Apfelblüte von Morgi (Inu no Taishō / Izayoi) ================================================================================ Kapitel 21: Lilie ----------------- Apfelblüte - Lilie - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genres: Romantik (Hetero), Drama, Epik, Alternate Timeline Triggerwarnungen: Gewalt, Tod, Trauma Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - Letzte Dekade des März, Japan, 1340 88 Wie ungeschickt von ihr. Angestrengt starrte die Drachendämonin aus ihren geschlitzten Pupillen auf den Sakebecher, der klappernd auf die Tatami-Matte gefallen war und die blutrote Flüssigkeit in einem Schwall verlor, der sie an einen letzten Herzschlag erinnerte. Kuraiko wünschte sich, dass dies der Wahrheit entspräche und den vermaledeiten Hundefürsten betraf, doch darauf durfte sie kaum hoffen. Seit vier Sonnenaufgängen verweilte sie bereits in den Mauern der Residenz, ohne seinen Todesschrei vernommen zu haben - nun, kein Wunder, wenn sie daran dachte, dass sie drei davon untätig bleiben musste. Ihre Heilung hatte sie schier an den Rand ihrer Selbstbeherrschung getrieben, hinzukam die Qual, bis sie auch nur einen einzigen Muskel wieder im Kiefer spüren konnte. Der Anblick, der sie nun in der spiegelnden Oberfläche der Reisweinpfütze ereilte, brachte ihr Blut noch jäher zum Kochen: Ihre Schuppen lagen verschoben auf der Haut und die rasiermesserscharfen Zähne hingen wie Dornenstrünke ineinander fest, um ihr bei jeder Bewegung vorzugaukeln, wieder in eine glühend heiße Esse getunkt zu werden. Die Kraft, die in den Schwertstreichen des Inu no Taishou lag, ließ sie erbärmlich und schwach zurück. Nie hätte sie erwartet, dass es einem Dämon möglich war, sich in drei Jahrhunderten solche Macht anzueignen - aber er war ein Fürst, ein Daiyoukai noch dazu. Denen sagte man die abenteuerlichsten Ammenmärchen nach, und Kuraiko ahnte, dass sich hier mehr Wahrheiten in den Schatten verbargen, als ihrem Hals gut taten. Zu schade, dass sie ihn nicht danach fragen konnte, seit wann er dabei mit solcher Blindheit geschlagen war. Bislang hatte er sie in ihrem Versteck, dem rußbedeckten Dachgebälk der Pferdeställe, nicht entdecken können. Die Brandmale waren dort recht frisch, die Asche noch immer witterbar und obgleich sie den Geschmack von Staub und Kohle an diesem Ort zutiefst verabscheute, unterstrich er ihre Gerissenheit. Niemand außer ihr hätte es gewagt, direkt vor seiner Nase auszuharren. Dummerweise würde sie damit nach ihrer Rückkehr in den hohen Norden nicht prahlen können, denn wer erst nach einem verheerenden Treffer genesen musste, gewann weder Ruhm, noch Ehre unter den eisigen Blicken der Brutmutter. Nein, mit derlei würde sie auf keinen Fall Eindruck schinden können. Es lag nichts Beneidenswertes darin, erst vor einem Widersacher zu fliehen und dann durch einen Flügelschlag die Rösser der Menschen scheu zu machen. Von diesen schwachen, unaufmerksamen Burgbewohnern brauchte sie jedoch keine Entdeckung zu befürchten: Das einfältige Pack hielt das schrille Wiehern, das sie von Zeit zu Zeit provozierte, sobald sie sich auf die Seite wälzte, bloß für Furcht vor dem unerwünschten Gast, dem Inu no Taishou. Narren, allesamt. Sogar sie wusste, dass es nur wenige Gelegenheiten gab, in denen sich ein mächtiger Dämon dazu herabließ, Beute zu reißen: Entweder musste er einen neugeborenen Welpen versorgen, dessen Mutter noch im Kindbett lag, oder das hungrige Maul von Heranwachsenden stopfen. Deren Youki ging schneller