Apfelblüte von Morgi (Inu no Taishō / Izayoi) ================================================================================ Kapitel 18: Margerite --------------------- Apfelblüte - Margerite - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genres: Romantik (Hetero), Drama, Epik, Alternate Timeline Triggerwarnungen: Gewalt, Tod, Trauma Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. Anmerkung: Dieser Ausflug ist heute wie damals gewidmet. :) - - - - - - - 75 Das Gescharre und Getuschel der Männer kam schlagartig zum Stillstand, wie die Oberfläche eines Flusses, der überraschend in tieferen Gewässern verschwand. Im Nachhinein hätte niemand von ihnen sagen können, wer zuerst das Knistern bemerkte. Es kam unverhofft, fast schleichend. Der Sand unter ihren Füßen geriet in Bewegung, als ob ein Kind darüber lief - aber kein Knabe hätte dafür sorgen können, dass winzige Steine auf einmal begannen wie tollkühne Fische in die Höhe zu springen. Dann ertönte ein Klappern, ein Knirschen. Nur wenige Herzschläge später waren die harten, sonnengegerbten Gesichter der Männer von nackter Furcht gezeichnet. Setsuna no Takemaru schloss abrupt die Lippen. Er war der Erste, dem bewusst wurde, woher das Schauspiel rührte, aber dennoch begannen seine Fingerspitzen scharf und unangenehm zu kribbeln. Als die Bedrohung unerträglich zu werden schien, ballte er die Hände zu schlohend weißen Fäusten und wandte den Kopf. Yuudais zorniger Blick folgte dem seinen, und obwohl sie sich nie zuvor im Leben einig gewesen waren, trugen sie denselben, finsteren Gedanken auf der Zunge: Am Gast des Daimyos war nichts menschliches. Dieser Dämon mochte unter dem schweren, glänzenden Dach wie einer von ihnen hervor treten, doch Setsuna no Takemaru kannte keinen Mann, dessen Haar so schwerelos im Wind tanzte. Sogar an den wenigen Tagen im Sommer, da es ihm selbst angenehm erschien auf das Öl in den eigenen Knoten zu verzichten, hingen ihm die Strähnen unsagbar schwer über die Schultern. Bei diesem Bastard jedoch sah es aus wie die Seide, welche er am Leib trug - fein und weibisch. Abschätzig verkniff der General des Daimyos der südwestlichen Gefilde das Gesicht, ehe ihm eine unerklärliche Hitze in die Wangen stieg und Schweiß auf der Stirn ausbrach. 76 Verborgen in den Tiefen des weißen, unruhig von links nach rechts wogenden Schulterfells blähte Myouga aufsässig die Wangen auf. Dieser vermaledeite Hundedämon wurde des Spielens wohl nie müde! Ihm als Berater hätte es nun gut zu Gesicht gestanden, den Mund zu halten, doch dummerweise war ihm dieses Talent in den vergangenen Jahrtausenden noch immer nicht in den Schoss gefallen. "Meister, müsst ihr wirklich Euer Youki nutzen?", zischte der Floh griesgrämig. "Wen wollt Ihr damit beeindrucken? Euer Sohn war der Letzte, den ihr damit in helle Aufregung versetzen konntet, und das liegt länger zurück als Euer Stolz jemals zugeben würde!" "Nun, ich wärme mich auf, alter Freund." Wie bitte? "Als ob", erwiderte Myouga patzig, bevor er sich mit einem Finger über den verärgert zuckenden Saugrüssel strich und eine Grimasse schnitt. "Scheinbar habt Ihr vergessen, dass Ihr einen gewöhnlichen Menschen zum Gegner habt, und keinen Drachendämonen wie Ryukotsusei. Ein Schwertstreich wäre mehr als