimyos der südwestlichen Gefilde bestand dazu kein Grund. Er schuldete nur wenigen Menschen Rede und Antwort - und die Dienerin seiner Herrin zählte nicht dazu. Innerlich straffte er sich, dann verschmähte er zum vierten Mal das Gefäß, das sie ihm reichte. Ihm stand nicht der Sinn nach Sake, solange er bloß einen Blick zur Seite werfen musste, um zwischen den Tatami-Matten die grunzenden, schnarchenden Gestalten von Yuudais Männern auszumachen. Sein Herz mochte dem Glückspilz unter ihnen die Ehe und das bereits über mehrere Abende andauernde Beisammensitzen gönnen, aber sein Verstand war nicht halb so großzügig: Niemals hätte er gestattet, dass sich so viele in die Besinnungslosigkeit tranken oder kostbare, grüne Frühlingszwiebeln aus ihrem Algenbett rissen, ja, kreuz und quer vor den Schälchen mit Meerrettich verstreuten. Was für ein Anblick! Wofür hielten sie sich? Dämonen, die zu faul waren, ihre Essstäbchen auseinanderzubrechen, weil sie lieber eine Forelle in einem Stück verschlangen? Solch Gebaren ziemte sich nicht für erwachsene Männer, die in Schlachten über ihre Feinde herfielen und jeden Schnitt so geschickt zu setzen vermochten, als ginge es darum, die Hülse eines Reiskorns zu spalten. Die größte Zumutung war jedoch, dass sich der fuchsgesichtige Kriegsherr nicht unter ihnen befand. Wo steckte er? Er hatte ihn hierher gebeten - unerwünschterweise, denn das schob seinen Rundgang vor Izayoi-samas Gemächern auf. Im schwachen Kerzenlicht furchte Takemaru die Stirn, während seine Augen der Glut in den Kohlepfannen glichen, die in den Ecken des Raumes standen. Nur der stetige, gärende Schmerz in seiner Schulter erinnerte ihn daran, dass auch er Makel besaß - aber die Wunde würde verheilen, solange er den Verband täglich wechselte und zuvor in Kräutersud tränkte. Schlechtes Benehmen blieb. Ohne zu ahnen, dass über ihm Drachenklauen im Gebälk lauerten und Kuraikos rot-graue Schuppen wie ein Fächer aufklappten, als sie den Kopf in ihrem Versteck reckte, schnaubte er warnend. "Ich benötige deine Dienste nicht", erklärte Takemaru harsch. Mashiko nickte, doch ihr alter Rücken war so geduldig wie eine Zeder, als sie den Sake zurückstellte. Dann griff sie hierhin und dorthin, reizte seine Geduld weiter aus und gab vor, sich inmitten der fremden, schlafenden Männer völlig in ihrem Tun vertiefen zu können. Dabei fiel ihr das am schwersten. Überall waren nackte, behaarte Beine und sie brauchte nicht lang, um auch einen entblößten Hintern und ein verrutschtes Lendentuch zu erhaschen. Die übrigen Dienerinnen des Haushalts mussten bei der ersten Gelegenheit geflohen sein, doch sie würde hartnäckig bleiben - den General ablenken. Das hatte sie dem hohen Herrn versprochen. Entschlossen richtete sie die Holzbecher auf dem niedrigen Tisch schöner an, ganz wie es im Südwesten üblich war und dem Daimyo gefallen hätte, dann fegte sie mit der Fingerspitze einige klebrige, dünne Fleischstücke von einem Schneidbrett. "Es ist der Befehl Izayoi-samas, Euch einige Speisen anzubieten", behauptete sie. "Sie wünscht es so. Ihr schickt seit drei Tagen den Heiler fort, der nach Euch sehen soll." "Er rät mir dazu, meine Pflichten wegen einer Fleischwunde ruhen zu lassen." "Ich verstehe, verehrter General. Doch wie könnte ich unserer Herrin widersprechen?" Mashiko verneigte sich tief, dann achtete sie darauf, dass die braunen Ärmel ihres Baumwollkimonos genauso sorgsam an Ort und Stelle blieben wie der grüne Kragen, als sie sich vorlehnte - und schrak zusammen, als er ihr Handgelenk über dem Tisch packte. "Hältst du mich für einfältig?", raunte er ohne Umschweife. Dann schmälerte Setsuna no Takemaru die Augen und stieß die Luft mit solcher Inbrunst aus, dass sogar seine Rüstung drohend klapperte. "Du verbirgst etwas vor mir. Du bewegst dich langsamer als üblich und plauderst, als hätte ich zehn Jahre weniger in den Diensten unseres Herrn gestanden. Was ist es?" Mashiko wurde blass, dann zwang sie sich dazu, trotz ihrer Furcht ruhig einzuatmen. "Wo-wovon redet Ihr? Ich befolge einen Befehl, mehr nicht. Wollt Ihr das Wort einer zukünftigen Fürstin anzweifeln?" "Nein, aber bei deinem bin ich mir nicht sicher." "General! Bei aller Ehre, die Euch gebührt", zischte sie und hoffte, mit ihrem schärferen Ton ebenso viel Eindruck wie bei Izayoi schinden zu können. "Habt Ihr vergessen, dass ich es war, welche Euch ins Leben half, als Eure Mutter eine ganze Nacht und