zur Neige, als sie mit aufgeplatztem Kiefer das Weite suchen konnte. Nein, für Pferde war sie das gefährlichere Raubtier. Menschliche Nahrung war kostbar für Drachenweibchen, denn sie benötigten alle Fleisch - ganz im Gegensatz zu Ryukotsusei und dem Herrn der Hunde. Diese arroganten... Rachsüchtig stellte die Drachendämonin ihre grau-roten Schuppen am Rücken auf, bevor sie diese seidenweich an den Körper presste und mit spitzen Klauen über die grunzenden und schlafenden Leiber der Männer des hiesigen Daimyos stieg. Was für ein Gelage! Über ihren Mündern lag ein schwerer, süßlicher Geruch, der ihre Sinne strapazierte, aber sie hatte keine Wahl. Ihr Hunger würde sie früher oder später leichtsinnig machen. Noch törichter als jetzt. Behutsam reckte sich ihr Hals über einen Schmerbauch hinweg, der beinahe die Seide sprengte, dann hatte sie eine auf Algen gebettete Forelle mit den Zähnen erwischt. Einige Frühlingszwiebeln prasselten herab, als sie diese zu sich zog und in einem gierigen Wiegen ihres Kopfes hinabschlang. Inzwischen brachte es ihr kaum noch Tränen ein, doch sie konnte das Zischen nicht verhindern, als ihr Kiefer wieder einhakte. Verflucht! Der Leib unter ihrem Maul regte sich prompt, aber sie sprang aus einem anderen Grund in einem Satz kopfüber an die Decke und grub die Klauen in die geschnitzten Balken: Dort! Direkt in einem frischen Windzug glitt die papierbespannte Tür auf. Herein trat die hochgewachsene Gestalt eines Mannes, der trotz der vorangeschrittenen Nacht in voller Rüstung stand. Das Lindwurmweibchen verschloss die Nüstern, als ihr der gärende Gestank in die Sinne stach, der ihn wie ein Schwarm Fliegen umgab - und allein das sorgte dafür, dass sie nicht geifernd nach Atem rang, um sich über das bekannte Gesicht wie der drohende Tod zu freuen: So sah man sich wieder. Dieser Abschaum hatte sie im Gemach des Säuglings mit einer Fleischwunde beehrt. Nachdem er sich mit abschätziger Miene in dem Trakt umsah, der Yuudais Männern für jene Vergnügungen offenstand, die mit einer frisch beschlossenen Ehe einhergingen, durchlief er den Raum. Kuraikos Statur fiel einem finsteren, grünen Schimmer anheim, der ihre Miene voller Boshaftigkeit erblühen ließ. Sie konnte die Schritte zählen, die das Menschlein benötigte, um erstaunlich elegant über Bambusmatten zu laufen, bis sein Schatten unter ihr im Licht der Kohlenpfannen flackerte. Intuitiv spannte sie ihre Muskeln an, hob die Lefzen - und zuckte zusammen, als eine Stimme erklang. "General Takemaru!" Prompt duckte sie sich, schlüpfte hinter einen nahen Balken und musste gegen ihren rasenden Herzschlag ankämpfen. Wie ein Stakkato hämmerte er in ihrer Brust, fürchterlicher als eine Klinge, die sich darin wand. Das hätte schlecht für sie ausgehen können! Offenbar waren ihre Sinne angegriffener als vermutet und so wagte sie es nur verstohlen, den beschuppten Hals zu recken. Kurz darauf war sie so erstaunt, als sei sie eben erst aus ihrem Ei gekrochen. 