Apfelblüte von Morgi (Inu no Taishō / Izayoi) ================================================================================ Kapitel 16: Enzian ------------------ Apfelblüte - Enzian - Autor: Beta: Fandom: Inu Yasha Genres: Romantik (Hetero), Drama, Epik, Alternate Timeline Triggerwarnungen: Gewalt, Tod, Trauma Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - 68 Tajiros Schatten breitete sich wie ein Sturm über der Stufe aus, dann zog er scharf den Atem ein und glaubte an dem Anblick, der sich ihm bot, regelrecht zu ersticken. Gift und Galle saßen ihm in der Kehle, während die Lichtfäden der Kerze die verwaisten Seideneinfassungen der Tatami-Matten beleuchteten. Doch weder links, noch rechts ließ sich der Saum eines Kimonos ausmachen. Es gab nur ein Anzeichen, dass jemand hier gewesen sein musste: Die Regentür war weit aufgestoßen und dahinter prasselten die Tropfen, stoben in einer Windböe hinein ins Innere des Raumes. Dieser dämonische Bastard wollte ihn ernsthaft zum Narren halten. "Wo ist sie?", zischte seine Stimme dünn wie der Tod, bevor sein Kiefer vor Wut fast verkrampfte und sein Blick auf Mashiko fiel. Sie kniete noch immer neben der Papierwand, als hätte man ihr befohlen, das Zimmer eines Daiyoukais zu bewachen. "Bist du taub, nutzloses Weib? Ich habe dir eine Frage gestellt! Wo ist Izayoi?" "I-in ihren Gemächern, Herr." "Glaubst du, ich kann eine Stimme nicht von der anderen unterscheiden, auch wenn sie noch so leise geflüstert ist? Du wagst es, mich zu belügen?" "Herr! Ich-" "Schweig!" Mashiko drückte ihre Stirn so erschrocken auf die Hände, dass ihre Fingerspitzen unter stärkerem Druck wie reife Kürbisse aufgeplatzt wären. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, befeuert von der Sorge um die wie vom Erdboden verschwundene Izayoi und- Sie schrak zusammen, als Tajiro vor ihr auf die Knie brach und sie so rabiat am Kinn packte, dass sich sein Daumen wie durch aufgeweichten Reis grub. Mashiko kniff in Todesangst die Augen zusammen, denn sie wusste, was zornige Herrschaften mit denen taten, die sie direkt anstarrten. Trotz aller Willenskraft konnte sie jedoch nicht verhindern, dass ihr ein schmerzhaftes Stöhnen von den Lippen quoll. Nun, der Bruder des Fürsten nahm es mit klebrig süßer Genugtuung hin: "Du solltest dich davor hüten, allzu loyal gegenüber deiner Herrin zu sein, einfältiges Ding. Ich könnte dir hier sämtliche Pflichten aus den Knochen prügeln, bis der Morgen graut und niemand würde dich schreien hören. Yuudai, mein Vetter, hat seine Männer auf mein Geheiß hin bedauerlicherweise von der Patrouille in diesem Trakt entbunden. Findest du nicht, dass unter diesen Umständen etwas Gehorsam angebrachter wäre? Mir gegenüber?" Tajiro wartete geduldig ab, bis er den Daumen ekelerregend wie ein Spinnenbein über Mashikos äußeren Mundwinkel schob. Dann beugte er sich noch leiser flüsternd vor: "Sag mir einfach, wo sie ist." "I-ich ..." "Sie ist nicht Euer Eigentum, Berater." Kühl starrte der weißhaarige Dämon auf den Mann hinab, der wie vom Blitz getroffen die Hand von Mashikos Kinn riss, so als ob ihm jemand glühende Kohlen gegen die Fingerknöchel gepresst hätte. Drei Herzschläge später war er auf die Beine gestolpert, und starrte zu dem regennassen Schulterfell hinauf, an dem vereinzelte Tropfen hingen. "H-hoher Herr!", keuchte Tajiro entsetzt, ja, fast gelähmt. Wo kam der denn her? "Ich ... ich hatte Euch bereits gesucht und dann sah ich Izayois Dienerin vor Euren Räumen knien. Mir stachen ihre gerissenen Getas ins Auge, so dass ich-" Doch für derlei Heuchelei hatte der Inu no Taishou nichts mehr übrig. Seine goldenen Augen durchzogen sich urplötzlich mit dunkelroten Fäden, während ein Grollen seine Kehle zum Vibrieren brachte, das sogar die Papierwände erzittern ließ. "Ich gebe Euch einen einzigen Rat, Menschenkind." "J-ja?" "Verschwindet, ehe ich meine Geduld verliere." 