genug, um diesen Schakal zur Räson zu bringen. Warum bietet Ihr ihm überhaupt Euer Schwert für eine Wunde an?" "Kommt dir dieser Einfall nicht bekannt vor?" Die Augen des Flohs weiteten sich überrascht, aber noch ehe er eine Antwort auf die Frage gefunden hatte, gelangte der Herr der westlichen Länder in Hörweite der Soldaten. Einige Männer hatten eingeschüchtert die Schultern gerundet, andere die mit dicken und wulstigen Narben verunstalteten Gesichter in Abscheu zur Seite gedreht. Auch ohne die Sinne eines Daiyoukais wäre dem Inu no Taishou bewusst gewesen, dass ihm das Flüstern der Vasallen Yuudais wie ein summender Bienenstock folgte. Bedauerlicherweise waren ihre Worte wenig schmeichelhaft. Die Luft schien gereizt. Dieser Eindruck ließ sich weder durch den respektvollen Abstand zu den Lanzen zerstreuen, noch schätzte es einer der Wartenden von ihm im Vorbeilaufen gemustert zu werden. Sie starrten ihm hinterher, als ob ihre Feindseligkeit wie ein Strohdach in Flammen gesetzt worden wäre. Nun, der Weißhaarige lächelte dennoch. Der Geruch von Apfelblüten hing in den rauschenden Wipfeln der Bäume fest und das verlieh ihm eine Ruhe, die bereits nach kurzer Zeit Myouga irritierte. Irgendetwas war an dem Gebaren seines Meisters faul, das roch er doch! Für gewöhnlich brachte er bevorstehenden Kämpfen keine schlichte, unterschwellige Freude entgegen, und die Stunden des Trainings, die er Sesshoumaru überhalf, waren ernst und angestrengt. Lag das an der Residenz? An der jungen Fürstentochter vielleicht, die er in den Morgenstunden gesprochen hatte? Aber nein, das war unmöglich. Der Herr der Hunde hatten ihm den Vergleich mit seiner Gefährtin mit heiterem Gelächter vergolten, ja, ihm sogar zur Entschädigung dafür, selten so falsch gelegen zu haben, einen Tropfen Blut angeboten. Pah! Natürlich hatte er abgelehnt. Myougas Stolz ragte weit über die Länge seiner Arme hinaus, und wer einem Hund aus der Hand fraß, dem war sowieso nicht mehr zu helfen. Am Ende wurde er nur wieder unaufmerksam, aber dieses Mal - dieses Mal! - würde ihm seine Gutmütigkeit keine Scherereien einbringen. Mürrisch atmete der Flohyoukai tief in den Brustkorb ein, dann krabbelte er entlang der Gabelung der zwei Schulterfellstücken hinunter und ließ sich auf der Hälfte des Weges zu Boden fallen. Er war sich sicher, dass der Weißhaarige über seine Flucht noch weiter die Mundwinkel hob, denn an den beiden Generälen konnte das nicht liegen. Der Eine, den er bereits hatte beobachten dürfte, stank nach dem gärenden Fleisch seiner Schulter und der Andere umgab sich mit einer Präsenz, die um ein Haar die Arroganz des verstorbenen Hundefürsten überflügelte. Da hat er sich ein schönes Süppchen eingebrockt, dachte Myouga, als er in raschen Sätzen über tiefe Pfützen und die zurecht geharkten Sandkörner setzte. Im nächsten Sprung, der seinen argwöhnisch zusammengekniffenen Augen die Chance gab, die Umgebung zu erfassen, schnappte er jedoch nach Luft: Oh! Kagetora und ... und Izayoi? Hätte sich die Hundefürstin vor Myouga zu einem Wangenkuss herabgelassen, wäre der Anblick nicht weniger verstörend ausgefallen: Der Flohgeist zog das Tempo an, noch bevor er selbst wusste, was er davon halten sollte, eine Frau in der Nähe eines Kampfschauplatzes zu