89 "Meister", schnappte der Floh mit entgeisterter Miene nach Luft. "Ihr meint das Ernst?" Myouga konnte nicht glauben, dass sich seine Ohren einen solchen Scherz erlaubten, doch der Vorschlag war viel zu abenteuerlich, um ihn auf die leichte Schulter zu nehmen. Zur Hölle! Nie zuvor hatte er einen solchen Unsinn aus dem Mund des Herrn der Hunde vernommen. Da half es ihm auch nicht, schnaufend den Blick zu den umliegenden Ästen zu heben und sich mit spitzen Fingern über die Wangen zu reiben. "Das ist verrückt", beharrte er dann. "In der Tat." "Schön! Ich bin dagegen!", begehrte der Flohgeist auf und war froh darum, seine Stimme nicht dämpfen zu müssen. Die Schatten der Nacht drangen durch die Zweige, vermischten sich mit dem Mondlicht - sie waren so allein, wie man es in einem riesigen Apfelbaum sein konnte, dessen einziger Bewohner eine sture, winzige Eule mit struppigem Gefieder war, die ihm in jeder Dämmerung nach dem Leben trachtete. Aber sogar der würde er freiwillig vor den Schnabel springen, wenn sich nicht endlich dieses Lächeln von den Lippen des Daiyoukais vertreiben ließ! "Oh, schaut mich nicht so an, als ob ich Euch gleich beraten würde, Herr! Ich wusste, dass Ihr seit Tagen etwas ausbrütet. Ich habe es gespürt, bis in die Saugrüsselspitze und jeden einzelnen Zeh! Hier, seht Ihr? Dieses Zucken ereilt mich jedesmal, wenn sich eine Eurer Ideen auf Euren Zügen ausbreitet!" Der Weißhaarige musterte mit stiller Belustigung die Gestalt Myougas und wie so oft wunderte er sich darüber, dass der beim Wüten keine Rauchwolken ausspie. "Du wärst ein interessanter Drachendämon geworden, alter Freund." "Das ist nicht witzig!" "In der Tat." "Hört sofort auf mit dieser Erwiderung!", bockte der Floh und geriet fast in Versuchung, auf den Spitzen des Schulterfells herumzuspringen. Leider waren sein Überlebenswille und Trotz überragend, daher beließ er es dabei, auf der stahlblauen Kimonoseide auf die Knie zu fallen und die kleinen Fingerchen aufgeregt in den Stoff zu graben. Falten waren seit Jahrtausenden das Einzige, was er einem so mächtigen Hund zufügen konnte, aber er kannte noch andere Waffen. Das geschah dem Fürsten nur Recht. "Ihr könnt nicht zu Toutousai reisen", erklärte er altklug. "Ihr sagtet dem eitlen Pfau Kagetora nämlich, dass Ihr nicht ohne das Menschenkind verschwinden würdet und ich", damit wölbte sich seine Brust voller Stolz, "bin viel zu schwach, um allein einige Stunden auf sie zu achten." "Auch das ist richtig, Myouga." "Gut, dass Ihr das einseht. Dieser Plan war unausgegoren, sogar für Euren unruhigen Geist. Wie hätte das auch funktionieren sollen? Ihr könnt schlecht zu Izayoi gehen, sie packen und-" Moment. Warum entließ der Inu no Taishou dieses flatternde, amüsierte Geräusch aus seinen Lungen und begann die Schultern anzuspannen, ehe er sich auf dem gewaltigen Ast erhob? Schnell, schnell. Was hatte er gesagt? Genau: Unausgegoren, Geist, Izayoi ... um Himmels Willen! Er würde doch nicht ... er konnte doch nicht-! "Nein!", krächzte der Flohgeist mutiger denn je. "Hört Ihr? Ich sagte, nein! Setzt Euch sofort wieder hin, Meister!" Die Miene des Hundedämons wurde weich und geduldig wie in jenen Tagen, da er vergebens versuchte, seinen schreienden, neugeborenen Welpen zu beruhigen. Über Stunden war er mit Sesshoumaru in den Fellen durch die frisch begrünten Gärten des Westens gewandert, um die Zeit abzuwarten, die seine Gefährtin zur Erholung nach der Niederkunft benötigte - und Myougas Empörung war nichts gegen die Lungen seines Erstgeborenen. Auf diesen Ohren war er längst taub, zumal seine Entscheidung lange vor Einbruch der Dämmerung festgestanden hatte. Dennoch blieb es erheiternd. "Ich bin froh, dass du es erwähnst", erwiderte der Inu no Taishou. "Ich sollte eine Fürstentochter nicht packen, sondern um ihre Zeit bitten und sie auf Händen tragen." "Nein, nein, nein! Genug von diesem romantischen ... Ihr wollt mich nur aufziehen!" Inzwischen waren Myougas Wangen kirschrot und die Lippen fleckig-weiß, weil er