69 Er ... er gehorchte? Tajiro tat wirklich wie ihm geheißen und verbeugte sich leichenblass, ehe er verschwand? Oh Gott. Es kostete Mashiko jeden Atemzug, dessen sie habhaft werden konnte, um nicht starr vor Angst zur Seite zu sacken. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass es etwas Schlimmeres auf der Welt gab als den Tod, der sich in Form eines blutrünstigen Drachen auf sie stürzte, doch als sie in die Augen dieser Schlange gesehen hatte ... Wie konnte das sein? Sie sollte sich vor Dämonen fürchten, nicht vor Menschen! Die Amme schluckte heiser vor Scham, dann fuhr sie sich mit zitternden, schweißnassen Fingerspitzen über das fest geknotete Haar und versuchte verzweifelt, ihre Lippen unter Kontrolle zu bekommen. Vergebens, denn ihr Verstand weigerte sich, über etwas anderes als die schwindende Gefahr und die feuchte, schwere Luft nachzudenken, die sich nun schlagartig abkühlte. Als der Herr der Hunde neben ihr auf die Knie ging, spürte sie das Brennen von Tränen in ihren Augenwinkeln. Eilig wischte Mashiko diese mit dem Handrücken fort, dann presste sie die Fingerknöchel zu Fäusten zusammen. Es nahm ihr die Last, aber nicht die Hilflosigkeit. "V-verzeiht, hoher Herr", würgte die alte Dienerin hervor. "Ich ... verzeiht, mein Benehmen." Der Inu no Taishou unterbrach sie gutmütig: "Ich hatte nicht vor Euch zu tadeln, Mashiko." Die alte Frau erstarrte bis ins Mark. Er kannte ihren Namen? Woher? Mit glühenden Wangen sah sie zu dem Weißhaarigen hinauf, und ihr wurde bewusst, dass sie nie zuvor gewagt hatte, einen Mann - noch dazu einen Dämon - derart offen anzusehen. Izayoi hätte sie für einen solchen Blick mit freundlichen Worten bedacht, aber er wartete nur weiter ab. Vielleicht war das des Rätsels Lösung: Ihre Herrin musste ihn erwähnt haben, als sie in der Unterwelt- Ihre Fingerspitzen kribbelten zunehmend, fühlten sich an wie Karpfen, die ruhelos durch die Teiche zogen. "Seid Ihr wohlauf, Mashiko?" Ja. Ihre Lippen schienen eine halbe Ewigkeit zu benötigen, um die verdiente Antwort zu hauchen. Ob er sie verstand, vermochte sie nicht zu sagen, doch ihr Gewissen krankte an dem Umstand, dass sich weder ihre Anwesenheit, noch sein Beistand geziemten. Wie konnte sie bloß Dankbarkeit empfinden? Erleichterung? Er hatte sie dem Tod entrissen und Tajiro verscheucht. Nichts davon schien wirklich, am Wenigsten der sanfte Zug um seine Mundwinkel. Sein Gesicht war jung und trotz der dämonischen Streifen ausgeglichen und in sich ruhend. Zu allem Überdruss musterte er sie so, als hätte er längst entschieden, sie tief im Herzen mögen zu wollen. Wie verrückt! Bestürzt neigte Mashiko ihren Kopf. Sie fand Schutz in ihrer üblichen Haltung und neigte die Stirn dichter denn je auf den kühlen Boden. "Ich stehe in Eurer Schuld, hoher Herr", stellte sie flüsternd fest. "Kaum. Ich war nur zufällig in der Nähe", erwiderte der Inu no Taishou lächelnd. Dann lehnte er sich vor, neigte das Kinn: "Kehrt in Eure Gemächer zurück, sobald ich durch die Regentür verschwunden bin. Ich kann Euch kein Geleit anbieten, denn ich fürchte, Izayoi wird ihre Zuflucht nicht allzu lange schätzen. Sie wartet im Apfelbaum." Im Apfel-?! Hätte ein Kind mit der flachen Hand gegen die Riegel der Regentür geschlagen, wäre Mashiko nicht weniger blass geworden. 