sehen. Warum durfte sie zusehen? War das ein Trick? Und dann - mitten in einem wagemutigen Satz über einen spiegelglatten Kieselstein - wurde Myouga leichenblass und kombinierte das Unmögliche. Sein ... sein Meister hatte nicht ihn angelächelt, sondern- 77 "Sesshoumaru", flüsterte die Fürstin der Hunde, während sein vertrauter Geruch ihre Nase umschmeichelte und dafür sorgte, dass sie die Pinselspitze von dem Papier aus Maulbeerrinde nahm. Der Griff fand erst seinen Platz auf dem kostbar verzierten Holzkästchen an ihrer Seite, dann sah sie auf. Mehr musste sie nicht tun, um ihren Einzigen daran zu erinnern, dass es bislang nur einen einzigen Dämon im weiten Westen gab, der ihr in der Morgendämmerung seine Gesellschaft aufdrängen durfte - und noch war er weit davon entfernt, der Herr der Hunde zu sein. Dass er sich jedoch auf die rauen Bambusmatten kniete, ja, sich sogar vor ihr verneigte, weckte ihr Interesse. So unterwürfig? Für gewöhnlich war ihr Welpe zu stolz, um auch nur den Blick von ihr zu nehmen - nun, derlei verlangte sie auch nicht unter vier Augen. Ob er diese Güte begriff oder nicht, sie behandelte ihn seit Jahrhunderten mit einer unerschütterlichen Nachsicht. Wie sonst hätte er jenen Platz lebend verlassen können, dem der Geruch von Hortensien und klirrender Eiseskälte anhaftete? Nein, unbehelligt gehen zu dürfen, war nicht sein Verdienst gewesen. Jedem anderen Dämon hätte sie für eine Störung das Herz aus der Brust gerissen, und einen Welpen für sein unerwünschtes Auftauchen zu bestrafen, war durchaus üblich. Als Fürstin der Hunde schätzte sie weder Schwäche noch Gerüchte, die sie nicht selbst gestreut hatte. Sollte er die Erinnerung an ihren erbärmlichen Anblick nun dazu benutzen wollen, um sich mit ihr über gemeinsame Befindlichkeiten auszutauschen, würde er sie jedoch auf eine äußerst unschöne Art und Weise kennen lernen. Lauernd musterte sie ihren Sohn unter dichten Wimpern, dann lächelte sie perlend. "Was führt dich hierher, Sesshoumaru? Solltest du nicht den Rat deines Vaters suchen? An diesem Ort sind dein Stolz und deine Fähigkeiten völlig verschwendet, und ich fürchte, ich bin keine Gegnerin für dich." Eine Weile blieb es in ihren Gemächern totenstill, bis sich ihre Sinne auf das leise Knistern einer Kerzenflamme konzentrierten und sie vereinzelte, leise flüsternde Dienerinnen durch die Flure huschen hörte. Sein kräftiger, geduldiger Herzschlag ließ sich allerdings weder von ihr, noch von einem anderen Laut aus der Ruhe bringen. Als er das Schweigen brach, klang seine Stimme vorwurfsvoll. "Haltet Ihr mich für zu jung, um Euch zu entwaffnen, Mutter?" "Bereitet dir das Sorge, Sesshoumaru?" Die Hundefürstin verzog die Mundwinkel, bevor sie den Ärmel ihres Seidenkimonos an die Lippen hob und ein leises Lachen dahinter dämpfte. Es war das seltsamste und beunruhigendste Geräusch, das ihrem Welpen seit Langem zu Ohren gekommen war, doch auch das ertrug er mit Fassung - sie sah es an der Art, wie er ihr offenes, glänzendes Haar in Augenschein nahm. Oh, wie wenig er doch von der Welt einer Frau wusste! Als sie endete, musterte sie in stiller Berechnung seine Hände und die Youkaimale, die sich unter dem Saum der weißen Seide abzeichneten. Es war die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihm, ihr