einen ganzen Morgen in den Wehen lag? Und wer bestand damals darauf, nach Euch geschickt und um eine Vorführung gebeten zu haben, als Euch der Daimyo bei seiner Enkeltochter entdeckte und Euch ein Holzschwert schwingen sah?" Dafür hätten sie beide den Kopf verlieren müssen und zu ihrem Glück zeichnete sich dieses Wissen deutlich in seinem Blick ab. Daher setzte sie mutig nach: "Wie kann es sein, dass ich Euren Absichten traue und Ihr an den meinen zweifelt?" "Schweigt!" Mashikos Mund schloss sich jäh, aber dann war ihre Hand auf einmal wieder frei und sie begriff, dass er die Stimme nur erhoben hatte, weil neben ihnen ein Mann schmatzend und murmelnd stöhnte. Dann wuchtete sich der Kerl, dessen Körper krumm wie ein Birkenzweig aussah, auf die andere Seite und schnarchte lauter als ein Bär weiter. "Gut", murmelte Setsuna no Takemaru, den Erleichterung erfasste. Solche Geschichten hatten in den Ohren dieser Residenz nichts verloren. Irgendwann würde jemand erwachen und sie belauschen, weshalb er um Gleichgültigkeit feilschte und den Rücken unnachgiebig durchdrückte. Anschließend betrachtete er Mashikos zierliche Gestalt und verscheuchte das hartnäckige Misstrauen in seinem Verstand. "Ich schätze deine Treue", raunte er, "doch es wird dich das Leben kosten, solltest du das Wohlergehen unserer Herrin aufs Spiel setzen, um mich zu beschäftigen. Ein Dämon lauert unter diesem Dach. Vergiss das nicht." "Das wage ich nicht, General Takemaru." Er nickte, ohne seinen jüngsten Ärger mit einer Silbe zu erwähnen. In seinen sonnengebräunten, kräftigen Händen ruhte seit Tagen eine unbezähmte Wut, deren Quell nicht nur durch Mashikos Verhalten gespeist wurde. Dennoch wagte es niemand, ihn darauf anzusprechen: Dienerinnen und Vasallen mieden ihn, weil er im Rang über ihnen stand, und die Kriegsherren wollten ihm keine Gelegenheit geben, sie erbost zu einem Übungskampf zu fordern. Der Daiyoukai hatte sie bereits mit jeder Faser blamiert - nicht auszudenken, wenn er als jüngster, anwesender General in dieselbe Kerbe schlug. Stattdessen versuchten sie ihn kleinzuhalten und zu beherrschen. Da seine eigenen Männer von Drachen dahingeschlachtet worden waren, hatte man ihm die Entscheidung abgenommen, wer die geeignetsten wären, um Izayoi-sama zu bewachen. Diejenigen, die nun grimmig im Innenhof oder in den Dienstbotengängen Patrouille liefen, erschienen ihm wenig vertrauenserweckend. Sprach er einen von ihnen an, konnte er die Sätze zählen, bis der Name eines anderen, weisungsbefugten Generals fiel - und die Erwähnung, dass man sich nur äußerst ungern dort aufhielt, wo der Daiyoukai nächtigte. Diese Feiglinge! Dachten sie alle, der würde mit dem Südwesten unter einer Decke stecken und der Schutzherr der Fürstentochter sein?! Die Kriegsherrn schienen das Gerücht gern zu befeuern, indem sie behaupteten, die Sitten seien wohl in jeder Residenz verschieden. Sogar der Daimyo, Kagetora, hatte die Stimme erhoben und bewiesen, dass sein Wort an diesem Ort das letzte und einzige war, das unanfechtbar blieb. Vier Nächte lag diese Schmach zurück. Seitdem kannte Setsuna no Takemaru einen Befehl, der ihm die Galle hochkommen ließ: Erster General oder nicht, der Schutz Izayois sei Angelegenheit des hiesigen Fürstenhauses - und er solle tapfere Männer nicht beleidigen, indem er ihnen im Nacken säße. Solange der Dämon in der Nähe wäre, verfüge er doch über genügend Schwerter, oder nicht? Dieser vermaledeite-! Oh, was hätte er darum gegeben, einem Fürsten über den Mund fahren zu können! Es war, als hätte jeder Mann in diesen Mauern ein reges Interesse daran, ihn zu beleidigen, doch das würde er vor Mashiko nicht ausbreiten. Wofür sollte sie ihn halten? Für unbeherrscht und ungehorsam? Grob nahm er der Amme ein Schälchen Tee ab, um das bittere, kalte Gebräu in einem Schluck hinunterzustürzen und sich seinen eigenen, ungemütlichen Gedanken hinzugeben, die finsterer denn je gediehen. Er wusste längst, wem er das alles zu verdanken hatte. Den Tod seiner Männer. Den Spott und Hohn - und jede andere Erniedrigung, die ihn davon abhielt, das einzige Lächeln zu beschützen, das ihm die Gräuel der Schlachten erträglicher machte. Draußen kratzte der Wind an den Regentüren, schwerer und unheilvoller als zuvor. - - - - - - - Ohje. In Kapitel #37, "Schafgarbe", dürfte Izayoi auffallen, was große Generäle und Hundedämonen gemeinsam haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)