gar nicht mehr so heftig auf sie beißen konnte, wie es ihm sein Verstand gebot. Es erschien ihm plötzlich leichter, den Dämonenschmied dazu zu bringen, sich Weib und Welpen zuzulegen, statt hier auch nur einen Meter Boden gut zu machen. "Begreift doch! Die Menschen werden ihr Fehlen rasch bemerken und Ihr kennt die Strafen für ihre Frauen so gut wie ich es tue. Ihr könnt nicht ewig hierbleiben und sie davor bewahren, Meister!" Der Herr der Hunde lächelte still, während der Wind durch das Geäst fuhr und Blütenblätter zum Knistern brachte, die sich zu hunderten von den Knospen zu lösen begannen. Der Geruch umschmeichelte seine Sinne, aber er war nicht bereit, die Wärme zu teilen, die sich durch seine Klauen zog. "Ich habe alles bedacht", raunte er. Alles bis auf eines. "Izayois Dienerin gab mir ihr Wort, nichts zu verraten." "Was?" Die alte Frau, die ihn dank ihres scharfen Augenlichts belehrt hatte, wusste es? Oh, dieser Hund! "Macht es Euch nicht zu einfach: Was soll sie schon ausrichten, wenn diese Krähe die Gemächer betreten will? Oder der Daimyo des Hauses? Und wie steht es um diesen maulfaulen General, der sich jeden Tag erbärmlicher durch die Residenz schleppt?" "Du wirst sie beschäftigt halten." "Ich werde sie beschäftigt halten", wiederholte der Floh, ehe ihm alle Farbe aus dem Gesicht wich. "Was?" "Niemand außer dir, wäre geschickt genug, alter Freund." "Als ob! Kommt mir nicht so!", herrschte Myouga ihn fuchsteufelswild an, aber da wurde er bereits von spitzen Klauen gegriffen und zart wie ein frisch geschlüpftes Vogelküken auf den nächsten Ast gesetzt. Ehe er den Mund jedoch ein weiteres Mal zeternd aufbekam, streifte ihn ein Blick aus dunklen, goldenen Augen. "Bring mich nicht dazu, es dir befehlen zu müssen, Myouga. Auch meine Geduld kennt ihre Grenzen und du gebärdest dich, als habe ich ihr eine Ehe angetragen, statt einer einfachen Bitte. Wage es dir nicht, einen Narren aus mir zu machen, der das eine nicht vom anderen zu unterscheiden weiß. Ich versprach ihr Schutz, keine Söhne." "Aber-" "Genug davon", beendete der Herr der Hunde das Gespräch, dann wandte er sich ab und ließ sich aus den meterhohen Wipfeln des Apfelbaumes fallen, um federweich den Boden zu berühren und in wenigen Sätzen zur Residenz zu verschwinden. Myouga sah ihm nach, denn für ihn war es kein Hindernis, das helle Fell in der Nacht auszumachen. Die Patrouille, die am anderen Ende des Hofes ihre Runde zog, hörte das Knirschen des Sandes nicht einmal - wie auch? Ihnen saß die lähmende Furcht im Nacken, seit der Inu no Taishou dafür gesorgt hatte, dass sich Yuudai in die Hände von mehr als verzweifelten Heilern begeben musste. Niemand wollte mit einem solchen Monster unter dem gleichen Dach verweilen, auch wenn der Befehl des Daimyos der nordwestlichen Gefilde keinen Widerspruch duldete. Hach! Wie bitter, dachte der Floh. Nun würden sie seinen Meister los - für einige Stunden, denn es war ausgeschlossen, dass eine Fürstentochter mit der Erziehung Izayois eine Bitte abschlug, die ein Mann - noch dazu ein Dämon - aussprach. Seufzend knickte Myouga ein. Keinen Zweifel: Er würde keinen Narren aus seinem Herrn machen müssen. Das konnte der auch ganz allein, und als ältester und einziger Berater ahnte er, dass es kein gutes Zeichen war, sobald sich ein Daiyoukai wie der Inu no Taishou zu einem verstohlenen Lächeln hinreißen ließ. - - - - - - - Darf er, und zwar in Kapitel #22, "Chrysantheme"! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)