und dem Herrn der Hunde und das hatte sie in ihrer Vergangenheit durchaus zu schätzen gelernt. Für den letzten Funken Mitgefühl, der in seinen Augen begraben lag, hatte sie weniger übrig. Er sollte ihr später nicht nachsagen können, ihn geduldet zu haben. "Möchtest du einmal Vater werden, mein verehrter Sohn?", zwitscherte sie. In Sesshoumarus Gesicht zeichnete sich Verwirrung ab, doch er erstickte diesen Impuls mit abweisender Distanz. Für derlei Diskussionen war er nicht an diesen Ort gekommen, denn ihn bewegte etwas Anderes, aber seiner eigenen Mutter leichtfertig zu antworten ... nein, so viel Mut besaß er nicht. "Wie Ihr wisst, besitze ich keine Gefährtin und ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern." "Dein Mund scheint mir schneller zu sein als dein Verstand. Das eine hat mit dem anderen wenig zu tun, Sesshoumaru", erwiderte sie selbstgefällig. "Nun, es bleibt ein lächerlicher Gedanke", knurrte der junge Hundedämon, während er die Klauen anspannte und sich über ihre Ablenkung ärgerte. "Meine Antwort lautet nein. Ich habe weder Interesse an Welpen, noch an jenen Dämoninnen, die mir begegnen." "So ist das also. Und dennoch maßt du dir an, meine Gemächer zu betreten." "Mutter-" "Du überschätzt meine Geduld an diesem Frühlingsmorgen, Sesshoumaru. Ich weiß, welches Thema du begehrst, doch es gibt nichts, was ich dich über einen Verlust lehren könnte. Darum hüte deine Zunge, bis du das Leben eines Kindes so sehr wie das scharfe Schneidblatt eines Schwertes zu schätzen weißt. Geh, ehe du mich erzürnst!" 78 Was für eine reizende Atmosphäre. Hätte Yugo etwas Hirse als Tierfutter zur Hand gehabt, wäre sie sich kaum dafür zu schade gewesen, diese den versammelten Männern vor die Füße zu werfen. Wie so oft, benahmen sich diese sturen, eitlen und von der Ehre besessenen Dummköpfe kaum besser als die zirpenden Zikaden: Sie veranstalteten einen Höllenlärm im Gegensatz zu den anwesenden Hofdamen, die still die Fächer gegen den Dunst der Dämmerung schwenkten, aber an den dämonischen Bastard wagte sich niemand heran. Wovor fürchteten sie sich? Auch in seinen Adern floss nichts anderes als Blut und das angsteinflößende Schwert, welches an seiner Hüfte ruhte, würde bald in neuen Diensten stehen. Der messerscharfe Verstand des Daiyoukais mochte für Yuudai eine Gefahr darstellen, doch dem ihren war er im Leben nicht gewachsen. Frauen waren in dieser Residenz ein schleichender Tod, und sie hatte Mühe sich den hungrigen Gesichtsausdruck von den Lippen zu wischen. Still überging sie ihre Schar an hohen Damen, die bereits zu den bereitgelegten Damastkissen unter dem Dach schritten, und widmete sich säuselnd ihrem Zweitgeborenen: "Meine Nachricht wurde überbracht, Tajiro?" "Es wird sich alles zu unserer Zufriedenheit fügen. Die Anwesenheit der Hofdamen war erst der Anfang", flüsterte der schlangengleiche Berater in die ersten Sonnenstrahlen hinein. Dann wandte er sich ab und ließ seine Mutter in gebührendem Abstand hinter sich, um in das für Generäle so prägnante Marschtempo zu verfallen. Als Bruder des Daimyos hätte er es genossen, wenn ihm hunderte Paar Strohsandalen gefolgt wären, denn ein solches Echo trieb Unruhe und Nervosität in die Gesichter der Feinde. Doch in diesem