70 Ihr Herz schlug wild, schien sich schrittweise bis zu ihrer Kehle hinaufzukämpfen, während die Zweige bedrohlich im Wind ächzten. Die undurchdringlichen Schatten des Baumes ragten weit über Izayoi auf und obwohl sie sich darum bemühte, ihren Atem in zuversichtlichen, langen Stößen zwischen den Lippen hervorzubringen, ängstigte sie der schwere Geruch des Regens zu Tode. Sie hörte jedes Knacken, jedes Knirschen in der Rinde. Am Anfang hatte sie befürchtet, die glatte Seide ihres Kimonos würde ihren Sturz beschleunigen, doch der hohe Herr war fort gesprungen, noch bevor die Wärme seiner Hand gänzlich von ihren Fingerspitzen verschwunden war. Was ... was sollte sie bloß von diesem Einfall halten? Izayois Hand klammerte sich zitternd an den gewaltigen Stamm, während sie verzweifelt versuchte, den umher treibenden Blütenblättern nicht bis zum Erdboden zu folgen. Das Gefühl, das unter ihre Haut schlich, während sich die Baumkrone in der nächsten Böe bog, schien schlimmer als jeder Schwindel. Oh bitte ... bitte, kommt zurück. Die Fürstentochter rang nach Atem, dann versuchte sie sich mit allen Mitteln von ihrer Umgebung und Mashikos Schicksal abzulenken. Sie begann zu zählen, so weit wie ihr Verstand reichte. Am Ende angekommen, klopfte ihr Herz noch lauter und sie beeilte sich, ihre Gedanken mit den lackierten Suppenschalen, den auseinander gebrochenen Essstäbchen und den Papierrollen zu beschäftigen, die am Abend gereicht worden waren. Irgendwann sortierte sie im Geiste die Fischflossen und Seeigeleier nach Farben - und dann wogte auf einmal der Apfelbaum, als ob jemand im Schutz der heulenden Windböe versuchte, ihn an den Wurzeln voran aus dem Boden zu reißen. Einen Atemzug darauf senkte sich ein Schatten über Izayoi, angenehm und warm: "Verzeiht", raunte der Inu no Taishou mit funkelnden, goldenen Augen, ehe er das Kunststück vollbrachte, sich keinen Meter vor ihr auf den schwankenden Ast zu setzen. "Seid Ihr unversehrt?" E-erweckte sie diesen Eindruck? Die Schwarzhaarige schöpfte Atem, dünn und flirrend wie ein Insekt. "Mir wäre es nicht Unrecht gewesen, in Eurer Gesellschaft zu bleiben, hoher Herr. Seht Ihr, wie weit der Boden entfernt ist?" Erstaunt hob der Daiyoukai die Augenbrauen, ehe sein Blick an der Rinde hinabwanderte, als ob er nie zuvor über die Frage nachgedacht hätte. Er hatte erwartet, dass sie sich an den scharfen Windböen und Regentropfen stören würde, die prasselnd durch das Blätterdach schlugen - nicht an der Luft, die zwischen ihnen und den dichten, wogenden Gräsern lagen. Sein Welpe wäre nicht einmal in seiner Jugend dadurch abgeschreckt gewesen, aber ein Mensch ... wie nachlässig von ihm. Gedankenverloren musterte er das Fleckchen Erde, während die Witterung an seinem Schulterfell riss, dann sah er zurück zu den goldbestickten Apfelblüten auf Izayois Kimono. Trotz der Dunkelheit konnte er die durchnässten Fäden auf der Seide erkennen und es kostete den Herrn der Hunde wenig, um an ihren Säumen die winzigen Holzsplitter und Rindenstücke zu bemerken. "Ich werde Euren Platz beim nächsten Mal weiser wählen", versicherte er, ohne den Grund für das aufkommende Lächeln in seinen Mundwinkeln zu verraten. "Soll ich Euch zurück bringen?" Izayoi nickte prompt, und die Erleichterung über seine Hilfe sprengte endlich den Knoten in ihrem Hals. Gott sei Dank schlug er das vor! Sie hätte nicht gewusst, was eine Frau ihres Standes ohne seine Worte tun sollte, um den in voller Blüte stehenden Apfelbaum wieder zu verlassen - und spätestens in dieser Sekunde fragte sie sich, wie sie im Garten ihres Großvaters, des Daimyos der südwestlichen Gefilde, nur auf die Idee gekommen sein konnte, eine Meise zurück in ihr Nest setzen zu wollen. Als ihr der Weißhaarige jedoch die Hand hinhielt, schrak sie zusammen. Dann überflutete sie ein Gefühl, das sie wenig später als Hilflosigkeit erkannte, denn man hatte ihr ein Leben lang eingeschärft, solche Gesten zu fürchten - eine Fürstentochter berührte kaum ihre Dienerinnen, geschweige denn ein anderes Familienmitglied. Sie selbst wagte es seit Chidoris Heirat nur noch Mashiko zu umarmen, denn sogar Takemaru, ihr ältester Vertrauter aus Kindheitstagen, wies solche Gesten stocksteif