Fall hoffte er vergebens. Er überquerte den ausladenden Innenhof allein, um zu Yuudais Soldaten auf der Westseite zu gelangen. Einzig der Inu no Taishou schenkte ihm beim Vorbeigehen ein Lächeln, das so heiter wie ein Jungfisch im dunkelgrünem Tang erschien. Was für ein elender Bastard! Tajiro musste an sich halten, um kriecherisch wie eh und je den Kopf vor dem Fremden zu neigen. Lieber hätte er ihm das eigene Schwert über die Kehle gezogen, doch zu derlei Dummheiten durfte er sich nicht verleiten lassen. Yuudai war der Einzige, der diesem Dämon womöglich das Wasser reichen konnte, denn unter dessen Haut lauerten Muskeln und Bärenkräfte. Der rabiate, skrupellose und vom Sieg Besessene brauchte nur eines: Die Möglichkeit zu einem hervorragenden Stich, der seine Klinge tief in das Herz des Daiyoukais rammen würde - und sollte es ihm nicht im ersten Zug gelingen, gab es noch den zweiten Anlauf mitsamt eines errungenen Höllenschwertes. Was sollte daran schief gehen? Fuchsgesicht und er hatten die letzten Stunden vor Sonnenaufgang zwischen alten, muffigen Papieren und Rollbildern verbracht, um sich keiner bösen Überraschung auszusetzen. Als sie endlich fündig geworden waren, hatte Tajiro jedoch nicht gewusst, ob ihm seine eigene Müdigkeit einen Streich spielte. Er zweifelte nicht im Geringsten daran, dass solche Kreaturen über begnadete Schmieden und furchterregende Fähigkeiten geboten, doch so etwas konnte sich kaum ein nüchterner Schreiber ausgedacht haben. Sou'unga - ein Schwert, das Tote aus deren Knochen zusammensetzte und sich wie ein übler Geist in den Köpfen der Schwachen einnistete? Nein, das war zu abwegig. Wahrscheinlich war das Schneidblatt nur an einer einzigen Seite stumpf statt an zwei, um das Blut hinablaufen zu lassen. Daher wähnte sich der Besitzer rasch übermächtig. Ein unnatürlich scharfes Schwert vergiftete schneller die Gedanken eines Kriegers als jede ehrbare Frau, doch auf welche Weise er sich das mit den Toten erklären sollte ... Tajiro beschloss, vorerst den Kampf abzuwarten und sich bis dahin unauffälliger als treibendes Laichkraut zu verhalten. Während die Stimme seines Bruders, des Fürsten Kagetoras, die Morgenluft durchschnitt, stahl er sich in die Schatten der anderen Männer und begann an seinem eigenen Vorhaben zu feilen. 79 Es war das erste Mal, dass Izayoi das zarte Zwitschern einer Lerche im Hof vernahm und einen Moment schien es ihr, als ob sich der kleine Vogel nur in ihrer Nähe aufhielt, um ihr aus Leibeskräften Mut zuzusprechen. Der Gedanke daran, dass sich jemand des schweren Kloßes in ihrer Kehle bewusst war, tröstete sie. Izayoi fühlte sich müde und ausgelaugt. Sich aufrecht zu halten, während Mashiko und ein weiteres Dutzend Hofdamen in ihrer Nähe warteten, kostete sie fast alle Selbstbeherrschung. Hätte sie sich nicht vor Aufregung die Hand vor die Lippen halten müssen? Wäre es nicht sogar ihre Pflicht gewesen, jede einzelne Strohsandale zu betrachten und die Bartstoppeln der Männer zu bewundern, die sich in dunklen Schatten an ihren Wangen hinauf stahlen? Eine Fürstentochter sah für gewöhnlich nichts von den unerbittlichen Kämpfen, denn ihre Talente ruhten im Shamisen, dem Räucherwerkspiel und ähnlichen Kleinigkeiten, die ihre schmalen Händen herausforderten - nicht ihre Gefühle oder den Hunger nach Wissen. Die Damen in ihren sorgsam bestickten Gewändern würden noch viele Monate von diesem Tag berichten, an dem sich einer der tapfersten Kriegsherrn des Daimyos der nordwestlichen Länder gegen einen Dämon zur Wehr gesetzt hatte. Bereits jetzt summten die Geschichten in ihren Ohren, die sie über das helle Haar des Daiyoukais, seine goldenen Augen und den Zug um seine Mundwinkel spannen. Yumiko, die ihrer älteren Schwester Chidori diente, hatte sogar die Behauptung in die Welt gesetzt, er könne eine jede von ihnen mit einem einzigen Wimpernschlag in Stein verwandeln - was für ein Unsinn! Izayoi sehnte sich danach zu widersprechen, doch sie musste sich beherrschen. Die Frauen beobachteten sie, tagein, tagaus und sie wollte sich nicht ausmalen, welche Folgen ihr blühten, sollte sie ein weiteres Mal die sorgsam geschminkten Lippen öffnen. Mashiko hatte ihr diese mit einer federweichen Pinselspitze bemalt, während sich Yumiko vor den vergoldeten Wandschirm platzierte und die Brennscheren solange erhitzte, bis diese auch die widerspenstigsten Haarsträhnen zum Glänzen bringen konnten. "Izayoi, mein Kind", weckte sie die säuselnde Stimme Yugos aus ihren Gedanken, "du siehst betrübt aus. Möchtest du nicht deine Sorgen mit einer teuren Freundin teilen?" In den Augen der Älteren lag ein eigenartiges Funkeln begraben, als ihr welkes Gesicht direkt neben dem Mädchen auftauchte und falls es Yugo berührte, dass die Gespräche ihrer Hofdamen prompt an Lautstärke verloren, schien sie kein Interesse daran zu haben, diese dafür zurecht zu weisen. Ohren und Münder gab es überall, und doch waren sie nicht die größte Gefahr für die Frauen der Fürstenfamilie. "Ich denke", lächelte Yugo harmlos, "dass es an der Zeit ist, dir Rat zu geben. Ich habe dich lieb gewonnen und ich kann den Gedanken nicht ertragen, dich ohne ihn weiter leben zu lassen." Izayoi nickte, nicht wissend, warum sich Yugos Gegenwart wie eiskalte Spinnenbeine auf der Haut anfühlte. Chidori hatte sie zur Vorsicht gemahnt und ihr Herz dachte klopfend an die Worte des hohen Herrn zurück. "I-ich ..." "Shht. Du musst nichts sagen, meine Liebe. Es ist vollkommen natürlich, Angst in meiner Nähe zu empfinden, auch wenn ich nicht verhehlen möchte, dass man sich in unserem Stand stets bereithalten muss. Das Schweigen sollte eine ebenso liebliche Kunst sein wie die von dir so tadellos ausgeführte Teezeremonie." Yugos Lächeln wurde dünn wie die Sichel des Mondes, während direkt vor ihrer Nase ihr Ältester, Kagetora, die letzten Anweisungen bellte und die Männer mit lautem Gebrüll darauf zu hoffen begannen, dass der stärkste Kriegsherr des Daimyos ihre Ängste in Scherben schlug. Erst als Yuudai sein Schwert mit einem gigantischen Schrei aus der Scheide riss, schloss Yugo geduldig die faltigen Augenlider und seufzte zum Gotterbarmen. "Wie konntest du nur in der vergangenen Nacht außerhalb deiner Gemächer verweilen, Izayoi? Brachte dir denn niemand bei, dass eine ehrbare Tochter des Hauses hochgelegene Orte und fremde Damastdecken zu meiden hätte?" Izayois Unsicherheit gefror zu einer Maske, bevor sie so langsam ihren Kopf drehte, als packte man ihr Kinn und würde sie mit Gewalt dazu zwingen, die Fürstenmutter zu betrachten. Sie ... sie wusste davon? 