zurück. Nun, natürlich, er war ein Mann und der oberste General der südwestlichen Residenz. Nie wäre Izayoi davon ausgegangen, dass ausgerechnet ein Daiyoukai auf ihre Zustimmung warten sollte. Warum setzte er sich nicht einfach über sie hinweg? Er hatte es doch bereits zweimal getan, um ihr Leben und ihren Ruf zu retten. "Ihr zögert?" "Ich ... ich verstehe das nicht." Izayoi sah ihn scheu an, und sie gab ihr Bestes darin die eiskalten Regentropfen zu übergehen, die sie schaudern ließen. So sehr sie sich die Nähe einer wärmenden Kohlenpfanne und trockene Kleider wünschte; er verunsicherte sie. "Ihr kennt mich erst wenige Tage, und dennoch nehmt Ihr Rücksicht? Ihr seid so-" "-so anders?" "Ein wenig, ja", wich sie ihm flüsternd aus. "Lernt mich besser kennen", bot der Herr der Hunde an und entließ lächelnd die Luft aus seinen Lungen. Dann spürte er dem Kribbeln in seinen Fingerspitzen nach und stützte das Kinn auf die Handfläche. "Ich habe Euch nicht darum gebeten mit mir Zeit zu verbringen, um einen Vorwand zu bekommen, Euch mit meinen eigenen Taten zu ängstigen. Euer Leben bedeutet mir mehr als das." Ihm waren so viele Jahrhunderte lang keine Gründe eingefallen, seine Vergangenheit zu teilen. Wie hätte er Izayoi gegenüber etwas Anderes anbringen können? Sein Berater, Myouga, war so oft darum bemüht gewesen, ihm die Sorgen mit ähnlichen Zugeständnissen zu nehmen, aber der Flohgeist hatte nie sein eigen Fleisch und Blut begraben müssen und focht seit vielen Monden eine Schlacht, dessen Gegner er nicht verstand. Sesshoumarus Weg fiel ungleich bedrückender aus: Er hatte sich früh der Gewohnheit seiner Eltern angepasst, sämtliche Gefühle von seiner Zunge zu verbannen, und suchte sein Heil in heftigen Auseinandersetzungen. "H-hoher Herr?" "Ich sollte Euch zurück bringen", raunte der Weißhaarige gedankenversunken. "Betrübt Euch dieser Umstand?" Der Wind frischte auf, dann vermischte sich das Heulen mit dem Knarzen des Apfelbaums und brachte die Blütenblätter in einem Wirbel aus Regen dazu, zu Hunderten in der Luft zu tanzen. Die Fürstentochter verfolgte ihr Spiel, denn das war einfacher als sich in der Stille darauf zu besinnen, dass ihre Zehen unter den Tabi in der klammen Frühjahrskälte schmerzten. Aus den Augenwinkeln sah Izayoi jedoch noch immer die Kontur seiner Klauen, die von der Nacht in ein dunkles Grau gehüllt wurden. Eigenartig. Sie fürchtete sich unverändert davor, seine Hand zu ergreifen, aber als der Daiyoukai die Mundwinkel hob, fiel es ihr erstaunlich schwer, ihre Ängste mit dem warmen Leuchten seiner goldenen Augen zu vereinbaren. Es war das seltsamste Gefühl, das sich je in ihrem Herzen eingefunden hatte. "Stimmt etwas nicht?", flüsterte Izayoi. "Ich dachte nur an meinen Sohn", erwiderte der Herr der Hunde samtig, bevor er die Fingerspitzen zu ihrer Wange hob und die höfliche Distanz zwischen ihnen überbrückte. Behutsam schob er eine Haarnadel nach der anderen zurück an ihren Platz und musterte die Papierblüten, die fast so laut knisterten wie der Atemzug Izayois. Er benötigte jede einzelne von ihnen, um seine Stimme zu dämpfen: "Es ist lange her, dass ich ihm gewünscht habe, dasselbe zu empfinden wie ich, Izayoi. Ich frage mich ..." Sein Blick glitt an ihren dichten Wimpern entlang, aber dann - dann verwarf er seinen Satz und alle Gedanken, die er mit sich gebracht hätte, so rasch wie sie gekommen waren. "Ihr werdet Euch an diesem Ort erkälten, wenn Ihr noch länger bleibt." - - - - - - - Kapitel #17, "Hibiskus", stellt so Einige auf die (Gedulds-)Probe. Leserfrage: Was hörst du, während du aus der Sicht Inu no Taishōs schreibst? - Youtube: Lee Brice "Hard to love" - Youtube: Inu no Taisho "Light 'em up" - Youtube: Inutaisho "Through Heavens Eyes" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)