80 Hämisch zeigte Yuudai die vorstehenden Zähne, während seine buschigen Augenbrauen in die Höhe krochen. Er hielt das Schwert mit beiden Händen umklammert, und obwohl seine Gestalt untersetzt war und gegen die Rüstung drückte, stand er breitbeinig und unerschütterlich auf dem Sandboden. Alles an ihm stank nach Lebensgefahr und das wahnwitzige Glitzern in seinen Augen kündete von einhundert Narren, denen er den Mut aus den Knochen geschlagen hatte. Das Rufen seiner Männer schürte seine Entschlossenheit, doch es war die Aussicht auf die andere Klinge und die Ehre einen Daiyoukai zu besiegen, die ihn anstachelte. Wenn es an diesem Morgen fauler Tricks bedurfte, würde er sie nutzen. "Wünscht Ihr den ersten Schlag, Dämon?" Der Herr der Hunde neigte abweisend das Kinn, ehe sein Blick alarmiert zur Seite huschte und der beunruhigenden Witterung von Zimt folgte. Er sah Izayoi nur aus den Augenwinkeln, doch das liebliche Gesicht Yugos stach ihm wie ein Dorn in die Ferse. Die Frau beugte sich soeben sanft wie der Tod über die Fürstentochter, ja, tätschelte sogar die mit Schwertlilien und wirbelndem Wasser bestickte Seide des Kimonos, bis- "Sterbt!" Yuudai riss sein Schwert in einer Wucht aus der Höhe hinab, die seinen Zorn in einem weiteren Schrei entfesselte, doch dort, wo er das weiße Haar bereits als sicheres Ziel gewähnt hatte, fraß sich seine Klinge nur noch in den Sand. Was zum-?! Steine flogen in die Höhe, als er den Griff in einem Querhieb wieder befreite, aber das nun folgende, dröhnende Scheppern von Metall nahm ihm auch den zweiten, sicher geglaubten Treffer. Die Brust des Ratgebers wölbte sich wie die eines tollwütigen Bären, dann sprang er vorwärts und warf all seine Künste in die Waagschale. Seine Schläge kamen schnell und aus dem Nichts, brachten die umstehenden Männer dazu zu raunen und die Hälse zu recken, doch das helle Klingen einer parierenden Schwertschneide verriet, dass Yuudais Täuschungen und Ausfälle meisterhaft abgefangen wurden. Einen Moment lang füllten sich die Augen des Menschen mit unbändigem Hass, dann gelang es ihm nach zahllosen Hieben durch eine Drehung seiner Hand im Griff Sou'ungas einzuhaken und in einem Satz heranzurücken. Der Geruch von Zitronengras und wilden Gebirgsbächen drang ihm in die Nase, als er nur noch eine halbe Armeslänge entfernt vom Herrn der Hunde um festen Stand feilschte, zäh und wild die Kiefer aufeinander presste. "Ihr seid mächtig", zwang Yuudai zwischen seinen Lippen hervor, bevor seine Stimme zu einem kratzigen, heimtückischen Flüstern verkam, "aber Euer Liebchen hat sich bereits einem Anderen zugewandt. Ihr bemüht Euch umsonst!" Was? Für einen Herzschlag ließ die Spannung in seinen Muskeln nach, und Yuudai sprang darauf an wie zu einer Zeit, da er Eidechsen auf glühende Kohlenstücke gelegt hatte. Ehe der Inu no Taishou das Geräusch der auseinander fahrenden Klingen mit dem stillen Lächeln Izayois in Einklang gebracht hatte, fuhr der Berater in einem Wirbel in die Knie und zog das Schwert in der Waagerechten durch. - - - - - - - Die Fürstenfamilie stellt sich gar nicht so ungeschickt an, was? In Kapitel #19, "Vergissmeinnicht", setzt sie noch eine Schippe oben drauf ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)